FOCUSMONEY COVER - INCREMENTUM
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MONEYMARKETS GELASSEN D Finanziell entspannt wie ein asiatischer Buddha können Be- sitzer von Gold bleiben – auch wenn in vielen Weltregionen geopolitische Risiken oder Inflationsgefahren drohen 28 Foto: Can Stock Photo FOCUS-MONEY 39/2017 FM39028A 28 15.09.17 10:31
Titel: Geldflut, Inflationsgefahr, geopolitische Risiken N DANK GOLD E igentlich steht Asien für tief gründende Gelassenheit, die ihren Ursprung unter anderem in den Lehren Bud- dhas findet. Es gibt dort aber auch durchgeknallte Dikta- toren wie Kim Jong-un aus Nordkorea, der immer wieder Nach vielen Anläufen hat der beweist, dass er gern mit dem Feuer spielt. Erst zuletzt Goldpreis den Widerstand durch die Zündung einer Bombe, möglicherweise des be- sonders gefährlichen Wasserstofftyps, deren Wucht bis zu bei 1300 Dollar geknackt. einer Messstation in Bayern reichte. Einen Kollateralscha- den – oder besser gesagt Kollateralnutzen – seiner Aggres- Jetzt erwarten Experten weit sion Richtung Westen hatte Kim vermutlich nicht im Sinn: höhere Preise – auch wegen Sie hat auch den Kursdeckel bei Gold von 1300 US-Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) regelrecht weggesprengt. Ein massiver geopolitischer Jahr lang ist das Edelmetall immer wieder daran geschei- Krisen und Inflationsrisiken tert, diese Marke nachhaltig zu überwinden. Das dürfte jetzt gelingen – auch wenn es nach solchen Durchbrü- chen typisch ist, dass die Notierung nochmals unter die überwundene Barriere fällt. Bereits die erste Kursreakti- on nach dem Sprung über die magische Marke katapul- PL tierte den Goldpreis auf mehr als 1350 Dollar. Viel spricht ANA US also dafür, dass Anleger, die einen Teil ihres Vermögens LYSE: in Gold halten (Experten empfehlen fünf bis 15 Prozent), 10Fakto trotz Aggressoren wie Kim und anderer Risiken zumindest ren, d finanziell tiefenentspannt bleiben können. Gold ie de preis wirkli n Langfristig geht deutlich mehr. Schon rufen Experten beein ch flusse weit höhere Kursziele aus. Die Autoren des Buches „Gold n 10 000 Dollar?“, Gary Christenson und Jürgen Müller, ha- ben eine Formel entwickelt, die in der Vergangenheit oft gute Ergebnisse geliefert hat und die aktuell ei- Kursdeckel weggesprengt USD Der Goldpreis hat die Hürde von 1300 Dollar übersprungen, sei- 1800 nen langjährigen Abwärtstrend verlassen und notiert über der 1600 wichtigen 200-Tage-Durch- schnitts-Linie – die Bahn ist frei! gebrochener Abwärtstrend 1400 Ausbruch 1200 200-Tage-Linie 1000 Quelle: Bloomberg 800 Preis für 1 Feinunze Gold 600 2007 08 09 10 11 12 13 14 15 16 2017 FOCUS-MONEY 39/2017 29 FM39029A 29 15.09.17 10:31
MONEYMARKETS Der Goldchart in den 1980er-Jahren . . . Viele Anleger erinnern sich an die fulminante Gold- nen Preis von bis zu 10 000 Dollar ergeben würde (FOCUS- preis-Rally in den 1980er-Jahren. Damals gerieten MONEY 26/2017). Im Internet kursieren gar extreme Wer- die USA in eine Schuldenkrise, und die Inflationsra- te von 65 000 Dollar, die für den Goldpreis angemessen ten drohten aus dem Ruder zu laufen. Das lag auch seien, wenn man die gesamte Papiergeldmenge der USA an den stark gestiegenen Ölpreisen und Löhnen. wieder mit dem Edelmetall unterlegen würde. Hohe Kurs projektionen resultieren auch aus der beispiellosen Rally Preis für 1 Feinunze Gold 1979 bis 1988 USD der Kryptowährung Bitcoin, die sich in einem Jahr mehr als 800 versiebenfacht hat. Denn die Preisexplosion des Bitcoin und anderer Cyberwährungen, die von dezentralen Computern –66,6 % „geschürft“ werden und kaum manipulierbar sind, belegt 600 Abwärtstrend mehr als deutlich, dass die Menschen händeringend Wäh- rungseinheiten suchen, die unabhängig von dem massen- +75,8 % 400 weise gedruckten Papiergeld der Notenbanken sind. Das dürfte langfristig auch den Preis des Krisenklassikers Gold 200 weiter antreiben, der – anders als Bitcoin & Co. – schon viel- 1979 80 81 82 83 84 85 86 87 1988 fach und über Jahrtausende bewiesen hat, dass er als Infla- Quelle: Bloomberg tionsschutz, universelle Währung und Wertspeicher taugt. Doch selbst wenn man von weitaus moderateren Prog nosen ausgeht, haben Goldkäufer sehr gute Chancen auf hohe Gewinne – und erhalten natürlich den obligaten . . . ähnelt dem aktuellen frappierend Schutz gegen Teuerung und gegen kompletten Wertver- Würden sich die Goldpreise wieder ähnlich entwi- lust obendrauf (Anlagetipps ab Seite 40). Wenn man zum ckeln wie damals, könnte das Edelmetall auf knapp Beispiel das Kursmuster der 1980er-Jahre, das dem der- 1600 Dollar steigen. Weil aktuell die Schuldensitua- zeitigen frappierend ähnelt, auf heute überträgt, ergäbe tion dramatischer ist und die Notenbanken mehr sich ein Kursziel von 1570 Dollar (siehe Charts links und Geld drucken, sind auch höhere Kurse denkbar. FOCUS-MONEY 34/2017). Die renommierte Liechtenstei- ner Vermögensverwaltung Incrementum, die schon oft Preis für 1 Feinunze Gold 2010 bis 2019 USD durch ihre Goldexpertise glänzte, hält Preise von bis zu 1800 5000 Dollar je Feinunze für möglich. Das Finanzhaus, das –44,7 % bankenunabhängig arbeitet, untersuchte das in einer um- 1600 fangreichen Studie, die FOCUS-MONEY auf der nächsten +50,9 % 