Inverse Inklusion - Ein inklusives Bildungsangebot für Kinder mit und ohne Sehbeeinträchtigung oder Blindheit - Ein inklusives Bildungsangebot ...
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Humboldt-Universität zu Berlin Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät Institut für Rehabilitationswissenschaften Abteilung Pädagogik bei Beeinträchtigungen des Sehens Wintersemester 2018/19 Inverse Inklusion - Ein inklusives Bildungsangebot für Kinder mit und ohne Sehbeeinträchtigung oder Blindheit Reverse inclusion - An educational opportunity for visually impaired or blind children Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Arts (B.A.) Dieses Werk ist lizenziert unter einer CC BY 4.0 Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz [https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/] Vorgelegt durch: Nikola Ueberreiter Berlin, den 10. Dezember 2018
Abstract Das Thema „Inverse Inklusion“ wird diskutiert, um ein inklusives Bildungsangebot für Kinder mit und ohne Sehbeeinträchtigung oder Blindheit vorzustellen. Die gemäß aktueller Gesetzeslage bestehenden Anforderungen an ein solches Bildungsangebot, werden in einigen Bundesländer - wie Berlin - derzeit nicht erfüllt. Weiterhin wird erläutert, warum sich Privatschulen eher für inklusive Bildungsangebote eignen als öffentliche Schulen. Mit Hilfe von vier Interviews, die mit Schulleiterinnen und Schulleitern von Schulen mit dem Förderschwerpunkt Sehen geführt wurden, konnten Informationen zur inversen Inklusion gesammelt werden. Die daraus resultierten Ergebnisse und die Diskussion dieser werden vorgestellt. Letztlich werden Schritte aufgezeigt, mit denen das invers inklusive Bildungsangebot bundesweit umsetzbar ist. I
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung .......................................................................................................... 1 2 Theoretischer Hintergrund ............................................................................. 3 2.1 Begriffsklärung ........................................................................................................ 3 2.1.1 Inklusion ....................................................................................................... 3 2.1.2 Inverse Inklusion .......................................................................................... 3 2.2 Statistik ..................................................................................................................... 6 2.3 Gesetzeslage .............................................................................................................. 9 2.3.1 Allgemeine Lage ........................................................................................... 9 2.3.2 Vergleich der Bundesländer ....................................................................... 10 2.3.3 Berlin .......................................................................................................... 11 2.4 Vorteile und Grenzen Inverser Inklusion ........................................................... 12 2.4.1 Gemeinsames Lernen ................................................................................. 12 2.4.2 Differenzierter Unterricht .......................................................................... 13 2.4.3 Individuelle Förderung .............................................................................. 16 2.4.4 Soziales Lernen .......................................................................................... 17 3 Schulkonzepte für funktionierende Inverse Inklusion ............................... 20 3.1 Öffentliche Schulen................................................................................................ 20 3.2 Privatschulen .......................................................................................................... 21 4 Methoden ........................................................................................................ 23 4.1 Datenerhebung ....................................................................................................... 23 4.1.1 Interviews ................................................................................................... 23 4.1.2 Leitfaden ..................................................................................................... 24 4.1.3 Erhebung .................................................................................................... 25 4.2 Datenauswertung ................................................................................................... 26 4.2.1 Vorgehensweise .......................................................................................... 26 4.2.2 Durchführung der Auswertung .................................................................. 27 5 Ergebnisse und Diskussion ............................................................................ 29 5.1 Definition Inverser Inklusion ............................................................................... 29 5.2 Grenzen Inverser Inklusion .................................................................................. 30 5.3 Hürden und Aufgaben Inverser Inklusion .......................................................... 31 5.4 Umstellungsprozess und Finanzierung ................................................................ 33 5.5 Vorteile Inverser Inklusion für die Lernenden ................................................... 34 II
5.6 Schwächen Inverser Inklusion ............................................................................. 35 5.7 Umsetzung auf didaktisch-pädagogischer Ebene ............................................... 37 5.8 Potenziale hinsichtlich der möglichen Bildungsabschlüsse ............................... 38 5.9 Erste konkrete Schritte zur Umsetzung .............................................................. 39 6 Zusammenfassung und Fazit ........................................................................ 41 Literaturverzeichnis ......................................................................................... 43 Rechtsquellenverzeichnis ................................................................................. 47 Anhang ............................................................................................................... 49 III
