Berliner Ärzt:innen - Bis zuletzt. Wie können Ärzt:innen Menschen am Lebensende beistehen?

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Berliner Ärzt:innen - Bis zuletzt. Wie können Ärzt:innen Menschen am Lebensende beistehen?
Berliner

                                 MITGLIEDERZEITSCHRIFT
                                 ÄRZTEKAMMER BERLIN
                                 AUSGABE 1 / 2023
Ärzt:innen

Bis zuletzt.
Wie können Ärzt:innen Menschen
am Lebensende beistehen?
Berliner Ärzt:innen - Bis zuletzt. Wie können Ärzt:innen Menschen am Lebensende beistehen?
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Berliner Ärzt:innen - Bis zuletzt. Wie können Ärzt:innen Menschen am Lebensende beistehen?
BERLINER ÄRZT:INNEN
  EDITORIAL                                                                                    AUSGABE 1 / 2023 

                                   Liebe Kolleginnen
                                   und Kollegen,
                                   wie ein Regenbogen erhebt sich das Leben von der Geburt und senkt sich hin zum
                                   Tod. Er schillert in vielen Farben, erscheint mal klar und groß oder auch verklärt
Prof. Dr. med.                     und fern. Anfang und Ende gleichen sich in ihrer Unbestimmtheit. Und immer ist
Jörg Weimann (DEAA)                es vorübergehend. Die eigene Geburt geschieht mit uns – aber wie ist das mit Ster-
ist Facharzt für Anästhesiologie
                                   ben und dem Tod?
und Vorsitzender des Arbeits-
kreises „Ärztlich assistierter
Suizid“ der Ärztekammer Berlin.    Im Februar 2020 erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Urteil
Foto: Kathleen Friedrich           den § 217 Strafgesetzbuch (StGB) zur geschäftsmäßigen Suizidhilfe für verfassungs-
                                   widrig. Damit definierte es, dass zum Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht
                                   nur die Entscheidung gehört, wie ich leben möchte, sondern auch, wie und wann
                                   ich sterben möchte. Die Unbestimmtheit weicht also einer Verfügbarkeit. Und
                                   noch weitergehend habe ich explizit das Recht, mir Hilfe bei anderen zu suchen,
                                   sollte ich bei der Umsetzung meines Todeswunsches Hilfe benötigen. Aber an wen
                                   sollte ich mich dazu wenden?

                                   Das BVerfG hat dem Gesetzgeber auch aufgegeben, sicherzustellen, dass Men-
                                   schen nur dann Hilfe zum Suizid erhalten können, wenn ihre Entscheidung frei-
                                   verantwortlich und dauerhaft getroffen wird. Erst dann steht der Umsetzung nichts
                                   mehr im Weg. Und hier richtet sich der Fokus gemäß der drei vorliegenden Ge-
                                   setzentwürfe auf uns, die Ärzt:innenschaft in Deutschland.

                                   Nun betont das BVerfG, dass diese gesetzlichen Regelungen – im Gegensatz zu
                                   denen unserer Nachbarländer – keineswegs nur auf die Situation einer schweren,
                                   unheilbaren und absehbar zum Tode führenden Erkrankung beschränkt sein dür-
                                   fen, sondern die Suizidassistenz ebenso auch Gesunden zusteht. Ärztliche Assis-
                                   tenz bei der Umsetzung eines Suizidwunsches eines gesunden Menschen?

                                   Es besteht kein Zweifel, dass die Äußerung eines Suizidwunsches Ausdruck einer
                                   Notlage ist, in der wir als Ärzt:innen unsere Hilfe anbieten werden. Auch gehört
                                   selbstverständlich die Begleitung Sterbender inklusive der Linderung ihrer Be-
                                   schwerden und Leiden zu den ärztlichen Aufgaben. Und es mag bei schwerer oder
                                   unerträglicher Erkrankung nach wohlabgewogener ärztlicher Gewissensentschei-
                                   dung im Einzelfall die Mitwirkung an einem Suizid möglich sein. Aber es dürfte
                                   kaum mit dem ärztlichen Berufsethos vereinbar sein, dass Ärzt:innen, die dem
                                   Leben und der Gesundheit der Patient:innen verpflichtet sind, Personen bei der
                                   Umsetzung ihrer Suizidwünsche helfen, die im Wesentlichen körperlich und see-
                                   lisch gesund sind.

                                   Wie definiert sich also unsere Rolle beim assistierten Suizid? Wir müssen unsere
                                   Haltung finden.

                                   Ihr

                                                                                                                        3
Berliner Ärzt:innen - Bis zuletzt. Wie können Ärzt:innen Menschen am Lebensende beistehen?
Inhalt
    EDITORIAL                                                 POLITIK & PRAXIS

Begrüßung von Jörg Weimann                               3   An wen kann ich delegieren?               34
                                                             Nicht-ärztliche:r Praxisassistent:in –
                                                             eine Fortbildung im Porträt
    KURZ NOTIERT
                                                             Überprüfung, Beratung und                 36
Aktuelles / Nachrichten                                  6   fachlicher Austausch
                                                             Ehrenamtliche Gutachter:innen für die
                                                             ÄSQSB gesucht
    AUS DER KAMMER
                                                             „Für uns sind die ‚Babylotsen‘ Teil des   37
Therapieziel Tod – von der Herausforderung              22   medizinischen Gesundheitssystems“
des ärztlich assistierten Suizids                            Von Heike Grosse
Bericht von der Delegiertenversammlung am
16. November 2022                                            Personalien                               41
Von Ole Eggert                                               Christoph Seidler zum 80. Geburtstag

Weiterbilden mit der                                    26   CIRS Berlin                               42
neuen Weiterbildungsordnung                                  Verabreichung von Metamizoltropfen

Veranstaltungen zur ärztlichen Weiterbildung            27   „Das Leben ist zu kurz fÜr                43
                                                             langweile Fortbildungen“
Bestandene Facharztprüfungen                            28   Von René Pschowski
November und Dezember 2022

Ärztliche Fortbildung                                   31    KULTUR & GESCHICHTE
Veranstaltungen zur ärztlichen
Fortbildung                                                  Freitagabend.                             44
                                                             Tischgespräche von Eva Mirasol
Medizinische Fachangestellte                            33
Veranstaltungshinweise
                                                             Impressum                                 45

 Titelbild und fotografische Begleitung des Titelthemas
 Dr. med. Thomas Schindler ist Arzt für Allgemeinmedizin
 mit Schwerpunkt Palliativmedizin. Er betreut mehrere Tage
 pro Woche unheilbar Kranke in ihrem häuslichen Umfeld.
 OSTKREUZ-Fotografin Sibylle Fendt hat ihn begleitet.

      → www.instagram.com/aekberlin             → www.twitter.com/aekberlin

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Berliner Ärzt:innen - Bis zuletzt. Wie können Ärzt:innen Menschen am Lebensende beistehen?
BERLINER ÄRZT:INNEN
                                      AUSGABE 1 / 2023 

IM FOKUS

Bis zuletzt. Wie können Ärzt:innen                12
Menschen am Lebensende beistehen?
Was juristisch und politisch zum Thema „assistier­
ter Suizid“ entschieden wird, ist für Ärzt:innen
von höchster Bedeutung. Drei Gesetzentwürfe und
etliche Stellungnahmen liegen inzwischen dazu
vor. Zudem diskutiert ein Arbeitskreis der Ärzte­
kammer Berlin offene Fragen und bereitet berufs­
rechtlich relevante Empfehlungen vor.
Von Dr. Adelheid Müller-Lissner

                                         Die meisten Patient:innen be-
                                         sucht Dr. med. Thomas Schindler
                                         in ihrem Zuhause. Sein Anliegen
                                         ist es, dass sie den letzten Ab-
                                         schnitt ihres Lebens in ihrem
                                         gewohnten Umfeld verbringen
                                         können, möglichst schmerzfrei
                                         und selbstbestimmt.

