EU-Wettbewerbspolitik im Spiegel von Digitalisierung und Globalisierung - Positionspapier
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Positionspapier Jänner 2021 Wirtschaft EU-Wettbewerbspolitik im Spiegel von Digitalisierung und Globalisierung
Zusammenfassung Die AK begrüßt, dass sich die EU-Kommission in playing-field der am EU-Markt tätigen Unternehmen umfangreicher Weise mit einer Neuausrichtung des herzustellen. Wettbewerbsrechts befasst. Es bedarf daher einer ganzheitlichen Prüfung unter Berücksichtigung der industrie- und Bei allen künftigen Rechtsakten müssen die Interessen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der EU. von ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen Neben den klassischen Subventionen sind auch stärker gehört werden. Dass bedeutet, dass auch in andere Formen von drittstaatlichen Subvention zu den Verfahren selbst die Interessensvertretungen berücksichtigen, insbesondere die innerstaatliche, bestmöglich in die Entscheidungsfindung sanktionslose Missachtung von internationalen eingebunden werden sollen. Mindestarbeitsnormen und Umweltabkommen. Nationale Aufsichtsbehörden braucht es für all drei Eine ex-ante Regulierung sowohl auf nationaler als Teilbereiche, daher auch für Unternehmenserwerbe auch auf europäischer Ebene ist notwendig um durch Drittstaaten. Im Kontext öffentlicher der fortschreitenden Machtausweitung digitaler Vergabeverfahren bedürfen drittstaatliche Torwächter-Plattformen entgegenzuwirken. Dazu wird Subventionen einerseits klare Ausschlussregelungen es Verbote und Einschränkung bestimmter unlauterer bei Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von Handelspraktiken („Schwarze Liste“) geben müssen. € 200.000, andererseits eine stärkere Einbindung der gesetzlichen Interessenvertretungen in Das in Aussicht gestellte „Neue Vergabeverfahren. Wettbewerbsinstrument“ (New Competition Tool) muss mit dem Regelwerk der ex-ante Regulierung abgestimmt werden und soll sowohl bei marktbeherrschenden als auch bei noch nicht marktbeherrschenden Unternehmen vor allem im Digitalbereich Anwendung finden. Dies ist notwendig damit Monopolisierungstendenzen und Marktversagen frühzeitig erkannt und rechtzeitig gegengesteuert werden kann. Die „Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes“ ist dringend zu überarbeiten und es müssen wesentliche Adaptierungen, die sich aufgrund der geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie Digitalisierung und Globalisierung vorgenommen werden. Dazu zählen insbesondere die wettbewerbliche Würdigung von Daten sowie die stärkere Berücksichtigung von potentiellem Wettbewerb als dynamisches Element in der Marktabgrenzung. Die Bestrebungen der Kommission, Subventionen aus Drittstaaten zukünftig einer stärkeren Beobachtung und Kontrolle zu unterwerfen, sind grundsätzlich zu begrüßen. Eine Prüfung drittstaatlicher Subventionen ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Marktverzerrung ist allerdings zu wenig, um ein level- EU-Wettbewerbspolitik im Spiegel von Digitalisierung und Globalisierung 2
Die Position der AK In mehreren derzeit laufenden Konsultationsverfahren 1. Die wettbewerbsrechtlichen stellt die EU-Kommission daher die geltenden Vorhaben der EU im Überblick Wettbewerbsregeln auf den Prüfstand und will in weiterer Folge mögliche Lücken schließen. Die EU-Kommission hat im ersten Halbjahr 2020 vier Die AK begrüßt die Initiativen der EU-Kommission. Konsultationen eingeleitet, die sich mit der zukünftigen Sowohl die neuen auf Digitalisierung und Datenmacht Ausrichtung der EU-Wettbewerbspolitik beschäftigen. basierenden Geschäftsmodelle