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Inklusion zwischen bildungspolitischer Steuerung und individueller Schulentwicklung (Moser, 2017, S. 16) ...................................................................4 Abb. 2: Exklusionsquoten der Schülerinnen und Schüler der Bundesländer in Deutschland (Klemm, 2014a; KMK, 2014a, b; KMK, 2015; KMK, 2016a, b, c; Berechnungen durch Lange, 2017, S. 16) ........................................................................................6 Abb. 3: Abgängerinnen und Abgänger von Förderschulen ohne mindestens einen Hauptschulabschluss (Statistisches Bundesamt, 2017; Berechnungen durch Lange, 2017, S. 13) ..............................................................................................................6 Abb. 4: Förderquoten der Schülerinnen und Schüler der Bundesländer in Deutschland (Klemm, 2014a; KMK, 2014a, b; KMK, 2015; KMK, 2016a, b, c; Berechnungen durch Lange, 2017, S. 14) ........................................................................................7 Abb. 5: Inklusionsanteile der Schülerinnen und Schüler der Bundesländer in Deutschland (Klemm, 2014a; KMK, 2014a, b; KMK, 2015; KMK, 2016a, b, c; Berechnungen durch Lange, 2017, S. 18) ........................................................................................7 IV
1 Einleitung Gemäß dem auf der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) basierenden Grundsatz, niemanden vom allgemeinen Schulsystem auszuschließen, besteht in Deutschland der Ansatz, Schülerinnen und Schüler inklusiv zu unterrichten. Dies wurde bislang nur unbefriedigend umgesetzt. Während in anderen Ländern viele Lernende mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam beschult werden, erfolgt dies in der Bundesrepublik nur in geringem Umfang. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass zwischen den Jahren 2008/09 und 2016/17 die Anzahl der an Förderschulen Lernenden um nur 40.000 sank. Eine aktuelle Schlagzeile aus dem Handelsblatt hierzu lautet: „10 years on, Germany still lags in inclusive education.” (vgl. Gottschalk & Bulkeley, 2018) “It should be education for everybody, and everybody’s needs should be met in an inclusive setting.” (vgl. Gillmore, 2014) Um Inklusion in Deutschland voranzutreiben müsste - neben der dazu nötigen Finanzierung - eine Neustrukturierung des Curriculums und des Raummanagments stattfinden. Bisher orientiert sich die Ausbildung von Lehrpersonen vor allem an Kindern und Jugendlichen ohne besondere Auffälligkeiten oder Behinderungen. Im Zuge der Inklusion sollten Lehrerinnen und Lehrer zukünftig gezielter vorbereitet werden, auf die Bedürfnisse aller Schülerinnen und Schüler einzugehen. (Gillmore, 2014) Doch wie sind all diese Forderungen an Regelschulen vereinbar? Wie sollen Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen oder gar mehreren Förderschwerpunkten auf einer Schule bzw. in einer Klasse unterrichtet werden? Warum wird das inklusive Bildungsangebot überwiegend an Regelschulen angeboten? Wäre eine „inverse“ Herangehensweise, einem Konzept bei dem Lernende ohne sonderpädagogischen Förderbedarf in Förderschulen beschult werden, umsetzbar? Die Idee, sich mit dem Thema der inversen Inklusion auseinanderzusetzen, kam während eines Praktikums an einer Schule mit dem Förderschwerpunkt Sehen auf. Im Rahmen des Studiums an der Humboldt-Universität zu Berlin wurde das sechswöchige Praktikum absolviert. Es dient insbesondere dazu sich mit der Unterrichtsgestaltung in einer Klasse mit sehbehinderten oder blinden Lernenden auseinanderzusetzen. Die Erfahrungen wurden mit Hilfe von Hospitationsbesuchen gemacht. In einem Vorbereitungsseminar wurden die Praktikantinnen und Praktikanten Klassen zugeteilt, sodass Hospitationen schwerpunktmäßig in der Klasse 10 ISS (Integrierte Sekundarschule) stattfanden. Die angehenden Lehrerinnen und Lehrer wurden innerhalb ihrer Besuche in die Prozesse der Unterrichtsgestaltung, Bewertung, Methodik und Didaktik eingebunden. Hierbei kamen mehrfach alternative Bildungsangebote, wie das der 1
inversen Inklusion zur Sprache. Die Lehrenden der Schule waren bezüglich der Idee dieses Bildungsangebot für sehbehinderte und blinde Lernende in Berlin umzusetzen gegensätzlicher Meinung. Dies gab den Anlass, sich mit dem Thema der Öffnung von Sonderschulen mit dem Förderschwerpunkt Sehen im Bundesland Berlin zu beschäftigen. Im Rahmen dieser Arbeit wird das Bildungsangebot Inverse Inklusion für Kinder mit und ohne Sehbeeinträchtigung oder Blindheit im Land Berlin untersucht. Da es in Berlin bisher keine Schulen mit diesem Bildungsangebot gibt, wurden Interviews mit Schulleiterinnen und Schulleitern (invers) inklusiver Schulen im Förderschwerpunkt Sehen aus anderen Bundesländern geführt. Ob und inwiefern zum heutigen Zeitpunkt inverse Inklusion an Berliner Schulen angeboten werden kann, ist Inhalt dieser Ausarbeitung. 2
2 Theoretischer Hintergrund 2.1 Begriffsklärung Zum besseren Verständnis der Arbeit werden im folgenden Kapitel die Begriffe Inklusion und inverse Inklusion definiert. Die Definitionen beziehen sich auf die Institution Schule und den Fachbereich Behinderung. 2.1.1 Inklusion Bislang liegt keine allgemein anerkannte Definition von Inklusion vor. Der Begriff Inklusion muss daher als multifaktorielles und mehrdimensionales Konstrukt betrachtet werden. Unpräzise beschreibt Inklusion den gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf an allgemeinbildenden Schulen. Die Mehrdeutigkeit des Begriffs wird dabei allerdings vernachlässigt. Inklusion muss deshalb auf deutlich mehr Ebenen betrachtet werden. (Grosche, 2015) Inklusion ist das Recht auf Selbstbestimmung und Gleichheit, d.h. über dieselben Rechte wie Menschen ohne Behinderung zu verfügen. Aus diesem Grund wird im inklusiven Bildungsangebot darauf verzichtet, Lernende in Kategorien wie Schülerin bzw. Schüler mit oder ohne Förderbedarf einzuteilen. (Grosche, 2015) 2.1.2 Inverse Inklusion Inverse Inklusion ist ein Bildungsangebot für Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf an Sonder- bzw. Förderschulen. Im Gegensatz zur Inklusion, werden Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung nicht an allgemeinbildenden Schulen, sondern an Schulen mit einem Förderschwerpunkt, unterrichtet. Durch das Öffnen der Sonderschulen lernen Regelschülerinnen und -schüler an Förderschulen. Aufgrund dieses umgekehrten Prinzips wird von inverser Inklusion gesprochen. Das Ziel des Schulkonzepts ist die soziale Interaktion zu steigern, indem sich behinderte und nichtbehinderte Lernende, Lehr- und Lerninhalte gemeinsam erarbeiten. (Schoger, 2006) Dennoch lassen sich zwischen Inklusion und inverser Inklusion gewisse Parallelen und Gemeinsamkeiten in Bezug auf Ziele, Prinzipien oder sogar Umsetzung finden. Inklusion definiert unter anderem zwei direkte Ziele, die auch im invers inklusiven Bildungsangebot erreicht werden wollen. Einerseits will Inklusion, dass eine effektive, passgenaue und individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen gelingt. (Grosche, 2014) Andererseits strebt sie danach soziale Teilhabe, Freundschaft, Freiheit, Würde und Anerkennung zu ermöglichen. (Prengel, 2006) Beide Ziele - Förderung und Anerkennung - sind eng miteinander verbunden und bedingen sich gegenseitig. Mit Hilfe des Erwerbs von 3
