FLIGHT-TO-SAFETY UND SAFE-HAVEN-ASSETS - Ein Entwurf eines Safe-Haven-Indikators - JKU ePUB

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FLIGHT-TO-SAFETY UND SAFE-HAVEN-ASSETS - Ein Entwurf eines Safe-Haven-Indikators - JKU ePUB
Eingereicht von
 Julian Haidenthaler

 Angefertigt am
 Institut für betriebliche
 Finanzwirtschaft
 Abteilung für Asset

FLIGHT-TO-SAFETY
 Management

 Beurteiler

UND Univ.-Prof. Dr.
 Teodoro D. Cocca

SAFE-HAVEN-ASSETS Mitbetreuung
 Andreas Göttfert, MSc.

 September 2021
Ein Entwurf eines Safe-Haven-Indikators

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magister der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
im Diplomstudium

Wirtschaftspädagogik

 JOHANNES KEPLER
 UNIVERSITÄT LINZ
 Altenberger Straße 69
 4040 Linz, Österreich
 jku.at
FLIGHT-TO-SAFETY UND SAFE-HAVEN-ASSETS - Ein Entwurf eines Safe-Haven-Indikators - JKU ePUB
Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw.
 die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

 Linz, 21.09.2021

 Julian Haidenthaler
FLIGHT-TO-SAFETY UND SAFE-HAVEN-ASSETS - Ein Entwurf eines Safe-Haven-Indikators - JKU ePUB
Inhalt

Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................... II

Tabellenverzeichnis .............................................................................................................. II

Einleitung .............................................................................................................................. 1

1 Financial Contagion und Flight-to-Safety ..................................................................... 3

 1.1 Charakterisierung und empirische Grundlagen ..................................................... 4

 1.2 Theoretische Modelle ............................................................................................ 8

2 Safe-Haven-Assets....................................................................................................... 10

 2.1 Edelmetalle .......................................................................................................... 13

 2.1.1 Gold ................................................................................................................. 14

 2.1.2 Weitere Edelmetalle ........................................................................................ 20

 2.2 Währungen........................................................................................................... 22

 2.2.1 Staatliche Währungen ...................................................................................... 23

 2.2.2 Kryptowährungen ............................................................................................ 29

 2.3 Anleihen .............................................................................................................. 32

 2.4 Rohstoffe, Immobilien und alternative Assets .................................................... 35

3 Konstruktion des Safe-Haven-Indikators .................................................................... 37

 3.1 Daten und Methodologie der Indikatorkonstruktion ........................................... 38

 3.2 Der Safe-Haven-Indikator während Krisenzeiten ............................................... 44

 3.3 Ein alternativer Safe-Haven-Indikator................................................................. 48

4 Testung von Anlagestrategien ..................................................................................... 53

 4.1 Festlegung von Anlagestrategien......................................................................... 53

 4.2 Performance der Anlagestrategien....................................................................... 58

Conclusio ............................................................................................................................. 62

Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 66

Anhang ................................................................................................................................ 72

 I
FLIGHT-TO-SAFETY UND SAFE-HAVEN-ASSETS - Ein Entwurf eines Safe-Haven-Indikators - JKU ePUB
Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Der Safe-Haven-Index im Vergleich zum S&P 500 ............................... 41

Abbildung 2: Der Safe-Haven-Indikator während der COVID-19-Krise ..................... 45

Abbildung 3: Abgegebene Signale durch die beiden Safe-Haven-Indikatoren während
 der COVID-19-Krise ............................................................................... 46

Abbildung 4: Der Safe-Haven-Indikator 20 Tage vor und 20 Tage nach einem
 Kursrutsch des S&P 500 von sieben Prozent .......................................... 47

Abbildung 5: rollierende Korrelation zwischen dem Safe-Haven-Korb und dem
 S&P 500 .................................................................................................. 49

Abbildung 6: Beide Indikatoren während des Covid-19-Einbruches im Vergleich ..... 50

Abbildung 7: Rollierende Korrelation der letzten 30 Tage der einzelnen Safe-Haven-
 Assets zum S&P 500 während des Covid-19-Einbruchs ........................ 52

Abbildung 8: Performance der verschiedenen Anlagestrategien über einen Zeitraum
 von 15 Jahren .......................................................................................... 58

Abbildung 9: Der Safe-Haven-Index im Vergleich zum MSCI World......................... 72

Abbildung 10: Der Safe-Haven-Indikator während der globalen Finanzkrise 2008 ....... 73

Abbildung 11: Abgegebene Signale durch die beiden Safe-Haven-Indikatoren
 während der globalen Finanzkrise 2008 ................................................. 73

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Total Return aller Kombinationen bis zu einem gleitenden Durchschnitt der
 letzten 15 Tage und einem Austritt aus dem Aktienmarkt (durch Umschichtung
 zu Anleihen) bis zu 15 Tagen nach einem Signal des
 Safe-Haven-Indikators ...................................................................................... 56

Tabelle 2: Jahresrenditen der verschiedenen Anlagestrategien und die jeweiligen
 Portfolioswitches pro Jahr ................................................................................ 59

Tabelle 3: Die Anlagestrategien mittels verschiedener Kennzahlen im Vergleich ........... 60

 II
FLIGHT-TO-SAFETY UND SAFE-HAVEN-ASSETS - Ein Entwurf eines Safe-Haven-Indikators - JKU ePUB
Einleitung

Auf rauer See versuchen Schiffe häufig dem stürmischen Wetter zu entkommen, indem sie
einen Hafen als sicheren Zufluchtsort aufsuchen. In diesem sicheren Hafen können die
Schiffe verweilen, bis der Sturm vorbeigezogen ist. Sobald sich die Gewitterwolken
lichten, können sie sich bei Schönwetter wieder auf das offene Meer begeben, um erneut
die Netze auszuwerfen, in der Hoffnung den ganz großen Fang an Bord zu ziehen.1

Dieses soeben geschilderte Vorkommnis auf hoher See lässt sich als metaphorischer
Vergleich für das Verhalten von Investor*innen in einem unsicheren und krisengebeutelten
Marktumfeld heranziehen. In einem solchen Marktumfeld (auf stürmischer See) tendieren
Investor*innen (die Schiffe) dazu, durch Investitionen in bestimmte Anlagen einen
sicheren Hafen aufzusuchen.2

Als solche sichere Häfen, die den Investor*innen Schutz vor Verlusten bieten sollen, gelten
gemeinhin angenommen beispielsweise Anleihen bester Bonität, besonders stabil geltende
Währungen und traditionell als sicher betrachtete Edelmetalle. Ein Indikator, der nun in der
Lage ist, die Nachfrage der Investor*innen nach diesen als sicher geltenden Anlagen
abzubilden, könnte Aufschluss über die aktuelle Marktlage geben und somit dazu
beitragen, Signale für Anlageentscheidungen abzuleiten. Einen solchen Indikator gibt es in
der Finanzbranche aktuell noch nicht und ebenso in der wissenschaftlichen Literatur ist
etwas Vergleichbares, auch wenn für einen anderen Zweck als für die Signalgebung für
Handelsstrategien, erst vor kurzem vorgestellt worden.3 Daher können weitere
Überlegungen zur Konstruktion eines solchen Indikators dazu beitragen, das Verständnis
über die Rolle von Safe-Haven-Assets weiter auszubauen und die Entwicklung einer
zusätzlichen Orientierungshilfe für Investor*innen bei Anlageentscheidungen
voranzutreiben.

Der Fokus dieser Arbeit liegt entsprechend auf der Konstruktion und dem Einsatz eines
solchen Indikators und orientiert sich dabei an drei wesentlichen Forschungsfragen:

 Welche Assets können empirisch belegt als Safe-Haven-Assets bezeichnet werden
 und eignen sich daher für die Konstruktion eines Safe-Haven-Indikators?

