Europa in 12 Lektionen - von Pascal Fontaine
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Diese Broschüre und andere kurze Erklärungen zur EU finden Sie im Netz unter ec.europa.eu/publications Europäische Kommission Generaldirektion Kommunikation Veröffentlichungen B-1049 Brüssel Manuskript abgeschlossen im Oktober 2006 Umschlaggestaltung/Fotos: Reporters Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2007 ISBN 92-79-02862-6 © Europäische Gemeinschaften, 2007 Nachdruck gestattet. Printed in Belgium GEDRUCKT AUF WEISSEM, CHLORFREIEM PAPIER
Weitere Informationen über die Europäische Union Die EU im Internet Informationen über die Europäische Union sind in allen Amtssprachen abrufbar unter: www.europa.eu Besuchen Sie uns! In ganz Europa gibt es Hunderte von örtlichen EU-Informationszentren. Die Anschrift des nächstgelegenen Zentrums finden Sie unter: www.europedirect.europa.eu Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns! EUROPE DIRECT beantwortet Ihre Fragen über die Europäische Union. Sie erreichen diesen Dienst über die gebührenfreie Rufnummer: 00 800 6 7 8 9 10 11 oder gebührenpflichtig von außerhalb der EU: (32-2) 299 96 96 bzw. per E-Mail über www.europedirect.europa.eu Für Auskünfte und Veröffentlichungen über die Europäische Union in deutscher Sprache wenden Sie sich bitte an: VERTRETUNGEN DER EUROPÄISCHEN BÜROS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS KOMMISSION Informationsbüro für Deutschland Vertretung in Deutschland Europäisches Haus Unter den Linden 78, D-10117 Berlin Unter den Linden 78, D-10117 Berlin Tel. (49-30) 22 80-2000 Tel. (49-30) 22 80-1000 Fax (49-30) 22 80-2222 Fax (49-30) 22 80-1111 Internet: www.eu-kommission.de Internet: www.europarl.de E-Mail: eu-de-kommission@ec.europa.eu E-Mail: EPBerlin@europarl.europa.eu Vertretung in Bonn Informationsbüro München Bertha-von-Suttner-Platz 2-4, D-53111 Bonn Erhardtstraße 27, D-80469 München Tel. (49-228) 530 09-0 Tel. (49-89) 20 20-8790 Fax (49-228) 530 09-50 Fax (49-89) 20 20-87973 E-Mail: eu-de-bonn@ec.europa.eu Internet: www.europarl.de E-Mail: epmuenchen@europarl.europa.eu Vertretung in München Erhardtstraße 27, D-80469 München Informationsbüro für Belgien Tel. (49-89) 24 24 48-0 Rue Wiertz 60, B-1047 Bruxelles Fax (49-89) 24 24 48-15 Tel. (32-2) 284 20 05 E-Mail: eu-de-muenchen@ec.europa.eu Fax (32-2) 230 75 55 Internet: www.europarl.europa.eu/brussels/ Vertretung in Belgien E-Mail: epbrussels@europarl.europa.eu Rue Archimède 73, B-1000 Bruxelles Tel. (32-2) 295 38 44 Informationsbüro für Luxemburg Fax (32-2) 295 01 66 Europahaus Internet: ec.europa.eu/belgium/ 7, Rue du Marché-aux-Herbes E-Mail: COMM-REP-BRU@ec.europa.eu L-1728 Luxemburg Tel. (352) 43 00-225 97 Vertretung in Luxemburg Fax (352) 43 00- 224 57 Europahaus Internet: europarl.europa.eu/ 7, Rue du Marché-aux-Herbes E-Mail: epluxembourg@europarl.europa.eu L-1728 Luxembourg Tel. (352) 43 01-34 925 Informationsbüro für Österreich Fax (352) 43 01-34 433 Kärntner Ring 5-7, A-1010 Wien Internet: ec.europa.eu/luxembourg/ Tel. (43-1) 51 61 70 E-Mail: comm_rep_lux@ec.europa.eu Fax (43-1) 513 42 25 Internet: www.europarl.at Vertretung in Österreich E-Mail: EPWien@europarl.europa.eu Kärntner Ring 5-7, A-1010 Wien Tel. (43-1) 5161 80 Vertretungen der Europäischen Kommission und Fax (43-1) 513 42 25 Büros des Europäischen Parlaments bestehen auch Internet: ec.europa.eu/austria/ in den übrigen Ländern der Europäischen Union. E-Mail: comm-rep-vie@ec.europa.eu Delegationen der Europäischen Kommission bestehen in anderen Teilen der Welt.
Europa in 12 Lektionen Welches Ziel hat die EU? Wie funktioniert sie? Wie wird’s gemacht? Was hat sie bereits für die Bürger erreicht, und welchen Aufgaben steht sie heute gegenüber? Wie können die Bürger stärker beteiligt werden? Kann die EU im Zeitalter der Globalisierung erfolgreich mit anderen wichtigen Volkswirtschaften konkurrieren und ihre Sozialstandards beibehalten? Kann Europa weiterhin eine führende Rolle in der Welt spielen und zum Schutz vor Terrorismus beitragen? Dies sind nur einige der Fragen, die Pascal Fontaine – ein EU- Experte und ehemaliger Hochschullehrer – in dieser neuen Ausgabe 2007 seiner Broschüre „Europa in 12 Lektionen“ erörtert. NA-AK-06-290-DE-C
12 Lektionen von Pascal Fontaine Ehemaliger Assistent von Jean Monnet, Professor am Institut d’Études Politiques, Paris
Contents Europa in 12 Lektionen 1. Warum brauchen wir eine Europäische Union? 4 2. Zehn historische Schritte 8 3. Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik 12 4. Wie funktioniert die EU? 16 5. Aufgaben 22 6. Der Binnenmarkt 28 Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) 7. und Euro 32 8. Übergang zur Wissensgesellschaft 36 9. Das Europa der Bürger 40 10. Freiheit, Sicherheit und Recht 44 11. Die Europäische Union in der Welt 48 12. Welche Zukunft für Europa? 54 Chronik der Europäischen Einigung 58 3
Der Auftrag Europas im 21. Jahrhundert: Europa in 12 Lektionen • Stabilität für seine Bürger sicherstellen; • die Spaltungen auf dem Kontinent überwinden; • die Sicherheit seiner Bürger gewährleisten; • eine ausgewogene Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft fördern; • die Globalisierungsherausforderungen angehen und die Vielfalt der Völ- ker Europas wahren; • die gemeinsamen Werte der Europäer, wie nachhaltige Entwicklung und eine gesunde Umwelt, Achtung der Menschenrechte und soziale Markt- wirtschaft, pflegen. I. Frieden und Stabilität Ländern, die sich noch kurz vorher bekämpft hatten, wurde die Erzeugung von Kohle und Zunächst war die Vorstellung von einem ge- Stahl einer gemeinsamen Behörde – der „Ho- einten Europa nur ein Traum von Philosophen hen Behörde“ – unterstellt. Auf praktische, und Visionären. Erst später wurde daraus ein aber äußerst symbolische Weise wurden konkretes politisches Ziel. Victor Hugo konnte kriegswichtige Rohstoffe zu Instrumenten der sich beispielsweise friedliche, vom humanisti- Versöhnung und des Friedens. schen Denken inspirierte „Vereinigte Staaten von Europa“ vorstellen. Dieser Traum wurde durch zwei schreckliche Kriege, die den Konti- II. Europa wird wieder vereinigt nent in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschütterten, zerstört. Die Europäische Union unterstützte die Wie- dervereinigung Deutschlands nach dem Mau- Doch erwuchs aus den Trümmern des Zweiten erfall 1989. Als die Sowjetunion 1991 aus- Weltkriegs eine neue Hoffnung. Die Gegner einanderbrach, wollten die Länder Mittel- und des Totalitarismus waren entschlossen, den Osteuropas, die bis dahin