FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE - MÄRZ 2022 01 VERGLEICHENDE PERSPEKTIVE VON ELTERN UND KINDERN IN SCHWERIN UND BREMERHAVEN - Infas

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FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE - MÄRZ 2022 01 VERGLEICHENDE PERSPEKTIVE VON ELTERN UND KINDERN IN SCHWERIN UND BREMERHAVEN - Infas
PROJEKTREPORT
MÄRZ 2022

01
 FAMILIENALLTAG
 IN DER CORONA-
 PANDEMIE
 VERGLEICHENDE PERSPEKTIVE
 VON ELTERN UND KINDERN IN
 SCHWERIN UND BREMERHAVEN
FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE - MÄRZ 2022 01 VERGLEICHENDE PERSPEKTIVE VON ELTERN UND KINDERN IN SCHWERIN UND BREMERHAVEN - Infas
2    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
     PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

    Ergebnisse einer Befragung in Bremerhaven und Schwerin im Rahmen des Projekts „Nachhaltige Veränderungen und Un-
    gleichheiten im Familienalltag durch die Corona Pandemie“ der Universität Hamburg und dem infas Institut, Erhebungszeit-
    punkt: Sommer 2021

    Bereich Regionalforschung
                                                                   FB Sozialökonomie/FG Soziologie

    Projekt: 7353
    Bonn, März 2022
    Version 1.0

    Text und Analysen: Jana Hölscher, Lorenz Gaedke, Ammar Cuk,
    Robert Follmer, Katharina Manderscheid, Justin Treutlein
    Layout und Grafik: Mischa Frank

    Folgende Zitierweisen werden empfohlen:
    Kurzform:
    infas/Uni Hamburg 03/2022

    Langform:
    Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH (infas)/Universität Hamburg (März 2022):
    Familienalltag in der Corona-Pandemie – Vergleichende Perspektive von Eltern und Kindern. Bonn
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3    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
     PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

    ZU BEGINN                                           Dies kann laut einer Publikation des Bundes-
                                                        instituts für Bevölkerungsforschung über die
    Als im Februar 2021 das Projekt „Nachhaltige
                                                        Belastungen von Kindern, Jugendlichen und
    Veränderungen und Ungleichheiten im Fami-
                                                        Eltern in der Corona-Pandemie trotz bisher
    lienalltag durch die Corona-Pandemie“ von der
                                                        begrenzter Forschungslage bereits festgestellt
    Universität Hamburg, Fachbereich Sozialökono-
                                                        werden. Gerade die Kita- und Schulschließun-
    mie und dem infas Institut startete, ahnte wohl
                                                        gen hatten nach diesen Ergebnissen weitrei-
    keiner der Projektbeteiligten, dass das Leben ein
                                                        chende Folgen für die Bildung, Gesundheit,
    Jahr später immer noch so stark vom akuten
                                                        Lebensqualität und Zukunftsperspektiven von
    Infektionsgeschehen bestimmt sein würde. Im
                                                        Familien. Es seien jedoch auch große Unter-
    Winter 2021/22 stehen durch die Omikron-Wel-
                                                        schiede feststellbar. Während einige Familien
    le Kinder und Jugendliche, und damit Familien,
                                                        relativ gut durch die bisherige Pandemiezeit
    mehr denn je im Mittelpunkt des Infektions-
                                                        gekommen seien, hätten andere „vielfältige
    geschehens. Und doch hat sich seit Pandemie-
                                                        Beeinträchtigungen erfahren und befinden
    beginn vieles verändert: Mittlerweile können
                                                        sich hinsichtlich Gesundheit, Bildung oder
    sich Eltern sowie ältere Kinder impfen lassen
                                                        auch finanziell in schwierigen Lebenslagen.“
    und somit vor schweren Krankheitsverläufen
                                                        (BIB.BEVÖLKERUNGS.STUDIEN 2 2021: 71)
    schützen. Auch dadurch bleiben Schulen und
    Kitas trotz sehr hoher Inzidenzen bisher grund-     Die Folgen der Pandemie für Familien in den

    sätzlich offen. Ungeachtet der Ungewissheit         Blick zu nehmen, insbesondere vor dem Hin-

    über Verlauf und Ende der Pandemie, waren           tergrund sozialer Ungleichheit, war ein Ziel

    die beiden Phasen der „harten Lockdowns“, in        des Gemeinschaftsprojekts der Universität

    denen sowohl Geschäfte, Freizeit- und Sportein-     Hamburg und des infas Instituts, das von

    richtungen als auch Schulen und Kitas ge-           der Volkswagen Stiftung gefördert wurde. In

    schlossen waren, für viele Menschen besonders       diesem ersten Projektreport soll zunächst Idee

    einschneidend. Familien, deren Kinder norma-        und Umsetzung beschrieben werden, bevor in

    lerweise in die Kita oder Schule gehen, brach       Kapitel 2 eine kurze Annäherung zum Konzept

    plötzlich ein wichtiger Bestandteil der Alltags-    der „sozialen Ungleichheit“ folgt, das den ersten

    organisation weg – freiwillige oder angeordnete     theoretischen Rahmen der Studie bildet. Die

    Kontaktbeschränkungen, zum Beispiel zu den          im Anschluss daran illustrierten Ergebnisse,

    Großeltern, erschwerten die Situation für viele     vorwiegend aus der Onlinebefragung, konzen-

    Familien zusätzlich. Die Pandemie mit ihren         trieren sich auf die unterschiedliche Wahrneh-

    unterschiedlichen Phasen der Belastung und          mung der Pandemie und ihrer Folgen zwischen

    Entspannung hat Spuren bei vielen Eltern und        Eltern und Kindern. Dafür werden verschiedene