mit ihrer Tendenz zur Monopolbildung als auch geopolitische Entwicklungen Die AK hat sich an allen Konsultationen beteiligt verlangen ein proaktives Handeln auf Ebene der und auch Stellungnahmen zur Erarbeitung einer Europäischen Union. Dabei sollte im Rahmen der EU- österreichischen Position bei den dafür zuständigen Fusionskontrolle auch eine stärkere Einbindung der nationalen Ministerien eingebracht. ArbeitnehmerInneninteressenvertretungen angedacht werden. Grundtenor aller Konsultationen ist es, europäische Antworten auf die Herausforderungen zu geben, Die aktuellen Konsultationen sind in einem engen die zunehmende Digitalisierung und Globalisierung Zusammenhang miteinander zu sehen und sollen als bringen. Viele in Geltung stehende Rechtsakte der Maßnahmenbündel einen Beitrag an der künftigen EU-Kommission müssen in diesem Zusammenhang wettbewerbspolitischen Gesamtausrichtung Europas als reformbedürftig bezeichnet werden. Sie leisten. erfüllen die Mindestanforderungen an die digitale Welt aus beschäftigungspolitischer, sozialer, Die Konsultationen zum „New Competition Tool“ konsumentenschutzrechtlicher, steuerlicher und zum „Digital Service Act“ zielen darauf ab, und wettbewerbspolitischer Sicht bei weitem Wettbewerbsprobleme frühzeitig zu erkennen und nicht. Die Bekanntmachung der Marktdefinition gegenzusteuern. Das neue Wettbewerbsinstrument zB stammt aus dem Jahr 1997. Seither hat sich soll einen Beitrag leisten, frühzeitig bei strukturellen das Wettbewerbsumfeld rasant geändert. Die Wettbewerbsproblemen – auch unterhalb der digitalen Konzerne haben die „old-economy“ in ihrer Marktbeherrschungsschwelle – Maßnahmen zu wirtschaftlichen Bedeutung rasant überholt und ergreifen, im „Digital Service Act“ steht eine Ex-ante- führen diesen Weg auch in der aktuellen Corona- Regulierung der großen Internetplattformen zur Situation weiter. Es scheint fast, als seien sie gegen Diskussion. Diese Instrumente müssen jedenfalls den wirtschaftlichen Lockdown immun. aufeinander abgestimmt werden. Die neuen Herausforderungen, durch die Auch bei der Konsultation über die Bekanntmachung Digitalisierung und Globalisierung, lassen daher über die Marktabgrenzung soll nun bewertet werden, zunehmend Zweifel aufkommen, ob und inwieweit ob das Regelwerk auch weiterhin einen tauglichen die gegenwärtigen Instrumente ausreichen, um Ansatz für die Abgrenzung der Märkte in sachlicher faire Wettbewerbsverhältnisse in einer offenen und räumlicher Hinsicht bietet oder aufgrund der Wirtschaftsordnung sicherzustellen. Dazu zählt wirtschaftlichen Entwicklung seit dem Erlass dieser aber auch, die Rechte für Beschäftigte und Bekanntmachung im Jahr 1997 dementsprechend KonsumentInnen gleichermaßen zu stärken und adaptiert werden muss. dadurch das Vertrauen in funktionierende Märkte herzustellen. Die letzte – eher in einem weiteren Zusammenhang mit dem Wettbewerbsrecht stehende – Konsultation zum Weißbuch über drittstaatliche Subventionen stellt Ansätze vor, die darauf abzielen, die durch EU-Wettbewerbspolitik im Spiegel von Digitalisierung und Globalisierung 3
drittstaatliche Subventionen verursachten verfügen. Die Wettbewerbsbehörden haben bereits Verzerrungen hintanzuhalten und durch verschiedene einige wichtige Verfahren abgeschlossen oder Maßnahmen fairen Wettbewerb in einem globalen eingeleitet. Diese Verfahren dauern aber zu lange, Umfeld sicherzustellen. um einen fairen Wettbewerb zeitgerecht herstellen zu können. Den aufgegriffenen Missbrauchsfällen Die AK unterstützt die Bemühungen der EU- ist gemeinsam, dass der jeweils dominante Kommission, faire Wettbewerbsverhältnisse innerhalb