1
 Vgl. Baur/McDermott, 2010, 1886.
2
 In Kapitel 1 (Flight-to-safety) belegt und detaillierter beschrieben.
3
 siehe Baur/Dimpfl, 2020.

 1
FLIGHT-TO-SAFETY UND SAFE-HAVEN-ASSETS - Ein Entwurf eines Safe-Haven-Indikators - JKU ePUB
Wie kann aus diesen identifizierten Safe-Haven-Assets ein Indikator konstruiert
 werden, der die Nachfrage nach diesen Assets abbildet?

 Kann ein solcher Indikator rechtzeitig Signale für eine Anlagestrategie geben, die
 durch eine taktische Asset-Allokation versucht eine Outperformance gegenüber ihrer
 Benchmark zu erzielen?

Für die Beantwortung dieser Forschungsfragen ist die Arbeit in vier Abschnitte
strukturiert, denen jeweils eine andere Forschungsfrage zugrunde liegt:

Ziel des ersten Abschnitts der Arbeit ist es, vorerst das Verhalten von Investor*innen in
Finanzmarktturbulenzen darzustellen, bevor in den weiteren Abschnitten die
Forschungsfragen behandelt werden. Großes Augenmerk liegt dabei auf dem Safe-Haven-
Phänomen bzw. dem „Flight-to-Safety“-Phänomen, da dieses Phänomen die dem Safe-
Haven-Indikator zugrundeliegende Annahme beschreibt, dass die Nachfrage nach Safe-
Haven-Assets Auskunft über das Marktumfeld geben kann. Dabei werden vorerst „Flight-
to-Safety“-Ereignisse charakterisiert und die empirischen Grundlagen, die diese Ereignisse
bestätigen bzw. genauer beschreiben, aufgearbeitet. In Verbindung dazu werden die in der
Literatur vorherrschenden theoretischen Modelle eine kurze Berücksichtigung finden, die
versuchen diese Phänomene zu erklären. Darüber hinaus wird durch einen kurzen Exkurs,
der den „Contagion Effect“ beschreibt, die Relevanz von Safe-Haven-Assets weiter
hervorgehoben.

Die Basis des folgenden zweiten Abschnitts bildet die erste Forschungsfrage. Vorerst wird
dort definiert, was unter Safe-Haven-Assets zu verstehen ist und bestimmte Eigenschaften,
die solchen Assets zukommen, werden dargelegt. Daraufhin werden verschiedene
Anlageklassen bzw. Anlagen auf ihre Safe-Haven Eigenschaften anhand von bestehenden
empirischen Untersuchungen mittels einer Literaturanalyse überprüft. Deutet die Literatur
bei einer bestimmten Anlageklasse bzw. Anlage daraufhin, dass sie Eigenschaften eines
Safe-Haven-Assets aufweist, so wird in weiterer Folge überlegt, ob sie sich eignet in den
Safe-Haven-Indikator aufgenommen zu werden.

Der dritte Abschnitt beschäftigt sich schließlich mit der Konstruktion des Safe-Haven-
Indikators und daher mit der zweiten Forschungsfrage. Die Nachfrage der zuvor sorgfältig
ausgewählten Safe-Haven-Assets wird hierbei durch deren Wertentwicklung
widergespiegelt. Neben einer ersten Idee für einen Indikator entwickelte sich dabei noch

 2
eine zweite, wodurch zwei verschiedene Varianten eines Safe-Haven-Indikators vorgestellt
werden.

Schlussendlich wird im letzten und vierten Abschnitt die letzte Forschungsfrage bearbeitet,
indem Anlagestrategien festgelegt werden, die sich der taktischen Asset-Allokation
bedienen. Diese Strategien schichten bei Signalgebung durch den Safe-Haven-Indikator,
also in Zeiten hoher Unsicherheit, den Portfoliobestand von risikoreichen hin zu
risikoarmen Assets um, wodurch diese besser performen sollen als ein marktneutrales
Portfolio. Die Performance der unterschiedlichen Anlagestrategien wird schließlich mittels
eines „backtests“ bzw. durch einen historischen Rückvergleich analysiert.

Wo möglich wird in der gesamten Arbeit Bezug auf die aktuelle COVID-19-Krise
genommen und aktuelle Forschungsergebnisse dazu werden vorgestellt. Vor allem das
Verhalten von Safe-Haven-Assets in dieser Krise ist von Interesse und wird daher
angeschnitten.

1 Financial Contagion und Flight-to-Safety

Wie einleitend beschrieben, ist das Ziel von diesem Kapitel zunächst das Phänomen zu
beschreiben, auf dem die Annahme beruht, dass ein Safe-Haven-Indikator Auskunft über
die Marktlage geben kann. Dieses Phänomen wird in der wissenschaftlichen Literatur als
Flight-to-Safety oder Flight-to-Quality bezeichnet.4 Obwohl dieses Phänomen mit Safe-
Haven-Assets in Verbindung steht, werden in der wissenschaftlichen Literatur nur selten
Brücken zwischen den beiden Themengebieten geschlagen.5 Folglich soll daher ein
Konnex zwischen beidem hergestellt werden.

Dazu wird dieses Kapitel in zwei Unterkapitel aufgeteilt: das erste beschäftigt sich mit der
Charakterisierung von Flight-to-Safety-Episoden und den empirischen Grundlagen dazu.
Hier wird die Verbindung zwischen den beiden Themen geknüpft und die Annahme
beschrieben, auf der der Safe-Haven-Indikator aufbaut. Nachdem auch der (Financial-)
Contagion-Effekt in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, wird dieser ebenfalls in die

4
 Baele et al (2019) verweisen darauf, dass die Begriffe „Quality“ und „Safety“ in diesem Kontext meist
 austauschbar verwendbar sind und auf die allgemeine Präferenz eines niedrigeren Risikos in solchen
 Situationen Bezug nehmen (Vgl. Baele et al., 2019, 2.). Im weiteren Verlauf der Arbeit wird daher nur der
 Begriff Flight-to-Safety verwendet.
5
 Vgl. Baur/Dimpfl, 2020, 2.

 3
Ausführungen miteinbezogen. Das zweite Unterkapitel beschäftigt sich schließlich noch
mit den theoretischen Modellen bzw. Mechanismen, die versuchen zu erklären, wodurch
solche Flight-to-Safety-Ereignisse ausgelöst werden.

1.1 Charakterisierung und empirische Grundlagen

Investor*innen halten Portfolios verschiedener Assets, um deren Risiko vor Verlusten zu
reduzieren.6 In Krisenzeiten kann es allerdings vorkommen, dass sich Assets über
Branchen, Länder und Assetklassen hinweg stark miteinander bewegen, sogar dort, wo
makroökonomische Fundamentaldaten dies nicht vermuten würden. Dieser Effekt wird als
(Financial-)Contagion bezeichnet. Definiert als signifikanter Anstieg marktübergreifender
Zusammenhänge nach einem Schock in einem Land oder einer Gruppe von Ländern,
erscheint der Begriff „Contagion“, der ins Deutsche übersetzt so viel wie „Ansteckung“
oder „Seuche“ bedeutet, naheliegend: Turbulenzen am Finanzmarkt, in dem einem Land
breiten sich wie eine Seuche auf andere Länder aus. Ein Prozess, der durch die
Mitbewegung zwischen Wechselkursen, Aktienpreisen, Spreads bei Staatsanleihen und
Kapitalflüssen beobachtbar ist. Grob zusammengefasst können die Gründe für (Financial-)
Contagion in zwei Kategorien aufgeteilt werden. Die erste umfasst Übertragungen von
Schocks auf andere Länder, die aufgrund der natürlichen Abhängigkeit zwischen den
jeweiligen Volkswirtschaften stattfinden. Der Schock wird also aufgrund von realen und
finanziellen Verbindungen zwischen zwei bzw. mehreren Ländern aufeinander übertragen.
Die zweite Kategorie umfasst Gründe, die nicht auf solche Abhängigkeiten in den
jeweiligen Volkswirtschaften zurückgeführt werden können und die auch nicht infolge von
Veränderungen in den makroökonomischen Fundamentaldaten erwartbar wären, sondern
auf das Verhalten der Investor*innen zurückführbar sind. Somit (Financial-)Contagion, der
aufgrund von Panik, Herdenverhalten oder gestiegener Risikoaversion ausgelöst wird.7