                                                                       5
Berliner Ärzt:innen - Bis zuletzt. Wie können Ärzt:innen Menschen am Lebensende beistehen?
KURZ NOTIERT

Kammerwahl 2023
Personalisierte Wahlwerbung erhalten?
So können Sie der Auskunftserteilung widersprechen

Im Herbst 2023 findet die Wahl zur 16. Delegiertenversamm-       In diesem Fall werden Ihre Daten nicht herausgegeben. Sie
lung (DV) der Ärztekammer Berlin statt. Verschiedene be-         erhalten keine postalische Wahlwerbung, können sich aber
rufspolitische Listen werden als sogenannte Wahlvorschläge       auf unserer Webseite → www.aekb.de oder in der Mitglieder-
um die 45 zur Wahl stehenden Sitze in der DV konkurrieren.       zeitschrift „Berliner Ärzt:innen“ über die Wahlvorschläge und
                                                                 ihre Bewerber:innen informieren.
Um sich und ihr Wahlprogramm zu präsentieren und so Stim-
men für ihren Wahlvorschlag zu sammeln, werden die Listen                So können Sie der Auskunftserteilung
Wahlwerbung machen. Gegebenenfalls möchten sie hierfür                   widersprechen
wahlberechtigte Kammermitglieder anschreiben. Dazu kön-          Sie können Ihren Widerspruch bis zum 31. August 2023 on-
nen sie von der Ärztekammer Berlin die nachfolgend aufge-        line vornehmen. Dazu benötigen Sie einen personalisierten
führten Daten von Gruppen von Wahlberechtigten verlangen,        Zugriffscode. Diesen Code und eine Anleitung zum Vorgehen
soweit diese der Auskunftserteilung nicht widersprochen          erhalten Sie zusammen mit Ihren Beitragsunterlagen.
haben:
                                                                           Sie können Ihren Widerspruch über den 31. August
→   Vor- und Nachnamen                                                     2023 hinaus auch mit einem Widerspruchsformular
→   derzeitige Anschriften                                       schriftlich erklären. Weitere Informationen dazu entnehmen
→   Weiterbildungsanerkennungen                                  Sie bitte ebenfalls Ihren Beitragsunterlagen.
→   akademische Grade und Titel
                                                                 Sofern Ihr Widerspruch nach dem 31. August 2023 bei uns
Die Daten dürfen nur für Zwecke der Wahlwerbung verwen-          eingeht, kann eine Auskunftserteilung bereits stattgefunden
det werden; sie sind spätestens einen Monat nach dem Ende        haben. Ihr Widerspruch kann dann gegebenenfalls erst für
des Wahlzeitraums zu löschen. Die Rechtsgrundlage für diesen     folgende Auskunftserteilungen berücksichtigt werden.
Vorgang findet sich in § 5 Absatz 9 Berliner Heilberufekammer-
gesetz in Verbindung mit § 14 Absatz 4 und 5 Ordnung für die     Ihr Widerspruch gilt für sämtliche Wahlen zur Delegierten-
Wahl zur Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin           versammlung der Ärztekammer Berlin, solange, bis Sie ihn
(Wahlordnung).                                                   wieder zurücknehmen. Die Widerspruchserklärung kann
                                                                 nur einheitlich abgegeben und nicht auf bestimmte Wahl-
Widerspruch                                                      vorschläge beschränkt werden. ∕
Wenn Sie nicht möchten, dass Ihre Daten von der Ärztekam-
mer Berlin an die Wahllisten zum Zwecke der Wahlwerbung          Kammermitgliedschaft / Berufsbildung /
herausgegeben werden, können Sie dem widersprechen.              EU- und Kammerrecht (KBR)

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STELLENANGEBOT

Zur Verstärkung unserer Abteilung 2 - Fortbildung / Qualitätssicherung
suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen

Arzt (m/w/d)
für die ärztliche Fortbildung
in Teilzeit (50 Prozent), zunächst befristet für 24 Monate.
Eine langfristige Zusammenarbeit wird angestrebt.

Ihre Aufgaben:
→ Erstellung von Bescheiden und Bearbeitung von Widersprüchen bei Anträgen zur CME-Anerkennung ärztlicher
   Fort­bildungsmaßnahmen entsprechend der Fortbildungsregularien der Ärztekammer Berlin
→ fachliche Unterstützung der Sachbearbeitung bei der Bearbeitung von CME-Anträgen und Fortbildungspunktekonten
   der Kammermitglieder
→ Entwicklung neuer Fortbildungsangebote im Kontext der ärztlichen Berufsausübung
→ Bearbeitung fortbildungsrelevanter Themen und Anfragen sowie weiterer Fragestellungen im Kontext der
   ärztlichen Berufsausübung
→ Vorbereitung und Umsetzung von Entscheidungen der zuständigen Gremien der Ärztekammer Berlin

Sie arbeiten in einem engagierten Team. Gelegentlich sind Abend- und Samstagstermine wahrzunehmen.

Ihre persönlichen und beruflichen Kompetenzen:
→ abgeschlossenes Hochschulstudium der Humanmedizin, idealerweise mit mehrjähriger Berufserfahrung
→ hohes Interesse an qualitativ hochwertigen ärztlichen Fort- und Weiterbildungsangeboten sowie an Verwaltungs-
   und Gremienarbeit
→ hohes Verantwortungsbewusstsein, methodisches Vorgehen sowie eine strukturierte ergebnisorientierte und
   sorgfältige Arbeitsweise
→ sehr gute Deutschkenntnisse mit einer sicheren Ausdrucksfähigkeit in Wort und Schrift
→ kompetentes und teamorientiertes Auftreten mit hoher Dienstleistungsorientierung
→ sicherer Umgang mit Standardsoftware, insbesondere MS Office-Produkten

Unser Angebot:
→ anspruchsvolle selbstständige Tätigkeit in einem wertschätzenden Arbeitsumfeld
→ Teilzeit mit 19,25 Std./Woche sowie 30 Tage Urlaub im Jahr (bei einer 5-Tage-Woche)
→ im öffentlichen Dienst angemessene Vergütung, Urlaubsgeld und „Weihnachtsgeld“, betriebliche Altersvorsorge (VBL),
  Kinderzulage, vermögenswirksame Leistungen
→ flexible Arbeitszeiten zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben unter Berücksichtigung dienstlicher Belange
→ gründliche Einarbeitung sowie bedarfsgerechte Fortbildungsangebote
→ modern und kommunikativ ausgerichtetes Arbeitsplatzkonzept
→ gute Verkehrsanbindung sowie ein Arbeitgeberzuschuss zum Firmenticket
→ Beschäftigung bei einer zuverlässigen und sicheren Arbeitgeberin

Haben wir Ihr Interesse geweckt?
Die vollständige Anzeige finden Sie auf unserer Website → www.aekb.de/stellenangebote. Dort können Sie sich bis zum
28. Februar 2023 direkt online über unser Bewerbungsportal bewerben. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Hinweise:
Die Ärztekammer Berlin gewährleistet unabhängig vom Geschlecht die berufliche Gleichstellung und fördert die Vielfalt unter
den Beschäftigten. Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung, Befähigung und Leistung besonders berücksichtigt.

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Berliner Ärzt:innen - Bis zuletzt. Wie können Ärzt:innen Menschen am Lebensende beistehen?
KURZ NOTIERT

Veranstaltung
Medizinische Versorgung von Wohnungslosen – Was kann ich konkret tun?
                               Fast 50.000 Menschen in Ber-      Termin:
                               lin sind Schätzungen zufolge      Mittwoch, 22. März 2023 von 19:30 bis 21:00 Uhr
                               wohnungslos. Oft haben sie
                               keinen Zugang zu einer ange-      Programm:
                               messenen medizinischen Ver-       → 19:30–19:40 Uhr
Foto: Johanna Maria Fritz,     sorgung. Und obwohl viele           Grußwort
OSTKREUZ / Ärztekammer Berlin Ärzt:innen Interesse und Be-         PD Dr. Peter Bobbert, Präsident der Ärztekammer Berlin
                               reitschaft haben, sich in die-    → 19:40–19:55 Uhr
sem Bereich zu engagieren, fehlen oftmals Informationen            Clearingstelle für nicht krankenversicherte Menschen
über die Möglichkeiten dazu. Nicht selten bestehen auch Be-        Louise Zwirner, Leitung Clearingstelle, Berliner Stadt-
denken zum richtigen Umgang mit den Betroffenen.                   mission, und Dr. med. Volker Westerbarkey MScIH,
                                                                   Facharzt für Allgemeinmedizin
Daher möchten wir Ihnen die Möglichkeit geben, sich unver-       → 19:55–20:10 Uhr
bindlich zu informieren und in den Austausch zu gehen. Sie         Mitarbeit in der Ambulanz der Berliner Stadtmission
sind daher herzlich zur Teilnahme an der Informationsver-          Svetlana Krasovski-Nikiforovs, Leitung Ambulanz,
anstaltung eingeladen:                                             Berliner Stadtmission
                                                                 → 20:10–20:25 Uhr
                                                                   Mitarbeit im Arztmobil der Caritas
                                                                   Martin Weber, Projektleitung Caritas Ambulanz &
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                                                                   Arztmobil
                                                                 → 20:25–20:40 Uhr
                                                                   Erfahrungsbericht
                                                                   Dr. med. Peter Schüller, Facharzt für Haut- und
                                                                   Geschlechtskrankheiten
                                                                 → 20:40–21:00 Uhr
                                                                   Fragen

