Flexibilisierung industrieller Eigenerzeugung - Potenziale zur Netzentlastung auf Verteilnetzebene - Bayernwerk AG
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DEZENTRALISIERUNG – FLEXIBILITÄT Flexibilisierung industrieller Eigenerzeugung – Potenziale zur Netzentlastung auf Verteilnetzebene Kirstin Ganz, Patrick Dossow, Alexander Jäger, Philipp Bühner, Thomas Friedl, Rainer Häring und Serafin von Roon In vielen Regionen Deutschlands stellt die hohe fluktuierende Stromerzeugung aus Photovoltaik (PV) vor allem die Verteilnet- ze vor große Herausforderungen. Die dargebotsabhängige Erzeugung weicht dabei häufig von dem tatsächlichen Verbrauch ab. Als Alternative für dafür notwendige Netzausbaumaßnahmen wird in diesem Artikel der flexible Betrieb des Industriekraft- werkes am UPM-Standort in Plattling zur Entlastung des Bayernwerk-Verteilnetzes technisch analysiert. In den nächsten Jahren wird von einem Erhöhung der Erzeugungsvolatilität vor die gezielte Nutzung von Flexibilitäten stark wachsenden Anteil erneuerbarer allem in den ländlichen Gebieten auf Verteil- („Flexibility“) zu sog. „Flexumern“ werden Energien (EE) im Strom-Erzeugungsmix netzebene führt zu einer zeitlichen Diskre- [4]. Mögliche Flexumer können Industrie- ausgegangen, der in Bayern vor allem durch panz zwischen Verbrauch und Erzeugung. standorte sein, welche entweder bereits vor- PV geprägt sein wird [1, 2]. Untersuchungen Regional betrachtet kann es in vielen Zeit- handene industrielle Stromerzeugungsan- haben gezeigt, dass immer mehr ländliche punkten zu einer Überdeckung und somit lagen (industrielle Eigenerzeugung) flexibel Regionen künftig einen bilanziellen Ener- zu Rückspeisungen aus dem Verteilnetz in und netzdienlich betreiben oder ihren Ver- gieüberschuss aufweisen werden. Daneben das übergeordnete Netz kommen, während brauch über Änderung ihrer Produktions- wird es Lastzentren mit einem hohen Ener- zu anderen Zeitpunkten bei einem Rückbau prozesse anpassen. giebedarf geben. der konventionellen Kraftwerksleistung eine Unterdeckung der Last wahrscheinlicher wird. Industrielle Eigenerzeugung spielt in In Analogie zu einer Blume konnte für das Deutschland eine wichtige Rolle. Insbeson- Versorgungsgebiet von Bayernwerk gezeigt Die klassische Maßnahme, um der Überlas- dere aufgrund hoher Volllaststunden sind werden, dass ein Lastzentrum in der Mitte tung des Verteilnetzes vorzubeugen, ist die die existierenden Kraftwerke zur industri- („Blütenkelch“) häufig von einer ländlichen Verstärkung oder der Ausbau des Netzes, ellen Eigenerzeugung gegenwärtig für ca. Struktur mit Erzeugungsüberschuss („Blü- wobei dies mit hohen Kosten verbunden ist 9 % der deutschen Stromerzeugung verant- tenblätter“) umgeben ist. Die Analysen mün- [3]. Eine weitere, potenziell kosteneffizien- wortlich, wodurch mehr als 20 % des Strom- deten im „Flower.Power Energiekonzept“ [2] tere Möglichkeit könnte die Nutzung regio- verbrauchs des Industriesektors gedeckt und die Herausforderung besteht in der naler Flexibilität zur Netzentlastung auf werden kann. Vorangegangene wissenschaft- sinnvollen energetischen Verknüpfung von Verteilnetzebene sein. Dadurch können liche Analysen haben gezeigt, dass ein Last- und Überschussregionen. Denn die einstige Konsumenten („Consumer“) durch marktgetriebener, flexibler Betrieb für Kraft- Abb. 1 Methodik-Schaubild zur Ermittlung der zukünftigen Netzlast ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. 2021 Heft 9 63
