FACH WERK 2019 - Kanton Bern

 
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FACH WERK 2019 - Kanton Bern
2019
FACH
  WERK
DAS MAGAZIN DER DENKMALPFLEGE DES K ANTONS BERN
L A REVUE DU SERVICE DES MONUMENTS HISTORIQUES
DU CANTON DE BERNE
FACH WERK 2019 - Kanton Bern
2   EDITORIAL

    Fachwerk 2019

                     Liebe Leserin, lieber Leser              Chère lectrice, cher lecteur,

                     Hatten Sie auch schon das Vergnü­        Avez-vous déjà savouré le plaisir
                     gen, auf der Terrasse des Grand­         d’une tasse de café sur la terrasse
                     hotels Giessbach einen Kaffee zu         du Grand Hôtel Giessbach ? C’est
                     trinken? Für mich ist dies ein ganz      un moment particulier pour moi :
                     besonderes Erlebnis: Der Blick über      la vue sur l’étende bleu-vert du lac
                     den grünen Brienzersee, hinter mir       de Brienz, derrière moi ce merveil­
                     das fantastische Hotel, links die his­   leux hôtel et à gauche le vieux funi­
                     torische Standseilbahn. Mit etwas        culaire. Et, par bonheur, la « Lötsch­
                     Glück legt auch noch die «Lötsch­        berg » s’approche de l'embarcadère
                     berg» bei der Schiffländte an. Das       en ce moment. Le charme des lieux
                     Hotel Giessbach baut heute wie           opère aujourd’hui encore comme
                     früher auf seine einmalige Lage. Die     autrefois. Les façades, conservées
                     authentisch erhaltene Fassade und        dans leur authenticité et les salons
                     die stilvollen Gesellschaftsräume        dans leur élégance dégagent une
    Michael Gerber   atmen den Geist der Belle Époque,        atmosphère Belle-Époque et contri­
                     sie sind wesentliche Bestandteile        buent pour une part essentielle à
                     des Erlebnisses. Baudenkmäler            l’agré­ment de la visite. Le patrimoine
                     vermitteln Dank ihrer Authentizität      architectural est un témoin concret
                     Geschichte.                              du passé.

                     Das Grandhotel Giessbach verdeut­        L’hôtel de Giessbach, sauvé in ex­
                     licht mit der Geschichte um seine        tremis en 1983, montre à quel point
                     Rettung 1983 die Einmaligkeit, aber      les monuments historiques sont
                     auch die Verletzlichkeit unserer         vulnérables – et tout particulière­
                     Baudenkmäler. Gerade touristische        ment les bâtiments à vocation tou­
                     Bauten stehen unter hohem Druck,         ristique, qui sont soumis à une forte
                     wenn es darum geht, sie an aktuelle      pression lorsqu’il s’agit de les adap­
                     Bedürfnisse anzupassen. Nicht sel­       ter aux besoins actuels. Mais il est
                     ten geht bedeutende Bausubstanz          aussi un exemple du profit que la
                     verloren. Es ist aber auch ein Bei­      conservation du patrimoine bâti et
                     spiel dafür, wie Denkmalpflege und       le tourisme peuvent tirer l’un de
                     Tourismus voneinander profitieren        l’autre. Tant le tourisme que la con­
                     können. Beide erstreben eine in­         servation des monuments visent à
                     takte Erlebniswelt. Die Weiternut­       offrir des lieux préservés à l’expé­
                     zung einerseits und die Vermark­         rience vécue. La continuité d’utilisa­
                     tung andererseits sind gemeinsame        tion et la commercialisation sont
                     Interessen, die letztlich das Weiter­    des intérêts communs qui en fin de
                     bestehen eines Baudenkmals               compte assurent la pérennité d’un
                     garantieren. Das Fachwerk 2019           bâtiment ancien. Fachwerk 2019
                     berichtet von solchen Berührungs-        raconte de tels manifestes de
                     punkten.                                 jonction.

                     Michael Gerber                           Michael Gerber, Chef du
                     Kantonaler Denkmalpfleger                Service des monuments historiques
FACH WERK 2019 - Kanton Bern
INHALT | SOMMAIRE   3

Inhalt | Sommaire

                    4     AKTUELL | ACTUEL

                          Denkmalpflege und Tourismus
                      4   Einleitung: Potenzial und Abgrenzung
                     10   Architektur und Infrastruktur für den Tourismus
                     18   Touristische Nutzung – acht Beispiele |
                          Utilisation à des fins touristiques – huit exemples
                     28   Revision Bauinventar 2020 |
                          Révision recensement architectural 2020

                    30    IM GESPRÄCH | DIALOGUE
Unterseen
                     30   Authentizität ist ein Kapital –
                          Hans Ulrich Glarner, Vorsteher des Amts für Kultur
                          des Kantons Bern

                    32    BERICHTE | RAPPORTS

                     32   «Domino-Effekt» zurück zum Ganzen in Biel
                     34   Rokokomalerei trifft auf Zimmermannskunst in Boltigen
                     36   Ein neues Tor für die Stadtkirche in Burgdorf
                     38   Wohnen im Park in Langenthal
                     40   Wiederentdeckte Tapeten in Oberburg
                     42   Sich auf ein Objekt einlassen in Vechigen

Boltigen            44    OBJEKTE | OBJETS

                     57   ENTDECKUNG | DÉCOUVERTE

                     58   ZAHLEN | CHIFFRES

                     60   VERLUSTE | PERTES

                     61   EINBLICKE | APERÇUS

                     62   PUBLIK ATIONEN | PUBLICATIONS

                     64   TERMINE | CALENDRIER

                     66   PERSONELLES | PERSONNEL

Port                 67   IMPRESSUM
FACH WERK 2019 - Kanton Bern
4   AKTUELL | TOURISTISCHE NUTZUNG

    Denkmalpflege und Tourismus –
    Potenzial und Abgrenzung
    Unser Kulturerbe hat viele Facetten. Es erzählt Geschichten und stiftet Identität.
    Landschaft und Architektur prägen unsere Regionen und beeinflussen den Tourismus.

    01

    Denkmalpflege und Tourismus haben       hen für Identität und Lebensqualität.   Die Schweiz als Reiseziel –
    viele Gemeinsamkeiten: Beide reprä-     Die Sehenswürdigkeiten eines Ortes      früher und heute
    sentieren Werte der Schweiz und in-     sind aus dem touristischen Angebot      Bereits Ende des 18. Jahrhunderts
    teressieren sich für ihre Geschichte.   nicht wegzudenken. Häufig sind sie in   bereisten die ersten «Touristen» –
    Der Erfolg der Schweiz als Reiseziel    den Inventaren der schutz- und pfle-    junge europäische Aristokraten – den
    beruht nicht nur auf den Naturland-     gewürdigen Objekte aufgeführt. Das      Alpenraum und begeisterten sich auf
    schaften, sondern ebenso auf den        Fachwerk 2019 berichtet von offen-      ihrer «Grand Tour» für die ländlichen
    historischen Städten, Dörfern und       sichtlichen und unerwarteten Berüh-     Gebiete der Schweiz ebenso wie für
    Einzelbauten, die das Land prägen.      rungspunkten zwischen Denkmalpfle-      italienische Städte, französische Ka-
    Sie verleihen auch dem Kanton Bern      ge und Tourismus, von Potenzial und     thedralen oder römische Ruinen. Was
    sein unverkennbares Gesicht und ste-    Abgrenzung.                             man auf einer Bildungsreise gesehen
FACH WERK 2019 - Kanton Bern
ACTUEL | L’UTILISATION À DES FINS TOURISTIQUES           5