Plattformbetreiber (wie Amazon, Google oder wie außerhalb der Union herzustellen, weist aber Facebook) seine Vormachtstellung missbräuchlich darauf hin, dass die grundsätzliche Schutzausrichtung ausnutzte. Die Missbrauchskontrolle des des Wettbewerbs für VerbraucherInnen im Fokus Wettbewerbsrechts wirkt also regelmäßig ex-post und bleiben muss. Denn eine offene wettbewerbsfähige stellt letztlich nur reaktives Handeln dar. Volkswirtschaft sichert Beschäftigung und garantiert den VerbraucherInnen Qualität zu angemessenen 2.2 Bewertung der AK Preisen und Vielfalt durch Innovation. Konkrete Überlegungen zu einer Ex-ante- Nachstehend werden die Positionen der AK zu den Regulierung Konsultationen im Einzelnen erläutert. Nach Ansicht der AK ist es von enormer Wichtigkeit, dass es zukünftig einen effizienten Ex-ante- 2. Konsultation der Europäischen Regulierungsrahmen für große Online-Plattformen Kommission zum „Digital Services gibt. Die Probleme, die sich aus der Macht digitaler Act“ Torwächter-Plattformen ergeben, sind vielfältig und nur mit der Einrichtung von spezifischen Regulierungsbehörden – sowohl auf nationaler als Die EU-Kommission stellt in dieser Konsultation auch auf europäischer Ebene – zu lösen. Für die zahlreiche Fragen zu vielfältigen Themen, wie zB Aufgabenerfüllung dieser noch einzurichtenden Sicherheit im Netz und Haftungsbestimmungen, Regulierungsbehörden ist es notwendig, diese Beschäftigungsverhältnisse bei Plattformbetreibern, auch mit ausreichenden Ermittlungsbefugnissen freie Meinungsäußerung sowie faire auszustatten, insbesondere muss es ihnen möglich Wettbewerbsbedingungen im digitalen Bereich. sein, wesentliche Informationen von Online- Ein wesentliches Kernelement dieser Konsultation Plattformen zu erhalten, die in Hinblick auf die ist die Einführung einer Ex-ante-Regulierung bei Regulierungsaufgaben notwendig sind. Darüber hinaus großen Internet-Plattformen mit Torwächterfunktion. begrüßt die AK die in der Konsultation angeführten Diese Fragestellungen finden sich im Modul III Punkte, wonach es Verbote oder Einschränkung des EU-Konsultationsverfahrens. Im Rahmen bestimmter unlauterer Handelspraktiken („Schwarze dieses Positionspapiers soll maßgeblich darauf Liste“) geben wird und es durch geeignete eingegangen werden, wobei auch hier zu betonen Abhilfemaßnahmen ermöglicht werden soll, gegen ist, dass die Gewährleistung maßgeblicher große Online-Plattformen vorzugehen, wenn dies Schutzvorschriften für die Beschäftigten der notwendig ist. Online-Plattformindustrie ebenso im Fokus der EU-Kommission stehen muss. Die AK Position zum Darüber hinaus wäre auch zu überlegen, die gesamten Konsultationsfragebogen ist unter https:// Verordnung (EU) 2019/1150 zur Förderung von www.akeuropa.eu/sites/default/files/2020-08/DE_ Fairness und Transparenz für gewerbliche NutzerInnen Digital%20Services%20Act.pdf zu finden. von Online-Vermittlungsdiensten, die mit Juli 2020 in Kraft getreten ist, auch auf VerbraucherInnen 2.1 Allgemeines auszuweiten (zB Offenlegung von Sperrgründen). Marktmächtige Internet-Plattformen weisen Merkmale Sektorspezifische Ex-ante-Regelungen für klassischer Infrastrukturen auf. Während etwa die marktdominante Internet-Plattformen ergänzend zum Strom-, Telekommunikations- oder Eisenbahnnetze bestehenden Wettbewerbsrecht sind daher dringend reguliert sind, geben große Online-Plattformen erforderlich. Damit soll gewährleistet werden, dass die Regeln selbst vor und agieren als private die „Spielregeln“ proaktiv auf zwei- bzw mehrseitigen Regelsetzer und „Gatekeeper“. Darüber hinaus ist allen Märkten festgelegt werden, um den Anforderungen marktmächtigen Internet-Plattformen gemeinsam, der rasch fortschreitenden Digitalisierung gerecht zu dass sie einen großen wettbewerbsrelevanten werden. Datenpool besitzen und somit neben der digitalen Infrastruktur auch über die Dateninfrastruktur EU-Wettbewerbspolitik im Spiegel von Digitalisierung und Globalisierung 4