Dadurch geht der Diversifikationsvorteil, durch das Halten von verschiedenen Assets in
einem Portfolio, verloren bzw. reduziert sich und zwar genau dann, wenn er am
dringendsten benötigt wird. Gibt es jedoch Assets, die in genau solchen Situationen im
Wert steigen, können Verluste aus Investments am Aktienmarkt teilweise kompensiert
werden. Die Flucht in solche Assets hat daher das Potenzial zur Stabilität des

6
 Vgl. Baur/Lucey, 2009, 339.; Baur/McDermott, 2016, 63.
7
 Vgl. Dornbusch/Park/Claessens, 2000, 178 ff.

 4
Finanzsystems beizutragen, indem Verluste durch positive Renditen dieser Assets reduziert
werden. Dabei legen empirische Untersuchungen nahe, dass in Märkten, in denen während
Krisenzeiten eine Flucht in sichere Anlagen stattgefunden hat, geringere Verluste realisiert
wurden als in Märkten, in denen keine Flucht stattgefunden hat.8 Dementsprechend
relevant ist die Suche nach und die Beschäftigung mit solchen sicheren Häfen, die
Investor*innen Zuflucht in Krisenzeiten bieten.

Diese beschriebene Flucht in sichere Anlagen wird als Flight-to-Safety bezeichnet. Flight-
to-Safety ist eine plötzliche und unerwartete von Investor*innen getriebene Reallokation
von risikoreichen Assets hin zu sicheren Assets.9 Oder anders formuliert: Investor*innen
verkaufen als von ihnen erachtete risikoreiche Anlagen und kaufen sichere Anlagen.10 Zu
unterscheiden ist diese Reallokation von strategischen oder taktischen Motiven. Während
eine strategische Asset-Reallokation versucht eine vorgegebene Zielallokation, die durch
verschiedene Faktoren wie Risikoprofil und Renditeerwartung bestimmt wird, zu erreichen
und eine taktische Reallokation versucht kurzfristige abnormale Renditen zu vermeiden
bzw. zu erhalten, indem das Portfolio in die dementsprechende Anlage hin umgeschichtet
wird, ist ein Fluchtverhalten durch eine Angst vor plötzlichen und permanenten
Kapitalverlusten geprägt. Und zwar ohne darauf Rücksicht zu nehmen dadurch eine
langfristige strategische Imbalance im Portfolio zu verursachen oder kurzfristige taktisch
gewollte Umschichtungen vorzunehmen. Angetrieben wird ein Flight-to-Safety
infolgedessen nur durch die ex-ante wahrgenommenen Konsequenzen, die daraus
resultieren würden, nicht schnell genug umzuschichten und nicht durch strategische oder
taktische Überlegungen.11

Ein Flight-to-Safety kann daher in gewisser Weise als ein Zeichen von Angst betrachtet
werden. Daraus ergibt sich für einen Safe-Haven-Indikator die Annahme, dass die
Nachfrage nach sicheren Assets bzw. nach Safe-Haven-Assets einen Barometer für diese
Angst und somit in gewisser Weise ebenso über das Marktumfeld darstellen kann.

Empirische Belege können die Existenz von solchen Flight-to-Safety-Episoden bestätigen.
Vorwiegend wurde dazu das Verhältnis von Aktien zu Anleihen überprüft. Allerdings gibt

8
 Vgl. Baur/Lucey, 2009, 340.
9
 Typischerweise handelt es sich dabei um eine Präferenz für die Kombination aus Sicherheit (niedrige
 Volatilität und Downside Risk), Qualität (niedriges Ausfallsrisiko) und hohe Liquidität (Vgl.
 Boucher/Tokpavi, 2019, 27 f.).
10
 Vgl. Caballero/Kurlat, 2008, 3.
11
 Vgl. Brocato/Smith, 2012, 713 f.

 5
es auch vereinzelt Studien, die eine solche Flucht in andere als sicher angesehene Assets
wie z. B. Gold untersuchten. Grob zusammengefasst untersuchen solche Studien das
Flight-to-Safety-Phänomen, indem sie meist die Korrelationen zwischen Aktien und
Anleihen (oder eben anderen sicheren Anlagen) analysieren. Denn im Normalfall
korrelieren Aktien und Anleihen positiv miteinander. Dies lässt sich bis zu einem gewissen
Grad auf die gewöhnlichen Discounted-Cashflow-Charakteristiken, die in einem stabilen
Marktumfeld die Preise von Aktien und Anleihen in die Höhe treiben, zurückführen. Wenn
nun in Krisenzeiten diese positive Korrelation im Vergleich zu einem stabilen
Vergleichszeitraum signifikant abnimmt und in einer negativen Korrelation resultiert, also
die Aktienpreise fallen und die Preise von Anleihen steigen, spricht man von Flight-to-
Safety.12

Hierbei werden nun die zwei Stränge in der wissenschaftlichen Literatur ersichtlich.
Während sich die Safe-Haven-Literatur zum Großteil auf die Suche nach Safe-Haven-
Assets über verschiedenste Assetklassen hinweg macht und versucht deren Charakteristika
zu untersuchen, konzentriert sich die Literatur, die Flight-to-Safety-Phänomene behandelt,
überwiegend darauf, die Existenz dieser Phänomene zu belegen und das Phänomen an sich
zu erforschen. Obwohl Safe-Haven-Assets im Zusammenhang mit dem Flight-to-Safety-
Phänomen eine bedeutende Rolle spielen, werden diese in diesem Strang der Literatur
wenig bis gar nicht diskutiert. Die Verbindung zwischen beiden Themen sollte sich durch
die vorherigen Ausführungen herauskristallisiert haben: ohne Safe-Haven-Assets wäre ein
Flight-to-Safety gar nicht möglich. Aufgrund dieser zwei Sparten in der Literatur werden
folglich die Belege zu Flight-to-Safety-Episoden anhand der entsprechenden Flight-to-
Safety-Literatur dargelegt. Die Safe-Haven-Assets-Literatur wird in Kapitel 2 „Safe-
Haven-Assets“ diskutiert.

Baur und Lucey (2009) untersuchten in ihrer Studie die Existenz von Flight-to-Safety-
Episoden und testeten in weiterer Folge, ob solche Episoden auch in Verbindung mit
(Financial-)Contagion stehen. Ihre Untersuchung von acht Industrieländern13 kam zu dem
Ergebnis, dass Flight-to-Safety-Episoden existieren und in Krisenzeiten regelmäßig
auftreten. Darüber hinaus kamen sie zu dem Schluss, dass solche Episoden ebenso
länderübergreifend vorkommen, wodurch eine Verbindung zwischen Flight-to-Safety und

12
 Vgl. Baur/Lucey, 2009, 341.; Brocato/Smith, 2012, 712 f.
13
 USA, UK, Deutschland, Frankreich, Italien, Australien, Kanada und Japan.