1400 Seite vorstellt. Zudem analysiert Incrementum-Co-Chef im Interview (Seite 34) die aktuellen Gold-Perspektiven Abwärtstrend 1200 und ruft das „Goldzeitalter“ aus. Zehn Faktoren, die den Goldpreis machen: Anleger sollten 1000 die – bei Gold besonders zahlreichen und teils weniger 2010 11 12 13 14 15 16 17 18 2019 bekannten – Faktoren kennen, die den Preis beeinflussen, Quelle: Bloomberg um sich ein eigenes Bild machen zu können. Hier sind die Faktoren und jeweils deren aktuelle Lage: Das Chartbild. Wie bei den meisten anderen Anlagen nutzen auch bei Gold sehr viele Investoren die Kurskur- Förderkosten über dem Durchschnitt ven, um Kauf- oder Verkaufsniveaus zu bestimmen – und beeinflussen so automatisch den Preis („Selffulfilling Pro- Der finanzielle Aufwand dafür, das begehrte Metall phecy“). Für weiter steigende Goldnotierungen spricht aus dem Boden zu holen, fiel zwar etwas, liegt aber über dem langfristigen Durchschnitt. Der jüngste der eingangs erwähnte Sprung über den massiven Ho- Rückgang lag auch an den gesunkenen Energie- rizontalwiderstand bei 1300 Dollar. Zusätzlich wurde der preisen und lässt sich so wohl nicht wiederholen. langjährige Abwärtstrend von unten durchstoßen, und das Edelmetall notiert über der wichtigen 200-Tage-Durch- Produktionskosten von Goldminen schnitts-Linie. Experten werten es als hilfreich für wei- in US-Dollar je Feinunze tere Kursavancen, dass der Abwärtstrend und die Boden- 1217 1129 bildung bei Gold mehrere Jahre gedauert haben – das 1022 1034 964 961 wertet den aktuellen Ausbruch auf. Charttechnisch gilt 794 also: freie Fahrt! 664 698 Krisen und geopolitische Risiken. Neben dem USA-Nord- 495 411 korea-Atomkonflikt bestehen aktuell zahlreiche weitere 331 364 geopolitische Risiken, die den Unzenpreis noch stärker antreiben könnten: der zunehmende Terror islamistischer 2004 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 2016 Gruppen, die ungelöste Ukraine-Russland-Krise oder Ter- Quelle: World Gold Council ritorialkonfrontationen im Chinesischen Meer. Auch ein 30 FOCUS-MONEY 39/2017 FM39030A 30 15.09.17 10:31
Wiederaufflammen der Euro-Krise nach der Bundestags- wahl würde preistreibend für Gold wirken. Besonders die- se Gefahr ist sehr real, da unpopuläre Entscheidungen wie ein neues Rettungsprogramm für Griechenland auf nach der Wahl vertagt wurden. Zur Erinnerung: Der Goldpreis hatte am bisherigen Höhepunkt der Euro-Krise 2011 sein Hoch von 1900 Dollar erreicht. Inflation. Zwar sind die aktuellen Raten in Europa noch niedrig, doch Experten erwarten, dass das nicht so bleiben dürfte. Allein die im Winter traditionell anziehenden En- ergiepreise können einen Teuerungsschub auslösen, das Gleiche gilt für die volatilen, aber teils sprunghaft gestie- genen Nahrungsmittelpreise. Aber vor allem die ungezü- gelte Gelddruckerei der Europäischen Zentralbank (EZB) kann zu ausufernden Teuerungsraten führen. Seit 2008 JETZ T hat sich in der Euro-Zone die Geldmenge um 80 Prozent INE ONL erhöht, die EZB-Bilanz wurde in diesem Jahr erstmals auf mehr als vier Billionen Euro aufgebläht (2007: 1,2 Billi- onen Euro). Besonders wenn die Konjunktur weiter rund läuft und der Fachkräftemangel zum Beipiel in Deutsch- land zu hohen Lohnforderungen führt, können Inflation Der richtige Arzt – und Gold durch die Decke gehen. einen Klick entfernt. Der US-Dollar. Gold notiert in US-Dollar und verhält sich zu diesem wie eine Währung. Das bedeutet: Sinkt der Dol- Einfach, schnell und überall lar, steigt tendenziell der Goldpreis und umgekehrt. Nach der Ernüchterung über die Wirtschaftspolitik des US-Prä- den passenden Mediziner sidenten Donald Trump geriet der Dollar zuletzt unter finden. Druck – noch im Dezember 2016 musste man für einen Die FOCUS-GESUNDHEIT Arztsuche Euro nur 1,04 Dollar berappen, jetzt 1,19. Investoren bli- umfasst rund 280.000 Ärzte in cken dabei nicht nur auf das Verhältnis Dollar-Euro, son- Deutschland aus allen Fachgebieten dern auch auf den Dollarpreis gegenüber anderen wich- und die von der Redaktion empfohlenen tigen Währungen wie dem Yen oder dem Pfund. Wertet der Top-Mediziner – auch in Ihrer Nähe. Greenback gegen diese ab, ist das gut für Gold. Die Zinsen. Ein besonders wichtiger Faktor für die Gold- Vertrauen Sie bei Ihrer Suche auf notierung sind die Zinsen, speziell jene der US-Staatsan- fachkundige Empfehlungen von leihen, die weltweit den Renditetrend vorgeben. Generell Ärzten und auf die Recherche der gilt: Steigen die Zinsen, ist das schlecht für den Goldpreis, FOCUS-GESUNDHEIT-Redaktion. weil Gold keine Zinsen abwirft und daher dann unattrak- tiver wird. Nach der US-Präsidentschaftswahl gingen die Auguren davon aus, dass die US-Zinsen sehr schnell stei- gen. Jetzt kehrt Ernüchterung ein, auch weil die Wirtschaft unter Präsident Trump doch nicht so stark wächst wie ver- sprochen. Deshalb hat sich mittlerweile die Überzeugung durchgesetzt, dass die Zinsen wesentlich langsamer an- ziehen werden als nach Donald Trumps Präsidentschafts- wahlsieg erwartet. Das hilft dem Goldpreis. Den Zusam- menhang zwischen US-Zinsen und Gold verdeutlicht die erste Grafik auf der nächsten Seite eindrucksvoll. Die Förderkosten. Die reinen Produktionsaufwendungen Website und kostenlose App: sind zwar zuletzt etwas gesunken (Grafik links unten). Das lag aber vor allem an den nachgebenden Energie- preisen und dürfte sich so nicht wiederholen. Auch kom- focus-arztsuche.de men zu den Nettokosten noch Aufwendungen für den Vertrieb oder Lizenzen dazu, was den tatsächlichen Wert deutlich erhöht. Zwar kann der Goldpreis kurzfristig un- ter die Förderkosten sinken, langfristig aber stellen die- se tendenziell eine Untergrenze für den Unzenpreis dar. Nachfrage aus Schwellenländern. In Schwellenländern wie China, einigen arabischen Staaten oder Indien ist FOCUS-MONEY 39/2017 FM39031A 31 15.09.17 10:31
