Für Eltern Struwwelpeter 2.1 - Ein Leitfaden für Eltern durch den Medien-Dschungel - Bund der Freien Waldorfschulen

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Für Eltern Struwwelpeter 2.1 - Ein Leitfaden für Eltern durch den Medien-Dschungel - Bund der Freien Waldorfschulen
Bund der Freien
Waldorfschulen

                  Für E l t ern

  Struwwelpeter 2.1
    Ein Leitfaden für Eltern durch den
             Medien-Dschungel
Für Eltern Struwwelpeter 2.1 - Ein Leitfaden für Eltern durch den Medien-Dschungel - Bund der Freien Waldorfschulen
Für Eltern Struwwelpeter 2.1 - Ein Leitfaden für Eltern durch den Medien-Dschungel - Bund der Freien Waldorfschulen
Einleitung 1

Liebe Leserinnen und Leser,

im September 2014 veröffentlichte        Dadurch ist uns auch bewusst, wie
eine Arbeitsgruppe im Bund der           schwierig angesichts der Macht der
Freien Waldorfschulen die Broschüre      Medien und der Medienindustrie die
„Struwwelpeter 2.0 – Medienmündig-       Erziehungsaufgabe auf diesem Feld
keit und Waldorfpädagogik“, die als      ist und wie oft man als Eltern ratlos
Information für Lehrer konzipiert        dasteht.
war. Die vielfältige und sehr positive
                                         Deshalb schließen sich die Autoren
Resonanz hat uns überrascht; inzwi-
                                         dieser Broschüre Prof. Diane Levin,
schen ist die 3. Auflage erschienen,
                                         Professorin für Early Childhood
und es gibt Übersetzungen in ver-
                                         Education in Boston, an, die über ihre
schiedene Sprachen.
                                         Arbeit sagte: “We try to tell parents
Auch Eltern zeigten ein großes           not to make it perfect but to make it
Interesse an der Thematik, das sich      a little less bad.”
in Form vieler Anfragen aus Schulen
                                         Dabei wünscht Ihnen gutes Gelingen
und aus den Gremien der Eltern-
                                         Franz Glaw
mitwirkung äußerte.

Um diese Nachfragen aus Sicht der
Eltern und Erzieher zu beantworten,
entwickelten wir nun diese Broschüre
für Eltern, die eine Orientierung vor
dem Hintergrund der Waldorfpäda-
gogik anbietet.

Die Texte sind in Zusammenarbeit der
Autoren und auch durch den Aus-
tausch mit Eltern auf Elternabenden,
in Gesprächsrunden auf der Ebene
der Landeselternräte und auf Bundes-
ebene entstanden.
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2 Stuwwelpeter 2.1 | Für Eltern

   Kinder stark machen

   Es geht um Medienkompetenz.
                                              In der Eurythmie, die
   Wir – Eltern und Pädagogen – haben
                                              in Waldorfschulen
   ein großes Interesse daran, dass           gepflegt wird, sorgt der
   unsere Kinder lernen, wie man mit          eurythmische Laut E
   Medien aller Art sinnvoll umgeht.          für Ausgeglichenheit,
   Und tatsächlich, man muss schon in         Kraft und innere
                                              Stabilität. Bei diesem
   frühester Kindheit dafür die Basis
                                              Laut ist das Überkreu-
   legen.                                     zen eine wichtige
                                              Geste.
   Ebenso ist es mit der viel genannten
   Medienkompetenz, auch sie muss
   nach und nach aufgebaut werden.
   Das ist wie beim Autofahren.
   Mit gutem Grund legt der Gesetzge-
   ber fest, dass junge Menschen erst
   ab dem vollendeten 18. Lebensjahr
   alleine ein Auto fahren dürfen. Jedem
   leuchtet diese Festlegung unmittelbar
   ein, denn die Bedienung eines Autos
   setzt eine gereifte Urteils- und Verant-
   wortungsfähigkeit voraus. Was für
   den Umgang mit Verkehrsmitteln
   selbstverständlich ist, gilt auch für
   die Nutzung von Informationstechno-
   logien wie Computer, Internet und
   Mobilfunk. Hier bedarf es ebenfalls
   einer inneren Reife, bevor man diese
   Geräte sinnvoll verwenden kann und
   vor den Gefahren, die sie mit sich
   bringen, gefeit ist.
   Allerdings scheiden sich an diesem
   Punkt die Auffassungen: Es wird
   gerne argumentiert, dass Computer,
   Tablets, Smartphones überall vorhan-
   den sind und die Kinder dauernd
   damit in Berührung kommen, deshalb
   müsse man ihnen möglichst früh
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Kinder stark machen 3

zeigen, wie man mit diesen Geräten      Mensch ist: Lässt er sich von den
richtig umgeht. Diese Auffassung        Annehmlichkeiten und Möglichkeiten
scheint unmittelbar einleuchtend zu     der Technologien verführen und gibt
sein – auf die allgegenwärtigen moto-   sich damit selbst ein Stück weit auf
risierten Fortbewegungsmittel wird      oder hat er sich zu einem starken
diese Argumentation allerdings nicht    Charakter entwickelt, der seine
angewandt. Autos sind weit verbrei-     eigenen Wege geht, der Geräte auch
tet, dauernd haben die Kinder damit     ausschalten kann, wenn er sie nicht
zu tun, aber niemand folgert daraus,    braucht. Nutzt man die Geräte für
dass die Kinder bereits im Kindergar-   eigene Interessen oder erliegt man
tenalter praktische Fahrstunden zu      ihren Versuchungen. Bevor man
nehmen hätten. Aus der weiten           intelligente Technologien beherrschen
Verbreitung eines Gerätes im Alltag     kann, muss man sich selbst beherr-
kann man keineswegs ableiten, dass      schen lernen. Die Grundfrage ist
es notwendig wäre, Kinder so früh       daher: Wie werden wir selbst und
wie möglich in die Handhabung die-      wie werden vor allem unsere Kinder
ses Gerätes einzuweisen. Die Propa-     stark? Kinder stärken – das ist das
gierung der frühen Handhabung           Anliegen dieses Ratgebers.
elektronischer Geräte bedient vor
allem die Profitinteressen großer       Die Medienpädagogik hat
Konzerne. Diese dürfen aber für die     zwei Standbeine
Erziehung keine Bedeutung haben.
                                        Medienpädagogik muss sich an der
Entscheidend ist die Frage, ob das
                                        Entwicklung des Kindes orientieren.
Kind von seiner inneren Reife her
                                        Ein 16-jähriger Jugendlicher soll mit
den Anforderungen, welche die
                                        Informationstechnologien sinnvoll
Geräte stellen, gewachsen ist. Genau
                                        umgehen können, ein Sechsjähriger
da liegt das Grundproblem der
                                        dagegen muss sich erst noch die basa-
Medienerziehung.
                                        len Kulturfähigkeiten erwerben, die
Der Kompetenzerwerb für den             der Mediennutzung zugrunde liegen:
Umgang mit Medien – überhaupt mit       beispielsweise Schreiben und Lesen.
modernen Technologien – hat nämlich     Und ein dreijähriges Kind hat noch
eine unabdingbare Voraussetzung:        die Aufgabe, den eigenen Leib als
die Entwicklung der Kompetenz in        „Instrument“ seines Handelns aus-
Bezug auf sich selbst.                  zubilden.

Am Umgang mit allen Medien zeigt        Aller Medienpädagogik liegen daher
sich, wie selbstständig und stark ein   zwei Fragen zugrunde:
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4 Stuwwelpeter 2.1 | Für Eltern