DEZENTRALISIERUNG – FLEXIBILITÄT werke der industriellen Eigenerzeugung nur die Netzlast quantifiziert. Technische an dem Netzentwicklungsplan, ange- mit Ausnahmen wirtschaftlich sinnvoll und Limitationen der KWK-Anlage werden nommen [9]. nicht immer systemdienlich ist, was vor nicht berücksichtigt. ■ Weitere Erzeuger (beispielsweise Wind- allem damit zusammenhängt, dass 70 % der ■ In einem letzten Schritt wird eine pra- kraftanlagen oder Wasserkraftwerke) Eigenerzeugung auf KWK-Anlagen zurück- xistaugliche Fahrweise und damit eine sind in der betrachteten Region nicht zuführen sind [5]. Da sich aber unabhängig realistische Potenzialeinschätzung vorhanden. von wirtschaftlichen Betrachtungen potenzi- des Beitrags zur Netzentlastung durch ell die Möglichkeit zur Netzentlastung bietet, Herleitung und Anwendung einfacher Mithilfe dieser Inputdaten kann – wie in wird im Folgenden die mögliche Entlastung Regeln für den Betrieb der KWK-Anla- Abb. 1 dargestellt – die zukünftige Netzlast auf Verteilnetzebene durch flexible industri- ge ermittelt und mit den Ergebnissen ermittelt werden. Hierzu wird die heutige elle Eigenerzeugung detailliert betrachtet. aus dem zweiten Schritt verglichen. Residuallast (Stromverbrauch abzüglich der volatilen EE Erzeugung) aus der heutigen In der vorgestellten Studie wird anhand der Die Analyse fußt auf bereitgestellten Real- Netzlast, der heutigen Biomasseerzeugung Region Plattling (Bayernwerk-Netzgebiet) daten des Netzbetreibers Bayernwerk und und dem heutigen Erzeugungsgang der mit einem großen Papier-Industriestandort des UPM Industriestandortes, die durch KWK-Anlage berechnet. Die heutige Strom- der UPM (mit industriell genutzter Gas- Modelldaten ergänzt werden. verbrauchskurve der Region ergibt sich aus KWK-Anlage) und einer hohen PV-Durch- der heutigen Residuallast zuzüglich des heu- dringung auf Basis realer Daten das Poten- Bayernwerk stellte die Netzlast 2019 in dem tigen PV-Erzeugungslastgangs. Die Strom- zial zur Netzentlastung bei der Flexi- ausgewählten Netzgebiet am Trafopunkt ins verbrauchskurve gliedert sich wiederum auf bilisierung der industriellen Eigenerzeu- übergeordnete Netz sowie weitere Mess- in den aktuellen Stromverbrauch des Indus- gung quantifiziert, wobei nicht auf wirt- punkte an Übergabestellen bereit. Hierbei triestandortes und den sonstigen heutigen schaftliche Aspekte eingegangen wird. wurde das 110-kV-Netz zur Vereinfachung Stromverbrauch. Der sonstige Stromver- Zusätzlich wird die energiewirtschaftliche in der Analyse nicht berücksichtigt. UPM brauch der Region wird als konstant über Bedeutung der Flexibilisierung für die lieferte für die Untersuchung 2019 jeweils die Jahre bis 2035 angenommen, da die teil- Region und für Deutschland analysiert [6]. den Erzeugungsgang der KWK-Anlage und weise gegenläufigen Effekte wie Elektrifizie- den Stromverbrauch des Standorts. Zur Ab- rung und Effizienzmaßnahmen auf regio- Methodik zur Bewertung des schätzung des zukünftigen Flexibilitätspo- naler Ebene keine eindeutige Richtung vor- Potenzials der Flexibilisierung tenzials des Industriestandorts wurden für hersagen lassen [11]. Daher kann dieser industrieller Eigenerzeugung die folgenden Jahre basierend auf Plänen