Schulblatt 5/2016 Schüler reden mit - Partizipation - mehr als nur Klassenrat - PH Zürich
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Kanton Zürich Schulblatt Bildungsdirektion 5/2016 Schüler reden mit Partizipation – mehr als nur Klassenrat Neue VSA-Chefin Wer ist Marion Völger? Bereicherung Sprachassistenten beleben den Unterricht Seltener Beruf Vergolden und Einrahmen ist Präzisionsarbeit
6 16 Magazin Fokus: Volksschule Schüler reden mit 4 22 Meine Schulzeit 12 Schulsozialarbeit Rudi Bindella, Im Gespräch Aus den Schulen nicht mehr Gastrounternehmer Für Enikö Zala ist wegzudenken Partizipation eine Frage 5 der Haltung 24 Im Lehrerzimmer Stafette Gesamtschule Villa Büel, 16 Die Sekundarschule Riedtli Winterthur Just Community führt Aufnahmeklassen für Die Tagesschule Mattenbach Fremdsprachige 6 setzt auf ganzheitliche Persönlich Mitwirkung 27 Marion Völger, Chefin des In Kürze Volksschulamts, denkt Schule 20 vom Kind her Schülerorganisationen Wenige Vorgaben, 9 viele Möglichkeiten Bildungsdirektorin Silvia Steiner will Klassen lehrpersonen stärken Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Inhalt Wichtige Adressen Impressum Nr. 5/2016, 26.8.2016 Bildungsdirektion: www.bi.zh.ch Generalsekretariat: 043 259 23 09 Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs Bildungsplanung: 043 259 53 50 Bildungsstatistik: www.bista.zh.ch weise: 6-mal jährlich, 131. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: reto.heinzel@bi.zh.ch, Volksschulamt: www.vsa.zh.ch, 043 259 22 51 Mittelschul- und 043 259 23 05; jacqueline.olivier@bi.zh.ch, 043 259 23 07; Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, Berufsbildungsamt: www.mba.zh.ch, 043 259 78 51 Amt für Jugend 043 259 23 14 Journalistische Mitarbeit an dieser Ausgabe: Joel Bedetti, Iwona Eberle, und Berufsberatung: www.ajb.zh.ch, 043 259 96 01 Lehrmittel Andreas Minder, Paula Lanfranconi, Charlotte Spindler Abonnement: Lehrpersonen einer öf- verlag Zürich: www.lehrmittelverlag-zuerich.ch, 044 465 85 85 fentlichen Schule im Kanton Zürich können das S chulblatt in ihrem S chulhaus gratis beziehen Fachstelle für Schulbeurteilung: www.fsb.zh.ch, 043 259 79 00 (Bestellwunsch an Schulleitung). Bestellung des Schulblatts an Privatadresse s owie Abonne Bildungsratsbeschlüsse: www.bi.zh.ch > Bildungsrat > Beschluss ment weiterer Interessierter: abonnemente@staempfli.com, 031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) archiv Regierungsratsbeschlüsse: www.rrb.zh.ch Online: www.schulblatt.zh.ch Gestaltung: www.bueroz.ch Druck: www.staempfli.com Inserate: inserate@staempfli.com, 031 767 83 30 R edaktions- und Inserateschluss nächste Ausgabe: 22.9.2016 Das n ächste Schulblatt erscheint am: 28.10.2016 Titelbild: Reto Schlatter 2
30 36 Mittelschule Berufsbildung 45 Amtliches 30 36 Sprachassistenzen Lehre und Karriere 61 Eine Engländerin und Vom Bäcker zum Reise Weiterbildung ein Franzose an der Kanti manager oder Nach der Lehre Umgang mit Heterogenität – Freudenberg stehen viele Wege offen neue Themenreihe Kurse und Module 32 40 Schulgeschichte(n) Berufslehre heute 68 Kantonsschule Uster Vergolderin-Einrahmerin EFZ schule&kultur 35 43 70 In Kürze In Kürze Agenda Editorial In dieser Ausgabe widmen wir uns einem Thema, bei dem möglicherweise nicht Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Inhalt alle unter Ihnen spontan an dasselbe denken: der Schülerpartizipation. Dienen Klassenrat und Schülerparlament dem Zweck, die Mitwirkung im Unterricht zu Reto Heinzel unterstützen, vielleicht das Schulklima zu verbessern? Oder geht es darum, die Kinder zu verantwortungsbewussten Demokratinnen und Demokraten zu erzie hen? Antworten auf solche und weitere Fragen suchen wir im Experteninter view. Weiter interessiert uns, warum die Winterthurer Tagesschule Mattenbach auf das Konzept «Just Community» (dt.: Gerechte Schulgemeinschaft) setzt und welche Bedeutung dabei den regelmässigen Vollversammlungen zukommt. Ausserdem porträtieren wir die neue Chefin des Volksschulamts, Marion Völger. Sie erzählt, wie ihr Start verlaufen ist und welches ihre Anliegen sind. Und schliesslich werfen wir einen Blick auf erstaunliche Bildungsverläufe: Wir zeigen, in welcher Branche ein gelernter Schreiner, eine Drogistin und ein Bäcker schliesslich gelandet sind. 3 Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das Schulblatt: reto.heinzel@bi.zh.ch, jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Meine Schulzeit Inwiefern hat Ihnen die Schule «Freundschaften geholfen, ein erfolgreicher Unternehmer zu werden? In der Primarschule habe ich gelernt, dass fürs Leben» nicht immer alles nach meinem Kopf gehen kann, sondern dass man mit anderen zu sammenarbeiten und Rücksicht nehmen muss. Während des Studiums gaben mir Fünf Fragen an Rudi Bindella, vor allem die wissenschaftlichen Arbeiten und das Verfassen einer Dissertation ein Gastrounternehmer sehr wertvolles methodisches Rüstzeug mit auf den Weg, um eine Situation rasch und gründlich zu analysieren und mit Blick auf die gesteckten Ziele geeignete Mass nahmen festzulegen. Was ist das Wichtigste, was Kinder Wenn Sie an Ihre Schulzeit denken, was heute in der Schule lernen sollten, und kommt Ihnen als Erstes in den Sinn? warum? Einerseits der geordnete und autoritäre Es wäre wünschenswert, wenn die Schu Primarschulbetrieb, anderseits die vielen len sich noch stärker dafür einsetzen spielerischen Vergnügungen. Damals habe könnten, den Kindern die elementaren ich Freundschaften geschlossen, die bis Werte unseres Landes zu vermitteln wie heute Bestand haben. Später stand dann etwa Respekt, Toleranz, Bescheidenheit, die Leistung im Vordergrund. Das erfor Verlässlichkeit, Fleiss, Eigenverantwor derte Disziplin und Durchhaltewillen. Dass tung und Leistungsbereitschaft. Natür ich mir auf so vielen Gebieten Wissen an lich ist es auch Aufgabe der Eltern, ihren eignen durfte, empfand ich damals schon Kindern diese Werte mit auf den Weg zu als Privileg. geben. Aus meiner Sicht sind diese Welcher Lehrperson geben Sie Eigenschaften wegen des zunehmenden rückblickend die Note 6 und warum? Wohlstandes leider etwas verloren ge Meinem Primarlehrer Emil Hadorn. Er war gangen. streng und herzlich zugleich. Er vermittelte Warum wären Sie ein guter Lehrer – uns nicht nur elementares Wissen, sondern oder eben nicht? auch Menschlichkeit. Im Wirtschaftsstu Ich weiss gar nicht, ob ich ein guter Leh dium war es Professor Emil Küng, der uns rer wäre. Trotzdem ist es eine Tätigkeit, Rudi Bindella (68) leitet in dritter Genera tion das Familienunternehmen Bindella immer wieder Fragen stellte, die man die ich vor allem im Rahmen interner terra vite vita SA in Zürich, zu dem mittler nicht durch Auswendiglernen beantworten Schulungen hin und wieder ausübe. Der weile 42 Restaurants mit rund 1300 Mit arbeitenden gehören. Er ist Vater von fünf konnte. Er lehrte uns sehr geschickt, Ur Umgang mit Menschen bereitet mir je Kindern und arbeitet, wie er sagt, als sachen, Zusammenhänge und Wirkungen denfalls viel Freude. Ich liebe es, Interesse Gastgeber, und damit «von morgens früh bis abends spät freiwillig und freudig der zu erfassen und abzuwägen, um sich eine zu wecken für Neues und den Horizont schönsten Berufung folgend». eigene Meinung bilden zu können. der Menschen zu erweitern. Bildungs-Slang Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Schulfeld Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Magazin 4