    Kindern hinterlassen.                               Themenschwerpunkte der Befragung getrennt
                                                        ausgewertet und miteinander verglichen.
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    1. PROJEKTIDEE UND METHODIK                          wegweisend für die empirische Sozialforschung ist.
                                                         Die Marienthal-Studie untersuchte die Auswirkun-
    Forschungsschwerpunkt des hier beschriebenen         gen der Massenarbeitslosigkeit während der Welt-
    Projekts ist die Untersuchung von ungleichen         wirtschaftskrisen in den 1930er Jahren in der
    Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Alltag      Arbeitersiedlung Marienthal, einem Ort in der Nähe
    von Familien aus verschiedenen sozio-ökonomi-        Wiens. Das interdisziplinäre Forschungsteam
    schen Milieus. Dabei stehen sowohl kurz- als auch    beobachtete insbesondere die Veränderungen der
    mittelfristige Folgen für das Familienleben durch    Lebensführung von Familien und des kollektiven
    Einschränkungen der Erwerbs-, Lern- und Betreu-      Lebens nach der Schließung einer örtlichen Fabrik.
    ungsmöglichkeiten, der sozialen Kontakte und des     In dieser Feldstudie wurden verschiedene Daten-
    Freizeitangebotes seit Pandemiebeginn im Fokus.      quellen und unterschiedliche methodische Instru-
    Das Projektteam beschäftigt unter anderem die        mente genutzt und auf innovative Weise kombiniert.
    Frage, welche verfügbaren Ressourcen und Rahmen-
    bedingungen Familien helfen konnten, mit den         GUTE UND SCHLECHTE WOHNQUARTIERE IN
    neuen Anforderungen umzugehen und was die            SCHWERIN UND BREMERHAVEN IM VERGLEICH
    Situation dahingegen eher verschärft.
                                                         Für unsere Studie wurden als konkrete Untersu-
    Bei der Corona-Pandemie handelt es sich um eine      chungsorte Bremerhaven und Schwerin ausgewählt,
    dynamische Entwicklung, sowohl was die Ausbrei-      um regionalspezifische Faktoren (z. B. Corona-Inzi-
    tung des Virus als auch die politischen Maßnahmen,   denzen, Corona-Maßnahmen, zivilgesellschaftliche
    die wirtschaftliche Entwicklung und die gesell-      Unterstützungsangebote) in die Untersuchung
    schaftlichen Reaktionen betrifft. Daher wurde ein    beziehungsweise Auswertung mit einbeziehen zu
    explorativer Forschungsansatz gewählt, der Anpas-    können und Vor-Ort-Daten zu subjektiven Erfahrun-
    sungen an veränderte Situationen und auf der Basis   gen und Wahrnehmungen während der verschiede-
    der gewonnenen Erkenntnisse ermöglicht. Dabei        nen Phasen der Krise zu sammeln. In diesem Zusam-
    orientieren wir uns an der Marienthal-Studie         menhang wurde zu Projektbeginn auch eine
    (Jahoda u. a. 1975), die in mehrfacher Hinsicht      Medienanalyse zu beiden Städten durchgeführt.
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    Durch die Auswahl der Städte Bremerhaven und            der befragten Haushalte weisen einen hohen oder
    Schwerin sollte der oftmals stereotype Vergleich        sehr hohen ökonomischen Haushaltsstatus auf.
    einer wohlhabenderen Weststadt mit einer ökono-
                                                            Der qualitative Teil des Projektes begann mit einer
    misch schwächeren Stadt in Ostdeutschland be-
                                                            Auswertung der Presseartikel für Schwerin und
    wusst umgedreht werden.
                                                            Bremerhaven hinsichtlich stadtspezifischer Aktivitä-
    In beiden Städten wohnen jeweils etwa 100.000           ten während der Pandemie. Für eine erste Explorati-
    Menschen. Doch weist Schwerin im Gegensatz zu           on wurden dann Interviews mit Expertinnen und
    Bremerhaven durchweg günstigere Kennwerte etwa          Experten, beispielsweise ausgewählte Vertreterin-
    bei Kaufkraft und Arbeitslosigkeit auf. Zusätzlich      nen und Vertreter städtischer und zivilgesellschaftli-
    wurden gezielt eher gut situierte sowie eher schlecht   cher Einrichtungen geführt, die durch ihre berufliche
    situierte Wohnquartiere ausgewählt. Ziel ist also       Tätigkeit oder ihr zivilgesellschaftliches Engagement
    nicht das repräsentative Abbild beider oder einer der   Einblicke in das Alltagsleben von Familien während
    Städte. Vielmehr steht der Quartiersvergleich in zwei   der Pandemie hatten. Die inhaltsanalytische Aus-
    unterschiedlichen Umfeldsituationen im Vorder-          wertung dieser Interviews bildete die Basis für die
    grund. Ähnlich wie bei der Marienthal-Studie ist der    Strukturierung der im Anschluss daran folgenden
    Ansatz dieses Projekts, das subjektive Erleben sowie    Familieninterviews. Die Auswahl der zu befragen-
    die Deutungen des Geschehens durch die betroffe-        den Familien zielte auf eine nach sozio-ökonomi-
    nen Kinder und Eltern mittels der Kombination           schen Merkmalen möglichst heterogene Stichprobe,
    verschiedener methodischer Ansätze in den Mittel-       um die diversen Problemlagen verschiedener
    punkt zu rücken. Dafür werden sowohl quantitative       Familien während der Pandemie breit zu erfassen.
    als auch qualitative Methoden angewendet.               Eingeladen wurden sowohl ausgewählte Befragte
                                                            der Onlineerhebung als auch von den befragten
    QUALITATIVE UND QUANTITATIVE ZUGÄNGE                    Expertinnen und Experten vermittelte Familien.
    KOMBINIERT                                              Jeweils vor Ort befragten zwei Sozialforscher der
    Als quantitativer Ansatz wurde eine Onlinebefra-        Universität Hamburg unabhängig voneinander
    gung von Familien in Bremerhaven und Schwerin           beide Elternteile (bei Alleinerziehenden nur eines)
    gewählt. Familien mit mindestens einem Kind             und ein mindestens 10-jähriges Kind der Familie.
    unter 12 Jahren, die zuvor mit Hilfe einer Einwoh-      Insgesamt konnten zwischen September und
    nermeldestichprobe identifiziert worden waren,          November 2021 pro Stadt sechs Familien interviewt
    wurden zwischen Juni und August 2021 per Brief          werden, bevor aufgrund der erneut steigenden
    zu einer etwa 15-minütigen Onlinebefragung              Covid-Fallzahlen die persönlichen Interviews
    eingeladen. Alle Familienmitglieder ab 12 Jahren        ausgesetzt wurden. Die Fortsetzung ist für das
    konnten einen eigenen Fragebogen ausfüllen, Eltern      Frühjahr 2022 geplant.
    hatten zudem die Möglichkeit, stellvertretend für       Die in dieser Broschüre dargestellten Ergebnisse der
    ihre kleineren Kinder einen Fragebogen zu beant-        Onlinebefragung erheben keinen Anspruch auf
    worten. In Bremerhaven beteiligten sich 174             Bevölkerungsrepräsentativität, können jedoch
    Haushalte, während in Schwerin 328 Haushalte an         wertvolle Befunde in Bezug auf ungleiche Auswir-
    der Onlinebefragung teilnahmen. Insgesamt               kungen der Corona-Pandemie liefern – in diesem
    wurden insgesamt etwa 6.000 Haushalte ange-             Bericht schwerpunktmäßig in Bezug auf Unter-
    schrieben, sodass sich eine Gesamt-Teilnahmequote       schiede zwischen Eltern und Kindern. Weitere
    von rund acht Prozent ergibt. Besonders sozio-öko-      Auswertungen, beispielsweise im Hinblick auf
    nomisch schlechter gestellte Familien waren             sozioökonomische oder räumliche Rahmenbedin-
    deutlich seltener zu einer Teilnahme an der Online-     gungen der Familien, werden Fokus weiterer
    befragung zu motivieren – knapp über 60 Prozent         Veröffentlichungen zur Studie sein.
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    PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

     METHODENSTECKBRIEF PROJEKT „NACHHALTIGE VERÄNDERUNGEN UND
     UNGLEICHHEITEN IM FAMILIENALLTAG DURCH DIE CORONA-PANDEMIE“

      Projektlaufzeit:                      02/2021 bis voraussichtlich 06/2022
      Methodik:                             Medienanalyse, Kombination aus Onlinebefragung von Fami-
                                            lien, qualitativen Interviews in Familien und mit Expertinnen
                                            und Experten, Realisierung eines Filmprojekts noch in Planung
      Befragungsorte:                       Bremerhaven und Schwerin
      Befragungsquartiere:                  gut vs. schlecht situierte Quartiere in beiden Städten
                                            (siehe Karte)
      Bisheriger Befragungszeitraum:        Interviews mit Expert/innen: Mai/Juni 2021
                                            Onlinebefragung: Ende Juni bis Ende August 2021
      Qualitative Interviews:               September bis November 2021
      Bisherige Anzahl der Befragten:       502 Haushalte in der Onlinebefragung
                                            926 Personeninterviews (davon 532 Erwachsene,
                                            109 Interviews mit Kindern ab 12 Jahren und
                                            285 Stellvertreter-Interviews für Kinder unter 12 Jahren)
                                            6 Interviews mit Expert/innen in Bremerhaven und Schwerin,
                                            8 qualitative (teilnarrative) Interviews mit Familien (jeweils
                                            1-2 Elterninterviews und ein Interview mit einem Kind ab
                                            12 Jahren) in Bremerhaven und Schwerin
      Medienanalyse:                        Inhaltsanalyse
      Standardisierte Onlinebefragung:      quantitative Auswertung mit Stata (Erstellung analytischer
                                            Variablen, Darstellung bivariater Zusammenhänge)
      Interviews mit Expert/innen:          Transkription und Inhaltsanalyse
      Qualitative Familieninterviews:       Habitushermeneutik und rekonstruktive Analyse
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7   FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
    PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

        AUSGEWÄHLTE QUARTIERE IN BREMERHAVEN UND SCHWERIN

                       Bremerhaven                                  Schwerin

        In beiden Städten wurden verschiedene für die          Typisierung der Ortsteile
        Stadtteile verfügbaren Kennwerte betrachtet. Hierzu       Gut situiert
        zählten beispielsweise Angaben zur Arbeitslosigkeit,      Schlecht situiert
        zum Anteil von Hilfeempfängern nach verschiede-           Nicht für Stichprobe ausgewählt
        nen SGB-Leistungen, zur Kaufkraft, zum Familienan-
        teil und der Altersstruktur. Auf dieser Grundlage      Kartengrundlagen

        wurden besonders gegensätzliche Quartiere ausge-       Orsteile Schwerin: Vermessungs- und
                                                               Geoinformationsbehörde Schwerin.
        wählt und kategorisiert. Nur in diesen Stadtteilen
                                                               Orsteile Bremerhaven: Magistrat der
        erfolgte die Befragung und auf diese konzentrieren     Stadt Bremerhaven – Vermessungs-
        sich die qualitativen Projektbausteine.                und Katasteramt.
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8    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
     PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