 6
(länderübergreifenden) (Financial-)Contagion hergestellt werden kann.14 Weitere Belege
für die Existenz von Flight-to-Safety-Episoden liefern unter anderem Brocato & Smith
(2012) für den US-Aktienmarkt, Baele et. al. (2019) für Nordamerika sowie für
europäische Markte und Australien, Japan und Neuseeland und Chang und Hsueh (2013)
für die Asien-Pazifik-Staaten.15

Boucher und Tokpavi (2019) stellten sich die Frage, ob Flight-to-Safety-Episoden hin zu
Anleihen auch noch in einem Niedrigzinsumfeld auftreten bzw. das Phänomen in einer
schwächer ausgeprägten Weise beobachtbar ist, da sie vermuten, dass niedrige nominale
Zinsen bei Anleihen deren Attraktivität verringern. Interessanterweise ist die Flucht von
Aktien hin zu Anleihen in einem solchen Umfeld, beobachtet am US-Aktienmarkt,
tatsächlich schwächer ausgeprägt. Dabei stellten sie in weiterer Folge fest, dass sich dafür
die Flucht in andere profitablere sichere Häfen wie Gold, den Schweizer Franken und den
japanischen Yen verstärkte.16

Ein Phänomen, dass häufig in Kombination mit einem Flight-to-Safety auftritt und in der
Literatur in diesem Kontext häufig erwähnt wird, ist ein Flight-to-Liquidity. Dies bedeutet,
dass Investor*innen in Krisenzeiten ebenso eine Präferenz für Liquidität aufweisen, also
Assets kaufen, die liquide sind und weniger liquide Assets abstoßen. Baele et. al. (2019)
versuchten herauszufinden, ob man in solchen Situationen daher mehr von einem Flight-to-
Liquidity sprechen sollte als von einem Flight-to-Safety. Dabei ist es allerdings schwierig
zwischen den Begriffen „liquidity“ und „safety“ zu differenzieren, da beide Eigenschaften
stark miteinander korrelieren. Assets, die als sicher gelten sind in der Regel auch liquider.
Nichtsdestotrotz kamen Baele et. al. (2019) zu dem Ergebnis, dass vor allem im
Aktienmarkt von einem Flight-to-Liquidity in Krisenzeiten gesprochen werden kann,
während bei US-Unternehmensanleihen verstärkt ein Flight-to-Safety vorliegt.17 Nachdem
die beiden Phänomene Flight-to-Safety und Flight-to-Liquidity dennoch eng miteinander
verzahnt sind, werden in den meisten theoretischen Studien, die die zugrundeliegenden
Mechanismen eines Flight-to-Safety bzw. eines Flight-to-Liquiditiy zu erklären versuchen,
beide Phänomene berücksichtigt. Im folgenden Kapitel 1.2 „Theoretische Modelle“
werden solche Theorien zusammengefasst vorgestellt.

14
 Vgl. Baur/Lucey, 2009, 344 ff.
15
 Vgl. Brocato/Smith, 2012, 712 ff.; Chang/Hsueh, 2013, 53 ff.; Baele et al., 2019, 1 ff.
16
 Vgl. Boucher/Tokpavi, 2019, 27 ff.
17
 Vgl. Baele et al., 2019, 28 ff.

 7
1.2 Theoretische Modelle

Die meisten Flight-to-Safety-Episoden wurden bisher durch unvorhergesehene und
ungewöhnliche Ereignisse ausgelöst. Caballero und Krishnamurthy (2008) zählen dazu
beispielsweise die Pleite der Penn Central Railroads im Jahr 1970, den Schwarzen Montag
im Oktober 1987, die Russlandkrise 1998, die Terroristenattacken am 9. September 2001
und die Weltwirtschaftskrise 2008. Nach Ansicht des Autors dieser Arbeit kann auch die
COVID-19-Krise Anfang 2020 hinzugezählt werden. All diese Schocks trafen die
Marktteilnehmer*innen unvorbereitet bzw. überraschten diese aus dem Nichts und führten
in weiterer Folge zu einem Preisverfall und Liquiditätsrückgang an den Kapitalmärkten.
Diese anfänglichen Effekte verschlimmerten sich durch bestimmte Mechanismen und
entwickelten sich zu einem Flight-to-Safety.18

Diese Mechanismen versucht die wissenschaftliche Literatur in theoretische Modelle zu
fassen. Während die Spezifika dieser verschiedenen Theorien unterschiedlich sind, können
einige gemeinsame Muster beobachtet werden. Diese Muster deuten darauf hin, dass
solche Phänomene durch eine Kombination aus geschwächten Bilanzen wichtiger
Finanzintermediäre, extremer Risikoaversion und einem strategischen oder spekulativen
Verhalten von liquiden Marktteilnehmer*innen ausgelöst werden. Die Theorien zu diesen
drei Elementen werden nachstehend genauer erläutert.19

Der erste erwähnte Mechanismus ist der „balance sheet mechanism“. Dieser Ansatz
konzentriert sich auf die Bilanzen von wichtigen Finanzintermediären wie Banken, Hedge
Fonds, Pensionsfonds und Publikumsfonds und versucht eine Erklärung für einen
Feedbackmechanismus zwischen Assetpreisen und den Bilanzen dieser
Finanzintermediären sowie für die Präferenz von Investor*innen nach Liquidität zu liefern.
Dabei geht es darum, dass die Bilanzen solcher wichtigen Finanzintermediäre von den
Preisen der gehaltenen Assets abhängen. Ein negativer Schock am Finanzmarkt würde die
Bilanzen dieser Intermediäre verschlechtern. Dies wiederum veranlasst Investor*innen, die
in derartige Finanzintermediäre investieren, dazu ihre Finanzmittel abzuziehen, wodurch
der Finanzintermediär dazu gedrängt wird Assets zu liquidieren, um die notwendige
Liquidität bereitstellen zu können. Dadurch fallen jedoch die Assetpreise an den Märkten
weiter, wodurch sich die Bilanzen weiter verschlechtern usw. Ein Feedbackloop zwischen

18
 Vgl. Caballero/Krishnamurthy, 2008, 2195 ff.
19
 Vgl. Caballero/Kurlat, 2008, 16 ff.

 8
Assetpreisen und den Bilanzen ist entstanden.20 Dieser Feedbackloop wurde in der
wissenschaftlichen Literatur in unterschiedlichen Kontexten erforscht bzw. gibt es
verschiedene Versionen von diesem Mechanismus - unter anderem in Zusammenhang mit
„margin requirements“21 oder in Zusammenhang mit der Volatilität an den
Finanzmärkten22.

Beim „information amplification mechanism“ liegt der Fokus auf der extremen Risiko-
bzw. Unsicherheitsaversion der Investor*innen. In der wissenschaftlichen Literatur ist in
diesem Zusammenhang von „Knightian uncertainty“ die Rede – eine Form der
Unsicherheit, die nicht messbar, nicht quantifizierbar ist. Insofern unterscheidet sie sich
von dem Begriff Risiko, welcher meist mittels Kennzahlen oder Indikatoren messbar ist.
Unter einer solchen „Knightian uncertainty“ reagieren Investor*innen typischerweise
damit, dass sie sich in sichere Häfen flüchten und Liquidität horten, um einem möglichen
Worst-Case-Szenario zu entgehen. In der Zwischenzeit werden Informationen über das
eingetretene Ereignis gesammelt, um die Unsicherheit bewertbar zu machen bzw. um die
Bewertungsmodelle reevaluieren zu können. Diese Flucht in sichere Häfen bewirkt einen
noch größeren Preisverfall an den Finanzmärkten und ein Flight-to-Safety-Muster wird
erkennbar.23

Außerdem wird noch vermutet, dass strategisches oder spekulatives Verhalten von liquiden
Investor*innen einen Mechanismus für Flight-to-Safety-Episoden darstellt. Acharya,
Gromb und Yorulmazer (2008) konstruierten ein Modell, das zeigt, dass liquide Banken
während Finanzmarktturbulenzen im Interbankenkreditmarkt ihre liquiden Mittel nicht an
illiquide Banken leihen und diese Liquidität auch nicht aufgrund von Vorsichtsmaßnahmen
halten, sondern ihre Marktmacht aufgrund der Liquidität strategisch nutzen und dadurch
illiquide Banken zwingen können deren Assets zu liquidieren, die sie folglich zu niedrigen
Preisen aufkaufen, um somit Marktanteile auf den Kosten schwächerer Banken
auszubauen.24 Brunnermeier und Pedersen (2005) modellieren ebenso ein strategisches
Verhalten, dass für Flight-to-Safety-Episoden verantwortlich sein könnte. In ihrem Model
gehen sie von einer Situation aus, in der einige Spekulant*innen wissen, dass gewisse
Händler*innen ihre Position in einem Asset liquidieren müssen, wenn dieses einen

20
 Vgl. Krishnamurthy, 2009, 3 f.
21
 siehe Brunnermeier/Pedersen, 2009.
22
 siehe Vayanos, 2004.
23
 Vgl. Caballero/Krishnamurthy, 2008, 2195 ff.; Krishnamurthy, 2009, 16 ff.
24
 Vgl. Acharya/Gromb/Yorulmazer, 2009, 3 ff.

