Forschung für gesellschaftliche Innovationen an Fachhochschulen (FHs) - Potenziale, Rahmenbedingungen, Handlungsfelder
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Vol. 15, No. 12, 2020 akademien-schweiz.ch Forschung für gesellschaftliche Innovationen an Fachhochschulen (FHs) Potenziale, Rahmenbedingungen, Handlungsfelder
IMPRESSUM HERAUSGEBERIN Akademien der Wissenschaften Schweiz (a+) • Netzwerk für transdisziplinäre Forschung (td-net) Haus der Akademien • Laupenstrasse 7 • Postfach • 3001 Bern • Schweiz +41 31 306 93 60 • td-net@scnat.ch • transdisciplinarity.ch ZITIERVORSCHLAG Akademien der Wissenschaften Schweiz (2020) Forschung für gesellschaftliche Innovationen an Fachhochschulen (FHs) – Potenziale, Rahmenbedingungen, Handlungsfelder. Swiss Academies Communication 15 (12) AUTORINNEN · AUTOREN Dr. Anke Kaschlik, Dozentin Community Development, Institut für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe, Züricher Hochschule der Angewandten Wissenschaften • Prof. Dr. Christoph Küffer, Professur für Siedlungsökologie, Institut für Landschaft und Freiraum, Hochschule für Technik Rapperswil (ab 1.9.2020 Ostschweizer Fachhochschule) • Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock, Institut für Qualitätsmanagement und Angewandte Betriebswirtschaft, Leitung Kom- petenzzentrum Leadership und Personalmanagement, Fachhochschule St. Gallen (ab 1.9.2020 Ostschweizer Fachhochschule) • Theres Paulsen, Leiterin Netzwerk für transdisziplinäre Forschung (td-net) • Dr. Sibylle Studer, Projektleiterin Netzwerk für transdisziplinäre Forschung (td-net) • Prof. Dr. Ulrike Sturm, Leiterin Institut für Sozio- kulturelle Entwicklung und Co-Leiterin Interdisziplinärer Themencluster Raum & Gesellschaft, Hochschule Luzern BEITRAGENDE Dieses Positionspapier wurde auf der Basis eines Werkstattgesprächs im Rahmen des Projektes td-net Toolbox für die Koproduktion von Wissen erarbeitet, das am 21. Oktober 2019 im Haus der Akademien in Bern stattfand. 13 Personen aus den Fachhochschulen BFH, FHS, HSLU, HSR, ZHAW und weitere Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft sowie dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) waren daran beteiligt. Jedoch tragen die Auto- rinnen und der Autor die alleinige Verantwortung für den Inhalt des Positionspapiers. TITELBILD UND GRAFIK Fabienne Paul Im Auftrag des Interdisziplinären Themenclusters Raum & Gesellschaft, Hochschule Luzern LAYOUT UND DRUCK Ackermanndruck AG, Köniz 1. Auflage, 2020 CREATIVE COMMONS http://creativecommons.org/licenses/by/4.0 ISSN (print) 2297-1793 ISSN (online) 2297-1807 DOI: doi.org/10.5281/zenodo.4090403 SC2020102002
Forschung für gesellschaftliche Innovationen an Fachhochschulen (FHs) Potenziale, Rahmenbedingungen, Handlungsfelder
Vorwort Wir stehen vor der wichtigen aber auch schönen Her- mation lancierte, appelliert sie in dem Bericht 2020 nun ausforderung, nicht nur Wissen zu schaffen, sondern Er- erneut zu mehr Transdisziplinarität in der Forschung. Die kenntnisse in und mit der Gesellschaft und zu Gunsten der gewählte, internationale Autorenschaft des Berichts be- Gesellschaft umzusetzen. Diese innovativen wie transfor- zog sich hierfür auf mehrere Schweizer Fallbeispiele aus mativen Prozesse verlangen eine sehr enge Zusammenar- dem ganzen Wissenschaftsbereich, vor allem auch aus beit zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, die neben den Fachhochschulen (FH). Das spornt uns alle an, kon- den technisch-wissenschaftlichen, auch die sozialen und sequent den Pfad weiter zu gehen und damit die transdis- politischen Ebenen erfasst. In der Hochschulforschung ziplinäre Forschung auch fest in unseren Strukturen zu werden Ansätze und Methoden entwickelt, um diese He- verankern. rausforderungen anzugehen. Wissen wird nicht im Elfen- beinturm produziert, sondern mit Einbezug aller nötigen Die Akademien der Wissenschaften Schweiz positionie- disziplinären wie gesellschaftlichen Perspektiven. Es ent- ren den Wissens- und Innovationsstandort Schweiz in stehen systematische Verfahren, welche auch Prozesse der nationalen und internationalen Wissenschaftspolitik des Aushandelns und Findens von Problemlösungen und setzen sich gezielt für einen engagierten Dialog zwi- umfassen. Forschende engagieren sich, um im Dialog mit schen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Wir vertreten relevanten Akteurinnen und Akteuren ein Verständnis die Wissenschaften institutionen- und fachübergreifend für unterschiedliche Wissensbestände zu fördern, die Of- und appellieren an ein gutes Zusammen-Wirken aller Ar- fenheit für kulturelle und wertebasierte Vielfalt zu kul- ten von Forschung an den unterschiedlichen öffentlichen tivieren und dementsprechend Zukunftsvisionen sowie Forschungs- und Hochschulinstitutionen. Diese Vielfalt am Gemeinwohl orientiertes Transformationswissen zu im System ist wichtig, denn nur durch sie entsteht eine schaffen. Damit wandelt sich die Wissenschaftskultur diverse Forschungslandschaft, die unsere Gesellschaft und durch die gelebte Interdisziplinarität entstehen trans- durch komplementäre Wirkungen zukunftsfähig macht. disziplinäre Arbeitsformen: Durch methodologische Öff- Mit dem vorliegenden Positionspapier fokussieren wir nung werden Möglichkeiten und Grundlagen geschaffen auf die Fachhochschulen und möchten sie dazu stimulie- um pluralistische, vielfältige, dekoloniale und auf soziale ren, ihre Rolle in der Forschung noch klarer zu definieren Gerechtigkeit ausgerichtete Forschung voranzubringen. und sich im weiten Spektrum wissenschaftlicher Ansätze zu diversifizieren. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, Transdisziplinäre Forschung ist dann besonders wichtig, dass das Potenzial von Fachhochschulen – mit ihrer sehr wenn Antworten auf komplexe, sich schnell wandelnde breiten Verankerung bei Fachleuten und in verschiedenen gesellschaftliche Herausforderungen gesucht werden, die Gesellschaftsschichten – im Hinblick auf die Weiterent- verschiedenste Akteurinnen und Akteure mit zum Teil wicklung von inter- und transdisziplinären Praktiken erst gegensätzlichen Interessen betreffen. Gerade die aktuelle nur begrenzt wahrgenommen und freigelegt wird. Hierfür Sars-CoV-2/COVID-19 Situation zeigt solche gesellschaft- sind auch die bestehenden Rahmenbedingungen und An- lichen Zielkonflikte schonungslos und in einer für alle reize in Frage zu stellen. Gesellschaftsschichten erfahrbaren Weise auf. Fragmen- tierte wissenschaftliche (Politik-)beratung hilft in diesen Die Fachhochschulen sollten gemäss Forschungsgesetz Situationen nie und kann die Abwägungsprobleme nur «gleichwertige, aber andersartige» Forschung betreiben. sehr bedingt entschärfen. Transdisziplinäre Ansätze kön- Im Bereich der technischen Innovationen tun sie das be- nen hier wirksam einen Beitrag leisten, zum Beispiel in- reits sehr erfolgreich, wie auch im Wettbewerb um öffent- dem sie relevante ausserakademische Akteurinnen und liche Forschungsmittel deutlich wird. Im Bereich der so- Akteure bereits bei der Problemstrukturierung einbinden zialen Innovationen und gesellschaftlichen Lernprozesse und in einem iterativen Prozess vorgeschlagene Lösungen sind Fachhochschulen ebenfalls engagiert, jedoch zeigt «in und mit der Praxis» validieren. vorliegender Bericht auf, dass noch reicher und berei- chernder Handlungsbedarf besteht, damit sie zu noch be- Die Schweizer Forschungslandschaft prägt seit einem hal- deutenderen Partnern werden, die eine komplementäre ben Jahrhundert die transdisziplinäre Forschung. Auch Rolle in der kompetitiven Forschungslandschaft spielen im kürzlich veröffentlichen Bericht der OECD zu Trans- vermögen. Für die hierzu zu stärkende transdisziplinäre disziplinarität hat sich die Schweiz prominent platziert. Ausrichtung der Forschung an FHs können Handlungs- Nachdem die OECD bereits in den 70er Jahren die Diskus- felder benannt werden. Daher mögen Forschende, Hoch- sion um den wissenschaftlichen Beitrag zu gesellschaftli- schulleitende, und Verantwortliche der nationalen For- chen Innovationen und einer zukunftsfähigen Transfor- schungspolitik ihre Gestaltungsoptionen noch aktiver