Im Lehrerzimmer Gesamtschule Villa Büel in Winterthur Die Lehrerinnen und Lehrer blicken in der Pause ins üppige Grün einer englischen Parkanlage. Fotos: Marion Nitsch Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Magazin Alles neu: Es riecht leicht nach Farbe. Letztes Jahr hat die Stadt Winterthur die ehemalige Industriellenvilla saniert. Dabei wurde das Lehrerzimmer der privaten Gesamtschule vom Parterre in den ersten Stock verlegt. Mit Aussicht: Durch den Umzug kamen die sieben Lehrpersonen zu mehr Platz und zu einer grossen Terrasse mit Blick in den umgebenden Park. Schlicht: Mit einem langen Tisch aus massiver Buche, einem weissen Sideboard und zwei Stehlampen ist der Raum bewusst sparsam möbliert. Chronik: Ein Buch erinnert in Wort und Bild ans vergangene Jahr: Schulreise, Projektwochen, Sommerfest etc. Speziell an der Ausgabe 2015: Eine Fotografie zeigt, wie ein Kind beim Wiedereinzug in die renovierte Villa das rote Band durchschneidet. Selbstbestimmt: Die 30 Schülerinnen und Schü ler von der 1. bis zur 6. Klasse bestimmen ihr Lerntempo und -programm selber. «Wir begleiten sie und zeigen Wege auf», sagt Schul leiter René Egli. Kompetent: Die Kompetenzorientierung des neuen Lehrplans macht dem Schulleiter keine Sorgen, im Gegenteil: «Das kommt uns entgegen.» Selbst gegossen: Wenn die Pause vorbei ist, greift René Egli nach einer grossen Bronzeglocke, welche die Kinder selber gegossen haben. Ihr ohrenbetäubender Klang ruft die Schülerinnen und Schüler aus Wald und Flur zurück. [ami] 5
Persönlich zum Gesetzbuch aber nicht immer der «Ich lasse gerne beste Weg sei, lasse sich im Schulfeld beispielhaft beobachten. «Als Chefin des Rechtsdienstes hatte ich oft das Gefühl, alle Türen offen» dass wer im Streitfall zwischen Schullei tung, Lehrpersonen und Eltern das Gesetz in die Hand nehmen muss, nicht unbe dingt die optimale Lösung finden wird. Marion Völger leitet neu das Volksschul- Viel besser ist es, rechtzeitig das Gespräch zu suchen.» amt. Die Frau mit ausgeprägtem Vom Unterricht in die Verwaltung Gerechtigkeitssinn will eng mit den Ihre erste Stelle nach dem Studium führte Verbänden zusammenarbeiten. Marion Völger an die ETH Zürich, wo sie ebenfalls im Rechtsdienst tätig war. Sie Text: Reto Heinzel Foto: Stephan Rappo schrieb eine Doktorarbeit zum Thema Wissenschaftsbetrug. Auf die Idee brachte sie ein Professor, der in einem Vortrag ungeniert die Forschungsresultate seines Oberassistenten zu den eigenen machte – er zitierte sie nämlich ohne Quellenangabe. Marion Völger ist eine viel beschäftigte uns ähnlicher, als viele vielleicht denken, Das fiel zwar allen auf, doch niemand Frau. Seit sie Anfang Juni die Leitung des und ich kenne das VSA ja auch schon eine sprach darüber. «Rechtlich geht das gar kantonalen Volksschulamts (VSA) über Weile. Und manchmal muss man Dinge nicht, dachte ich mir.» nommen hat, sind die weissen Stellen in eben einfach tun. Der Rest kommt von In ihrer Arbeit beleuchtete Marion ihrer Agenda rar geworden. Doch wäh alleine, dieses Vertrauen habe ich.» Völger nicht nur die strafrechtliche, son rend des Gesprächs in ihrem Büro an der Vorgezeichnet war der Weg ins VSA dern auch die ethische Seite des Problems. Walchestrasse in Zürich wirkt sie ent nicht. Aufgewachsen in Wildberg, einem Weil sie mehr über diese gesellschaftlich- spannt und gut gelaunt. Das schwülheisse kleinen Dorf im Zürcher Oberland, moralischen Fragen wissen wollte, absol Wetter scheint ihr nichts anzuhaben. stammt Marion Völger aus bescheidenen vierte sie ein Nachdiplomstudium in An Als Leiterin des VSA habe sie einen Verhältnissen. Ihr Vater, ein gebürtiger gewandter Ethik. 2004 verliess sie die «sehr guten Start» gehabt, schwärmt die Deutscher, war Schuhmacher, die aus ETH, es folgten mehrere Stationen in der 45-Jährige. «Es ist eine grossartige Aufgabe, St.Gallen stammende Mutter führte ein Verwaltung, ehe sie als Dozentin an die und ich geniesse unglaublichen Support Brautkleidergeschäft. «Bei uns zu Hause Zürcher Hochschule für Angewandte durch mein Team.» Ein Vorteil sei natür gab es kaum Bücher – ich kann mich vor Wissenschaften (ZHAW) wechselte. Dort lich gewesen, dass man sie im Amt bereits allem an die Bibel erinnern, die meine unterrichtete sie während sieben Jahren gekannt habe – seit fast zwei Jahren leitete Eltern zur Hochzeit geschenkt bekommen Staats- und Verwaltungsrecht und war als sie nämlich den VSA-Rechtsdienst. Ihren hatten.» Die Tochter hingegen liebte Studiengangleiterin und als Professorin Rollenwechsel hätten alle sehr gut akzep Bücher schon als Knirps. Sie ging ausge für Didaktik und Methodik tätig – ehe sie tiert. «Das ist nicht selbstverständlich.» sprochen gern zur Schule und wechselte 2014 ins VSA ging. «Dass ich irgendwann Wobei die neue Chefin bewusst einen nach der Sekundarschule in Turbenthal in die Verwaltung zurückkehren würde, sehr teamorientierten Führungsstil pflegt, als eine der wenigen ans Gymi in Winter war für mich immer klar.» Sie schätze die wie sie betont. «Das wissen und schätzen thur. Dabei hatte sie eigentlich geplant, dort geltenden klaren Spielregeln. Trotz die Leute.» Auf die Frage, was ihr wichtigs eine Lehre als Grafikerin zu machen. dem gebe es immer einen Ermessens tes Anliegen sei, antwortet sie ohne zu Nach langem Hin und Her wagte sie den spielraum, der es ermögliche, Dinge zu zögern: «Dass man die Schule von den noch die Gymiprüfung. «Ich wollte mir gestalten. Bedürfnissen der Kinder her denkt und alle Türen offen lassen. Etwas, das mir bis weiterentwickelt.» Dies könne nur mit heute wichtig ist.» «Yoga macht etwas mit mir» begeisterungsfähigen Lehrpersonen gelin Eines verband Vater und Tochter Völ Doch zurück zu den privaten Leidenschaf gen, sagt sie. «Die Zusammenarbeit mit ger schon früh: Es war die Leidenschaft ten. Dazu gehört vor allem auch der Mann den Verbänden spielt für mich deshalb für den deutschen Fussball. Während der an ihrer Seite, mit dem sie viele Interessen eine zentrale Rolle.» Gleichzeitig gelte es, Vater Anhänger von Hannover 96 war, ent teilt. Neben dem Fussball ist das beispiels die politischen Entscheidungsprozesse zu schied sich die Tochter als Teenager für weise auch die Neigung zu allem, was mit Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Magazin respektieren. eine Mannschaft, die möglichst weit weg Spanien zu tun hat; sei es die Sprache, die davon war – «eine ganz normale p ubertäre Kultur oder auch das Essen. Daneben gibt Das «big picture» im Blick