                                                                 Die Veranstaltung findet in der Ärztekammer Berlin statt:
                                                                 Friedrichstraße 16, 10969 Berlin. Um vorherige Anmeldung
                                                                 per E-Mail an E stabsstelle@aekb.de wird gebeten. ∕

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Berliner Ärzt:innen - Bis zuletzt. Wie können Ärzt:innen Menschen am Lebensende beistehen?
Berliner Ärzt:innen - Bis zuletzt. Wie können Ärzt:innen Menschen am Lebensende beistehen?
KURZ NOTIERT

Bundesinstitute
Forum für den Öffentlichen Gesundheitsdienst
Das Forum für den Öffentlichen Gesundheitsdienst wird vom         den Teilnehmenden und Fachleuten anderer Institute zum
19. bis 21. April 2023 gemeinsam vom Robert Koch-Institut         Themenkomplex Klimaschutz/Klimaanpassung und Gesund-
(RKI), dem Umweltbundesamt (UBA) und dem Bundesinsti-             heit ins Gespräch kommen. Weiterhin informiert das UBA
tut für Risikobewertung (BfR) angeboten. An der Veranstal-        unter anderem über den Entwurf zur neuen EU-Luftqualitäts-
tung können Interessierte online teilnehmen. Die Möglichkeit      Direktive, das BfR über den Nutzen und die Risiken von Vita-
einer Teilnahme vor Ort ist geplant. Sollte diese möglich sein,   min D-Präparaten und das RKI über Integrierte Molekulare
ist der Veranstaltungsort der Hörsaal des BfR im Dieders-         Surveillance (IMS) verschiedener Krankheitserreger. Zudem
dorfer Weg 1, 12277 Berlin-Marienfelde.                           bietet das RKI am Mittwochmorgen einen Online-Workshop
                                                                  zur Kommunikations- und Kollaborationsplattform Agora an
Die Veranstaltung richtet sich an Mitarbeitende von Gesund-       (Anmeldung erforderlich) an.
heitsämtern, Medizinalämtern, veterinärmedizinischen und
chemischen Untersuchungsämtern, an Hygienebeauftragte             Die Anerkennung als Fortbildung für Ärztinnen und Ärzte und
von Krankenhäusern sowie an Mitarbeitende anderer staat-          die ATF-Anerkennung für Tierärztinnen und Tierärzte werden
licher Einrichtungen. In den drei Tagen stellen die Bundes-       beantragt. Weiterhin ist die Zertifizierung durch die Apothe-
institute Arbeitsergebnisse, Forschungen und aktuelle The-        kerkammer und die Zertifizierungsstelle für die Fortbildung
men aus ihren jeweiligen Aufgabenbereichen vor: das Um-           von Lebensmittelchemiker:innen geplant. Die Teilnahme ist
weltbundesamt zu umweltbedingten Gesundheitsrisiken,              kostenfrei, aber nur nach einer Anmeldung möglich. Das voll-
das Robert Koch-Institut zu Public Health, Infektionen und        ständige Programm des Forums für den Öffentlichen Gesund-
Hygiene und das Bundesinstitut für Risikobewertung zur            heitsdienst 2023 sowie das Anmeldeformular finden Inter-
Sicherheit von Lebensmitteln und verbrauchernahen Pro-            essierte unter → www.bfr-akademie.de/deutsch/
dukten.                                                           oegd2023.html.

Geplant sind institutsübergreifende Themenblöcke zu den           Bei weiteren Fragen wenden Sie sich gerne per E-Mail an die
Themen Antibiotikaresistenz, Salmonellen sowie der Nut-           BfR-Akademie: E akademie@bfr.bund.de. ∕
zung aufbereiteter Abwässer in der Landwirtschaft. Bei ei-
ner Podiumsdiskussion wollen die Veranstalter:innen mit

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BERLINER ÄRZT:INNEN
                                                                                                AUSGABE 1 / 2023 

Leitungswechsel und neue Strukturen

                    Aus Berliner Krankenhäusern wurden                                                 Berliner
                    uns folgende Änderungen gemeldet:                                                  Ärzt:innen
                                                                                                     können Sie auch auf
                    Informationen über Veränderungen bitte an:   E   redaktion@aekb.de
                                                                                                     unserer Website lesen:
                                                                                          → www.aekb.de/mitgliederzeitschrift
 St. Joseph Krankenhaus Berlin Tempelhof

 Dr. med. Caroline Schmitt hat zum           an verschiedenen Universitätsklini-
 1. Januar 2023 die Position der Chef-       ken tätig. An der Mariahilf Klinik leite-
 ärztin der Klinik für Kinder- und Jugend-   te Schmitt die Arbeitsgruppe Neona-
 medizin im St. Joseph Krankenhaus           tologie des Helios Konzerns und war
 Berlin Tempelhof übernommen. Sie            Erste Vorsitzende der Vereinigung
 folgt auf Dr. med. Beatrix Schmidt,         Hamburger Kinderärzte. Schmitt ver-         Sagen Sie uns Ihre Meinung zu den
 die in den Ruhestand gegangen ist. Seit     fügt über die Schwerpunktbezeichnun-        Artikeln in „Berliner Ärzt:innen“. Was
 2014 war Schmitt Chefärztin der Pä-         gen Neonatologie sowie Kinderkardi-         gefällt Ihnen, was nicht und vor allem,
 diatrie an der Helios Mariahilf Klinik      ologie und die spezielle Weiterbildung      welche Themen fehlen Ihnen?
 Hamburg und davor rund 20 Jahre             Pädiatrische Intensivmedizin. ∕             Schreiben Sie uns:
                                                                                          E redaktion@aekb.de

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IM FOKUS

            Bis zuletzt.
            Was juristisch und politisch zum Thema
            „assistierter Suizid“ entschieden wird, ist
            für Ärzt:innen von höchster Bedeutung.
            Drei Gesetzentwürfe und etliche Stellung­
            nahmen liegen inzwischen dazu vor. Ein
            Arbeitskreis der Ärztekammer Berlin dis­
            kutiert die offenen Fragen und bereitet
            berufsrechtlich relevante Empfehlungen
            vor.

            Text: Dr. Adelheid Müller-Lissner
            Fotos: Sibylle Fendt, OSTKREUZ / Ärztekammer Berlin

                                                           Dr. med. Thomas Schindler be-
                                                           treut seit 1995 unheilbar Kranke
                                                           in ihrer vertrauten häuslichen
                                                           Umgebung. Berlin war damals
                                                           Vorreiter in der ambulanten
                                                           Palliativmedizin. Seit 2007 haben
                                                           Betroffene in Deutschland einen
                                                           gesetzlichen Anspruch auf
                                                           „Spezialisierte Ambulante Pallia-
                                                           tivversorgung“ (SAPV). Neben
                                                           der medizinischen Versorgung
                                                           bringt Schindler vor allem Zeit
                                                           mit. Er hört zu und spricht mit
                                                           seinen Patient:innen über deren
                                                           Alltag, über Schmerzen und kör-
                                                           perliche Schwäche, über ihre
                                                           Ängste.