MONEYMARKETS Gold oft die einzige Altersvorsorge der Menschen und Gold am Tropf der Zinsen das Hochzeitsgeschenk der Wahl. Deshalb beeinflusst die Gold wirft keine Zinsen oder andere laufende Erträ- Nachfrage von dort die Preise. Wenn in Indien die Hoch- ge ab. Deshalb leidet der Goldpreis tendenziell, zeitsmonate starten, zeigt sich das oft an den Edelmetall- wenn die Marktrenditen, vor allem in den USA, an- märkten. Laut Daten von Thomson Reuters hat allein Indien ziehen, weil das Edelmetall dann unattraktiver wird. im ersten Halbjahr 2017 mit 521 Tonnen mehr Gold einge- USD Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen % führt als im gesamten Jahr 2016 (519 Tonnen). Die Nachfrage von Investoren. Als Messlatte für die wichtigen Käufe von Profianlegern gilt der Bestand des 1300 2,40 größten physisch gedeckten Goldfonds der Welt, des SPDR Gold Trust aus den USA. Darüber wickeln beispielsweise 1200 2,00 Hedge-Fonds ihre Goldengagements ab, weil dies wesent- 1100 1,60 lich effizienter, schneller und kostengünstiger ist, als das Metall direkt zu erwerben. Schon von Januar bis Juli war 1000 Preis für 1 Feinunze Gold 1,20 dessen Bestand um 340 Tonnen auf 983 Tonnen gestiegen, 2015 2016 2017 also um 53 Prozent. Allein am Tag nach dem Votum der Quellen: Federal Reserve St. Louis, Incrementum Briten, die Europäische Union zu verlassen, hat das Volu- men des SPDR übrigens um 18,4 Tonnen zugelegt, am Fol- getag kamen nochmals 13 Tonnen hinzu. Zur Nachfrage des Branchenprimus addieren sich die Käufe weiterer in- ternationaler Gold-ETCs (Exchange Traded Commodities) Die Notenbanken preschen vor sowie von Zertifikaten und Anleihen, die physisch gedeckt Die Bilanzsummen der großen Zentralbanken sind, wie das beliebte deutsche Xetra-Gold (siehe Tipps). ( China, Schweiz, Japan, EZB, USA), in die zum Die Nachfrage durch Notenbanken. Seit dem Finanzkri- Beispiel die billionenschweren Käufe von Anleihen senjahr 2008 legen die weltweiten Goldreserven der No- einfließen, sind auf Rekordhöhen aufgebläht. Der tenbanken im Schnitt konstant zu – auf zuletzt 33 000 Ton- Goldpreis hinkt dem noch deutlich hinterher. nen. Das ist der höchste Wert seit der Jahrtausendwende. Dennoch sind die Bilanzsummen der Notenbanken insge- USD Zentralbankbilanzen Mrd. USD samt deutlich stärker gestiegen als der Goldpreis – der da- Preis für 1 Feinunze Gold Schweizer durch über ein gewisses Nachholpotenzial verfügt (siehe 1600 Nationalbank 1600 Chart links Mitte). 1200 1200 Sowohl die Käufe in Schwellenländern als auch von No- tenbanken und Investoren signalisieren also Goldstärke. f China 800 ’s Bank o Bank of Japan 800 Die Saisonalität. Viele Anlageklassen weisen saisona- People Europäische Zentralbank le Kursmuster auf, bei Aktien ist das etwa die statistische 400 400 Kursschwäche im August oder September. Bei Gold ist 0 US-Notenbank 0 diese Saisonalität besonders ausgeprägt. Eine Untersu- 2007 08 09 10 11 12 13 14 15 16 2017 chung der Jahre 1971 bis 2016 hat ergeben, dass dessen Quellen: Bloomberg, Incrementum Preis zwischen September und Dezember im Schnitt am stärksten zulegt – also genau ab jetzt. Betrachten Sie Gold als Versicherung! Die Argumente für steigende Goldpreise sind damit überwältigend. Der pro- Realwerte sind derzeit (zu) billig minente Kapitalmarktkenner Robert Halver von der Baa- Der kumulierte Wert von Grundstücken, Immobili- der Bank etwa bringt es auf den Punkt: „Keine Anlage- en, Gold und anderen Sachanlagen bewegt sich im klasse verfügt aktuell über so viele fundamentale Gründe Vergleich zu den aufgeblähten Finanzwerten wie für steigende Notierungen wie Gold.“ Dennoch kann es Bargeld, Anleihen oder Derivaten auf einem histo- immer wieder Rücksetzer geben oder ausgedehntere Seit- risch nicht gekannten Tiefstwert. wärtsphasen. Das ist für Edelmetalle typisch, wenn zwi- schenzeitlich unter den Anlegern der Optimismus zu- Entwicklung des Realvermögens % nimmt. Langfristig allerdings werden sich die Gründe für relativ zum finanziellen Vermögen, 1925 = 100 Gold ihren Weg hin zu (deutlich) höheren Kursen bah- 80 nen. Bis dahin sollten Anleger Gold als eine Art Versi- 80 cherungsprämie gegen Großkrisen betrachten. Bei Haft- pflicht- oder Hausratpolicen zahlen sie ja auch regelmäßig 40 ihre Beiträge, um das gute Gefühl der Sicherheit zu ge- nießen. Das Gleiche leistet Gold für das eigene Vermögen, 20 bietet aber zusätzlich die Chance auf fulminante Gewinne 0 – und das ganz ohne laufende Prämien. 1920 1940 1960 1980 2000 2020 Quellen: BofA Merrill Lynch, Incrementum ANDREAS KÖRNER 32 FOCUS-MONEY 39/2017 FM39032A 32 15.09.17 10:31