 9
bestimmten Grenzwert unterschreitet. Dies veranlasst Spekulant*innen dazu, genau dieses
Asset zu verkaufen, um den Preis zum Fallen zu bringen, wodurch die anderen
Händler*innen verkaufen müssen, wodurch der Preis weiter fällt und der Spekulant*die
Spekulantin dasselbe Asset zu einem niedrigeren Preis zurückkaufen kann. Der*die
informierte Spekulant*in versucht also einen „front run“ indem er versucht, noch vor den
anderen Marktteilnehmern zu verkaufen.25

Nachdem nun das Flight-to-Safety-Phänomen erläutert und Theorien zu dessen
Zustandekommen vorgestellt wurden, wird im nächsten Kapitel dazu übergegangen, den
Begriff Safe-Haven-Assets zu definieren und eben solche Assets durch eine
Literaturanalyse zu identifizieren.

2 Safe-Haven-Assets

Einleitend bereits metaphorisch skizziert, lässt sich ein Safe-Haven gemeinhin als eine
Anlage umschreiben, die Investor*innen vor Verlusten in Finanzmarktturbulenzen
schützt.26 In der wissenschaftlichen Literatur zu dieser Thematik finden sich indessen
weitere differenziertere und zum Teil unterschiedliche Definitionen eines Safe-Havens,
weswegen diese folgend aufgegriffen werden, um darauf aufbauend eine konkrete
Definition von Safe-Haven-Assets für diese Arbeit festlegen zu können.

Die Definitionen in der Literatur lassen sich grob zwei Kategorien zuordnen:27

Der ersten Kategorie lassen sich Definitionen subsumieren, die den Begriff eines Safe-
Havens weitgefasst beschreiben. Als Safe-Havens werden demnach Anlagen bezeichnet,
die ein niedriges Risiko und eine hohe Liquidität aufweisen und/oder von Investor*innen
unter steigender Unsicherheit nachgefragt werden.28 Folgt man dieser Definitionsform
eines Safe-Havens wären unter anderem risikofreie Safe-Assets, definiert als Assets, deren
Wert unabhängig von Informationsflüssen ist (information insensitive) und die somit einen
stabilen realen oder zumindest stabilen nominalen Wert aufweisen, wie Staatsanleihen
bester Bonität, Safe-Haven-Assets.29 Dabei sollte die hohe Liquidität solcher Assets dafür

25
 Vgl. Brunnermeier/Pedersen, 2005, 1825 ff.
26
 Vgl. Coudert/Raymond, 2010, 8.
27
 angelehnt an die Auffassung von Flavin/Morley/Panopoulou, 2014, 138.
28
 Kaul/Sapp, 2006, 761.; McCauley/McGuire, 2009, 86.; Vgl. Flavin/Morley/Panopoulou, 2014, 138.
29
 Vgl. Gorton/Lewellen/Metrick, 2012, 102.; Gourinchas/Jeanne, 2012, 5f.

 10
sorgen, dass Investor*innen hohe Volumina handeln können ohne große Veränderungen
im Kurs oder der Geld-Brief-Spanne auszulösen. Eine damit in Relation stehende
Eigenschaft von Safe-Havens betrifft deren Handelbarkeit. Denn diese soll auch unter
extremen Ereignissen, wie Naturkatastrophen, politischen Unruhen und
Finanzmarktturbulenzen gegeben sein.30 Und tatsächlich suchen Investor*innen in
Krisenzeiten verstärkt nach Liquidität, wie beispielsweise Vayanos (2004) oder Baele et al
(2019) zeigen und wie im vorherigen Kapitel erläutert wurde.31

Allerdings könnten andere Anlagen wie Edelmetalle oder Kryptowährungen entsprechend
nicht als Safe-Haven-Assets klassifiziert werden, da sie ein höheres Risiko aufweisen und
zum Teil auch weniger liquide sind.32 Im wissenschaftlichen Diskurs werden diese
Anlagen hingegen häufig auf ihre Eignung als Safe-Haven-Assets untersucht und teils auch
als solche bezeichnet, weshalb eine konkretere Definition sinnvoll ist.

Infolgedessen können der zweiten Kategorie jene Definitionen zugeordnet werden, die
Safe-Haven-Assets präziser beschreiben, einen operationalen Charakter aus der
wissenschaftlichen Literatur aufweisen und dadurch von anderen, ähnlich erscheinenden
Begriffen abgegrenzt werden können. Somit versteht man unter einem Safe-Haven-Asset
eine Anlage, die negativ oder nicht mit anderen Anlagen in Zeiten finanziellen Stresses
bzw. extremen Finanzmarktbedingungen korreliert.33 Demgemäß schützt ein Safe-Haven-
Asset Investor*innen in Finanzkrisen vor Verlusten, indem der Wert des Safe-Havens
steigt oder zumindest stabil bleibt, während der Preis anderer Assets fällt. Baur und
McDermott unterscheiden dabei nochmals zwischen einem schwachen und einem starken
Safe-Haven. Ein schwacher Safe-Haven korreliert nicht mit einem anderen Asset oder
Portfolio, wohingegen ein starker Safe-Haven negativ mit einem anderen Asset oder
Portfolio korreliert.34

Mit dieser Definition stehen nun einige Implikationen in Verbindung. Zum einen wird ein
Asset nur dann als Safe-Haven bezeichnet, wenn der zuvor definierte Safe-Haven-Effekt
nicht nur einmal, z. B. nur in einer Finanzkrise, auftritt, sondern von Dauer und mehrmalig
nachweisbar ist. Zum anderen impliziert diese Auffassung, dass ein Safe-Haven in

30
 Vgl. Coudert/Raymond, 2010, 8.
31
 Vgl.Vayanos, 2004, 32.; Baele et al., 2019, 28 ff.
32
 Vgl. Coudert/Raymond, 2010, 8.; Smales, 2019, 388ff.
33
 Vgl. Baur/Lucey, 2010, 219.; Baur/McDermott, 2010, 64.; Ranaldo/Söderlind, 2010, 388.;
 Ciner/Gurdgiev/Lucey, 2012, 5.
34
 Vgl. Baur/McDermott, 2010, 1889.