kommunistisch wa- gegenseitigen Hass und die Rivalität in Euro- ren und jahrzehntelang dem Warschauer Pakt pa zu beenden und einen dauerhaften Frieden angehört hatten, sich der Familie der demo- zwischen den ehemals verfeindeten Völkern zu kratischen Nationen Europas anschließen. schaffen. Zwischen 1945 und 1950 gelang es weitsichtigen Staatsmännern, wie Konrad Der Erweiterungsprozess ist bis heute nicht ab- Adenauer, Winston Churchill, Alcide de Gas- geschlossen. Mit der Türkei und Kroatien wur- peri und Robert Schuman, die Menschen in ih- den im Oktober 2005 Beitrittsverhandlungen rem Land zu überzeugen, dass eine neue Zeit aufgenommen, und mehrere Balkanländer ha- anbrechen müsse. In Westeuropa sollten neue ben den Weg eingeschlagen, der eines Tages Strukturen geschaffen werden, denen gemein- zur EU-Mitgliedschaft führen könnte. same Interessen und Verträge zugrunde lagen, die Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechti- gung zwischen allen Ländern garantierten. III. Sicherheit Der französische Außenminister Robert Schu- Europa steht auch im 21. Jahrhundert noch man griff eine ursprünglich von Jean Monnet vor Sicherheitsproblemen. Die EU muss alles entwickelte Idee auf und schlug am 9. Mai tun, um ihre Mitglieder gegen Gefahren von 1950 die Gründung einer Europäischen Ge- innen und von außen zu schützen. Dazu muss meinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vor. In sie konstruktiv mit den Regionen jenseits ih- 5
rer Grenzen zusammenarbeiten: dem Balkan, der Europäischen Kommission verwaltet wer- Nordafrika, dem Kaukasus und dem Nahen den) unterstützen und ergänzen die Maßnah- Osten. Aber die EU muss zum Schutz ihrer mi- men der nationalen und regionalen Behörden litärischen und strategischen Interessen auch der EU-Mitgliedstaaten zur Verringerung von mit ihren Alliierten – insbesondere im Rahmen Ungleichheiten zwischen verschiedenen Teilen der NATO — zusammenarbeiten und eine ei- der EU. Zur Verbesserung der europäischen gene Europäische Sicherheits- und Verteidi- Verkehrsinfrastruktur (beispielsweise für den gungspolitik (ESVP) entwickeln. Ausbau von Autobahnen und Hochgeschwin- digkeitsnetzen) werden sowohl Mittel aus dem Innere und äußere Sicherheit sind zwei Seiten EU-Haushalt als auch Darlehen der Europä- derselben Medaille. Im Kampf gegen Terroris- ischen Investitionsbank (EIB) eingesetzt, um mus und organisierte Kriminalität müssen die einen besseren Zugang zu abgelegenen Regi- Polizeikräfte aller EU-Länder intensiv zusam- onen herzustellen und den transeuropäischen menarbeiten. Eng kooperieren müssen aber Handel zu fördern. Der wirtschaftliche Erfolg auch die Regierungen, denn nur so kann die der EU wird zum Teil daran gemessen werden, EU ihr neues Ziel erreichen: Sie will sich zu wie sehr ihr Binnenmarkt mit einer halben Mil- einem „Raum der Freiheit, der Sicherheit und liarde Verbrauchern Bürgern und Unterneh- des Rechts“ entwickeln, in dem alle Bürger men Nutzen bringt. gleichen Zugang zur Justiz und gleichen Schutz durch das Recht genießen. Einrichtungen wie Europol, das Europäische Polizeiamt und Euro- V. Identität und Vielfalt in der just, das die Zusammenarbeit zwischen Staats- globalisierten Welt anwaltschaften, Richtern und Polizeibehörden in verschiedenen EU-Staaten fördert, müssen Die postindustrielle Gesellschaft in Europa ebenfalls eine aktivere Rolle übernehmen. wird immer komplexer. Der Lebensstandard steigt fortlaufend, doch auch jetzt noch be- stehen beträchtliche Unterschiede zwischen IV. Die Europäische Union wurde Armen und Reichen. Seit Länder beigetreten gegründet, um politische Ziele zu sind, deren Lebensstandard unter dem EU- erreichen Durchschnitt liegt, öffnet sich die Schere wei- ter. Die EU-Länder müssen zusammenarbeiten, Die Europäische Union wurde gegründet, um um diese Entwicklung umzukehren. ein großes politisches Ziel – Frieden – zu errei- chen, doch ihre Dynamik und ihr Erfolg sind Durch solche Anstrengungen werden die je- das Ergebnis ihrer wirtschaftlichen Aktivität. weiligen kulturellen oder sprachlichen Beson- derheiten der EU-Länder jedoch nicht in Frage Auf die EU-Länder entfällt ein immer gerin- gestellt. Ganz im Gegenteil: Viele Regionen gerer Anteil der Weltbevölkerung. Sie müssen können sich dank EU-Hilfen ihre typischen daher weiterhin zusammenstehen, wenn sie Erzeugnisse sowie ihre vielfältigen Traditionen für Wirtschaftswachstum sorgen und weltweit und Kulturen für ein neues Wirtschaftswachs- mit den anderen großen Marktwirtschaften tum zunutze machen. konkurrieren wollen. Kein EU-Mitgliedstaat ist stark genug für einen Alleingang im Welthan- Ein halbes Jahrhundert europäischer Eini- del. Der Europäische Binnenmarkt bietet Un- gungsbemühungen hat gezeigt, dass die EU ternehmen wichtige Voraussetzungen für ihre als Ganzes größer ist als die Summe ihrer Teile: erfolgreiche Teilnahme am Wettbewerb auf In Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie, Han- den Weltmärkten. del und Politik ist sie wesentlich schlagkräf- tiger, als es einzelne Mitgliedstaaten je sein Doch muss dem europaweiten freien Wett- könnten. Hinzu kommt der große Vorteil, als bewerb eine europaweite Solidarität entge- Europäische Union mit einer Stimme sprechen gengesetzt werden. Die Bürger ziehen daraus zu können. einen konkreten Nutzen: Kommen sie durch Überschwemmungen oder andere Naturka- Warum? tastrophen zu Schaden, erhalten sie Mittel aus • Weil die EU die größte Handelsmacht dem EU-Haushalt. Die Strukturfonds (die von der Welt ist und in internationalen Verhand- 6
Europa in 12 Lektionen © Sylvain Grandadam/Van Parys Media Einheit in Vielfalt – ein zweisprachiges Straßenschild auf Malta lungen, wie bei der 149 Mitglieder starken Menschheit Nutznießer und nicht Opfer der Welthandelsorganisation (WTO) und bei der großen globalen Veränderungen ist, die sich Umsetzung des Kyoto-Protokolls über Luftver- heute vollziehen. Die Belange der Bürger kön- schmutzung und Klimawandel, eine entschei- nen nicht allein den Marktkräften überlassen dende Rolle spielt; oder einem einseitigen Diktat unterworfen werden. • weil sie bei sensiblen Themen, die den Bürger betreffen, wie Umweltschutz, erneu- So steht die EU für humanistische Werte und erbare Energiequellen, „Vorbeugeprinzip“ bei ein Gesellschaftsmodell, das von der gro- der Nahrungsmittelsicherheit, ethische As- ßen Mehrheit der Bürger unterstützt wird. pekte der Biotechnologie und die Notwendig- Die Europäer wollen die ihnen überlieferten keit, gefährdete Arten zu schützen, eindeutig Werte erhalten, zu