01  Höheweg in Interlaken um 1900.
02  Ligerz und St. Petersinsel.

haben musste, blieb über lange Zeit
konstant. Im 19. Jahrhundert brach-
ten die neuen Eisenbahnlinien grosse
Touristenströme in alle Regionen der
Schweiz – insbesondere auch ins Ber-
ner Oberland. Die touristische Infra-
struktur entwickelte sich rasant, Ho-
telbauten und Gasthäuser sowie Bah-
nen in Bergregionen schossen wie
Pilze aus dem Boden. Historische Ho-
tels, Bahnhöfe und touristische Klein-
bauten prägen die Ortsbilder in den
touristischen Regionen auch heute
noch. Ab Seite 10 beschreibt Roland       02
Flückiger-Seiler die Entwicklung des
Tourismus und der bedeutsamen Tou-        auf Firmengeländen. Sie informieren      tone der Schweiz ist, attestiert das
rismusbauten im Kanton Bern.              sich via Internet, Social Media oder     Arbeitspapier dem Tourismus eine
                                          digitale Plattformen über mögliche       grosse volkswirtschaftliche Bedeu-
Obwohl die Motivation der Reisenden       Reiseziele oder Übernachtungsmög-        tung. Potenzial für den Tourismus
für den Besuch der Schweiz und ihr        lichkeiten. Die Gäste suchen nach Ab-    sieht das beco vorab in der Digitalisie-
Reiseverhalten heute zwar anders          wechslung und Erlebnis, und dies wird    rung. Auch das Thema Kultur nimmt
sind als im 19. Jahrhundert, vermitteln   in der Schweiz auf engstem Raum ge-      einen hohen Stellenwert ein: «Touris-
Kalenderbilder von idyllischen Land-      boten.                                   mus BE 2025» wünscht, dass «die
schaften fernab der Zivilisation oder                                              Gäste vielfältige Erlebnisse und Erho-
von historischen Städten ohne stö-        Tourismus im Kanton Bern:                lungsmöglichkeiten in möglichst in-
rende bauliche Eingriffe im Ortskern      neue Trends                              takter Natur sowie authentische Kul-
immer noch ein verklärtes Bild der        Mit den veränderten Rahmenbedin-         turräume vorfinden» sollen und dass
Schweiz. Touristen aus dem In- und        gungen im Tourismus beschäftigen         «die Kultur und die kulturelle Eigenart
Ausland besuchen heute neben tra­         sich verschiedene aktuelle Tourismus-    gepflegt, weiterentwickelt und selbst-
ditionellen Sehenswürdigkeiten auch       studien und Strategiepapiere. Da­zu      bewusst zur Geltung gebracht wer-
Museen, Freizeitanlagen, Einkaufs-        gehört auch das Arbeitspapier «Tou-      den.» Auch in der 2017 präsentierten
zentren oder spektakuläre Bauwerke        rismus BE 2025» des beco Berner          Strategie von Bern Welcome gehören
                                          Wirtschaft (Volkswirtschaftsdirektion    Kultur und Sport zu den fünf Themen,
                                          des Kantons Bern, Standortförderung      nach denen sich die tourismusfördern­
                                          Kanton Bern), das die Berner Touris-     den Massnahmen der Stadt Bern aus-
Reisende suchen nach                      muspolitik definiert und in die natio-   zurichten haben (nebst Wertschöp-
                                          nale Tourismuspolitik einbettet. Es      fung, Nachhaltigkeit und Verträglich-
Abwechslung und                           nennt verschiedene Faktoren, welche      keit für die Bevölkerung).
Erlebnis, dies bietet die                 die Rahmenbedingungen beeinflus-
                                          sen: die veränderte Ausgangslage         Gemäss Monika Bandi Tanner, Lei­
Schweiz auf engstem                       wegen der Umsetzung der Zweitwoh-        terin der Forschungsstelle Tourismus
Raum.                                     nungsinitiative, die steigende Bedeu-    der Uni Bern (CRED-T) und Projekt­lei­
                                          tung des öffentlichen Verkehrs, der      t­erin der Studie «Tourismus im Kanton
                                          fortschreitende Klimawandel oder die     Bern 2015 – 2020», ist es nicht neu,
                                          Digitalisierung. Da der Kanton Bern      dass das Thema Kultur in einen tou-
                                          einer der wichtigsten Tourismuskan-      ristischen Zusammenhang gebracht
FACH WERK 2019 - Kanton Bern
6   AKTUELL | TOURISTISCHE NUTZUNG

    03 + 04 Postkartenansicht Schloss Thun –
         heute und um 1900.
                                                                                             «Aus touristischer Sicht
    05  Hotel Kreuz in Herzogenbuchsee:                                                     kann das Baukultur­
         Swiss Historic Hotel seit 2018.
    06  Die «Lötschberg» unterwegs auf dem                                                  erbe einen Mehrwert
         Brienzersee.
                                                                                             darstellen.»
                                                                                             Monika Bandi Tanner

                                                                                             essentiell, sie ist eng mit dem «Ge-
                                                                                             sicht» des Ortes verbunden. Reisende
                                                                                             möchten einen Ort erleben, seine Be-
                                                                                             wohnerinnen und Bewohner kennen-
                                                                                             lernen und sich mit ihnen austau-
                                                                                             schen. Kunst und Kul­tur können dafür
                                                                                             ein Stimulus sein.» Um im Tourismus
                                                                                             erfolgreich zu sein, reichten aber
                                                                                             schöne Häuser oder Berge nicht aus.
                                                                                             «Der Tourismus ist gefordert, die ge-
                                                                                             samte Servicekette stimmig zu ver-
                                                                                             binden und über die Region oder über
                                                                                             bekannte Themen hinauszudenken.
                                                                                             So können neue Nischenprodukte
                                                                                             ent­stehen. Tourismusanbieter benö­
                                                                                             tigen aber auch funktionierende Ge-
                                                                                             schäftsmodelle, die eine längerfristige
                                                                                             Entwicklung ermöglichen. Ortschaf-
                                                                                             ten mit einem intakten Natur- und
    03                                             04                                        Kulturangebot sind dabei sicher ein
                                                                                             Pluspunkt.»
    wird, es geschieht aber heute be-              den Fall einen Mehrwert darstellen.       Hans Ulrich Glarner, Leiter des Amts
    wusster. Im Zusammenhang mit ei-               Es ist absolut grundlegend für die        für Kultur des Kantons Bern, sieht
    nem sanften Tourismus gewinnen                 Vermittlung von Geschichte, danach        in einem sanften Tourismus grosse
    auch historische Bauten oder Ortsbil-          suchen Reisen­de», bestätigt Monika       Chancen: «Hier sind Sorgfalt und
    der an Bedeutung. «Aus touristischer           Bandi. «Tourismus ist immer ortsge-       Ressourcenschonung schon mitge-
    Sicht kann das Baukulturerbe auf je-           bunden. Die lokale Verankerung ist        dacht. Der sorgfältige Umgang mit
                                                                                             Baudenkmälern ist ein Teil des Erleb-
                                                                                             nisses, er macht dieses speziell. Als
         KULTURTOURISMUS                           nationalen Charta des Kulturtourismus»,
                                                                                             Tourist nimmt man automatisch auch
                                                   die 1999 von ICOMOS ergänzt wurde.        eine andere Perspektive ein, ist viel-
         Nach dem zweiten Weltkrieg nahm           Im Verlauf der folgenden Jahrzehnte       leicht achtsamer. Man müsste versu-
         der Tourismus auch in der Schweiz         blieb das Thema «Denkmalpflege und        chen, den sanften Tourismus auf allen
         stark zu. In den Bergregionen stieg der   Tourismus» aktuell, wovon zahlreiche      Ebenen mit Kultur anzureichern. Na-
         Bedarf an Ferienhäusern und Zweit­        Tagungen oder Symposien zeugen,           türlich liegt sicher ein starker Fokus
         wohnungen und der Tourismus wurde         die die beiden oftmals als Gegenpole      auf der Landschaft, der Natur, aber
         zu einem wichtigen Wirtschaftszweig.      wirkenden Bereiche an einen Tisch         sie wird mit fantastischen Baudenk-
         Siedlungsbilder und historische Bau­      brachten. Auch die Idee für die Aus­      mälern ergänzt.» (siehe auch Inter-
         denkmäler blieben von diesem Wandel       zeichnung zum «Historischen Hotel der
                                                                                             view Seite 30)
         nicht verschont, sie gerieten zunehmend   Schweiz» ging aus einer Tagung 1995
         unter Druck. Man erkannte bereits in      in Luzern hervor. Aktuell beschäftigen    Authentisches Erlebnis im
         den 1970er Jahren, dass historische       sich diverse Studien mit Trends, Chan­    Baudenkmal
         Sehenswürdigkeiten durch zu grosse        cen und Herausforderungen im Bereich
         Besuchermassen Schaden nehmen             des Kulturtourismus und definieren        Dass Baudenkmäler wichtige Reise-
         konnten. Vor diesem Hintergrund er­       erfolgsversprechende Kooperations­        ziele sind, belegt die «Statistik des
         folgte 1976 die Publikation der «Inter­   bereiche von Kultur und Tourismus.        Kulturverhaltens» des Bundes. Die Er-
                                                                                             hebung 2014 ergab, dass rund 70
FACH WERK 2019 - Kanton Bern
ACTUEL | L’UTILISATION À DES FINS TOURISTIQUES         7