 11
normalen Zeiten auch positiv mit anderen Anlagen korrelieren kann oder im Wert fällt,
während andere Anlagen steigen. Erst wenn ein Asset in Krisenzeiten mit anderen Assets
korreliert, verliert dieses den Status als Safe-Haven-Asset.35

Diese Entkoppelung eines Safe-Haven-Assets vom Kapitalmarkt in normalen Zeiten ist
notwendig, um diese von risikofreien Safe-Assets abgrenzbar zu machen. Denn
charakterisiert durch ihre Relation zu anderen Assets, sind Safe-Haven-Assets, anders als
Safe-Assets, abhängig von Informationsflüssen. Wobei hier anzumerken ist, dass Safe-
Assets sehr wohl der Definition eines schwachen Safe-Haven entsprechen, da ein solcher
in Zeiten finanziellen Stresses nicht mit anderen Assets korreliert und dadurch ebenso
unabhängig von Informationsflüssen ist. Zudem ist der Safe-Haven-Effekt überwiegend ein
kurzlebiges Phänomen, da er nur in Krisenzeiten beobachtbar ist, während die
Eigenschaften von Safe-Assets langfristig wahrnehmbar sind.36 Oder wie es Baur und
McDermott (2016) prägnant in anderen Worten zusammenfassen: „[…] a safe asset is safe
at all times whilst a safe haven asset is only safe (and only needs to be safe) during times
of crisis or turmoil.“37

Um Safe-Haven-Assets weiter präzisieren zu können, kann schließlich noch der Begriff
eines Hedge abgegrenzt werden. Darunter versteht man ein Asset, das im Durchschnitt
nicht oder negativ mit einem anderen Asset oder Portfolio korreliert. Somit spielt wie bei
den Safe-Assets bei der Begriffsabgrenzung die Länge des Beobachtungszeitraumes des
dementsprechenden Phänomens eine Rolle. Die Eigenschaften eines Hedge können zwar in
normalen Zeiten und im Durchschnitt halten, es ist jedoch möglich, dass sich ein Hedge in
Krisenzeiten mit dem Aktienmarkt aufgrund von Herdenverhalten oder des (Financial-)
Contagion-Effekts mitbewegt. Ein Safe-Haven-Asset würde sich in solchen Zeiten in die
entgegengesetzte Richtung bewegen, da Investor*innen genau dann nach diesem Asset
nachfragen, während sie alle anderen Formen von Anlagen verkaufen.38

Für diese Arbeit ist vor allem die letztere der beiden Auffassungen geeignet, wonach Safe-
Haven-Assets durch ihre negative oder nicht vorhandene Korrelation zu anderen Assets
charakterisiert sind. Diese Definition ist nicht nur präziser, sorgt für eine schärfere
Abgrenzung von anderen ähnlichen Begriffen und ermöglicht es risikoreichere Anlagen in

35
 Vgl. Baur/McDermott, 2016, 64.
36
 Vgl. Baur/Lucey, 2010, 219.; Baur/McDermott, 2016, 64.
37
 Baur/McDermott, 2016, 64.
38
 Vgl. Baur/Lucey, 2010, 219.; Baur/McDermott, 2010, 1889.; Ranaldo/Söderlind, 2010, 387.

 12
den Safe-Haven-Status zu erheben, sondern insbesondere Assets, die dem Begriff eines
starken Safe-Haven entsprechen, könnten für die Konstruktion des Indikators nützlich sein.
Diese sollten in Krisenzeiten im Wert steigen und würden daher stärker zu Veränderungen
im Indikator beitragen, wodurch dessen Prognosefähigkeit erhöht werden könnte.
Schwache Safe-Haven, die im Prinzip auch mit der ersten dargestellten Definition eines
Safe-Haven übereinstimmen, würden dagegen weniger zu Veränderungen im Indikator
beitragen, nachdem diese im Wert stabil bleiben würden. Demgemäß könnte man
Überlegungen anstellen, diese nicht in den Indikator aufzunehmen oder zu untergewichten,
während starke Safe-Haven-Assets übergewichtet werden.

In den folgenden Unterkapiteln werden nun unterschiedliche Assetklassen auf ihre
Tauglichkeit als Safe-Haven-Assets und darauffolgend auf die Aufnahme in den Indikator
geprüft. Dies geschieht, indem Publikationen zu den entsprechenden Assets analysiert und
deren Ergebnisse dargelegt werden. Die vorgestellten Studienergebnisse bzw. die
zusammengefassten Publikationen umfassen dabei nur jene, die Safe-Haven-Assets für den
Aktienmarkt untersuchten, da der Indikator für diesen Prognosen abgeben soll.
Anschließend werden die Ergebnisse in einem zusammenfassenden Statement auf die
Nützlichkeit des dementsprechenden Assets für den Indikator abgewogen. Die
Assetklassen bzw. Assets, die untersucht werden, haben sich aus einer systematischen
Recherche abgezeichnet, da nur Assets geprüft werden, zu denen ausreichend
Publikationen vorliegen.

2.1 Edelmetalle

 „The great and ultimate effect of Trade is not Wealth at large, but particularly
 abundance of Silver, Gold, and Jewels, which are not perishable, nor so mutable as
 other Commodities, but are Wealth at all times, and all places […].“39

Der im 17. Jahrhundert lebende britische Ökonom und Wissenschaftler Sir William Petty
beschrieb bestimmte Edelmetalle als Reichtum zu allen Zeiten und an allen Orten, wie dem
Zitat aus einem seiner Hauptwerke im Jahre 1690 zu entnehmen ist.40 Bereits etwa 2000
Jahre vor Christus wussten die Menschen diese nicht verderblichen und unveränderbaren
Eigenschaften von (Edel-)Metallen zu schätzen und wogen Waren mit (Edel-)

39
 Petty, 1690.
40
 genaueres zum Leben und Werk von William Petty siehe Kurz, 2009.

 13
Metallstücken auf, bevor ungefähr 600 vor Christus damit die ersten Münzen geprägt
wurden.41 Edelmetalle als Wertaufbewahrungsmittel sind entsprechend schon lange und
tief in unserer Kultur verwurzelt und wurden, zumindest der Beschreibung von Sir William
Petty nach, auch als sichere Häfen angesehen. Seit dem 21. Jahrhundert ist der Stellenwert
von Edelmetallen als Investmentvehikel ständig gewachsen. Durch das Aufkommen von
ETFs (exchange-traded funds) und ähnlichen Produkten ist beispielsweise die
Goldnachfrage für Investmentzwecke neben der industriellen Verwendung und der
Schmuckherstellung stark angestiegen.42 43

Unterdessen sind Edelmetalle nicht nur in der Finanzbranche von Bedeutung, sondern
werden ebenso in der Empirie auf ihre Investmenteigenschaften hin untersucht - auch auf
den Safe-Haven-Effekt. Dort finden sich großteils Publikationen zu Gold und nur
vereinzelte Untersuchungen zu anderen Edelmetallen. Daher wird nachfolgend Gold in
einem eigenen Unterkapitel behandelt, während andere Edelmetalle in einem Unterkapitel
zusammengefasst abgehandelt werden.

2.1.1 Gold

In den Finanzmedien wird Gold häufig als ein Safe-Haven-Asset bezeichnet.44 Die
einzigartige Charakteristik des Goldmarktes würde diese Behauptung stützen: so besitzt
Gold einen intrinsischen Wert als Edelmetall, das Goldangebot ist relativ unelastisch und
die Goldnachfrage weist antizyklische Eigenschaften auf.45 Darüber hinaus trägt die zuvor
erwähnte Historie von Gold als eine der ersten Formen des Geldes eine Schlüsselrolle für
das kulturell eingesessene Image des Edelmetalls als beständiges
Wertaufbewahrungsmittel. Das Edelmetall war durch den Goldstandard lange direkt mit

41
 Vgl. Geschichte Österreich.
42
 Vgl. Baur/McDermott, 2010, 1887 ff.
43
 Gold-ETFs konnten im Jahr 2020 aufgrund eines gestiegenen Investor*inneninteresses durch die COVID-
 19-Pandemie einen jährlichen Nettozufluss von 877 Tonnen an Gold verbuchen, wodurch deren Bestand
 an Gold um ein Drittel auf ein Rekordhoch von insgesamt 3 752 Tonnen gewachsen ist (um diese Zahl
 greifbarer zu machen: rund 44 000 Tonnen Gold, das sind rund 22 % des weltweiten Goldbestandes,
 werden für private Investmentzwecke verwendet. Zentralbanken weltweit halten rund 35 000 Tonnen an
 Gold, dies sind ca. 17 % des weltweiten Goldbestandes von 200 000 Tonnen [Ende 2020].) (Vgl. Goldhub;
 World Gold Council, 2021a, 1.).
44
 Vgl. Baur/Lucey, 2010, 217 f.; Baur/McDermott, 2010, 1886.
45
 Das relativ unelastische Goldangebot kommt daher, dass es schwierig ist Gold aus dem Boden zu
 extrahieren und die Zeit zwischen der Eröffnung einer neuen Mine und deren Inbetriebnahme sehr lange
 (bis zu 5 Jahre) ist. Die antizyklischen Eigenschaften der Goldnachfrage sind das Resultat einer erhöhten
 Nachfrage von Investor*innen in Rezessionen.