Swiss Academies Communications, Vol. 15, Nr. 12, 2020 5 wahrnehmen, was entscheidend helfen wird, die Schweiz weiterhin innovationskräftig und vor allem auch nachhal- tig zu gestalten! Die Akademien verstehen sich als Dialogplattform und möchten den Diskurs über die Verbesserungen bestehen- der Praktiken in der Schweizer Forschungslandschaft begleiten und anregen. Auch wenn sich gesunder Wett- bewerb zwischen Forschenden und Forschungsinstitu- tionen als wesentlicher Motor wissenschaftlicher Qua- lität und vitaler Innovationskraft bewährt hat, treten die Akademien für eine kooperative Weiterentwicklung des Forschungsplatzes Schweiz und das Schaffen von gleich langen Spiessen für alle Beteiligten ein. Den vorliegen- den Bericht verstehen wir als Ausgangspunkt für nächste Schritte. Die Akademien loten in diesem Zusammenhang bereits ihren Handlungsspielraum in Bezug auf die Beset- zung ihrer Milizgremien aus. Wir wünschen uns, dass Sie den vorliegenden Bericht als einen Beitrag für das gemeinsame Wirken aufnehmen und wir freuen uns, den noch vor uns liegenden Pfad mit Ihnen zu gehen. Theres Paulsen, Leiterin td-net Marcel Tanner, Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz
Swiss Academies Communications, Vol. 15, Nr. 12, 2020 7 Inhaltsverzeichnis Executive Summary����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������8 1 Einleitung������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������10 2 Forschung für gesellschaftliche Innovationen und Transformationsprozesse – Ansätze aus der TD-Forschung������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 12 2.1 Definition von transdisziplinärer Forschung ������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 12 2.2 Transdisziplinäre Forschung für gesellschaftliche Innovationen������������������������������������������������������������������ 14 3 Potenzial der FHs für TD-Forschung und den Forschungsplatz Schweiz������������������������������������������������ 15 3.1 Potenziale der Forschung an FHs für TD-Forschung������������������������������������������������������������������������������������������� 15 3.2 Nutzungs- und Nutzenbeispiele der Forschung an FHs�������������������������������������������������������������������������������������16 3.3 Gemeinsame Lernprozesse führen zu fundiertem und breit akzeptiertem Handlungswissen����� 17 4 Bestehende Rahmenbedingungen����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 17 4.1 Anerkennung der TD-Forschung in der Schweiz����������������������������������������������������������������������������������������������������� 17 4.2 Möglichkeiten zur wissenschaftlichen Vernetzung und Zusammenarbeit���������������������������������������������18 4.3 Verfügbare Ressourcen�����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������18 5 Identifizierte Handlungsfelder��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������19 5.1 Vom Potenzial zur theorie- und methodengeleiteten TD-Forschung an FHs��������������������������������������19 5.2 Handlungsfelder, um das Potenzial der FHs für TD-Forschung in der Schweizer Forschungslandschaft freizulegen�����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������19 5.2.1 Gesellschaftspolitischer Diskurs über neue Formen von Forschung zur Stärkung der Wertschätzung von TD-Forschung�������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 20 5.2.2 Strategische Verankerung von TD-Forschung������������������������������������������������������������������������������������������������ 21 5.2.3 Kapazitäten für auftragsübergreifende Forschung schaffen������������������������������������������������������������������ 21 5.2.4 Diversifizierung der Anreizstrukturen������������������������������������������������������������������������������������������������������������������22 5.2.5 Anpassungen bestehender Förderinstrumente���������������������������������������������������������������������������������������������23 5.2.6 Neue komplementäre Förderinstrumente���������������������������������������������������������������������������������������������������������24 6 Ausblick��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 25 7 Referenzen�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 26
8 Forschung für gesellschaftliche Innovationen an FHs. Potenziale, Rahmenbedingungen, Handlungsfelder Executive Summary Will die Gesellschaft sozial-robuste gesellschaftliche, interdisziplinäre Integration, eine kritische und fallüber- langfristig am Gemeinwohl orientierte Innovationen ent- greifende Prüfung von Wissen auf Übertragbarkeit, die wickeln und gesellschaftliche Transformationsprozesse Entwicklung von Grundlagen zu Problemlösungen, Me- entlang der internationalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) thodenentwicklung etc. TD-Forschung ist auch in beson- fördern, muss sie sich mit den aktuellen komplexen Her- derem Mass auf Unabhängigkeit von der Finanzierung ausforderungen in ihrem jeweiligen Kontext beschäftigen. durch einzelne interessensgeleitete Auftraggeber ange- Hierfür braucht es eine Forschungslandschaft, in welcher wiesen. verschiedene akademische und nichtakademische Insti- tutionen sowie Akteurinnen und Akteure gleichberechtigt FHs haben den gesetzlichen Auftrag, in der Schweizer und gemeinsam zur Produktion, Validierung, Innovation Forschungslandschaft eine komplementäre Position zu und Anwendung von Wissen beitragen (die sogenannte den Universitäten einzunehmen. Diese gleichwertige ge- Mode 2 Wissensproduktion1). Die Realitäten der Wissens- genseitige Ergänzung ist für die TD-Forschung wertvoll. gesellschaft und ihre Erwartungen an Forschende verlan- Die spezifischen Kompetenzen und Stärken der For- gen auch ein gewandeltes Verständnis der Rolle der For- schung an FHs liegen im Wesentlichen darin, dass: schung an Fachhochschulen (FH). Darauf fokussiert das – Forschung und Lehre eng mit der Praxis verzahnt und vorliegende Positionspapier. von interdisziplinärer Zusammenarbeit geprägt sind; – FHs mit Akteurinnen und Akteuren von hoher sozio Für die Bearbeitung gesellschaftlicher Herausforde- ökonomischer Diversität (u.a. verschiedenen Berufs- rungen ist transdisziplinäre Forschung (im Folgenden gruppen) stark vernetzt sind und so die Akzeptanz