Qualifikationen, wird die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gesteigert. Das Erlernen der Qualifikationen gelingt allerdings nur mittels einer pädagogischen Beziehung, die zugleich anerkennend und wertschätzend ist. (Grosche, 2015) Ein Prinzip beider inklusiver Bildungsangebote ist der Verzicht des Vergleichs von Kindern und Jugendlichen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf. Sowohl Inklusion als auch inverse Inklusion gelingt nur dann, wenn keine stigmatisierenden Gruppierungen von Schülerinnen und Schülern vorgenommen werden. Die Diagnostik bleibt weiterhin zur Bestimmung von Lernbedürfnissen, -ständen und Entwicklungsverläufen unvermeidlich, allerdings nicht vor dem Hintergrund, eine bestimmte Schülerin oder einen bestimmten Schüler als Inklusionskind zu bezeichnen. Jedes in der Inklusion unterrichtete Kind ist ein Inklusionskind. (Grosche, 2015) Inklusion kann steuerungsstrategisch, aufgrund unterschiedlicher Akteurinnen bzw. Akteure und Interessen, nicht klar definiert und anschließend auch nicht entsprechend der in der Abbildung dargestellten Top-Down-Vorgaben (UN-BRK, Schulgesetze, Bildungs- administratives Handeln, Vorgaben der Schulinspektion) umgesetzt werden. Um inklusive Bildungsangebote umsetzen zu können, sind ebenfalls Bottom-Up-Strategien (Schul- programme, an Schwerpunkten orientierte Schulentwicklungen, Teambildung) nötig. „Insofern ist die Organisation Schule ein zentrales und bedeutsames Feld, in dem Schulreform auf der Ebene der Einzelschule implementiert wird.“ (vgl. Moser, 2017, S. 16) Abb. 1: Inklusion zwischen bildungspolitischer Steuerung und individueller Schulentwicklung 4
Für die Umsetzung von inklusiven Bildungsangeboten, bedarf es zum einen der Professionalisierung aller am Bildungsprozess Beteiligten, zum anderen einer Veränderung der institutionellen Rahmenbedingungen. Die Bundesländer verfügen allerdings über keine einheitliche Strategie zur Organisation dieser Voraussetzungen. Zur Entwicklung eines Gesamtkonzepts, müssen die vorhandenen Ressourcen für die inklusive Leitidee genutzt werden, die von den Beteiligten in der Schule unterstützt wird. Weiterhin werden aufeinander abgestimmte Ziele in den Bereichen der Schule, des Unterrichts und der Organisations- und Personalentwicklung formuliert. Schließlich werden die festgelegten Ziele, mittels eines konkreten Umsetzungsplans, überprüft. (Jahreis, 2014) 5
2.2 Statistik Zu diesem Zeitpunkt liegen keine statistischen Daten zum invers inklusiven Bildungsangebot vor. Das liegt zum einen daran, dass bisher kaum Förderschulen dieses Schulkonzept anbieten. Zum anderen setzen die wenigen Förderschulen in Deutschland das Bildungsangebot noch nicht lange genug für genügend Daten um. Statistiken über Inklusion geben allerdings einen ebenso guten Aufschluss über die derzeitige Situation der Beschulung behinderter Schülerinnen und Schüler in der Bundesrepublik. Trotz politischer und rechtlicher Änderungen, haben einige Bundesländer Deutschlands die Umsetzung der schulischen Inklusion kaum angenommen. Dass separierende Schulformen nicht UN-BRK-konform sind, stellte der UN-Ausschuss mehrfach deutlich klar. Einigen Bundesländern fehlt ein Gesamtkonzept für ein inklusives Schulsystem gänzlich. Erforderliche Schritte zur Schaffung von inklusiven Schulstrukturen, blieben bislang aus. (Aichele & Kroworsch, 2017) Die Exklusionsquote verdeutlicht dies. Die Exklusionsquote gibt den Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Förderbedarf an, die an einer Förderschule bzw. separiert vom allgemeinbildenden System unterrichtet werden. Innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren hat sich diese Quote um nur 0,48% verringert. Im Schuljahr 2015/2016 besuchten stets 4,44% der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Sonder- oder Förderschule. (s. Abb. 2) Abb. 2: Exklusionsquoten der Schülerinnen und Schüler Abb. 3: Abgängerinnen und Abgänger von Förderschulen der Bundesländer in Deutschland ohne mindestens einen Hauptschulabschluss 6
In Deutschland beenden 71% der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Sonder- oder Förderschule ohne einen Hauptschulabschluss. (s. Abb. 3) Diese Zahlen bezeugen keine positive Entwicklung, sondern vielmehr eine enttäuschende Stagnation. Demzufolge ist es den Bundesländern bisher nicht gelungen, ein funktionierendes inklusives Bildungsangebot zu etablieren. (Aichele & Kroworsch, 2017) Unterschiede zwischen den Bundesländern zeigen sich in der Förderquote. Mit dieser Quote wird der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf angegeben. In Mecklenburg-Vorpommern liegt diese bei 11%, in Hessen hingegen bei 5,7%. Die Förderquote deutschlandweit hat sich im Vergleich zwischen den Schuljahren 2008/09 und 2015/16, im Jahr vor dem Inkrafttreten der Behindertenrechtskonvention (BRK), von 6,0 auf 7,1% erhöht. (s. Abb. 4) In Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen sinkt die Förderquote, während sie in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein steigt. (Lange, 2017) Abb. 4: Förderquoten der Schülerinnen und Schüler Abb. 5: Inklusionsanteile der Schülerinnen und Schüler der Bundesländer in Deutschland der Bundesländer in Deutschland Letztlich zeigt der Inklusionsanteil den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an, die an einer allgemeinbildenden Schule unterrichtet werden. Zwischen den Schuljahren 2008/09 und 2015/16 steigt der Inklusionsanteil, insbesondere in Hamburg, Bremen und Niedersachsen. Ebenso erhöht sich der Inklusionsanteil 7