Gegenreaktion», schmunzelt sie. Seither es einen weiteren wichtigen Fixpunkt in Während sie sich als Leiterin des VSA- hält sie dem FC Bayern München die Treue. Marion Völgers Leben. Nach einer Rücken Rechtsdienstes mit «unzähligen juristi operation kam sie vor 15 Jahren mit Yoga in schen Detailfragen» befassen musste, hat Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn Berührung. «Yoga macht etwas mit mir», sie als Amtschefin stets das «big picture» Der Hang zu offenen Türen führte sie erklärt sie. Es tue ihr nicht nur nachhaltig im Blick – die grossen Projekte, aber auch auch zum Jusstudium. «Wobei ich bereits gut, sondern ermögliche auch, dass sie in die Entwicklung der Schule als Ganzes. eine Affinität zum Fach hatte, denn ich Phasen hoher Arbeitsbelastung innerlich «Das sind unheimlich spannende Fragen. besass einen ausgeprägten Gerechtigkeits zur Ruhe komme. Vor einigen Jahren ab Dass ich nun die Zukunft der Schule mit sinn.» Etwas ernüchtert habe sie später solvierte Marion Völger gar eine Ausbil gestalten darf, empfinde ich als riesiges feststellen müssen, dass Recht nicht unbe dung zur Yogalehrerin. Privileg.» Mit den «grossen Fussstapfen» dingt etwas mit Gerechtigkeit zu tun habe. Yoga findet übrigens auch in ihrem ihres langjährigen Vorgängers Martin Wen «Letztlich geht es beim Recht um Friedens Büro statt. Die Matte liegt stets bereit. «Ich delspiess gehe sie mittlerweile gelassen sicherung, um so das Zusammenleben mit rolle sie immer dann aus, wenn ich das um, sagt Marion Völger. «Wir beide sind anderen zu ermöglichen.» Dass der Griff Gefühl habe, jetzt verzettele ich mich.» 6
Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Magazin Wollte ursprünglich Grafikerin werden und steht heute an der Spitze des Volksschulamts: Marion Völger. 7
Mit dem öV den Kanton Zürich entdecken Die ZVV-Schulinfo bietet fixfertiges Unterrichtsmaterial und spannende Projekte rund um den öffentlichen Verkehr im Kanton Zürich. Die ZVV-Entdeckungsreise – SBB Schul- und Erlebniszug und Lehrmittel für die 4. bis 6. Klasse ZVV-Schulbus – für die 5. bis 9. Klasse Entdecken Sie mit Ihren Schülerinnen Besuchen Sie mit Ihrer Klasse den SBB Schul- und Schülern den Kanton Zürich! «Die und Erlebniszug und den ZVV-Schulbus. Unter ZVV-Entdeckungsreise» bringt Kindern bei, dem Motto «Verantwortung» werden mit den sich selbständig mit Bahn, Bus, Tram Schülern Inhalte rund um die Themen Sicherheit, und Schiff zu bewegen. Mit einem originell Mobilität, Energie und Berufswahl erarbeitet. illustrierten Schülerheft erarbeiten sie Die Sensibilisierung der Kinder und Jugendlichen einen Reiseplan. Danach geht es in Gruppen zu diesen Themen ist ein wichtiges Anliegen der oder als ganze Klasse auf Entdeckungsreise SBB und des ZVV. Das Ziel des Angebots ist es mit interessanten Aufträgen rund ums zudem, die jungen Besucherinnen und Besucher Thema öffentlicher Verkehr. mit Beispielen aus der Praxis für ein faires und verantwortungsvolles Verhalten im öffentlichen Die Tickets für die Reise stellt der ZVV Verkehr zu motivieren. kostenlos zur Verfügung. 17. Mai bis 2. Juni 2016: Zürich Altstetten Bestellungen: 7. bis 17. Juni 2016: Winterthur. www.shop.zkm.ch verlag@zkm.ch Tel. 043 818 63 52 Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Preis: CHF 49.— Mehr Infos: www.zvv.ch/schulinfo 8
Bildungsdirektorin «Wir müssen die Klassen- lehrpersonen stärken» Silvia Steiner kann sich noch genau an ihren ersten Schultag erinnern – und daran, dass damals manches anders war. Heute gehe es in den Schulzimmern lebhafter zu. Umso wichtiger findet sie den Schulversuch Fokus Starke Lernbeziehungen. Interview: Reto Heinzel In diesen Tagen werden im Kanton die zentralen Bezugspersonen für die Zürich Hunderte Mädchen und Buben Schülerinnen und Schüler und hauptver eingeschult. Was geht Ihnen dabei antwortlich, dass das Unterrichten an den durch den Kopf? Schulen gelingt. Unser Ziel muss es sein, Für mich ist der erste Schultag einer der dass sich die Klassenlehrpersonen wieder schönsten Tage im ganzen Schuljahr. Es vermehrt auf den Unterricht konzentrie ist eindrücklich, mit welcher Freude und ren können und nicht übermässig mit dem Neugierde die Erstklässlerinnen und Erst Managen von Terminen und Absprachen klässler in den Schulzimmern sitzen. Diese beschäftigt sein sollen. Deshalb bin ich auch Kinder sind offen, unvoreingenommen ein grosser Fan von unserem Schulversuch und wissensdurstig – das ist ein riesiges Fokus Starke Lernbeziehungen (FSL). Kapital für die Schule. Gleichzeitig bedeu Wie verändert sich der Schulalltag tet es aber auch eine grosse Verantwor im Schulversuch Fokus Starke Lern tung. Gelingt es der Schule, diese Offen beziehungen? heit und diese Neugierde zu erhalten? Der Kerngedanke des FSL ist, dass man Haben die Kinder auch in der Oberstufe die Klassenlehrperson stärkt, indem man noch Spass am Lernen? Gelingt es der Was fällt Ihnen dort besonders auf? die Ressourcen anders verteilt und mehr Schule, alle Kinder bei der Stange zu hal Dass in den Schulzimmern heute sehr viel Ressourcen in den Regelunterricht steckt. ten, auch diejenigen, die nicht so leicht lebhafter zu- und hergeht. Und das liegt Die Lehrerinnen und Lehrer übernehmen lernen? Das ist die grosse tägliche Her nicht nur an den Kindern. So gibt es gene teilweise neue Aufgaben, die bisher von ausforderung für die Lehrerinnen und rell viel mehr Lehr- und Betreuungsper Spezialistinnen und Spezialisten geleistet Lehrer in unseren Schulen. sonen, die den Schulalltag prägen. Und wurden, im Gegenzug unterrichten grund viele Lehrpersonen haben eine Teilzeit sätzlich zwei Lehrpersonen pro Klasse. stelle, was zusätzliche Unruhe in den Schul Die Spezialistinnen und Spezialisten wie «Für mich war alltag bringt. Diese Situation ist für die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch für zum Beispiel die Heilpädagogen unter stützen die Klassenlehrpersonen, falls meine Lehrerin die Schulleitungen sehr anspruchsvoll. Heute sind meistens mehrere diese eine Beratung brauchen. Wenn an einer Klasse fünf bis sieben eine wichtige Lehrpersonen für die Schulkinder Lehr- und Fachpersonen arbeiten, bedingt Bezugsperson.» zuständig. Ist der Lehrberuf dadurch herausfordernder als früher? dies einen grossen Aufwand für die Koor dination und die Planung. Durch die Reduk Die Anforderungen an die Lehrpersonen tion der Anzahl Lehrpersonen steht dem sind heute eindeutig höher, als sie früher Klassenteam im Schulversuch mehr Zeit Erinnern Sie sich noch an Ihren waren. Dies zeigt sich auf verschiedenen für die Vorbereitung, die Durchführung Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Magazin ersten Schultag? Ebenen, wie zum Beispiel bei der Zusam und die Reflexion des Unterrichts zu Ver Aber sicher! Mir ging es damals wie den menarbeit mit den Eltern. Heute braucht fügung. Wenn sie zusätzlich eine Beratung meisten Kindern heute: Ich war ungeheuer es mehr Absprachen und die organisatori brauchen, stehen ihnen