können. In diesem Rahmen sollen verhaltensbezogene 3. Konsultation der und gegebenenfalls strukturelle Abhilfemaßnahmen Europäischen Kommission auferlegt werden können, um das Funktionieren des „Neues Zusatzinstrument zur betreffenden Markts zu verbessern. Da allerdings kein besseren Durchsetzung des Wettbewerbsverstoß Grundlage dieses Verfahrens ist, Wettbewerbsrechts“ (New sollen auch keine Geldbußen verhängt werden. Competition Tool) Die EU-Kommission möchte abklären, ob dieses Instrument ausschließlich bei Die EU-Kommission stellt in dieser Konsultation marktbeherrschenden Unternehmen (Anwendung ein neues Instrument zur Früherkennung von auf alle Wirtschaftssektoren oder Beschränkung auf Wettbewerbsproblemen zur Diskussion. Digitalunternehmen) oder darüber hinaus auch bei noch nicht marktbeherrschenden Unternehmen zur 3.1 Allgemeines Anwendung kommen sollte (ebenfalls Anwendung auf alle Wirtschaftssektoren oder Beschränkung auf Die AK begrüßt die Neuüberlegungen, im Rahmen Digitalunternehmen). des Wettbewerbsrechts – mittels eines neuen Wettbewerbsinstruments – zur raschen Behebung von 3.2 Bewertung der AK Wettbewerbsdefiziten beizutragen. Die AK unterstützt ein „vorausschauendes“ Die EU-Kommission zeigt auf, dass vor allem flexibles Wettbewerbsinstrument, welches der EU- folgende Merkmale eines Marktes zu strukturellen Wettbewerbskommission ermöglicht, strukturelle Wettbewerbsproblemen führen können: Extreme Wettbewerbsprobleme frühzeitig zu erkennen und Größen- und Verbundvorteile, starke Netzwerkeffekte, zu beheben. In diesem Zusammenhang möchte die Preisgestaltung auf Nullbasis und Datenabhängigkeit AK auf das Positionspapier „Wettbewerbspolitische sowie Marktdynamiken, die die plötzliche und Forderungen aus ArbeitnehmerInnen- und radikale Schwächung des Wettbewerbs („Tipping“) KonsumentInnensicht“ verweisen, in dem sie unter begünstigen sowie „Winner-takes-most“-Szenarien. anderem fordert, dass die Wettbewerbskontrolle bei Die EU-Kommission führt richtigerweise aus, dass den rasch wachsenden Digitalmärkten deutlich früher diese Merkmale typisch für digitale Märkte sind, aber und bereits unterhalb der Marktbeherrschung greifen auch in anderen Märkten auftauchen können. sollte. Sowohl die EU-Kommission als auch die nationalen Von den in der Konsultation aufgezeigten vier Optionen Wettbewerbsbehörden haben in zahlreichen für ein neues Wettbewerbsinstrument spricht sich Entscheidungen – und hier vor allem im Bereich die AK für jene Optionen aus, die wettbewerbliche der digitalen Märkte – Monopolisierungstendenzen Maßnahmen sowohl gegen marktbeherrschende als festgestellt, die, wenn sie einmal entstanden sind, nur auch noch nicht marktbeherrschende Unternehmen schwer angreifbar sind. Aufgrund der Komplexität der zum Gegenstand haben. Die Berücksichtigung nicht Sachverhalte bedarf es jahrelanger Untersuchungen, marktbeherrschender Unternehmen ist nach Ansicht um wettbewerbswidrige Praktiken festzustellen der AK wichtig, damit die EU-Wettbewerbskommission und entsprechend zu sanktionieren. Während des frühzeitig bei Monopolisierungstendenzen und Untersuchungszeitraums verfestigen sich häufig die Marktversagen eingreifen kann. Marktstellungen, sodass selbst hohe Geldbußen bei Zuwiderhandlungen nur bedingt wirksam sind. Eine Regelung auf EU-Ebene, die