in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein um mehr als 20%. (s. Abb. 5) In Schleswig-Holstein und Berlin wurde schon vor dem Inkrafttreten der BRK ein relativ hoher Inklusionsanteil nachgewiesen. (Lange, 2017) Setzt man die Förderquote, Exklusionsquote und Inklusionsanteil in einen Zusammenhang, fällt auf, dass in allen Bundesländern der Inklusionsanteil steigt, während sich gleichzeitig die Förderquote erhöht und die Exklusionsquote stagniert. „Wenn bei mehr Schülerinnen und Schülern, die ohnehin die allgemeine Schule besuchen, ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wird, dann erhöht sich der Inklusionsanteil, ohne dass effektiv weniger Kinder die Förderschule besuchen.“ (vgl. Lange, 2017, S. 19) Aus diesem Grund ist diese Betrachtungsweise für ein Gesamtbild in Deutschland nicht ausreichend. Mit Hilfe der absoluten Zahlen lässt sich die Entwicklung besser erkennen. In Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen wurden im Schuljahr 2015/16 weniger Schülerinnen und Schüler an einer Förderschule unterrichtet als im Schuljahr 2008/09. Auf Bundesebene sind die Ergebnisse dennoch unbefriedigend. Bei einem demografiebedingten Rückgang der Anzahl aller Schülerinnen und Schüler um 9%, verzeichneten die Förderschulen einen Schülerrückgang von nur 18%. (Lange, 2017) 8
2.3 Gesetzeslage In diesem Kapitel wird zunächst auf die allgemeine Lage der Gesetze bezüglich der Bildung behinderter Kinder in Deutschland eingegangen. Im Anschluss werden relevanten Gesetze, die zur Umsetzung des invers inklusiven Bildungsangebots nötig sind, beschrieben. 2.3.1 Allgemeine Lage In Deutschland wurde durch die UN-Behindertenrechtskonvention eine Diskussion darüber ausgelöst, was ein inklusives Bildungssystem ausmacht und wie die Ziele erreicht werden können. Die UN-BRK hat zur Umsetzung des inklusiven Bildungsangebots, Ziele verfasst. Deutschland als Vertragsstaat – mitsamt allen Bundesländern - muss zukünftig die dazu nötigen Maßnahmen treffen. (UN-BRK, 2007) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel, (a) die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwertgefühl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu stärken; (b) Menschen mit Behinderungen ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu lassen; (c) Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen. (vgl. UN-BRK, 2007, Art. 24) Für die Entwicklung eines inklusiven Schulsystems macht der UN-Ausschuss deutlich, dass Staaten, die sowohl ein reguläres als auch ein Sonder- oder Förderschulsystem aufrechterhalten, widersprüchlich zur Verpflichtung aus Artikel 24 der UN-BRK handeln. Diese Staaten sollen ihre bisherige Finanzierung des Bildungssystems neu strukturieren und zur Entwicklung eines inklusiven Bildungsangebots nutzen. Weiterhin sind die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, einen Mindeststandard zu erfüllen. Neben den in Artikel 24 Absatz 1 der UN-BRK aufgeführten Bildungszielen, müssen die Vertragsstaaten die folgenden Vorgaben in ihren Ländern umsetzen: „Diskriminierungsfreiheit in allen Aspekten der Bildung, Bereitstellung von angemessenen Vorkehrungen sowie verpflichtende, kostenlose Grundbildung für alle.“ (vgl. Kroworsch, 2017, S. 4) Zur Umsetzung eines inklusiven Bildungsangebots fordert der UN-Ausschuss einen gesetzlichen und politischen Rahmen. Zeitvorgaben und die Möglichkeit Verstöße zu 9
sanktionieren, sollen die Entwicklung des Systems erleichtern. 13 Schlüsselelemente sowie ein Schulentwicklungsplan, der die Schulgesetzgebung unterstützt, dienen ebenfalls zum Vorantreiben des Vorhabens. Der Schulentwicklungsplan wird in Zusammenarbeit mit Selbsthilfeorganisationen und aktuellen Daten erstellt. Die Staaten sind verpflichtet, aufgeschlüsselte Daten zum Bereich der inklusiven Bildung zu erheben. Außerdem fordert der UN-Ausschuss angemessene Gelder und ausreichendes Personal zur Entwicklung bereitzustellen. Die vorhandenen Ressourcen sollen von segregierenden zu inklusiven Strukturen umdisponiert werden. (Kroworsch, 2017) 2.3.2 Vergleich der Bundesländer Um ein invers inklusives Bildungsangebot umsetzen zu können, müssen zukünftig die Gesetze einiger Bundesländer anpasst werden. Derzeit sind die Regelungen der Bundesländer unterschiedlich und sogar gegensätzlich. In Hinblick auf die Schulgesetze, ist die Öffnung von Sonderschulen für nichtbehinderte Kinder zum heutigen Zeitpunkt lediglich in vier Bundesländern (Brandenburg, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Sachsen) möglich. ([2] §29 Abs. 3, [3] §15 Abs. 5, [10] §14 Abs. 1, [14] §13 Abs. 1) Im brandenburgischen Schulgesetz unter Abschnitt sechs „Sonderpädagogische Förderung“ §29 „Grundsätze, gemeinsamer Unterricht“ Absatz 3, ist die folgende Vereinbarung zur Umsetzung gemeinsamen Unterrichts zu finden. Gemeinsamer Unterricht wird in enger Zusammenarbeit mit einer Förderschule oder einer Sonderpädagogischen Förder- und Beratungsstelle organisiert. Er ermöglicht ein wohnungsnahes Schulangebot. Die Formen des gemeinsamen Unterrichts sollen individuell entwickelt werden. Sie können zeitlich befristet oder stufenweise ausgeweitet werden. (vgl. [2] §29 Abs. 3) Deutlich gegen die Organisation eines gemeinsamen Unterrichts an einer Sonder- oder Förderschule, sprechen die Schulgesetze der folgenden sieben Bundesländer: Berlin, Bayern, Bremen, Hamburg, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Saarland. ([1] §38 Abs. 1, [4] Art. 19 Abs. 1, [5] §70a Abs. 1, [6] §19, [8] §3 Abs. 11, [11] §20 Abs. 5, [13] §4a Abs. 1) Das Schulgesetz von Nordrhein-Westfalen erlaubt unter Abschnitt „Schulstruktur“ §20 Absatz 5, gemeinsames Lernen lediglich an einer allgemeinbildenden Schule anzubieten. Zuvor ist eine Zustimmung des Schulträgers einzuholen. Weiterhin muss die Schule personell und sächlich ausreichend ausgestattet sein oder ggf. ausgestattet werden. Eine weitere Alternative wird nicht angeboten. ([11] §20 Abs. 5) Auf das Bundesland Berlin wird im anschließenden Kapitel umfassender eingegangen. Eine Kooperation zwischen allgemeinbildenden Schulen und Sonder- bzw. Förderschulen, 10