    2. WARUM BETRIFFT DIE PANDEMIE                          WELCHE VERLAUFSMUSTER IN WELCHEN
                                                            FAMILIEN?
    NICHT ALLE FAMILIEN GLEICH? –
    EINE THEORETISCHE ANNÄHERUNG                            Die Krankheit und die Maßnahmen betreffen jedoch
                                                            nicht alle Familien in gleichem Maße und mit
    Die Corona-Pandemie und die umfangreichen               vergleichbaren Folgen. In unserem Forschungspro-
    Regeln zur Eindämmung der Infektionen haben             jekt ist insbesondere von Interesse, welche Merkma-
    tiefgreifende Folgen für den Alltag von Familien.       le der Familien und Rahmenbedingungen ihres
    Diese sahen sich unvorbereitet und abrupt vor neue      Alltags dazu beitragen, dass sie gut oder schlecht
    Probleme und Herausforderungen gestellt: Schulen        durch die Pandemie kommen. Lassen sich Unter-
    und Kindertagesstätten wurden phasenweise und           schiede entlang der Dimensionen sozialer Ungleich-
    wiederholt geschlossen. Für viele Erwerbstätige         heit feststellen? Bereits bekannt ist, dass das Infek-
    veränderte sich der Arbeitsalltag, etwa weil Arbeits-   tions-, Hospitalisierungs- und Sterberisiko von
    stätten temporär geschlossen waren (z.B. Gastrono-      Personen mit geringerer Bildung und geringerem
    mie, Kultur- und Freizeitbetriebe), weil Arbeitneh-     Einkommen höher ist (z.B. Wachtler et al. 2020;
    mende in Kurzarbeit geschickt oder Bürotätigkeiten      Wahrendorf et al. 2021). Forschungslücken bestehen
    ins Homeoffice verlagert wurden. Zusätzlich stellten    jedoch hinsichtlich des Zusammenspiels der spezifi-
    die Kontaktbeschränkungen insbesondere zu Beginn        schen Konstellationen, der konkreten Alltagsorgani-
    der Pandemie die Organisation der Kinderbetreuung       sation und Lebensbedingungen für Familien.
    für manche Familien auf den Kopf, beispielsweise        Welche Familienmitglieder sind besonders betroffen
    wenn die Unterstützung der Großeltern wegfiel.          und welche Familien können die Herausforderun-
FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE - MÄRZ 2022 01 VERGLEICHENDE PERSPEKTIVE VON ELTERN UND KINDERN IN SCHWERIN UND BREMERHAVEN - Infas
9    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
     PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

    gen gut auffangen? Welche verfügbaren Ressourcen        auch die Beziehungen innerhalb der Familie und die
    und Organisationsfähigkeiten des Alltags werden         Familienkonstellation – ob ein- oder zwei Elternteile
    im Pandemiealltag relevant? Auch die Frage nach         sowie Alter und Zahl der Kinder, die Einbettung in
    den langfristigen Folgen der Pandemie für die           größere Verwandtschaftszusammenhänge und
    Familien bzw. ihre Mitglieder wird eines der For-       darin enthaltene Unterstützungsleistungen bzw.
    schungsthemen in den kommenden Jahren sein.             Konflikte können während der Pandemie ent- oder
                                                            belastend wirken. Die Arbeitsbedingungen in Form
    Um das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren
                                                            von Arbeitszeiten, Arbeitsbelastung und gesundheit-
    in Familien zu verstehen, ist zunächst eine sozial-
                                                            lichen Risiken am Arbeitsplatz haben als Dimension
    wissenschaftliche Konzeptualisierung sozialer
                                                            sozialer Ungleichheit einen Einfluss auf die Lebens-
    Ungleichheit hilfreich. Solga et al. (2009: 15) spre-
                                                            führung (ebd.: 130). Gerade zu Beginn der Corona-
    chen von sozialer Ungleichheit, wenn Menschen als
                                                            Pandemie konnten besser Gebildete mit höheren
    Angehörige sozialer Gruppen „einen ungleichen
                                                            Einkommen eher im Home­office arbeiten, während
    Zugang zu sozialen Positionen haben.“ Dabei gehen
                                                            Industriearbeiter und Beschäftigte im Dienstleis-
    mit diesen sozialen Positionen systematisch günsti-
                                                            tungsbereich häufig von Kurzarbeit, Beurlaubung,
    ge oder unvorteilhafte Lebens- und Handlungsbe-
                                                            Arbeitsplatzverlust und einem höheren Infektionsri-
    dingungen einher (ebd.). Dimensionen sozialer
                                                            siko am Arbeitsplatz betroffen waren (Möhring et al.
    Ungleichheit sind „[p]ersönliche oder strukturbe-
                                                            2020; Möhring et al. 2021). Entsprechend zählen
    dingte Merkmale, welche die Erscheinungsformen
                                                            auch Gesundheitsrisiken zu den Dimensionen
    ungleicher Lebens- und Handlungsbedingungen […]
                                                            sozialer Ungleichheit. Auch unabhängig der Pande-
    der Menschen charakterisieren“ (Huinink/Schröder
                                                            mie gehen viele Tätigkeiten für Geringqualifizierte
    2014: 106). Von der Dimension Einkommen und
    Vermögen hängen materieller Wohlstand und die
    Möglichkeit der Befriedigung materieller Lebenszie-
    le (Huinink/Schröder 2014: 114) sowie die der gesell-
    schaftlichen Partizipation (vgl. Schäfer 2010) ab und
    sie tragen zur Steigerung des sozialen Ansehens bei
    (Huinik/Schröder 2014: 114).

    WELCHER STELLENWERT WELCHER HINTER-
    GRUNDFAKTOREN?
    Weitere Dimensionen, die die Lebenssituationen
    beeinflussen, sind Bildung, soziale Beziehungen,
    aber auch die Arbeitsbedingungen und die Wohnsi-
    tuationen. Bildungschancen werden stark von der
    sozialen Herkunft bedingt. Kinder aus Familien mit
    geringen Einkommen erzielen statistisch schlechtere
    schulische Ergebnisse als Gleichaltrige aus anderen
    Verhältnissen (vgl. Hradil 2016: 257). Auch soziale
    Beziehungen sind als „wichtige Quelle von instru-
    mentellen Unterstützungsleistungen und persönli-
    cher Anerkennung“ (ebd.: 132) eine Dimension
    sozialer Ungleichheit. Wer über ein großes und
    heterogenes soziales Netzwerk verfügt, findet darin
    in verschiedenen Situationen Unterstützung. Aber
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10    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
      PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

     mit Gesundheitsbelastungen und entsprechend             schränkt, was die „biografisch wichtige[-] Selbster-
     schlechterem Gesundheitszustand einher. Insbeson-       kundung im Jugendalter“ (Andresen et al. 2020: 9)
     dere im Kontext der Corona-Krise wurden auch die        beeinträchtigen kann, sie haben Zukunftsängste und
     Wohnbedingungen relevant für die Alltagsorganisa-       fühlen sich zu wenig von der Politik berücksichtigt
     tion. Von großer Bedeutung sind in dem Zusammen-        (vgl. ebd.). Die Schulschließungen und die Situation
     hang Art, Größe und Ausstattung des Wohnraums           des Homeschoolings führen zu ungleichen Lernsitua-
     sowie die technische Ausstattung, die Voraussetzung     tionen zu Hause und langfristig zu ungleichen
     für Homeschooling und -office sowie das Kontakt-        Lernergebnissen. Besonders betroffen sind hier
     halten geworden ist. Und je nach Wohnquartier sind      insbesondere jüngere und Kinder aus sozio-ökono-
     die Möglichkeiten, den Alltag und die Freizeit in der   misch benachteiligten Familien (vgl. Hammerstein et
     näheren Umgebung zu organisieren, unterschiedlich       al. 2021). Soziale Ungleichheit manifestiert sich
     gut und attraktiv.                                      demnach auch zwischen verschiedenen Altersgrup-
                                                             pen – über Generationengerechtigkeit, ein Begriff der
     SOZIALE UNGLEICHHEITEN ZWISCHEN DEN                     seit Beginn der 90er-Jahre im öffentlichen Diskurs zu
     QUARTIERN?                                              finden ist, wird gerade im Zusammenhang mit der
     Diese Dimensionen sozialer Ungleichheit sind            Pandemie wieder stärker diskutiert.
     systematisch durch scheinbar natürliche Merkmale        Abschließend ist die Migrationsgeschichte als
     von Personen vorstrukturiert und sind nur in Teilen     askriptives Merkmal zu nennen, wobei zu unterschei-
     auf ungleiche Leistungen in der Schule und auf dem      den ist, ob eine Person selbst Migrationserfahrungen
     Arbeitsmarkt zurückzuführen. In der soziologischen      gemacht hat oder Angehörige vorheriger Generatio-
     Ungleichheitsforschung wird von askriptiven (von        nen und aus welcher Region die Einwanderung
     außen zugeschriebenen) und erworbenen persönli-         stattfand (Huinink/Schröder 2014: 151f.). Davon
     chen Merkmalen gesprochen. Dazu gehört das              gehen insbesondere ungleiche Chancen in den
     Geschlecht. Dieses Merkmal wird traditionell mit        Bereichen Bildung, Beruf, Wohnen und Alltag aus, die
     bestimmten Fähigkeiten und Charaktereigenschaf-         sich als rassistische Diskriminierung, Abwertung und
     ten assoziiert und beeinflusst sowohl die Berufs-       Ausgrenzung äußern. Migrantisierte Personen waren
     chancen als auch Aufteilung von Care-Arbeit             während der Pandemie überdurchschnittlich von
     (Huinink/Schröder 2014: 148). Einige Forschungser-      Arbeitsplatzverlusten betroffen (vgl. Brückner et al.
     gebnisse konstatieren einen Trend, dass es v.a. die     2021). Kinder, deren Eltern kein Deutsch sprechen,
     Mütter sind, die während der Pandemie zusätzliche       waren durch die Schulschließungen zusätzlich
     Aufgaben im Bereich von Kinderbetreuung und             benachteiligt (vgl. Bujard et al. 2021) und insbesonde-
     Hausarbeit übernehmen (vgl. Zoch et al. 2021).          re asiatisch gelesene Personen sowie Sinti und Roma
                                                             machten im Alltag Rassismuserfahrungen im
     UND PERSONENBEZOGENE MERKMALE?                          Zusammengang mit der Pandemie (vgl. Antidiskrimi-
     Das Alter, als weiteres persönliches Merkmal, hat       nierungsstelle des Bundes 2020).
     abhängig vom Lebensverlauf sehr unterschiedliche
                                                             Die Grundannahme des Forschungsprojektes ist,
     Auswirkungen, die auch im Kontext der Pandemie
                                                             dass die Möglichkeiten von Familien als sozialer
     Folgen haben können. Insbesondere das Risiko für
                                                             Zusammenhang, mit den Problemlagen und Heraus-
     schwere Verläufe einer Corona-Infektion ist in
                                                             forderungen der Pandemie umzugehen, systema-
     höheren Altersgruppen größer, aber auch Arbeitslo-
                                                             tisch durch die genannten Merkmale und Dimensio-
     sigkeits- und Armutsrisiko sind statistisch höher
                                                             nen sozialer Ungleichheit vorstrukturiert werden.
     (Huiniken/Schröder 2014: 151f.). Demgegenüber
                                                             Die Beschreibung von Ergebnissen der Studie ist
     sind auch Kinder und Jugendliche besonders von
                                                             in diesen theoretischen Rahmen eingebettet und
     den Pandemie-Maßnahmen betroffen: Ihre Freizeit-
                                                             geht – je nach inhaltlichem Fokus – auf einzelne
     gestaltung und sozialen Kontakte waren stark einge-
                                                             genannte Aspekte ein.
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     PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