denen der Glaube an die Stellung nimmt; Menschenrechte, gesellschaftliche Solidarität, freies Unternehmertum und eine gerechte • weil sie im Zusammenhang mit dem Verteilung der Früchte des Wirtschaftswachs- „Erdgipfel“, der 2002 in Südafrika stattfand, tums, das Recht auf eine geschützte Umwelt, wichtige Initiativen für die nachhaltige Ent- die Achtung der kulturellen, sprachlichen und wicklung auf der ganzen Welt gestartet hat. religiösen Vielfalt und ein harmonischer Aus- gleich zwischen Tradition und Fortschritt ge- Das alte Sprichwort „gemeinsam sind wir hören. stark“ gilt für die heutigen EU-Bürger mehr denn je. Die europäische Einigung hat die un- In der im Dezember 2002 in Nizza proklamier- terschiedlichen Lebensweisen, Traditionen und ten Grundrechte-Charta der EU sind alle Rech- Kulturen der Völker Europas nicht verdrängt. te verankert, die die EU-Mitgliedstaaten und Vielmehr betrachtet die EU die Vielfalt als ei- ihre Bürger heute anerkennen. Diese Werte nen ihrer größten Vorzüge. können ein Zusammengehörigkeitsgefühl bei den Europäern bewirken. So haben beispiels- weise alle EU-Länder die Todesstrafe abge- VI. Werte schafft. Die EU will humanitäre und fortschrittliche Werte fördern und dafür sorgen, dass die 7
2. Zehn historische Schritte
1951: Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl wird von den sechs Gründermitgliedstaaten ins Leben gerufen. Europa in 12 Lektionen 1957: Der Vertrag von Rom schafft die Grundlage für einen gemeinsamen Markt. 1973: Die Gemeinschaft wächst auf neun Mitgliedstaaten an und entwi- ckelt gemeinsame Politiken. 1979: Das Europäische Parlament wird zum ersten Mal direkt gewählt. 1981: Als erstes Mittelmeerland tritt Griechenland bei. 1993: Der Binnenmarkt wird vollendet. 1993: Durch den Vertrag von Maastricht wird die Europäische Union errichtet. 1995: Die EU wächst auf 15 Mitgliedstaaten an. 2002: Euro-Banknoten und -Münzen werden eingeführt. 2004: Zehn weitere Länder treten der EU bei. 1. Am 9. Mai schlug der französische Außen- burg und die Niederlande). Das Ziel war, minister Robert Schuman die Errichtung einer nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch Europäischen Gemeinschaft für Kohle und gleichberechtigte Zusammenarbeit innerhalb Stahl (EGKS) vor, die mit dem Vertrag von Pa- gemeinsamer Organe den Frieden zwischen ris vom 18. April 1951 Realität wurde. Dies Siegern und Besiegten in Europa zu sichern. war der Beginn des gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl der sechs Gründerländer (Bel- 2. Am 25. März 1957 beschlossen die Sechs gien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxem- mit dem Vertrag von Rom die Errichtung ei- © EC Am 9. Mai 1950 stellte der französische Außenminister Robert Schuman seine Ideen, die später zur Europäischen Union führten, öffentlich vor. Daher wird der 9. Mai als Europatag begangen. 9
ner Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 5. Griechenland trat der Gemeinschaft 1981 (EWG), die auf einem größeren gemeinsamen bei, Spanien und Portugal folgten 1986. Da- Markt mit einer breiten Palette von Waren und durch gewann die Gemeinschaft an Präsenz in Dienstleistungen gründen sollte. Die Zölle zwi- Südeuropa, so dass eine Ausweitung ihrer regio- schen den sechs Ländern wurden am 1. Juli nalen Hilfsprogramme umso dringlicher wurde. 1968 völlig abgeschafft. Parallel dazu wurde in den 60er Jahren eine gemeinsame Handels- 6. Der weltweite Konjunkturrückgang An- und Landwirtschaftspolitik entwickelt. fang der 80er Jahre führte zu einer Phase von sogenanntem Europessimismus. Neue Hoff- 3. Diese Maßnahmen waren so erfolgreich, nung gab es jedoch 1985, als die Europäische dass sich Dänemark, Irland und das Vereinig- Kommission unter ihrem Präsidenten Jacques te Königreich für einen Beitritt zur Gemein- Delors ein Weißbuch mit einem Zeitplan zur schaft entschieden. Diese erste Erweiterung Vollendung des Europäischen Binnenmarkts von sechs auf neun Mitgliedstaaten erfolgte bis zum 1. Januar 1993 vorlegte. Dieses ehr- 1973. Gleichzeitig wurden neue sozial- und geizige Ziel wurde in der Einheitlichen Euro- umweltpolitische Maßnahmen eingeführt. päischen Akte verankert, die im Februar 1986 Der Europäische Fonds für regionale Entwick- unterzeichnet wurde und am 1. Juli 1987 in lung (EFRE) wurde 1975 errichtet. Kraft trat. 4. Mit den ersten Wahlen zum Europäischen 7. Der Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989 Parlament durch allgemeine Direktwahl im änderte das politische Gesicht Europas grund- Juni 1979 tat die Europäische Gemeinschaft legend. Dieses Ereignis führte zur Wiederver- einen entscheidenden Schritt. Diese Wahlen einigung Deutschlands im Oktober 1990 und finden alle fünf Jahre statt. zur Demokratisierung der Länder Mittel- und © Reuters 1989 fiel die Berliner Mauer, und die Teilung des europäischen Kontinents wurde allmählich überwunden. 10
Osteuropas, die sich von der Sowjetunion lös- 10. Kaum hatte sich die EU auf 15 Mitglied- ten. Die Sowjetunion selbst zerfiel im Dezem- staaten erweitert, da bereitete sie schon eine ber 1991. Erweiterung bis dahin unbekannten Ausmaßes Europa in 12 Lektionen Zur gleichen Zeit verhandelten die Mitglied- vor: Mitte der 90er Jahre reichten die ehema- staaten über den neuen Vertrag über die Eu- ligen Ostblockländer (Bulgarien, die Tsche- ropäische Union (EU), der den bestehenden chische Republik, Ungarn, Polen, Rumänien Gemeinschaftsstrukturen neue Bereiche der und die Slowakei), die drei baltischen Staaten, Regierungszusammenarbeit hinzufügte. Er die früher zur Sowjetunion gehört hatten (Est- wurde vom Europäischen Rat – der Versamm- land, Lettland und Litauen), eine der aus dem lung der Staats- bzw. Regierungschefs – im ehemaligen Jugoslawien hervorgegangenen Dezember 1991 in Maastricht angenommen Republiken (Slowenien) und zwei Mittelmeer- und trat am 1. November 1993 in Kraft. länder (Zypern und Malta) ihre Beitrittsge- suche ein. 8. Diese neue europäische Dynamik und die veränderte geopolitische Lage führten dazu, Die EU sah in dieser Erweiterung eine Chan- dass Finnland, Österreich und Schweden der ce zur Stabilisierung des europäischen Kon- EU am 1. Januar 1995 beitraten. tinents und zur Ausweitung der Vorteile der europäischen Integration auf diese jungen De- 9. Inzwischen hatte die EU den Weg zu ihrer mokratien. Die Beitrittsverhandlungen wurden spektakulärsten Errungenschaft, der Schaffung im Dezember 1997 aufgenommen. Am 1. Mai einer einheitlichen Währung, eingeschlagen. 