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BERLINER ÄRZT:INNEN
                                                                                              AUSGABE 1 / 2023 

Es ist erst sieben Jahre her, dass der Deutsche Bundestag        Schutz des Lebens auflöst.“ Dazu will diese Gruppe um Prof.
dieses Gesetz verabschiedete: Am 3. Dezember 2015 wurde          Dr. Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU) einen Bei-
mit dem „Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen För-       trag mit ihrem Entwurf leisten. Es treibt sie die starke Sorge,
derung der Selbsttötung“ dem deutschen Strafgesetzbuch           die „autonome Selbstbestimmung Dritter“ könne negativ
(StGB) der Paragraf 217 hinzugefügt. Nicht zuletzt wegen der     beeinflusst werden, wenn es in einer Gesellschaft leicht
vielen gesellschaftlichen – auch ärztlich-berufspolitischen –    möglich ist, geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung in An-
Debatten, die dem vorausgingen, ist das noch vielen Ärzt:in-     spruch zu nehmen. Und wenn das Erwartungshaltungen ge-
nen sehr präsent.                                                genüber Schwerkranken beeinflusst. „Das Ausschlagen von
                                                                 Suizidangeboten darf nicht rechtfertigungsbedürftig werden.“
Wahrscheinlich ist es durch die Wirren der Corona-Anfangs-       Die Abgeordneten schlagen deshalb vor, einen veränderten,
zeit zu erklären, dass ein Urteil des Bundesverfassungsge-       mit einer Ausnahmeregelung versehenen Paragrafen 217 im
richtes (BVerfG) vom 26. Februar 2020 zunächst weniger Auf-      Strafgesetzbuch zu behalten. Das verschafft ihnen eine Son-
sehen erregte. Angesichts seines Inhalts ist das dennoch er-     derstellung unter den drei vorliegenden Gesetzentwürfe zu
staunlich. Denn durch das Urteil wurde das Gesetz von 2015       diesem Thema.
samt der Ergänzung im StGB als mit dem Grundgesetz und
dem dort formulierten Schutz der Persönlichkeitsrechte un-       Nur wenn folgende Bedingungen erfüllt sind, soll es straffrei
vereinbar und damit für nichtig erklärt. Somit ist die „ge-      möglich sein, einem anderen Menschen beim Suizid zu helfen:
schäftsmäßige“ Suizidhilfe, also eine auf wiederholte Hilfe      Zunächst müsse „nach einer in der Regel zweimaligen Un-
zur Selbsttötung angelegte Tätigkeit von Organisationen,         tersuchung durch einen Facharzt / eine Fachärztin für Psy-
Vereinen und Einzelpersonen, grundsätzlich wieder straf-         chiatrie und Psychotherapie im Abstand von drei Monaten“
frei möglich.                                                    festgestellt werden, dass die Entscheidung zur Selbsttötung
                                                                 frei verantwortlich getroffen wurde. Zweitens sei dann eine
Für den Gesetzgeber ging es in gewisser Weise wieder zu-         „umfassende ergebnisoffene Beratung in einem auf die Si-
rück zum Start, wenn auch auf einer neuen Ebene, denn das        tuation des/der Betroffenen angepassten interdisziplinären
BVerfG hat klare Worte zum Recht auf eine selbstbestimmte        Ansatz“ erforderlich. Insbesondere bei Vorliegen einer nicht
Sterbeentscheidung gesprochen. Auch die Ärzt:innenschaft         heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Er-
ist von den Entwicklungen unmittelbar betroffen. „Wenn           krankung und einer begrenzten Lebenserwartung könne die
wir gar nichts täten, hätten wir den Status quo ante, ohne       Freiverantwortlichkeit der Entscheidung über die Selbsttö-
ein Schutzkonzept. Das können wir als Ärzte nicht wollen“,       tung im Ausnahmefall auch nach einem einzigen Untersu-
sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. med.        chungstermin getroffen werden. Drittens sieht dieser Ent-
Klaus Reinhardt im Oktober bei einer Veranstaltung der Reihe     wurf flankierend ein strafbewehrtes Verbot für bestimmte
„BÄK im Dialog“.                                                 Formen der Werbung der Hilfe zu Selbsttötung vor, „um der
                                                                 gesellschaftlichen Normalisierung der Hilfe zur Selbsttötung
Drei Gesetzentwürfe                                              wirksam entgegenzuwirken“. Bei einer öffentlichen Anhörung
Auch der Staat könne das nicht wollen, denn er habe in dieser    des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags Ende
Frage eine Schutzpflicht gegenüber den Sterbewilligen, be-       November 2022 wurde allerdings deutlich, dass dieser „Cas-
tont eine Gruppe von mehr als 100 Bundestagsabgeordneten         tellucci“-Entwurf nach Ansicht mehrerer juristischer Expert:in-
in der Einleitung zu einem von ihnen eingebrachten Gesetz-       nen nur schwer mit dem Verständnis des BVerfG von einem
entwurf mit dem sperrigen, aber informativen Titel „Ent-         Recht auf selbstbestimmtes Sterben in Einklang zu bringen
wurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen        ist – im Unterschied zu den beiden anderen Entwürfen.
Hilfe zur Selbsttötung und zur Sicherstellung der Freiverant-
wortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung“. Die Schutz-     Kriterium „gegenwärtige medizinische Notlage“
pflicht des Staates beinhalte es, „dafür Sorge zu tragen, dass   Unter den Kurztitel „Selbstbestimmtes-Sterben-Gesetz“ stel-
der Entschluss zur Selbsttötung nicht nur auf einer vorüber-     len rund 50 Abgeordnete um Renate Künast (Bündnis 90 /
gehenden Lebenskrise oder auf einer psychosozialen Ein-          Die Grünen) und Dr. Nina Scheer (SPD) ihren Gesetzesvor-
flussnahme beruht und keine psychische Erkrankung oder           schlag. Als Ziel wird gleich zu Beginn der sichere Zugang zu
eine mangelnde Aufklärung und Beratung dem Selbsttötungs-        bestimmten Betäubungsmitteln genannt, mit denen sich Be-
entschluss zugrunde liegt“.                                      troffene ihren Suizidwunsch erfüllen können. Dabei unter-
                                                                 scheiden die Autor:innen deutlich zwischen zwei Gruppen
Diese staatliche Schutzpflicht bedürfe der Ausgestaltung und     von Betroffenen: Menschen, die ihren Tod aufgrund einer
Konkretisierung. „Es ist daher Aufgabe des Gesetzgebers,         schweren Krankheit, also aus einer „gegenwärtigen medi-
ein konsistentes Regelungskonzept zu entwickeln, welches         zinischen Notlage“ heraus anstreben, und anderen, die das
das Spannungsverhältnis zwischen Selbstbestimmung und            ohne eine solche Lebenssituation tun. Nur im ersten Fall