auch unterhalb der Marktbeherrschung Eingriffe unter Aufrechterhaltung Das zur Diskussion stehende neue eines angemessenen Rechtsschutzes ermöglicht, Wettbewerbsinstrument soll als proaktive sollte jedenfalls im Bereich der sich rasch Maßnahme bereits in einem sehr frühen Stadium entwickelnden digitalen Märkte getroffen werden. wettbewerbsschädliche Entwicklungen – vor allem in der Digitalwirtschaft – aufgreifen und das geltende Kritisch wird angemerkt, dass strukturelle Wettbewerbsrecht unterstützen. Abhilfemaßnahmen – wie zB die Verpflichtung der Veräußerung eines Unternehmens oder Ziel der EU-Kommission in dieser Konsultation ist Unternehmensteils nur bei massiven Verstößen es, ein Verfahren zu entwickeln, welches ermöglicht, und unter Aufrechterhaltung eines angemessenen strukturelle Wettbewerbsprobleme zu ermitteln und zu Rechtsschutzes möglich sein sollen und das neue beheben, die im Rahmen der EU-Wettbewerbsregeln Wettbewerbstool dazu – nach ersten dafürhalten überhaupt nicht (oder nicht wirksam) gelöst werden – nicht geeignet ist. Auch die Möglichkeit zur EU-Wettbewerbspolitik im Spiegel von Digitalisierung und Globalisierung 5
Verhängung von Strafen bei Auskunftsverweigerungen 4.2 Bewertung der AK von MitarbeiterInnen eines Unternehmens wird aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses Zu den Wettbewerbskräften abgelehnt. Darüber hinaus sollte auch KonsumentInnenschutzorganisationen die Möglichkeit Am Beispiel des SNIPP-Tests, welcher hinsichtlich der gegeben werden, sich zu den Ergebnissen des Feststellung der Nachfragesubstituierbarkeit angeführt Vorliegens struktureller Wettbewerbsprobleme vor einer wird, zeigt sich, dass dieser auf Zero-Price-Märkte abschließenden Entscheidung zu äußern und nicht nur nicht anwendbar ist. Vor allem in der Digitalwirtschaft den in der Konsultation angeführten Unternehmen oder sind diese Geschäftsmodelle regelmäßig zu finden. Lieferanten und KundInnen dieser Unternehmen. Diesbezüglich müssten neben dem SNIPP-Test auch noch andere Modelle zur Abgrenzung der Märkte in einer neuen Bekanntmachung angeführt werden. 4. Konsultation der Europäischen Kommission „Bekanntmachung über Auch bezüglich der Angebotssubstituierbarkeit müssten die Definition des relevanten Marktes“ nach Ansicht der AK die Kriterien geändert werden. Gegenwärtig wird hier überprüft, ob Unternehmen kurzfristig und ohne spürbare Zusatzkosten bzw Risiken Bei dieser Konsultation möchte die EU-Kommission ihre Produktion umstellen können. bewerten, ob die Bekanntmachung aus dem Jahr 1997 auch weiterhin einen praxistauglichen Ansatz für die Die Märkte verändern sich heute viel schneller und auch Abgrenzung von Märkten in sachlicher und räumlicher der globale Wettbewerb mit Drittstaaten spielt eine Hinsicht darstellt oder ob sie aktualisiert werden muss. größere Rolle als noch zum Zeitpunkt der Erlassung der gegenständlichen Bekanntmachung. Aus diesem 4 1 Allgemeines Grund erscheint eine zu statische Bestandsaufnahme der Konkurrenzsituation nicht mehr zeitgemäß. Vor Die Definition des relevanten Markts ist sowohl allem bei Anwendung der Marktdefinition in der bei der Untersuchung von Wettbewerbsverstößen Fusionskontrolle sollte die dynamische Entwicklung (insbesondere beim Marktmachtmissbrauch) als mitberücksichtigt und hier von einer Mittelfristprognose auch bei Fusionskontrollverfahren ein wesentlicher ausgegangen werden. Parameter. Es sind daher sowohl nach dem europäischen als auch nach dem nationalen Die Berücksichtigung von potentiellem Wettbewerb Wettbewerbsrecht transparente und nachvollziehbare wird in der Bekanntmachung überhaupt nur