                                             50 %

                                             der Bremerhavener Haus-
                                             halte in schlechten Quar-
                                             tieren berichten über eine
                                             gute Stimmung. In den gut
                                             situierten Vierteln Schwerins
                                             sind es 67 Prozent.
12    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
      PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

     3. BELASTUNGEN UND ENTLASTUN-                                                  als die Sommermonate 2020 und 2021, in denen das
                                                                                    gesellschaftliche Leben weniger von der Pandemie
     GEN IN DER CORONA-ZEIT
                                                                                    bestimmt wurde. Der höchste gemessene Mittel-
     In den folgenden Kapiteln werden die Wahrneh-                                  wert auf einer 5er-Skala von 1 (= überhaupt nicht
     mungen und Bewertungen der Pandemie zwischen                                   schwierig) bis 5 (=s ehr schwierig) liegt bei 3,4 wäh-
     den online befragten Eltern und Kindern miteinan-                              rend der Phase des zweiten Lockdowns. Knapp jede
     der verglichen. Kinder ab 12 Jahren konnten den                                vierte befragte Person bewertet die Situation für die
     Fragebogen selbstständig oder mit Hilfe ihrer Eltern                           eigene Familie zu diesem Zeitpunkt als „(überhaupt)
     ausfüllen. Die Ergebnisse für Kinder zwischen Zwei                             nicht schwierig“, während 44 Prozent der Befragten
     und 12 Jahren beruhen auf den Einschätzungen ihrer                             diese Zeit als „(sehr) schwierig“ wahrnahmen. Der
     Eltern (Stellvertreterinterviews). Zunächst wird ein                           Mittelwert zeigt, dass selbst in der von den Befrag-
     Blick auf die Gesamtbewertung der Pandemie durch                               ten (bis zum Zeitpunkt der Erhebung) am schwie-
     die Befragten geworfen. Dabei zeigt sich deutlich,                             rigsten wahrgenommenen Phase der Pandemie die
     dass es in der Pandemie sowohl Phasen der besonde-                             Belastung von den befragten Familien sehr unter-
     ren Belastung als auch der Entspannung gab.                                    schiedlich wahrgenommen wird. Über die Hälfte
                                                                                    der Befragten empfindet die persönliche familiäre
     DER ZWEITE LOCKDOWN – DIE BISHER                                               Lage im zweiten Lockdown als weniger oder zumin-
     SCHWIERIGSTE PHASE DER PANDEMIE?!                                              dest nur mittelmäßig schwierig. Die Abbildung zur
     Die beiden Lockdown-Phasen werden von den Be-                                  wahrgenommenen Belastung zeigt aber auch die
     fragten insgesamt als deutlich schwieriger beurteilt                           Unterschiede zwischen den Erwachsenen und den

     Die Corona-Regeln finde ich...
     Satzvervollständigung von befragten Eltern und Kindern

      …sehr wichtig und völlig ange-          …wichtig und für ein gemeinsa-          …meiner Meinung nach richtig               …nervig. Aber man gewöhnt sich
      messen, manchmal allerdings             mes Zusammenleben erforder-             getroffen. Es hätten sich sonst            dran (w, 15 Jahre)
      nicht einheitlich. (w, 43 Jahre)        lich (m, 44 Jahre)                      viel mehr Leute mit dem Covid
                                                                                      19 Virus angesteckt! (w, 14 Jahre)
                                                                                                                                       …gut und halte mich dran.
      …viel zu einschränkend und              …teilweise angemessen, aber                                                              (m, 13 Jahre)
      freiheitsberaubend (w, 34 Jahre)        vieles widerspricht sich. Beispiel:     …zu übertrieben, nichts war
                                              verreist werden durfte, aber            komplett durchdacht (m, 17 Jahre)
                                                                                                                                 …nicht gerechtfertigt, zu über-
                                              Schulen/ Betriebe durften nicht
      …nervig. Vor allen Dingen die                                                                                              trieben, zu langsam reagiert
                                              öffnen. (w, 31 Jahre)
      ständigen Änderungen und                                                        ... teilweise unlogisch. (w, 13 Jahre)     (w, 21 Jahre)
      Ergänzungen. Wir haben die
      wichtigsten Regeln beachtet             …sinnvoll und notwendig.                                                           …wichtig zum Schutz und für
      und ansonsten den gesunden              Sie wurden nur nicht gut                  …gut, weil ich meinen nor-               mich selbst auch in Ordnung.
      Menschenverstand eingeschal-            erklärt. (m, 47 Jahre)                    malen Alltag zurück möchte.              (w, 12 Jahre)
      tet. (w, 46 Jahre)                                                                (m, 16 Jahre)

                                                                                                                               …verantwortungsvoll und notwen-
      …gut. Ich bin zufrieden mit den
                                                                                                                               dig, trotzdem an manchen Stellen
      Regeln, da es geholfen hat, den Virus
                                                                                                                               ziemlich nervig. (w, 13 Jahre)
      nicht zu bekommen. (w, 36 Jahre)

                                                                                                                         …wichtig, aber doof. Durch die Maske
      …viel zu schwach. (m, 28 Jahre)                                                                                    habe ich schlechter Luft bekommen, zu
                                                                                                                         viel Abstandhalten. (m, 12 Jahre)

                                                              Erwachsene                      Kinder
13    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
      PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

     befragten Kindern – Eltern nehmen die Lage insge-                  Einstufung in den schlechter situierten Stadtteilen,
     samt als schwieriger wahr. Dies trifft insbesondere                vor allem für den Rückblick in das Jahr 2020. Doch
     auf die zweite Lockdown-Phase zu. Während 46 Pro-                  fallen die Unterschiede gering aus. Im zweiten
     zent der Erwachsenen die Situation für die Familie                 Coronajahr steigen sie jedoch zunächst an, bevor
     in dieser Zeit als (sehr) schwierig beurteilen, sind es            sim entspannteren Sommer deutlich sinken. Für
     bei den Kindern zehn Prozentpunkte weniger. Die                    beide Situationen jedoch für alle vier Quartiers­
     deutliche Stimmungssteigerung vom Beginn der                       typen gleichermaßen. Dieses Ergebnis legt nahe,
     Pandemie bis zum Sommer 2021, lässt sich auch an-                  dass Wohnumfeld und Quartierssituation nur eine
     hand der Frage nach der „Aktuellen Stimmungslage                   untergeordnete Rolle spielen und die Pandemie im
     zu Hause“ belegen. Zum Befragungszeitpunkt im                      Schnitt – von individuellen Unterschieden abgese-
     Sommer 2021 beschreiben 65 Prozent der befragten                   hen – alle Betroffenen gleichermaßen fordert.
     Eltern und Kinder die Stimmung zu Hause als „sehr
     gut“ oder „gut“. Dabei unterscheiden sich die Ein-                 BERUFSTÄTIGKEIT UND ÖKONOMISCHE SITUA-
     schätzungen zwischen Eltern und Kindern kaum                       TION BEEINFLUSSEN DIE STIMMUNGSLAGE
     voneinander.                                                       Die Stimmung hängt jedoch maßgeblich von der
     Die Frage nach der empfundenen Schwierigkeit der                   Arbeitssituation der Erwachsenen im Haushalt ab.
     aktuellen Situation wurde auch auf Haushaltse-                     Falls beide Elternteile oder der alleinerziehende
     bene gestellt. Die Ergebnisse lassen sich nach der                 Elternteil keine Berufstätigkeit ausüben, bezeich-
     Klassifikation der Stadtteile differenzieren. Zwar                 nen nur 41 Prozent der Befragten die Stimmungs-
     zeigt sich in der Tendenz eine etwas ungünstigere                  lage als gut.