                                                                                                                            13
IM FOKUS

soll die Ärzt:innenschaft bei der Prüfung der Frage, ob das         festzulegen. Staatlich anerkannte, wohnortnahe Beratungs-
„benötigte Hilfsmittel“ zur Verfügung gestellt werden sollte,       stellen, die auch von freien Trägern oder von Ärzt:innen ein-
eine entscheidende Rolle spielen. Als Hilfsmittel wird hier         gerichtet werden können, aber auf jeden Fall unabhängig
ausdrücklich das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital             von Einrichtungen mit dem Angebot zur Suizidhilfe arbeiten
genannt.                                                            müssen, sollen Suizidwillige umfassend informieren und be-
                                                                    raten. Ärztinnen und Ärzte wiederum dürften, anschließend
Den Initiator:innen dieses Entwurfes ist es wichtig, dass im        an eine höchstens acht Wochen, mindestens aber zehn Tage
zweiten Fall, also bei gesunden Sterbewilligen, höhere An-          zurückliegende Beratung, einer Person, „die aus autonom
forderungen an die Betroffenen gestellt werden, was die             gebildetem, freiem Willen ihr Leben im Sinn des § 3 beenden
glaubhafte Darlegung des Sterbewunsches, seiner Ursache             möchte“, ein Arzneimittel zum Zweck der Selbsttötung ver-
und seiner Dauerhaftigkeit betrifft. Schon wegen des „Selbst-       schreiben. Details dieser Suizidhilfe per Rechtsverordnung
bildes der Ärzteschaft“ dürften diese in solchen Fällen ohne        zu regeln, etwa zur fachlichen Qualifikation der Ärzt:innen,
medizinische Notlage nicht in eine entscheidende Rolle ge-          zu Meldepflichten und zur Vergütung, soll nach dem Willen
drängt werden. Wichtig seien dagegen zugelassene Bera-              dieser Gruppe von Abgeordneten Aufgabe des Bundesge-
tungsstellen und eine Landesstelle, die jeweils für den Zu-         sundheitsministeriums sein. Das Betäubungsmittelgesetz
gang zum Betäubungsmittel zuständig ist.                            soll so verändert werden, dass es die ärztliche Verschreibung
                                                                    der nötigen Medikamente ermöglicht. Neben einem jährlichen
Das „Selbstbestimmte-Sterben-Gesetz“ enthält zudem eine             Bericht der Bundesregierung über vorgenommene Beratun-
Pflicht zur Evaluierung: Spätestens drei Jahre nach Inkraft-        gen und Verschreibungen sieht der Gesetzentwurf ebenso
treten soll nach dem Willen der Verfasser:innen die Bundes-         wie der von Künast und Scheer eine Evaluierung der Wirk-
regierung dem Parlament über die Auswirkungen Bericht               samkeit des Gesetzes vor, erstmals nach drei Jahren. Als ein-
erstatten. Werbung in grob anstößiger Weise für Leistungen          ziger Entwurf enthält der von Helling-Plahr, Lauterbach und
im Rahmen des Gesetzes soll als Ordnungswidrigkeit ge-              Sitte auch die Einschränkung der Gültigkeit für Menschen
ahndet werden.                                                      „mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutsch-
                                                                    land“. So möchte man verhindern, dass die Bundesrepub-
Suizidhilfe per Rechtsverordnung                                    lik zum „Land des internationalen Sterbetourismus“ wird.
Der dritte Entwurf, vorgebracht unter dem Titel „Entwurf
eines Gesetzes zur Regelung der Suizidhilfe“ von rund 80            Änderung der (Muster-)Berufsordnung
Abgeordneten um Katrin Helling-Plahr, Prof. Dr. med. Karl           Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes bestand
Lauterbach (SPD) und Dr. Petra Sitte (Die Linke), setzt schon       auch berufspolitisch Handlungsbedarf. Am 5. Mai 2021 wurde
in seiner Wortwahl und mit der vorangestellten Problem-             beim 124. Deutschen Ärztetag beschlossen, das ausdrück-
beschreibung einen deutlich anderen Akzent: Wenngleich              liche berufsrechtliche Verbot ärztlicher Suizidhilfe aus der
seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes die Beihilfe         (Muster-)Berufsordnung der Bundesärztekammer heraus-
zur Selbsttötung (wieder) legal ist, bestünden noch immer           zunehmen. Der Satz „Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung
faktische Hürden, betonen die Autor:innen. „Menschen, die           leisten“ entfiel damit. In der (Muster-)Berufsordnung der Bun-
sehnlichst sterben möchten und Menschen, die bereit sind,           desärztekammer heißt es nun unter § 16: „Ärztinnen und
Hilfe zur Selbsttötung zu leisten, sehen sich insoweit einer        Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und
nicht hinreichend geregelten Rechtsmaterie ausgesetzt. So           unter Achtung ihres Willens beizustehen.“ Und, mit ausdrück-
ist es beispielsweise weiterhin nicht möglich, Medikamente          lichem Bezug auf die strafbare „Tötung auf Verlangen“: „Es
zur Selbsttötung zu erhalten.“ Ziel des Gesetzentwurfes sei         ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Ver-
es, unter diesen Umständen das Recht auf einen selbstbe-            langen zu töten.“
stimmten Tod legislativ abzusichern und klarzustellen, dass
die Hilfe zur Selbsttötung straffrei möglich ist. Mit dem Gesetz-   Zudem dürfe es niemals Aufgabe der Ärzt:innenschaft sein,
entwurf wolle man den vom Bundesverfassungsgericht dar-             für Nichterkrankte eine Indikation, Beratung oder gar Durch-
gebotenen Normierungsspielraum nutzen, „um Menschen,                führung eines Sterbewunsches zu vollziehen. Der Antrag
die ernstlich sterben möchten und diesen Wunsch frei und            hierzu kam aus Berlin.
eigenverantwortlich im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ge-
bildet haben, ebenso wie Personen, die zur Hilfe bereit sind,       Rein gesetzestechnisch betrachtet befindet sich unser Land
einen klaren Rechtsrahmen zu bieten.“                               nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auf dem
                                                                    Stand vor der Verabschiedung des Gesetzes von 2015. Doch in
Den „Normierungsspielraum“ nutzen die Abgeordneten,                 der Diskussion hat sich viel getan. Zum Beispiel liegt seit dem
die hinter diesem dritten Entwurf stehen, um gesetzlich             22. September 2022 eine ausführliche Stellungnahme des
eine durch die Länder organisierte Beratungsinfrastruktur           Deutschen Ethikrates mit dem Titel „Suizid – Verantwortung,

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BERLINER ÄRZT:INNEN
                                                                                          AUSGABE 1 / 2023 

„Weniger als ein Prozent der in der SAPV versorgten unheilbaren Patient:innen
verlangt ernsthaft eine vorzeitige Lebensbeendigung im Sinne eines assistierten
Suizides. Palliativmediziner:innen sind der Linderung von Leid am Lebensende
verpflichtet – sie sind keine Suizid-Expert:innen, werden aber immer häufiger
in diesem Kontext angesprochen. Allein ihrem Gewissen werden sie zu folgen
haben bei der Frage, ob sie einem unheilbar kranken Menschen am Lebensende
tödlich wirkende Mittel verschreiben. In ihrer Entscheidung für oder gegen eine
solche Hilfestellung sind sie zu respektieren.“

Dr. med. Thomas Schindler

In der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) arbeiten Ärzt:innen, Pflegekräfte und andere an der Betreuung
beteiligte Bereiche eng zusammen, um die Lebensqualität und Selbstbestimmung unheilbar kranker Menschen so gut wie
möglich zu erhalten, zu fördern und zu verbessern. SAPV-Ärzt:innen wie Dr. med. Thomas Schindler ermöglichen ihnen ein
menschenwürdiges Leben in ihrer vertrauten Umgebung. Koordiniert und gefördert wird die spezialisierte ambulante
Palliativversorgung unter anderem vom Home Care Berlin e. V., der seit 30 Jahren in der Hauptstadt aktiv und dessen Vor-
sitzender Schindler ist. Der Verein macht Betroffenen, Angehörigen und professionellen Helfenden vielfältige Unterstüt-
zungsangebote. Am 28. April 2021 hat sein Vorstand eine Stellungnahme zur gesellschaftlichen Debatte über die gesetz-
lichen Regelungen im Zusammenhang mit Suizidhilfe abgegeben. Diese wird im Februar 2023 in Bezug auf die aktuell vor-
liegenden Gesetzentwürfe aktualisiert und ist dann auf der Website → www.homecareberlin.de einsehbar.

                                                                                                                      15
IM FOKUS

 Suizide verhindern
 Zeitgleich mit den drei Anträgen zur Regelung der Suizid-         zur Fortbildung über Hintergründe der Suizidalität und in
 beihilfe wurde dem Deutschen Bundestag ein fraktions-             der ärztlichen Gesprächsführung bekommen. „Man sollte
 übergreifender Gruppenantrag „Suizidprävention stärken            das Recht haben zu sagen: Ich will nicht mehr leben. Aber
 und selbstbestimmtes Leben ermöglichen“ vorgelegt.                man sollte dann Hilfe bekommen“, forderte Hegerl.
 Dieses Anliegen wurde auch in einer Veranstaltung der Reihe
 „BÄK im Dialog“ der Bundesärztekammer im Oktober 2022             Der Psychiater lenkte den Blick auch auf die Situation in
 deutlich. Auf keinen Fall dürfe der assistierte Suizid als Aus-   den Niederlanden, wo seit 2002 ein Gesetz die Zulässigkeit
 gleich von Versorgungsdefiziten dienen, wurde hier ge-            von assistiertem Suizid und Tötung auf Verlangen regelt.
 fordert. Der Psychiater Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl, Vor-        Auch dort war die Zahl der „harten“, gewaltsamen Suizide
 standsvorsitzender der „Stiftung Deutsche Depressionshilfe        in den Jahrzehnten zuvor zurückgegangen. Seit 2002 sind
 und Suizidprävention“ sowie der „European Alliance Against        die Zahlen jedoch gleich geblieben.
 Depression“ (EAAD) und Mitglied des Wissenschaftlichen Bei-
 rats der BÄK, machte bei der Veranstaltung deutlich, dass der     „Der assistierte Suizid und die dort ebenfalls mögliche Tö-
 überwiegende Teil aller Suizide vor dem Hintergrund einer         tung auf Verlangen kommen in der Statistik dann noch oben-
 psychischen Erkrankung, zumeist einer schweren Depres-            drauf“, erläutert Prof. Dr. med. Jörg Weimann, Vorsitzender
 sion, erfolgt. Dass man dagegen etwas tun kann, beweisen          des Arbeitskreises „Ärztlich assistierter Suizid“ der Ärzte­
 die Zahlen: Seit dem Jahr 1980 ist die Zahl der Selbsttö-         kammer Berlin. Der weit überwiegende Teil der Menschen,
 tungen erheblich zurückgegangen, zugleich suchen mehr             die von einer dieser Möglichkeiten Gebrauch machen, leidet
 Menschen Hilfe wegen einer Depression. Diese Hilfen müss-         an einer Krebserkrankung. Weimann hat diese Entwicklung
 ten aber auf verschiedenen Ebenen weiter ausgebaut wer-           für „Berliner Ärzt:innen“ mit einer eigenen Grafik veran-
 den. Ärztinnen und Ärzte müssten verstärkt Möglichkeiten          schaulicht (siehe Seite 21).