                                                        1. Jahrsiebt
                                                        Leibbildung

   1. Was muss man dem Kind ermög-                         Indirekte
   lichen, damit es inmitten einer von                     Medienpädagogik
   Technik und Medien geprägten Welt
   leiblich gesund aufwachsen und sich                 Medienabstinenz
   seelisch stark entwickeln kann?
                                                            Lebensräume erfahrend erobern
   2. Wie lernt das Kind die Medienwelt
                                                                              Bewegung, Sport,
   verstehen und sinnvoll handhaben?
                                                                                Kunstschaffen,
   Medienpädagogik beinhaltet also
   zwei große Bereiche, die man mit
   indirekter und direkter Medienpäda-
   gogik bezeichnen kann. Die indirekte
   Medienpädagogik richtet ihr Augen-
   merk darauf, den jungen Menschen                                                   Vorlesen
   so zu erziehen, dass er in einer Zeit,
   in der die Technik unser Leben immer                Geschichten erzählen
   mehr durchdringt, zu einer selbstbe-
   wussten, starken und selbstständigen                    Erste Kindheit          Vorschulzeit
   Persönlichkeit heranwächst. Die
   direkte Medienpädagogik schaut
   darauf, dass der junge Mensch die        Entwicklungsabschnitte auf dem
   Medienlandschaft umfassend versteht
                                            Weg zum Erwachsensein
   und sinnvoll anwenden kann.
                                            Kinder brauchen Zeit, um leiblich und
   Orientiert man Erziehung an der Ent-
                                            seelisch in Ruhe reifen zu können.
   wicklung des Kindes, so ist die indi-
   rekte Medienerziehung vor allem in       Reifungsprozesse bedürfen der Unter-
   der frühen Kindheit gefragt und bleibt   stützung von außen, indem Eltern und
   das ganze Leben lang wichtig. Dage-      Erzieher den Kindern alles ermögli-
   gen beginnt die direkte Medienerzie-     chen, was sie für ihre Entwicklung
   hung je nach Medium zu unterschied-      brauchen, und das von ihnen fernhal-
   lichen Zeitpunkten. Für die digitalen    ten, dem sie noch nicht gewachsen
   Medien liegt der Schwerpunkt in der      sind. Um diese schmale Gratwande-
   Pubertät. Mit der beginnenden Schul-     rung zwischen dem Ermöglichen und
   zeit geschieht ein allmählicher Über-    dem Schützen gehen zu können, muss
   gang.1                                   man den Verlauf der kindlichen Ent-
                                            wicklung kennen. Drei große Ent-
                                            wicklungsabschnitte sind auf dem
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      2. Jahrsiebt
      Gewohnheits-                                       3. Jahrsiebt
      und Fähigkeitsbildung                              Urteilsbildung

                                                            Direkte
                                                            Medienpädagogik
                                                                      Informationstechnologie nutzen
                                                  Hard- und Software verstehen
Eurythmie                                     Film- und Musikproduktion verstehen
Musik, Bild, Plastik                    PC handhaben lernen
                                Aufklärung über Internetgefahren
                       Lesekultur pflegen
       Schreiben und lesen lernen           Sport, Chor, Orchester, Vereinsleben usw.

       Schulbeginn          „Rubikon“        Pubertät                    Jugendzeit

            Weg zum Erwachsenenalter zu beob-              dem Kind die Basis zu legen, von der
            achten:                                        aus es später kompetent und sinnvoll
                                                           mit allen Medien umgehen kann. Im
            • Frühe Kindheit – von der Geburt bis
                                                           Folgenden werden die drei Lebensab-
              etwa zum siebten Lebensjahr.
                                                           schnitte jeweils für sich betrachtet
            • Kindheit – vom siebten Lebensjahr            und deren zentrale Entwicklungsauf-
              bis zum Beginn der Pubertät.                 gaben charakterisiert. Dazu werden
                                                           Tipps gegeben, wie man Kinder un-
            • Jugend – von der Pubertät bis zum
                                                           terstützen kann. Empfehlungen zum
              Beginn des jungen Erwachsenen-
                                                           altersgerechten Umgang mit Medien
              alters.
                                                           schließen sich an.
            Eine gesunde Medienerziehung ori-
            entiert sich an diesen Entwicklungs-
            schritten. Sie unterstützt die Entwick-
            lungsaufgaben des Kindes, indem sie
            Gegengewichte zu schädlichen Me-
            dienwirkungen anbietet, und sie hilft
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6 Stuwwelpeter 2.1 | Für Eltern
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Frühe Kindheit 7

Frühe Kindheit

Das Kleinkind hat mehrere für             Reifung der Sinne
die gesamte Biografie fundamentale        Gehen, sprechen und denken lernen
Entwicklungsaufgaben zu bewäl-            sind die drei unmittelbar ins Auge
tigen:                                    fallenden Entwicklungsaufgaben des
                                          Kindes. Im Hintergrund vollzieht sich
Motorik
                                          allerdings noch eine weitere: die ge-
Es muss seinen Leib als Instrument
                                          sunde Ausbildung der Sinne. Mit der
der Seele beherrschen lernen, das
                                          Sinnesreifung legt das Kind das leib-
heißt, dass es fähig ist, seine Grob-
                                          liche Fundament für seine Wahrneh-
und Feinmotorik zielgerichtet zu ge-
                                          mung der Welt. Es braucht etwa 6 bis
brauchen; dazu gehört vor allem,
                                          8 Jahre, bis die Sinne weitgehend
dass es aufrecht gehen lernt.
                                          ausgereift sind.
Sprache
                                          Diese Reifung ist sehr stark mit der
Die Beherrschung der Sprache ist die
                                          gesunden Strukturierung des Gehirns
zweite menschliche Grundfähigkeit,
                                          verbunden. Alles, was der Mensch in
die sich das Kind selbst erarbeitet.
                                          seiner frühen Kindheit erlebt, bildet
Dadurch wird es fähig, das, was es
                                          sich im Wachstum seiner Gehirnstruk-
innerlich fühlt und denkt, seiner
                                          turen ab. Diese können in einem
Umgebung mitzuteilen und auch zu
                                          späteren Lebensalter nur mit starken
verstehen, was die anderen Menschen
                                          Anstrengungen verändert werden.
fühlen und denken. Indem es spre-
                                          Deshalb ist es für das Kind und sein
chen lernt, legt das Kind die Basis
                                          ganzes späteres Leben entscheidend,
für seine Begegnung mit dem „Du“.
                                          welche Erlebnisse es in der frühen
Fantasievolles Denken                     Kindheit hat und welche Erfahrungen
An die Beherrschung der Sprache           es machen darf. In der aktiven Ausei-
schließt sich die dritte menschliche      nandersetzung mit seiner realen Um-
Fähigkeit an: das selbstständige          welt – am „Greifen“ – entwickelt das
Denken. Kinder denken zwar noch           Kind die körperlichen Grundlagen für
sehr fantasievoll, sind aber noch weit    seine späteren intellektuellen Fähig-
davon entfernt, die Welt logisch ab-      keiten – das „Be-greifen“.
strakt zu verstehen. Ihre fantasievolle
                                          Im Kindergartenalter – etwa 4 bis 6 –
Kreativität ist die Basis, auf der das
                                          beginnt das Kind, seine grob- und
spätere logisch-abstrakte Denken
                                          feinmotorischen Fähigkeiten zu er-
ruht.
                                          weitern. Es kann nun in der Regel
                                          beispielsweise seine Brote selbst
                                          bestreichen oder die Schnürsenkel
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    seiner Schuhe selbst binden, es kann
    Tretroller fahren. Die Spielgeräte auf
    den Spielplätzen lernt es selbstständig
    zu erklettern, es kann mit Buntstiften
    umgehen, leichte Bastelarbeiten
    durchführen usw. Die Sprachfähigkeit
    hat sich in der Regel gut entwickelt,     Was ist wichtig für eine gesunde
    und das Kind ist mehr und mehr in         Entwicklung?
    der Lage, seine Gefühle und Fantasie-
                                              Bewusste Pflege der Beziehung
    vorstellungen anderen mitzuteilen.
                                              Die wichtigste Erfahrung im Leben
    Sein räumlicher und zeitlicher Ge-
                                              des Kindes ist das Erlebnis von inniger
    sichtskreis beginnt sich zu erweitern.
                                              Beziehung. Der liebevolle, heitere,
    Der Raum, den das Kind überschaut,
                                              bejahende Kontakt zu den Menschen
    wird größer, auch wird Vergangenes
                                              der Umgebung ist eine gute Voraus-
    und Zukünftiges in gegenwärtige
                                              setzung für die Entwicklung einer sta-
    Vorstellungen integriert. Indem es
                                              bilen Persönlichkeit. Eltern sind heute
    in den Kindergarten geht, verlässt es
                                              beruflich oft sehr belastet. Daher kann
    den Raum der Familie. Es wird etwas
                                              es hilfreich sein, einen „Zeit-Ort“ ein-
    selbstständiger, sein Spielverhalten
                                              zurichten – einen regelmäßigen „Ter-
    differenzierter, raumgreifender und
                                              min“ sozusagen –, an dem man mit
    bezieht die Spielkameraden mit ein.
                                              dem Kind gemeinsam etwas macht:
    Diese Entwicklung gilt es zu unter-       ein Spiel, etwas vorlesen, gemeinsam
    stützen. Im Folgenden sind stichwort-     einen Kuchen backen oder woran man
    artig einige Anregungen gegeben, die      eben gerade Freude hat.
    dem Kind helfen, sich in seiner wer-
                                              Vielfältige Bewegung
    denden Persönlichkeit zu stärken.
                                              Kinder bewegen sich sehr gerne. Da-
                                              durch lernen sie ihren Bewegungsap-
                                              parat zu beherrschen und sich im
                                              Raum zu orientieren. Dazu brauchen
                                              sie viele Angebote, damit sie rennen,
                                              klettern, springen, balancieren und so
                                              weiter können. Um auch die Feinmo-
                                              torik zu üben, sind Gelegenheiten
                                              zum Basteln, Malen, Obst- und Gemü-
                                              seschneiden usw. sehr empfehlens-
                                              wert.
Frühe Kindheit 9