Prozent der Schweizer Bevölkerung
mindestens einmal pro Jahr ein Denk-
mal oder eine historische Stätte be-
suchten. Damit liegen die Baudenk-
mäler an dritter Stelle dicht hinter
Museen und Konzerten, aber noch
vor den Kinos.
Baudenkmäler und historische Touris-
musbauten wie Hotels, Gasthöfe oder
Verkehrsbauten bieten besondere
Qualitäten: Sie machen, wie bereits
erwähnt, Geschichte erlebbar und
bürgen für Authentizität. Zur hohen      05
Wertschätzung des Kulturerbes tra-
gen in der Schweiz Projekte wie die      das Grandhotel Giessbach, das Klos-      denkmäler für Ferienzwecke herrich-
Stiftung «Ferien im Baudenkmal» des      terhotel St. Petersinsel, das Bellevue   tet. Zwar heben diese Unterkünfte die
Schweizer Heimatschutzes oder das        des Alpes auf der Kleinen Scheidegg,     Beherbergungszahlen nicht im gros-
Label «Swiss Historic Hotel» von ICO-    der Kornhauskeller Bern oder der         sen Stil, sie stehen aber für einen
MOS Suisse bei. Durch ihr Engage-        Gasthof Wilder Mann in Ferrenberg        nachhaltigen Tourismus und ermög­
ment bleiben zahlreiche wichtige Zeit-   bei Wynigen mit dem Label ausge-         lichen die Erhaltung von Baudenk­
zeugen erhalten und nachhaltig ge-       zeichnet. Das jüngste Mitglied in der    mälern.
nutzt. Die Auszeichnung von ICOMOS       Gilde ist seit 2018 das Hotel Kreuz in   Bei der Nutzung von historischen
Suisse geht jedes Jahr an Betriebe,      Herzogenbuchsee.                         Gasthöfen, Hotels oder anderen Tou-
die die Jury bezüglich des Umgangs       Das Konzept der «Stiftung Ferien im      rismusbauten treffen die manchmal
mit der bestehenden Bausubstanz          Baudenkmal» wurde vor zehn Jahren        unterschiedlichen Vorstellungen der
und der Betriebsführung überzeug-        aus England übernommen, wo der           Denkmalpflege und des Tourismus
ten. Im Kanton Bern wurden bisher        Landmarks Trust seit 50 Jahren Bau-      unmittelbar aufeinander. Viele dieser
                                                                                  Bauwerke wurden, so gut es möglich
                                                                                  ist, an die heutigen Bedürfnisse ange-
                                                                                  passt, damit sie nach wie vor touris-
                                                                                  tisch genutzt werden können. Gastro-
                                                                                  nomie und Hotellerie bewegen sich in
                                                                                  einem anspruchsvollen wirtschaftli-
                                                                                  chen Umfeld, entsprechend gross ist
                                                                                  der Modernisierungsdruck auf histo-
                                                                                  rische Bauten. Aus Sicht der Denk-
                                                                                  malpflege gilt für Tourismusbauten
                                                                                  dasselbe wie für jedes andere Bau-
                                                                                  denkmal: Die Weiternutzung oder eine
                                                                                  passende neue Nutzung stellt den
                                                                                  besten Schutz für ein Gebäude dar.
                                                                                  Ist dies nicht möglich, sind auch tou-
                                                                                  ristische Bauten in ihrem Weiterbe-
                                                                                  stehen bedroht. Die aktuellen Bei-
                                                                                  spiele ab Seite 18 veranschaulichen
06                                                                                die Herausforderungen, die sich bei
FACH WERK 2019 - Kanton Bern
8   AKTUELL | TOURISTISCHE NUTZUNG

    «Bei einem sanften                                                               07  Museumsnacht 2019: Das Amt für Kultur
                                                                                        zu Gast im Berner Rathaus.
    Tourismus ist der sorg­                                                          08  «HKB geht an Land»: Konzert in der
                                                                                        ehemaligen Holzschnitzel-Fabrik in Péry,
    fältige Umgang mit                                                                  Rondchâtel.

    Baudenkmälern Teil
    des Erlebnisses.»
    Hans Ulrich Glarner

                                                                                     Restaurant untergebracht sein. Das
                                                                                     Schloss Schadau wird betrieblich neu
                                                                                     ausgerichtet, ein Angebot an Gäste-
                                                                                     zimmern und Seminarräumen wird
                                                                                     den Restaurantbetrieb nach der
                                                                                     Neueröffnung im Juni 2019 ergänzen
                                                                                     (siehe Seite 26).
                                                                                     Events in Baudenkmälern erfreuen
                                                                                     sich zunehmender Beliebtheit, Bei-
                                                                                     spiele dafür sind neben der Muse-
                                                                                     umsnacht Bern auch Projekte wie
                                                                                     «HKB geht an Land» der Hochschule
                                                                                     der Künste Bern. Die HKB arbeitet je-
                                                                                     des Jahr mit einer anderen Gemeinde
                                                                                     zusammen, welche sich dafür bewor-
                                                                                     ben hat. Die künstlerischen Aktionen
                                                                                     finden unter anderem auch in Bau-
                                                                                     denkmälern wie Schlössern, Ställen,
                                                                                     Gemeindesälen und Fabriken statt.
    07                                                                               Ein anderes Projekt soll demnächst
                                                                                     die Speicher im Gantrisch-Gebiet ins
    der Restaurierung, Neunutzung und         und dem Schloss Schadau sind gleich    Zentrum rücken: Der Naturpark Gant­
    Modernisierung von Tourismusbauten        zwei wichtige Berner Schlösser im      risch plant dort einen Speicherweg,
    stellen, und zeigen gefundene Lösun-      Moment auf dem Weg zu einer neuen      ähnlich dem beliebten Häuserweg im
    gen. Gelungene Projekte machen            touristischen Nutzung: Im Burgdorfer   Simmental. Bei diesen oder ähnlichen
    Baukultur erlebbar und werten histo-      Schloss werden neben dem Schloss-      Projekten stellt die Denkmalpflege ihr
    rische Stätten auf.                       museum künftig auch eine Jugend-       Wissen über die Baudenkmäler zur
                                              herberge, das Zivilstandsamt und ein   Verfügung.
    Touristische Angebote im Bereich
    Baukultur im Kanton Bern
    Neben «Ferien im Baudenkmal» und
    den «Swiss Historic Hotels» gibt es
    zahlreiche andere Projekte, Institutio-
    nen oder Umnutzungen, welche Ber-
    ner Baudenkmäler mit touristischen
    Interessen verbinden. Die Berner Mu-
    seen und Schlösser sind ausgewie-
    sene Tourismusmagnete und aus un-
    serer Kultur- und Reiselandschaft
    nicht wegzudenken. Dazu gehören
    nicht nur die grossen Schlossmuseen
    am Thunersee, sondern auch die re-
    gionalen kleineren Museen – wie etwa
    das «Chüechlihuus» in Langnau oder
    das «Maison des Banneret Wisard» in
    Grandval. Mit dem Schloss Burgdorf        08
FACH WERK 2019 - Kanton Bern
ACTUEL | L’UTILISATION À DES FINS TOURISTIQUES               9

09  Pavillon du jardin du Musée jurassien
   des Arts, Moutier : Jan van der Ploeg,
   Wall Painting No. 478, Untitled, 2019,
   acrylique sur mur, 85 x 695 cm.

                                                 Culture et tourisme dans le Jura bernois

  CONSERVATION DES
  MONUMENTS ET TOURISME

  La conservation des monuments et
  le tourisme ont des points communs :
  l’une et l’autre s’intéressent à l’histoire
  de la Suisse et en représentent les va­
  leurs. L’attrait de la Suisse comme des­
  tination touristique ne tient pas seule­
  ment à ses sites naturels, mais aussi
  aux villes, villages et bâtiments histo­
  riques qui donnent au pays sa marque
  caractéristique. Fachwerk 2019 pré­
  sente des exemples manifestes et in­
  attendus de la jonction entre conser­
                                                  09
  vation des monuments et tourisme,
  avec son potentiel et ses limites.