2004 traten zehn der zwölf Bewerberländer 1999 wurde der Euro für (bargeldlose) Finanz- bei, und die EU zählte nunmehr 25 Mitglied- transaktionen eingeführt; drei Jahre später staaten. Der Beitritt Bulgariens und Rumäni- wurden Euro-Scheine und -Münzen in den ens erfolgte am 1. Januar 2007. zwölf Ländern des Euroraums (oft bezeichnet als Euroland) ausgegeben. Der Euro hat heute neben dem Dollar große Bedeutung als inter- nationale Zahlungs- und Reservewährung. Auch die Europäer sind mit der Globalisierung konfrontiert. Neue Techniken und die immer stärkere Nutzung des Internets verändern die Wirtschaft und bewirken Veränderungen in Gesellschaft und Kultur. Im März 2000 hat die EU die „Lissabonner Strategie“ aufgestellt, um die europäische Wirtschaft zu modernisieren und sie auf den Weltmärkten für die Konkurrenz mit anderen wichtigen Wirtschaftsmächten, wie den Verei- nigten Staaten und den „neuen Industrielän- dern“, zu rüsten. Diese Strategie setzt auf die Förderung von Innovation und Investitionen sowie die Anpassung der europäischen Bil- dungssysteme an den Bedarf der Informati- onsgesellschaft. Gleichzeitig belasten die Arbeitslosigkeit und die steigenden Kosten der Rentensysteme die Wirtschaft der Mitgliedstaaten. Reformen sind also unerlässlich. Auch die Wähler verlangen zunehmend von ihren Regierungen praktische Lösungen für diese Probleme. 11
3. Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik
• Der Europäischen Union kann jedes europäische Land beitreten, das die demokratischen, politischen und wirtschaftlichen Beitrittskriterien erfüllt. Europa in 12 Lektionen • Nach mehreren Erweiterungen ist die EU von ursprünglich sechs auf heu- te 27 Mitglieder angewachsen. Weitere Länder sind Beitrittskandidaten. • Jeder Vertrag über die Aufnahme eines neuen Landes muss von allen Mit- gliedstaaten einstimmig gebilligt werden. Vor jeder neuen Erweiterung prüft die EU, ob sie in der Lage ist, weitere Länder aufzunehmen und ihre Institutionen auch danach ordnungsgemäß funktionieren können. • Die bisherigen Erweiterungen haben die Demokratie gestärkt, Europa si- cherer gemacht und sein Potenzial für Handel und Wirtschaftswachstum erhöht. I. Ein Kontinent findet zur Einheit c) Beitrittskandidaten Die Türkei, Mitglied der Nato und seit langem a) Eine Union der 25 durch ein Assoziierungsabkommen mit der EU Im Dezember 2002 traf der Europäische Rat in verbunden, bewarb sich 1987 um die EU-Mit- Kopenhagen eine der bedeutendsten Entschei- gliedschaft. Wegen der geografischen Lage dungen in der Geschichte der europäischen und politischen Geschichte des Landes rea- Integration. Er bot zehn weiteren Ländern die gierte die EU erst nach langem Zögern positiv. EU-Mitgliedschaft zum 1. Mai 2004 an, wo- Im Oktober 2005 eröffnete der Europäische durch sich die EU nicht nur räumlich, sondern Rat die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. auch von der Einwohnerzahl her vergrößerte. Gleichzeitig nahm er die Verhandlungen mit Vor allem wurde hierdurch die seit 1945 be- Kroatien, einem weiteren Kandidatenland, stehende Teilung unseres Kontinents in Ost auf. Wann etwaige Beitrittsverträge mit diesen und West beendet. Ländern geschlossen werden, nachdem die Verhandlungen beendet sind, ist noch offen. Somit hatte die fünfte EU-Erweiterung eine politische und geistige Dimension. Durch sie d) Westliche Balkanländer konnten mehrere Länder – Estland, Lettland, Diese Länder, die überwiegend Teil von Ju- Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Sloweni- goslawien waren, blicken zur Europäischen en, die Tschechische Republik, Ungarn und Union, von der sie sich eine Beschleunigung Zypern –, die nicht nur geografisch, sondern ihres wirtschaftlichen Wiederaufbaus, eine auch ihrer Kultur, ihrer Geschichte und ihren Verbesserung ihrer durch ethnische und re- Bestrebungen nach genauso europäisch sind ligiöse Kriege in Mitleidenschaft gezogenen wie die anderen, Mitglieder der demokra- Beziehungen untereinander und die Festigung tischen europäischen Familie werden. Heute ihrer demokratischen Institutionen erhoffen. sind sie als Partner an dem grandiosen Projekt Die EU hat der ehemaligen jugoslawischen beteiligt, das die Gründerväter der EU einst er- Republik Mazedonien im November den Sta- sonnen haben. tus eines Kandidatenlands zuerkannt. Poten- zielle Bewerber sind Albanien, Bosnien und b) Nächste Erweiterung Herzegowina, Montenegro und Serbien. Bulgarien und Rumänien erlangten 1995 den Status von Kandidatenländern. Der Weg zur Mitgliedschaft dauerte bei diesen beiden Ländern länger als bei den zehn anderen, doch seit dem 1. Januar 2007 gehören sie zur EU, die jetzt also 27 Mitglieder zählt. 13
II. Beitrittsvoraussetzungen Während der Verhandlungsphase erhalten die Bewerberländer Unterstützung von der EU, da- a) Rechtliche Auflagen mit sie ihren wirtschaftlichen Rückstand leich- Die europäische Integration war stets ein po- ter aufholen können. So haben die 2004 bei- litischer und wirtschaftlicher Prozess, der allen getretenen Länder insgesamt 41 Mrd. EUR an europäischen Ländern offen steht, die zur Un- Hilfen erhalten, um vor allem Strukturprojekte terzeichnung der Gründungsverträge und zur finanzieren und ihren Pflichten als Mitglieder Übernahme des gesamten EU-Rechts bereit nachkommen zu können. sind. Artikel 237 des Vertrags von Rom be- stimmt, dass jeder europäische Staat um eine Mitgliedschaft in der Gemeinschaft ersuchen III. Wie groß kann die kann. EU werden? Ergänzend heißt es in Artikel F des Vertrags a) Geografische Grenzen von Maastricht, dass die „Regierungssysteme In den meisten Ländern fanden Debatten zur Ra- [der Mitgliedstaaten] auf demokratischen tifizierung des EU-Verfassungsvertrags statt. Wie Grundsätzen beruhen“ [müssen]. dabei deutlich wurde, machen sich viele Europä- er Sorgen darüber, wo die endgültigen Grenzen b) Die „Kriterien von Kopenhagen“ der Europäischen Union liegen könnten, und Nachdem die früheren kommunistischen sogar darüber, was eigentlich die Identität der Länder ihr Interesse an einer Mitgliedschaft EU ausmacht. Darauf gibt es keine einfachen bekundet hatten, legte der Europäische Rat Antworten, vor allem, weil jedes Land seine 1993 drei Beitrittskriterien fest. Zum Zeitpunkt ihres Beitritts müssen die neuen Mitgliedstaa- ten Folgendes nachweisen: • Gefestigte Institutionen, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten ge- währleisten; • eine funktionierende Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten; • die Fähigkeit, die aus der Mitgliedschaft © Inger Hogstrom/Van Parys Media erwachsenden Pflichten zu