lassen die Schulgesetze von Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen- Anhalt und Schleswig-Holstein zu. ([7] §53 Abs. 2, [9] §36 Abs. 3), [12] §12 Abs. 2, [15] §8 Abs. 1, [16] §45 Abs. 1) Aus dem Hessischen Schulgesetz unter Abschnitt 7 „Sonderpädagogische Förderung unter §53 „Inklusive Schulbündnisse und sonderpädagogische Beratungs- und Förderzentren“ Absatz 2, ist folgendes zu entnehmen: Bei der Zusammenarbeit von Förderschulen mit allgemeinen Schulen ist das Ziel, die Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern, um im Rahmen der Möglichkeiten beson- deren Förderbedarf zu vermindern oder zu beseitigen. Dies schließt auch das Erreichen eines zielgleichen Schulabschlusses ein. Zwischen der Förderschule und der allgemeinen Schule können Formen der Kooperation entwickelt werden, in denen das Kind Schülerin oder Schüler der Förderschule bleibt (Kooperationsklassen). (vgl. [7] §53 Abs. 2) 2.3.3 Berlin Im Schulgesetz für das Land Berlin unter Abschnitt V „Sonderpädagogische Förderung“ steht im §36 – Grundsätze im zweiten Unterpunkt geschrieben, dass eine sonderpädagogische Förderung sowohl an allgemeinbildenden Schulen als auch an Schulen mit sonderpädagogischem Schwerpunkt erfolgen kann. Das Ziel ist, die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu einem Schulabschluss zu führen und ihnen somit den Wechsel in einen anderen Bildungsgang zu ermöglichen. Die sonderpädagogische Förderung soll primär in einem gemeinsamen Unterricht mit Schülerinnen und Schülern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf an allgemeinbildenden Schulen erfolgen. Die Planung und Durchführung des gemeinsamen Unterrichts wird zusammen mit den Lehrenden für Sonderpädagogik und denen der allgemeinen Schulen erarbeitet. Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt (Sonderschulen) sind Grundschulen und Schulen der Sekundarstufen I und II für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Organisation dieser Schulen richtet sich nach den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten "Sehen", "Hören", "Körperliche und motorische Entwicklung", "Lernen", "Sprache" und "Geistige Entwicklung". Im Bereich der beruflichen Schulen stehen für die sonderpädagogische Förderung Berufsschulen mit sonderpädagogischen Aufgaben zur Verfügung. (vgl. [1] §38 Abs. 1) Dies steht unter §38 - Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt Absatz 1 geschrieben. Folglich dürfen in Berlin derzeit keine Kinder und Jugendlichen ohne sonderpädagogischen Förderbedarf an einer Förderschule unterrichtet werden. 11
2.4 Vorteile und Grenzen Inverser Inklusion 2.4.1 Gemeinsames Lernen Ein wichtiger Aspekt des gemeinsamen Lernens ist, die in „Soziologie der Behinderten“ in Kapitel 5 beschriebene Kontakthypothese. Daraus kann abgeleitet werden, welchen Zweck es hat, Kinder gemeinsam lernen zu lassen. Der direkte Kontakt mit Menschen mit einer Behinderung ist maßgeblich für die Qualität der Einstellung nichtbehinderter Menschen und wichtigster Faktor. Im Sinne des inklusiven Bildungsangebots, behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam zu beschulen, kann davon ausgegangen werden, „da[ss] unmittelbare und möglichst frühzeitige Kontakte einer positiven und akzeptierenden Haltung im späteren Leben förderlich sind.“ (vgl. Cloerkes, 2007, S. 145) Es gibt drei Grundannahmen der Kontakthypothese. Die erste besagt, dass der Kontakt mit behinderten Menschen, Vorurteile korrigieren kann. Der Kontakt soll Vertrautheit aufbauen, um Fremdheit abzubauen, wie aus der zweiten Annahme zu entnehmen ist. Laut der dritten Annahme erhöht sich die Zuneigung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung, je häufiger sie miteinander interagieren. Die Annahmen lassen sich in zwei Thesen zusammenfassen: 1. Personen, die über Kontakte mit Behinderten verfügen, werden günstigere Einstellungen gegenüber Behinderten zeigen als Personen, die keine derartigen Kontakte haben oder hatten. 2. Je häufiger Kontakt mit Behinderten bestanden hat, um so positiver wird die Einstellung des Betreffenden sein. (vgl. Cloerkes, 2007, S. 146) Neben der Häufigkeit ist vor allem die Intensität des Kontaktes entscheidend. Auch der intensive oder enge Kontakt garantiert nicht die Entwicklung positiver Einstellungen. Nebenbedingungen sind die emotionale Fundierung sowie die Freiwilligkeit. Hingegen günstige Bedingungen sind relative Statusgleichheit, eine aus der sozialen Beziehung folgenden Belohnung und die Verfolgung gemeinsamer Aufgaben und Ziele. Weiterhin kann sich eine ursprüngliche Einstellung im Kontakt, nochmals verstärken. So kann eine vorerst negative Einstellung negativ oder eine vorweg positive Einstellung positiv bestärkt werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, behinderte und nichtbehinderte Kinder möglichst früh in den gemeinsamen Kontakt kommen zu lassen. (Cloerkes, 2007) „Inklusive Schulen fördern die Leistungspotenziale aller Schülerinnen und Schüler.“ (vgl. Dräger, 2011, S. 16) Differenzierte Lerninhalte helfen sowohl leistungsschwächeren als auch leistungsstärkeren Lernenden. Ebenso beweisen Studien, dass die Leistungen von Schülerinnen und Schülern ohne Förderbedarf in Regelklassen genauso gut sind wie in Integrationsklassen. 12
Gemeinsamer Unterricht fördert neben der individuellen Leistung, das Selbstwertgefühl sowie die soziale Kompetenz der Kinder und Jugendlichen. Somit stellen gute Leistungen der Lernenden und Inklusion keinen Widerspruch dar. Mit Hilfe des gemeinsamen Unterrichts können insbesondere die Schülerinnen und Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf Kompetenzen erwerben, die eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. (Dräger, 2011) Inklusion ist der notwendige Schritt, zur Entwickelung eines individuellen Förderungssystems, von dem alle Schülerinnen und Schüler profitieren. Zwischen den Bundesländern in Deutschland herrscht stets eine große Varianz. Somit ist es noch ein langer und umfangreicher Prozess, bis sich in der Bundesrepublik das inklusive Bildungssystem etabliert hat. Hierfür ist die Haltung aller Beteiligten (Lernende, Lehrende, Eltern, Erzieherinnen- und Erzieher und Fachkräfte der Politik und Verwaltung) entscheidend. Sie alle müssen dem Vorhaben positiv gegenübertreten. Genauso müssen Standards zur personellen, materiellen und finanziellen Ausstattung geschaffen werden. Zuletzt werden Ressourcen benötigt, die in die individuelle Förderung der Lernenden, Qualifikation der Fachkräfte und bauliche Maßnahmen der Einrichtungen investiert werden. (Dräger, 2011) Bestimmte Bildungsstätten, wie bspw. die Friedländer Grundschule, ist seit diesem Schuljahr eine „Schule für gemeinsames Lernen“. Das bedeutet, dass nichtbehinderte Lernende und Schülerinnen und Schüler mit einer Beeinträchtigung, Behinderung oder besonderen Begabung, gemeinsam unterrichtet werden. Dafür wurden notwendige personelle und räumliche Ressourcen geschaffen. Auch zukünftig sollen weitere Lehrende eingestellt werden, um allen Grundschulkindern eine optimale Förderung gewähren zu können. (Kühl, 2016) Dennoch gibt es neben Befürwortern, auch Kritiker des Schulkonzepts, Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen zu lassen. Zeitschriften wie „Die Zeit“ regen ihre Leser dazu an, gemachte Erfahrungen, sowohl aus Eltern- als auch Lehrer- bzw. Lehrerinnenperspektive mitzuteilen. Grund ist, dass laut dem Artikel, die Idee Kinder und Jugendliche gemeinsam lernen zu lassen in der Theorie einfacher klingt, als sie in der Praxis umzusetzen ist. (Sadigh & Otto, 2015) 2.4.2 Differenzierter Unterricht „No Two Students with a Visual Impairment Will Have Exactly the Same Needs or Levels of Vision, So It Is Essential That All Accommodations and Instruction Be Individualized for Each Student.“ (vgl. Gilbert, 2018, S. 25) Aussagen aus Zeitschriftenartikeln wie diese zeigen, dass für ein inklusives Bildungsangebot, individualisierte und offene Unterrichtskonzepte essentiell sind. Allerdings werden diese Konzepte derzeit, lediglich in selektiven Strukturen angewendet. 13