                                                  Le lien entre tourisme et culture est           projet a débuté le 1er mai 2019 pour une
  On ne voyage plus aujourd’hui com­-
                                                  une réalité largement admise. La                durée de trois ans.
  me au 19 e siècle. Les voyageurs cher­
  chent de la variété et des expériences          culture, avec ses retombées finan-              Le projet comprend diverses mesures et
  à vivre. Parmi diverses études récen­           cières, stimule l’économie. Elle ren-           une publication. Les mesures sont mi­
  tes sur l’évolution de l’activité touris­ti­    force l’attrait d’une région et peut            ses en œuvre, en collaboration avec des
  que, le document « Tourismus BE 2025 »          être une raison pour des voyageurs              acteurs culturels locaux et les lieux
  définit la politique touristique de Berne       de s’y rendre ou d’y séjourner.                 d’accueil, tels les hôtels, restaurants,
  et inclut le thème de la culture. Monika                                                        etc. Elles invitent par exemple les gens
  Bandi Tanner, directrice de l’unité de          Le savoir-faire technique et les innova­        à se rendre, durant leur séjour, dans
  recherche sur le tourisme de l’Univer­          tions industrielles ont dans le Jura ber­       les lieux de production et d’exposition,
  sité de Berne, et Hans Ulrich Glarner,          nois une longue tradition d’excellence.         aux concerts ou aux représentations
  directeur de l’Office de la culture du
                                                  Dans le sillage de cette économie no­           théâtrales. Une communication active
  canton de Berne, voient dans le tou­
                                                  vatrice se sont développés une culture          avec les moyens techniques modernes
  risme doux un potentiel très intéres­
                                                  foisonnante et un patrimoine bâti riche         est également développée dans le cadre
  sant. Les monuments et les sites his­
  toriques sont des destinations tou­-            et varié. Le tourisme n’est pas en reste        du projet pour proposer une découverte
  jours plus recherchées qui offrent des          et la diversité naturelle de la région attire   individuelle et autonome des facettes de
  qualités particulières comme témoins            de nombreux visiteurs qui viennent se           la culture du Jura bernois.
  concrets du passé et garants d’au-              délasser pour une journée ou un week-
  thenticité. Les projets « Vacances au           end. À partir de ces constats, un projet        La publication, éditée en collaboration
  cœur du patrimoine » ou « Swiss His­            Culture et Tourisme dans le Jura bernois        avec la revue Transhelvetica, se veut, à
  toric Hotels » permettent de conserver          a été élaboré et accepté par le Conseil         travers un graphisme, des prises de vue
  ces témoins du passé et de les utiliser         du Jura bernois afin d’intensifier la col­      et des textes attrayants, une invitation
  de manière durable. D’autres projets            laboration entre les acteurs touris­tiques      à partir à la découverte de la richesse
  encore et diverses institutions asso­
                                                  et culturels et de renforcer l’attrait de la    culturelle du Jura bernois et une présen­
  cient monuments historiques et inté­
                                                  région. Cette collaboration a pour but de       tation de quelques personnalités actu­
  rêts touristiques.
                                                  donner une plus grande visibilité aux ac­       elles. Elle sera imprimée en français et
                                                  tivités culturelles auprès des gens de          en allemand, et distribuée dans toute la
                                                  passage et de la population locale. Le          Suisse et dans la région. RK
FACH WERK 2019 - Kanton Bern
10   AKTUELL | TOURISTISCHE NUTZUNG

     Architektur und Infrastruktur
     für den Tourismus
     Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die touristische Infrastruktur in der Schweiz
     rasant. Auch im Kanton Bern entstanden zahlreiche Hotels und Gasthäuser,
     Kleinbauten und Transportmittel.

     01

     Ein erstes Zentrum des jungen           suchte man im frühen 19. Jahrhun-       Seen. Die ersten grossen Stadthotels
     Fremdenverkehrs im Berner Ober-         dert noch vergeblich nach Unterkünf-    hiessen «Hôtel des Bergues» in Genf,
     land etablierte sich um 1800 in der     ten, dort nächtigte man etwa im gast-   «Trois Couronnes» in Vevey, «Baur au
     Stadt Thun, die damals bereits auf      freundlichen Pfarrhaus, beispielswei-   Lac» in Zürich oder «Schweizerhof»
     einer Kutschenstrasse erreicht wer-     se in Lauterbrunnen und Grindelwald.    in Luzern. Zu den frühen Fremdenor-
     den konn­  te. Der 1783 neu erbaute                                             ten gehörte auch Thun, wo die Gebrü-
     Freienhof zählte bald einmal zu den     Zwei bedeutende Bauetappen              der Knechtenhofer 1834 das «Hôtel
     besten Gasthöfen weit und breit. Auf    im Berner Oberland                      des Bains de Bellevue» (01) eröffne-
     dem Bödeli zwischen Thuner- und         In den 1830er Jahren begann im          ten und im folgenden Jahr mit ihrem
     Brienzersee standen die Klosterher-     schweizerischen Fremdenverkehr ei-      Dampfschiff «Bellevue» erstmals re-
     berge in Interlaken und das Gasthaus    ne bedeutende Bauphase, bei der         gelmässige Passagierfahrten von
     in der mittelalterlichen Stadt Unter-   sich die Architektur der Gasthäuser     Thun nach Interlaken anboten. Die
     seen zur Verfügung. Anstoss zur Ein-    erstmals durch eine eigenständige Ar-   Architekturgestalt der Gasthöfe und
     richtung von Fremdenpensionen ga-       chitektursprache auszeichnete. Eine     Hotels in den 1830er Jahren wurde
     ben dort die Unspunnenfeste von         führende Rolle übernahmen dabei die     stark vom damals vorherrschenden
     1805 und 1808. In höheren Regionen      Städte an den grösseren Schweizer       Klassizismus geprägt, der dem Ho-
ACTUEL | L’UTILISATION À DES FINS TOURISTIQUES        11

01  Gesamtansicht des Bellevue-Hotelareals
     in Thun in einem Hotelprospekt um 1900.
02  Hotel Victoria in Interlaken kurz nach der
     Eröffnung 1865. Fotografie von Adolphe
     Braun.
03  Die Hotels Mürren (links, eröffnet 1871)
     und Silberhorn (rechts, eröffnet 1858) in
     einer Fotografie um 1875.

telbau erstmals einen eigenständigen
architektonischen Ausdruck gab und
ihn vom früheren Gasthofbau deutlich
unterschied. Anderseits waren auch
um 1840 noch Gasthäuser von der
traditionellen ländlichen Architektur             02
geprägt, wie zahlreiche zeitgenös­   -
sische Darstellungen zeigen.
Zwischen 1860 und 1875 ist die zwei-              ten Fremdenpensionen am Ufer des       In der Belle Époque
te bedeutende Epoche des Hotelbaus                Thunersees sowie in Höhenlagen,
zu lokalisieren, in der das «Grand                wie Beatenberg und Aeschi über dem     verdreifachten sich die
Hotel» als Bezeichnung erstmals auf-              Thunersee oder Wengen und Mürren       Hotelgebäude.
trat. Im Berner Oberland verlagerte               im Jungfraugebiet (03).
sich der Fremdenverkehr mit der Er-                                                      lung erlebte und schliesslich 1912 mit
öffnung der Eisenbahnlinie nach Thun              Bauboom in der Belle Époque            der Eröffnung der Bahn zum Jung-
1859 in Richtung Interlaken. Damals               Höhepunkt und Abschluss der bauli-     fraujoch seinen krönenden Abschluss
wurde dort das Bild der Hotelland-                chen Entwicklung für den Tourismus     fand.
schaft am Höheweg geformt, das bis                bildeten die Jahre zwischen 1880       Die Hotelarchitektur der Jahrhundert-
heute in seinen Grundzügen erhalten               und dem Ausbruch des Ersten Welt-      wende war geprägt von einer vorher
blieb. Zu den bekanntesten Häusern                kriegs, in der sich die Hotelgebäu-    nie gekannten Vielfalt an historisie-
aus dieser Zeit gehören die zwei 1865             de und die Hotelbetten in der ganzen   renden Stilen. Fassade und Dach-
in Rekordzeit erbauten Hotels Jung-               Schweiz mehr als verdreifachten. Die   gestaltung erschienen damals aus-
frau und Victoria am Höheweg (02).                Belle Époque war auch die Zeit des     wechselbar wie eine Maske. Vieler-
Mit dem Hotel Victoria hielt die fünf-            Bergbahnbaus, der 1871 mit der ers-    orts orientierten sich die Architekten
teilige Fassadengestaltung Einzug im              ten Bahn auf die Rigi begonnen hat-    am repräsentativen Schlossbau oder
Berner Oberländer Hotelbau. In die-               te, aber erst nach dem Bau der Pila­   an den Dreiflügelanlagen nach ba-
ser Zeit entstanden auch die ers-                 tusbahn 1889 eine grosse Entwick-      rocken Vorbildern (05). Bildeten um
                                                                                         1800 der einfache Grundriss und die
                                                                                         Architektur der lokalen Wohnhäuser
                                                                                         das Vorbild des Hotelbaus, kulminier-
                                                                                         te die Entwicklung am Ende des Jahr-
                                                                                         hunderts in der Anwendung der im
                                                                                         Schlossbau des europäischen Hoch-
                                                                                         adels gebräuch­lichen Formen. In der
                                                                                         Belle Époque orientierte sich die Ho-
                                                                                         telarchitektur vielerorts am Prunk von
                                                                                         Versailles oder Schönbrunn. In der
                                                                                         Vielfalt von Hotelnamen tauchte kurz
                                                                                         vor 1900 der Name «Palace» erstmals
                                                                                         auf. Charakteristisch für diese Zeit
                                                                                         wurde zudem die vornehme Distanz
                                                                                         der Grossbauten gegenüber den tra-
                                                                                         ditionellen Dörfern. Der neu(reich)e
                                                                                         «Adel auf Zeit» begann sich mit sei-
                                                                                         nen Traumschlössern vielerorts von
03                                                                                       den Einheimischen zu distanzieren,
12   AKTUELL | TOURISTISCHE NUTZUNG