erfüllen, wozu gehört, die Ziele der Union zu unterstützen. Die beitrittswilligen Länder müssen über eine öffentliche Verwaltung verfügen, die die EU- Rechtsvorschriften in der Praxis anwenden und durchsetzen kann. c) Der Beitrittsprozess Die Beitrittsverhandlungen werden von dem jeweiligen Bewerberland und der Europä- ischen Kommission als Vertreterin der EU Das kroatische Dubrovnik, die „Perle der Adria“ geführt. Dann müssen die im Rat vereinigten Mitgliedstaaten einstimmig beschließen, dass geopolitischen oder wirtschaftlichen Interessen ein neues Land der EU beitreten darf. Das anders sieht. Die baltischen Staaten und Polen Europäische Parlament muss mit absoluter sprechen sich für die EU-Mitgliedschaft der Uk- Mehrheit zustimmen. Danach müssen alle raine aus. Der mögliche Beitritt der Türkei wird Beitrittsverträge von den Mitgliedstaaten und die Frage des Status einiger Kaukasusländer, den Bewerberländern nach den jeweiligen Ver- wie Georgien und Armenien, aufwerfen. fassungsverfahren ratifiziert werden. 14
Obwohl Island, Liechtenstein, Norwegen und die zuerst mit Kroatien und der ehemaligen ju- Schweiz die Beitrittsvoraussetzungen erfüllen, goslawischen Republik Mazedonien geschlos- sind sie nicht Mitgliedstaaten der Europäischen sen. Es folgte Albanien. Potenzielle Kandidaten Europa in 12 Lektionen Union, weil die öffentliche Meinung dieser Län- sind außerdem Bosnien und Herzegowina, der den EU-Beitritt derzeit ablehnt. Montenegro und Serbien. Die politische Lage in Weißrussland und die • Im Rahmen ihrer Nachbarschaftspolitik strategische Position Moldawiens stellen noch hat die EU mit Nicht-Mitgliedstaaten („Dritt- Probleme dar. Eine Mitgliedschaft Russlands in staaten“) im südlichen Mittelmeerraum und der Europäischen Union würde sowohl politisch im südlichen Kaukasus sowie mit einigen ost- als auch geografisch die Balance auf unan- europäischen Ländern, deren künftige Bezie- nehmbare Weise gefährden. hungen zur Europäischen Union noch unklar sind, Handels- und Kooperationsabkommen b) Verwaltungstechnische geschlossen. Beschränkungen Der 2003 unterzeichnete Vertrag von Nizza re- gelt den institutionellen Rahmen für eine EU mit höchstens 27 Mitgliedstaaten. Um diese Grenze überschreiten zu können, müssten die Mitglied- staaten ein neues Regierungsabkommen über ihre Beziehungen innerhalb der Institutionen schließen. Wenn die EU sich auf über 30 Mitgliedstaaten vergrößerte, würde es für sie schwerer werden, gemäß den Grundprinzipien in den Verträgen zu funktionieren (siehe Kapitel 4 „Wie funktioniert die EU?“). Die Verfahren zur Beschlussfassung müssten gründlich überarbeitet werden, damit eine Lähmung der EU verhindert wird und sie handlungsfähig bleibt. Außerdem gibt es noch einige heikle Themen, wie der Gebrauch der Amtssprachen. Deren Zahl hat sich mit dem Beitritt Bulgariens und Rumä- niens auf 23 erhöht. Die EU-Erweiterung darf nicht zur Folge haben, dass einfache Bürger das Gefühl bekommen, ihre nationalen oder regio- nalen Identitäten innerhalb einer „genormten“ EU verlören an Kraft. IV. Bewerberländer und Nicht-Bewerberländer Die EU verfolgt gegenüber ihren Nachbarstaa- ten eine unterschiedliche Politik, je nachdem, ob diese Staaten mögliche Bewerberländer sind oder nicht. • Stabilisierungs- und Assoziierungsabkom- men eröffnen einem Land die Möglichkeit, am Ende eines langwierigen Verhandlungs- prozesses ein Kandidat für die EU-Mitglied- schaft zu werden. Solche Abkommen wurden 15
• Der Rat der Europäischen Union („Ministerrat“), der die Mitgliedstaa- ten vertritt, ist das bedeutendste Entscheidungsorgan der EU. Die Europa in 12 Lektionen Staats- bzw. Regierungschefs kommen als „Europäischer Rat“ zusam- men. Dessen Aufgabe ist es, der EU politische Anstöße zu besonders wichtigen Fragen zu geben. • Das Europäische Parlament, das die Bürger vertritt, teilt Legislativ- und Haushaltsbefugnisse mit dem Ministerrat der EU. • Die Europäische Kommission, die das gemeinsame Interesse der EU wahrnimmt, ist das wichtigste Exekutivorgan. Sie ist befugt, neue ge- setzgeberische Maßnahmen vorzuschlagen, und sorgt dafür, dass die Politik der EU ordnungsgemäß umgesetzt wird. I. Beschlussfassung im Dreieck en (oder abgeleiteten) Rechts, das sich unmit- telbar auf das Leben der EU-Bürger auswirkt. Die Europäische Union ist mehr als eine Län- Das Sekundärrecht besteht überwiegend aus derkonföderation, jedoch kein Bundesstaat. Verordnungen, Richtlinien und Empfehlungen, Sie bildet eine neuartige Struktur, die sich die die EU-Organe angenommen haben. keiner traditionellen rechtlichen Kategorie zu- ordnen lässt. Ihr politisches System ist in der Diese Vorschriften werden, wie generell alle Geschichte einmalig und entwickelt sich seit EU-Maßnahmen, von drei Organen getroffen, über 50 Jahren kontinuierlich weiter. die ein institutionelles Dreieck bilden: dem Rat als Vertreter der nationalen Regierungen, Die Verträge (das sogenannte Primärrecht) sind dem Europäischen Parlament als Vertreter der die Grundlage eines umfangreichen sekundär- Bürger und der Europäischen Kommission, die von den Regierungen unabhängig ist und die gemeinsamen Interessen Europas wahrt. a) Der Rat der Europäischen Union und der Europäische Rat Der Ministerrat der Europäischen Union ist ihr wichtigstes Entscheidungsorgan. Die Mit- gliedstaaten der EU führen turnusmäßig sechs Monate lang den Vorsitz im Rat. An jeder Rats- tagung nimmt ein Minister pro Mitgliedstaat teil. Welche Minister dies jeweils sind, hängt davon ab, welches Thema auf der Tagesord- nung steht: Außenbeziehungen, Landwirt- schaft, Industrie, Verkehr, Umweltschutz usw. Im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens übt der Ministerrat seine Legislativbefugnisse gemeinsam mit dem Europäischen Parlament aus. Auch über den EU-Haushalt entschei- den diese beiden Organe gemeinsam. Ferner schließt der Rat internationale Abkommen ab, die von der Kommission ausgehandelt wer- © EC den. Das Europäische Parlament ist die Stimme der Bürger. 17