„DIE“ GOLD-STUDIE VON INCREMENTUM In Gold we trust – Wir vertrauen auf Gold So lautet der programmatische Titel einer außergewöhnlich umfangreichen und spannenden Analyse zu Gold, die tiefe Einblicke gibt und keinen Zweifel am Wert des Edelmetalls für alle Anleger lässt Stolze 179 Seiten umfasst die Studie der Vermögensverwal- der Ungleichgewichte abmildern könnte, funktioniert nicht, tung Incrementum. Die Liechtensteiner sind für ihre Exper- wenn Währungen nicht durch Angebot und Nachfrage re- tise zu Sachwerten bekannt. Akribisch haben die Autoren, guliert werden – eben wie in der Euro-Zone. Das erhöht Ronald-Peter Stoeferle und Mark. J. Valek, Fakten rund um ebenfalls die Wahrscheinlichkeit künftiger Turbulenzen. das Edelmetall zusammengetragen und ordnen diese ein in De-Dollarization. Das ist der Bedeutungsverlust des US- das Umfeld aus steigenden Schulden, Dollar- oder Zinsent- Dollar als weltweite Reservewährung. Dieser kann mit aus- wicklung. Sie blicken hinter die Kulissen und fragen kritisch, gelöst werden durch die sehr hohen Schulden der USA oder ob volkswirtschaftliche Kenngrößen, die positiv erscheinen, durch die fortwährende Missachtung der Schuldengrenze. nicht schon der Vorbote einer Rezession sein könnten – wie An dieser Stelle zitieren Stoeferle und Valek den US-Wirt- etwa die vermeintlich niedrige Arbeitslosigkeit in den USA. schaftler Kenneth Rogoff: „Ich schlage vor, dass die Schwel- Hier die Kernpunkte der Untersuchung: lenländer einen erheblichen Anteil ihrer Billionen Dollar an Graue und Schwarze Schwäne. „Schwarze Schwäne“ Fremdwährungsreserven in Gold reinvestieren.“ sind extreme Ereignisse an den Kapitalmärkten, die mas- Die systemische Überschuldung. Die Tatsache, dass sive Auswirkungen haben, die aber niemand erwartet das gegenwärtige Geldsystem ein Schuldgeldsystem ist, – wie die Finanzkrise. „Graue Schwäne“ sind zwar auch führt automatisch zu immer höheren Kreditbergen. Wür- sehr unwahrscheinlich, aber zumindest vorstellbar. Laut de sich niemand mehr verschulden, würde so gut wie die Studie hat die Erhöhung der Gesamtverschuldung und gesamte Geldmenge verschwinden – mit katastrophalen der Geldmengen das ungedeckte Geldsystem noch fra- Auswirkungen auf die Wirtschaft. Mehr Schulden bedeu- giler gemacht, als es von seiner Grundverfassung ohne- ten oft höhere Inflation – und machen Gold interessant. hin ist. Die Wahrscheinlichkeit von Grauen und Schwar- Der Kampf ums Bargeld. Politiker, manche Ökonomen zen Schwänen ist also gestiegen. Gold kann Schutz bieten. sowie Zentralbanker möchten gern den Bargeldverkehr Globale Ungleichgewichte. „Die bisherige Instabi- stark eindämmen oder ganz abschaffen, etwa um auf Kon- lität der Marktwirtschaft ist eine Folge davon, dass der tengeldern umfassend Minuszinsen durchsetzen zu können. wichtigste Regulator des Marktmechanismus, das Geld, Gold bietet keine Zinsen – aber auch keine Minuszinsen. seinerseits von der Regulierung durch den Marktprozess Fazit: Ein Teil Gold gehört in jedes Depot. Wenn hohes ausgenommen wurde“, zitieren die Studienautoren den ös- inflationäres Wachstum auftritt und die Normalisierung der terreichischen Ökonomen Friedrich August von Hayek. Das Geldpolitik scheitert sowie die monetäre Ordnung rund um bedeutet: Der Ausgleichsmechanismus zwischen Ländern, den Dollar wankt, sind Unzenpreise bis 5000 Dollar möglich. Wir leben in einem Im Durchschnitt teurer Der Goldpreis ist vergleichsweise volatil, schwankt Zeitalter des also auch während des Jahresverlaufs kräftig. Daher sind die jährlichen Durchschnittspreise aussagekräf- fortgeschrittenen tiger – und die haben ebenfalls nach oben gedreht. monetären Jährlicher durchschnittlicher Goldpreis Surrealismus“ in US-Dollar je Unze 1600 1200 Ronald-Peter Stoeferle, 800 Co-Autor der Incre- 400 mentum-Studie 0 1980 85 90 95 2000 05 10 15 2020 Quellen: Federal Reserve St. Louis, Incrementum FOCUS-MONEY 39/2017 33 FM39033A 33 15.09.17 10:31
MONEYMARKETS Schwören auf Gold: Mark Valek (vorn) und Ronald-Peter Stöferle (Hintergrund) INTERVIEW „Neues Gold-Zeitalter“ Startet ein neuer Gold-Bullenmarkt? Ja, meint Incrementum-Partner Mark Valek. Nach der ersten Etappe 2001–2011 und folgender Korrektur sieht er Gold nun vor der zweiten Hausse-Phase FOCUS-MONEY: Per saldo hat sich beim Preis für die Gold- tionsraten, über weite Strecken einhergehend mit einem unze seit rund vier Jahren kaum etwas getan. Er hing bis starken US-Dollar. Schrumpfende Teuerungsraten sowie zum jüngsten Ausbruch seit Mitte 2013 zwischen 1100 eine starke Leitwährung setzten realwirtschaftliche Werte und gut 1300 Dollar bzw. 900 und 1200 Euro fest. Was wie Gold, Silber oder Rohstoffe tendenziell unter Druck. kann nun eine neue Dynamik bringen? Anfang 2016 begann sich das aber zu ändern. Nachdem Mark Valek: Tatsächlich erscheint es auf den ersten Blick der Zinserhöhungszyklus in den USA nach nur einer An- so, als sei bei Gold zuletzt nicht viel passiert. Doch das hebung pausieren musste, erlebte Gold ein fulminantes täuscht. Im Hintergrund hat sich vor allem 2016 und 2017 Comeback – bis dann Trump kam. einiges geändert. Ich würde sogar sagen: Wir stehen vor MONEY: Trump ist auch hier schuld? einem Paradigmenwechsel an den Märkten. Die Auswir- Valek: (lacht) Von Schuld kann man nicht sprechen. Trump kungen davon werden sich in Zukunft im Goldpreis deut- förderte den Glauben an eine bessere Wirtschaft in den lich zeigen. USA und ein erstarkendes Amerika – zumindest tempo- MONEY: Das sind starke Worte für einen längere Zeit eher rär. Die Wahl Trumps gab auch dem Dollar Auftrieb. Er schwächlichen Markt. legte Ende 2016 gegen alle wichtigen Währungen noch- Valek: Die Jahre 2013 bis 2015 waren für Gold nicht berau- mals zu, gegen den Euro sogar auf ein 14-Jahres-Hoch. schend, ohne Frage. Wir sahen weltweit sinkende Infla- Ein starker Dollar aber drückt tendenziell die Inflation in 34 FOCUS-MONEY 39/2017 FM39034A 34 15.09.17 10:27