zusammen mit dem zukünftigen syntheti- zur Netzentlastung und aktuellen technischen Umstellungen schen Stromverbrauch des Industriestand- synthetische Lastgänge (KWK-Anlage und ortes zu dem zukünftigen Gesamtstromver- Um das Potenzial der Flexibilisierung in- Verbrauch) erstellt. brauch der Region zusammengefasst werden. dustrieller Eigenerzeugung zur Netzentlas- Aus diesem und der zukünftigen PV-Erzeu- tung heute und zukünftig untersuchen zu Zur Abschätzung der heutigen und zukünf- gung resultiert die zukünftige Residuallast, können, wurde eine dreiteilige Methodik tigen sonstigen Erzeugungssituation in der welche dann zusammen mit dem zukünfti- entwickelt, durch die regionale Effekte der Region wurden folgende Modelldaten hin- gen Erzeugungsgang der KWK-Anlage die Flexibilisierung darstellbar werden: zugezogen: zukünftige Netzlast ergibt. ■ In einem ersten Schritt wird die zu- ■ PV-Erzeugungsgang 2019: Verschnei- Im zweiten Schritt folgt die Bestimmung künftige Netzlast 2035 in Plattling dung der installierten Leistung aus des Flexibilitätspotenzials. Hierfür wird ohne die Flexibilisierung industrieller 2019 [7] mit einem modellierten Erzeu- die Jahresdauerlinie der Netzlast in zwei Eigenerzeugung anhand des zukünfti- gungsgang basierend auf den Strah- Bereiche eingeteilt: Ein Bereich mit der gen Stromverbrauchs und der zukünfti- lungsdaten der Region [8]. Netzlast größer Null – entspricht einem gen Erzeugung der Region ermittelt ■ PV-Erzeugungsgänge 2025 bis 2035: Strombezug in die Region – und ein zweiter (siehe Abb. 1). Die Netzlast ist hierbei Zur Ermittlung der installierten Leis- Bereich mit der Netzlast kleiner Null – ent- definiert als der Stromverbrauch der tung in der Region werden die regio- spricht einer Rückspeisung der Region in Region abzüglich der Erzeugung der nale Verteilung aus dem Netzentwick- das vorgelagerte Netz. Zur vollständigen Region (PV, Biomasse und KWK-Anlage lungsplan Version 2019 [9] sowie die Flexibilisierung wird die Leistung der des UPM-Standortes) zu jedem Zeit- Ausbaupfade der EEG-Novelle 2021 [10] KWK Anlage bei einer Netzlast größer Null punkt. (mit Extrapolation bis 2035) verschnit- erhöht, sofern diese nicht schon auf Volllast ■ In einem zweiten Schritt wird das ten. Die so ermittelten installierten betrieben wird. Bei einer Netzlast kleiner Flexibilitätspotenzial der KWK-Anlage PV-Leistungen dienen zur Skalierung Null wird die Leistung der KWK-Anlage re- anhand der zukünftigen Netzsituation des PV-Erzeugungsgangs 2019. duziert, sofern das Kraftwerk noch nicht idealisiert unter der Annahme eines ■ Bei der Biomasseerzeugung wird für vollständig heruntergefahren ist. Hierbei vollständig flexiblen Kraftwerkbetriebs alle Jahre ein Strichprofil und eine kon- wird nicht berücksichtigt, ob die durch die bestimmt und die Auswirkungen auf stante installierte Leistung, angelehnt KWK-Anlage erzeugte Wärme ausreicht 64 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. 2021 Heft 9