Vielfältiger Umgang mit Sprache            Unmittelbare Lebenserfahrung
Die gute Ausbildung der Mutter-            Um seine Sinne gesund ausbilden
sprache ist gegenwärtig nicht mehr         zu können, braucht das Kind unmit-
für alle Kinder selbstverständlich.        telbare sinnliche Erfahrungen: Bud-
Sprache entwickelt sich im lebendi-        deln im Sand und Matsch, Farberle-
gen Dialog mit den Bezugspersonen.         ben beim Malen, beim Kochen helfen,
Erwachsene, mit denen sie sprechen         auf Geräusche lauschen beim Wald-
können, die ihnen spannende Ge-            spaziergang, Feuer machen, Höhlen
schichten, Märchen oder Sagen vor-         bauen, Tiere streicheln und füttern
lesen, helfen ihnen, einen möglichst       usw. Wichtig ist dabei das rechte Maß
großen Wortschatz zu bilden.               zwischen Reizarmut und Reizüber-
                                           flutung.
Anregungen zur Fantasie
Eine oft weit unterschätzte Fähigkeit      Vorbild und Nachahmung
des Menschen ist die Fantasie. Sie         In der frühen Kindheit wirkt vor allem
liegt aller menschlichen Kreativität       das, was Erwachsene den Kindern
zugrunde. Deshalb braucht ein Kind         vorleben. Ermahnungen oder Erklä-
in seiner Umgebung Anregungen, die         rungen helfen wenig. Da gilt in be-
seine Fantasie herausfordern und an-       sonderem Maße, was Karl Valentin
regen. Je weniger ein Spielzeug eine       einmal (sinngemäß) sagte: „Wir kön-
eigene ‚Aussage‘ hat, desto mehr ist       nen unsere Kinder erziehen, wie wir
das Kind herausgefordert, die eigene       wollen, am Ende machen sie uns doch
Fantasie zu betätigen: leere Malblät-      alles nach.“
ter anstelle von Malbüchern, wenig
gestaltete Holzklötze, Tücher usw.
statt detailgetreuer Automodelle oder
lebensecht geformter Puppen.

          „Alle Erziehung ist nur
          Handreichung zur Selbsterziehung.“
          E D UA R D S P R A N G E R (1882–1963) ,
          P H I L O S O P H U N D P Ä DA G O G E
10

     Bildschirmmedien hemmen                    Beim Konsum von Bildschirmmedien
     die gesunde Entwicklung                    ist Folgendes der Fall:

     Übermäßiger Gebrauch von Smart-            • Der Mensch sitzt, d. h. er reduziert
     phone, Fernsehen und Computer              seine leiblichen Bewegungen auf ein
                                                Minimum.
     Sobald ein Mensch sich mit seinem
     Smartphone beschäftigt, ist er von         • Von allen Sinnen werden nur Auge
     seiner unmittelbaren Umgebung weit-        und Ohr angesprochen.
     gehend isoliert. Deswegen ist ja auch      Je länger also ein Kind fernsieht,
     das Telefonieren während des Auto-         desto weniger Zeit hat es, um seine
     fahrens gesetzlich verboten. Eine          Motorik auszubilden. Die Aktivität
     mit dem Handy telefonierende oder          der Sinne wird auf Ohr und Auge re-
     chattende Mutter ist zwar leiblich bei     duziert, d. h., die Augen werden über-
     ihrem Kind, aber seelisch ganz „wo-        mäßig beansprucht (Reizüberflutung),
     anders“. Die Beschäftigung mit dem         die anderen Sinne kommen zu kurz;
     Gerät schiebt sich als Keil zwischen       die sensorische sowie die sensomoto-
     Mutter und Kind. Ihre Beziehung ist        rische Integration wird behindert. Die
     für eine Weile weitgehend unterbro-        eigene Fantasietätigkeit wird nahezu
     chen. Ein Ähnliches gilt, wenn im          völlig ausgeschaltet. Das alles zusam-
     Hintergrund der Fernseher läuft.           men beeinträchtigt die gesunde Ent-
     Untersuchungen zeigen, dass dann           wicklung des kindlichen Gehirns.
     der sprachliche Austausch abnimmt
     und auch das Spiel der Kinder unkon-
     zentrierter und fragmentierter wird.2
     Handy-, TV- und PC-Zeiten der Eltern
     sind vom Kind her gesehen „bezie-
     hungslose“ und „sprach-
     lose“ Zeiten. Sie gehen
     dem Aufbau und der
     Pflege der stabilen Eltern-
     Kind-Beziehung verloren.

                                  Eigene Fantasie entwickeln,
                                  ist Nahrung für die seelische
                                  Entwicklung des Kindes.
11

                       „Eine Kindheit ohne Computer …
                       ist der beste Start ins digitale Zeitalter.“
                       GERALD LEMBKE / INGO LEIPNER

Empfehlungen zum Umgang mit               Kinder vor dem Bildschirm
Medien in der frühen Kindheit             nicht alleine lassen
                                          Häufig sind Filminhalte für Kinder
Keine Bildschirmmedien unter              unverständlich oder wirken emotional
vier Jahren.                              belastend. Deshalb hilft es ihnen,
Es fördert die Entwicklung des Kin-       wenn sie Filme mit einem Erwachse-
des, wenn in den ersten vier Lebens-      nen zusammen anschauen. Wenn ge-
jahren das Kind keinen Bildschirmme-      meinsam ferngesehen wird, können
dien ausgesetzt ist – auch nicht          die Erwachsenen ihren Kindern bei
„passiv“, denn TV und Co. beein-          dem Verständnis der Zusammen-
trächtigen vor allem die Sprach- und      hänge und der Beurteilung der In-
Bewegungsentwicklung.                     halte helfen.
Vor- und Grundschulzeit:
je weniger, desto besser                    Erfahrungen
Im Kindergartenalter und in der be-         Petra (29) erzählt: „Es schlich sich
ginnenden Schulzeit – und auch darü-        von alleine ein, dass unser ältester
ber hinaus – gilt: Je weniger ferngese-     Junge (3 Jahre) auf einmal jeden
hen wird, desto besser. Kinder sollten      Abend eine 20-minütige Folge
vor allem nicht regelmäßig fernsehen,       einer Serie auf DVD anschaute. Als
um (schlechte) Gewohnheiten zu ver-         die jüngere Schwester dann auch
meiden.                                     diese Gewohnheit annahm, hatten
Keine Bildschirmgeräte im                   wir jeden Abend Geschrei, weil sie
Kinderzimmer                                weiterschauen wollten. Das ging
Wenn Kinder in ihrem Zimmer über            uns ziemlich auf die Nerven. Dann
ein eigenes Fernsehgerät verfügen,          entschlossen wir uns, das rigoros zu
dann schauen sie im Durchschnitt pro        ändern und das abendliche Fern-
Tag mehr als eine Stunde länger fern        sehschauen auf das Wochenende
als ihre Altersgenossen.3 Gleiches gilt     zu reduzieren und zudem nur noch
für Spielkonsolen, PCs, Tablets etc.        am Nachmittag, nicht mehr unmit-
Dazu weiter unten mehr.                     telbar vor dem Schlafengehen. Wir
                                            haben dann stattdessen aus Kinder-
Gemeinsam Filme aussuchen                   büchern vorgelesen. Die Umstel-
Wenn Kinder einen Film anschauen            lung der Gewohnheit war gar nicht
möchten, dann ist es für sie hilfreich,     so schwer, wie wir dachten. Mit der
wenn dieser gemeinsam mit dem               jetzigen Regelung kommen wir alle
Erwachsenen zielgerichtet ausge-            gut zurecht.“
sucht wird.
12 Stuwwelpeter 2.1 | Für Eltern