Die Großwetterlage ändert sich gravierend zu Gunsten von Realwerten wie Edelmetalle oder Rohstoffe“ den USA und bremste so auch Gold wieder aus. Das er- Geldpolitik und der Rückkehr zum Alltag steht so kaum scheint mir wichtig: Bei der Beurteilung der Edelmetalle mehr etwas entgegen. Diesmal müssen die alten Muster ist die Leitwährungsfunktion des US-Dollar immer zu be- also nicht mehr gelten, es könnte wirklich anders sein. achten. Daher ist aus unserer Sicht die wirtschaftliche Ent- Valek: Könnte es das wirklich? „Diesmal ist alles anders“ wicklung im Dollar-Raum nach wie vor für die Preisent- – das ist bekanntlich der teuerste Satz in der Anlagege- wicklung von Gold ausschlaggebend. schichte. Und was den Erfolg der Maßnahmen angeht, MONEY: Und wo erkennen Sie jetzt den Paradigmen scheiden sich die Geister. Offensichtlich war ein Großteil wechsel? der Amerikaner mit dem Aufschwung der vergangenen Valek: Im Verhalten des US-Dollar. 2016 verlor er zunächst acht Jahren eindeutig unzufrieden. Sonst wäre die Präsi- sein zuvor starkes Aufwärtsmomentum. Seit Jahresbe- dentschaftswahl ja nicht so ausgegangen. Vermögende ginn tendiert der Dollar nun massiv schwächer. Die ers können sich freilich nicht über die Auswirkungen der ten sechs Monate 2017 waren für die US-Valuta sogar das Geldpolitik beschweren. Haben sich doch deren Portfo schlechteste Halbjahr seit 1985. Am Markt wird das bis- lio-Werte zumeist mehr als nur wieder erholt. her kaum beachtet. Dabei bedeutet das tendenziell wieder MONEY: Sie glauben also nicht, dass den Notenbanken zunehmende Inflationsraten im Dollar-Raum und damit ein Abschied von ihrer expansiven Geldpolitik wirklich auch kräftigen Rückenwind für Gold. Die Großwetterla- gelingt? ge ändert sich gravierend zu Gunsten von Realwerten wie Valek: Wir hegen zumindest große Zweifel. Die Fed zum Edelmetalle und Rohstoffe, zumal auch die Notenbanken Beispiel hatte für 2016 vier Zinserhöhungen angekün- mit ihrer Geldpolitik an Grenzen stoßen. Die Bodenbil- digt, davon aber nur gerade eine, nach dem Amtsantritt dung bei Gold dürfte abgeschlossen sein. Wir sehen den Trumps, umsetzen können. Die Quittung kam prompt. Markt heute am Beginn einer länger anhaltenden, neu- MONEY: Wie sah die aus? en Aufwärtsphase. Valek: Die Märkte reagierten auf die Untätigkeit und das MONEY: Sind Sie da nicht zu optimistisch für die Edelme- Zögern der Fed erstmals mit einer Abwertung des Dollar talle? Die Wirtschaft fasst zunehmend Fuß. In den USA hat und einem klar steigenden Goldpreis. Das liefert einen die Federal Reserve (Fed) die Normalisierung der Geldpo- Vorgeschmack darauf, was passiert, wenn die Normali- litik bereits eingeläutet, in Europa denkt die Europäische sierung der Geldpolitik ins Stocken gerät oder gar ganz Zentralbank (EZB) erstmals darüber nach. Das bedeutet ausfällt, etwa bei einer Konjunkturabschwächung. Eine doch unter anderem eher steigende Zinsen. Für Gold als Rezession zum Beispiel hat bisher überhaupt niemand auf zinslose Anlage wäre das kaum von Vorteil. dem Zettel, obwohl sie in unserem Wirtschaftssystem ein Valek: Inwieweit man auf die Notenbanken bauen kann, ständig wiederkehrendes Phänomen ist. ist die Frage aller Fragen in diesem Spiel. Seit 1971 die MONEY: Was wären da die Konsequenzen? Goldbindung des US-Dollar aufge- Valek: Man muss kein großer Pro- hoben und ein ungedecktes Geld- phet sein, um zu sagen, dass die system eingeführt wurde, können die Zentralbanken praktisch unbe- VITA Notenbanken bei einer sich ankün- digenden Rezession den Fuß sehr grenzt Geld schöpfen. Bisher set- schnell von der Bremse nehmen und zen die Märkte noch darauf, dass Mark J. Valek neu Gas geben werden. Das tun sie sie dies verantwortungsvoll tun, wie inzwischen fast schon reflexartig. etwa ehedem die Bundesbank. Die- Der 37-jährige Österreicher ist zu- Die Frage ist nur, ob das dann über- se Hoffnung wird von den Erfah- sammen mit Ronald-Peter Stöferle haupt noch Wirkung zeigt. Schauen rungen aus der Geschichte aber Partner des unabhängigen liechten- Sie: Nach dem Platzen der Dotcom- nicht gestützt. Die Notenbanken steinischen Vermögensverwalters Blase senkte der damalige Fed-Chef haben ihr Geldmonopol in schö- Incrementum AG. Alan Greenspan den Zins in den USA ner Regelmäßigkeit ausgenutzt und für zwei bis drei Jahre auf ein Pro- tun das auch heute. Allein im ers Zuvor war er der studierte Be- zent, bis die Wirtschaft wieder in Tritt ten Quartal 2017 haben die größten triebswirt zehn Jahre