Aufgrund von erwarteten und vor allem normierten Lernergebnissen, findet die Offenheit der Unterrichtskonzepte, ihre Grenze. Folglich werden sie in heterogenen Lerngruppen kaum umgesetzt. (Meister & Schnell, 2017) Beispiele für individualisierte und offene Unterrichtskonzepte sind Freiarbeit, Stationsarbeit, Wochenplanarbeit oder innere Differenzierung. Sämtliche Ansätze kritisieren die derzeitigen Inhalte der Lehrpläne. Dort werden die Inhalte von der Lehrperson gesteuert und nur teilweise mit differenzierten Lernprozessen ergänzt. Die genannten methodisch-didaktischen Ansätze gehen vom Lernenden mit seinen spezifischen Interessen und Lernbedürfnissen aus. Das Kind bestimmt neben dem Lerninhalt, die Vorgehensweise, das Tempo und die Sozialform im Lernprozess. Wichtig ist sämtliche Schritte innerhalb der Methode, transparent und nachvollziehbar zu gestalten, um sie gemeinsam mit der Lehrperson und Schülerinnen und Schülern reflektieren zu können. Bei der Projektmethode dürfen die Lernenden das Thema, das in den folgenden Stunden bearbeitet wird, wählen. Orientiert wird sich hierbei am Problem und dem Ergebnis der Projektarbeit. Die Lernenden handeln innerhalb ihrer Gruppe demokratisch, das Vorhaben, die Vorgehensweise, die Medien, das Produkt und Form der Präsentation aus. Im Anschluss daran setzen die Schülerinnen und Schüler ihr gewähltes Vorgehen um und reflektieren zuletzt den gesamten Prozess ihrer gemeinsamen Arbeit. Voraussetzung für diese Lernmethode ist das geteilte Bewusstsein in der Vorstellung, den Intentionen und der Handlungsplanung. (Meister & Schnell, 2017) Individuelle Lernbarrieren müssen zukünftig, mittels Differenzierungsmaßnahmen zum gemeinsamen Lerninhalt, abgebaut werden. Die Herausforderung ist dabei, die Schülerinnen und Schüler weder zu unter- noch zu überfordern. Die Lehrenden dürfen sich nicht zu sehr an das Niveau der Leistungsstärkeren oder -schwächeren anpassen. Von den Lehrenden wird verlangt das richtige Maß zwischen individueller Lernbegleitung und dem Einbeziehen der gesamten Klasse, zu treffen. „Als Voraussetzung für gelungene individualisierte Bildungsprozesse gilt, dass der Bildungsinhalt als subjektiv sinnvoll erkannt wird und an das Vorwissen angeknüpft werden kann.“ (vgl. Terfloth, 2017, S. 49) Die Lehrenden müssen hierfür die Lernumgebung vorbereiten, lebensweltbezogene Lernanlässe eröffnen, Lern- und Hilfebedarfe unterstützen sowie bei der Lösung von Problemen helfen. Unterschiedliche Lernausgangslagen, innerhalb einer Lerngruppe, können mit Hilfe von flexiblen und insbesondere differenzierten Lehrmethoden bewältigt werden. (Terfloth, 2017) In einer Klasse bildet die soziale Gruppe den Rahmen, in dem das individualisierte Lernen jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen stattfindet. Innerhalb einer heterogenen Lerngruppe wird mit anderen Schülerinnen und Schülern interagiert, um Erkenntnisse zu erarbeiten, das Anregungspotenzial zu nutzen oder am Modell der anderen Kinder und Jugendlichen zu lernen. 14
Aus diesem Grund sollen die Lernenden in regelmäßigen Abständen, die Möglichkeit erhalten, sich neben dem Lernstoff, Lernort, Ziel und der Arbeitszeit, für eine Lernpartnerin oder einen Lernpartner, zu entscheiden. (Terfloth, 2017) 15
Somit gehört es zu den Aufgaben der Schule, Schülerinnen und Schüler zu differenzieren. Laut Ahrbeck werden die Lernenden, insbesondere bei der Vermittlung von anspruchsvollen Unterrichtsinhalten differenziert. „Talente können sich nur entfalten, wenn man feststellt, wo es sie gibt. Das heißt zugleich, dass man auch bemerkt, wo sie nicht existieren. Gute Leistungen kann es nur geben, wenn es auch schlechte gibt.“ (vgl. Denninghaus, 2015, S. 192) 2.4.3 Individuelle Förderung Beim Unterrichten von Lernenden in Gruppen, ist es wichtig mit den Lernvoraussetzungen und -fähigkeiten sowie Begabungen und Interessen der Kinder und Jugendlichen umgehen zu können. Die Herausforderung ist, jeder Schülerin und jedem Schüler die Möglichkeit zu geben, persönliche Stärken entsprechend dem individuellen Leistungsvermögen, voll zu entfalten. Zur Umsetzung eines individualisierenden und differenzierenden Bildungsangebotes, ist eine gezielte und abgestimmte Förderplanung nötig. Diese vereinbart zukünftige Lern- und Entwicklungsschritte der jeweiligen Schülerin bzw. des jeweiligen Schülers. (Hülscher, Wieneke-Kranz & Zöllner, 2010) Im Artikel „Führt ein Curriculum für sehgeschädigte Menschen zur Isolation“ wird sich mit der Problematik auseinandergesetzt, ob sehbehinderte oder blinde Kinder und Jugendliche mit Hilfe eines speziell auf sie zugeschnitten Lehrplans unterrichtet werden müssen. Die Forderung dessen, wird allerdings nur wenig diskutiert. Giese und Kohlstedt sind zu dem Entschluss gekommen, dass sich der Bereich der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik aufgrund eines spezifischen Curriculums, nicht zusätzlich isolieren sollte. Grund ist, dass ein isoliertes System entstehen könnte, das nur innerhalb seiner eigenen Grenzen wirksam und nicht mit den anderen Förderschwerpunkten vereinbar ist. (Giese & Kohlstedt, 2016) Die Aufgabe der Lehrenden besteht darin, den allgemeinen Lehrplan mit dem sonderpädagogischen Lehrplan bzw. spezifischen Curriculum zu vereinen. Der für Förderschüler verpflichtende sonderpädagogische Förderplan, definiert die individuellen Bildungs- und Erziehungsziele. Er wird von Lehrenden, Eltern und ggf. den Schülerinnen und Schülern selbst erstellt. Letztlich bietet ein Förderplan die Möglichkeit, Förderziele und Maßnahmen, im Schulalltag umzusetzen. (Lang & Thiele, 2017) Wer mit dem Anspruch der Individualisierung des Bildungsangebots für alle Kinder in inklusiven Schulen allerdings ernst machen will, der wird auch nicht umhin können, die individuellen Lern- und Förderbedürfnisse für alle Kinder und Jugendlichen differenziert zu diagnostizieren und entsprechende Förderpläne für alle zu erstellen. (vgl. Heimlich, 2012, S. 16) Das individuelle Lernen der Schülerinnen und Schüler wird in inklusiven Konzepten in den 16