von TD-Forschung) ein erfolgversprechender Ansatz. Dieser Forschungsergebnissen und Methodenkompetenz breit unterstützt den wechselseitigen Wissensaustausch und in der Schweizer Gesellschaft verankern; eine kontinuierliche Ko-Produktion von Wissen an den – FHs aufgrund langjähriger gemeinsamer Forschungs- verschiedenen Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Lehrerfahrungen von Vertretenden verschiedener und Gesellschaft und ermöglicht gleichzeitig eine kriti- Disziplinen über das notwendige gegenseitige Verständ- sche, theoriebasierte und interdisziplinäre Wissenssyste- nis disziplinärer Sicht- und Handlungsweisen verfü- matisierung und -validierung sowie einen ergebnisoffe gen; nen,suchenden Forschungsprozess. Obwohl eine Mode 2 – FHs langjährige Erfahrung in begleitender Interventi- Wissensproduktion im Schweizer Bundesgesetz über die onsforschung, experimenteller Entwicklung und parti- Förderung der Forschung und der Innovation (FIFG) vorge- zipativer, kooperativer Forschung haben, die oft an den sehen ist, und TD-Forschung inzwischen von internatio- spezifischen Bedürfnissen von konkreten Wissensnut- nalen Gemeinschaften und Förderinstitutionen vermehrt zenden orientiert ist (anwendungsorientierte For- gewürdigt wird, ist diese Art von Forschung noch immer schung); weit weniger anerkannt als klassische Forschungsansätze, – FHs sich an Schnittstellen zwischen Grundlagenfor- die oft disziplinär sind und auf einem linearen Wissens- schung und Praxis positionieren: Sie bringen in ihrer und Technologietransfer von der Grundlagenforschung Wissensproduktion spezifisches Fachwissen mit einem via angewandter Forschung zur Praxis beruhen. Die be- breiten Verständnis der Zusammenhänge in der Praxis stehenden Finanzierungs- und Anreizsysteme unterstüt- zusammen. zen zentrale Arbeitsprozesse der TD-Forschung nicht ausreichend. Dies betrifft insbesondere die mit mehre- Aus den oben genannten Kompetenzen und Stärken wer- ren Anspruchsgruppen gemeinsame Formulierung von den die Potenziale der FHs für TD-Forschung ersicht- Forschungsfragen, partizipative und rekursive Prozesse, lich. Die Position der FHs befähigt sie zu einem «selbst- verständlichen» transdisziplinären Dialog sowie zum Theorie-Praxis-Dialog (insbesondere in Bezug auf gesell- 1 Die Mode 2 Wissensproduktion, d.h. «The New Production of Knowledge», so der Titel der Monographie von Gibbons, M. et al. (1994), ist vom traditio– schaftliche Innovationen und Transformationsprozesse nellen Modus der Wissensproduktion (Mode 1) grundlegend verschieden: im Bereich der SDGs wie z.B. Landschaftsentwicklung). Universitäten verlieren ihre Monopolstellung als zentraler Ort der gesell– schaftlichen Wissensproduktion; gesellschaftliche Nützlichkeitskriterien Allerdings wird dieses Potenzial noch zu wenig genutzt, treten an die Stelle der zweckfreien Naturerkenntnis; die Bedeutung was wohl zum grossen Teil an den bestehenden Rahmen- wissenschaftlicher Disziplinen schwindet zugunsten transdisziplinärer Forschungszusammenhänge; wissenschaftsinterne Kriterien und Verfahren bedingungen liegt. der Qualitätssicherung werden durch die Orientierung an politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bewertungen aufgeweicht; ebenso nimmt die soziale Verantwortlichkeit und Reflexivität der am Forschungsprozess Beteiligten zu.
Swiss Academies Communications, Vol. 15, Nr. 12, 2020 9 Handlungsfelder und Zielsetzung VI. Neue komplementäre Fördergefässe: Eine eigene Linie entwickeln Um die Stärken der FHs für gesellschaftliche Innovatio- Es gibt Fördergefässe, die TD-Forschung direkt an- nen mittels TD-Forschung zu katalysieren und diese im sprechen, neben den Ressourcen für die Problemana- Schweizer Forschungsplatz zu verankern, formuliert die lyse verstärkt Ressourcen für das gemeinsame Prob- ad hoc Arbeitsgruppe Ziele in sechs Handlungsfeldern: lemframing sowie die Methodenentwicklung und die Theoriebildung an FHs bereitstellen und die Vernet- I. Gesellschaftspolitischer Diskurs: Raus aus der Nische – zung von FHs in der wissenschaftlichen TD Commu- rein in den Mainstream nity stärken. Die Notwendigkeit und der Mehrwert von neuen For- men von Forschung (Mode 2) und die Wertschätzung von TD-Forschung für gesellschaftliche, langfristig Prozessdynamik sowie Akteurinnen und Akteure am Gemeinwohl orientierte Innovationen finden ver- mehrt Eingang in gesellschafts- und wissenschaftspo- Die genannten Handlungsfelder basieren auf einer Diskus- litische Diskurse. sion der Herausforderungen der Forschung an Fachhoch- schulen und insbesondere deren Beitrag an TD-Forschung II. Strategische Verankerung: Expertise-übergreifende an einem Workshop des Netzwerks für Transdisziplinäre Wirkung ermöglichen Forschung (td-net) der Akademien der Wissenschaften Die Relevanz von «Grundlagenforschung zu Praxis- Schweiz mit Vertreterinnen und Vertretern von Schwei- problemen» und TD-Forschung, die eine Zusammen- zer FHs. An diesem Werkstattgespräch wurden zudem arbeit über bestehende Organisationseinheiten hinweg Gestaltungsoptionen gesammelt und diskutiert, bei wel- bedingt, sowie das dazugehörige Qualitätsverständnis chen Akteurinnen und Akteure besonderen Handlungs- sind geklärt und explizit strategisch verankert. spielraum haben. III. Kapazitäten für auftragsübergreifende Forschung: Mit diesem Positionspapier möchten wir nicht zuletzt Ressourcengestärkt in die Zukunft weitere Akteurinnen und Akteure wie Non-Profit-Orga- FHs verfügen über Kapazitäten, um auf projekt- bzw. nisationen, aber auch Vertretende von Verwaltung und auftragsspezifischen Forschungsergebnissen aufzu- Sozialunternehmen dazu animieren, sich künftig noch bauen und die Koppelung von angewandter Forschung stärker in Koproduktionsprozesse mit TD-Forschenden & Entwicklung mit angewandter Grundlagenfor- an FHs einzubringen. schung und somit einen Beitrag zum Allgemeinwohl zu gewährleisten. Die so vorgeschlagene erste Auslegeordnung von Gestal- tungsoptionen soll als Einladung an Akteurinnen und IV. Diversifizierung der Anreizstrukturen: Profilbildung und Akteure des Schweizer Forschungsplatz verstanden wer- Einfluss den, den Dialog über die Stärkung der transdisziplinären TD-Forschung trägt zu karriererelevanter Profilbil- Forschung für gesellschaftliche Innovationen und das zu- dung an der Schnittstelle von Forschung und Gesell- künftige Zusammenwirken mit FHs aktiv fortzusetzen. schaft bei. Dies wird möglich durch Anpassen der Anreizstrukturen und Repräsentanz in akademischen In einem nächsten Schritt werden weitere Personen aus Milizgremien, die den zeitlichen Aufwand für Aus- Hochschulen, dem ETH-Bereich (u.a. WSL, EAWAG), bei handlungsprozesse um Gesellschaftsrelevanz würdi- swissuniversities, SNF, Innosuisse und den Akademien gen. eingeladen, diese erste Auslegeordnung von Gestaltungs- optionen auf nationaler Ebene weiter zu entwickeln. V. Anpassungen bestehender Förderinstrumente: Gesell- schaftliche Relevanz – vom Add-On zum Add-In Förderkriterien bestehender Förderinstrumente ori- entieren sich auch an der gesellschaftlichen Relevanz sowie der Ressourcenausstattung der Beteiligten und ermöglichen ergebnisoffene und am Gemeinwohl ori- entierte TD-Forschung an FHs.