Prävention und Freiverantwortlichkeit“ und schon etwas             Debatten im Arbeitskreis „Ärztlich assistierter Suizid“
länger, seit Juli 2021, ein Diskussionspapier der Nationalen       Auch in der Ärztekammer Berlin wird intensiv diskutiert, wie
Akademie der Wissenschaften Leopoldina zur „Neuregelung            sich die Lage nach dem Urteil des Bundesverfassungsge-
des assistierten Suizids“ als „Beitrag zur Debatte“ vor. Die       richtes darstellt. Im Herbst 2021 wurde beschlossen, dass
Akademie wünscht sich einen „breiten gesellschaftlichen            die Berufsordnung der Kammer unverändert bestehen
Diskurs“ zu dem Thema.                                             bleibt, bis die Gesetzeslage klar ist. Da die Berufsordnung
                                                                   im Unterschied zu den Festlegungen anderer Landesärzte-
Die Bundesärztekammer wiederum hat sich am 23. Novem-              kammern eine „Sollbestimmung“ und kein ausdrückliches
ber 2022 mit einem Papier zur Bewertung der drei neuen             Verbot enthält („Ärzte sollen keine Hilfe zur Selbsttötung
Gesetzentwürfe und mit detaillierten Änderungswünschen             leisten“ statt „Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leis-
eingebracht. Sie begrüßt ausdrücklich, dass alle Entwürfe          ten“), besteht nach Auskunft der Juristin Martina Jaklin, Lei-
eine verpflichtende Beratung sowie ein Schutzkonzept vor-          terin der Abteilung Berufs- und Satzungsrecht der Ärzte-
sehen und dass im Castellucci-Vorschlag die Fachlichkeit           kammer Berlin, etwas mehr Spielraum und kein akuter Hand-
von Psychiater:innen einbezogen ist. Am Künast-Entwurf             lungsbedarf. Die Ärztekammer Berlin hat also bisher noch
wird die deutliche Unterscheidung zwischen schwer kran-            keine Änderungen an ihren Regelungen zum ärztlich assis-
ken Menschen mit Sterbewunsch und solchen, die sich aus            tierten Suizid vorgenommen. Sie hat aber einen Arbeitskreis
anderen Gründen Assistenz beim Suizid wünschen, lobend             eingerichtet, der Vorschläge zur Anpassung der Berufsord-
hervorgehoben. Die Bundesärztekammer begrüßt, dass                 nung erarbeitet.
Ärzt:innen nur bei der Prüfung von Fällen aus der ersten Grup-
pe eine entscheidende Rolle spielen sollen. Generell spricht       Diskussionsbedarf besteht durchaus: Prof. Dr. med. Jörg
sie sich dafür aus, auch ältere, schwerkranke Jugendliche          Weimann, Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin am
in die Überlegungen einzubeziehen, und auf jeden Fall sei          Sankt Gertrauden-Krankenhaus, berichtet von zum Teil kon-
eine umfassende und fortlaufende Evaluation nötig, die im          troversen Debatten im interfraktionellen Arbeitskreis „Ärzt-
Castellucci-Entwurf nicht vorgesehen ist. Kurz: Keiner der         lich assistierter Suizid“ der Ärztekammer Berlin, dessen Vor-
vorgelegten Entwürfe genügt allen Anforderungen, die im            sitzender er ist. Als besonders aufwühlend empfindet er,
Papier der Bundesärztekammer gestellt werden.                      dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes,

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BERLINER ÄRZT:INNEN
                                                                                                 AUSGABE 1 / 2023 

„Suizidprävention muss Normalität werden, Suizidassistenz absolute Ausnahme bleiben“
Ein Gespräch mit Dr. med. Bernd Oliver Maier, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
(DGP) und Chefarzt Palliativmedizin und Onkologie am St. Josefs-Hospital in Wiesbaden.

                                            bleiben werden, in denen der Suizid die      Wichtig ist dafür ein erweitertes Ver-
                                            tragische und unausweichliche Option         ständnis der sozialen und psychischen
                                            darstellt. Klar ist: Suizidprävention muss   Situation der Betroffenen, denen wir
                                            Normalität werden, Suizidassistenz ab-       durch das gemeinsame Tragen von Leid
                                            solute Ausnahme bleiben. Wenn ein            Rückhalt geben müssen. Auf keinen Fall
                                            Mensch, der als Arzt oder Ärztin die „Me-    wollen wir die „Spezialisten für Sterbe-
                                            thodenkompetenz“ für den Umgang mit          hilfe“ sein.
BOM Dr. med. Bernd Oliver Maier
    Foto: Reinhard Berg                     Medikamenten mitbringt, einem ande-
                                            ren Menschen dabei hilft, so ist das fak-    Welche Gefahren sehen Sie in neuen
                                            tisch heute nicht verboten. Diesem Aus-      gesetzlichen Regelungen nach dem
AML
      Herr Dr. Maier, was sollten           nahmefall wurde mit der Änderung der         Urteil des Bundesverfassungsgerich-
      Ärzt:innen tun, wenn Pati-            (Muster-)Berufsordnung ja schon Rech-        tes?
ent:innen Todeswünsche äußern?              nung getragen. Persönlich möchte ich         Alle drei Ansätze bieten eine einfache
 BOM
       Es gilt zuallererst genau hinzuhö-   aber berichten: Ich habe sicher schon        Lösung für ein kompliziertes Problem.
       ren und herauszufinden, was die      tausende Menschen beim Sterben be-           Schutzkonzepte lassen sich nicht so
konkrete Situation ausmacht. Wir soll-      gleitet, die Suizidassistenz hat mir im      leicht operationalisieren. Man hat dann
ten einen solchen Wunsch nicht als Auf-     „Repertoire“ meiner ärztlichen Mög-          zwar Rechtssicherheit, aber die indivi-
trag verstehen, das wäre fast so etwas      lichkeiten dabei nicht gefehlt.              duelle Bedeutung der Situation erfährt
wie ein ärztlicher Kunstfehler. Wir müs-                                                 keine Würdigung. Dabei wissen und wür-
sen derartige Äußerungen unserer Pa-        Ihre Fachgesellschaft bezeichnet             digen wir, dass viele Abgeordnete kons-
tient:innen auch ein Stück weit diagnos-    Palliativmedizin als Teil der Suizid-        truktiv um Lösungen ringen.
tisch betrachten. Wenn wir als Ärztin-      prävention. Warum?
nen und Ärzte zum Ausdruck bringen,         Es ist ein Teil unserer Arbeit, dass wir     Aus unserer Erfahrung heraus erkennen
dass ein Todeswunsch uns berührt, und       Menschen in Not erleben. Ihre größte         wir aber, wie schwierig dieses Unterfan-
wenn wir empathisch nachfragen, dann        Sorge ist oft eine Zukunft in Abhängig-      gen ist. Wir sind aktuell nicht in der Situ-
antworten Patient:innen in den aller-       keit, mit Schmerzen und mit Demütigun-       ation, dass wir schnellstmöglich gesetz-
meisten Fällen: Ich will so nicht mehr      gen. Wir wissen, dass wir ihnen viel anzu-   liche Regelungen brauchen. Die Ärzt:in-
leben. Das ist auch als versteckter Auf-    bieten haben, wir können ihren Lebens-       nen gewinnen dadurch nichts für ihre
trag zu verstehen, etwas an der Situa-      mut trotz der herausfordernden Situ-         praktische Arbeit. Gesetze sollten vor-
tion zu verbessern. Allein das Darüber-     ation, die durch ihre Krankheit entsteht,    dringlich den Regelfall normieren und
Sprechen-Dürfen hat für viele Betrof-       stärken. Das muss aber viel bekannter        nicht einen Ausnahmefall. Also sollten
fene eine sehr entlastende Wirkung. Wir     gemacht werden, denn noch bestehen           wir lieber Maßnahmen anstoßen, mit
müssen dem Thema Raum geben, den            hier viele falsche Vorstellungen.            denen die palliativmedizinische Versor-
Äußerungen der Patient:innen respekt-                                                    gung und die Suizidprävention verbes-
voll begegnen. Wir dürfen Sterbe- und       Was ist mit den Menschen, die Unter-         sert werden. Neue gesetzliche Gegeben-
Todeswünsche nicht banalisieren.            stützung beim Suizid wünschen, deren         heiten könnten in der aktuellen Situa-
                                            Lebenserwartung aber nicht durch             tion übrigens den professionell agieren-
Werden diese Wünsche durch eine             eine schwere Krankheit verkürzt ist?         den Sterbehilfeorganisationen nützen,
optimale palliativmedizinische Be-          Als Palliativmediziner sprechen wir vor      denn sie sind am ehesten dazu in der
treuung bedeutungslos?                      allem für lebensbedrohlich Erkrankte.        Lage, sich darauf einzustellen. Bevor wir
Wir müssen aufpassen, dass wir keine        Die Situation ist sicher noch schwieriger,   ein schlechtes Gesetz haben, sollten wir
palliativmedizinisch motivierten Heils-     wenn keine schwere Krankheit Grund für       die Diskussion fortsetzen. Die Ärzt:in-
versprechen geben. Egal, wie gut wir        den Suizidwunsch ist. Das Grundrecht,        nenschaft sollte sich aus ihrer eigenen
sind, wir werden den Wunsch nach Sui-       sich selbst das Leben zu nehmen, be-         Meinungshoheit dem Thema stellen und
zidassistenz nicht ganz und gar über-       steht zwar unabhängig davon, doch der        in die Diskussion einsteigen. Wir dürfen
flüssig machen. Ich glaube tatsächlich,     Mitwirkungsvorbehalt des Arztes spielt       uns nicht wegducken. ∕
dass auch dann einige wenige Fälle übrig    in diesem Fall eine stärkere Rolle.