                                              Kein Handy oder Smartphone
      Erfahrungen
                                              in Kinderhand
      Anja (35) erzählt: „Mein damals
                                              Ein Handy oder Smartphone hat in
      fünfjähriger Sohn kam eines Tages
                                              Kinderhänden nichts verloren, denn
      nach Hause und wollte auch einmal
                                              die Mikrowellenstrahlung, die von
      einen Film sehen, so wie er es von
                                              diesen Geräten ausgeht, wenn sie mit
      seinen Freunden kannte. Wir hatten
                                              dem Netz verbunden sind, birgt für
      nämlich keinen Fernseher zu Hause
                                              Kinder ein besonderes gesundheit-
      und schauten auch keine Filme, als
                                              liches Risiko (weitere Informationen
      er klein war. Also haben wir an
                                              im Abschnitt „Mobilfunk", S. 32).
      einem Samstag die Couch herge-
      richtet, den Laptop davor aufge-        Keine Spielkonsole
      stellt und schauten in aller Ruhe zu-   Dem Kind eine eigene Spielkonsole
      sammen einen Kinderfilm an. Ich         zu schenken, ist vom pädagogischen
      habe manches auch kommentiert,          Gesichtspunkt aus gesehen eine
      damit er die Handlung versteht. Im      schlechte Idee. Denn die virtuellen
      Schnitt schauen wir uns seitdem         „Spiele“ verdrängen tendenziell die
      einmal im Monat gemeinsam einen         realen selbst erdachten Spiele und die
      Film an. Grundregel: nur am Wo-         Versuchung, doch länger zu spielen,
      chenende. Mein Sohn ist mit dieser      als die Eltern erlaubt haben, ist in
      Regelung zufrieden und ich auch,        diese „Spiele“ sozusagen „einge-
      denn er kann stundenlang alleine        baut“.
      oder auch mit Kameraden fantasie-
                                              Hörbücher in Maßen
      voll spielen und hat so viel Zeit für
                                              Auch Hörbücher sind nur in geringen
      seine eigenen Ideen.“
                                              Maßen zuträglich, vor allem ist darauf
                                              zu achten, dass sie nicht nur als Ge-
    Von Bildschirmspielzeug                   räuschkulisse dienen, sondern dass
    ist abzuraten                             die Kinder dabei aufmerksam zuhö-
    Die Fixierung auf den kleinen Bild-       ren.
    schirm und die gleichförmige Handha-
    bung der virtuellen Bilder durch Tip-     Zusammenfassend und zugespitzt
    pen oder Wischen unterbindet die          formuliert ist das medienpädagogi-
    differenzierte Ausbildung der Feinmo-     sche Motto für die erste Kindheit:
    torik der Hände und schränkt die Sin-     Die spätere Medienkompetenz des
    neserfahrungen ein. Die von solchem       Jugendlichen wurzelt in einer
    Spielzeug oft ausgehende Mobilfunk-       frühkindlichen Medienabstinenz.
    strahlung kann die Gesundheit der
    Kinder auf Dauer ernsthaft gefährden.
Frühe Kindheit 13

Vorschläge für eine aktive,                Voraussetzung für die Entwicklung
vorbereitende Medienerziehung              eines standfesten und widerstands-
im Vorschulalter                           fähigen Charakters, der später einmal
                                           technische Medien kreativ und kri-
Vorlesen ist gut, Erzählen aber auch       tisch nutzen kann.
Der sachgerechte Umgang mit Me-
dientechnologien setzt nicht technolo-     Singen, Tanzen, Rollenspiel,
gische Fähigkeiten voraus, die in der      (Puppen-)Theaterspiel
frühen Kindheit entwickelt werden.         Auch in diesen schöpferischen, pro-
Es ist deshalb wichtig, dass in der        duktiven, die Umgebung mitgestal-
Kindheit die Sprachfähigkeit und die       tenden Betätigungen wird Selbstwirk-
Kreativität geschult werden; die           samkeit und Sozialkompetenz geübt.
Pflege der verbalen Kommunikation          Erlebnisse des Alltags können verar-
hat also einen besonderen Stellen-         beitet werden. Auf elementare Weise
wert.                                      erlebt das Kind, wie etwas hervorge-
                                           bracht werden kann, was sich andere
Alle Kinder haben Freude daran,            Menschen dann anschauen.
wenn ihnen Mutter oder Vater eine
selbst erfundene Geschichte erzählen.      Insgesamt kann festgehalten werden,
Daher der Rat: „Trauen Sie sich etwas      dass es sinnvoll ist, der Produktion,
zu – erzählen Sie Ihre Geschichte!“        also der Eigentätigkeit vor der Rezep-
Man kann sich auch über gemeinsam          tion den Vorrang zu geben, denn das
betrachtete Bilder in Bilderbüchern        Verständnis für Produkte wird erleich-
unterhalten. Das Vorlesen von Kinder-      tert, wenn man selbst an Herstel-
büchern ist ebenfalls sehr zu empfeh-      lungsprozessen beteiligt war.
len; es ist die erste Stufe der direkten
Medienpädagogik.

Basteln, Malen, Plastizieren,
Gestalten von Kalendern, Bilder-
büchern, Collagen, Fotoalben etc.
Das schult die Kreativität, die Kinder
können produktiv tätig sein. Sie
erleben sich als Könner, was sich
positiv auf ihr Selbstvertrauen aus-
wirkt. Das wiederum ist eine wichtige
14 Stuwwelpeter 2.1 | Für Eltern
Kindheit 15

Kindheit

Wenn mit dem Zahnwechsel die erste       All diese Bedürfnisse sind berechtigt
Lebensepoche beendet ist, verlagert      und ihre Befriedigung hilft, ein gutes
sich der Entwicklungsschwerpunkt         Selbstwertgefühl zu entwickeln. Das
des Kindes.                              trägt sehr zu einem kompetenten Um-
                                         gang mit Medien bei, denn eine der
Die Strukturbildung des Nerven-
                                         großen Versuchungen durch techni-
Sinnes-Systems ist weitgehend abge-
                                         sche Medien besteht darin, dass man
schlossen. Der eigene Leib wird nun
                                         mit ihrer Hilfe viele dieser Bedürf-
recht gut beherrscht. Der Entwick-
                                         nisse ersatzweise und damit nur
lungsschwerpunkt geht auf den Er-
                                         scheinbar befriedigen kann.
werb von Kulturfähigkeiten über:
schwimmen, schreiben und lesen,          Für ein selbstbestimmtes Leben ist es
ein Instrument beherrschen lernen,       wichtig, dass Kinder und Jugendliche
mit Werkzeugen umgehen können,           lernen, wie sie ihre Bedürfnisse auch
Skateboard fahren usw.                   ohne technische Hilfsmittel im realen
                                         Leben befriedigen können.
Das Kind beginnt mehr und mehr,
seinen seelischen Innenraum auszu-       Anregungen zur Unterstützung
bilden. Es hat jetzt gleichermaßen ein
                                         der gesunden Entwicklung
Bedürfnis nach Welterfahrung und
(immer noch) nach Schutz durch           Die Pflege der Beziehung zu den Kin-
Erwachsene. Es sucht erwachsene          dern erfordert von den Erwachsenen
Menschen, denen es vertrauen kann,       Klarheit und Zeit. Dabei kommt es
zu denen es aufschauen kann und          nicht so sehr auf die Menge der mit
durch die es die Welt kennen- und        dem Kind verbrachten Zeit an, son-
verstehen lernt.                         dern vor allem auf die Qualität des
                                         Zusammenseins: Wenn nur wenig
Wie alle Menschen haben Kinder
                                         möglich ist, dann sollte die wenige
starke Bedürfnisse. Dazu gehören:
                                         Zeit für eine intensive Begegnung ge-
• Soziale Bindungen erleben und sich
                                         nutzt werden.
  wahrgenommen fühlen,
• sich gebraucht fühlen, anerkannt       ■ Für gemeinsame Tätigkeiten bieten
  werden, Verantwortung tragen dür-        sich solche an, die sowieso gemacht
  fen und können,                          werden müssen, wie zum Beispiel
• selbst tätig sein dürfen,                Kochen, Wäsche zusammenlegen,
• etwas lernen, die Welt erfahren          Straße fegen etc.; dabei lernen Kin-
  können, kleinen und großen Aben-         der nebenbei eine Menge lebens-
  teuern begegnen,                         praktischer Handlungsabläufe und
• das Leben als sinnvoll erleben.          gewöhnen sich auch daran, selbst-
16 Stuwwelpeter 2.1