10 Forschung für gesellschaftliche Innovationen an FHs. Potenziale, Rahmenbedingungen, Handlungsfelder 1 Einleitung In modernen Wissensgesellschaften ist die Produktion, Forschungswelt hält sich allerdings hartnäckig ein tra- Validierung und Anwendung von Wissen auf verschie- ditionelles, vorwiegend lineares Forschungsverständnis, dene Institutionen und Akteurinnen und Akteure in der das Grundlagenforschung ausschliesslich den universi- Gesellschaft verteilt, u.a. auf Hochschulen und öffentlich tären Hochschulen zugesteht und den Fachhochschulen finanzierte Forschungsanstalten, Forschung und Entwick- ausschliesslich eine Rolle in angewandter Forschung zu- lung in der Privatwirtschaft (von Industrie bis Beratungs- schreibt. Dies obwohl die neuen Realitäten der Mode 2 firmen) und die Zivilgesellschaft. Diese Form der verteil- Wissensproduktion immer deutlicher werden, zum Bei- ten Wissensproduktion wurde 1970 mit der OECD-Tagung spiel durch einen wachsenden Klärungsbedarf von kom- «Towards Interdisciplinarity and Transdisciplinarity in plexen Grundlagenfragen, die in der alltäglichen Realität Education and Innovation» auf die wissenschaftspoliti- der Praxis und Gesellschaft verankert sind, oder durch sche Agenda gesetzt. Seit den 1990er-Jahren haben sich eine Annäherung der Grundlagenforschung an die Pri- eine Forschungsgemeinschaft und Fachkompetenzen zu vatwirtschaft (z.B. Technologietransfer, Spin-Off Firmen) Forschung in komplexen gesellschaftlichen Kontexten oder gesellschaftliche und politische Diskurse (z.B. Coro- entwickelt. Wichtige konzeptionelle Grundlagen wurden na-Pandemie) (Küffer et al. 2017). erarbeitet. Begriffe wie Inter- und Transdisziplinarität (Jantsch 1970; Mittelstrass 1992; ProClim & Schweizeri- Die Akademien der Wissenschaften Schweiz unterstützen sche Akademie der Naturwissenschaften 1997, Bergmann die Weiterentwicklung des Forschungsplatzes Schweiz. et al. 2005), problemorientierte Forschung (Stärk 2007), Sie setzen sich seit 2003 explizit für mehr Transdiszip- Mode 2 Forschungskontexte (Gibbons et al. 1994) haben linarität in den Wissenschaften ein. Im Oktober 2019 lud sich seither breit etabliert. Neue Ansätze wie transdiszi- ihr Netzwerk für Transdisziplinäre Forschung, td-net, plinäre Forschung oder Reallabor-Forschung haben dafür zum offenen «Werkstatt-Gespräch Transdisziplinarität neue Prozesse entwickelt, bei welchen (TD): Potenzial und Grenzen der Fachhochschul-For- – die Theoriebildung und konzeptionelle Strukturierung schung und ihre Vernetzung in der TD-Community». von Forschungsproblemen, Vertreterinnen und Vertreter der Fachhochschulen (FH) – die Systematisierung und Validierung von Wissen, aus Bern, Luzern, Rapperswil, St. Gallen und Wintert- – die normative und kritische Begleitung von Innova hur/Zürich konnten sich an der Diskussion beteiligen. tionsprozessen in der Praxis und Am Werkstattgespräch wurden Handlungsfelder zur Ver- – die Anwendung von Wissen besserung des FH-Engagements in der transdisziplinären in einem kontinuierlichen und wechselseitigen Prozess Forschung (TD-Forschung) identifiziert, die dafür nötigen zwischen Forschung, praxisnaher Wissensproduktion, Rahmenbedingungen beleuchtet, sowie Gestaltungsopti- Praxis und Gesellschaft stattfinden. onen in Bezug auf TD-Forschung an FHs abgeleitet und an verschiedene Akteurinnen und Akteuren adressiert. Hierbei wird die Vorstellung eines linearen Innovations- Basierend auf dem Werkstattgespräch erarbeitete eine ad prozesses von der Grundlagenforschung an universitären hoc Arbeitsgruppe das vorliegende Positionspapier. Die Forschungsinstitutionen über die anwendungsorientierte Mehrheit der im Positionspapier festgehaltenen Argu- Forschung zur Praxis überwunden und durch einen Wis- mente gelten analog für TD-Forschung an Universitäten, sensaustausch und eine kontinuierliche Ko-Produktion der ETH sowie weiteren Forschungsinstitutionen (z.B. von Wissen an den verschiedenen Schnittstellen ersetzt WSL, EAWAG), und sie zeigen allgemeine Schwierigkei- (Pohl/Hirsch Hadorn 2006). ten bezogen auf die Etablierung und Durchführung von TD-Forschung auf (Darbellay/Sedooka/Paulsen 2016). In den 1990er-Jahren wurde mit der Institutionalisierung Entscheidende Unterschiede zwischen Universitäten und der Fachhochschulen in der Schweiz der Grundstein ge- ETHs auf der einen Seite und FHs auf der anderen, liegen legt für eine Neustrukturierung einer Forschungsland- im Bedarf an Kapazitätsaufbau, Anpassung von Förderin- schaft, die diesen Anforderungen Rechnung trägt. Im strumenten sowie der generellen strategischen Veranke- FH-Gesetz2 wurden entsprechend der Netzwerkcharakter rung von Forschung an FHs. Anregen liess sich die ad hoc der Wissensproduktion und die Komplementarität der Arbeitsgruppe von der Diskussion der Fachhochschulfor- verschiedenen Hochschultypen verankert. In der realen schung in der Schweiz, Österreich und Deutschland in der Zeitschrift GAIA (Küffer et al. 2017, Sedlačko et al. 2018, Ringel et al. 2018 und Imboden 2018). 2 Bundesgesetz über die Fachhochschulen und das Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz (in Kraft seit 2015)
Swiss Academies Communications, Vol. 15, Nr. 12, 2020 11 Ausgangspunkt für dieses Positionspapier sind die trans- disziplinäre Forschung in der Schweiz, die einen wichti- gen Pfeiler zur Förderung gesellschaftlicher Innovationen (Kapitel 2) darstellt, sowie die Beobachtung des Netz- werks für transdisziplinäre Forschung (td-net), wonach das Potenzial von FHs für diesen Forschungsansatz noch nicht ausgeschöpft wird und Forschende aus FHs in der TD-Forschungsgemeinschaft untervertreten sind. Dies obwohl FHs bereits etablierte Strukturen zur Förderung gesellschaftlicher Innovationen mittels TD-Forschung aufweisen (Kapitel 3). Wir zeigen auf, dass heutige Rah- menbedingungen TD-Forschung an FHs häufig hemmen (Kapitel 4) und benennen Handlungsfelder und Gestal- tungsmöglichkeiten verschiedener Akteurinnen und Ak- teure um TD-Forschung an FHs zu fördern (Kapitel 5).