lang bei der kam. Nach der Finanzkrise blieb der Zentralbanken weltweit den Gegen- Wiener Raiffeisen Capital Manage- US-Leitzins schon rund sieben Jah- wert von rund einer Billion US-Dollar ment aktiv, u. a. als Fondsmanager. re bei null, und es kam noch der An- aus dem Nichts geschaffen! kauf von Staatsanleihen hinzu – bis- MONEY: Aber die Notenbanken ha- Zusammen mit Stöferle leitet er her ohne überzeugenden Effekt auf ben doch Erfolg, würden Ihnen Op- auch bei Incrementum mehrere die Wirtschaft. In Europa gelingt timisten entgegenhalten. Die Wirt- Fonds und ist Mitautor des jährli- der EZB trotz ihrer hyperexpan- schaft wird stabiler, in den USA und chen Reports „In Gold we Trust“, siven Geldpolitik bisher bestenfalls jetzt auch in Europa. Dem sukzes- inzwischen ein Klassiker. ein mageres Wachstum, sicher aber siven Ausstieg aus der expansiven kein selbsttragender Aufschwung. FOCUS-MONEY 39/2017 35 FM39035A 35 15.09.17 10:27
MONEYMARKETS MONEY: Sie meinen, die Notenbanken haben ihr Pulver oder Immobilien. Bei diesen Finanzpreisen beobachten verschossen? wir durchaus eine starke inflationäre Entwicklung. Valek: So gut wie. Um überhaupt noch eine Chance auf MONEY: Als Preistreiber für Gold dient diese Art der In- eine Wirkung zu besitzen, werden sie wohl bei der nächs flation bisher aber kaum. ten Runde unkonventioneller Geldpolitik zu noch deut- Valek: Tatsächlich sind bisher die Realpreise, zu denen lich brachialeren Mitteln greifen müssen wie etwa noch auch die Notierungen von Edelmetallen oder Rohstoffen höheren Negativzinsen oder Helikoptergeld. Trotzdem zählen, kaum tangiert. Aber gerade das spricht derzeit stehen die Chancen schlecht. Wahrscheinlich wäre bei für sie. Aus der Erfahrung wissen wir, dass eine Vermö- solchen Verzweiflungsschritten aber eine drastische Auf- genspreisinflation irgendwann auf die Verbraucherpreise wertung des Goldes. überschwappt, mit oder ohne Notenbanken. Eine Fein- MONEY: Unterschätzen Sie da die Notenbanken nicht? dosierung der Inflationsraten wird für die Zentralbanken Valek: Wir haben hier das aus der Wirtschaftstheorie bes dann immer schwieriger, auch wenn sie nach außen et- tens bekannte, typische Phänomen des abnehmenden was anderes glauben machen wollen. Gold wird davon Grenznutzens. Jeder zusätzlich geschöpfte Dollar oder auf jeden Fall profitieren. Dafür gibt es aber noch einen Euro zeigt immer weniger Effekt bis hin zur völligen Wir- weiteren Grund. kungslosigkeit oder gar konträren Auswirkungen, vor de- MONEY: Der wäre? nen immer mehr Ökonomen inzwischen warnen. Schon Valek: Auf lange Sicht stehen Finanz- und Realpreise jetzt gelang es doch den Notenbanken trotz ihrer Liqui- schon immer in einem relativ festen Verhältnis zueinan- ditäts-Supernova nicht, auch nur die gewünschten Teue- der. Von diesem Verhältnis weichen sie derzeit stark zu rungsraten zu erzeugen. Gunsten der Finanzpreise ab, wie zuvor nur vor dem Plat- MONEY: Sie sprechen die Inflation an. Aber deren Aus- zen der Dotcom-Blase und zum Ende der großen Wachs- bleiben spricht auch nicht gerade für Gold. tumsphase in den sechziger Jahren. Valek: Vorsicht! Sie müssen differenzieren. Die Noten- MONEY: Das heißt konkret? banken machen, wie zumeist auch die Öffentlichkeit, Teu- Valek: Es gibt zwei Möglichkeiten der Rückkehr zum erung nur an den Verbraucherpreisen fest. Das greift zu Gleichgewicht: eine deftige Korrektur der Finanzpreise kurz. Schon die rasante Ausdehnung der Geldmenge – in oder ein markanter Anstieg der Realpreise. Die zweite den USA von knapp einer Billion Dollar im Jahr 2008 auf Alternative ist die weitaus wahrscheinlichere, denn das heute fast 4,5 Billionen Dollar – ist der erste Schritt in die monetäre Umfeld dürfte eine harte Reaktion bei den Fi- Inflation. Schließlich kommt Inflation vom lateinischen nanzpreisen verhindern. Hier drängt sich ein Vergleich inflare, was so viel heißt wie aufblähen. Wir haben also mit den sechziger und siebziger Jahren auf. Damals hat- schon Inflationierung durch die Notenbanken. Das ist ten wir zunächst auch einen deutlichen Anstieg der Fi- aber nur ein Teil. nanzpreise, weit weg vom langfristigen Durchschnitt im MONEY: Was kommt noch? Verhältnis zu den Realpreisen. Letztere explodierten dann Valek: Die Anleihenkäufe der Notenbanken und die damit in den siebziger Jahren, parallel zu einer wachsenden einhergehende Geldschöpfung sind vor allem eine Injek- Verschuldung. Resultat war unter anderem eine Verviel- tion in den Finanzmarkt. Hier zeigt die Geldschwemme fachung des Goldpreises mit neuen Rekordnotierungen. bereits deutlich Wirkung, während sie in der Realwirt- MONEY: Das kann Ihrer Meinung nach wieder passieren? schaft bisher kaum ankam. So drückten die Zentralban- Valek: Oh ja. Schon jetzt sind Parallelen zu den siebzi- ken die Anleihenrenditen nach unten und zwangen da- ger Jahren beim Goldpreis erkennbar. Dabei ist die Aus- mit die Investoren in risikoreichere Anlagen wie Aktien gangslage heute noch viel dramatischer. Die Schwemme Verblüffender Gleichschritt Viel gutzumachen Der Verlauf des aktuellen Goldzyklus gleicht stark Gold machte schwierige Zeiten durch, als die Ak- dem der großen Hausse der 70er-Jahre nach der tienmärkte weitaus besser liefen. Zuletzt hat sich Aufgabe der Goldbindung des US-Dollar. Bleibt das das Edelmetall relativ zu den Aktienmärkten stabili- so, müsste das gelbe Metall vor einer Rally stehen. siert – das Blatt könnte sich nun wenden. Vergleich der Goldbullenmärkte % Goldpreis/S&P-500-Ratio % 160 Goldbullenmarkt 1970 bis 1979 1350 120 450 150 80 Goldpreis seit 2000 50 40 2000 05 10 15 20 2024 2011 12 13 14 15 16 2017 Quelle: Incrementum Quelle: Incrementum 36 FOCUS-MONEY 39/2017 FM39036A 36 15.09.17 10:27