die Spezialistinnen aufgeregt und kriegte in der Nacht davor schen Aufgaben sind komplexer als frü und Spezialisten zur Verfügung. kein Auge zu. Für mich war meine Lehrerin her. Diese Aufgaben erfordern viel Ge Was ändert sich für die Schülerinnen eine wichtige Bezugsperson und ein Vor schick und Aufmerksamkeit, lenken die und Schüler? bild. Auf der Unterstufe hatte ich eine ein Lehrpersonen aber auch von ihrem Kern Die Kinder können dadurch die Beziehung zige Lehrerin. Das kann man sich heute geschäft, dem Klassenunterricht, ab. zur Klassenlehrperson stärken. In den fast nicht mehr vorstellen. Und als auf der Welche Verantwortung kommt meisten Schulen, die am Versuch teilneh Mittelstufe unsere Lehrerin nach nur dabei der Klassenlehrperson zu? men, zeigt sich, dass so mehr Konstanz einem Jahr die Stelle wechselte, war die Die Fäden laufen auch heute noch bei und mehr Ruhe in den Schulalltag kommt. Aufregung gross. Das sagt auch etwas über der Klassenlehrperson zusammen. Sie ist Wir wollen in jenen Schulen, die am Ver die grosse Konstanz aus, die damals in den letztlich die Person, die den Überblick such teilnehmen, noch mehr Erfahrungen Schulen herrschte. Seither hat sich enorm über die Klasse behalten muss. Deshalb sammeln. viel verändert. Das merke ich vor allem bin ich der Meinung, dass wir die Klassen Mehr Infos zum Schulversuch FSL unter: www.vsa.ch > Schulbetrieb & Unterricht > dann, wenn ich auf Schulbesuch bin. lehrpersonen stärken müssen. Sie sind Projekte 9
Fokus Schüler reden mit Klassenrat und Schülerparlament sind heute die beliebtesten Formen der Schülermit wirkung. Allerdings sei der Partizipation damit allein nicht Genüge getan, sagt Enikö Zala von der Pädagogischen Hochschule Zürich. Wie Mitwirkung funktionieren kann, zeigt das Beispiel der Tagesschule Mattenbach. Und während an den Mittelschulen die Schülerorga nisationen eine lange Tradition haben, die allerdings unterschiedlich gelebt wird, ist Parti zipation an den Berufsfachschulen teilweise noch im Aufbau. Fotos: Reto Schlatter anlässlich eines Besuchs an der Tagesschule Mattenbach Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Fokus 11
Im Gespräch tiert, das gab es auch schon früher. Diese «Partizipation institutionellen Gefässe können gut und unterstützend sein, die Wirkung kann aber auch kontraproduktiv sein. hat viel mit Wie meinen Sie das? Oft geht vergessen, dass Partizipation Haltung zu tun» nach der Klassenratsstunde nicht aufhö ren darf. Partizipation bedeutet nicht pri mär, dass die Lehrperson etwas von ihrer Entscheidungshoheit abgibt, sondern dass die Schülerinnen und Schüler an einem Partizipation höre nicht nach der Klassen Entscheid beteiligt werden. Darin liegt ein ratsstunde auf, sagt Enikö Zala. Sie und wesentlicher Unterschied. Die Kinder soll ten ihre Wünsche und Bedürfnisse frei ihr Team erforschen, wie Zürcher Schulen äussern können und die Erwachsenen sollten diese bei den Entscheidungen be mit dem Thema umgehen. rücksichtigen. Entsprechend begreife ich Partizipation als Aushandlungsprozess. Interview: Reto Heinzel Fotos: Dieter Seeger Partizipation hat also viel mit der inneren Haltung der Lehrperson zu tun und ob diese bereit ist, gewohnte Sichtweisen aufzugeben. In Ihrem Forschungsprojekt unter Jede Lehrperson wünscht sich Schüle rechtskonvention. Diese wurde 1997 von suchen Sie die Partizipation an fünf rinnen und Schüler, die sich aktiv am der Schweiz ratifiziert. In der Folge ver Schulen im Kanton Zürich. Welche Unterricht beteiligen. Wenn wir von suchte man, die Kinderrechte in die kanto Situation haben Sie dort angetroffen? Schülerpartizipation sprechen, geht es nalen Volksschulgesetze einzubetten. Dabei Die Partizipationsgefässe wie Klassen- also vor allem ums Mitmachen im gingen die Kantone naturgemäss äusserst und Schülerrat sind an diesen Schulen Klassenzimmer? unterschiedlich vor. allesamt ähnlich. Die Bereitschaft, Partizi Natürlich geht es auch ums Mitmachen. Die Formulierung im Volksschul pation ausserhalb von diesen Gefässen Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Fokus Oftmals wird Schülerpartizipation aber gesetz tönt eher allgemein … zuzulassen, ist dagegen sehr unterschied vor allem mit formalen Gefässen wie dem … und lässt auch grossen Interpretations lich ausgeprägt. An einigen Schulen wird Klassenrat oder dem Schülerparlament in spielraum offen, ja. die Mitbestimmung der Kinder als eine Verbindung gebracht. Die Schulen sind also weitgehend Art Wunschkonzert verstanden. Das kann Müssen solche Gefässe von den frei darin, wie sie diese Bestimmung für Lehrpersonen schwierig sein, weil sie Schulen angeboten werden? umsetzen wollen? ja nicht einfach alle Wünsche erfüllen Das ist von Kanton zu Kanton verschie Grundsätzlich lässt der Gesetzgeber offen, können. Es gibt aber auch ganz andere den. Im Kanton Zürich zum Beispiel ist in welcher Form die Schüler zu beteiligen Möglichkeiten: Nehmen wir als fiktives die Partizipation im Volksschulgesetz ver sind, ja. Mittlerweile haben sich jedoch Beispiel einen Hort, der eine neue Betreu ankert. Dort heisst es: «Die Schülerinnen Klassenrat und Schülerparlament als ins ungsperson anstellen will. Die Kinder und Schüler werden an den sie betreffen titutionelle Gefässe klar durchgesetzt, werden von der Hortleitung gefragt, wel den Entscheiden beteiligt, soweit nicht ihr wobei die Idee des Klassenrats ja eine che Eigenschaften des neuen Team Alter oder andere wichtige Gründe dagegen längere Tradition hat – eine Stunde, in der mitglieds wichtig wären. Dabei kommt sprechen.» Dieser Passus entspricht in die Klassenlehrperson mit den Schülern heraus, dass sie am liebsten jemanden 12 etwa der Formulierung in der UN-Kinder auch einmal über andere Themen disku hätten, der mit ihnen Fussball spielen
Enikö Zala-Mezö (51) leitet das Zentrum für Schulentwicklung würde. Es geht also gar nicht darum, den an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Ein aktuelles Kindern die Personalentscheidung zu über Forschungsprojekt des Zentrums («Partizipation stärken – Schule entwickeln») ist der Frage gewidmet, wie Schulen die gesetzlich lassen, sondern darum, etwas über ihre vorgeschriebene Partizipation umsetzen. Es wird durch die Wünsche und Bedürfnisse in Erfahrung Stiftung Mercator Schweiz gefördert. zu bringen. Und möglicherweise fliesst dieses Wissen ja dann sogar in die Auswahl der Bewerberin oder des Bewerbers mit ein. Wie lässt sich eine derartige Ent wicklung unterstützen? Wichtig ist, dass man Partizipation als Lernprozess aller Beteiligten begreift. Es Wie wirkt sich das auf die Schulkultur fahren. Obwohl sie selbst nur wenig davon dauert meist eine gewisse Zeit, bis Lehr aus? verstand, liess sich die Lehrperson darauf personen und Schüler die nötige Routine Dies kann die Schulkultur sehr stark ver ein, sie nahm den Wunsch der Kinder entwickelt haben und wissen, in welchem ändern. Je länger ich mich mit dem Thema ernst. Darauf strukturierte sie das Vorge