12 Forschung für gesellschaftliche Innovationen an FHs. Potenziale, Rahmenbedingungen, Handlungsfelder 2 Forschung für gesellschaftliche Innovationen und Transformationsprozesse – Ansätze aus der TD-Forschung Mit zunehmender Komplexität von sozioökologischen 2002). Bereits im Jahr 1999 gründeten Forschende in der und soziotechnischen gesellschaftlichen Herausforderun- Schweiz ein Netzwerk für Transdisziplinäre Forschung gen an den Schnittstellen von Gesellschaft, Wirtschaft, im Umweltbereich, das 2003 als td-net thematisch brei- Umwelt und Technologien greifen isolierte, für Teilaspek- ter aufgestellt von den Akademien der Wissenschaften te erarbeitete Lösungen oftmals zu kurz. Damit sie sozial Schweiz übernommen wurde. Ziel war von Anfang an, und wissenschaftlich robuste, aus verschiedenen Pers- gesellschaftliche Herausforderungen ganzheitlicher anzu- pektiven durchdachte Antworten auf die sich stellenden gehen und insbesondere Natur-, Sozial- und Geisteswis- Herausforderungen geben können, müssen die relevanten senschaften in Innovationsprozesse und gesellschaftliche Akteurinnen und Akteure aus Wissenschaft und Praxis Lernprozesse gleichermassen einzubeziehen. Die Akade- zusammengebracht, ihr Wissen kombiniert und in um- mien haben das td-net inzwischen als international füh- setzbare Anwendungen überführt werden.3 rendes Kompetenzzentrum für transdisziplinäre Ansätze etablieren können (Doucet/Janssens 2011; Bammer et al. Im vorliegenden Positionspapier wird Forschung, die da- 2020). Es unterstützt Forschende bei der Entwicklung und rauf abzielt, gesellschaftliche Transformationsprozesse Anwendung transdisziplinärer Ansätze, u.a. durch die in enger Verzahnung von Wissenschaft und Praxis mit- Entwicklung von Prinzipien und Qualitätskriterien oder zugestalten, zusammenfassend als «Forschung für gesell- in der Gestaltung der Prozesse (td-net Webportal) sowie schaftliche Innovation» bezeichnet. Ziel der Forschung in der Aus- und Weiterbildung – und dies über verschie- für gesellschaftliche Innovationen ist es, «neue gesell- dene Institutionen, Fachbereiche und Sprachräume hin- schaftliche Formen, also die institutionelle und materielle weg. Organisation der künftigen Gesellschaft» zu denken und bestehende, wie künftige Gesellschaftsformen kritisch zu reflektieren (Sedlacko et al. 2018). Diese Forschung ist in 2.1 Definition von transdisziplinärer Forschung grossen Teilen transdisziplinär. Es gibt eine Vielfalt von Definitionen von Transdiszip- Der transdisziplinäre Forschungsansatz wurde wesent- linarität und transdisziplinärer Forschung.4 Das Netz- lich von Exponentinnen und Exponenten an Schweizer werk für transdisziplinäre Forschung (td-net) definiert Hochschulen mitgeprägt (u.a. ProClim & Schweizerische TD-Forschung als einen erprobten Forschungsansatz, der Akademie der Naturwissenschaften SANW 1997, Defila/ wissenschaftliche Wissensgenerierung mit dem gesell- di Giulio/Scheuermann 2006; Pohl/Hirsch Hadorn 2006, schaftlichen Problemlösungsprozess verbindet und so Hirsch Hadorn et al 2008, Perrig-Chiello/Darbellay 2002, praxisrelevantes Wissen und Problemlösungsstrategien Burger/Zierhofer 2007, Zinsstag et al. 2005/2014; Küffer für gesellschaftliche Herausforderungen entwickelt. Da- et al. 2007, Lawrence 2004). Der Schweizerische National- bei werden verschiedene Disziplinen (wie in der interdis- fonds erklärte in den 1990er-Jahren: «Charakteristische ziplinären Forschung), aber auch Wissensbestände von Merkmale der Programmforschung sind die im politi- Akteurinnen und Akteuren aus der Praxis in den gesam- schen Raum definierten Ziele und Themen der einzelnen ten Forschungsprozess mit eingebunden (vgl. Infographik Programme, die beschränkte Laufzeit, die interdisziplinä- Seite 13). Ziel von TD-Forschung ist es, zu einem öffentli- re Ausrichtung und die Zusammenarbeit mit ausseraka- chen Gut und damit dem Gemeinwohl – wie z.B. saubere demischen Partnerinnen, die an den Resultaten direkt Luft, Frieden und Sicherheit, Public Health – beizutragen. oder indirekt interessiert sind» (zitiert in Hirsch Hadorn 3 Die ad hoc Arbeitsgruppe der Akademien der Wissenschaften Schweiz setzt den Fokus in diesem Positionspapier bewusst auf gesellschaftliche Inno vationen und Transformationsprozesse, da für Technologieentwicklung und Ingenieurswissenschaften andere Rahmenbedingungen gelten (klassische Innovationsförderung, Private Public Partnerships, R&D) und die Fach hochschulen in diesem Feld eine gefestigte Stellung auf dem Forschungs- 4 Nachzulesen unter platz haben. http://www.transdisciplinarity.ch/td-net/Transdisziplinarit-t.html
Swiss Academies Communications, Vol. 15, Nr. 12, 2020 13 Transdisziplinäre Forschung in Bezug auf verwandte Ansätze Disziplinär Multidisziplinär Innerhalb einer akademischen Disziplin Unterschiedliche Disziplinen Disziplinäre Zielformulierungen Unterschiedliche disziplinäre Zielformulie- Generierung von neuem disziplinärem rungen innerhalb eines Themenfeld Wissen Partizipativ Interdisziplinär Akademische und extra-akademische Beteiligte Überschreitung von disziplinären Grenzen Wissensaustausch ohne Integration Generierung von integriertem Wissen Transdisziplinär Beteiligte Anspruchsgruppen Disziplin Ziel Akademische Wissensbestände Themenfeld Ausserakademische Wissensbestände Überschreitung von disziplinären und sektoralen Grenzen Gemeinsame Zielformulierungen Generierung von integriertem Wissen für Wissenschaft und Gesellschaft Abbildung: übersetzt aus OECD 2020, S. 19. (Original: Wright Morton/Eigenbrode/Martin 2015 mit Bezug auf Tess/Tess/Gary 2005.)