Anzahl der Stimmen im Rat Deutschland, Frankreich, Italien und Vereinigtes Königreich 29 Polen und Spanien 27 Rumänien 14 Niederlande 13 Belgien, Griechenland, Portugal, Tschechische Republik und Ungarn 12 Österreich, Portugal und Schweden 10 Dänemark, Finnland, Irland, Litauen und Slowakei 7 Estland, Lettland, Luxemburg, Slowenien und Zypern 4 Malta 3 Insgesamt: 345 Mindestens 255 von 345 Stimmen (73,9 %) sind notwendig, um eine qualifizierte Mehrheit zu erreichen. Ferner: • muss eine Mehrheit der Mitgliedstaaten (in einigen Fällen zwei Drittel) der Entscheidung zustimmen, und • jeder Mitgliedstaat kann nachprüfen lassen, ob die abgegebenen Ja-Stimmen mindestens 62 % der Gesamtbevölkerung der EU entsprechen. Der Rat entscheidet mit einfacher Mehrheit, chen soll, mit einer Stimme zu sprechen, be- qualifizierter Mehrheit oder einstimmig. fasst sich der Europäische Rat auch mit drän- genden internationalen Themen. Über eine Vertragsänderung, eine neue ge- meinsame Politik oder den Beitritt eines neu- b) Das Europäische Parlament en Mitgliedstaats muss der Rat einstimmig Das Europäische Parlament ist das Organ, das beschließen. die Bürger vertritt. Es übt die politische Kon- trolle über die Tätigkeit der EU aus und betei- In den anderen Fällen ist zumeist die quali- ligt sich am Gesetzgebungsprozess. Seit 1979 fizierte Mehrheit erforderlich. Das bedeutet, werden die Mitglieder des Europäischen Par- dass ein Ratsbeschluss angenommen wird, laments (MdEP) alle fünf Jahre in allgemeiner wenn für diesen Beschluss eine bestimmte Wahl direkt gewählt. Mindestzahl von Stimmen abgegeben wird. Die Zahl der Stimmen für jedes EU-Land ent- spricht in etwa der Größe seiner Bevölkerung. Der Europäische Rat tagt grundsätzlich vier- mal im Jahr. Geleitet wird er von dem Staats- oder Regierungschef des Landes, das den Ratsvorsitz innehat. Der Präsident der Europä- ischen Kommission nimmt an den Tagungen als Vollmitglied teil. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht kann auch der Europäische Rat Anstöße für eine neue Politik geben. Außerdem kann er in wichtigen Fragen entscheiden, in denen der Ministerrat zu keiner Einigung gelangt ist. Im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die der EU ermögli- 18
Anzahl der Sitze im Das Parlament hält seine Plenarsitzungen in Europäischen Parlament 2007-09 der Regel in Straßburg und weitere Sitzungen in Brüssel ab. Es verfügt über 20 Ausschüsse, die Europa in 12 Lektionen Belgien 24 die Beratungen der Plenarsitzung vorbereiten. Bulgarien 18 Etliche politische Fraktionen tagen gewöhnlich Dänemark 14 in Brüssel. Das Generalsekretariat ist in Luxem- Deutschland 99 burg und in Brüssel ansässig. Estland 6 Das Parlament beteiligt sich auf drei Ebenen an Finnland 14 der Gesetzgebungstätigkeit der EU: Frankreich 78 Griechenland 24 • Im Rahmen des „Verfahrens der Zusam- Irland 13 menarbeit“, das 1987 durch die Einheitliche Italien 78 Europäische Akte eingeführt wurde, kann das Lettland 9 Parlament der Kommission zu ihren Richtli- nien- und Verordnungsentwürfen Änderungen Litauen 13 vorschlagen. Luxemburg 6 Malta 5 • Seit 1987 besteht auch das „Zustimmungs- Niederlande 27 verfahren“, dem zufolge das Parlament von der Österreich 18 Kommission ausgehandelten internationalen Polen 54 Abkommen und Vorschlägen für eine EU-Erwei- Portugal 24 terung zustimmen muss. Rumänien 35 • Durch den Vertrag von Maastricht wurde Schweden 19 1992 das „Mitentscheidungsverfahren“ einge- Slowakei 14 führt, das dem Parlament in einer ganzen Reihe Slowenien 7 wichtiger Themen, einschließlich Freizügigkeit Spanien 54 der Arbeitnehmer, Binnenmarkt, Bildung, For- Tschechische Republik 24 schung, Umwelt, transeuropäische Netze, Ge- Ungarn 24 sundheit, Kultur, Verbraucherschutz usw., eine Vereinigtes Königreich 78 gleichwertige Stellung neben dem Rat zuweist. Zypern 6 Das Parlament ist befugt, Rechtsvorschläge in diesen Bereichen zurückzuweisen, wenn eine Insgesamt 785 absolute Mehrheit seiner Mitglieder den „ge- Die Fraktionen im Europäischen Parlament Insgesamt: 785 Stand: Oktober 2006 19
meinsamen Standpunkt“ des Rates ablehnt. Als Exekutive der EU wendet die Kommission Für diesen Fall sieht der Vertrag ein Konzertie- die Ratsbeschlüsse, beispielsweise in der Ge- rungsverfahren vor. meinsamen Agrarpolitik, an. Auch verfügt sie über einen großen Spielraum zur Abwicklung Das Europäische Parlament entscheidet ge- anderer gemeinsamer EU-Politiken, wie For- meinsam mit dem Rat über den EU-Haushalt. schung und Technologie, Entwicklungshilfe Es kann den Haushaltsentwurf ablehnen und und Regionalpolitik. Dazu gehört auch die hat dies bereits mehrfach getan. Dann muss Verwaltung der entsprechenden Haushalts- das gesamte Haushaltsverfahren neu aufge- mittel. rollt werden, und die Europäische Kommission muss einen neuen Haushaltsentwurf vorlegen, Unterstützt wird die Kommission von Beamten, den Rat und Parlament erörtern. Das Parla- die in 36 Generaldirektionen (GD) und Dienst- ment nutzt seine Haushaltsbefugnisse umfas- stellen vornehmlich in Brüssel und Luxemburg send, um die EU-Politik zu beeinflussen. arbeiten. Nicht zuletzt übt das Europäische Parlament die demokratische Kontrolle über die EU aus. II. Andere Institutionen und Es kann die Kommission durch ein Misstrau- Einrichtungen ensvotum zum Rücktritt zwingen. Hierzu ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Durch a) Der Gerichtshof mündliche und schriftliche Anfragen an die Der Gerichtshof der Europäischen Gemein- Kommission und den Rat überwacht das Par- schaften, mit Sitz in Luxemburg, besteht aus je- lament außerdem die laufende Verwaltung weils einem Richter aus jedem EU-Mitgliedstaat. der EU-Politik. Der Präsident des Europäischen Den Richtern stehen acht Generalanwälte zur Rates erstattet dem Europäischen Parlament Seite. Sie werden einvernehmlich von den Re- über seine Beschlüsse Bericht. gierungen der Mitgliedstaaten für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt (Wiederernennung ist c) Die Europäische Kommission möglich). Ihre Unabhängigkeit ist garantiert. Die Europäische Kommission ist der dritte Aufgabe des Gerichtshofs ist es, darüber zu wa- Teil des institutionellen Dreiecks, das die Eu- chen, dass das EU-Recht eingehalten wird und ropäische Union verwaltet und leitet. Ihre die Verträge korrekt ausgelegt und angewendet Mitglieder werden einvernehmlich von den werden. Mitgliedstaaten benannt. Das Parlament muss den Benennungen zustimmen. Die Amtszeit b) Der Rechnungshof eines Kommissionsmitglieds beträgt fünf Jahre. Der Rechnungshof, der ebenfalls in Luxemburg Die Kommission ist gegenüber dem Parlament ansässig ist, wurde 1975 eingerichtet. Er setzt verantwortlich, und die gesamte Kommission sich aus einem Mitglied je EU-Mitgliedstaat muss zurücktreten, wenn das Parlament ihr zusammen. Die Mitglieder werden einvernehm- das Misstrauen ausspricht. lich von den Mitgliedstaaten nach Anhörung des Europäischen Parlaments für eine Amtszeit Seit 2004 gehört der Kommission jeweils ein von sechs Jahren ernannt. Der Rechnungshof Mitglied aus jedem Mitgliedstaat an. überprüft die Recht- und Ordnungsmäßigkeit der Einnahmen und Ausgaben und vergewissert Die Kommission genießt große Unabhängig- sich, dass der EU-Haushalt wirtschaftlich geführt keit. Ihre Aufgabe ist es, das gemeinsame In- wird. teresse zu wahren. Deshalb darf sie von den nationalen Regierungen keinerlei Weisungen c) Der Europäische Wirtschafts- und annehmen. Als Hüterin der Verträge hat sie Sozialausschuss sicherzustellen, dass die von Rat und Parla- In einer Reihe von Politikbereichen hören der ment verabschiedeten Rechtsvorschriften in Rat und die Kommission den Europäischen Wirt- den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Hält schafts- und Sozialausschuss (EWSA), bevor sie ein Mitgliedstaat EU-Recht nicht ein, kann die einen Beschluss fassen. Dessen Mitglieder, die Kommission ihn vor dem Gerichtshof verkla- vom Rat für vier Jahre ernannt werden, vertreten gen. die verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen 20