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IM FOKUS

oben und unten
Der Palliativmediziner ist fast täglich kreuz und quer im Westen der Stadt unterwegs. Seine Patient:innen
leben in ihren Wohnungen, in Pflegeeinrichtungen und Hospizen. Schindler kennt ihre Krankheitsverläufe
und Tablettendosierungen, genauso wie Interessen und frühere Hobbys.

rechte Seite
Zusammen mit weiteren Kolleg:innen arbeitet Schindler im „Palliativteam Berlin“. Bei den Team­
besprechungen zünden sie für jede und jeden Verstorbene:n der vergangenen Woche eine Kerze an.

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BERLINER ÄRZT:INNEN
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anders als in anderen europäischen Ländern, Menschen un-          Sinne der Inkaufnahme einer Nebenwirkung – beschleunigen
abhängig von schwerer, lebensbedrohlicher Krankheit ein           könnten, die sogenannte indirekte Sterbehilfe. „Der kleine,
Recht auf (ärztliche) Assistenz beim Suizid zugesprochen          aber gewichtige Unterschied liegt in der Zielrichtung meines
wird, auch gesunden Menschen, die keine Patient:innen sind.       Tuns“, erläutert Weimann. „Ist das Therapieziel der Tod, oder
Weimann hält das eindeutig nicht für eine ärztliche Aufgabe.      ist es Schmerz- und Leidensminderung?“
Sein Eindruck von den bisherigen Diskussionen im Arbeits-
kreis: „Ärztinnen und Ärzte wollen bei schwer kranken Pa-         Derweil sehen sich Ärztinnen und Ärzte in Kliniken und Pra-
tient:innen im Einzelfall wohlabgewogene Entscheidungen           xen immer wieder mit der Frage nach dem assistierten Suizid
treffen können, sie sehen es aber nicht als ihre ärztliche Auf-   konfrontiert. „Ich bin froh über jeden, der mich auf das Thema
gabe an, gesunden Menschen bei deren Suizid zu assistieren.“      anspricht“, sagt die hausärztlich tätige Internistin und De-
                                                                  legierte Dr. med. Irmgard Landgraf, deren Steglitzer Praxis
Die politischen Überlegungen zu einem neuen Gesetz könnten        eng mit dem Agaplesion Bethanien Sophienhaus zusammen-
die Arbeit von Mediziner:innen konkret betreffen. „Am Ende        arbeitet und die seit sieben Jahren palliativmedizinisch tätig
gibt es bei allen drei Entwürfen eine Art Papier, mit dem kom-    ist (siehe Interview Seite 20). Man müsse sich dann die Zeit
men die Menschen dann zu Ihnen“, macht Weimann seinen             nehmen, um genau zu erfahren, was hinter dem Sterbewunsch
ärztlichen Kolleg:innen die Dringlichkeit der Diskussion deut-    steckt. Und man brauche den aufmerksamen Blick für die
lich. „Wir werden in der Ärztekammer Berlin beschließen müs-      Ambivalenz, die diesen Wunsch in vielen Fällen kennzeichnet.
sen, welche Haltung wir dazu einnehmen.“ Im Arbeitskreis
werde man weiter diskutieren und überlegen, welche Rege-          Problematische Rolle der Sterbehilfeorganisationen
lungen man der Delegiertenversammlung und dem Vorstand            Der Berliner Internist Dr. med. Michael de Ridder, langjähriger
der Ärztekammer Berlin vorschlagen wolle, ergänzt Martina         Leiter der Rettungsstelle am Vivantes Klinikum am Urban
Jaklin. Tendenziell hält die Juristin stärkere Regulierungen      und Mitbegründer des Vivantes Hospizes in Berlin-Tempel-
bei Suizidwünschen von Gesunden für nötig. „Was die Schwer-       hof, hat im Jahr 2016 gemeinsam mit anderen gegen den 2015
kranken betrifft, so nutzen Ärztinnen und Ärzte die heute be-     eingeführten Paragrafen 217 des StGB geklagt. Nach dem
reits bestehenden rechtlichen Spielräume.“                        Urteil des Bundesverfassungsgerichtes erschien 2021 sein
                                                                  Buch mit dem programmatischen Titel „Wer sterben will,
„Diese Begleitung Schwerkranker ist nichts anderes als das,       muss sterben dürfen – Warum ich schwer kranken Menschen
was wir Palliativmedizin nennen“, ergänzt Weimann. Auch           helfe, ihr Leben selbstbestimmt zu beenden“. In einem großen
hier werden Medikamente gegeben, etwa im Rahmen der               Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ bekennt de Ridder
„palliativen Sedierung“, die in einigen Fällen den Tod – im       Mitte Juni 2022 freimütig, in einigen Fällen schon Suizidhilfe

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IM FOKUS

„Jeder Mensch braucht einen Arzt seines Vertrauens, mit dem er auch über Todeswünsche sprechen kann“
Ein Gespräch mit der Internistin und Hausärztin Dr. med. Irmgard Landgraf. Die Delegierte der Ärztekammer
Berlin betreut seit Jahren auch Bewohner:innen von Pflegeeinrichtungen hausärztlich.