     Wahrgenommene Belastung in den Corona-Phasen bis                   Wahrgenommene Belastung in den Corona-Phasen bis
     Sommer 2021 – Personen                                             Sommer 2021 – Haushalte nach Stadtteilen

      5                                                                  5

      4                                                                  4

      3                                                                  3

      2                                                                  2

      1                                                                  1
            Lockdown        Sommer          Lockdown           Sommer           Lockdown      Sommer         Lockdown       Sommer
          Frühjahr 2020      2020         Frühjahr 2021         2021          Frühjahr 2020    2020        Frühjahr 2021     2021

             Gesamt              Erwachsene/r          Kind                  Bremerhaven:      schlecht situiert           gut situiert

          5 = sehr schwierig / 1 = überhaupt nicht schwierig                 Schwerin:         schlecht situiert           gut situiert
14     FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
       PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

     Ebenso ausschlaggebend für die Stimmung zu                      ge Forschungsergebnisse ein. Sie zeigen unter
     Hause ist der ökonomische Haushaltsstatus der                   anderem auf, dass die Corona-Pandemie bestehende
     befragten Person. 71 Prozent der finanziell sehr gut            soziale Unterschiede noch einmal verschärft (siehe
     aufgestellten Familien, aber nur 43 Prozent der                 z.B. Diakonisches Werk Hamburg Juni 2021).
     Personen mit niedrigem ökonomischen Haushalts-
     status beschreiben die familiäre Stimmungslage im               WEGFALL VON SOZIALEN KONTAKTEN UND
     Sommer 2021 als gut oder sehr gut.                              FREIZEITMÖGLICHKEITEN WIRD ALS GRÖSSTE
                                                                     BELASTUNG EMPFUNDEN
     Dass die Corona-Pandemie einen überdurchschnitt-
     lich negativen Einfluss auf die familiäre Belastung             Die Eltern wurden zudem nach ihren Belastungen
     sozio-ökonomisch benachteiligter Familien hat,                  in verschiedenen Lebensbereichen während der
     zeigt ein Vergleich der beschriebenen Stimmungsla-              Corona-Zeit befragt. Hier zeigt sich, dass die Situati-
     ge vor und während Corona. Hierzu wurden nur die                on insbesondere in Bezug auf die Berufstätigkeit
     erwachsenen Personen befragt. Insgesamt bewer-                  sowie hinsichtlich sozialer Kontakte und Freizeit als
     ten 80 Prozent der Eltern ihre persönliche Stim-                belastend empfunden wurde.
     mung vor Beginn der Corona-Pandemie als gut oder                Im Hinblick auf die berufliche Situation empfinden
     sehr gut, bei Befragten mit wenig finanziellen                  Personen, die während der Phasen hoher Inziden-
     Ressourcen liegt der Wert bei immerhin 70 Prozent.              zen nicht ins Homeoffice gehen konnten, die
     Doch genau in dieser Gruppe ist die Verschlechte-               Situation als belastender als Personen, die ganz oder
     rung der Stimmung mit 28 Prozentpunkten fast                    zumindest teilweise im Homeoffice waren (37 zu
     doppelt so groß wie bei ökonomisch gut situierten               29 Prozent). Dies könnte unter anderem mit dem
     Befragten (Verschlechterung nur um 15 Prozent-                  höheren Risiko einer Corona-Infektion auf dem
     punkte). Dieser Befund reiht sich in andere bisheri-            Arbeitsweg oder bei der Arbeit zusammenhängen,
                                                                     aber auch mit der besseren Möglichkeit der Alltags-
                                                                     organisation oder Kinderbetreuung, die Homeoffice
                                                                     bieten kann.
                                                                     Der Wegfall oder die Einschränkung von sozialen
     Belastung der Eltern in unterschiedlichen Lebensbereichen       Begegnungen belastet 38 Prozent der befragten
     Belastung der Corona-Situation auf...
                                                                     Erwachsenen. Interessanterweise zeigt sich in
                                                                     diesem Zusammenhang ein deutlicher Unterschied
                     Freundeskreis/
                                                                38   zwischen den beiden Städten Bremerhaven und
                    soziale Kontakte
                                                                     Schwerin. Während (nur) ein Drittel der Befragten
                                 Freizeit                       38   in Bremerhaven die Situation als „(sehr) belastend“
                                                                     empfanden, sind es in Schwerin mit 41 Prozent
              Berufliche Situation                         34        deutlich mehr Personen mit dieser Wahrnehmung.
                                                                     Möglicherweise hängt dies mit dem in Mecklen-
                Familiäre Situation                   29             burg-Vorpommern zusätzlich verhängten Touris-
                                                                     musverbot im März 2020 zusammen, das auch
     Gesundheitliche Situation                   20                  private Besuche aus anderen Bundesländern stark
                                                                     einschränkte und so zumindest indirekt zu einer
                        Partnerschaft            19                  weiteren möglichen Einschränkung der sozialen
                                                                     Kontakte führte.
              Finanzielle Situation         15                       Im Hinblick auf die Einschränkung von Treffen im
                                                                     Freundeskreis und der Wegfall von möglichen
     Top-Box Werte 4+ 5, in Prozent
15    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
      PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

                                                                                    28 %

                                                                                    der Eltern empfinden ihre
                                                                                    persönliche Corona-Situa-
                                                                                    tion als (überhaupt) nicht
                                                                                    schwierig, 30 Prozent der
                                                                                    Kinder…)

     Freizeitaktivitäten deutet sich ein Vorteil für         jüngeren Kinder als (sehr) schwierig einschätzen.
     Familien mit mehreren Kindern an – Eltern mit           Dies zeigt, dass das Alter – zumindest in der subjek-
     mindestens zwei Kindern empfinden die diesbezüg-        tiven Wahrnehmung der Befragten – keine ent-
     lichen Maßnahmen als weniger belastend als              scheidende Rolle im Hinblick auf die persönliche
     Eltern mit nur einem Kind. Der Wegfall von Freizeit-    Betroffenheit durch Corona spielt.
     möglichkeiten belastete Familien mit höheren
     Einkommen, die vor Beginn der Pandemie vermut-          4. VERÄNDERUNGEN DES ALLTAGS
     lich deutlich mehr kostenpflichtige Angebote im         DURCH CORONA
     Sport- und Freizeitbereich in Anspruch genommen
                                                             Während der Corona-Pandemie und natürlich
     haben, stärker als Familien mit weniger finanziel-
                                                             insbesondere in den Phasen, in denen Corona-Maß-
     len Ressourcen.
                                                             nahmen das gesellschaftliche, aber auch private
     Insgesamt schätzen Eltern und Kinder ihre persönli-     Leben stark beeinträchtigten, veränderte sich der
     che Betroffenheit durch Corona sehr ähnlich ein.        Alltag vieler Familien. Eine Frage zielte daher auf die
     Bei den Erwachsenen empfinden zum Befragungs-           Zufriedenheit der Befragten in unterschiedlichen
     zeitpunkt 28 Prozent die bisherige persönliche          Lebensbereichen ab, eine andere Frage beleuchtete,
     Corona-Situation als (überhaupt) nicht schwierig        ob die Befragten seit Pandemiebeginn Verbesserun-
     und genauso viele als (sehr) schwierig. Bei den         gen oder Verschlechterungen in diesen Lebensberei-
     Kindern ab 12 Jahren sind es 30 Prozent mit einem       chen wahrgenommen haben.
     positiven Resümee, während 26 Prozent ihre
                                                             Insgesamt zeigt sich zum Zeitpunkt der Befragung,
     persönliche Situation während Corona als (sehr)
                                                             dass die Zufriedenheit mit dem Familienleben
     schwierig beurteilen.
                                                             sowohl bei Eltern als auch Kindern im Vergleich zu
     In den Stellvertreterinterviews beurteilen Eltern die   anderen Lebensbereichen am höchsten ist – drei
     Situation für ihre unter 12-jährigen Kinder in          Viertel der Befragten sind (sehr) zufrieden mit dem
     36 Prozent der Fälle als (überhaupt) nicht schwierig,   Familienleben. Bei Patchwork-Familien und auch
     während 27 Prozent der Eltern die Situation für ihre    bei Alleinerziehenden sinkt der Anteil der Zufriede-
16    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
      PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