Rahmen sie sich bewegen können und befasse, desto mehr neige ich übrigens zur hen, indem sie Leitfragen formulierte wie: welche Entscheidungen möglich sind. Wenn Ansicht, dass es nicht möglichst viele oder Was wollen wir wissen, welche Quellen es dann beispielsweise gelingt, die Schul grosse Partizipationsmöglichkeiten braucht. haben wir, um Antworten zu finden, wie kinder bei der Erstellung eines Regel Auch die Form ist nicht entscheidend, gehen wir als Klasse vor? In diesem Pro werks sinnvoll einzubinden, wirkt dies für sondern die Haltung dahinter. Wenn die zess sei sie den Schülern keinen einzigen die Lehrpersonen entlastend. Haltung stimmt, ist es völlig egal, ob Parti Schritt voraus gewesen, erzählte die Lehr Können Sie ein konkretes Beispiel zipation am Mittagstisch, im Matheunter person, sie habe nicht gewusst, wie das nennen? richt oder im Klassenrat geschieht. Viel «Produkt» am Schluss aussehen werde. In In vielen Fällen geht es um den Fussball wichtiger ist, dass die Angebote ernst ge diesem Moment gab sie die traditionelle platz und um die Frage, wie dieser sinn meint sind, dass die Lehrperson den Kin Rolle auf, als Wissende ihr Wissen weiter voll aufgeteilt werden kann, damit am dern zuhört und auch transparent macht, zugeben sowie den Prozess zu bestimmen und zu planen. Ein solches Experiment ist mit viel Unsicherheit verbunden, kann aber auch richtig Spass machen. «Wichtig ist, dass man Durch Partizipation werden auch Hierarchien abgebaut. Wie weit darf Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Fokus Partizipation als Lernprozess eine Lehrperson dabei gehen? Auch wenn die Lehrperson nicht weiss, aller Beteiligten begreift.» wohin eine solche Reise geht, ist es doch wichtig, dass sie einen möglichen Weg aufzeigt und die Führung dabei nicht aus der Hand gibt. Die Hierarchie kann man Ende sowohl die älteren als auch die auf welche Weise deren Meinung berück nicht aufgeben, in der Schulen treffen die jüngeren Kinder zufrieden sind. Denn die sichtigt wird oder warum sie nicht berück Lehrpersonen die Entscheidungen. Wenn Kleinen können halt schlecht mit den sichtigt werden kann. die Erwachsenen aber bereit sind, zu Grossen spielen, weil diese viel grösser und Wie könnte ein solches Angebot überzeugen und sich gleichzeitig von schwerer sind. Damit auf dem Platz Frieden aussehen? guten Argumenten überzeugen zu lassen, herrscht, sind Regeln unabdingbar. Eine Lehrperson berichtete beispielswei dann sind sie auch bereit, ein kleines Sie haben gesagt, Partizipation be se, dass ihre Schülerinnen und Schüler Stück an Macht abzugeben. Das macht sie deute nicht, Macht abzugeben, sondern den Wunsch geäussert hätten, mehr über aber nicht schwächer, sondern stärkt ihre 13 die Kinder an Entscheiden zu beteiligen. die aktuellen politischen Ereignisse zu er Position.
mulieren, welche Bedürfnisse sie ha ben. Wie verändert sich die Partizipation im Laufe der Jahre? Als Argument gegen die Partizipation «Ein solches Experiment ist mit wird oft ins Feld geführt, Kinder seien noch nicht in der Lage, rationale Ent viel Unsicherheit verbunden, kann scheidungen zu treffen. Diese Sichtweise ist gefährlich, weil damit verhindert wird, aber auch richtig Spass machen.» dass Kinder Partizipation erlernen. Wir gehen davon aus, dass die Fähigkeit zu partizipieren eine lernbare Kompetenz ist und man den Kindern diese Chance bieten muss. Wann ist ein partizipatives Angebot Das ist sicher ein Ziel. Demokratiebildung Apropos Kompetenz: Welchen erfolgreich? und Partizipation hängen zusammen, Stellenwert hat Partizipation eigentlich Das Ziel kann durchaus im Prozess selbst auch wenn sich direkte Zusammenhänge im Lehrplan 21? liegen. Man braucht nicht zwingend auf nicht empirisch nachweisen lassen. Wenn Es gibt eine enge Verbindung mit dem das Lernergebnis fixiert zu sein. Wenn Sie Kinder aber durch Partizipation lernen, kompetenzorientierten Unterricht. Dort an das zuvor geschilderte Beispiel den andere Meinungen zu akzeptieren und in geht es, kurz gesagt, um Wissen, Können ken: Das Ziel aus pädagogischer Sicht einer Diskussion damit umgehen zu kön und Wollen. Wir erwarten, dass die Kinder kann ja nicht nur darin liegen, den Schü nen, dann sind das wichtige Erfahrungen. selber wollen, und wir wissen, dass es echte lern Details über aktuelle politische Ereig Zudem wird das Selbstbewusstsein der Partizipation braucht, um ebendiese Moti nisse zu vermitteln. Vielmehr sollen die Kinder gestärkt, weil sie erleben, dass ihre vation aufzubauen. Es ist also ein sehr Kinder lernen, wie und wo sie zu zuver Meinung zählt. Sie sind den Dingen nicht aktuelles Thema. lässigen Informationen kommen. Es geht einfach ausgeliefert, sondern können Ein Die Schulen sind mit vielen Erwar hier um Lernstrategien und damit um fluss nehmen. tungen konfrontiert. Lohnt es sich Dinge, die für das lebenslange Lernen Wovon hängt die Motivation der überhaupt, viel Zeit und Energie für benötigt werden. Schülerinnen und Schüler zur Partizi Partizipation aufzuwenden? Wann wird es schwierig? pation ab? Auf jeden Fall. Praktisch alle Lehrpersonen, Oft sehe ich, dass Erwartungen nicht erfüllt Sie hängt stark von den Lehrpersonen ab, die Partizipation in ihren Alltag integriert Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Fokus werden. Die Schüler entwickeln eine Idee, Mitwirkung braucht Ermutigung und haben, berichten über positive Erfahrun doch diese versandet, weil die Entschei echte Möglichkeiten. Wir haben festge gen. Wenn ihnen im Unterricht einmal die dungswege zu lang sind. Weil sie vielleicht stellt, dass in Kontexten, in denen Parti zündende Idee fehlt, fragen sie einfach zunächst im Klassenrat und dann im Schü zipation gut funktioniert, eine positive, ihre Schülerinnen und Schüler. Und diese lerparlament diskutiert wird, ehe sie zu den von gegenseitiger Wertschätzung getra warten in ihrer Frische und Unbeküm Lehrpersonen gelangt, die dann eine Ant gene Atmosphäre herrscht. Die Kinder mertheit manchmal mit überraschenden wort formulieren. Dieser Weg sollte deshalb werden von den Lehrpersonen als Part Vorschlägen auf. Wie jener unscheinbar kürzer sein, sonst verlieren nämlich nicht ner wahrgenommen. Wenn die Vorschläge wirkende basketballbegeisterte Knabe, der nur die K inder den Faden, sondern auch von Kindern und Jugendlichen dagegen im Turnen für die stellvertretende Lehr die Schule. Das ist kontraproduktiv. unberücksichtigt bleiben, ist es viel person einspringt und eine wunderbare Welche Überlegungen stehen schwieriger, diese zum Mitmachen zu Basketballstunde gibt. Die Kinder waren eigentlich hinter der Partizipationsidee? bewegen. derart begeistert, dass am Ende alle Geht es darum, die Kinder zu guten Kleinere Kinder können sich noch klatschten. Partizipation steht also auch Demokratinnen und Demokraten zu nicht so präzis ausdrücken und mögli für ein Miteinander, bei dem viel positive 14 erziehen? cherweise auch nicht immer klar for Energie freigesetzt wird.