Regeln für die Rechtsunterworfenen notwendig, um zu rudimentär angesprochen. Aufgrund der sich vor wissen, in welchem sachlich und räumlich relevanten allem durch technologische Entwicklungen rasch Markt sie wirtschaftlich agieren. Hat ein Unternehmen ändernden Marktsituationen sollte potentieller eine marktbeherrschende Stellung, unterliegt es Wettbewerb im Rahmen einer Neufassung viel besonderen wettbewerblichen Vorschriften und muss stärkere Berücksichtigung finden. Auch hier sollte eine auch seine Geschäftspraktiken danach ausrichten dynamische Betrachtungsweise angewandt werden. (zB Diskriminierungsverbot und unzulässige Kampfpreisunterbietung). Know-How der ArbeitnehmerInnenvertretungen und KonsumentInnenschutz-organisationen verstärkt Grundsätzlich möchte die AK die Wichtigkeit einer nutzen aktualisierten Bekanntmachung aufgrund der geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Die EU-Kommission führt hinsichtlich der Erhebung wie Digitalisierung und Globalisierung, betonen. Dies von Nachweisen aus, dass sie Informationen zeigt sich auch daran, dass die in der Bekanntmachung vorrangig von wichtigen KundInnen und angeführten Beispiele ausschließlich auf die „old Unternehmen bzw Berufs- und Wirtschaftsverbänden economy“ wie beispielsweise Papier- und Kfz-Industrie einholt. Die AK möchte hierzu ausführen, dass verweisen. Wettbewerbliche Rahmenbedingungen der auch ArbeitnehmerInnenvertretungen und Digitalwirtschaft werden darin nicht angesprochen. KonsumentInnenschutzorganisationen über wichtige Informationen verfügen (zB Wettbewerbssituation, laufende Preiserhebungen, Studien, Beschwerden etc). Im Rahmen der Wettbewerbsverfahren sollte die EU- Kommission daher auch vermehrt an die genannten Organisationen herantreten. Dies sollte auch in einer zu überarbeitenden Bekanntmachung Niederschlag finden EU-Wettbewerbspolitik im Spiegel von Digitalisierung und Globalisierung 6
Bestimmung von Marktanteilen 5 1 Allgemeines Zu diesem Punkt möchte die AK darauf hinweisen, Ziel ist die Herstellung eines level-playing-fields der dass die Bestimmung des Marktanteils zwar ein am EU-Markt tätigen Unternehmen. Die Kommission wichtiges Kriterium zur Feststellung von Marktmacht schlägt drei Instrumente vor, die die Regelungslücken ist, Marktanteile können aber nicht das alleinige im Zusammenhang mit drittstaatlichen Investitionen Kriterium dafür sein. In diesem Punkt möchte die AK schließen sollen. Das erste Teilinstrument will die zB auf marktmächtige Digitalkonzerne verweisen, Überprüfung drittstaatlicher Subventionen ex-post die kontinuierlich ihre Geschäftsfelder ausdehnen, ermöglichen, das zweite Teilinstrument hat die Prüfung und der sich daraus ergebende Marktanteil zunächst von Unternehmenskäufen und das dritte Teilinstrument nur gering sein kann. Die Marktstellung wird hat mögliche Marktverzerrungen durch drittstaatliche aber insbesondere durch die Finanzkraft und die Subventionen an Bietern in einem öffentlichen Datenmacht des Konzerns wesentlich verstärkt. Dies Auftragsvergabeverfahren zum Gegenstand. sollte auch in einer Neufassung berücksichtigt werden. Alle drei Instrumente können bei entsprechender Ausgestaltung einen wichtigen Beitrag zur Herstellung Auch für Geschäftsmodelle, die von zwei- und fairer Wettbewerbsbedingungen leisten. mehrseitigen Märkten ausgehen (zB Plattformen), gibt die Bekanntmachung derzeit keine aktuellen 5.2 Bewertung der AK Hinweise, wie damit zu verfahren ist und wie die jeweiligen Marktanteile in Verbindung zu setzen Marktverzerrungen können nur ein Aspekt der sind. Auch diesbezüglich müsste die gegenwärtige Prüfung sein