     nen auf 69 bzw. 68 Prozent. Dies könnte beispiels-                           43 Prozent der Erwachsenen geben an, diesbezüg-
     weise an dem generell höheren Organisationsbedarf                            lich (sehr) zufrieden zu sein. Die befragten Kinder
     des Alltags bei solchen Familien­­konstella­tionen                           beurteilen diesen Lebensbereich etwas besser,
     liegen, der durch die Pandemie zunehmend er-                                 deutlich über die Hälfte sind auch während der
     schwert wurde, aber auch an der Einschränkung der                            Pandemie (sehr) zufrieden mit Freizeit und Hobbies.
     sozialen Kontakte außerhalb des Haushalts. Unter                             Die befragten Kinder wiederum sind insgesamt am
     den befragten Personen, die sich selbst kaum von                             wenigsten mit dem Lebensbereich „Schule“ zufrie-
     der Corona-Pandemie betroffen sehen, steigt der                              den – hier werden die großen Einschnitte der
     Anteil der Zufriedenen hingegen auf 88 Prozent.                              Pandemie in den Alltag der Schülerinnen und
                                                                                  Schüler deutlich. Knapp 60 Prozent der berufstäti-
     ELTERN BESONDERS UNZUFRIEDEN MIT DEN                                         gen Eltern nehmen die berufliche Situation im
     LEBENSBEREICHEN FREIZEIT UND HOBBIES, KIN-                                   Sommer 2021 als zufriedenstellend wahr. Den
     DER EHER MIT DER SCHULISCHEN SITUATION                                       Lebensbereich „Freundeskreis/soziale Kontakte“
     Deutlich niedrigere Zufriedenheitswerte und                                  beurteilen 60 Prozent der Kinder als (sehr) zufrie-
     größere Unterschiede zwischen Eltern und Kindern                             denstellend, während es bei den Erwachsenen
     zeigen sich bei den anderen abgefragten Lebensbe-                            Zehn Prozentpunkte weniger sind. Die wahrgenom-
     reichen. Die Eltern sind insgesamt am unzufrie-                              mene Verschlechterung durch die Corona-Pande-
     densten in Bezug auf Freizeit und Hobbies. Nur                               mie fällt sowohl bei den befragten Eltern als auch

     Zufriedenheit und Veränderung in unterschiedlichen Lebensbereichen

     Aktuelle Zufriedenheit mit…                                                      Seit Corona verschlechtert

     Familienleben                                     76                    75                                    …17 Prozent nehmen es
                                                                                         24                9       unterschiedlich war

     Freizeit/Hobbies
                                                       43                    58          46
                                                                                                                   …8 Prozent nehmen es
                                                                                                          40       unterschiedlich war

     Berufstätigkeit/
                                                       59                                                          …14 Prozent nehmen es
     Schule/Ausbildung                                                       47          27               36       unterschiedlich war

     Freundeskreis/                                                                                                …10 Prozent nehmen es
                                                       50                    61
     soziale Kontakte                                                                    44               43       unterschiedlich war

     Darstellung Werte 4 + 5 (sehr) zufrieden einer 5-er Skala, in Prozent
17     FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
       PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

      bei den befragten Kindern in den Lebensbereichen                                    punkte auf 63 Prozent an. Interessant ist hier auch
     „Freizeit/Hobbies“ und „Freundeskreis/soziale                                        der Unterschied zwischen Männern und Frauen:
      Kontakte“ am deutlichsten aus. Dies deckt sich wie                                 Während bei den Frauen 58 Prozent angeben, mehr
      erwartet mit den durchgeführten Corona-Maßnah-                                      Betreuungsarbeit zu übernehmen, sind es bei den
      men, die deutliche Einschränkungen im sozialen                                      Männern nur 44 Prozent. Einen noch größeren Un-
      Bereich als auch Freizeitbereich zur Folge hatten.                                  terschied zwischen Müttern und Vätern lässt sich
                                                                                          in Bezug auf zusätzliche Hausarbeit während der
     Doch wie hat die Corona-Pandemie das Alltagsle-
                                                                                          Pandemie beobachten. Knapp jede dritte befragte
     ben der befragten Familien konkret verändert? In
                                                                                          Mutter ist der Meinung, seit Ausbruch der Corona-
     der Befragung wurden sowohl die Eltern als auch
                                                                                          Pandemie mehr Zeit in Hausarbeit zu investieren
     die Kinder gefragt, welchen Tätigkeiten sie seit der
                                                                                         – bei den Vätern sind es hingegen nur 16 Prozent.
     Corona-Pandemie seltener, genauso oft oder häufi-
                                                                                         Weniger Veränderungen lassen sich im Hinblick auf
     ger nachgehen als vorher. Bei den Erwachsenen gibt
                                                                                          die Berufstätigkeit beschreiben. Knapp zwei Drittel
     es im Alltag vor allem Verschiebungen hin zu mehr
                                                                                          der Eltern arbeiten nach eigener Wahrnehmung seit
     Betreuungszeit für die eigenen Kinder. Über die
                                                                                          Pandemiebeginn genauso viel wie vorher – bei den
     Hälfte der Eltern geben an, mit dieser Tätigkeit seit
                                                                                          Männern sind es mit 72 Prozent noch einmal mehr
     Pandemiebeginn mehr Zeit zu verbringen. Sofern
                                                                                          als bei den Frauen (59 Prozent). Insgesamt geben
     mehr als zwei Kinder im Haushalt leben, steigt
                                                                                         12 Prozent der Befragten an, seit der Corona-Krise
     der Prozentwert noch einmal um Zehn Prozent-
                                                                                          weniger zu arbeiten, während 17 Prozent nach eige-
                                                                                          nem Ermessen mehr arbeiten. 41 Prozent der Eltern
                                                                                          sind seit Beginn der Pandemie öfter im Internet
                                                                                          unterwegs, wobei hier nicht nach speziellen Tätig-
     Stimmung zu Hause zum Befragungszeitpunkt – Haushalte                                keiten unterschieden wurde.
     nach Stadtteilen
                                                                                         NOCH EINMAL EIN BLICK IN DIE STADTTEILE
                                                                                         Als zusammenfassender Indikator können die
     80 %
                                                                                         Antworten auf die auf Haushaltsebene gestellten
     70 %                                                                                Frage nach der aktuellen Stimmung zu Hause in-
                                                                                         terpretiert werden. Dieses Ergebnis lässt sich erneut
     60 %
                                                                                         gut nach den vier Stadtteilgruppen differenzieren.
     50 %                                                                                Erneut zeigen sich keine gravierenden Unterschiede,
                                                                                         aber doch ein Trend zu ungünstigeren Einschätzun-
                                                                              50
     40 %                                                                                gen in den schlechter situierten Quartieren. Zudem
                                          41                  47
                     38                                                                  zeigen sich hier etwas bessere Einschätzungen in
     30 %
                                                                                         Schwerin. Dessen ungünstig eingestufte Quartiere
     20 %                                                                                ereichen fast das Niveau derausgewählten besser
                                                                                         gestellten Stadtteile Bremerhavens. Doch auch
     10 %                                 18                                  17
                     12                                       14                         dieser Ergebnis verlangt in den noch ausstehenden
       0%                                                                                Analysen nach einer weiteren Differenzierung.
              Bremerhaven             Schwerin          Bremerhaven        Schwerin      Inbesondere wird zu prüfen sein, inwieweit unter-
                  schlecht            schlecht           gut situiert     gut situiert   schiedliche Muster der individuellen Situation für
                   situiert            situiert
                                                                                         das Ergebnis verantwortich sind oder ob tatsächlich
                                                                                         ein stabiler Quartierseffekt nachweisbar ist.
        sehr gut                    gut

     Ausschnitt aus fünfstufiger Antwort von sehr gut bis sehr schlecht
18    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
      PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