14 Forschung für gesellschaftliche Innovationen an FHs. Potenziale, Rahmenbedingungen, Handlungsfelder Ausgehend von der begründeten Annahme, dass die Be- Dementsprechend verwendet TD-Forschung Zeit da- arbeitung komplexer Probleme (Rittel/Weber 1973) das rauf, das Problem vorerst greifbar zu machen. Vor Be- Spezialwissen und den methodischen Zugang aus ver- ginn der Forschung kann der Prozess, wie Resultate er- schiedenen Disziplinen und den Dialog auf Augenhöhe arbeitet werden, basierend auf früheren Forschungen erfordert, ist TD-Forschung insbesondere dann gefragt, beschrieben werden, das Ergebnis ist jedoch offen. Das wenn gesellschaftliche Ziel der Forschung muss oft erst er- – das Wissen über ein gesellschaftlich relevantes Prob- örtert werden. Die Reflexion zu gesellschaftlich wün- lemfeld unsicher ist (z.B. aufgrund schnellen Wandels), schenswerten Zielen ist Teil der Forschung. In einem – es umstritten ist, worin die Probleme konkret bestehen iterativen Forschungsprozess verbinden TD-Forschende (z.B. aufgrund vieler Interdependenzen und verschiede- anwendungsspezifisches Wissen mit abstraktem Wis- ner Perspektiven auf ein komplexes Problem), sen (Theorien, Erkenntnisse aus Grundlagenforschung). – für die Involvierten viel auf dem Spiel steht (z.B. weil gegensätzliche Interessen aufeinander treffen) (Pohl/ Hirsch Hadorn 2006, S. 16). Auf disziplinäre Exzellenz ausgerichtete Forschung TD-Forschung Klar umrissene Forschungsfrage, eingebettet in disziplinäre Forschungsfrage hängt vom Wissensbedarf gesellschaftlicher Diskurse Akteurinnenund Akteure ab, wird mit diesen ausgehandelt Annahme, dass Problem in disziplinäre Teilprojekte aufgeteilt Annahme, dass Problem nur durch Zusammenarbeit der und so gelöst werden kann Disziplinen gelöst werden kann («das Ganze ist mehr als die Summe der Teile») Forschungsergebnisse sind für andere Situationen replizierbar Ergebnisse und Lösungen müssen dem jeweiligen, sich schnell wandelnden Kontext angepasst werden Forschende generieren und kommunizieren Wissen, Praxis Forschende und Praxis koproduzieren Wissen und stossen wendet Wissen an Lernprozesse an für kontext-sensitive Handlungen Schwerpunkt der Forschungsarbeit liegt in der Problemanalyse Gleichwertige Fokussierung auf die Forschungsphasen Problem- und deren Verarbeitung in wissenschaftlichen Artikeln framing, Problemanalyse, sowie In-Wertsetzung der Ergebnisse bei der Umsetzung Forschung ist auf Fortschritt in der Forschungscommunity Forschung ist auf das Gemeinwohl ausgerichtet. und/oder Anwendende ausgerichtet. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Rittel/Weber 1973, Pohl/Hirsch Hadorn 2006. 2.2 Transdisziplinäre Forschung zieren von Wissen zwischen Akteurinnen und Akteuren für gesellschaftliche Innovationen aus Wissenschaft und Praxis werden unterschiedlichste Wissensbestände neu kombiniert und dem spezifischen In Anbetracht komplexer realer, sich schnell wandelnder Kontext der involvierten Akteurinnen und Akteure ange- Probleme, bindet TD-Forschung bereits zu Beginn ver- passt. Forschende sowie Praxisakteurinnen und -akteure schiedene Akteurinnen und Akteure aus Wissenschaft gestalten den Prozess bis hin zur Umsetzung gemeinsam. und Praxis ein, um gemeinsam das Forschungsproblem Dabei hat TD-Forschung den Anspruch, nicht den Nut- («framing») zu strukturieren und Fragestellungen so aus- zen einer bestimmten Akteurin oder eines bestimmten zugestalten, dass die Antworten darauf für möglichst Akteurs (z.B. mittels eines marktfähigen Produktes) zu viele Beteiligte relevant sind (co-design). Auch bei der steigern, sondern Aushandlungsprozesse zwischen ver- Interpretation von Fakten und der Erarbeitung von Lö- schiedenen Akteurinnen und Akteuren zu untersuchen sungsansätzen werden verschiedene Akteurinnen und bzw. zu ermöglichen und dabei Platz für ergebnisoffene Akteure miteinbezogen, der Aushandlungsprozess zwi- Vorgehensweisen zu schaffen, die das Gemeinwohl ins schen ihnen wird dokumentiert und ggf. in die Lösungs- Zentrum stellen. Ein solcher Prozess birgt grosses Poten- ansätze integriert. Durch den Dialog und das Koprodu- zial für gesellschaftliche Innovationen.
Swiss Academies Communications, Vol. 15, Nr. 12, 2020 15 3 Potenzial der FHs für TD-Forschung und den Forschungsplatz Schweiz Das td-net stellt in seiner Arbeit fest, dass sich bisher spiel stammen an FHs aus einer deutlich breiteren Bevöl- nur wenige Schnittstellen und Berührungspunkte zwi- kerungsschicht als an Universitäten (Lebert et al. 2013). schen der an universitären Hochschulen betriebenen und Auch Dozierende kommen aus diversen Kontexten. Da diskutierten Transdisziplinarität und der Forschung an Studierende wie auch Dozierende oft gleichzeitig einem Fachhochschulen entwickelt haben. Im Folgenden illus- Beruf nachgehen, tragen sie Forschungsergebnisse und trieren wir das vielversprechende Potenzial von FHs für Methodenkompetenz in ihr Umfeld. Diese enge Verzah- TD-Forschung (Abschnitt 3.1). Die Voraussetzungen für nung schafft Anwendungskompetenz wissenschaftlicher die verstärkte Einbindung der Schweizer FHs in transdis- Ergebnisse, die als ergänzende Kraft zu klassischer Wis- ziplinäre Forschung für gesellschaftliche Innovation sind sensvermittlung oder Wissenstransfer wirkt. FHs leisten gegeben, wie wir an Beispielen (Abschnitt 3.2) verdeut- damit einen wichtigen Beitrag für eine breite Verankerung lichen. Daraus leiten wir ab, dass es für den Forschungs- und Akzeptanz von fachlicher Expertise in einer zuneh- platz Schweiz unabdingbar ist, FHs ebenso wie universi- mend sozioökonomisch gespaltenen Wissensgesellschaft täre Hochschulen als Partnerinnen bei der Förderung von und wirken einer zunehmenden Entfremdung akademi- TD-Forschung einzubinden (Abschnitt 3.3). Das Potenzial scher «Eliten» von Teilen der Bevölkerung entgegen. wird aber aufgrund der Rahmenbedingungen (Kapitel 4) nur unzureichend ausgeschöpft. Zusammenarbeit zwischen Disziplinen Gerade gesellschaftliche Problemstellungen machen an den Grenzen einzelner Disziplinen nicht halt. Es ist viel- 3.1 Potenziale der Forschung an FHs mehr erforderlich, die Fragestellungen aus den Perspek- für TD-Forschung tiven verschiedener Disziplinen aufzugreifen und inter- disziplinär weiter zu entwickeln. Das dafür