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Just Community ideal», findet Elisabeth Steiger. «Im Klas Wo jedes Kind senrat werden auch Themen der Vollver sammlungen vor- und nachbereitet, und die Kinder können im kleinen Rahmen eine Stimme hat üben, mitzureden, Meinungen auszutau schen und abzustimmen.» Manche Themen von Vollversammlun gen sind aus dem JC-Briefkasten hervor Die Tagesschule Mattenbach in Winterthur gegangen – einem weiteren Baustein der «Just Community». Jedes Kind kann dort lebt seit fünf Jahren das Konzept «Just Anliegen platzieren, und jeder Brief wird Community». Ein zentrales Element dieser vom Lehrerteam gelesen und zusammen mit der Antwort im Schulhaus aufgehängt. Form der Schülerpartizipation stellt die Je nach eingebrachtem Thema ist das An liegen mit der Antwort des Lehrerteams Vollversammlung dar. erledigt, kommt in die Klassenräte oder wird gar an einer Vollversammlung disku Text: Iwona Eberle tiert. Meist handle es sich um Ideen für Veranstaltungen für die ganze Schule. «Das Team nahm an, dass auch Probleme kommen, aber das ist selten, weil sie meist schon auf Klassenratsebene gelöst wer den», sagt Elisabeth Steiger. Mindestens vierteljährlich versammeln Singen, einem Kurztheater als Einstieg, sich in der Tagesschule Mattenbach alle Kleingruppenarbeit, Sammeln und Prä Weniger Konflikte im Schulhaus 200 Primarschülerinnen und -schüler – sentieren der Ergebnisse, Singen, dann Schulleiter Thomas Peter stellt fest, dass vom Kindergarten bis zur 6. Klasse –, um Abschluss und Aufräumen. Das habe sich Konflikte unter den Schülerinnen und während gut einer Stunde über Anliegen, bewährt. «Es läuft super», sagt der Schul Schülern seltener geworden sind. «Die Kin die die ganze Schule betreffen und die leiter. «Gerade neue Lehrpersonen sind der kennen einander dank ‹Just Commu hauptsächlich von den Kindern einge beeindruckt, wie engagiert und dis nity› klassenübergreifend besser. Die bracht wurden, zu diskutieren und abzu zipliniert die Schülerinnen und Schüler Atmosphäre auf dem Pausenplatz ist stimmen. Beispiele sind die Gestaltung sind. Ich bin auch sehr stolz, wie die friedlicher geworden.» Im Unterschied zu des Pausenplatzes, von Schulanlässen oder Kinder sich einbringen.» herkömmlichen Schulveranstaltungen gehe der Projektwochen. «Wenn die Vorschläge es eben nicht nur darum, zusammen finanzierbar und sicher sind, setzen wir sie Entscheidungen respektieren zukommen, sondern miteinander über um», sagt Schulleiter Thomas Peter. Neben den Vollversammlungen sind Klas inhaltliche Fragen zu diskutieren. Das Ein sichtbares Resultat der mittler senräte ein weiterer wichtiger Baustein verbinde und wirke sich auch auf die weile 30 durchgeführten Vollversamm des Konzepts «Just Community». Sie fin Identifikation mit der Schule aus. «Die lungen ist das Baumhaus hinter dem den wöchentlich statt und werden von den Kinder sind stolz auf ihre Schule: ‹Hier Schulhaus. Kinder tollen darin herum und Kindern selbst geleitet. Ein Thema, das in kann ich mitbestimmen.›» sitzen auf der Bank davor. «Die Schüler der fünften Klasse von Elisabeth Steiger «Just Community» funktioniert. Laut wünschten sich ein interessanteres Schul vor den Sommerferien besprochen wird, Thomas Peter hat das auch mit der hohen gelände», erzählt Thomas Peter, «also sam sind die Benutzungsregeln des Fussball Akzeptanz des Projekts im Team zu tun. melten wir Ideen und reduzierten sie am platzes. An einer aussergewöhnlichen «Das Schulhaus-Team war sowieso schon Schluss auf eine Handvoll.» Ein Jahr Versammlung einige Monate zuvor hatten offen dafür. Und die Projektgruppe war später stand das Baumhaus; berappt wur die fussballinteressierten Kinder der sehr initiativ und hatte grosse Über den die Baukosten aus dem Schulbudget. Schule entschieden, dass die Mittelstufen zeugungskraft.» Ausserdem habe sie den Der Pausenplatz erhielt eine Ruhezone, kinder den Platz am Morgen benützen anderen Lehrpersonen gerade in der eine Partyzone und einen Trotti-/Velopar dürfen, die Unterstufenkinder am Nach Anfangsphase viele Zusatzbelastungen cours. Und im Sommer findet jährlich ein mittag. Es funktioniere gut, lautet der erspart. Bedenken und Einwände ein Schulkino-Anlass statt, der mit einem Pop Tenor der Klasse. Elisabeth Steiger hakt zelner Mitarbeitender seien anerkannt corn-Verkauf finanziert wird. nach: «Und ist die Regelung fair?» «Nein, und ernst genommen worden. ist sie nicht», räumt ein Junge ein, «weil Engagiert und diszipliniert die Pause am Nachmittag kürzer ist als Was ist möglich, was nicht? Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Fokus In Sachen Schülerpartizipation ragt die diejenige am Morgen.» Ein anderer Schü Wie der Schulleiter weiter ausführt, seien Tagesschule Mattenbach heraus: als eine ler hält dagegen: «Solange die Unterstu Meinungsverschiedenheiten im Team al von wenigen Schulen im Kanton Zürich, fenkinder nicht motzen, ist es okay.» Die lerdings immer wieder eine Herausforde die sich für das Konzept der «Just Commu Regeln seien nicht so herausgekommen, rung: Was ist die Rolle von Lehrpersonen nity» mit Vollversammlungen entschieden wie die Lehrpersonen das gewollt hätten, und der Schulleitung bei Vorschlägen der hat (siehe Kasten). Die Fachstelle für sagt Elisabeth Steiger, aber ihnen sei ein Schüler? Wo können und müssen wir Schulbeurteilung (FSB) hält die Schule demokratischer Entscheid vorangegangen. steuernd eingreifen, zum Beispiel aus deshalb für vorbildlich. «Wir respektieren ihn.» Das Lehrerteam Sicherheitsgründen? Sagen wir den Kin «Am Anfang gab es zur Organisation habe sich allerdings eine Probezeit für die dern schon im Voraus, dass etwas nicht der Vollversammlung noch gewisse Be Regelung ausbedungen. funktionieren wird, oder lassen wir sie denken im Kollegium», erzählt Thomas Weiter geht es mit einer Witzrunde einfach mal machen? «Es ist eine generelle Peter. «Zum Beispiel: Wie geht das, 200 und dem Besprechen von Ämtli-Diensten Frage, wo man die Grenzen zieht, wenn Kinder in der Turnhalle?» Den Ablauf in der Klasse. Alles Besprochene wird von man die Kinder mitreden lässt, und welche habe das Projektteam deshalb stark struk einer Schülerin protokolliert. «Klassenrä Erfahrungen man ihnen ermöglicht oder 16 turiert mit Begrüssung, gemeinsamem te und Vollversammlungen ergänzen sich zumutet», sagt Thomas Peter. «Partizipation