DEZENTRALISIERUNG – FLEXIBILITÄT Abschalten des Kraftwerks entspricht. Wie bei dem vollständig flexiblen Kraftwerks- betrieb wird auch bei der regelbasierten Fahrweise der Wärmebedarf nicht berück- sichtigt und ein ausreichend großer Wär- mespeicher vorausgesetzt. Basierend auf den Ergebnissen der ideali- sierten Flexibilisierung kann vor allem zu Mittagszeiten eine Reduktion des Kraft- werkeinsatzes beobachtet werden. Je nach Jahreszeit verändert sich sowohl die Breite als auch der Start der Zeiträume mit redu- ziertem Kraftwerkseinsatz. Außerdem wird die Power-to-Heat-Anlage nur bei hoher PV-Erzeugung zugeschaltet, bei mittlerer PV-Erzeugung reicht die Reduzierung der Abb. 2 Regelbasierte Fahrweise für die verschiedenen Typtage KWK-Anlage auf minimale Teillast. Bei sehr geringer PV-Erzeugung erfolgt keine Reduktion des Kraftwerkseinsatzes zur bzw. bei Überschusserzeugung gespeichert Für diese regelbasierte Flexibilisierung Mittagszeit. werden kann. Außerdem wird jede Stufe werden zunächst 12 Typtage ermittelt, die der Teillast als möglich angenommen. Da zum einen von den vier Jahreszeiten und Ergebnisse: zukünftige dies nicht den technischen Restriktionen zum anderen von der täglichen PV-Erzeu- Netzlast mit und ohne des Einsatzes einer KWK-Anlage entspricht, gung abhängen (siehe Abb. 2). Je nach mitt- Flexibilisierung wird dieser Betrieb als Flexibilitätspotenzial lerem typtagespezifischen Fahrprofil bei und nicht als technisch verfügbare Flexibili- vollständig flexiblem Kraftwerkseinsatz Entsprechend der Methodik sind die Ergeb- tät interpretiert. werden Regeln für die regelbasierte Fahr- nisse dreigeteilt. Zuerst erfolgt eine Auswer- weise festgelegt. Hierbei wird das Kraft- tung zu der zukünftigen regionalen Netzlast Um die technisch verfügbare Flexibilität werk zwischen Volllast und minimal mög- ohne Flexibilisierung (2035), dann mit idea- bzw. den Unterschied dieser zum Flexibili- licher Teillast – abhängig von den tech- lisierter Flexibilisierung (2035 – idealisiert) tätspotenzial abschätzen zu können, wird nischen Limitationen des Kraftwerks – und zuletzt bei einer regelbasierten Fahr- im dritten und letzten Schritt eine einfache gefahren. Bei weiterem Reduktionsbedarf weise des Kraftwerks (2035 – regelbasiert). Regelung der KWK-Anlage erstellt, bei der wird eine fiktive Power-to-Heat-Anlage In Abb. 3 ist die maximale negative und für spezifische Typtage eine festgelegte hinzugeschaltet, sodass sich der Stromver- positive Netzlast jeweils dargestellt, in Abb. 4 Fahrweise des Kraftwerks hinterlegt wird. brauch erhöht und rechnerisch dem totalen jeweils der Effekt auf die Region quantifi- ziert. Vor allem im negativen Bereich der Netzlast (d. h. Rückspeisung ins übergeordnete Netz) ergeben sich im Fall ohne Flexibilisierung bis 2035 Veränderungen. Die Anzahl der Stunden negativer Netzlast bleiben zwar ähnlich, jedoch steigt die maximale negative Netzlast am Trafo ohne Flexibilisierung um 46 % auf 264 MW. An 142 h pro Jahr wird damit eine höhere Belastung als heute am Trafo ermittelt. Durch die Zunahme an PV in der Region steigt der Anteil des lokal genutz- ten erneuerbaren Stroms bezogen auf den Gesamtverbrauch der Region von 6 % auf 9 %. Der Großteil der zusätzlichen PV-Erzeu- gung kann jedoch nicht direkt in der Region verbraucht werden, weswegen die Strom- Abb. 3 Ergebnisse maximale negative und positive Netzlast mit und ohne Flexibilisierung exporte aus der Region bis 2035 um 57 % ansteigen. ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. 2021 Heft 9 65