      ständig kleine Verpflichtungen          Bei der Bedürfnisbefriedigung ist
      verantwortlich zu übernehmen.           allerdings zu beachten, dass es nicht
                                              darum geht, „kleine” Bedürfnisse
    ■ Statt die Kinder während der
                                              immer gleich zu bedienen. Im Gegen-
      Essenszubereitung vor den Bild-
                                              teil: Es ist wichtig, dass sich Kinder
      schirm zu setzen, damit man selbst
                                              Frustrationstoleranz erwerben, damit
      „schnell kochen” kann, könnten
                                              sie später nicht gleich bei jeder klei-
      auch schon 3- und 4-jährige Kinder
                                              nen Widrigkeit des Lebens zu einer
      Käse reiben, Salat waschen oder
                                              Ersatzbefriedigung greifen. Kinder
      Gemüse schneiden; dann fühlen sie
                                              müssen lernen, Bedürfnisse aufzu-
      sich gebraucht und üben nebenbei
                                              schieben. Es muss z. B. nicht jederzeit
      ihre feinmotorischen Fähigkeiten.
                                              und überall Essen und Trinken greif-
    ■ Wenn für etwas ältere Kinder die        bar sein, und auch nicht jederzeit ein
      Möglichkeit besteht, den Nachbarn       Erwachsener zum Spielen oder Vor-
      oder den Großeltern etwas zu hel-       lesen verfügbar sein.
      fen, sei es einkaufen, Rasen mähen
                                              Das Erlebnis, steigenden Anforderun-
      oder den Hund ausführen, ist das
                                              gen gewachsen zu sein, ist ein sehr
      eine schöne Möglichkeit, den sozia-
                                              wichtiger Aspekt in der Erziehung zur
      len Horizont zu erweitern und
                                              Eigenständigkeit. Kinder müssen er-
      Anerkennung zu erhalten.
                                              leben, wie man beispielsweise beim
    ■ Alles praktische Tun führt, je besser   Sport oder Musikmachen immer bes-
      es geübt und gekonnt wird, zu dem       ser werden kann, und dass man im
      das Selbstbewusstsein stärkenden        realen Leben ein höheres „Level“
      Gefühl: „Ich kann etwas!”               erreicht hat. Vielleicht darf bzw. soll
                                              das 7-jährige Kind mal alleine Pud-
    ■ Jedes Kind genießt es, wenn mit
                                              ding kochen, das 10-jährige den
      ihm gebastelt wird, wenn es Ge-
                                              Pizzateig herstellen und das 14-jäh-
      schichten vorgelesen bekommt
                                              rige ab und zu eine ganze Mahlzeit
      (wenn es bereits lesen gelernt hat,
                                              für die Familie kochen.
      kann man sich auch mal abwech-
      seln), wenn man beim Spazieren-         Es ist sehr sinnvoll, das Kind dabei
      gehen etwas sammelt, das man            zu unterstützen, Freundschaften zu
      hinterher zu Marmelade, einem           pflegen, Sport zu treiben und ein
      Mobile oder einem Mosaik verar-         Musikinstrument spielen zu lernen.
      beiten kann, wenn man zusam-            Sportvereine und Jugendmusikschu-
      men (draußen wie drinnen) Spiele        len bieten für Kinder interessante
      spielt und vieles andere mehr.          Möglichkeiten an. Auch wenn es
17

überraschen sollte: Solche Aktivitäten
                                           Erfahrungen
haben auch eine suchtpräventive
                                           Johanna (35) erzählt: „Unsere drei
Wirkung. Denn durch ein vielfältiges
                                           Jungen (2, 5 und 8 Jahre) wachsen
Engagement lernt das Kind, sich im
                                           beinahe ohne Fernsehen auf. In un-
Leben zu verankern, und das schützt
                                           serem Wohn- und Esszimmer gibt
vor der Versuchung, im „Virtuellen“
                                           es kein TV-Gerät. Wir haben im Kel-
nach scheinbarem Ersatz zu suchen.
                                           ler ein Elternwohnzimmer, in dem
Zuletzt sei auf ein Bedürfnis hinge-       ein Fernseher steht. Für unsere Kin-
wiesen, das wenig bis gar nicht als        der bedeutet das, dass in ihrem all-
solches wahrgenommen wird, aber            täglichen Leben das Medium nicht
unsere heutige Zivilisation deutlich       vorhanden ist. Außerdem sind wir
prägt: das Bedürfnis nach Bildern.         ihnen Vorbilder, die vielfältige
Rudolf Steiner wies darauf hin, dass       Dinge im Haus erledigen, aber
dem als eigentliches Bedürfnis die         Fernsehen gehört nicht dazu. Das
Sehnsucht nach eigenen inneren,            bedeutet aber nicht, dass unsere
imaginativen Bildern zugrunde liegt.       beiden großen Kinder nicht wüss-
Auf die Befriedigung dieses Bedürf-        ten, dass es das gibt. Zu raren Gele-
nisses zielt die gesamte Foto- und         genheiten gibt es „Kinoabende“,
Filmindustrie ab.                          bei denen mindestens ein Elternteil
                                           gemeinsam mit den beiden älteren
Die Fähigkeit, sich eigene Bilder zu
                                           Jungen einen Film schaut. Es ist
schaffen, macht Kinder stark, weil sie
                                           uns wichtig, dass die Kinder nichts
dadurch beweglich werden und sich
                                           allein schauen. Unsere Kinder fra-
auf neue Gegebenheiten einstellen
                                           gen sehr selten danach, ob sie
können. Selbst geschaffene Fantasie-
                                           etwas schauen dürfen. Sie haben er-
bilder stärken das Autonomiegefühl,
                                           fahren, dass alles im Leben seine
im Gegensatz zu den vorgegebenen
                                           Zeit hat und das tägliche Vorlesen
Bildern, die von der Industrie geliefert
                                           von Büchern ebenso aufregend und
werden. Die Förderung aller künstle-
                                           erfüllend sein kann.“
rischen Tätigkeiten trägt dazu bei,
dass sich die Urteilsfähigkeit in Bezug
auf Bild- und Tonproduktionen aus-
bildet.
18 Stuwwelpeter 2.1 | Für Eltern

    Medien in der beginnenden
    Schulzeit
    Die Euphorie über die grandiosen
    Möglichkeiten der Informationstech-
    nologien trieb den Medienbegriff in
    die Einseitigkeit. Durch den Compu-
    ter als neues Medium vergaß man,
    dass bereits die Schrift ein Medium
    ist. Es wird übersehen, dass die Be-     wenigstens die bedeutendsten Kin-
    herrschung der Schrift die unerläss-     derbuchautoren kennen.
    liche Basis ist, auf der alle anderen
    Kompetenzen bezüglich der Informa-       Computer haben die Bücher nicht
    tionstechnologien aufbauen. Wer          ersetzt, sondern sind hinzugekom-
    nicht gut schreiben und lesen kann,      men. Wenn man die Kinder zu früh
    kann das Internet praktisch kaum         auf den Umgang mit dem Computer
    nutzen. Indem man also die Kinder in     spezialisiert – aus einem vermeint-
    das Schreiben und Lesen einführt, be-    lichen Modernitätsanspruch heraus
    ginnt die direkte Medienpädagogik.       macht man sie letztlich für die Ge-
    Vor aller Computerkompetenz liegt        samtheit der Medien inkompetent.
    die Schriftkompetenz. Das bedeutet,      Statistiken zeigen, dass die Lesekom-
    dass man in den ersten Schuljahren       petenz des einzelnen Kindes mit stei-
    den Kindern dabei hilft, ein aktives     gender Bildschirmnutzung schwindet.
    Verhältnis zu Büchern auszubilden.       Kinder profitieren also viel mehr
    Müttern und auch Vätern ist wärms-       davon, wenn ihnen vorgelesen wird,
    tens zu empfehlen, dass sie sich die     wenn sie beim Lesen unterstützt wer-
    Zeit zum regelmäßigen Vorlesen neh-      den, wenn sie gemeinsam mit den
    men. Zu Beginn der Schulzeit helfen      Eltern den Kosmos der guten Kinder-
    Eltern damit ihren Kindern, die uner-    bücher erobern dürfen.
    lässliche Basis für die spätere kompe-   Fazit: Das Buch ist bis zur Pubertät
    tente Nutzung der Informationstech-      das beste Medium im Leben des
    nologien zu legen – denn was nutzt       Kindes. Fernsehen und Surfen im
    z. B. Wikipedia, wenn man nicht rich-    Internet sowie Computerspiele sind
    tig lesen kann?                          dagegen mit großer Vorsicht und
    Es gibt sehr viele gute Kinderbücher     in geringem Maße zu genießen und
    und es gehört auch zum Aufbau einer      gehören von den Eltern gut regle-
    guten Allgemeinbildung, dass Kinder      mentiert und begleitet.
Kindheit 19