Im JC-Briefkasten können die Kinder ihre Anliegen platzieren. Die Briefe und die Antworten des Lehrer- teams werden im Schul- haus aufgehängt. heisst halt für jeden etwas anderes. Dage gen sind die organisatorischen Fragen Konzept «Just Community» Peanuts.» Das Konzept der «Just Community» (deutsch: Gerechte Schulgemeinschaft) Thomas Peter und sein Team haben wurde vom amerikanischen Psychologen und Pädagogen Lawrence Kohlberg viele Ideen, wie die «Gerechte Schul (1927–1987) entwickelt. Die Schule soll ein intensives Übungsfeld für das gemeinschaft» weiterentwickelt werden demokratische Zusammenleben sein. könnte: zum Beispiel mit spontaneren Vollversammlungen bei aktuellen Themen Zentrale Werte: aus dem JC-Briefkasten oder einem ge • Demokratie erleben: Starke Partizipation (Mitbestimmung/Beteiligung) aller meinsamen Tagesanfang. Die Kindergar Schülerinnen und Schüler und des Mitarbeitendenteams wird angestrebt. tenkinder sollen noch mehr einbezogen • Gegenseitiges kennen: Es werden Anlässe und Gelegenheiten veranstaltet, werden. Bisher sind die Kinder des zwei um dies zu pflegen. ten Kindergartenjahres an einer Kennen • Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen: Die Regeln des Zusammen lern-Vollversammlung im Frühling mit lebens werden besprochen und sollen eingehalten werden. Mithilfe demo dabei oder wenn es um die Vorbereitung kratischer Verfahren werden gemeinsame, gerechte Problemlösungen gesucht. Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Fokus der Projektwoche geht. «Die Kinder sollen je länger, je mehr Wichtige Instrumente: mitreden können, auch wenn es um Un • Vollversammlungen (Versammlungen der ganzen Schulgemeinschaft): In terrichtsinhalte und -methoden geht. Die diesem Rahmen werden Probleme und Anliegen, welche alle Beteiligten der Partizipation darf nicht bei den Klassen Schule betreffen, besprochen, und es wird nach konstruktiven Lösungen räten und Vollversammlungen aufhören», gesucht. Die Vollversammlungen werden durch eine Vorbereitungsgruppe hält Thomas Peter fest. Sein Team sei geplant und moderiert. überzeugt, «dass Kinder dann gerne zur • Klassenräte: Hier erhalten Probleme und Anliegen, welche die einzelne Klasse Schule gehen und gerne lernen, wenn sie betreffen, Raum. (ebi) sich mit ihrer Schule identifizieren können und sie alle Schulbeteiligten gut kennen. Literatur: Und wenn sie wissen, dass sie mit ihren Lawrence Kohlberg (1984): Der «Just Community»-Ansatz der Moralerziehung in Anliegen ernst genommen werden und Theorie und Praxis. In Transformation und Entwicklung: Grundlagen der Moral sich einbringen können.» erziehung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 21–55. 17
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Schülerorganisationen Zwischen Spass Mit dem DFA-Projekt bewarb sich die KZO als Mitglied der UNESCO-assoziier ten Schulen, 2013 wurde sie aufgenom und Ernst men. Dem 1953 gegründeten Netzwerk gehören weltweit rund 10 000 Bildungs einrichtungen an, in der Schweiz sind es derzeit 60 assoziierte Schulen aller Stufen. Schülerpartizipation an der Mittelschule Von einer UNESCO-Schule wird erwartet, dass sie sich für eine Kultur des Friedens hat verschiedene Facetten. Vorgaben gibt und der Verständigung der Völker und der es nur wenige, trotzdem ist sie an vielen Kulturen einsetzt. Der Beitritt der KZO in spirierte zwei Lehrpersonen, das Freifach Kantonsschulen selbstverständlich. Ein «Nicht nur reden, sondern handeln» ins Leben zu rufen. «Das Interesse war von kurzer Streifzug. Anfang riesig», sagt Deboni. Im Rahmen des Fachs entstehen laufend neue Projekte: Text: Reto Heinzel Foto: Nadine Lützelschwab Schülerinnen und Schüler organisierten unter anderem Solidaritätsaktionen für syrische Flüchtlinge und einen vegeta risch-veganen Tag, um das Bewusstsein für nachhaltige Ernährung zu wecken. Zudem initiierten sie die Reihe «Politik Wenn Sascha Deboni von den Partizipati Wer sich einbringen oder die schulische über Mittag» und luden in diesem Rah onsmöglichkeiten an «seiner» Kanti, der Entwicklung mitgestalten will, muss je men wiederholt Politikerinnen und Politi Kantonsschule Zürcher Oberland (KZO), doch nicht zwingend SO-Mitglied sein, ker für Podiumsgespräche nach Wetzikon. spricht, kommt Begeisterung auf. «Bei uns wie das im März 2012 an der KZO gestar gibt es eine überragende Vielfalt an Mit tete Projekt DFA (Deutsch für Asylsu Schüler als Kursleiter wirkungsmöglichkeiten», sagt der 19-Jäh chende und AusländerInnen) zeigt. Einige Ein etwas anderes Gesicht hat Schüler rige. Zwar gehört der Maturand seit einem Monate zuvor hatten Schülerinnen und partizipation am Liceo Artistico. Eine Monat zu den Ehemaligen, die Identifika Schüler im Freifach Politik beschlossen, Schülerorganisation gibt es auch dort. tion mit seiner früheren Lern- und Wir einen aktiven Beitrag zur Migrationsthe Abgesehen von ihrer Tätigkeit als Verbin kungsstätte ist aber noch immer gross, wie matik zu leisten und Asylsuchenden kos dungsglied zwischen Lehrpersonen und im Gespräch deutlich wird. tenlos Deutschunterricht zu erteilen. Eine Schülern versteht sich die SO des schwei In der Schülerorganisation (SO) enga Lehrerin unterstützte die Jugendlichen zerisch-italienischen Kunstgymnasiums giert hatte sich Deboni schon als Kanti- bei der Umsetzung. Diese Kurse werden jedoch vor allem als Bereicherung für den Frischling, mehrere Jahre lang war er SO- bis heute angeboten. Sie finden regelmässig Schulalltag – «damit die Schülerinnen und Präsident. «Die SO ist ein Rahmen, in dem am Freitagabend im Ökumenischen Mit Schüler mehr Spass haben und mehr man sich nicht nur engagieren, sondern telschulfoyer statt. Im Anschluss an den interagieren», sagt SO-Mitglied Yasmin auch wirklich etwas bewegen kann», ist er Unterricht essen Schüler und Kursteil Malli. Tatsächlich weisen die meisten überzeugt. Ermöglicht werde dies durch nehmende jeweils zusammen. SO-Aktivitäten in diese Richtung. Als eine «wunderbare Kultur des Respekts», die an der KZO herrsche. Wer als SO-Ver treter an einem Konvent aufstehe und seine Mitsprache an den Berufsfachschulen Meinung äussere oder Vorschläge mache, De iure gelten für die Partizipation in der Berufsbildung ganz ähnliche Regeln dem werde nicht nur zugehört, er werde wie in den allgemeinbildenden Schulen. Das eidgenössische Berufsbildungs auch ernst genommen. «Und wenn das gesetz räumt den Lernenden «angemessene Mitspracherechte» ein, das Kantonal vor 170 Lehrerinnen und Lehrern passiert, zürcher Gesetz konkretisiert diesen Grundsatz: Die Berufsschülerinnen und gibt dir das einfach ein total gutes Ge -schüler haben das Recht, sich zu organisieren