     BESONDERS DER AUSGLEICH DURCH SOZIALE                    sozialen Netzwerken zu verbringen. Ebenso viele
     KONTAKTE AUSSERHALB DES EIGENEN HAUS-                    verbringen mehr Zeit mit dem Handy, der Play­
     HALTS FEHLTE ELTERN UND KINDERN IN DER                   station oder anderen vergleichbaren Geräten. Auch
     PANDEMIE                                                 andere Tätigkeiten außerhalb des Zuhauses, wie
                                                              Shopping oder Sport finden seltener statt – eine
     Für die Zeit, die in der Pandemie vermehrt in die
                                                              klare Folge der Corona-Maßnahmen, die auch für die
     beschriebenen Tätigkeiten investiert wurde, fielen
                                                              Kinder zu starken Einschnitten im Freizeitbereich
     insbesondere Freizeit mit der Partnerin und dem
                                                              sowie im Hinblick auf soziale Kontakte geführt
     Partner und Zeit für soziale Kontakte außerhalb des
                                                              haben.
     Haushalts weg. 28 Prozent der befragten Eltern
     geben an, seit Beginn der Pandemie weniger Gesprä-       VERÄNDERTES SCHULLEBEN ALS BESONDERE
     che mit dem Partner oder der Partnerin zu führen         HERAUSFORDERUNG
     und weniger Freizeit mit dem Partner bzw. der
     Partnerin zu verbringen. Dies trifft insbesondere auf    Mit Blick auf den schulischen Bereich zeigen sich
     Eltern mit mehr als einem Kind sowie auf Eltern von      mehr Unterschiede zwischen den befragten Famili-
     Kleinkindern zu. Zwei Drittel der befragten Eltern       en. 47 Prozent der befragten Schulkinder geben an,
     verbringen weniger Zeit mit sozialen Kontakten           genauso viel Zeit mit Schule und Lernen zu verbrin-
     außerhalb des Haushalts – bei Familien mit einem         gen wie vor der Pandemie. Die restlichen befragten
     sehr hohen ökonomischen Haushaltsstatus sind es          Schülerinnen und Schüler teilen sich etwa gleicher-
     sogar 74 Prozent der Befragten. Die Ergebnisse           maßen auf zwischen Kindern, die mehr Zeit für die
     zeigen insgesamt, dass die Corona-Pandemie vor           Schule investieren und Kindern, die weniger Zeit
     allem einen Einfluss auf die Freizeit vieler Eltern      aufbringen (26 zu 27 Prozent). Hier zeigen sich
     hatte – ein großer Teil wurde durch Betreuungsar-        deutliche Unterschiede entlang der Lebensumstän-
     beit, aber auch andere Tätigkeiten innerhalb des         de der Kinder. Ein Drittel der Kinder, die in einem
     Haushalts ersetzt. Dies macht auch die deutliche         freistehenden Einfamilienhaus leben, machen seit
     Mehrbelastung für Eltern in den vergangenen zwei         Pandemiebeginn laut eigener Wahrnehmung mehr
     Jahren deutlich – vielfach fehlte den Eltern ein         für die Schule, während nur sechs Prozent der
     positiver Ausgleich zu den körperlichen, aber auch       Kinder, die in einem Hochhaus leben, dies so beur-
     psychischen Belastungen in der Pandemie. So              teilen. Hier können natürlich sowohl die Wohnsitua-
     kommt die Studie des Bundesinstituts für Bevölke-        tion als auch andere Rahmenbedingungen, wie die
     rungsforschung (2021: 73) zu dem Ergebnis, dass          Ausstattung mit technischen Geräten und der
     insbesondere bei Müttern der sogenannte Mental           Internetzugang, aber auch die Unterstützung durch
     Load, das heißt die kognitive Planungsarbeit der         die Eltern eine entscheidende Rolle spielen.
     Familienaufgaben, besonders hoch war und diese           Die Ergebnisse zeigen, dass auch die Anzahl der
     Belastung sich auf verschiedene Aspekte des Wohl-        Kinder im Haushalt einen Effekt auf das Lernverhal-
     befindens auswirken kann.                                ten bzw. die investierte Zeit in Schulaufgaben hat.
     Auch bei den befragten Kindern sowie den jüngeren        Bei Einzelkindern sind es 39 Prozent, die mehr für
     Kindern, deren Eltern den Fragebogen stellvertre-        die Schule tun, in Haushalten mit mehr als zwei
     tend ausgefüllt haben, hat sich der Alltag seit Beginn   Kindern halbiert sich dieser Prozentwert. Andere
     der Corona-Pandemie deutlich stärker in die eigenen      wissenschaftliche Untersuchungen kommen zu
     vier Wände verlagert. Der Kontakt zu Gleichaltrigen      dem Ergebnis, dass vor allem Schülerinnen und
     findet bei Schulkindern deutlich stärker über den        Schüler aus bildungsfernen Familien oder Schülerin-
     Austausch in sozialen Medien und weniger über            nen und Schüler, die schon vor der Pandemie
     Treffen mit Freunden statt. 57 Prozent der Kinder        leistungsschwächer waren, besonders unter den
     treffen sich seit Beginn der Pandemie seltener mit       Schulschließungen leiden und Lernverluste erlitten
     Freunden, dafür geben 60 Prozent an, mehr Zeit in        haben (siehe z.B. INSM-Bildungsmonitor 2021: 7).
19    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
      PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

     5. HOMESCHOOLING AUS SICHT VON                                                                  sich selbst einstufen. 80 Prozent der Kinder hatten
                                                                                                     das Gefühl, dass ihre Eltern genügend Zeit investiert
     ELTERN UND KINDERN
                                                                                                     haben. Lediglich sieben Prozent der Kinder fühlten
     Viele Eltern schulpflichtiger Kinder empfanden vor                                              sich zeitlich nicht genügend durch ihre Eltern
     allem die Situation des Homeschoolings während                                                  unterstützt, in zwölf Prozent der Fälle nahmen die
     der Lockdown-Phasen als belastend. Dabei können                                                 Kinder die Homeschooling-Situation unterschiedlich
     unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen – Zeit-                                            wahr.
     mangel, die räumlichen Rahmenbedingungen,                                                       In Bezug auf Hilfestellung bei den Hausaufgaben
     fehlende technische Ausstattung oder auch die                                                   bewerten Eltern und Kinder die Situation ähnlicher.
     plötzliche veränderte Rollenaufteilung zwischen                                                 Die Mehrheit der befragten Erwachsenen sowie der
     Eltern und Kindern sind nur einige davon.                                                       Kinder (jeweils 80 Prozent) ist der Auffassung, dass
     Fast zwei Drittel der Eltern sind der Meinung, beim                                             sie ihren Kindern bei den Hausaufgaben sehr gut
     Homeschooling genug Zeit für die Unterstützung                                                  oder gut weiterhelfen konnten. Bei Eltern, deren
     ihrer Kinder gehabt zu haben. Rund 30 Prozent                                                   ökonomischer Haushaltsstatus niedrig oder mittel
     geben an, der Homeschooling-Situation zeitlich                                                  ist, sinkt diese Einschätzung um etwa zehn Prozent-
     nicht gerecht geworden zu sein und rund zehn Pro-                                               punkte. Auch hinsichtlich der Frage, ob die Eltern
     zent nahmen es unterschiedlich wahr. Die Kinder                                                 ihre Kinder gut zum Lernen motivieren konnten,
     bewerten die zeitliche Verfügbarkeit ihrer Eltern                                               sind die Einschätzungen der Eltern und Kinder fast
     beim Homeschooling deutlich besser als die Eltern                                               deckungsgleich: So gibt jeweils etwa die Hälfte an,

     Aussagen zum Thema Homeschooling von Eltern und Kindern

     Ich habe mir genug Zeit genommen,                                                                                                         Meine Eltern haben sich genug
     um mein Kind/meine Kinder beim                      10 7     19         29             27           44              36             6 12   Zeit genommen, um mich beim
     Homeschooling zu unterstützen.                                                                                                            Homeschooling zu unterstützen.

     Wenn mein(e) Kind(er) Fragen zu                                                                                                           Wenn ich Fragen zu den Haus-
                                                         8   8      32                 44                37              44             5 11
     Hausaufgaben hat/haben, kann ich                                                                                                          aufgaben habe, können mir
     gut weiterhelfen.                                                                                                                         meine Eltern gut weiterhelfen.

     Ich kann mein Kind/meine Kinder                    11 5       28             38             12 12         42             26        4 15   Meine Eltern können mich gut
     gut zum Lernen motivieren.                                                                                                                zum Lernen motivieren.

     Ich bin beim Homeschooling                                                                                                                Ich bin beim Homeschooling
     häufig mit meinem Kind/meinen                       7 7      26          33            20      14    19        31             25     11   häufig mit meinen Eltern anein-
     Kindern aneinander geraten.                                                                                                               ander geraten.

     Homeschooling mehr Unterstüt-                      6 8 14          24             43
     zung durch die Schule gewünscht.
                                                                                                                                                stimme voll und ganz zu
     Beim Thema Homeschooling wur-                                                                                                              stimme eher zu
     de zu viel von den Eltern erwartet.               6 9         30              49

                                                                                                                                                stimme eher nicht zu

                                                                                                                                                stimme überhaupt nicht zu

                                                                                                                                                unterschiedlich/kommt drauf an

     Angaben in Prozent,
     Darstellung: Balkendiagramm, Werte „stimme voll und ganz zu“ bis „stimme überhaupt nicht zu“ + „unterschiedlich“
20    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
      PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

     dass dies sehr gut oder gut gelang. Etwa ein Drittel     EIN GROSSTEIL DER ELTERN HÄTTE MEHR UN-
     der Eltern und der Kinder sind andererseits der          TERSTÜTZUNG GEBRAUCHT
     Meinung, dass die Lernmotivation durch die Eltern
                                                              Insgesamt zeigt der Vergleich zwischen Eltern und
     nicht gut geklappt hätte. Hier zeigen sich, sowohl bei
                                                              Kindern, dass die befragten Eltern die Homeschoo-
     den Auskünften der Eltern als auch der Kinder,
                                                              ling-Situation als schwieriger wahrgenommen
     Unterschiede in Bezug auf die allgemeine Wahrneh-
                                                              haben als ihre Kinder. Diesbezüglich können unter-
     mung der eigenen Corona-Betroffenheit: Je schwieri-
                                                              schiedliche Faktoren eine Rolle spielen. Zum einen
     ger die Umstände insgesamt wahrgenommen
                                                              ist nicht auszuschließen, dass die Befragungssituati-
     wurden, desto weniger konnten die Eltern ihre
                                                              on der Kinder – der Fragebogen wurde zum Teil mit
     Kinder zum Lernen motivieren.
                                                              einem Elternteil zusammen ausgefüllt – teilweise zu
     Stark auseinander klafft die Einschätzung der Eltern     einer positiven Verzerrung der Antworten geführt
     und Kinder in Bezug auf Konfliktsituationen beim         hat. Anderseits ist auch gut vorstellbar, dass Kinder
     Homeschooling – wieder nehmen die Eltern das             eine geringere Erwartungshaltung an ihre Eltern
     Homeschooling rückblickend deutlich negativer            hatten, als diese an sich selbst. Schließlich spielt
     wahr. So geben fast 53 Prozent der befragten Eltern      sicherlich auch die Gesamtbelastung der Eltern und
     an, dass es sehr oft oder oft zu Konfliktsituationen     die Verantwortung für ihre Kinder in dieser Situati-
     kam, bei den Kindern sind es nur ein Drittel der         on eine Rolle für die negativere Wahrnehmung.
     Befragten. Mütter sind noch deutlich kritischer als
                                                              Die Überforderung vieler Eltern bezüglich des
     Väter. Kapp 60 Prozent geben an, häufig mit ihrem
                                                              Homeschoolings wird auch durch zwei Fragen
     Kind/ihren Kindern beim Homeschooling aneinan-
                                                              deutlich, die ausschließlich den Eltern gestellt
     der geraten zu sein. Bei alleinerziehenden Eltern
                                                              wurden und das Verhältnis dieser zur Bildungsein-
     sind es sogar 65 Prozent, die dieser Meinung sind.
21    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
      PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