Europa in 12 Lektionen © Marcy Maloy/Photodisc Red/Getty Images Der Gerichtshof sorgt für die Einhaltung der EU- Rechtsvorschriften. Beispielsweise gewährleistet er, dass Mütter bei ihrer Rückkehr in den Beruf fair behandelt werden. Interessengruppen, die die organisierte Zivilge- sellschaft bilden. d) Der Ausschuss der Regionen Der Ausschuss der Regionen (AdR) wurde durch den Vertrag über die Europäische Union einge- richtet und setzt sich zusammen aus Vertretern der Regionen und Kommunen. Diese Vertreter werden von den Mitgliedstaaten vorgeschla- gen und vom Rat für vier Jahre ernannt. Rat und Kommission müssen den AdR bei Angele- genheiten, die für die Regionen wichtig sind, anhören. Der Ausschuss kann auch aus eigener Initiative Stellungnahmen abgeben. e) Die Europäische Investitionsbank Die Europäische Investitionsbank (EIB), mit Sitz in Luxemburg, vergibt Darlehen und übernimmt Garantien, um den weniger entwickelten Regi- onen der EU zu helfen und die Wettbewerbsfä- higkeit kleiner Unternehmen zu stärken. f) Die Europäische Zentralbank Die Europäische Zentralbank (EZB), mit Sitz in Frankfurt, ist für die Verwaltung des Euro und die Währungspolitik der EU verantwortlich (sie- he Kapitel 7 „Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) und Euro“). 21
5. Aufgaben
• Die EU betätigt sich in einer Vielzahl von Politikbereichen – Wirtschaft, Soziales und Finanzen –, wo ihre Maßnahmen den Mitgliedstaaten zugu- Europa in 12 Lektionen te kommen. So betreibt sie z. B. eine • Solidaritätspolitik (auch bekannt als Kohäsionspolitik) gegenüber den Regionen, in der Landwirtschaft und in sozialpolitischen Berei- chen; • Innovationspolitik, die in Bereichen wie Umweltschutz, Forschung und Entwicklung (FuE) und Energie allerneuesten Techniken zum Durchbruch verhilft. • Die EU finanziert ihre Maßnahmen aus einem Jahreshaushalt von mehr als 120 Mrd. EUR, für den zum größten Teil die Mitgliedstaaten aufkom- men. Dieser Haushalt stellt nur einen kleinen Teil des gesamten Wohl- stands der EU dar (maximal 1,24 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) aller Mitgliedstaaten zusammen genommen). I. Solidaritätspolitik • Konvergenz – Durch eine Verbesserung der Wachstums- und Beschäftigungsbedin- Durch die Solidaritätspolitik soll in erster Li- gungen soll den am wenigsten entwickelten nie die Vollendung des Binnenmarkts (siehe Ländern und Regionen geholfen werden, ra- Kapitel 6 „Der Binnenmarkt“) unterstützt wer- scheen Anschluss an den EU-Durchschnitt zu den. Außerdem gilt es, eventuell bestehende finden. Dies erfordert, dass Mittel bereitge- Ungleichgewichte durch Strukturmaßnahmen stellt werden für Sach- und Humankapital, In- zu beheben, um Regionen mit Entwicklungs- novation, Wissensgesellschaft, Umweltschutz, rückstand oder in Schwierigkeiten befind- Anpassung an den Wandel sowie eine effizi- lichen Industriesektoren zu helfen. Seitdem entere Verwaltung. zwölf neue Mitgliedstaaten beigetreten sind, deren Einkommen weit unter dem EU-Durch- • Regionale Wettbewerbsfähigkeit und schnitt liegen, müssen sich die Mitgliedstaa- Beschäftigung – Auch andere Regionen be- ten und die Regionen untereinander noch nötigen Hilfe, um ihre Wettbewerbsfähigkeit, solidarischer zeigen. Die EU muss auch helfen, ihr Beschäftigungsniveau und ihre Anzie- Wirtschaftssektoren umzustrukturieren, denen hungskraft zu verbessern. Deswegen muss ih- der scharfe internationale Wettbewerb sehr nen dabei geholfen werden, sich frühzeitig auf zugesetzt hat. wirtschaftliche und soziale Änderungen ein- zustellen sowie Innovation, Unternehmertum, a) Regionalhilfen Umweltschutz und einen allen zugänglichen, Grundlage der EU-Regionalpolitik ist der anpassungsfähigen Arbeitsmarkt zu fördern. Transfer von Mitteln von den reichen zu den armen Ländern. Das Geld wird für eine Viel- • Territoriale Zusammenarbeit – Die EU zahl von Maßnahmen verwendet: Förderung will die Zusammenarbeit über Grenzen, Länder des Wachstums in wirtschaftlich schwächeren und Regionen hinweg intensivieren. Benach- Regionen, Neubelebung von im Niedergang barte Behörden sollen künftig stärker gemein- befindlichen Industrieregionen, Förderung der same Probleme auch gemeinsam lösen (z. B. Beschäftigung junger Menschen und Lang- Entwicklung von Stadt-, Land- und Küstenge- zeitarbeitsloser, Modernisierung der Land- bieten, Pflege von Wirtschaftsbeziehungen wirtschaft und Unterstützung benachteiligter sowie Aufbau von Netzwerken kleiner und ländlicher Gebiete. mittlerer Unternehmen). Für den Zeitraum 2007-13 wird Folgendes an- Mit den hierfür eingesetzten EU-Mitteln (die gestrebt: sogenannten Strukturfonds und der Kohäsi- 23