     04  Das Doppelhotel Alpina und Edelweiss     06  «Salle Versailles», 1882 als neuer
          in Mürren entstand 1926 in einer              Speisesaal zum Hotel Victoria in
          kompromisslosen Moderne nach Plänen           Interlaken eröffnet.
          des Thuner Architekten Arnold Itten.     07  In der letzten Wintersaison vor dem
     05  Das Hotel Baer in Grindelwald war eine        Ersten Weltkrieg entstand des Royal
          der wenigen Dreiflügelanlagen in den          Hotel, Winter & Gstaad Palace.
          Alpen (Brand und Abbruch 1941).               Foto um 1940.

                                                                                              Hotels, wie auch die Architektur des
                                                                                              Historismus aus dem 19. Jahrhundert,
                                                                                              mit Verachtung. Das Grand Hotel aus
                                                                                              der Belle Époque wurde zum Symbol
                                                                                              einer alten, überlebten Gesellschafts-
                                                                                              ordnung. Die Kritik an den mächtigen
                                                                                              Hotelbauten war nach dem Ersten
                                                                                              Weltkrieg so radikal, dass bedeuten-
                                                                                              de Architekten wie Horace Edouard
                                                                                              Davinet (1839 – 1922) aus Bern, Er-
                                                                                              bauer der Hotels Giessbach (09/10),
                                                                                              Seelisberg, Spiezerhof und Rigi-
                                                                                              Kulm, von ihren angeblichen Fehl-
                                                                                              leistungen sprachen. In der Zeit des
                                                                                              Zweiten Weltkriegs übernahmen die
                                                                                              Bundesbehörden den Kampf gegen
                                                                                              die «alten Hotelkästen». Sie beauf-
     04                                                                                       tragten den Architekten Armin Meili
                                                                                              (1892 – 1981) mit der Studie «Bauliche
                                                                                              Sanierung von Hotels und Kurorten»,
     wie beispielsweise beim «Royal Hotel,         brände. So konnten 1926 die beiden         in dessen Schlussbericht 1945 etli­che
     Winter & Gstaad Palace» in Gstaad             beim Dorfbrand in Mürren zerstörten        Hotelabbrüche und «Säuberungen der
     (07). Im Innern dieser Luxusbauten            Hotels Alpina und Edelweiss neu auf-       Baukörper von den hässlichen Zuta­
     funktio­nierte das Leben wie in der           gebaut werden. Ihre Besitzer enga-         ten aus dem Ende des letzten Jahr-
     autarken Welt eines Ozeandampfers.            gierten das Thuner Architektur­büro        hunderts» vorgeschlagen wurden.
     Das Hotel bot seinen Gästen in einer          von Arnold Itten (1900 – 1953), das den
     «Luxus­oase» alles an, was sich diese         Neubau als Doppelhotel im kompro-
     zum uneingeschränkten Genuss ih-              misslosen Stil der Moderne (04) aus-
     res Aufenthalts nur wünschen konn-            führte (Amstutz 1929). 1932 entstand,
     ten (06).                                     ebenfalls nach einem Brand, das Park­
     Mit dem Ausbruch des Ersten Welt-             hotel Bellevue in Adelboden in der
     kriegs erschien die Traumwelt in den          gleichen modernen Erscheinung.
     Hotelpalästen wie weggeblasen, die
     treue Stammkundschaft war verarmt             Ablehnung und Wiederentdeckung
     und blieb nun aus. Dadurch kamen              historischer Hotelbauten
     die meisten Hotels in finanzielle Be-         Zusammen mit den damals erstarken-
     drängnis, die Kriegswirren hatten sie         den Natur- und Heimatschutzbemü-
     ohne Vorbereitung überrascht. 1915            hungen hatte sich um 1900 ein ers-
     erliess der Bundesrat die «Notverord-         ter Widerstand gegen die mächtige
     nung zum Schutze der Hotellerie», die         Fremdenindustrie formiert. Man warf
     unter der Bezeichnung «Hotelbauver-           ihr unter anderem vor, mit Bahnen
     bot» bekannt wurde und bis 1952 in            und Hotels ganze Landschaften zu
     Kraft blieb. In der Zwischenkriegszeit        verschandeln. Sogar aufs Matterhorn
     entstanden deshalb nur vereinzelte            und auf den Diablerets-Gipfel wurde
     Hotelneubauten, begründete Ausnah-            damals eine Bahn geplant. Bald ein-
     men bildeten beispielsweise Hotel-            mal betrachtete man die historischen       05
ACTUEL | L’UTILISATION À DES FINS TOURISTIQUES          13

Mit dem Ausbruch des
Ersten Weltkriegs er­
schien die Traumwelt
in den Hotelpalästen
wie weggeblasen.

06                                       07

Auffallend viele Hotels wurden in die-   planten Jumbo-Chalets konnte das            immer beliebteres Nischenprodukt
sen Jahren Opfer von meistens unge-      historische Hotelgebäude von 1884           anbieten und sich von der im Touris-
klärten Brandfällen oder von willkom-    restauriert und etappenweise wieder         mus weit verbreiteten baulichen Be-
menen Abbrüchen durch die Armee          in Betrieb genommen werden (09).            liebigkeit distanzieren. Auf diese Wei-
(08). Höhepunkt der folgenden Sanie-     An einer Fachtagung von 1995 in Lu-         se können sich im touristischen Be-
rungswelle bildete die aus dem Erlös     zern, wo der Abbruch des bedeuten-          reich die Ziele von Kultur und Markt
des Talerverkaufs von 1951 finanzier-    den Saals beim Hotel Schweizerhof           optimal ergänzen.
te «Säuberung des Rigi-Gipfels», bei     drohte, erklärten Experten aus allen
der alle historischen Gebäude auf der    vertretenen Fachgebieten historische        Historische Hotels und Gasthöfe
Bergspitze abgebrochen wurden.           Hotelbauten zu einem wichtigen Be-          im Kanton Bern heute
Ein allmähliches Umdenken setzte in      standteil unseres baulichen Kultur­         Im Kanton Bern konnte sich eine er-
den Kreisen der Architekturgeschich-     gutes. Die seither alljährlich verliehene   freuliche Anzahl Hotels als histori-
te erst in den 1970er Jahren ein, als    Auszeichnung «Das historische Hotel/        sche Betriebe qualifizieren. Dazu ge-
der Zürcher Professor Adolf Reinle       Restaurant des Jahres» führte in            hört in erster Linie und als Vorreiter
(1920 – 2006) als erster Kunsthistori-   der Folge zu ihrer allgemeinen Wert-        der ganzen Entwicklung das Grand-
ker im 20. Jahrhundert die Hotels aus    schätzung. Auf Initiative erfolgreicher     hotel Giessbach am Brienzersee. Mit
der Belle Époque nicht mehr mit ne-      Bewerber dieser Auszeichnung ent-           seiner Kombination aus vorbildlich ge-
gativen Attributen versah. Damit leg-    stand 2004 die Marketingorgani­       sa­   pflegten und mit der Denkmalpfle­ge
te er die Basis für deren Rehabilitie-   tion «Swiss Historic Hotels». In die-       restaurierten Bauten, einer grossen,
rung in der schweizerischen Architek-    se Hotelgruppe werden nur Betriebe          mit Bedacht unterhaltenen Garten-
turgeschichte. Als Schlüsselereignis     aufgenommen, die auch in den Gäs-           anlage und der hoteleigenen Stand­-
erwies sich die Rettung des Hotels       tezimmern wertvolle historische Bau-        seilbahn – der ältesten noch in Be-
Giessbach am Brienzersee durch die       substanz aufweisen und eine Analyse         trieb stehenden Anlage dieses Typs
1983 von Franz Weber ins Leben           nach denkmalpflegerischen Kriterien         in der Schweiz – ist diese Hotelan­
ge­rufene Stiftung «Giessbach dem        bestanden haben. Mit dieser Marke-          lage sogar europaweit einzigartig (10).
Schweizervolk». An Stelle eines ge-      tinggruppe können Hotelbetriebe ein         Als weitere würdevoll gepflegte Ho-
14   AKTUELL | TOURISTISCHE NUTZUNG