DEZENTRALISIERUNG – FLEXIBILITÄT Abb. 4 Einfluss der Flexibilisierung auf die Region Im Fall der idealisierten Flexibilisierung der Wird statt von einer idealisierten Flexibili- Redispatch 2.0, Netzverluste, CO2 Bilanz, KWK-Anlage sind verschiedene Aspekte zu sierung der KWK-Anlage die beispielhafte verbraucherseitiger Bedarf an kleinteiligen beobachten. Zum einen reduziert sich die regelbasierte Fahrweise angewendet, so Flexibilitäten und Versorgungssicherheit maximale negative Netzlast am Trafo im Ver- sind dieselben Effekte zu beobachten, jedoch gesetzt. Durch die Flexibilisierung wird der gleich zum unflexiblen Fall deutlich, sodass mit geringerer Ausprägung. Der Maximal- maximale Betrag der Netzlast am Trafo die Rückspeisungen in der Region auf dem betrag der Netzlast bleibt nahezu identisch, reduziert, was einen positiven Einfluss so- heutigen Niveau gehalten werden können. da die regelbasierte Fahrweise alle großen wohl auf den zukünftigen Netzausbaubedarf Auch bei idealisierter Flexibilisierung erfol- PV-Spitzen ebenfalls abfangen kann. Aller- in der Region als auch auf den zukünftigen gen jedoch weiterhin Rückspeisungen. Zum dings werden durch die festen Regeln für Bedarf an Redispatch-2.0-Maßnahmen in der anderen wird im Bereich geringer positiver einen gesamten Jahreszeitbereich gerade am Region hat. Außerdem sinken die Rückspei- und negativer Netzlast durch die idealisierte Anfang und Ende einer Saison die Sonnen- sungen ins übergeordnete Netz, wodurch Flexibilisierung über einen großen Anteil scheindauer und damit der PV-Erzeugungs- Netzverluste zwar nicht in der Region, aber des Jahres eine Netzlast nahe Null (< 5 MW gang zeitlich etwas unter- bzw. überbewer- insgesamt reduziert werden, da Strom weni- für 5.755 h/a) erreicht, sodass nur gering- tet, was in einem Unter- bzw. Überschwingen ger weit transportiert und stärker regional fügig Netzbezug und Rückspeisungen erfor- der Netzlast resultiert. Dadurch werden verbraucht wird. Der regionale Verbrauch derlich sind. Dadurch reduzieren sich auf das auch – anders als bei der idealisierten Flexi- der PV-Erzeugung sorgt zudem für eine gesamte Jahr gesehen sowohl Netzbezug als bilisierung – sehr selten Zeitpunkte mit bessere CO2-Bilanz in der Region und am auch Rückspeisungen auf 34 % bzw. 28 % der einer Netzlast von exakt Null bzw. nahe Null Industriestandort. Energiemenge von 2035 ohne Flexibilisie- erreicht. So steigen die Energiemengen des rung. Die Flexibilisierung hat jedoch keinen Netzbezugs und der Rückspeisung über das Insgesamt hat die KWK-Anlage des Indus- Einfluss auf den Maximalwert des positiven gesamte Jahr gesehen. Dies ist netztech- triestandortes einen hohen Deckungsbei- Netzbezugs, da dieser während Revisions- nisch jedoch nicht problematisch, da es die trag am Stromverbrauch in der Region, so- zeiten des Kraftwerks auftrifft, welche auch Maximalbeträge sind, die den Netzausbau dass dort bei einer Flexibilisierung der bei der idealisierten Flexibilisierung weiter- bzw. die Abregelung in der Region bestimmen. industriellen Eigenerzeugung ein großer hin als notwendig berücksichtigt worden Teil des zukünftigen Flexibilitätsbedarfs sind. Außerdem sorgt die Flexibilisierung Auswirkungen auf das gedeckt werden kann. Gleichzeitig sorgt eine für die Integration des regionalen PV-Stroms. Energiesystem mögliche Flexibilisierung für eine erhöhte Es können bis zu 29 % des regionalen Strom- Wahrscheinlichkeit, dass die gesicherten bedarfs durch regionalen PV-Strom gedeckt Um den Einfluss der