 14
dem Wert einer Währung verbunden, wodurch es noch heute von Zentralbanken in Form
von Reserven gehalten wird, um den Wert der eigenen Währungen zu stützen.46

Neben den Behauptungen aus den Finanzmedien und den dargelegten Überlegungen, die
diese Behauptungen stützen würden, gab es dafür lange keine empirischen Belege. Baur
und Lucey (2010) waren unter den ersten, die Gold auf den Safe-Haven-Effekt empirisch
untersuchten. Der Fokus ihrer Analyse lag dabei auf den Finanzmärkten der USA, des
Vereinigten Königreichs und Deutschland. Mithilfe ihrer Regressionsanalyse versuchten
sie herauszufinden, ob Gold einen sicheren Hafen darstellt, wenn Anleihen- oder
Aktienmärkte fallen bzw. extrem negative Renditen ausweisen. Für die Analyse
verwendeten sie tägliche Daten von MSCI Anleihen- und Aktienindizes im Zeitraum von
November 1995 bis November 2005. Bei den Anleiheindizes griffen sie auf
Performanceindizes mit Laufzeiten länger als zehn Jahre zurück. Alle Daten wurden dabei
in der dementsprechenden lokalen Währung analysiert, sodass die Charakteristik von Gold
aus der Sichtweise von jeweils US, UK und deutschen Investor*innen betrachtet werden
konnte.47

Ihre empirischen Studien kamen zu dem Schluss, dass Gold ein Safe-Haven für Aktien in
allen Märkten, insbesondere im Vereinigten Königreich, ist. Dieser Safe-Haven-Effekt ist
indessen nur für 15 Handelstage beobachtbar. Halten Investor*innen nach einem Schock
am Aktienmarkt Gold länger, verlieren sie mit ihrer Goldposition an Wert. Daraus
vermuten die Autoren, dass Investor*innen Gold an Tagen mit extremen negativen
Schocks am Aktienmarkt kaufen und verkaufen sobald sie wieder Vertrauen in den Markt
gewonnen haben. Für Anleihen stellt Gold in keinem der Märkte einen Safe-Haven dar.48

Auf dieser Studie aufbauend untersuchten Baur und McDermott (2010) erneut die Rolle
von Gold als Safe-Haven und erweiterten ihre Forschung, indem sie nicht mehr nur drei,
sondern 53 internationale Aktienmärkte untersuchten. Im Zuge dessen inkludierten sie
auch Schwellenländer und unterschieden zwischen einem schwachen und starken Safe-
Haven. Zudem erforschten sie, welchen Einfluss Wechselkursänderungen auf den Safe-
Haven-Status von Gold haben. In dieser Studie wurde auf einen längeren
Untersuchungszeitraum zurückgegriffen. Die verwendeten täglichen, wöchentlichen und

46
 Vgl. Baur/Lucey, 2010, 217 f.; Baur/McDermott, 2010, 1887 ff.
47
 Vgl. Baur/Lucey, 2010, 217 ff.
48
 Vgl. Baur/Lucey, 2010, 222 ff.

 15
monatlichen Daten der Aktienindizes49 und von Gold decken einen 30 Jahre langen
Zeitraum von März 1979 bis März 2009 ab.50

Bei den regionalen Indizes, die in US-Dollar notieren, beobachteten Baur und McDermott
(2010), dass sich Gold im Durchschnitt und sowohl in einigen extremen Marktkonditionen
in allen Zeitreihen (tägliche, wöchentliche und monatliche Daten) mit den Aktienindizes
mitbewegt. Dieses Ergebnis führen sie auf den Währungseffekt zurück. Nachdem Gold
gewöhnlich in US-Dollar gehandelt wird, führt ein fallender US-Dollar dazu, dass der
nominale (US-Dollar) Goldpreis steigt, um den realen Wert des Goldes aufrechtzuerhalten.
Ähnlich verhält es sich bei Nicht-US-Aktienmärkte, die in US-Dollar notieren. Fällt der
US-Dollar steigt der nominale Wert der Nicht-US-Aktienmärkte tendenziell an. Die
gemeinsame Währung von Gold und den Aktienindizes führt somit zu einer gemeinsamen
Eigenschaft in den Daten, wodurch man die positive Korrelation zwischen Gold und Nicht-
US-Aktienmärkten erklären könne. Eine Ausnahme stellt dabei der nordamerikanische
Index dar, da sich der Währungseffekt bei US-Aktien aufhebt. Dies ist auch in den
Ergebnissen, durch negative Korrelationen zwischen Gold und dem nordamerikanischen
Index, ersichtlich. Trotz des Währungseffekts sind bei den anderen regionalen Indizes
negative Korrelationen beobachtbar. Dies aber nur für tägliche Aktienrenditen des 1%
Quantils. Daher könne davon ausgegangen werden, dass in wirklich extremen Situationen
der Safe-Haven-Effekt den Währungseffekt dominiert. Für den Schwellenländerindex ist
dies dagegen nicht wahrnehmbar, da sich dort Investor*innen in Krisensituationen
scheinbar anders verhalten und vermutlich deren Portfolios eher in Aktien aus entwickelten
Ländern umschichten als einen sicheren Hafen aufzusuchen. Die Ergebnisse aus der
Untersuchung der regionalen sowie der Indizes einzelner Märkte lassen sich schließlich
folgendermaßen zusammenfassen: Gold ist ein Safe-Haven für alle europäischen Märkte
und die USA, wobei die Stärke des Safe-Haven-Effekts mit der Extreme von Marktschocks
und kürzeren Beobachtungsintervallen zunimmt. Dies bestätigt die Ergebnisse aus der
vorherig zusammengefassten Studie und zeigt nochmals auf, dass es sich bei dem Safe-
Haven-Effekt um ein kurzlebiges Phänomen handelt, dass in extremen Situationen auftritt.

49
 aufgeteilt in regionale Indizes (Emerging Markets, World, North America, Latin America, EU, EMU) und
 Indizes einzelner Märkte (darunter die größten sieben entwickelten Länder [G7], die größten
 Schwellenländer [BRIC-Länder] und Australien und die Schweiz)
50
 Vgl. Baur/McDermott, 2010, 1886 ff.