und mit einer Vertretung an den fühl», sagt Deboni. Sitzungen der Schulkommission und des Konvents teilzunehmen. De facto halte sich der Wille der Lernenden zur Mitsprache in Grenzen, sagt Sich einbringen – auch ohne SO Andreas Häni, Rektor des Bildungszentrums Zürichsee (BZZ). Das äussere sich Die Schülerorganisationen der Mittelschu darin, dass die Lernenden in den Sitzungen wenig präsent seien. Einen wichtigen len stehen für die «klassische» Form der Grund vermutet Häni im Stellenwert der Schule: «Sie hat nicht die gleiche Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Fokus Partizipation, die auch im Mittelschul Bedeutung wie für Gymnasiasten. Für viele Lernende ist der Betrieb der wich gesetz und in der dazugehörigen Verord tigste Lernort.» Dazu kämen ganz praktische Hindernisse. Weil die Lernenden nung verankert sind. Sie erfüllen eine nur ein bis zwei Mal pro Woche an der Schule sind, müssten viele extra anreisen, wichtige schulpolitische Funktion, denn in teilweise von weit her, und womöglich auch noch das Einverständnis des Lehr der R egel sind es SO-Vorstandsmitglieder, betriebs einholen. welche die Schülerschaft im Lehrerkon Um die praktischen Mitsprachehürden zu senken, trägt an der Berufsschule vent vertreten und dort das gesetzlich Mode und Gestaltung in Zürich eine von den Lernenden gewählte «Vertrauens vorgeschriebene Stimmrecht ausüben. lehrperson» deren Anliegen in die Entscheidungsgremien. Einmal pro Semester Zudem stehen Sie in engem Kontakt mit leitet Esther Flury, die diese Funktion aktuell innehat, während einer Woche der Schulleitung. Die SO haben aber auch täglich eine Sitzung der Organisation der Lernenden. Daran nehmen jeweils die eine andere Seite: Sie organisieren Dis Klassendelegierten teil, die an diesem Tag Schule haben. «Es ist ein aufwendiges kussionsveranstaltungen, Volleyballnächte, Prozedere, aber es schliesst alle ein», sagt Flury. Natürlich gebe es auch Lernen Skitage oder Partys und sorgen damit für de, die das Mitreden als Chance noch entdecken müssten. «Aber die Partizipati willkommene Abwechslung im leistungs onskultur entwickelt sich mehr und mehr.» [ami] 20 orientierten Schulalltag.
Mitwirkung bedeutet Engagement: Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Zürcher Oberland (KZO) haben im Freifach Politik das Projekt Deutsch für Asylsuchende und Ausländer/innen (DFA) gestartet, das inzwischen seit vier Jahren läuft. wichtigste Aktion während des Schuljahres zweifellos ein sehr spezieller Tag, der Ent innerhalb der Schülerschaft läuft deshalb bezeichnet die 18-Jährige das – freiwillige – spannung bringe und Freude mache – «und nicht immer gut», sagt der Rektor. «Oft «Wichteln» im Advent, bei dem die Teil mit Frontalunterricht nichts zu tun hat». bringen die SO-Vertreter einfach ihre nehmenden einander ein kleines Geschenk individuelle Meinung zum Ausdruck.» machen. «Der Ball liegt bei den Schulen» Ein System von Klassendelegierten Spass und Begegnungen verspricht Die Beispiele dieser beiden Kantonsschu soll nun Abhilfe schaffen. Ab dem neuen jeweils auch der jährlich stattfindende len zeigen, wie unterschiedlich Schüler Schuljahr werden die Konventsthemen Aktionstag «SOL mal anders». Initiiert partizipation an Mittelschulen aussehen vorgängig unter der Leitung von SO-Klas wurde der jeweils kurz vor den Sommer kann. Abgesehen vom Recht auf Teilnah sendelegierten in den Klassen diskutiert. ferien steigende Event von einer schulin me an Lehrerkonventen gibt es keine ver In der SO-Klassendelegiertenversammlung ternen Kommission. Seit mehreren Jahren bindlichen Vorgaben oder Empfehlungen. soll dann die Mehrheitsmeinung der Schü ermöglicht «SOL mal anders» den Gym «Der Ball liegt bei den Schulen», sagt Reto lerinnen und Schüler bestimmt werden. nasiastinnen und Gymnasiasten, einen Tag Givel, der im Mittelschul- und Berufs Vom neuen System erhofft sich Ehris lang das Zepter in die Hand zu nehmen bildungsamt (MBA) für die Mittelschulen mann, dass die Schülerinnen und Schüler und den Unterricht durch Kurse zu erset zuständig ist. die Schulpolitik stärker mitgestalten. Er zen, die dann von den Mitschülern ge Die Gymnasien selbst legen grossen ist zuversichtlich, dass sich das neue Sys bucht werden können. Selbstorganisiertes Wert auf die Mitwirkung der Schülerin tem bewähren wird, weiss aber, dass der Lernen in Reinkultur. nen und Schüler. Eine Kurzumfrage des Erfolg auch vom Engagement der einzel Die Vorbereitungen begännen jeweils Schulblatts hat ergeben, dass viele Gymi nen Schülerinnen und Schüler abhängt. im Mai, sagt Malli. Ein Organisationsko rektorinnen und -rektoren die Mitwir «Ausschlaggebend ist allerdings, dass die Schulblatt Kanton Zürich 5/2016 Fokus mitee, bestehend aus einem Lehrer und kung der Schüler als bedeutend einstufen Schule überhaupt eine kontinuierliche Vertretern aller Klassen, sammelt so lange und es eine Vielfalt an Gefässen gibt, die und echte Mitbeteiligung in allen Berei Kursvorschläge, bis 20 oder mehr Morgen- als Ausdruck einer lebendigen Schulkul chen der Schulentwicklung ermöglicht.» und Nachmittagskurse beisammen sind. tur verstanden werden können. Das sieht auch Maturand Sascha Ob Computer- oder Henna-Tattoo-Kurs, Es gibt aber auch Schulen, an denen Deboni so. «Damit Schülerpartizipation Uetlibergwanderung, Portugiesisch, Unter sich die Schulleitung mehr Engagement gelingt, braucht es sowohl Schüler als wasserfotografie, Kochen, Klettern oder wünscht. «Die Schülermitwirkung an un auch Lehrpersonen, die mit viel Herzblut das Nähen einer Ledertasche – der Fantasie serer Kanti empfinde ich derzeit als eher dabei sind», ist er überzeugt. Man müsse scheinen keine Grenzen gesetzt. Beson schwach», sagt der Rektor der Kantons jedoch auch akzeptieren, dass sich Enga ders gut besucht war dieses Jahr der schule Uster, Patrick Ehrismann. Zwar gement, das über den Fachunterricht hin «Galapagos-Kurs»: «Die Teilnehmenden nähmen die SO mit drei Mitgliedern an ausgehe, nicht verordnen lasse. «Es gibt lagen den ganzen Morgen lang wie Schild den Konventssitzungen teil. Die Organisa viele, die sich einsetzen und Ideen ver kröten herum. Dazu assen sie und schau tion entscheide jedoch selbst, ob und wie wirklichen, aber es gibt auch jene Schüler, ten sich Kinofilme an», erzählt Yasmin sie die Mitschüler über die Beschlüsse für die Schule einfach Schule ist. Und das 21 Malli schmunzelnd. «SOL mal anders» sei informieren wolle. «Die Kommunikation ist auch gut so.»
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