Flexibilisierung der Erzeugungskapazitäten der Gas-KWK-Anlage werden. Insgesamt sinken die Stromexporte KWK-Anlage auf das Energiesystem regio- des Industriestandortes erhalten bleiben, aus der Region auf unter die Hälfte des heuti- nal und deutschlandweit zu analysieren, was sich positiv auf die Versorgungssicher- gen Niveaus, während ohne Flexibilisierung werden die zuvor quantifizierten Ergebnisse heit in der Region auswirkt. Insgesamt kön- vor allem PV-Strom ins übergeordnete Netz in direkten Bezug zu relevanten energie- nen somit positive Effekte durch die Flexibi- zurückgespeist werden würde. wirtschaftlichen Aspekten wie Netzausbau, lisierung der industriellen Eigenerzeugung 66 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. 2021 Heft 9
DEZENTRALISIERUNG – FLEXIBILITÄT zur Stabilisierung des regionalen Verteil- erzeugung zur Netzentlastung“ einen posi- [7] Marktstammdatenregister – Öffentliche netzes, für das Energiegesamtsystem und tiven Einfluss auf die Netzsituation regional Marktakteursübersicht: https://www.markt- zur Stärkung des Industriestandortes in und überregional hat. stammdatenregister.de/MaStR/Akteur/ Plattling beschrieben werden. Marktakteur/IndexOeffentlich; Bonn: Bundes- Bei der Umsetzung innovativer Konzepte netzagentur, 2020. Fazit stehen Industriekunden und Verteilnetz- [8] MERRA-2 – Modern-Era Retrospective analysis betreiber vor mehreren Herausforderun- for Research and Applications, Version 2: https:// In der vorgestellten Studie wurde analy- gen. Netzorientierte Nutzung von Flexibi- gmao.gsfc.nasa.gov/reanalysis/; Greenbelt siert, inwieweit in Regionen mit hoher PV- lität wird nicht nur aufgrund der fehlen- (MD, USA): Global Modeling and Assimilation Durchdringung die Flexibilisierung von den regulatorischen Rahmenbedingungen Office (GMAO), 2018. KWK-Anlagen an großen Industriestandor- nicht ausreichend angereizt, sondern kann [9] Netzentwicklungsplan Strom 2030 (Version ten genutzt werden kann, um zur Netzent- sogar zu erheblichen wirtschaftlichen Nach- 2019), zweiter Entwurf. Berlin, Dortmund, lastung und zur Integration von PV-Erzeu- teilen für Industrieunternehmen führen Bayreuth, Stuttgart: 50Hertz Transmission gung beizutragen. Hierfür wurde eine (hohe Leistungsspitze, Baukostenzuschuss, GmbH, Amprion GmbH, TenneT TSO GmbH, konkrete Region herausgesucht und diese ggf. keine Sondernetznutzungsentgelte TransnetBW GmbH, 2019. anhand von Realdaten bewertet. Unter den mehr). Erschwerend kommt hinzu, dass [10] Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien getroffenen Annahmen zeigen die Analy- durch eine grundsätzlich hohe Umlagen- (Erneuerbare- Energien-Gesetz - EEG 2021). sen, dass die Flexibilisierung einer KWK- und Abgabenbelastung vor allem flexible Ausgefertigt am 2014-07-21, Version vom Anlage (sowohl bei idealisierter Flexibili- Stromanwendungen in der Sektorenkopp- 2020-12-21; Berlin: Bundesregierung, 2020. sierung als auch schon bei einfachen lung behindert werden. Als nächster Schritt [11] Fattler, S. et al.: Dynamis Hauptbericht – Regelungen) eines großen Industriestand- sollte daher eine wirtschaftliche und eine Dynamis – Dynamische und intersektorale ortes die Netzlast in einer Region harmoni- regulatorische Bewertung erfolgen, da eine Maßnahmenbewertung zur kosteneffizienten sieren und damit Überlastungen des Ver- Umsetzung