                                       Tipps zum Umgang mit
                                       elektronischen Medien
                                       ■ Auch in der Schulzeit sind Fern-
                                         seher, Computer und sonstige elek-
                                         tronische Medien aus den Kinder-
                                         zimmern fernzuhalten. Ansonsten
                                         erhöht sich die durchschnittliche
                                         Verweildauer allein vor dem TV-
                                         Gerät beträchtlich.4
Erfahrungen                            ■ Eine deutliche Begrenzung der
Ernst (44) erzählt: „Als meine Toch-     Fernsehzeit von 30 bis maximal
ter Rahel noch im Kindergarten           45 Minuten pro Tag ist angeraten –
war, hatte ich damit begonnen, ihr       das aber auch nicht regelmäßig an
Märchen und kleine Erzählungen           jedem Tag. Verbringt ein Kind mehr
vorzulesen. Das machte uns beiden        als 5 Stunden wöchentlich vor dem
viel Spaß. Später wurde es dann zu       Bildschirm, wird die Ausbildung der
einer festen Institution des Tages.      Lese- und Rechenfähigkeit beein-
Abends vor dem Abendessen nah-           trächtigt.5
men wir uns eine halbe Stunde Zeit
zum gemeinsamen Lesen, manch-          ■ Wenn sich das Kind bereits ange-
mal auch länger. Im Laufe der            wöhnt hat, zu viel Zeit mit Bild-
Grundschuljahre lasen wir viele          schirmmedien zu verbringen, dann
Klassiker der guten Kinderbuchlite-      kann man nach interessanten Er-
ratur: Otfried Preußler, Selma La-       satzangeboten suchen, beispiels-
gerlöfs Nils Holgerson, Erich Käst-      weise Puzzle, Basteleien oder ge-
ner, Astrid Lindgren usw. Manchmal       meinsame Unternehmungen,
wurde auch nicht vorgelesen, weil        Wanderungen, Freunde besuchen,
Rahel über etwas sprechen wollte,        Spielenachmittage oder Lesen.
was ihr Kummer machte oder was           Dafür müssen Eltern unter Umstän-
sie mir unbedingt erzählen wollte.       den ihren eigenen Alltag – so weit
Im Rückblick glaube ich, dass das        das möglich ist – umstrukturieren,
ein wichtiger Baustein für ihre Ent-     indem sie größere Aufmerksamkeit
wicklung war, der auch manche            auf gemeinsame Aktivitäten legen.
schwierige Erfahrung, die sie in der   ■ Die Altersfreigaben für Filme stel-
Familie machen musste, ausgegli-         len keine pädagogischen Empfeh-
chen hat.“                               lungen dar, sondern nur eine un-
20 Stuwwelpeter 2.1 | Für Eltern

       terste Altersgrenze. Man kann
       durchaus jeweils drei Jahre dazu-
       addieren, wenn man mit dem Kind
       zusammen einen Film ansehen will.

    ■ Altersfreigaben für Computerspiele
      (USK) enthalten keine Angaben
      zum Suchtpotenzial eines Spiels.
      So sind beispielsweise die meisten
      Glücksspiele, in denen kein echtes
      Geld eingesetzt wird, wie Online-
      Poker, ab 0 Jahren freigegeben,
      aber für Kinder nicht geeignet.
                                               ■ Es gibt speziell für Kinder im Inter-
    ■ Die Nutzung eines Computers und
                                                 net eingerichtete Surfräume, die
      vor allem des Internets sollte nicht
                                                 nur geeignete Inhalte zur Verfü-
      ohne Begleitung eines Erwachsenen
                                                 gung stellen, beispielsweise: www.
      erfolgen, mit dem sich das Kind
                                                 fragfinn.de, www.kinderserver-info.
      über die aufgerufenen Inhalte aus-
                                                 de. Man kann mithilfe der Schutz-
      tauschen kann.
                                                 software eine „Whitelist“ vorgeben,
    ■ Wenn gelegentlich keine Beglei-            d. h. eine Liste von Webseiten, die
      tung möglich ist, ist es gut, wenn         für Kinder geeignet sind und die
      für das Kind ein eigenes Benutzer-         das Kind aufrufen kann. Jugendge-
      konto mit einer speziellen Filtersoft-     fährdende Inhalte werden durch
      ware eingerichtet ist. Damit können        diese Software ausgeschlossen.
      die aufrufbaren Inhalte vorher aus-
      gewählt und auch eine technische
      Zeitbegrenzung in den Benutzerein-
      stellungen festgelegt werden. Wenn
      man ein Zeitkontingent für die
      Woche vorgibt, können besonders
      ältere Schulkinder (ab 12 Jahre)
      lernen, die zur Verfügung stehende
      Zeit sinnvoll einzuteilen.
Kindheit 21

                                       Erfahrungen
                                       Achim (36) berichtet: „Wir haben
                                       keinen Fernseher mehr, aber einen
                                       Beamer und eine große Leinwand,
                                       die wir bei Bedarf ausrollen. Wenn
                                       die zwei älteren Kinder einen Film
                                       anschauen wollen, dann suchen wir
                                       auf dem PC gemeinsam aus, was
                                       wir sehen wollen, und schauen uns
                                       das dann zusammen an. Die Jüngs-
                                       te, die gerade 2 Jahre alt geworden
                                       ist, schaut nicht mit. Wir sorgen
Zusammenfassung                        dafür, dass sie während dieser Zeit
                                       in Ruhe spielen kann. Entweder ist
Computer- und Internetnutzung sollte   meine Frau mit ihr zusammen und
nur in Begleitung Erwachsener oder     ich bei den Älteren oder umge-
wenigstens über eine eingerichtete     kehrt: Ich unternehme etwas mit
und funktionierende Schutzsoftware     der Kleinen und meine Frau schaut
stattfinden.                           sich mit den beiden Älteren den
Anregungen für eine vorbereitende      Film an.“
Medienarbeit im frühen Schulalter:

• Ein Daumenkino zusammen mit
  dem Kind basteln und darin eine
  Geschichte erzählen.
                                             „Es hat sich gezeigt, dass uns allein
• Schattenspiele, Kasperletheater,           mit der Aufrüstung der elektronischen
  Theaterspiele mit den Kindern
  veranstalten.
                                             Medien nicht geholfen ist. Nur mit
                                             verstehendem Lesen wird aus
• Geschichten erzählen und als
  kleines „Buch“ aufschreiben.               Information Wissen, aus Text Sinn,
• Hörspiele ausdenken und auf-
                                             aus einer Datei ein Urteil.“
  zeichnen.                                  LU DW I G E C K I N G E R
                                             ( VO N 1993 B I S 2009 B U N D E S -
• Mit Kindern Filme anschauen und            VO R S I T Z E N D E R D E S V E R B A N D E S
  mit ihnen darüber sprechen.                BILDUNG UND ERZIEHUNG)
22 Stuwwelpeter 2.1 | Für Eltern
Jugendzeit 23

Jugendzeit

Die körperlichen Veränderungen            Einer dritten Entwicklungsaufgabe
prägen den Beginn der Pubertät. Der       des Jugendlichen liegt die menschli-
Wachstumsschub, die Veränderung           che Fähigkeit des Denkens zugrunde.
der Stimmlage und die Geschlechts-        Nur mithilfe des Denkens ist der
reife fallen besonders ins Auge.          Mensch in der Lage, über das Hier
                                          und Jetzt seiner Gegenwart hinauszu-
Mit der leiblichen Entwicklung geht
                                          gehen, zukünftige Vorhaben zu pla-
eine seelische Entwicklung einher.
                                          nen und Ideale zu verfolgen. Jugend-
Das kindliche Erleben löst sich aus
                                          liche entwickeln – vor allem gegen
seiner bisherigen sozialen Geborgen-
                                          Ende der Jugendzeit – viele Ideale.
heit heraus und sucht seine eigene
                                          In ihnen äußert sich ihr Lebenstraum,
Verwurzelung in der Welt. Das ist ein
                                          aus dem heraus sie die Frage nach
langer Prozess, der sich über viele
                                          dem Motiv ihres zukünftigen Lebens
Jahre hinzieht. Dabei haben die
                                          bewegen. Die Jugendlichen fragen
Jugendlichen eine Reihe von Ent-
                                          sich, was sie in ihrem Leben erreichen
wicklungsaufgaben zu bewältigen.
                                          wollen, aber auch, wie sie die Welt
Die vielleicht wichtigste Aufgabe ist     verändern können. Es stellt sich dann
die Herausbildung und der Aufbau          die praktische Frage, welche Ausbil-
einer Identität. So wie das Kleinkind     dung angestrebt werden soll und da-
lernen musste, aufrecht zu gehen,         rüber hinaus, wie man die eigenen
muss der Jugendliche jetzt im Seeli-      Lebensmotive realisieren kann. „Was
schen seinen eigenen Standpunkt fin-      ist mein Lebensmotiv und was muss
den und im Leben behaupten lernen.        ich tun, damit ich es verwirkliche?“ –
                                          so könnte man diese Grundfrage des
Eine weitere Entwicklungsaufgabe
                                          Jugendalters formulieren, die oft weit
des Jugendlichen ist, soziale Bezie-
                                          bis in das junge Erwachsenenalter hi-
hungen aufzubauen und den damit
                                          nein bewegt wird.
einhergehenden Verantwortungen
gerecht zu werden. Daran schließt         Das Urteilsvermögen der Jugendli-
sich die Herausforderung, in der be-      chen ist zunächst noch sehr an ihr Ge-
stehenden Gesellschaft den eigenen        fühlsleben gekoppelt und oft wenig
Ort zu finden und in vielfältiger Weise   von der Sache her bestimmt. Die ord-
dialogisch mitzugestalten. Je besser      nende Kraft der sachlichen Urteilsfä-
ein Kind gelernt hat, die Sprache zu      higkeit muss noch ausgebildet wer-
beherrschen, desto leichter wird ihm      den. Das ist vor allem eine Aufgabe
dies als Jugendlichem fallen.             der schulischen Pädagogik. Jugend-
                                          liche brauchen Erfahrungs- und
24 Stuwwelpeter 2.1 | Für Eltern