notwendige FHs beziehen sehr spezifisches Fachwissen aus einzel- gegenseitige Verständnis disziplinärer Sicht- und Hand- nen Fachdisziplinen in interdisziplinären Teams ein und lungsweisen ist an FHs durch langjährige gemeinsame sind gewohnt auch Praxispartnerinnen und Praxispartner Forschungs- und Lehrerfahrungen von Vertretenden ver- in Ko-Produktionsprozesse einzubinden. Aus der FH-For- schiedener Disziplinen vorhanden. schungskultur entstehen Forschungsprojekte mit der Am- bition einer längerfristigen gesellschaftlichen Wirkung. Anwendungsorientierte Forschung Zusammen mit ihrer (im Unterschied zu anderen Akteu- Eine explizite Stärke der Forschung von FHs in Ab- rinnen und Akteuren etwa aus öffentlichen Organisationen grenzung zur privatwirtschaftlichen Forschung und oder der Beratung) an Neutralität und Unabhängigkeit Entwicklung (z.B. Beratungsfirmen) einerseits und der ausgerichteten Haltung sind sie dazu prädestiniert, ge- Grundlagenforschung an Universitäten andererseits liegt sellschaftliche Transformationsprozesse z.B. entlang der darüber hinaus im Bereich der anwendungsorientierten SDGs der Agenda 2030 anzustossen bzw. zu unterhalten. Forschung, also der begleitenden Interventionsforschung, der experimentellen Entwicklung und der partizipativen, Enge Verzahnung mit der Praxis kooperativen Forschung. Um wirksam zu sein, müssen In- Forschung und Lehre an Fachhochschulen sind eng mit terventionen und Umsetzungen im Feld kontinuierliches der Praxis verzahnt. Wissen wird nicht nur für die Pra- gemeinsames Lernen ermöglichen (vergleiche Literatur zu xis, sondern mit der Praxis entwickelt. Der Praxisbezug Reallaboren, zum Beispiel Wagner und Grunwald 2015: ist für Forschung und Lehre gleichermassen von Bedeu- Singer-Brodowski 2018). FHs können hier auf langjährige tung. So bilden FHs Berufstätige aus, die sich kritisch mit Forschungserfahrung zurückgreifen, die im Kontext der der Bereitstellung gemeinwohlorientierter Lösungen für Nachhaltigkeitsforschung von hoher aktueller Relevanz komplexe, sich schnell wandelnde gesellschaftliche He- ist. Zudem bringen FH-Forschende oft eigene Praxis- und rausforderungen auseinandersetzen können sollen, und Implementierungserfahrung mit. sie testen in der Lehre die Anschlussfähigkeit neuer Kon- zepte aus der Forschung. Anwendungsorientierte Grundlagenforschung Neben anwendungsorientierter Forschung ist die anwen- Breite Verankerung in der Gesellschaft dungsorientierte Grundlagenforschung ein Betätigungs- FHs sind sozioökonomisch breiter in der Bevölkerung feld von FHs. Nicht immer ist das zur Anwendung erfor- verankert als Universitäten – die Studierenden zum Bei- derliche Wissen bereits vorhanden, da seine Bedeutung
16 Forschung für gesellschaftliche Innovationen an FHs. Potenziale, Rahmenbedingungen, Handlungsfelder aus den unterschiedlichsten Gründen erstmals oder neu bar auf sie verwenden können oder der Technikbedie- strukturiert aus einer praktischen Perspektive heraus er- nung widmen. Es ist offensichtlich, welche Disziplinen kennbar wird (dazu z.B. Fry et al. 2008; Kueffer et al. 2012; gleichermassen an den Tisch geholt werden müssen, um Kläy et al. 2015). Um beides – sowohl anwendungsorien- eine robuste Lösung zu entwickeln. tierte Forschung als auch anwendungsorientierte Grund- lagenforschung – leisten zu können, verfügen Fachhoch- Damit nicht lediglich ein technischer «change» vollzo- schulen über etablierte Netzwerke zwischen Forschenden gen wird, sondern eine adaptive Transformation, ist eine verschiedenster Disziplinen und stehen gleichzeitig im spezifische Haltung erforderlich, die sich weniger im Ma- Dialog mit unterschiedlichsten Anspruchsgruppen in der nagement, sondern deutlicher im sozialen Diskurs wie- (lokalen) Gesellschaft. derfindet. Implementierungsprozesse sind keine einmali- gen Ereignisse, sondern langfristige Entwicklungen, deren Selbstverständlicher transdisziplinärer Dialog Startpunkt lange vor einem Go-Live liegt und Partizipati- Die enge, kontinuierliche und wechselseitige Beziehung on und wiederholend Interventionen erfordert. Indem die zwischen Forschung und Anwendung an FHs bildet und verschiedenen Betroffenen die eigenen Interessen selbst erhält gegenseitiges Vertrauen, entwickelt ein gemeinsa- einbringen und für ihre Berücksichtigung sorgen kön- mes Verständnis von Problemen und befördert die Umset- nen, entsteht eine Basis für die Umsetzungsbereitschaft zung von neuen Forschungsergebnissen in der Praxis (Fry der Beteiligten. et al. 2008). Fachliche Grenzen sind an FHs oft weniger streng als in der traditionellen disziplinären Struktur und Der praktische Hintergrund und bestehende Umsetzungs- engen Spezialisierung an Universitäten. Tiefes Fachwis- erfahrungen ermöglichen es den Fachhochschulen, Lern- sen und breites Wissen, das sich aus dem Verständnis der prozesse in Organisationen zu begleiten. Das relevante Zusammenhänge in der Praxisrealität erschliesst und in Methodenwissen ist nichts spezifisch Neues, sondern in die unterschiedlichen Disziplinen hineinreicht, befähigt sozialwissenschaftlichen (Teil-)Disziplinen vorhanden. Fachhochschulen zu einem «selbstverständlichen» trans- Seine Existenz muss allerdings bekannt sein, damit es ko- disziplinären Dialog sowie zum Theorie-Praxis-Dialog. operativ auf andere Fragestellungen angewendet werden kann. 3.2 Nutzungs- und Nutzenbeispiele Nachhaltige Landschafts- und Siedlungsentwicklung der Forschung an FHs Eine der grossen Herausforderungen in der Schweiz, die von der Bevölkerung auch als solche wahrgenommen Wie transdisziplinäre Forschung in für Fachhochschulen wird, ist die Entwicklung einer attraktiven und nachhal- typischer Nutzungs- bzw. Nutzenbeispiele gesellschaftli- tig genutzten Landschaft von den Kernstädten über die che Transformationsprozesse unterstützt, wird exempla- Agglomerationen bis in die ländlichen Räume (z.B. ILF risch illustriert: 2016). Sehr unterschiedliche Funktionen und Nutzungen und damit wissenschaftliche Disziplinen und Akteurin- Soziotechnische Implementierungen nen und Akteure müssen koordiniert werden: wirtschaft- Strategische Entscheidungen über die Einführung neu- liche und sozialräumliche Entwicklung, Infrastrukturen, er Technologien in sozialen Organisationen oder dem