des Konzepts maßgeblich von Dekarbonisierung des Energiesystems – Online: teilnetzes vorbeugen kann. Vor allem kann diesen Rahmenbedingungen abhängig ist. https://www.ffe.de/dynamis. München: die in den nächsten 15 Jahren zu erwarten- Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V., 2019. de sehr hohe Rückspeiseleistung durch die Literatur DOI: 10.34805/ffe-144-19. Flexibilisierung stark reduziert werden, sodass die heute schon auftretende Rück- [1] Bayerisches Aktionsprogramm Energie – speiseleistung zukünftig voraussichtlich Energie für die Menschen mit den Menschen. K. Ganz und P. Dossow, wissenschaftliche nicht überschritten wird. München: Bayerisches Staatsministerium für Mitarbeiter, S. von Roon, Geschäftsführer, Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, FfE GmbH, München; A. Jäger, Referent für Die KWK-Anlage kann bei Flexibilisierung 2019. Strategische Sonderprojekte und Grundsatz- das durch die PV-Erzeugung verursachte [2] Westphal, E. et al.: Zukunft der bayerischen fragen, Bayernwerk AG, P. Bühner, Teamlei- Tag-Nacht-Gefälle ausgleichen, wobei die- Energielandschaft. In: emw – Energie. Markt. ter Erzeugung & Speicher, Bayernwerk Netz ser Effekt je nach Jahreszeit unterschied- Wettbewerb. Erzeugung & Infrastruktur 1. GmbH, Regensburg; T. Friedl, Head of Energy lich stark ausfällt. Auf Basis dieser Essen: Bayernwerk AG, 2020 Market Operations, R. Häring, Director Energy Erkenntnis können einfache, realistische [3] Attributliste des 110-kV-Netzausbauplans gem. Western Europe, UPM GmbH, Augsburg Regeln für den Betrieb der KWK-Anlage § 14-Maßnahmen in der Hochspannungsebene kganz@ffe.de basierend auf Jahreszeit und der zu erwar- (110 kV) in den nächsten 10 Jahren. Regensburg: tenden PV-Erzeugung entwickelt werden. Bayernwerk Netz GmbH, 2020. Eine solche Regelung kann das Netz bei nur [4] Westphal, E. et al.: Flexumer als Gestalter der leichter Reduktion der Volllaststunden und digitalen Energiezukunft – Eine Begriffseinord- leicht erhöhten Stillstandszeiten des Kraft- nung. In: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 7/8. werks maßgeblich (ähnlich zu der ideali- Berlin: Bayernwerk AG, Forschungsstelle für sierten Flexibilisierung) entlasten. Zur opti- Energiewirtschaft e. V., 2019. malen Integration auftretender PV-Spitzen [5] Dossow, P. et al.: Relevance and chances for ist die Einbindung weiterer Verbraucher industrial on-site generation of electricity for wie beispielsweise Power-to-Heat-Elementen high market shares of renewable energies. oder anderen Power-to-X-Technologien sinn- München: Forschungsgesellschaft für Energie- voll. Eine völlig flexible Fahrweise des wirtschaft mbH, 2019. > PRINT Kraftwerks mit täglichen Abschaltungen [6] Martens, C.: Industrie als Stütze für die regionale > ONLINE zur Mittagszeit wird aufgrund technischer Energiezukunft. In: https://www.bayernwerk.de/ > DIGITAL Restriktionen nicht möglich sein. de/ueber-uns/newsroom/presse.html#/ pressreleases/industrie-als-stutze-fur-die-regio- Weitere Informationen unter: Insgesamt zeigt die Studie, dass das Kon- nale-energiezukunft-3055416. (Abruf am zept „Flexibilisierung industrieller Eigen- 2021-05-12); Plattling: Bayernwerk, 2020. www.et-magazin.de ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. 2021 Heft 9 67
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