     08  1902 war das neu er­stellte Gurnigelbad   10  Ansichtskarte um 1900 mit der ideali­-    12  Gesamtansicht des in den 1890er
          die grösste Hotelanlage schweizweit.           sierten Darstellung der Gesamtanlage im      Jahren erbauten Doppelhotels Bellevue
          Ansichtskarte um 1910.                         Giessbach.                                   des Alpes auf der Kleinen Scheidegg.
     09  Das Hotelgebäude im Giessbach war         11  Mit dem Bau der Kutschenstrasse
          nach einem Brand 1883 durch Architekt          ent­stand 1905 das neue Kurhaus im
          Horace Edouard Davinet wieder auf-             Rosenlaui-Bad.
          gebaut worden.

                                                                                                   Kornhauskeller und die «Harmonie»
                                                                                                   in Bern oder das «Bâteau à vapeur»
                                                                                                   in Thun. Unverständlich erscheint die
                                                                                                   Aufhebung und Zerstörung der histo-
                                                                                                   rischen Interieurs beim Bahnhofbuffet
                                                                                                   in Biel, einem der letzten traditionel-
                                                                                                   len Lokale landesweit aus der Zeit ei-
                                                                                                   nes Eisenbahnbetriebs, bei dem man
                                                                                                   zwischen zwei Zügen noch einen Bier-
                                                                                                   oder Kaffeehalt einschalten oder so-
                                                                                                   gar ein Mittagessen einnehmen konn-
                                                                                                   te. Erhalten blieb glücklicherweise der
                                                                                                   Wartsaal 1. Klasse mit dem Fresken-
                                                                                                   zyklus von Philippe Robert.
                                                                                                   Interessant erscheint die Tatsache,
                                                                                                   dass sich heute etliche Hotels auf ih-
                                                                                                   rer Webseite als «historisch» bezeich-
     08                                                                                            nen, obwohl sie die denkmalpflege-
                                                                                                   rischen Kriterien der historischen
                                                                                                   Substanz nicht erfüllen. Der Begriff
     tels und Restaurants gelten im Ber-            Wasserschaden geschlossen wurde.               «historisches Hotel» ist im Gastge-
     ner Oberland das Hotel Bellevue des            Als weitere Beispiele sind zu erwäh-           werbe zu einem unique selling point
     Alpes auf der Kleinen Scheidegg (12),          nen: das Hôtel de la Gare in Tavannes          (USP) geworden, einem positiv be-
     das Hotel Falken in Wengen, das Ho-            oder das Hôtel de la Chaux d’Abel in           legten Begriff also! In den Marketing­
     tel Regina in Mürren (siehe Seite 23),         La Ferrière. Dazu kommen einige im             auftritten erscheinen zudem immer
     das Alpin­  hotel Grimsel Hospiz, die          traditionellen Geist erhaltene Res-            öfter Begriffe wie «authentisch» und
     Pension Waldrand auf der Pochtenalp            taurants oder Speiselokale, wie der            «echt». «Authentische Kulissen» (Bar-
     im Kiental, der Landgasthof Ruedihus
     in Kandersteg oder das Hotel Rosen-
     laui (11). Das Schloss Schadau in Thun
     (siehe Seite 26) wurde unter Wah-
     rung der historischen Interieurs zum
     Hotel, die Wiedereröffnung steht im
     Juni 2019 bevor. Auch im Mittelland
     und im Emmental finden sich einige
     aktuelle und ehemalige Hotelbetriebe,
     die in Zusammenarbeit mit der Denk-
     malpflege restauriert werden, wie die
     Liste der aktuellen Beispiele zeigt. Zu
     den Mitgliedern der «Swiss Historic
     Hotels» gehören das Hotel Bären in
     Dürrenroth, das Hotel Kreuz in Herzo-
     genbuchsee oder das Klosterhotel auf
     der St. Petersinsel. Eine grosse Lü-
     cke entstand im Berner Jura, als das
     Hôtel de l’Ours in Belle­lay nach einem        09
ACTUEL | L’UTILISATION À DES FINS TOURISTIQUES         15

«Authentische Kulis­
sen» sind im Tourismus
zu einem Verkaufs­
argument geworden.

fuss 2018) sind im Tourismus zu einem
Verkaufsargument geworden, dem
sich die Hotellerie offenbar nicht mehr
verschliesst. Grundsätzlich gilt aber:
Abbruch und Wiederaufbau als Ko-
pie stellen aus denkmalpflegerischer
Sicht kein zielführendes Konzept dar,
wie das Beispiel des Hotel Alpina in
Gstaad deutlich machte.                   10

Aus touristischer Sicht sind auch
Hotelkonzepte erwähnenswert, bei          (siehe Seite 27). Weitere Beispiele     nen) im 19. Jahrhundert zu den wich-
denen die historische Substanz durch      der respektvollen Ergänzung von Alt     tigen Objekten auf dem touristischen
qualitätsvolle neue Architektur res-      und Neu sind im Kanton Bern rar.        Markt. Erfreulich sind neuere Initiati-
pektvoll weitergebaut wurde. Dazu         Auch Wettbewerbe kommen im Ho-          ven zum Erhalt von Verkaufsgeschäf-
gehört in erster Linie der vom Berner     telbau äusserst selten vor; im Kan-     ten und Kiosken in Interlaken und
Architekturbüro Aebi-Vincent reali-       ton Bern fand die letzte solche Kon-    Lauterbrunnen sowie der Schwimm-
sierte Erweiterungsbau auf dem Nie-       kurrenz 1872 für das Hotel Thunerhof    bäder in Thun, Inter­laken und Adel-
sen Kulm (13). Auf Interlakens Haus-      statt (siehe «Hotelpaläste», S. 52).    boden (15). Auch die Bemühungen
berg Harder Kulm wurde im letzten                                                 um die Dampfschiffe waren im Ber-
Jahr ein neuer Pavillon der Brügger       Die Pflege der touristischen Infra-     ner Oberland erfolgreich, als zähe
Architekten eingeweiht, der die be-       struktur im Kanton Bern                 Kämpfer den Erhalt und die Wieder-
stehende Silhouette des historischen      Zusammen mit den Hotels gehörten        inbetriebnahme der «Blüemlisalp» ge-
Restaurants aufwertet. Der zweige-        Kleinbauten (Kioske, Läden, siehe       gen den Willen der damaligen BLS-
schossige Bau mit Kupfer­schale bie-      Seite 22) und öffentliche Anlagen       Direktion ermöglichten. Die Restau-
tet mit zwei Panorama­fassaden freie      (Schwimmbäder) so­wie Transportmit-     rierung der «Lötschberg» auf dem
Sicht auf die Oberländer Bergwelt         tel (Kutschen, Schif­fe und Eisenbah-   Brienzersee war dann eine logische

11                                                            12
16   AKTUELL | TOURISTISCHE NUTZUNG

     13  Das 1858 eröffnete Berghaus auf dem         15  Das 1931 eröffnete Freibad «Gruebi» in
          Niesen erhielt 2001 einen filigranen           Adelboden, ein Entwurf des Freiburger
          Panoramabau der Berner Architekten             Ingenieurs Beda Hefti, ist zugleich ein
          Aebi & Vincent.                                Symbol für das Neue Bauen und die
     14  Die 1956 in Betrieb genommene und seit         damals aufstrebende Körperkultur.
          2002 stillgelegte «Stadt Bern» gehört zu
          den letzten noch weitgehend im Original­-
          zustand erhaltenen Motorschiffen der
          1950er Jahre.