Bekanntmachung überarbeitet werden. Subventionen aus Drittstaaten an begünstigte Wenn sich auch in einigen Bereichen des Unternehmen werden ausschließlich unter Wirtschaftslebens die Grundsätze der dem Gesichtspunkt des Vorliegens möglicher Marktabgrenzung kaum geändert haben, sind Marktverzerrungen geprüft. Marktverzerrungen jedenfalls im Bereich der Digitalisierung wesentliche können allerdings nur ein Aspekt der Prüfung Adaptierungen notwendig. sein. Die Europäische Union verfolgt in ihrer jüngst veröffentlichten neuen Industriestrategie Dies betrifft nach Ansicht der AK insbesondere strategische Ziele, die industrielle Autonomie der EU folgende Sachverhalte: zu stärken. Im Sinne einer ganzheitlichen Prüfung gilt daher auch zu untersuchen, ob und inwieweit Die Bekanntmachung vor dem Hintergrund der drittstaatliche Subventionen die strategischen wichtigsten Trends und Entwicklungen seit ihrer Industrieinteressen der Union konterkarieren. Gerade Veröffentlichung im Bereich von drittstaatlich subventionierten Unternehmenserwerben ist die Notwendigkeit einer • Entwicklung von Zero-Price Märkten, ganzheitlichen Prüfung unter Berücksichtigung der • Bedeutung von zwei- und mehrseitigen Märkten industrie- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der und Berücksichtigung der gegenseitigen EU besonders gegeben. Gefährdungspotentiale für zB Auswirkungen, soziale und regionale Kohäsion, regionale Entwicklung, • Marktabgrenzung in Bezug auf Daten, Beschäftigungs- und Versorgungssicherheit, • Bedeutung von Daten, die sich nicht in Gesundheit, Umweltschutz, technologische Marktanteilen widerspiegeln, Unabhängigkeit sollten als Prüffaktoren von • die wettbewerbliche Bedeutung der drittstaatlich subventionierten Erwerbsvorgängen Geschäftsfeldausweitung marktmächtiger anerkannt werden. Eine Entscheidung ist sodann Digitalkonzerne. unter Abwägung sämtlicher positiver und negativer Auswirkungen der subventionierten Wirtschaftstätigkeit zu treffen. 5. Konsultation zum Weißbuch zu Subventionen aus Drittstaaten im Drittstaatliche Subventionen sind weiter zu definieren Binnenmarkt Das Weißbuch beschränkt sich im Wesentlichen auf die klassischen Subventionen wie finanzielle Die Konsultation zielt darauf ab Subventionen aus Zuwendungen, Haftungen oder Steuerbegünstigungen Drittstaaten zukünftig einer stärkeren Beobachtung durch Drittstaaten. Damit hat die EU-Kommission und Kontrolle zu unterwerfen. vor allem jene Subventionspraktiken im Auge, die sie auch aus der EU-Beihilfenkontrolle bestens kennt. EU-Wettbewerbspolitik im Spiegel von Digitalisierung und Globalisierung 7
Eine Einschränkung auf finanzielle Zuwendungen Hintergrund werden die Bemühungen der Kommission, erleichtert zwar die Prüfung, wird aber der oftmals drittstaatliche Subventionen im Kontext öffentlicher gelebten Praxis, nämlich drittstaatliche Subventionen Vergabeverfahren gesondert anzugehen, ausdrücklich möglichst intransparent zu gewähren, nicht gerecht. begrüßt. Drittstaatliche Subventionen und daraus resultierende Es ist wichtig, dass die Liste der obligatorischen Marktverzerrungen sind weiter zu definieren und es sind Ausschlussgründe von öffentlichen Vergabeverfahren auch andere Formen von Subventionen anzuführen. auf verzerrende Subventionen aus Drittstaaten Subventionen liegen etwa auch vor, wenn Unternehmen erweitert werden. In diesem Zusammenhang spricht aus Drittstaaten sich innerstaatlich sanktionslos sich die AK auch explizit für den verpflichtenden international anerkannter Kernarbeitsnormen und Ausschluss von künftigen Vergabeverfahren im Umweltstandards wiedersetzen können, um Waren gesamten