    Übungsfelder, auf denen sie
    lernen können, eigene und
    sachgemäße Urteile zu bilden
    und damit auch emotionale
    Stabilität zu entwickeln. Dazu muss      die – wenig erfreuliche – Rolle des
    der Mensch lernen, sich von seinen       „Sparringspartners“, wenn Argu-
    Gefühlen abzusetzen und willentlich      mente auf ihre Überzeugungskraft
    geführte Denkprozesse – auch gegen       und Tauglichkeit hin geprüft werden
    die eigenen Gefühle – zu vollziehen.     sollen. Auch im sozialen Miteinander
    Im Urteilen stellt sich der Mensch als   kann es sein, dass die Grenzen der
    Einzelner in ein Verhältnis zur Welt.    Toleranz getestet werden. Das Prinzip
    Daraus resultiert dann die Fähigkeit,    „Befehl und Gehorsam“ kommt da
    sich selbst als Individuum zutreffend    an seine Grenzen, und es besteht die
    beurteilen zu können. Eine gesunde       Gefahr, dass der innere Kontakt und
    Selbstreflexivität bildet sich nur he-   das Vertrauen in die Erzieher verloren
    raus, wenn der Mensch seine Umge-        gehen, wenn diese die Bedürfnisse
    bung objektiv zu reflektieren in der     und Möglichkeiten der Jugendlichen
    Lage ist. Und das ist auch eine wich-    falsch einschätzen. Es bleibt dem
    tige Voraussetzung für den Alltag mit    Erwachsenen die Aufgabe des Erzie-
    computergenerierten Plattformen aller    hens, die sich von der eines Freundes
    Art, wie sie das Internet bietet.        unterscheidet. Für den Bereich des
                                             Umgangs mit Medien gilt deshalb,
    Das Jugendalter ist eine Zeit der
                                             dass Vereinbarungen sinnvoll sind,
    Selbsterkundung und des Erkundens
                                             die die Interessen der Beteiligten und
    von Grenzen. Der Jugendliche sucht
                                             die zunehmende Selbstständigkeit
    nach Antworten auf die Fragen „Wer
                                             des Jugendlichen berücksichtigen
    bin ich? Was kann ich? Wo will ich
                                             und die in sinnvollen Zeitintervallen
    hin?“. Zu Grenzerkundungen gehört
                                             auf ihre Tauglichkeit hin überprüft
    das Überschreiten von Grenzen, zur
                                             werden. Im Gespräch können da
    Selbsterkundung gehört das Abgren-
                                             Fragen der Qualität „Was willst du?
    zen gegenüber dem Gewordenen und
                                             Welche Erfahrungen hast du ge-
    Gewohnten. Dazu gehört auch, dass
                                             macht? Passt das zu deinen Inten-
    das individuelle Urteil ausgebildet
                                             tionen?“ sehr hilfreich sein.
    wird. Das zeigt sich in der Freude am
    Argumentieren und vor allem auch in
    der Freude am Widerspruch. Eltern
    und Lehrer erhalten hierbei mitunter
Jugendzeit 25

                                         und wertvolle Tipps geben. Das lässt
 Erfahrungen
                                         sich auf den privaten Bereich übertra-
 Phillip (23), Student, erinnert sich:
                                         gen, wenn man ältere Geschwister,
 „Als 13-Jähriger hatte ich meinen
                                         Verwandte oder Freunde einbezieht.
 eigenen Computer, und ich interes-
 sierte mich vor allem für Flugsimu-     Im Hinblick auf das Ziel „Medien-
 latoren. Ich war gleichzeitig gemein-   meister“ statt „Medienknecht“ zu
 sam mit einigen Schulkameraden          werden, ist eine aktive Beschäftigung
 Mitglied in einem Segelflugverein       mit Medien sinnvoll, d. h., dass man
 und verbrachte die Wochenenden          Medieninhalte produziert statt bloß
 auf dem Fluggelände. Die Faszina-       konsumiert. Nicht nur das Durch-
 tion, die die Computersimulation        schauen der entsprechenden Produk-
 auf Freunde ausübte, konnte aber        tionsgesetzmäßigkeiten, sondern auch
 nicht annähernd mit meinen realen       die Möglichkeit, seiner eigenen Ge-
 Erfahrungen im Cockpit mithalten.       danken- und Gefühlswelt in vielerlei
 Zudem lernte ich einiges über Funk-     Medienformen virtuos Gestalt zu ver-
 technik und Wetter, sowie durch die     leihen und sie auch vielen Men-
 Werkstattarbeit viele handwerkli-       schen – z. B. in einer Radiosendung
 che Fähigkeiten. Auch Teamwork          des Lokalfunks – mitzuteilen, tragen
 war stets gefragt.“                     zur Medienmündigkeit bei. (s. Struw-
                                         welpeter 2.0, Abschnitt „Medien als
An vielen Schulen haben wir bereits      Bildungsträger“)
die Erfahrung gemacht, dass Urteile      Auch wenn hier vor allem die Schule
und Empfehlungen von Erwachsenen         mit ihren pädagogischen Angeboten
wegen des Verdachts „Die wollen uns      gefragt ist, können Eltern entspre-
nur den Spaß verderben“ oder auf-        chende Aktivitäten unterstützen oder
grund mangelnder Sachkenntnisse          anregen.
der Erwachsenen abgelehnt werden,
dass aber Ratschläge von älteren
Schülern, die mitunter sogar weiter-
gehend sind, akzeptiert werden. Vor
diesem Hintergrund wurden mancher-
orts Medienscouts ausgebildet, die in
jüngeren Klassen informieren, beraten
26 Stuwwelpeter 2.1 | Für Eltern

    Was fördert die Entwicklung               Medienpädagogik im Jugendalter
    Jugendlicher?
                                              Wenn vom Elternhaus gesetzte Gren-
    Idealerweise ist die Schule ein Ort,      zen zu früh wegfallen, besteht die Ge-
    wo Jugendliche viele Anregungen           fahr, dass die Beschäftigung mit dem
    finden, um ihre Entwicklungsaufga-        Internet – bei Jungen überwiegend
    ben zu bewältigen. Aber das ist nicht     wegen Onlinespielen – überhand
    immer der Fall. Sie sind vielfach zu      nimmt und vernünftige Zeiten weit
    wenig oder nur einseitig gefordert.       überschreitet. 10 Prozent aller 15-Jäh-
    Deshalb ist es hilfreich, wenn sie bei-   rigen sind laut einer Studie des krimi-
    spielsweise in einem Sportverein,         nologischen Forschungsinstituts Nie-
    einem Chor oder Orchester oder viel-      dersachsen mehr als 4,5 Stunden
    leicht auch der freiwilligen Feuerwehr    täglich im Internet unterwegs. Das
    einen weiteren Ort finden, an dem sie     sind mehr 30 Stunden in der Woche.6
    Herausforderungen zu bewältigen           Diese Zeit fehlt den Jugendlichen, um
    haben und Erfolge erleben können.         die eigentlichen Entwicklungsaufga-
                                              ben des Jugendalters gut zu bewälti-
    Eltern tun gut daran, jede Gelegen-       gen – dazu gehört auch die Aufgabe,
    heit zu unterstützen oder auch anzu-      sich eine möglichst gute und gründli-
    regen, dass Jugendliche mit anderen       che Schulbildung zu erarbeiten.
    sinnvolle gemeinsame Unternehmun-
    gen planen und durchführen. Das gilt      Wenn man den Eindruck hat, dass die
    z. B. auch für den Umgang mit einem       Jugendlichen in der Schule in Bezug
    Musikinstrument. Denn an ihm erwei-       auf die Gefahren des Internets nicht
    tern sie einerseits ihre Fähigkeiten      weit genug aufgeklärt werden, sollte
    und zugleich auch ihre Ausdauer im        man das zu Hause thematisieren,
    Üben.                                     ebenso die immensen Einflüsse der
                                              Werbung (auch im TV!) mit ihren
    Wenn Jugendliche bei der Bewälti-         nicht zu unterschätzenden Wirkun-
    gung ihrer Entwicklungsaufgaben           gen.
    scheitern, dann ist die Gefahr gege-
    ben, dass sie in den verschiedenen        Auch wichtig ist zu wissen, wie das
    Angeboten des Internets einen             soziale Umfeld mit Medien umgeht,
    scheinbaren Ersatz finden.                deshalb ist der Austausch mit anderen
                                              Eltern sehr empfehlenswert. Auf
Jugendzeit 27
28 Stuwwelpeter 2.1 | Für Eltern