                                                                                                    Dr. Roland Flückiger-Seiler
                                                                                                    ist Architekt ETH und Architekturhis­
                                                                                                    toriker. Er hat in den 1990er Jahren
                                                                                                    das Nationalfondsprojekt zur
                                                                                                    Schweizer Hotelgeschichte initiiert
                                                                                                    und ge­leitet, ist Autor der drei Stan­
                                                                                                    dardwerke zur Schweizer Hotel- und
                                                                                                    Tourismusgeschichte (Hotelträume
                                                                                                    2001/22005, Hotelpaläste 2003/
                                                                                                    2 2005, Berghotels 2015) sowie

                                                                                                    Ini­tiant verschiedener Aktivitäten im
                                                                                                    Umfeld historischer Hotels («Das
                                                                                                    historische Hotel/Restaurant des
                                                                                                    Jahres», «Der historische Gastbetrieb
                                                                                                    in Südtirol», «Swiss Historic Hotels»
                                                                                                    und «Hotelarchiv Schweiz»).
                                                                                                    www.historischehotels.ch

     13

     Folge, die 2008 durch den internatio-            torique», die das historische Rollma-
                                                                                                    Literatur Walter Amstutz. Neue Wege im
     nalen Rat für Denkmalpflege von ICO-             terial der Stadt Bern fachgerecht er-         Hotelbau. Zürich 1929; Thomas Barfuss.
     MOS mit einer besonderen Auszeich-               hält und touristisch in Wert setzt. Zu        Authentische Kulissen. Graubünden und die
     nung gekrönt wurde. Nun steht die                den bahnhistorischen Highlights im            Inszenierung der Alpen. Baden 2018; Alexandra
                                                                                                    Ecclesia. Horace Edouard Davinet (1839 – 1922).
     fachgerechte Pflege der formschö-                Kanton gehören in erster Linie die mit
                                                                                                    Masterarbeit an der Universität Lausanne 2017;
     nen Schiffe aus den 1950er Jahren                viel Engagement unterhaltene letzte           Ro­land Flückiger-Seiler. Hotelträume zwischen
     als Zeitzeugen bevor, wie dies kürz-             Dampfbahn aufs Brienzer Rothorn,              Gletschern und Palmen. Baden 2001 und
                                                                                                    2/2005; Roland Flückiger-Seiler. Hotelpaläste
     lich mit der Restaurierung des Motor-            mit einem restaurierten Stationsge-
                                                                                                    zwischen Traum und Wirklichkeit. Baden 2003
     schiffs «Linth» von 1952 auf dem Zü-             bäude in Brienz, und die mit Original­        und 2/2005; Roland Flückiger-Seiler. «Architek­
     richsee geschah. Auf dem Thunersee               lokomotiven und historischen Per-             tur nach dem Sündenfall». Der Umgang mit
     schlummert ein vergleichbares Juwel              sonenwagen aus der Elektrifizierung           Hotelbauten aus der Belle Époque. In: Erhalten
                                                                                                    und Gestalten. 100 Jahre Schweizer Heimat­
     mit dem 1956 in Betrieb genomme-                 1914 betriebene Bahn auf die Schy­-           schutz. Herausgegeben von Madlaina Bundi.
     nen und seit 2002 stillgelegten Mo-              nige Platte (siehe Seite 20), die sogar       Baden 2005, S. 80 – 89 (Abbruch der Rigi-
     torschiff «Stadt Bern» (14).                     von nationaler Bedeutung ist. Dazu            Hotels); Roland Flückiger-Seiler. Berghotels
                                                                                                    zwischen Alpweide und Gipfelkreuz. Baden
     Im Bereich der Bahnen kümmern sich               kommen die beiden weitgehend im
                                                                                                    2015; Historische Hotels erhalten und be-
     in allen Regionen private Vereine um             Originalzustand erhaltenen Standseil-         treiben, Akten der Fachtagung Luzern 14. – 16.
     Erhaltung und touristische Vermark-              bahnen zum Hotel Giessbach und am             September 1995. Luzern 1996; Armin Meili.
                                                                                                    Bauliche Sanierung von Hotels und Kurorten.
     tung von historischen Zügen: im Ber-             Reichenbachfall. Schliesslich setzt die
                                                                                                    Assainissement technique d'hôtels et de sta-
     ner Oberland der «Verein Ballenberg              BLS den wieder fahrtüchtig gemach-            tions touristiques. Schlussbericht. Bearbeitet
     Dampfbahn» und der Verein «zb his-               ten «Blauen Pfeil» von 1939 zeitweise         und herausgegeben im Auftrag des Eidgenös­
     toric», im Emmental der «Verein Histo-           sogar in frei zugänglichen Fahrplan-          sischen Amtes für Verkehr. Erlenbach-Zürich
                                                                                                    1945.
     rische Eisenbahn Emmental» und im                kursen ein.
     Jura die Vereinigung «La Traction».              Nachdem das Ringen um die histo-
     Besonders erwähnenswert ist die neu              rischen Hotelbauten seit den 1980er
     gegründete Stiftung «Bernmobil his-              Jahren zugunsten der Erhaltung ent-
ACTUEL | L’UTILISATION À DES FINS TOURISTIQUES        17

Originale erfreuen
sich einer wachsenden
Beliebtheit.

schieden ist, werden nun auch his-
torische Transportmittel vermehrt in
Wert gesetzt, wie die Gründung ent-
sprechender Stiftungen von SBB,
BLS und Bernmobil zeigen. Diesen
Projekten ist der Erfolg garantiert,
denn echte Originale erfreuen sich
einer stets wachsenden Beliebtheit.

                      Dr. Roland Flückiger-Seiler

14                                                  15

     ARCHITECTURE ET INFRASTRUC-                     La Grande Guerre fut la cause de         En 1995, des experts ont rangé les
     TURE DU TOURISME                                graves difficultés financières pour      hôtels historiques parmi les éléments
                                                     l’hôtellerie. De 1915 à 1952, une        marquants de notre patrimoine archi­
     Le tourisme dans l’Oberland bernois             ordonnance fédérale urgente interdit     tectural. L’organisation de marketing
     prit naissance vers 1800 à Thoune.              la construction de nouveaux hôtels,      « Swiss Historic Hotels » a vu le jour
     La mise en service de la ligne ferro­           sauf quelques exceptions. Les pro­       en 2004, et l’étiquette « hôtel histo­
     viaire en 1859 déplaça le centre de             tecteurs de la nature et du patrimoine   rique » est devenue un argument de
     gravité vers Interlaken. La première            reprochaient au tourisme de défigurer    vente.
     phase importante de construction                le paysage par la construction de        Les petites constructions, les instal­
     d’hôtels, dans les années 1830, fut             chemins de fer et d’hôtels. Après la     lations publiques et les moyens de
     suivie d’une seconde entre 1860                 Seconde Guerre mondiale, de nom­         transport étaient aussi des objets
     et 1875. Le point culminant fut atteint         breux « vieux » hôtels furent détruits   importants du tourisme au 19 e siècle.
     entre 1880 à 1914, phase durant                 par des incendies ou démolis par         Diverses fondations prennent soin
     laquelle le nombre d’hôtels et de lits          l’armée. Un changement ne s’est ma­      aujourd’hui des moyens de transport
     d’hôtel en Suisse fit plus que tripler.         nifesté qu’à partir des années 1970.     historiques, qui sont très en vogue.
18   AKTUELL | TOURISTISCHE NUTZUNG

     Touristische                                                         L’utilisation à des fins
     Nutzung                                                              touristiques
     Die vorgestellten Kurzreportagen berichten von den                   Les reportages publiés ici présentent les problèmes
     Herausforderungen, die sich bei der Restaurierung,                   qui se posent lors de la restauration, de la réaffecta-
     Neunutzung und Modernisierung von touristischer In-                  tion ou de la modernisation d’infrastructures touris­
     frastruktur stellen.                                                 tiques.