onsfonds) werden Investitionen des Privat- sektors oder nationaler und regionaler Regie- rungen aufgestockt bzw. Anreize für derartige Investitionen geschaffen. • Der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) ist der älteste Struktur- fonds. Seine Mittel werden eingesetzt zur Stär- © Chris Windsor/Photodisc Red/Getty Images kung des wirtschaftlichen, sozialen und territo- rialen Zusammenhalts durch die Verringerung der Unterschiede zwischen den Regionen, die Unterstützung der Strukturentwicklung und die Anpassung der Regionalwirtschaften, ein- schließlich neuer Entwicklungsimpulse für im Niedergang befindliche Regionen. • Der zweite Strukturfonds, der Europä- ische Sozialfonds (ESF), vergibt Mittel für be- rufliche Bildung und Initiativen zur Schaffung von Arbeitsplätzen. • Der Kohäsionsfonds finanziert in EU-Län- Gesunde Ernährung: Qualität ist ebenso wich- dern, deren Pro-Kopf-BIP weniger als 90 % des tig wie Quantität. EU-Durchschnitts beträgt, Projekte in den Be- reichen Verkehrsinfrastrukturen und Umwelt- Die Landwirte sollen nunmehr dazu beitragen, schutz. dass im ländlichen Raum eine gewisse Wirt- schaftstätigkeit bestehen bleibt. Auch will b) Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) die Kommission die Vielfalt der europäischen Die Ziele der GAP, die 1957 im Vertrag von Landschaften erhalten, denn sie ist, wie auch Rom festgelegt wurden, sind zum großen Teil das Prinzip einer ländlichen, Natur und Mensch erreicht: Sicherung eines angemessenen Le- zusammenführenden Lebensweise, eine Kom- bensstandards für die Landbevölkerung; Stabi- ponente der europäischen Identität. lisierung der Märkte; vertretbare Preise für die Verbraucher; Modernisierung der agrarischen Die EU sähe es gern, dass die Welthandels- Infrastruktur. Andere Maßnahmen, die im Lau- organisation (WTO) mehr Gewicht auf die fe der Jahre ergriffen wurden, hatten ebenfalls Nahrungsmittelqualität, das Vorsorgeprinzip positive Auswirkungen. Die Versorgung der Ver- und den Tierschutz legt. Inzwischen hat die braucher zu stabilen, von den Schwankungen Europäische Union auch mit der Reform ih- des Weltmarkts unabhängigen Preisen ist ge- rer Fischereipolitik begonnen. Ihr Ziel ist, die währleistet. Die Mittel für die GAP stammen Überkapazitäten bei den Fischereiflotten zu aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Ga- verringern, den Fischbestand zu bewahren und rantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL). Fischergemeinschaften bei der Entwicklung al- ternativer Wirtschaftstätigkeiten finanziell zu Jetzt ist die GAP allerdings zum Opfer ihres unterstützen. eigenen Erfolgs geworden. Die Produktion nahm schneller zu als der Verbrauch, wodurch c) Die soziale Dimension der EU-Haushalt schwer belastet wurde. Zur Die EU-Sozialpolitik zielt darauf ab, die größ- Lösung dieses Problems musste die Agrar- ten sozialen Ungleichheiten in Europa zu kor- politik neu festgelegt werden. Diese Reform rigieren. Der Europäische Sozialfonds (ESF) zeigt allmählich Erfolg: Die Produktion wurde wurde 1961 gegründet, um die Schaffung von gesenkt. Den Landwirten wird zu nachhal- Arbeitsplätzen sowie den Arbeitsplatz- und tigen, umweltverträglichen Anbaumethoden Ortswechsel von Arbeitnehmern zu fördern. geraten, die die Landschaft bewahren und die Qualität und Sicherheit der Nahrungsmittel Die EU will jedoch nicht nur durch Finanzhilfen gewährleisten. zur Verbesserung der sozialen Bedingungen 24
beitragen, denn Geld allein kann niemals die • die Bewahrung natürlicher Ressourcen Probleme lösen, die Konjunkturrückgang oder und eine wirksame Abfallbeseitigung. regionaler Entwicklungsrückstand verursachen. Europa in 12 Lektionen Wachstumseffekte müssen vor allem sozialen Dieses Programm hat bereits fünf Vorläufer- Fortschritt bewirken. Gleichzeitig brauchen wir programme, da die EU sich seit über fünf Jah- Rechtsvorschriften, die feste Mindestrechte ren bemüht, ein umfassendes Umweltschutz- garantieren. Einige, wie das Recht von Frau- System aufzubauen. en und Männern auf gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, sind bereits in den Verträgen Die unterschiedlichsten Probleme werden an- verankert. Andere Rechte sind in Richtlinien gegangen: Lärm, Abfall, Schutz der natürlichen zum Schutz von Arbeitnehmern (Gesundheit Lebensräume, Abgase, chemische Substanzen, und Sicherheit am Arbeitsplatz) sowie zur Industrieunfälle und unsaubere Badegewäs- Aufstellung grundlegender Sicherheitsnormen ser. Auch ein Europäisches Informations- und festgeschrieben. Hilfsnetz für Notfälle, das im Falle von Um- weltkatastrophen wie Ölverschmutzungen oder 1991 nahm der Europäische Rat in Maastricht Waldbränden tätig würde, wird aufgebaut. die Gemeinschaftscharta der sozialen Grund- rechte an, in der die Rechte aufgeführt sind, die Unlängst wurden die gesundheitlichen Aus- allen Arbeitnehmern in der EU gewährt wer- wirkungen der Luftverschmutzung im Rahmen den sollten: Freizügigkeit; gerechte Bezahlung; eines Aktionsplans für Umwelt und Gesund- bessere Arbeitsbedingungen; sozialer Schutz; heit (2004-10) untersucht, der den Zusam- Koalitionsfreiheit und Tarifverhandlungen; be- menhang zwischen Gesundheit, Umwelt und rufliche Bildung; Gleichbehandlung von Frau- Forschungspolitik deutlich macht. en und Männern; Unterrichtung, Anhörung und Mitwirkung der Arbeitnehmer; Gesund- Die europäischen Vorschriften sorgen EU-weit heitsschutz und Sicherheit in der Arbeitsum- für ein einheitliches Maß an Schutz, sind aber welt; Kinder- und Jugendschutz; Schutz älterer so flexibel, dass örtliche Gegebenheiten be- Menschen und Behinderter. Diese Charta wur- rücksichtigt werden können. Auch wird das de im Juni 1997 Bestandteil des EG-Vertrags Umweltrecht ständig aktualisiert. So wurde und gilt seitdem in allen Mitgliedstaaten. beschlossen, die Regelungen für Chemikalien zu überarbeiten und ältere Vorschriften, die jeweils nur ein Problem regelten, durch ein II. Innovationspolitik einziges System zur Registrierung, Bewertung und Genehmigung von Chemikalien (REACH) Da sich die EU mit den großen Herausforde- zu ersetzen. rungen von heute befasst – Umweltschutz, Gesundheit, technologische Innovation, En- Dazu wurde eine zentrale Datenbank einge- ergie –, hat sie Einfluss auf den Alltag ihrer richtet, die von einer neuen in Helsinki ange- Bürger. siedelten Europäischen Agentur für chemische Stoffe betrieben werden soll. Es geht darum, a) Umwelt und nachhaltige die Verschmutzung der Luft und des Wassers Entwicklung oder von Boden oder Gebäuden zu vermeiden, Den Eckpfeiler der EU-Maßnahmen im Umwelt- die Artenvielfalt zu bewahren und die Gesund- bereich bildet das Aktionsprogramm „Umwelt heit und Sicherheit der EU-Bürger zu verbes- 2010: Unsere Zukunft liegt in unserer Hand“. sern, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der euro- Es erstreckt sich auf den Zeitraum 2001 bis päischen Wirtschaft zu beeinträchtigen. 2010 und hat folgende Schwerpunkte: b) Technische Innovation • Klimawandel und Erderwärmung; Die Gründerväter der Europäischen Union sa- hen zu Recht voraus, dass der künftige Wohl- • den Schutz natürlicher Lebensräume und stand Europas davon abhängen würde, dass wild lebender Tiere und Pflanzen; Europa seine technologische Spitzenstellung in der Welt behaupten kann. Sie erkannten, • die Bekämpfung von Umwelt- und Ge- welche Vorteile eine gemeinsame europäische sundheitsproblemen; Forschung haben würde. Deshalb gründeten 25
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