 16
Für Schwellenländer sowie für Australien, Kanada und Japan ist kein Safe-Haven-Effekt
festzustellen.51

Des Weiteren versuchten Baur und McDermott (2010) herauszufinden, ob Investor*innen
Gold in Zeiten erhöhter Unsicherheit, gemessen an der bedingten Volatilität eines Welt-
Index, stärker nachfragen und sich daher die Aktien-Gold-Beziehung in diesen
Marktphasen verändert bzw. Gold in diesen Phasen Safe-Haven-Eigenschaften aufweist.
Ihre Ergebnisse kommen zu dem Schluss, dass in Zeiten erhöhter Unsicherheit Gold einen
Safe-Haven darstellt, doch dieser Effekt sich bei extremer Unsicherheit einstellt.52

Nachdem der Safe-Haven-Effekt von Gold in Schwellenländern in der Studie von Baur
und McDermott (2010) nur anhand der BRIC-Staaten und einem Emerging Markets Index
getestet wurde, gingen Gürgün und Ünalmış (2014) in ihrer Studie dazu über, die Safe-
Haven-Eigenschaften von Gold in Schwellenländern anhand 28 Emerging Markets
nochmals umfangreicher zu überprüfen. Sie gingen nach derselben Methodologie wie Baur
und McDermott (2010) vor und analysierten die täglichen Marktdaten der im MSCI
Emerging Markets Index enthaltenen Länder, wobei sie zusätzlich neun weitere
Schwellenländer53 inkludierten. Dabei berücksichtigen sie ebenfalls den Währungseffekt,
indem sie auf der einen Seite Gold- und Aktienrenditen in der jeweils lokalen Währung
berechneten und auf der anderen Seite die Safe-Haven-Hypothese ebenso mit Gold- und
Aktienrenditen in US-Dollar testeten. Somit konnten sie die Safe-Haven-Eigenschaften
von Gold jeweils aus der Perspektive eines*einer ausländischen und eines*einer
inländischen Investors*Investorin untersuchen.54

Wie Baur und McDermott (2010) kamen sie zu dem Ergebnis, dass sich die Renditen von
Gold und den jeweiligen Aktienmärkten, berechnet in US-Dollar, in den meisten Ländern
stärker miteinander bewegen und Gold dementsprechend weniger als Safe-Haven
anzusehen ist, als wenn man diese in den lokalen Währungen berechnet. Damit bestätigen
die Ergebnisse von Gürgün und Ünalmış (2014) die These von Baur und McDermott
(2010), den Währungseffekt betreffend. Aus der Perspektive von lokalen Investor*innen
spielt dieser zusätzlich in Hinblick auf das Währungssystem eine Rolle. Während in

51
 Vgl. Baur/McDermott, 2010, 1894 ff.
52
 Vgl. Baur/McDermott, 2010, 1896.
53
 Bahrain, Bulgarien, Jordanien, Kenia, Marokko, Katar, Rumänien, Vereinigte Arabische Emirate und
 Vietnam.
54
 Vgl. Gürgün/Ünalmış, 2014, 341 ff.

 17
Ländern mit einem flexiblen Wechselkursregime Gold und der Aktienmarkt in
Krisensituationen negativ korrelieren und somit einen starken Safe-Haven darstellen, ist
dies in Ländern mit einem fixen Wechselkursregime nicht beobachtbar. Generell stellt
Gold einen Safe-Haven für lokale Inverstor*innen in den meisten Schwellenländern,
ausgenommen den BRIC-Staaten, dar. Aus ausländischer Sicht ist Gold nur für einige
wenige Länder ein Safe-Haven. Es ist außerdem erneut zu sehen, dass der Safe-Haven-
Effekt für mehr Länder festzustellen ist, wenn die Extreme der Verluste zunehmen.55

Ebenfalls auf den Studien von Baur und Lucey (2010) und Baur und McDermott (2010)
aufbauend ist die Forschung von Coudert und Raymond (2010). Diese änderten die in den
vorherigen Studien verwendete Methodologie in einigen Punkten ab, um die bereits
vorhandene Forschung weiter auszubauen. So erweiterten sie die Auffassung einer Krise,
indem sie Rezessionen und Bärenmärkte untersuchten, anstatt extreme kurzfristige
Preisverfälle am Aktienmarkt als solche zu bezeichnen. Des Weiteren verwendeten sie
anstatt Kassakursen, die Terminkurse für Gold, da der Terminmarkt aktiv mehr von
Tradern genutzt wird. Für die Renditeberechnung sowohl von Gold als auch der
Aktienmärkte wurden reale Renditen heranzogen, um mögliche Effekte der Inflation
kontrollieren zu können. Zusätzlich testeten sie die langfristige Beziehung zwischen Gold
und Aktien. Folglich versuchten sie herauszufinden, ob Gold langfristig ein Hedge gegen
Aktien ist und ob sich das Verhältnis gegenüber diesem langfristigen Gleichgewicht in
Krisenzeiten ändert. Schlussendlich nahmen sie zudem Änderungen am ökonometrischen
Modell selbst vor. Die verwendeten monatlichen Daten der Datastream
Performanceindizes für Frankreich, Deutschland, UK, USA und Europa sowie ein MSCI
Index für die G7 (notiert in US-Dollar) decken einen Zeitraum von 1978 bis 2009 ab.56

Die Ergebnisse von Coudert und Raymond (2010) kommen zu dem Schluss, dass Gold ein
schwacher Safe-Haven während Rezessionen ist. In Bärenmärkten stellt Gold einen starken
Safe-Haven für die USA sowie die G7 dar und einen schwachen Safe-Haven für
Frankreich, Deutschland, das Vereinigte Königreich und Europa. Die langfristige
Beziehung zwischen Gold und Aktien betreffend ist Gold langfristig ein Hedge gegenüber
Aktien. Hierbei stellte sich heraus, dass sich in Rezessionen diese Beziehung zwischen
Gold und Aktien schneller den langfristigen Hedge-Eigenschaften annähert als in normalen
Zeiten. Coudert und Raymond (2010) bestätigen somit die Studienergebnisse von Baur und

55
 Vgl. Gürgün/Ünalmış, 2014, 345 ff.
56
 Vgl. Coudert/Raymond, 2010, 9 ff.

 18
Lucey (2010) und Baur und McDermott (2010). Wobei sie darauf verweisen, dass die
Eigenschaften eines starken Safe-Havens von Gold eher kurzlebig sind und nicht
systematisch für jedes Land und jede Krise gelten.57

Weitere Studien, die sich mit den Safe-Haven-Eigenschaften von Gold auseinandersetzten,
konnten zusätzliche Belege für dessen besonderes Verhalten in Aktienmarktkrisen bzw.
während Unsicherheiten liefern. Bouoiyour, Selmi und Wohar (2019) untersuchten, wie
sich verschiedene Safe-Haven-Assets im Zuge der US-Präsidentschaftswahl 2016
verhielten, um mehr über deren Eigenschaften in politisch unsicheren Zeiten
herauszufinden. Gold konnte dabei mittel- und langfristig positive Renditen während
fallender Aktienkurse erwirtschaften, wodurch das Asset in dieser Situation als Safe-Haven
diente.58

Mit einem neuen Ansatz erforschten Bredin, Conlon und Poti (2015) die Safe-Haven-
Eigenschaften von Gold. Mittels einer Wavelet-Analyse fanden sie heraus, dass Gold in
den USA, im Vereinigten Königreich und in Deutschland sowohl einen Hedge als auch
einen Safe-Haven (im „Black-Monday-Crash“ von 1987 und der Finanzkrise 2008) für
einen Zeitraum bis zu einem Jahr für die jeweiligen Aktienmärkte darstellte.59

In einer weiteren Studie untersuchten Baur und McDermott (2016) erneut Safe-Haven-
Assets und gingen unter anderem der Frage nach, weshalb Gold ein Safe-Haven-Asset ist.
Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass Gold vor allem in Situationen, die am ehesten
einem „black swan“, also einem unerwarteten und unwahrscheinlichen Ereignis, ähneln,
wie z. B. die 9/11-Terroristenattacke von 2001 in New York oder die Pleite der Lehman
Brothers im September 2008, starke Safe-Haven-Eigenschaften aufweist. In Folge
vermuten Baur und McDermott (2016), dass den Safe-Haven-Eigenschaften von Gold
psychologische Ursachen zugrunde liegen und nicht in dessen Risiko-Rendite-Profil zu
finden sind. Denn eine Flucht von Aktien in Gold stellt keine Flucht von Risiko zu
Sicherheit dar, sondern eine Flucht von Risiko zu Risiko. Vielmehr seien die Geschichte
von Gold als Währung und Safe-Haven sowie dessen Funktion als ein physisches

57
 Vgl. Coudert/Raymond, 2010, 24 ff.
58
 Vgl. Bouoiyour/Selmi/Wohar, 2019, 6076 ff.
59
 Vgl. Bredin/Conlon/Potì, 2015, 324 ff.

 19
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