Landschaftsqualität und Erholungslandschaft, Biodiver Gesundheitsbereich werden oft im Top-Management be- sität, Klimaanpassung und Landnutzungen wie Land- schlossen. Dieses hat aber nur bedingt Einblick in die Auf- und Forstwirtschaft und Tourismus. Diese verschiedenen gaben der einzelnen Funktionsbereiche. Die oftmals aus Aspekte sind in der Verwaltung von der kommunalen über technischen Bereichen stammende Projektleitung rückt die kantonale bis hin zur Bundesebene auf viele Fachstel- primär Fragestellungen einer technischen Umsetzbarkeit len oder Ämter verteilt. Die verschiedenen Akteurinnen in den Vordergrund und weniger jene der sozialen. und Akteure haben nicht nur unterschiedliche Interessen, sondern auch Wahrnehmungen, Vorstellungen, Werthal- Zwar werden Erfordernisse der späteren Nutzenden for- tungen und Erfahrungen dazu, was eine hohe Lebensqua- muliert, die Fachpersonen für Nutzendenbedürfnisse lität auszeichnet oder eine attraktive Landschaft und gute aber allenfalls am Rande in die Entwicklung einbezogen. Landnutzung ist. Landschafts- und Siedlungsentwick- Später steht die Erwartung im Raum, dass die verschiede- lung heisst Denken in alternativen Zukunftsszenarien, nen Fachmitarbeitenden das entwickelte Konzept sofort die wiederum die Entwicklung und Kommunikation in- verstehen und akzeptieren, selbst wenn sie die Art der ter- und transdisziplinärer und insbesondere partizipa- Aufgabenerfüllung, die sie fachlich als sinnstiftend erle- tiver Forschungsprozesse erfordern. Es braucht Ansätze, ben, darin kaum mehr abgebildet sehen. Auch die Tech- die mit hohen wissenschaftlichen Unsicherheiten (bis zu nikakzeptanz der Patientinnen und Patienten ist davon unknown unknowns, wir wissen nicht wie die Schwei- abhängig, wie viele Zeitanteile die Pflegenden unmittel- zer Landschaft in 30 Jahren aussehen wird) und mit
Swiss Academies Communications, Vol. 15, Nr. 12, 2020 17 grossen Differenzen der Perspektiven verschiedener Be- Wissenschaft, indem entstandenes Wissen auf eine Art troffenengruppen und Expertinnen und Experten (z.B. und Weise in die Praxis eingebracht wird, welche die welche Städte wollen wir: verdichtet oder durchgrünt? Integration in individuelle bzw. kollektive Handlun- Sollen die ländlichen Regionen wirtschaftlich weiter ge- gen vereinfacht. Diese Vernetzung ermöglicht neue Wis- fördert oder die Entvölkerung akzeptiert werden?) um- sensproduktionsformen und Forschungstypen, welche gehen können. Eine weitere Herausforderung ist es, mit die Dichotomie zwischen Grundlagen- und angewandter verschiedenen räumlichen Skalen von der Gemeindeebe- Forschung sowie zwischen Wissenschaft und Praxis über- ne bis zum globalen Massstab (soll unsere Nahrung in winden. Die Akteurinnen und Akteure der Praxis empfan- Südamerika oder im Emmental produziert werden?) und gen neues Wissen nicht nur, sie sind Beteiligte an dessen zeitlichen Dynamiken (z.B. Zeitverzögerungen in trägen Koproduktion. Die untersuchten Fragestellungen können komplexen Systemen) umzugehen, die auch auf metho- anhand der tatsächlichen Bedürfnisse mitbestimmt wer- discher und konzeptioneller Ebene eine enge und konti- den, ebenso wie die entwickelten Lösungsansätze. nuierlicher Partnerschaft zwischen Grundlagenforschung und Praxis erfordern; dabei bilden die Fachhochschulen Dabei können und müssen sich die Praxisakteurinnen eine wichtige Schnittstelle. Ähnliche Herausforderungen und -akteure – im Unterschied zu Projekten der Auftrags- stellen sich bei vielen anderen Umweltthemen wie zum forschung – mit einer unabhängigen Interpretation des Beispiel der Klimaanpassung, Landwirtschaftspolitik, generierten Wissens durch die FHs auseinandersetzen. Biodiversitätsförderung oder dem Boden- und Gewässer- Basierend auf der Einbettung in bestehendes Grundla- schutz. gen- und Handlungswissen können so weitreichendere Erkenntnisse, z.B. zur Übertragbarkeit gefundener Lö- sungen, generiert werden. FHs verfügen über den prakti- 3.3 Gemeinsame Lernprozesse führen schen Hintergrund, bestehende Umsetzungserfahrungen, zu fundiertem und breit akzeptiertem langjährige interdisziplinäre Zusammenarbeitsformen, Handlungswissen kontinuierliche Partnerschaften zwischen Grundlagen- forschung und Praxis sowie etablierte Netzwerke, um ge- Transdisziplinäre Forschungsansätze erlauben es, Lern- meinsame Lernprozesse für fundiertes und breit akzep- prozesse zwischen regionalen Akteurinnen und Akteuren tiertes Handlungswissen anzustossen und zu begleiten. anzuregen und in lokalen Netzwerken zu institutionali- Die Position der FHs befähigt sie zu einem «selbstver- sieren (Paier 2012). Die Wichtigkeit solcher Lernprozes- ständlichen» transdisziplinären Dialog sowie zu einem se für gesellschaftliche Transformation wird in den Sus- Theorie-Praxis-Dialog (insbesondere in Bezug auf gesell- tainability studies betont (etwa bei Bouwen und Taillieu schaftliche Innovationen und Transformationsprozesse 2004, Garmendia und Stagl 2010). im Bereich der SDGs wie z.B. Landschaftsentwicklung). Aus unserer Sicht sind dies unabdingbare Wissensbe- Es entsteht ein direkter Nutzen für die Praxis, indem stände und Prozesserfahrungen für den Schweizer For- fundierte Lösungen vorgeschlagen werden, und für die schungsplatz. 4 Bestehende Rahmenbedingungen FHs können und sollen als gleichwertige Partnerinnen – in Bezug auf Raum für den Austausch zwischen Akteu- so der Auftrag – gemeinsam mit und teilweise komple- rinnen und Akteuren, der generellen Anerkennung von mentär zu universitären Hochschulen die Forschung zu TD-Forschung und von Förderinstrumenten. Im Folgen- gesellschaftlichen Innovationen voranbringen. Unter den den werden wesentliche Faktoren beschrieben. gegebenen Rahmenbedingungen sind sie dazu jedoch nur eingeschränkt in der Lage. Wichtig wären eine bes- sere Anerkennung der Forschungsansätze, Möglichkeiten 4.1 Anerkennung der TD-Forschung in der zur intensiveren Vernetzung und Zusammenarbeit sowie Schweiz mehr verfügbare Ressourcen. Eine Stärkung der Position setzt auf verschiedenen Ebenen an, FH-intern (vgl. von Trotz der internationalen Anerkennung der Schwei- Potenzial zu FH-Forschung in Abschnitt 5.1), aber auch zer TD-Forschenden (Bammer et al. 2020), ist die Aner-
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