    Elternabenden führt das natürlich
    immer wieder zu Diskussionen. Das
    Ideal ist, dass ein Konsens der ge-
    meinsamen Handhabung bei den El-
    tern einer Klasse und Schule erreicht    die kurze Merk-Formel: „CCCC“
    wird. In der Regel wird es allerdings    Content, Commerce, Contact, Culture.7
    nur bei einem Teil der Elternschaft zu   Man kann die Risiken so auflisten:
    einer gemeinsamen Haltung kommen.
                                             ■ Inhalte (Content) Rechtsradikalis-
    Damit ist aber auch schon etwas er-        mus, Islamismus, Satanismus, Por-
    reicht, denn so kann kein Kind sagen:      nografie, Sekten aller Art, Mager-
    „Alle anderen haben aber ...“              suchtsforen, Suizidforen,
                                               Tasteless-Videos usw.
    Elektronische Medien:                    ■ Verführung (Commerce) Werbung,
    Chancen und Gefährdungen                   aggressives Marketing, Spam,
                                               Poker-Seiten, Erotik-Angebote,
    Gefährdung
                                               Betrug, Abzocke usw.
    Mit zehn bis zwölf Jahren vollzieht
    sich im kindlichen Umgang mit der        ■ Kontakte (Contact) Falsche Kon-
    Medienlandschaft ein deutlicher            takte, Verführung, verbaler sexuel-
    Wandel: das Internet und die sozialen      ler Missbrauch durch Pädophile,
    Netzwerke werden interessant. Die          realer Missbrauch bei herbeigeführ-
    angehenden Jugendlichen können             ten physischen Kontakten.
    zwar mit ihren Geräten oft virtuoser
                                             ■ Illegales und Mobbing (Culture)
    umgehen als Erwachsene, aber ihnen
                                               Herunterladen illegal verbreiteter
    fehlt noch weitgehend die Fähigkeit,
                                               Musikdateien, Spiele, Programme
    das, was sie im Internet finden, sach-
                                               und Filme sowie andere Verstöße
    gemäß zu beurteilen. Die Risiken und
                                               gegen Urheberrechte, Herunterla-
    Gefahren, die im Internet lauern, kön-
                                               den von Schadsoftware, Mobbing.
    nen sie nicht wirklich einschätzen.
    Dazu fehlen ihnen die Lebenserfah-       Eine weitere Gefährdung ist die Ver-
    rung, die Abgrenzungsmöglichkeit         suchung, die „Online-Zeit“ immer
    und das Wissen. Darum brauchen           mehr auszudehnen. Dies kann im
    Kinder und angehende Jugendliche         schlimmsten Fall bis zur Onlinesucht
    die Hilfe der Erwachsenen.               führen. Nach einer Studie des KfN
                                             sind 4,7 Prozent der 15-jährigen
    Das Internetportal „safekids.co.uk“
                                             Jungen und 0,5 Prozent der Mädchen
    bringt die Gefährdung der Kinder auf
                                             suchtgefährdet und 3 Prozent der
Jugendzeit 29

                                       Chancen
                                       Das Internet enthält nicht nur Gefah-
                                       ren, sondern bietet auch schier uner-
                                       schöpfliche Möglichkeiten der Infor-
                                       mation an. Aber auch das muss
Jungen und 0,3 Prozent der Mädchen
                                       gelernt werden, wie man sich diese
weisen in ihrer Onlinenutzung Sucht-
                                       Chancen sinnvoll erschließt und nutzt.
merkmale auf.8
                                       ■ Dazu gehört in erster Linie, dass die
Wenn Kinder also mit der Nutzung
                                         Jugendlichen lernen, mit Suchma-
des Internets vertraut gemacht
                                         schinen sinnvoll umzugehen, sich
werden, ist es wichtig, dass sie die
                                         an produktiven Kommunikationen
Grundregeln und Vorsichtsmaßnah-
                                         zu beteiligen und auch Internetan-
men vermittelt bekommen, die sie für
                                         gebote kompetent mitzugestalten,
eine sichere Nutzung des Internets
                                         z. B. Wikipedia.
brauchen, und außerdem auch erfah-
ren, wie man sinnvoll im Internet      ■ In zweiter Linie müssen Jugendli-
sucht.                                   che Kriterien haben, um die Ver-
                                         trauenswürdigkeit einer gefunde-
Das Grundziel ist dabei, dass Kinder
                                         nen Internetseite beurteilen zu
lernen, ein „Medialitätsbewusstsein“
                                         lernen.
zu entwickeln. Das bedeutet: Kinder
müssen verstehen, dass sie mit dem     Diese Urteilsfähigkeit zu entwickeln,
Internet eine mediale Konstruktion     ist ein langer Prozess, der sich bis zum
betreten, die sich von der realen      Ende der Schulzeit hinzieht und sich
Lebenswelt unterscheidet, aber den-    im Erwachsenenalter fortsetzt. Die
noch gravierende Rückwirkungen         Schule kann im Wesentlichen nur die
auf den Alltag haben kann. Deshalb     Urteilsfähigkeit mit den Schülerinnen
gibt es Grundregeln, die man im        und Schülern üben sowie Informatio-
Netz beachten muss.                    nen und Beratungen anbieten. Bei der
                                       Beachtung der angeratenen Vorsichts-
Neben den rechtlichen Aspekten
                                       maßnahmen im alltäglichen Leben
(Genaueres siehe „Internet und Recht
                                       mit sozialen Netzwerken sind in erster
– Informationen für Eltern“) müssen
                                       Linie die Eltern gefragt, aber auch
Kinder auch erfahren, was Cyber-
                                       Verwandte und Freunde.
Mobbing ist und wie man sich dage-
gen wehren kann. Sie müssen sich
aber auch vor falschen Annäherungs-
versuchen durch Cyber-Grooming
von Pädophilen schützen können.
30 Stuwwelpeter 2.1 | Für Eltern

    Empfehlungen für Computer,                ■ Keinen eigenen Computer im
    Smartphone und Tablet zu Hause              Kinderzimmer. Den PC an einem
                                                „öffentlichen“ Ort aufstellen. Bei-
    Computer und Internet sind außer-           spielsweise im Flur oder Wohnzim-
    ordentlich praktische Arbeits- und          mer, sodass man im Vorbeigehen
    Kommunikationswerkzeuge für Schü-           sehen kann, was das Kind am PC
    ler der oberen Klassen, für Studenten       macht.
    und für alle Erwachsenen. Ein 5-jähri-
    ges Kind hat dagegen im Internet          ■ Keine Administratorrechte am PC
    nichts verloren.                            für das Kind.

    Zwei 16-jährige Mädchen, welche die       ■ Mit Kindern im Gespräch bleiben.
    Aufgabe hatten, einmal aufzuschrei-         Interesse aufbringen für das, was
    ben, zu welchen Vorsichtsmaßnahmen          Kinder im Internet erleben, mit
    sie 12-jährigen Kindern im Umgang           wem sie wo im Internet kommuni-
    mit dem Internet raten würden,              zieren, welche Spiele sie spielen.
    schrieben am Ende ihrer (langen)          ■ Von Kindern lernen. Eltern kennen
    Liste: „Du bist erst zwölf, eigentlich      sich häufig weniger gut im Umgang
    brauchst du noch gar kein Internet.“        mit Geräten und Programmen aus
    Tatsächlich ist auch noch ein 10-jähri-     als ihre Kinder. Das kann man nut-
    ges Kind von den Strukturen und In-         zen, um sich von den Kindern hel-
    halten des Internets völlig überfor-        fen zu lassen.
    dert. Es ist nicht angebracht, das
    Internet zu verteufeln, aber Eltern       ■ Altersangaben unbedingt einhal-
    müssen sich darüber im Klaren sein,         ten. Viele Spiele (vor allem auch
    dass ein Internetanschluss nicht nur        gewalthaltige) sind für die seelische
    freien Zugang zu sehr vielen sinn-          Entwicklung von Kindern und Ju-
    vollen Informationen bietet, sondern,       gendlichen schädlich. Bei Jugendli-
    wie ein Jugendkoordinator der Polizei       chen gilt es als besonders „cool“,
    einmal sagte, „auch zu allem Schmutz        Spiele zu spielen, für die sie noch
    dieser Welt“.                               zu jung sind. Für Eltern besonders
                                                wichtig: Die Altersangaben erfol-
    Für den häuslichen Umgang der               gen nicht nach pädagogischen oder
    Kinder mit Computern kann man die           entwicklungspsychologischen Ge-
    folgenden Empfehlungen geben:               sichtspunkten; man kann deshalb
                                                getrost einige Jahre dazuzählen.
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