Mittelpunkt gestellt. Mittels der diagnostizierten individuellen Lernvoraussetzungen und anschließenden Förderung aller Lernenden, kommt es zu keiner Selektionsdiagnostik von bestimmten Kindern und Jugendlichen. Außerdem werden auf diese Weise Barrieren frühzeitig abgebaut oder sogar verhindert. (Jahreis, 2014) Das Ziel des inklusiven Bildungsangebots ist, den Unterricht auf Grundlage der individuellen Lernstandsdiagnosen zu binnendifferenzieren. Zunächst werden Aufgaben formuliert, die für alle Schülerinnen und Schüler gelten. Mit Hilfe von erweiterten und vertiefenden Aufgabestellungen und Aktivitäten und gleichzeitiger Unterstützung durch Materialien, wird das Lernangebot ausdifferenziert. Durch weitere Aufgaben für leistungsstarke Lernende und pädagogische und fachdidaktische Unterstützung bei Lernschwierigkeiten, wird der Lehrstoff nochmals individualisiert. (Jahreis, 2014) Mit dem Auge können mehr Informationen schneller verarbeitet werden als mit den anderen Sinnesorganen. Bei einer Beeinträchtigung des Sehens kann folglich die Entwicklung und das Lernen erschwert werden. Der Nachteilsausgleich bezieht sich auf Leistungsanforderungen und -nachweise. Mit Hilfe des Ausgleichs, werden aufgrund von einer Behinderung entstandene Nachteile ausgeglichen. Die differenzierten Leistungsanforderungen müssen der Chancengleichheit und dem Benachteiligungsverbot gerecht werden. Weiterhin müssen Nachteilsausgleiche individuell von der jeweiligen Schulleitung festgelegt werden. Einerseits darf sich der Ausgleich nicht auf fachliche Anforderungen auswirken. Andererseits gibt es die Möglichkeit die Aufgabenstellungen differenziert anzupassen. Mögliche Nachteilsausgleiche sind verlängerte Arbeitszeiten, das Bereitstellen von Arbeitsmitteln oder mündliche statt schriftliche Arbeitsformen. (Lang & Thiele, 2017) Um eine individuelle Förderung zu gewährleisten, müssen Lehrende miteinander kooperieren. Die Zusammenarbeit fördert die eigenen reflektierenden Fähigkeiten der Lehrerinnen und Lehrer. Auch das Zusammenspiel zwischen der Vermittlung von Inhalten durch die Lehrperson, der Art und Weise wie Schülerinnen und Schüler lernen und wie Lehrende ihre eigene Kompetenz weiterentwickeln, schaffen ein günstiges Lernklima. (Tjemberg & Heimdahl Mattson, 2014) 2.4.4 Soziales Lernen Ein großer Vorteil der inversen Inklusion ist das Erlernen des sozialen Miteinanders. Inklusion soll langfristig soziale Ausgrenzung minimieren und bestenfalls verhindern. Auch nichtbehinderte bzw. sehende Lernende und ihre Eltern legen großen Wert auf ein soziales Miteinander. Indem Schülerinnen und Schüler von sich gegenseitig lernen, können Berührungsängste abgebaut und darüber hinaus beseitigt werden. 17
In Cloerkes „Soziologie der Behinderung“ werden in Kapitel sechs im Unterkapitel „Wichtige soziologische Identitätskonzepte in der Behindertenforschung“, mehrere Identitätskonzepte vorgestellt. Diese werden wiederum auf der Basis von Goffmans „Stigma - Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität“ beschrieben. (Goffman, 1967) Es wird in drei Identitäten unterschieden: soziale, persönliche und Ich-Identität. Die dreifache Identitätstypologie befasst sich mit verschiedenen Problembereichen im Umgang mit Stigmatisierten. (Cloerkes, 2007) Die soziale Identität wird über die von Personen gewünschte Gruppenzugehörigkeit definiert. Menschen - mit und ohne Behinderung - ordnen sich stets sozialen Kategorien (wie bspw. Studierende, Sehbehinderte, Blinde oder Arbeitende) zu. Infolge dieser Zuordnung kommt es langfristig zur Stigmatisierung. Mit Hilfe eines Merkmals werden Personen nachteiligen sozialen Kategorien zugeordnet. Die persönliche Identität ist das Einzigartige eines jeden Menschen. Sie dient zur Identifizierung einer Person. Das Individuum kann mit Hilfe dieser Identität stets von allen anderen differenziert werden. Die von Goffman beschriebenen Techniken der Informationskontrolle, können einer Person helfen ihr Stigma zu verbergen. (Goffman, 1967) Letztlich empfindet eine Person über die Ich-Identität die eigene Situation. Es handelt sich um das subjektive Empfinden eines Menschen. Diese Identität resultiert aus unterschiedlich gemachten sozialen Erfahrungen eines Individuums und kann durch Interaktionserfahrungen stark beeinflusst werden. (Cloerkes, 2007) Goffman beschreibt in „Stigma - Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität“ im ersten Kapitel „Stigma und soziale Identität“, den Begriff „Weisen“. Es handelt sich dabei um Personen, die stigmatisierten Personen helfen sich zu integrieren, um am sozialen Leben teilhaben zu können. (Goffman, 1967) [...] die „Weisen“, nämlich Personen, die normal sind, aber deren besondere Situation sie intim vertraut und mitfühlend mit dem geheimen Leben der Stigmatisierten gemacht hat und denen es geschieht, da[ss] ihnen ein Maß von Akzeptierung, eine Art von Ehrenmitgliedschaft im Clan zugestanden wird. (vgl. Goffman, 1967, S. 40) Trotz eines gewissen Mangels an sozialen Kompetenzen, wird ein Individuum mit Hilfe eines Weisen als gewöhnlich angesehen. Folglich wird die bzw. der Stigmatisierte zu einer Person, die sich vor anderen weder schämen, noch Selbstkontrolle ausüben muss. Bevor eine Person zum Weisen wird, muss diese „eine ihr Innerstes verändernde persönliche Erfahrung durchgemacht haben.“ (vgl. Goffman, 1967, S. 41) Es gibt zwei Typen von Weisen. Der erste ist derjenige, der bspw. in einer bestimmten Einrichtung arbeitet und somit in Kontakt mit stigmatisierten Menschen treten muss. Beispiele hierfür sind Krankenpflegerinnen und -pfleger oder Heilpraktikerinnen und -praktiker. In Bezug auf Menschen mit Behinderung handelt es sich um Institutionen, wie Krankenhäuser 18