     richtung ihrer Kinder betreffen. So wünschen sich       vielen Bereichen noch nicht absehbar. Dennoch hat
     siebzig Prozent der Eltern, sie hätten mehr Unter-      sich seit Pandemiebeginn vieles geändert. Obwohl
     stützung durch die Schule beim Homeschooling            durch die massive Omikron-Welle mehr Menschen
     bekommen. Die mangelnde Unterstützung der               als zuvor persönlich von einer Infektion betroffen
     Schule wird dabei insbesondere von Eltern, die ihre     sind – insbesondere Familien mit Kindern – sind die
     persönliche Corona-Situation insgesamt als (sehr)       meisten Krankheitsverläufe, aber auch die angeord-
     schwierig betrachten, beanstandet. Für fast ein         nete Isolation bzw. Quarantäne im wahrsten Sinne
     Viertel der Befragten war die Unterstützung der         oftmals „milder“ als es zu Beginn der Pandemie war.
     Schule fast immer oder immer ausreichend. Die           Viele Menschen – jedoch längst nicht alle – nehmen
     Meinung, dass die Schule beim Homeschooling zu          die Pandemie und das Virus trotz der hohen Inziden-
     hohe Erwartungen an die Eltern gestellt hätte,          zen inzwischen als weniger bedrohlich wahr. Hier
     vertreten sogar 80 Prozent aller Befragten. Dies wird   spielen sowohl gesellschaftliche und medizinische
     überdurchschnittlich häufig von Alleinerziehenden,      Entwicklungen eine Rolle als auch die persönlichen
     Eltern mit mehr als zwei Kindern und Befragten, die     Rahmenbedingungen. Die Ergebnisse dieser Studie
     ihre persönliche Corona-Situation als schwierig         können aufgrund des dynamischen Pandemiever-
     erachten, so eingeschätzt.                              laufs nur einen begrenzten Einblick auf die Folgen
                                                             der Pandemie für Familien geben.

     6. ZWISCHENFAZIT UND AUSBLICK                           SEHR UNTERSCHIEDLICHE ANFORDERUNGEN
                                                             FÜR ELTERN UND KINDER
     Die Corona-Pandemie mit all ihren wirtschaftlichen
                                                             Die hier bisher dargestellten Ergebnisse machen
     und gesellschaftlichen Folgen ist auch nach zwei
                                                             jedoch deutlich, dass Eltern und Kinder die Pande-
     Jahren immer noch das vorrangige Thema in
                                                             mie zwar nicht gänzlich anders erlebt haben, die
     Deutschland und vielen anderen Ländern. Die
                                                             Folgen für das eigene Leben und den eigenen Alltag
     langfristigen Auswirkungen der Pandemie sind in
22    FAMILIENALLTAG IN DER CORONA-PANDEMIE
      PROJEKTREPORT MÄRZ 2022

     aber durchaus unterschiedlich bewerten. Eltern         durch das Leben in einem eher gut bzw. in einem
     belastet(e) die Pandemie-Situation und insbesonde-     eher schlecht situierten Viertel. Zwar bestehen hier
     re die beiden Phasen der Lockdowns, stärker als ihre   oft die erwartbaren Unterschiede, jedoch fallen sie
     Kinder. Dahinter steht natürlich zum einen das         nicht so eindeutig aus, wie zu erwarten gewesen
     Bewusstsein, für das Wohlergehen der Familie und       wäre. Die Corona-Anforderungen können so eine
     der Kinder verantwortlich zu sein. Hinzu kommt die     individuell stabile Familie in einer schlechten
     reale Schwierigkeit, Familie und Beruf ohne oder mit   Lebenssituation möglicherweise weniger zusetzen
     nur eingeschränkter Kinderbetreuung miteinander        als in einer Familie, deren äußere Lebensbedingun-
     zu vereinbaren. Kommen erschwerte Rahmenbedin-         gen gut, deren Zusammenhalt aber weniger positiv
     gungen hinzu – wie beispielsweise finanzielle oder     ausfällt. Diesem Zusammenspiel aus äußeren
     gesundheitliche Sorgen, eine schwierige räumliche      Rahmenbedingungen und individueller Situation
     oder aber auch familiäre Situation – steigt auch die   sind wir bisher erst in Ansätzen nachgegangen. Hier
     Belastung spürbar. Diese ist neben beruflichen,        stehen weitere Auswertungen und abschließende
     finanziellen oder gesundheitlichen Einschränkun-       qualitative Erhebungsbausteine noch aus.
     gen vor allem auch psychischer Natur. Gerade die
                                                             Zum Zeitpunkt der Befragung hatten sicherlich viele
     Ergebnisse im Hinblick auf das Homeschooling
                                                             Familien die Hoffnung, Corona bald hinter sich
     zeigen, dass die Eltern möglicherweise auch unter
                                                             lassen zu können. Diese Hoffnung und die insge-
     den eigenen Ansprüchen leiden, die Pandemiesitua-
                                                             samt relativ gute Stimmungslage zum Befragungs-
     tion bestmöglich zu bewältigen und dem Alltag
                                                             zeitpunkt im Sommer 2021 spiegeln sich in den
     ihrer Kinder Stabilität zu geben. Dabei fehlt den
                                                             Ergebnissen wider. Eine erneute Befragung der
     meisten Eltern – zumindest in einigen Phasen der
                                                             Familien zum jetzigen Zeitpunkt wäre mit Sicherheit
     Pandemie – der Ausgleich durch eigene Freizeit,
                                                             ein Erkenntnisgewinn. So könnte sich zeigen, ob die
     Freizeit mit dem Partner oder der Partnerin und
                                                             Dauer der Pandemie und die ungewisse Zukunft
     soziale Kontakte außerhalb des Haushalts.
                                                             eher zu Zermürbungs- oder Gewöhnungsprozessen
                                                             bei den Familien geführt haben und welche Rolle in
     WEITERE ANALYSEN ZU AUSWIRKUNGEN DES
                                                             diesem Zusammenhang soziale Ungleichheit spielt.
     UMFELDS FOLGEN
                                                             Dass sozial schwächere Familien öfter von negativen
     Auch die Kinder erleben die Pandemie in Bezug auf       Folgen der Pandemie betroffen sind, bestätigen auch
     Freizeitmöglichkeiten und soziale Kontakte als          die Ergebnisse unserer Studie – sowohl im Hinblick
     Verschlechterung zu vorher. Mit offenen Schulen         auf die Kinder als auch die Eltern. Die Ergebnisse der
     und Kindergärten ist aber zumindest der Kontakt         qualitativen Interviews, die im Rahmen dieses
     und Austausch mit Gleichaltrigen möglich, der für       Projektes durchgeführt wurden und die zurzeit von
     die Kinder in dieser Pandemiezeit so wichtig ist.       der Universität Hamburg ausgewertet werden,
     Dennoch offenbaren die Ergebnisse auch bei den          werden diesbezüglich noch weitere Erkenntnisse
     Kindern, unabhängig vom Homeschooling, eine             bringen. Erste Ergebnisse der qualitativen Familien-
     Verschiebung des Sozialen sowie des Freizeitverhal-     interviews wurden bereits im Kolloquium des WZB
     tens in die digitale Welt – die Folgen dessen werden   „Soziologische Perspektiven auf die Corona-Perspekti-
     sich erst noch zeigen müssen. Aber es ist anzuneh-      ve“ präsentiert. Weitere Ergebnisse sollen im März
     men und dies deuten auch unsere Ergebnisse an,          2022 in Gremien der Bremerhavener Sozialverwal-
     dass der familiäre Background der Kinder eine große     tung und im Sommer in einem geeigneten Rahmen
     Rolle bei der Bewältigung der Pandemie spielt.          in Schwerin vorgestellt werden. Zudem ist die
     Möglicherweise ist gerade dieser Effekt sogar größer    Veröffentlichung von wissenschaftlichen For-
     als der äußerer Rahmenbedingungen, ausgedrückt          schungsartikeln geplant.
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