EU-Raum während eines Zeitraums von drei und Dienstleistungen günstiger am EU-Markt Jahren aus. Ein solcher, künftiger Ausschluss hat eine anzubieten. Die Missachtung von internationalen generalpräventive Wirkung. Mindestarbeitsnormen und Umweltabkommen sollten jedenfalls als Subventionen mit marktverzerrender Bei Vorliegen einer drittstaatlichen Subvention von Wirkung angeführt werden. mehr als € 200.000 (Geringfügigkeitsgrenze) sollte ein obligatorischer Ausschluss aus dem Vergabeverfahren Nationale Aufsichtsbehörden für vorgesehen werden. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch Unternehmenserwerbe und wirkungsvolle Abweichungen von diesem obligatorischen Ausschluss Prüfinstrumente in Ausnahmesituationen vorsehen können, wenn es zwingende Gründe des Allgemeininteresses gibt, die Während die Kommission bei den Teilinstrumenten 1 eine Auftragsvergabe unumgänglich machen, zB wenn (allgemeines Verhalten) und 3 (öffentliche Vergaben) dringend benötigte Impfstoffe oder Notfallausrüstungen die Einrichtung von Aufsichtsbehörden bei der EU- nur von einem Unternehmen käuflich erworben werden Kommission und den Mitgliedstaaten vorschlägt, können, der diesen obligatorischen Ausschlussgrund schlägt sie im Teilbereich 2 (Unternehmenskäufe) die erfüllt. alleinige Prüfungskompetenz vor, was abgelehnt wird. Es wäre auch zweckmäßig, Verfahren zur Überprüfung Einbindung der gesetzlichen Interessenvertretungen ausländischer Direktinvestitionen und Verfahren zur Überprüfung von Drittlandsubventionen nicht parallel Des Weiteren wird angeregt, gesetzliche (wie auf Seite 51 des Weißbuches vorgeschlagen) Interessenvertretungen stärker in das Vergabeverfahren durchzuführen, sondern durch Zusammenziehung einzubinden. Neben Wettbewerbern sollte auch beider Verfahren eine Gesamtsicht zu erhalten. gesetzlichen Interessenvertretungen das Recht eingeräumt werden, den öffentlichen Auftraggeber Die Zuwendungen sind oft sehr komplex gestaltet oder alternativ die nationale Behörde davon in Kenntnis und nicht zuletzt unter Beteiligung von privaten zu setzen, dass eine Meldung nicht erfolgt ist. Die Unternehmen, um das Entdecken der Zuwendungen Beweislast sollte das empfangende Unternehmen zu erschweren. Es braucht daher bereits in der Phase treffen. der Vorprüfung wirkungsvolle Ermittlungsinstrumente für die Aufsichtsbehörden, um relativ rasch feststellen Abschließend wird festgehalten, dass die dargestellten zu können, ob eine vertiefte Prüfung erforderlich ist. Konsultationen grundsätzlich positiv bewertet werden. In diesem Zusammenhang erscheint der Vorschlag Entscheidend werden allerdings die nachfolgenden der Kommission zweckmäßig, dass bei mangelnder Schritte sein. Die zu den Konsultationen ergangenen Mitwirkung der betroffenen Unternehmen und des Beiträgen der KonsumentInnenschutzorganisationen Drittstaats die Aufsichtsbehörde auf Grundlage der und Interessensvertretungen der ArbeitnehmerInnen verfügbaren Informationen entscheidet und letztlich sind jedenfalls bei den zukünftigen Rechtsakten zu auch entsprechende Abhilfemaßnahmen erlässt. berücksichtigen. Öffentlichen Vergabeverfahren: Obligatorischer Ausschluss, wenn drittstaatliche Subventionen die Geringfügigkeitsgrenze von € 200.000 überschreiten Drittstaatliche Subventionen, insbesondere an Unternehmen, die auf Märkten mit Überkapazität oder mit hoher Marktkonzentration tätig sind, benachteiligen zwangsläufig jene Mitbewerber in der EU, die den Beihilferegelungen des AEUV unterliegen. Vor diesem EU-Wettbewerbspolitik im Spiegel von Digitalisierung und Globalisierung 8
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