an Zentralbankgeld und die Sintflut an neuen Schulden, Valek: Niedrigzinsen bei steigenden Preisen bedeuten sin- vor allem der Staaten, bauen einen monetären Tsuna- kende oder sogar negative Realzinsen. Sie sind von jeher mi auf. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sich entlädt. ein mächtiger Motor für den Goldpreis, denn die Oppor- Und als Anleger möchte ich dann lieber Realwerte besit- tunitätskosten für die Goldhaltung sinken. Auch die Wert- zen als Schuldtitel. bewahrungsfunktion von Gold kommt dann wieder stär- MONEY: Die Märkte sehen das aber gelassen. Die Vola- ker zum Tragen. tilität ist so gering wie nie. Von Zittern vor einem Tsuna- MONEY: Wo sehen Sie dann Gold in ein oder zwei Jahren, mi keine Spur. wenn Sie eine Hausnummer nennen sollten? Valek: Weil sie in Liquidität ertränkt werden. Und die Valek: Das hängt mit vom Verhalten der Notenbanken und stützt, wie gesagt, die Finanzpreise. Zudem herrscht die der Inflationsentwicklung ab. Beim langfristigen Preisver- Überzeugung, dass die Notenbanken die Märkte bei Ge- lauf sieht es auf jeden Fall so aus, als hätte der Goldpreis fahr wieder heraushauen werden. Das führt zu einer kol- seine Formkrise überwunden. Die aktuelle Entwicklung lektiven Sorglosigkeit. Die Bank für Internationalen Zah- ist ein Paradebeispiel für einen ausgedehnten Bullen- lungsausgleich (BIZ), einer der wenigen Warner aus dem markt. Von der Mehrzahl der Investoren wird er über- öffentlichen Sektor, spricht von einer „angespannten haupt noch nicht wahrgenommen. Dabei dürften wir vor Ruhe“. Auch wir sehen das so. Es dürfte nur eine Frage einem neuen Abschnitt dieses Bullenmarkts, einem neu- der Zeit sein, bis sich die wahren Kosten des momentan en Goldzeitalter stehen. Denn unserer Überzeugung nach herrschenden monetären Wahnsinns zeigen. Und dann liegt der zweite Teil dieser säkularen, im Jahr 2001 be- ist es mit der Ruhe an den Märk- gonnenen Aufschwungphase noch ten schnell vorbei. vor uns. Beim zuvor beschriebenen MONEY: Übertreiben Sie hier nicht? Szenario halten wir eine Verdopp- Valek: Ich glaube nicht. Äußerst pi- Es erscheint nur eine lung oder Verdreifachung des Un- kant in diesem Zusammenhang ist zenpreises durchaus für möglich. doch, dass ausgerechnet Ex-Fed- Frage der Zeit, bis sich Wahrscheinlich ist auf jeden Fall Chef Alan Greenspan, der nach der monetäre Tsunami auf mittlere Sicht ein Test der bis- der Dotcom-Krise mit der Nied- herigen Höchstmarke von gut 1900 rigstzinspolitik begann, heute mit aus Geldschwemme US-Dollar je Unze. zu den größten Kritikern unseres MONEY: Anleger sollten also Acht ungedeckten Geldsystems zählt. Er der Notenbanken und geben? bezeichnet es als das größte geld- Sintflut an Schulden Valek: Auf Gold, aber auch inflati- politische Experiment in der Ge- onssensitive Anlagen im weiteren schichte, von dessen positivem entlädt“ Sinn. Sie werden bei Fortsetzung Ausgang er keineswegs überzeugt des Bullenmarkts ein interes- sei. santer Performance-Bringer sein. MONEY: Die Märkte scheinen das Selbstverständlich gehören dazu aber anders zu sehen, sonst würden sie nicht so ruhig blei- auch Gold- und Silberminen. Denn eine Goldhausse ben, sondern sich darauf einstellen. wird mit einiger Verzögerung stets von den Minenaktien Valek: Ein Teil der Marktteilnehmer setzt im Augenblick bestätigt. noch mit fester Überzeugung auf eine finale Genesung MONEY: Und wann geht es los? der Wirtschaft und erwartet eine tendenzielle Normalisie- Valek: Bekanntlich wird an der Börse zum Einsteigen nicht rung der Geldpolitik, auch wenn die vielleicht nur sehr geklingelt. Generell erscheint es angebracht, sich jetzt allmählich verläuft. Fällt diese Normalisierung aber aus – schon ein paar Münzen oder Barren in den Tresor zu le- und dieses Szenario halten wir angesichts der immensen gen. Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal die Staatsverschuldung und der immer noch fragilen Kon- Privatanleger loben. Sie sehen Gold eigentlich sehr rea- junktur für sehr wahrscheinlich –, steht das Vertrauen in listisch und erwerben es vor allem physisch in Form von die Notenbanken auf dem Spiel. Dass sie danach irgend- Barren oder Münzen. Dabei handeln sie oft antizyklisch. wann in der Zukunft beim nächsten Versuch den Ausstieg Das heißt, sie kaufen, wenn der Preis fällt und das Metall doch noch schaffen werden, wird dann nur noch schwer günstig erscheint. Und sie sind sehr geduldig. Anders als zu vermitteln sein. bei Wertpapieren schauen sie bei Edelmetallen weit weni- MONEY: Wie werden dann, glauben Sie, die Märkte re- ger auf die Tageskurse und werden so auch nicht zu vor- agieren? schnellem Handeln verleitet. Das liegt wohl auch an der Valek: Wir haben im diesjährigen „In Gold we Trust“-Re- Beschaffenheit von Gold. port mehrere Szenarien für die kommenden vier Jahre MONEY: Wie meinen Sie das? formuliert. Für den Fall, dass es tatsächlich zu einem Ab- Valek: Wer eine Goldmünze betrachtet, weiß, dass er et- bruch der geldpolitischen Normalisierung kommt, dürfte was in der Hand hält, dass auch morgen oder übermor- es weit mehr werden als eine bloße Reaktion. Realwerte gen einen guten Wert hat. Das war schon vor 1000 oder wie Gold könnten dann vor einer Renaissance und einer 5000 Jahren so und wird auch in Zukunft so sein. Diese kompletten Neubewertung stehen, vor allem bei einer Sicherheit bieten eigentlich nur Edelmetalle. Kombination steigende Preise/niedrige Zinsen. MONEY: Was macht Sie da so sicher? BERND JOHANN FOCUS-MONEY 39/2017 37 FM39037A 37 15.09.17 10:27
MONEYMARKETS Nicht nur Stefan Riße Finanzmarktexperte und Krisenwährung! Buchautor A ls der Goldpreis im September 2011 auf dem Hö- hepunkt der Euro-Krise die 1900-Dollar-Marke nach oben durchbrach, hätten selbst viele Skeptiker, denen der Anstieg zu schnell vorkam, eines nicht gedacht: dass sechs Jahre später der Preis für das Edelmetall 30 Prozent tiefer notieren würde. Ich auch nicht. Die Notenbanken waren damals schon aktiv mit dem Kauf von Staatsanleihen. Die Geldmengen wurden also kräftig erhöht, und Inflations- potenzial schien sich aufzubauen. Doch die Hoffnungen werden müssen. Ist das der Fall, kann sehr schnell eine der Goldfans gingen nicht in Erfüllung. Denn es kam eben Aufwärtsspirale aus steigenden Löhnen und damit wiede- nicht zur normalen Korrektur nach zu schnellem Anstieg, rum steigender Teuerung einsetzen. Doch selbst wenn wir sondern eine langjährige Baisse setzte ein. Natürlich war noch nicht an diesem Punkt sind und es noch ein paar Jahre das Grund genug, die Argumente, die ursprünglich zu mei- dauert, sollten Goldanteile bereits heute gehalten werden. ner Hausse-Prognose geführt hatten, zu überprüfen. Dies Denn der übliche Nachteil des Goldes, seine Unverzins- tat ich bereits vor einem Jahr, als der Goldpreis unter 1100 lichkeit, ist in Zeiten des Nullzinses nicht mehr vorhanden. Dollar fiel. „Goldanteil behalten!“ – So lauteten das Fazit Springt die Inflation dann tatsächlich irgendwann an, ist und der Titel. Goldrichtig, muss man aus heutiger Perspek- man bereits investiert, denn dann kann es mit dem gelben tive sagen. Aktuell notiert das Edelmetall um über 20 Pro- Metall auch sprunghaft nach oben gehen. Aus stimmungs- zent höher. Denn die Argumente, die langfristig für einen technischer Sicht ist derzeit ebenfalls noch keine Überhit- weiter steigenden Goldpreis sprechen, sind nach wie vor zung zu erkennen (s. unten). intakt. Seinen Status als Krisenwährung hat das gelbe Me- tall im Nordkorea-Konflikt wieder unterstrichen. Und die geopolitische Lage wird unsicher bleiben. Noch keine Verkaufssignale Viel wichtiger für die langfristig positiven Aussichten für Preis für 1 Feinunze Gold USD Gold ist aus meiner Perspektive jedoch das Inflationspoten- zial. Zwar bleiben höhere Preissteigerungsraten bisher aus, 1800 doch längerfristig sind sie nicht zu ignorieren. Sie ergeben 1600 sich dabei nicht, wie in der Vergangenheit üblich, aus ei- ner nicht zu stillenden Nachfrage. Produktionskapazitäten 1400 und Arbeitskräfte gibt es durch die Globalisierung zuhauf. 1200 Nein, es ist die Untätigkeit, zu der die Notenbanken ver- dammt sein werden, selbst wenn die Inflationsraten wieder 1000 zu steigen beginnen, auch über die von einigen Zentralban- positive Anlageberater für Gold Verkaufszone % Quelle: Thomson Reuters Datastream ken anvisierten zwei Prozent hinaus. Das kann leicht pas- 70 sieren, wenn die Rohstoffe wie zuletzt stärker steigen oder 60 die Immobilienpreise und damit auch Mieten klettern, weil 50 das billige Geld hier zu Preissteigerungen führt. 40 Die Zentralbanken sitzen in einer Zwickmühle. Teile der 30 Privatwirtschaft sind viel zu hoch verschuldet, als dass sie Kaufzone 20 höhere Zinsen verkraften könnten. So ist die Verschuldung der US-Unternehmen in den letzten Jahren massiv gestie- 2011 12 13 14 15 16 2017 gen, weil sie sich zu den tiefen Zinsen Geld geliehen ha- 2000 02 04 06 08 10 12 14 2016 ben, um eigene Aktien zurückzukaufen. Das macht sie aber Hohe Schulden erfordern tiefe Zinsen eben auch abhängig von dauerhaft tiefen Zinsen. Auch Schulden der US-Nicht-Finanzunternehmen viele Immobilienbesitzer in den USA und Europa könnten in Prozent des Bruttoinlandsprodukts nach wie vor durch deutlich steigende Zinsen in Bedräng- 45 nis geraten. Man darf nicht vergessen, die Kette reißt auch Quelle: Thomson Reuters Datastream 40 *G hier immer am schwächsten Glied. In Europa ist das wo- in möglich das italienische Bankensystem. Und die Europä- 35 EU ische Zentralbank (EZB) kann nur Geldpolitik für den ge- Ab 30 zu samten Währungsraum machen. Hier muss sie sich nach da 25 dem schwächsten Glied richten, um eine Kettenreaktion zu Ink vermeiden. Lehman lässt grüßen. Das wird zur Folge ha- 20 En ben, dass andernorts auch höhere Inflationsraten toleriert 1950 60 70 80 90 2000 10 2020 38 Foto: J. Koch FOCUS-MONEY 39/2017 FM39038A 38 15.09.17 12:38
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