                                              Ihnen ein sprechendes Beispiel: Ein alter   der früher gern jeden Abend ein Glas
                                              Herr, dessen Ehefrau vor einiger Zeit       Wein getrunken hatte, in der Sterbe-
                                              verstorben war, hat sich bei mir recht      phase die Mundpflege mit ein wenig
                                              dringlich nach Möglichkeiten zur Hilfe      Rotwein gemacht. Sie konnte etwas für
                                              bei der Selbsttötung erkundigt. Nach        ihn tun, was niemand sonst konnte.
                                              dem ausführlichen Gespräch über die
      Dr. med. Irmgard Landgraf               Gründe für seine Lebensmüdigkeit, in        Wie ist Ihre Haltung zum ärztlich
 IL
      Foto: Kathleen Friedrich                dem er von seiner Einsamkeit und Trau-      assistierten Suizid?
                                              rigkeit erzählte, wollten wir uns gerade    Ich biete den Menschen eine Alternative
                                              verabschieden. Da fiel dem Patienten        an. Damit bin ich in 30 Jahren hausärzt-
AML
       Frau Dr. Landgraf, wie häufig hö-      noch etwas ein: Er hatte in diesem Jahr     licher Tätigkeit gut zurechtgekommen.
       ren Sie Wünsche wie: „Ich möchte       seine Grippeschutzimpfung noch nicht        Ich denke aber, wenn ein Mensch trotz
nicht mehr leben, ich möchte am liebs-        bekommen und fragte nach einem Ter-         guter Beratung keine Alternative zum
ten gleich sterben!“ oder „Frau Doktor,       min dafür. Spätestens da war klar: Er       assistierten Suizid für sich sieht, sollten
können Sie mir dabei helfen?“                 wollte nicht wirklich aus dem Leben ge-     Ärzt:innen ihm dabei helfen, den rich-
 IL
       Bei hochbetagten und alten, hin-       hen, er wollte nur seiner Frau nach-        tigen Weg zu finden, auch um harte Sui-
       fälligen Menschen kommt es öfter       gehen.                                      zide zu vermeiden. Auch das gehört zu
vor, dass sie fragen: Wie lange muss ich                                                  einer patientenzentrierten Medizin. Ich
noch leben? Oder: Muss ich die ganzen         Was können Sie direkt nach einer            bin aber sicher, dass es nicht so häufig
Medikamente nehmen? Es kommt auch             schlimmen Diagnose für Ihre Pati-           ist. Jeder Mensch braucht eine Ärztin
immer wieder vor, dass Patientinnen           ent:innen tun?                              oder einen Arzt, mit dem er vertrauens-
und Patienten sich nach Sterbehilfe-          Wenn Patient:innen mit einer solchen        voll auch über solche Wünsche und Ge-
organisationen erkundigen.                    Diagnose kommen, nutze ich das, um          danken sprechen kann. Dafür benötigen
                                              zu fragen, was ihnen noch wichtig ist.      wir Zeit. Mir ist ganz wichtig, dass wir
Wie gehen Sie damit um?                       Es hilft meist, gleich zu Beginn einen      diese Zeit bekommen. Solche präven-
Ich rate ganz deutlich von diesem Weg         richtigen Plan zu machen, wie sie ihre      tiven Gespräche sollten als besondere
ab und erkläre gleichzeitig: Sie können       Lebenszeit nutzen und einen guten Aus-      Beratungsgespräche in unsere Gebüh-
hier palliativmedizinisch versorgt wer-       stieg aus ihrem Leben finden können.        renordnung aufgenommen werden. ∕
den, ich begleite Sie dabei. Ich kann         Oft gibt es ungeklärte Fragen mit lieben
Ihnen versprechen, dass Sie sich nicht        Menschen. Dann ist es wichtig, dass
quälen müssen. Dafür könnte ich viele         auch die Kinder in das Pflegeheim kom-
Beispiele anführen, etwa das der Frau         men – in vielen Fällen kann man wirk-
Mitte 90, die ihre Familie zusammen-          lich noch etwas anbahnen. Viele Betrof-
gerufen hat, um den Angehörigen zu            fene wollen bilanzieren. Man kann sie
erklären, sie werde nach einer Kranken-       und ihre Familien als Hausärztin gut
hausbehandlung nicht mehr auf die             auffangen.
Beine kommen. Sie wolle nun nicht
mehr essen und trinken und ihre Medi-         Einige haben Angst vor einem langen
kamente nicht mehr nehmen. Sie ist            Leiden und einem qualvollen Tod. Als
dabei geblieben, langsam schwächer            Ärztin signalisiere ich, dass ich sie da-
geworden und schließlich mit guter me-        bei nicht im Stich lasse, ich versuche,
dizinischer Begleitung sanft gestorben.       ihnen Mut zu machen. Wenn es wirk-
                                              lich darum geht, dass der Abschied an-
So dezidiert ist aber nicht jeder Todes-      steht, kann ich Angehörigen Ratschläge
wunsch.                                       für dessen Gestaltung geben. Das kann
Das ist sehr wichtig: In vielen Fällen sind   recht unkonventionelle Formen anneh-
Todeswünsche ambivalent. Ich nenne            men: So hat die Ehefrau eines Mannes,

20
BERLINER ÄRZT:INNEN
                                                                                                                                                    AUSGABE 1 / 2023 

                                                     Suizide(D)                   Suizide (NL)                       ass. Suizid (NL)                     Tötung auf Verlangen (NL)

                                     50
Rate (Fälle pro 100.000 Einwohner)

                                     40

                                     30

                                     20

                                     10

                                      0
                                          1990

                                                      2002

                                                             2003

                                                                    2004

                                                                           2005

                                                                                  2006

                                                                                         2007

                                                                                                2008

                                                                                                       2009

                                                                                                              2010

                                                                                                                       2011

                                                                                                                              2012

                                                                                                                                     2013

                                                                                                                                            2014

                                                                                                                                                   2015

                                                                                                                                                           2016

                                                                                                                                                                  2017

                                                                                                                                                                         2018

                                                                                                                                                                                2019

                                                                                                                                                                                       2020
                                                 …

In der Zeit von 1990 bis 2020 nahm die Suizidrate in Deutschland um 37 Prozent ab. Seit 2015 liegt sie auf dem (gleichbleibenden) Niveau der
Niederlande. Die Einführung des Suizid-Gesetzes 2002 in den Niederlanden führte nicht etwa zu einer Abnahme der „harten“ Suizide zugunsten
der Suizidassistenz, vielmehr addieren sich die Fälle von Suizidassistenz in jährlich steigender Zahl zu diesen on-top. Die Suizidassistenz machte
2020 in den Niederlanden 4 Prozent aller Todesfälle aus – hochgerechnet für Deutschland wären dies ca. 40.706 Fälle von Suizidassistenz pro
Jahr. (Daten zuletzt abgerufen am 15.11.2022 von → https://de.statista.com, → www.destatis.de und → www.euthanasiecommissie.nl )
Text und Grafik: Prof. Dr. med. Jörg Weimann

geleistet zu haben – nachdem er alle Alternativen zur Selbst-                                                 spricht sich dagegen aus, einen der drei vorliegenden Ent-
tötung ausführlich mit den Patient:innen besprochen habe.                                                     würfe umzusetzen – zumal es mit einem Gesetz zum assis-
Seinen Patient:innen „in schwerster Not zu helfen, unerträg-                                                  tierten Suizid keine Eile habe: „Die aktuell bestehende Ge-
liches Leid zu beenden“, gehöre für ihn dazu. Und noch etwas                                                  setzeslage bietet bereits einen Handlungsspielraum, der die
ist de Ridder wichtig: „Mir wäre es lieber, wenn die Sterbe-                                                  Umsetzung der Suizidassistenz prinzipiell ermöglicht.“
hilfeorganisationen mit dem neuen Gesetz überflüssig wür-
den, denn die Vereine haben gerade nicht das Vertrauens-                                                      Stattdessen solle die gesellschaftliche Diskussion zu dem
verhältnis zu den Patienten wie wir Ärzte. Auch sollte sich                                                   Thema fortgesetzt werden. Dass diese teilweise sehr kon-
niemand mehr wie heute im Ausland Hilfe suchen müssen.“                                                       trovers geführt wird, zeigte sich auch bei der öffentlichen
                                                                                                              Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages Ende No-
Nicht zuletzt an diesem Punkt setzt die Grundsatzkritik der                                                   vember 2022. Dort blieb kein Zweifel: Die Frage, wie ärztliche
Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) an den                                                      Sterbebegleitung gestaltet werden kann, wird uns weiter
beschriebenen Gesetzentwürfe an. Eine Eingrenzung uner-                                                       begleiten. ∕
wünschter Aktivitäten von Suizidhilfeorganisationen sehe
man in keinem der drei Entwürfe, schreibt der Vorstand in
einer Stellungnahme vom 23. November 2022. Zudem seien
viele der vorgeschlagenen Regelungen mangelhaft, unscharf
oder auch missverständlich formuliert. Jeder der Entwürfe
führe zu einer „Juristisierung“ des Lebensendes, „in der per-
sönliche Einlassungen fast keine Rolle mehr spielen“, so DGP-
Vizepräsident Dr. med. Bernd Oliver Maier (siehe Interview
Seite 17). Die gewählten Fristen und die Konzepte, mit denen
die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit der Sterbewünsche                                                     Dr. Adelheid Müller-Lissner
ermittelt werden sollen, bezeichnen die Palliativmediziner:in-                                                Freie Wissenschaftsjournalistin
nen in ihrer Grundsatzkritik als „willkürlich“. Kurz: Die DGP                                                 Foto: privat

                                                                                                                                                                                          21
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