oder Sonderschulen, die den Bedürfnissen einer stigmatisierten Person dienen. Der zweite Typus umfasst Personen, die aufgrund der Sozialstruktur mit einem stigmatisierten Individuum verbunden sind. Beispiele dafür sind Kinder oder Eltern. In dem Fall teilen die Weisen, aufgrund der Verbundenheit, die Diskreditierung der bzw. des Stigmatisierten. Aus diesem Grund werden Beziehungen wie diese z.T. abgebrochen oder gemieden. Personen, die sich hingegen dazu entscheiden, mit einem stigmatisierten Menschen in Kontakt zu treten, verfügen über ein sog. Ehrenstigma. Sie zeigen, inwieweit es möglich ist, Stigmatisierten das Gefühl zu geben, trotz der Behinderung, normal behandelt zu werden. Die Person mit dem Ehrenstigma setzt dabei voraus, dass es moralisch wertvoll ist, so zu handeln wie sie es tut. Sie betrachtet das Stigma als etwas Neutrales, das dennoch von anderen gesehen werden muss. Andere Menschen könnten diesen Umstand als demütigend wahrnehmen. Weiterhin könnten Stigmatisierte eine Abhängigkeit zu ihrem Begleiter entwickeln. Sowohl die Person mit einem Ehrenstigma als auch die bzw. der Stigmatisierte müssen sich damit auseinandersetzen, keine garantierte und vollkommende Akzeptanz von der Gesellschaft für das stigmatisierte Individuum zu erhalten. (Goffman, 1967) 19
3 Schulkonzepte für funktionierende Inverse Inklusion Der Artikel „Private Schule, öffentliche Schule: Wer kann besser fördern?“ stellt die Vor- und Nachteile beider Schulkonzepte vor. Während Privatschulen oftmals eine segregierende Funktion nachgesagt wird, haben öffentlichen Schulen mit dem Nachteil einer unzureichenden Flexibilität zu kämpfen. (Liedtke, 2009) Das invers inklusive Bildungsangebot wurde bereits in verschiedenen Schulkonzepten umgesetzt. In Deutschland gibt es sowohl private als auch öffentliche Förderschulen, die Kinder und Jugendliche mit und ohne Sehbeeinträchtigung oder Blindheit gemeinsam unterrichten. Gemäß Artikel 20 des Grundgesetzes erlaubt der deutsche Bundesstaat den Bundesländern, Aufgaben unterschiedlich zu lösen. Die dazu nötigen Finanzmittel werden vom Bund zur Verfügung gestellt. „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder [...].“ (vgl. [17] Art. 30) Auf dieser Basis entwickeln die Länder der Bundesrepublik eine eigene Handlungskompetenz im Bildungsbereich. Weiter heißt es: „Das gesamte Schulwesen steht unter Aufsicht des Staates.“ (vgl. [17] Art. 7 Abs. 1) Dennoch kommt es zu einem steigenden Angebot an Privatschulen in Deutschland. Das Recht zur Errichtung von Privatschulen, ist im Grundgesetz in Artikel 7 Absatz 4 verfasst. Private Schulen müssen vom Staat genehmigt werden und unterstehen den Landesgesetzen. 3.1 Öffentliche Schulen Öffentliche bzw. staatliche Schulen sind in der Bundesrepublik die häufigste Schulform. In Deutschland gibt es kein einheitliches Schulsystem, sodass sich öffentliche Schulformen innerhalb Deutschlands zwischen den einzelnen Bundesländern unterscheiden. Unter staatlicher Aufsicht gehören die inhaltliche, organisatorische und planerische Gestaltung des Schulwesens zu den Aufgaben der Länder. Diese Gestaltung obliegt weitestgehend den Kultusbehörden. Weiterhin werden von den Schulaufsichtsbehörden, die Beratung, Förderung und Beaufsichtigung der Schulen, wahrgenommen. Zu den Aufgaben der Bundesländer zählen somit: Qualitätssicherung, Qualitätskontrolle und Unterstützung der einzelnen Schulen zur Weiterentwicklung. Die jeweiligen Länder kommen diesen mit verschiedenen Maßnahmen, wie bspw. Rahmenlehrplänen, nach. Zusammen mit der Schulgesetzgebung, bilden sie die verbindliche Grundlage für Lehr- und Lernprozesse. (Czerwanski, 2000) Die Bundeländer können ebenso innovative pädagogische Konzepte im kleinen Rahmen und unter wissenschaftlicher Begleitung erproben. Landesintern können Schulversuche, wie bspw. Inklusionsklassen, gefördert werden. Ebenso können staatliche Schulen Modellversuche umsetzen. Diese werden von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung initiiert und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den 20
Ländern anteilig finanziert. Modellversuche haben bereits ihre Bedeutung als Instrument und Mittel zur Weiterentwicklung bewiesen. Allerdings ist unklar, ob erfolgreiche Modelle auf andere Schulen übertragbar und dauerhaft umzusetzen sind. (Czerwanski, 2000) 3.2 Privatschulen Ursprünglich dienten Privatschulen dazu, öffentliche Schulen zu ergänzen. Um die Jahrtausendwende erfuhren Privatschulen einen deutlichen Zuwachs. Aufgrund personeller und finanzieller Ressourcen sind Privatschulen, verglichen mit öffentlichen Schulen, in der Lage ein besseres Bildungsangebot aufrechtzuerhalten. Somit errichteten private Schulen, auch im Bereich der Förderschulen, ein breit gefächertes Angebot. Zwischen den Schuljahren 1992/93 und 2011/12, gab es einen Zuwachs von Privatschulen von 31%. Während die Gesamtzahl an Schulen sinkt, steigt der Anteil an Privatschulen kontinuierlich. Dem passten sich auch die Schülerzahlen an. Im Schuljahr 2010 besuchte jede bzw. jeder elfte Lernende eine Privatschule, 1992 war es gerade mal jede bzw. jeder zwanzigste. (Gürlevik, Palentien & Heyer, 2013) Es gibt mehrere Vorteile von Privatschulen. Insbesondere in ländlichen Gebieten sichern Privatschulen wohnortnahe Bildungsangebote. Häufig sind bspw. konfessionelle Prägungen der Grund zur Errichtung privater Schulen. Weiterhin sind Privatschulen nicht direkt an die Rahmenlehrpläne gebunden. Sie bilden lediglich den Rahmen zum Kompetenzaufbau der Schülerinnen und Schüler. Mit Blick auf Förderschulen, können Kompetenzen in unterschiedlichen Lerntempi angeeignet werden. Somit können die Lernenden ihre Lernziele individuell erreichen. Damit einhergehend erhalten Lehrende die Möglichkeit, ihren Unterricht frei zu gestalten. Die ungebundene Unterrichtsgestaltung und individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen sind vorrangig der Grund, warum Eltern oftmals Privatschulen bevorzugen. Weitere Vorteile sind, die in privaten Schulen kleinere Klassengrößen und höhere Anzahl an Lehrenden. (Geuer, 2013) Die Ausbildung der Lehrenden an Privatschulen ist dieselbe, wie für Lehrende an staatlichen Schulen. Im Bewerbungsprozess entscheiden die privaten Schulen selbst, ob die ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer angestellt werden. Weiterhin gehen die Lehrenden kein Dienstverhältnis mit dem Staat, sondern mit dem privaten Schulträger ein. Folglich haben die Lehrenden an Privatschulen keinen Anspruch auf einen Beamtenstatus, der in einigen Bundesländern vergeben wird. (Geuer, 2013) Meist können private Schulen ihr Bildungsangebot kaum aus eigenen Mitteln aufrechterhalten. Aus diesem Grund sind sie darauf angewiesen, neben einem Schulgeld der Eltern, finanzielle Unterstützung vom Staat zu erhalten. Allerdings bekommen nur bestimmte Schulen eine zusätzliche Finanzierung. Die Bundesländer haben das Recht, Kriterien an die Schulen in freier 21
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