     Im Bereich der historischen Gasthöfe, Hotels oder anderer            De toute évidence, la conservation des monuments et le
     Tourismusbauten, Bergbahnen oder Schiffe treffen Denk-               tourisme sont prédestinés à se rencontrer lorsqu’il est
     malpflege und Tourismus ganz offensichtlich aufeinander.             question d’auberges ou d’hôtels anciens, de vieux funicu-
     Viele dieser Objekte sind nach wie vor touristisch genutzt           laires ou de bateaux. Beaucoup de ces objets continuent
     und wurden an die heutigen Bedürfnisse angepasst. Die                à être utilisés et ont pour cela été adaptés aux besoins ac-
     Nutzungskonzepte sind dabei so unterschiedlich wie die               tuels. Les idées sur l’utilisation sont aussi diverses que les
     Objekte selber.                                                      objets eux-mêmes.

     Aus Sicht der Denkmalpflege gilt für Bauten oder mobiles             Du point de vue de la conservation des monuments, ce qui
     Kulturgut für den Tourismus dasselbe wie für jedes Bau-              est valable pour un bâtiment historique l’est aussi pour une
     denkmal: Ihre Weiternutzung oder eine passende neue                  construction ou un bien culturel mobile utilisé à des fins
     Nutzung ist der beste Schutz. Und doch stellt sich in jedem          touristiques : la continuité d’utilisation est la meilleure pro-
     einzelnen Fall die Frage, wie weit eine touristische Nutzung         tection. Dans chaque cas se pose cependant la question
     gehen kann, ohne dass das Baudenkmal Schaden nimmt.                  des limites de l’utilisation touristique et des dégâts qui
                                                                          pourraient résulter d’une utilisation trop intensive.

     01                                                                   02

     01  Schloss Schadau in Thun: Korridor im ers­ten Obergeschoss       02  Salon im Hotel Regina in Mürren.
          mit wiederhergestellten Oberflächen, kurz vor Fertigstellung.   03  Tambour avec verres gravés, Croix-Fédéral à Péry-La Heutte.
ACTUEL | L’UTILISATION À DES FINS TOURISTIQUES   19

03
20   AKTUELL | TOURISTISCHE NUTZUNG

     Die Schynige Platte-Bahn – ein Meisterwerk der Pflege

     04                                                                                    05

     Die über 120-jährige Anlage der          ken den Bau der gesamten Anlage.             nur begrenz­te Gewinnmöglichkeiten.
     Schynige Platte-Bahn ist ein ein-        Baubeginn war 1891. Der Bau der Wen­         Wenigstens reichten die Erträge stets,
     zigartiges Technik-Denkmal, das          gernalpbahn, eines ähnlichen Pro-            um die solide Bahntechnik zu warten.
     für die Liste der national bedeu-        jekts, erlaubte das Nutzen von Sy­
     tenden Kulturgüter vorgemerkt ist.       nergien. Identische technische Aus-          So blieb mit der Schynige Platte-Bahn
                                              stattung und die gleichen typisierten        eine der am komplettesten erhalte­nen
     Die Höhenwanderung über das Faul-        Hochbauten der Bieler Architekten            Bergbahn-Anlagen der Schweiz als
     horn mit Ausgangspunkt Schynige          Frey & Haag waren die Folge. Termin­         technisches und touristisches Denk-
     Platte galt schon lange als eine der     gerecht nahm die Schynige Platte-            mal erhalten. Die entschleunigende
     beliebtesten Routen im noch jungen       Bahn 1893 den Betrieb auf, mangeln-          Reise mit der Zahnradbahn auf einer
     alpinen Tourismus, als die Eidgenös-     de Rentabilität führte 1895 jedoch           Strecke mit eindrücklichen Kunstbau-
     sischen Räte 1890 – in einer Zeit des    zu ihrem Verkauf an die Berner Ober-         ten, historischen Begleitbauten und
     grossen Bergbahn-Booms – auch der        land-Bahnen. Mit Ausnahme der                fachgerecht restauriertem Rollmate-
     Aktiengesellschaft der Schynige Plat-    Elek­trifizierung 1914 blieben grösse­       rial ist zu einem abenteuerlichen Er-
     te-Bahn eine Konzession erteilten.       re Investitionen aus. Für ein touris­        lebnis geworden – ein klares Plus im
     Die «Bernische Baugesellschaft für       ti­
                                                sches Angebot ohne Abenteuer­              Marketing für einen nachhaltigen Tou-
     Spezialbahnen» übernahm zu einem         faktor und Wintersportmöglichkeiten          rismus. Simon Weiss
     Pauschalpreis von 2,85 Millionen Fran-   bestanden in dieser Region offenbar

                                              04  D ie revidierten Fahrzeuge begeistern
                                                                                            Gsteigwiler/Wilderswil/Gündlischwand,
                                                   Fahrgäste und Bahnpersonal.
                                                                                            Schynige Platte-Bahn
                                              05  Plan für die Stationsbauten Breit­-
                                                                                            Eigentümerin: Berner Oberland-Bahnen AG,
                                                   lauenen und Schynige-Platte.             Interlaken
                                              06  Erinnerung an die Zeit der dampf­        Historische Untersuchung: Simon Weiss,
                                                   betriebenen Lokomotiven.                 Diplomwahlfacharbeit Institut für Denkmalpflege
                                                                                            ETH Zürich: Langsam aber sicher… Ein Pflege-
                                                                                            werk für die Schynige Plattenbahn und ihre
                                                                                            Bauten, 2002/03

     06
ACTUEL | L’UTILISATION À DES FINS TOURISTIQUES             21

Eine Ziegelei zieht um
2012 sollten ein paar alte Gebäude       ne umfangreiche Dokumentation und            Steinen wieder aufgebaut, der hölzer-
in Péry einem Mehrfamilienhaus           fertigte ein 3D-Modell des Gebäudes          ne Turm darüber nach einer Fotogra-
Platz machen. Eines davon ent-           an. Aufgrund eines Hinweises des             fie von 1903 ergänzt und mit neuen
puppte sich als die älteste Ziegelei     zu­­ständigen Bauberaters wurde das          Ziegeln gedeckt. Für den Aufbau der
im Kanton Bern.                          Freilichtmuseum Ballenberg auf die           offenen Trocknungshalle verwendete
                                         kulturhistorisch bedeutende Ziege-           man ursprüngliche und neue Holzbal-
Die letzten Ziegel wurden in Péry 1905   lei aufmerksam. Zwischen 2015 und            ken, für das Dach alte, in einer histori-
gebrannt. Eine dendrochronologische      2017 wurde sie schliesslich ins Ber-         schen Ziegelei gebrannte Ziegel eines
Untersuchung der Archäologen da-         ner Oberland versetzt. Die 300 Holz-         anderen Hauses aus Péry. Der Wohn-
tiert die Anlage auf 1763. Sie bestand   teile und 500 Natursteine aus Jura-          teil fand im Museum keinen Platz.
aus einer offenen Trocknungshalle, in    kalk baute man Stück für Stück ab,
der die Ziegel geformt und vor Regen     reinigte, nummerierte und transpor-          Heute können Besucherinnen und Be­-
geschützt getrocknet wurden, aus ei-     tierte sie. Im Freilichtmuseum wer-          sucher wieder miterleben, wie Lehm
nem Brennofen, in dem man sie mit        den Ofen und Trocknungshalle nun so          zu roten Ziegeln gebrannt wird oder
rund 1000° C brannte, sowie einem        gezeigt, wie sie nach den Befunden           sie stellen selber aus einem Lehm-
an­gebauten Wohnteil für den Ziegler.    von Archäologie und Denkmalpflege            klumpen einen Ziegel her. DOS
Wegen des drohenden Abbruchs er-         1903 ausgesehen haben: Der Brenn-
stellte der archäologische Dienst ei-    ofen wurde grösstenteils aus alten

07                                       08

                                         07  Die Ziegelei von Péry wird auf dem
                                                                                       Hofstetten/Ballenberg, Ziegelei von Péry
                                              Ballenberg Stein um Stein wieder
                                                                                       Massnahmen: Abbau der Ziegelei in Péry-
                                              aufgebaut.                               La Heutte, Wiederaufbau im Freilichtmuseum,
                                         08  Der hölzerne Turmaufbau über dem         2015 – 2017
                                              Brennofen entstand in Anlehnung an       Bauherrschaft: Ballenberg. Freilichtmuseum
                                              ein Foto von 1903.                       der Schweiz
                                                                                       Archäologie: Andreas Marti
                                         09  Das alte Handwerk wird zu Schau­
                                                                                       Denkmalpflege: Olivier Burri
                                              zwecken wiederaufgenommen und in
                                              Kursen weitervermittelt.                 www.ballenberg.ch

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