FRAUEN-ARBEITSWELT - E-Medien der Arbeiterkammern ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Ausgabe 3/2021 www.gesundearbeit.at Eine Initiative von ÖGB und AK FRAUEN- ARBEITSWELT Frauen anders belastet Im Zoo Interview PSA Sicher arbeiten im ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann: Schutzausrüstung: Tiergarten Schönbrunn „Frauen sind am Limit!“ Fit für Frauen? Seite 24–25 Seite 12–13 Seite 18
www.oegbverlag.at Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz Karin Burger-Ehrnhofer, Bettina Schrittwieser, Biljana Bauer Gesetze und Kommentare 69 / 788 Seiten / 3. Auflage / 2020 / EUR 69,00 ISBN 978-3-99046-435-9 Buch + e-book Seit der letzten Auflage im Jahr 2013 gab es im MSchG und im VKG einige Änderungen. So wurden u. a. die Anspruchsvoraussetzungen für das individuelle Beschäftigungsverbot vor der Entbindung leicht geändert, die Anrechnungsregelungen für Karenzzeiten massiv ausgedehnt, die Rahmenbe- dingungen für die Elternteilzeit adaptiert und der Anspruch auf den sogenannten Papamonat ge- setzlich verankert. Neben diesen Änderungen der Gesetzeslage hat sich auch die Rechtsprechung zu beiden Gesetzen in wichtigen Punkten weiterentwickelt. Dies war für das Autorinnenteam der Anlass, den Kommentar zu MSchG und VKG zu überarbeiten und zu ergänzen, um ein Werk auf aktuellem Stand zu haben, wobei weiterhin ein besonderer Wert auf Praxisnähe gelegt wurde. Von der Schwangerschaft bis zum Schuleintritt Ihre Rechte bei Mutterschutz, Karenz und Elternteilzeit Hermin Karout, Bianca Schrittwieser Ratgeber / 2. Auflage / 2021 / 188 Seiten / EUR 29,90 ISBN 978-3-99046-467-0 Buch + e-book Das Buch behandelt alle Fragen von Beginn einer Schwangerschaft bis zu den ersten Lebensjah- ren des Kindes. Wann und wie muss die Schwangerschaft gemeldet werden? Welche Beschäfti- gungsverbote gibt es für schwangere ArbeitnehmerInnen? Wann beginnt der Kündigungs- und Entlassungsschutz bei Schwangeren und wann endet er? Welchen Schutz haben Schwangere, die sich in einem befristeten Arbeitsverhältnis befinden? Das sind nur einige der vielen Fragen rund um das Thema Mutterschutz, die in diesem Ratgeber ausführlich behandelt werden. Neu in der zweiten Auflage aufgenommen ist die Thematik Papamonat: Dieser wurde am 1.9.2019 eingeführt und betrifft berechnete Geburtstermine ab 1.12.2019. h Gratisversand in Österreic 30 € ab einem Bestellwer t von t https://shop.oegbverlag.a
E D I T O R I A L / I N H A L T EDITORIAL | INHALT 3 AKTUELLES Cartoon4 Warum Videokonferenzen müde machen 4 Gleiche Rechte für LandarbeiterInnen 5 Liebe Leserinnen, liebe Leser! Neuer Strategischer Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit 6 Frauen arbeiten großteils im Dienstleistungssektor, wie Pflege, Homeoffice oder Gesundheit? 7 Gastronomie, Reinigung, Bildung und Betreuung. Da stellt sich die Frage: Wie sind die Ressourcen im ArbeitnehmerInnenschutz ARBEITNEHMERiNNENSCHUTZ in den einzelnen Branchen verteilt? Kommt Frauenarbeit das Frauenarbeitswelt: Frauen arbeiten anders! 8 gleiche Ausmaß an Präventionsmaßnahmen zu wie der Arbeit von Männern? „Frauen sind am Limit!“ 12 Werden beispielsweise in der Pflege Arbeits- bzw. Berufsschu- Was uns systemrelevante Berufe (nicht) wert sind 14 he als persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt? Wie gendergerecht ist die Berufskrankheitenliste? 15 Ganz, ganz selten. Werden im Lebensmitteleinzelhandel, eben- falls eine Frauendomäne, Scherenhubtische eingesetzt, wie sie Arbeitsfähigkeit und Geschlecht – gibt es Unterschiede? 16 in der Industrie weit verbreitet sind? Sie könnten das Einschlich- Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz? 17 ten der Waren in die Regale erheblich erleichtern. Nein. Werden die für den Dienstleistungssektor typischen Belastungen, wie Persönliche Schutzausrüstung – fit für Frauen? 18 Freundlichkeitsdruck und ein „Immer-lächeln-Müssen“ gesehen? Frauenarbeit: Einfach und sicher? 20 Eher nein. Reinigungskräfte: Bessere Arbeitszeiten für mehr Auch bei der Zuerkennung von Berufskrankheiten sind Frauen Lebensqualität 21 im Nachteil, weil die Liste der Berufskrankheiten schon sehr lan- ge nicht mehr aktualisiert wurde. Sind die Jobs von Frauen um Ihre Rechte bei Mutterschutz, Karenz und Elternteilzeit 23 so viel gesünder? Nein. Aber die Belastungen sind andere, und Die Polizei der Arbeitswelt 29 diese werden nicht immer gesehen. Denn Pflege, Betreuung, Erfolgsgeschichte Beryllium 31 Zuwendung sind ohnehin – so wird vielfach angenommen – für Frauen typische Tätigkeiten. Wo soll da die Belastung sein? Diese Neue Bestimmungen zum Radonschutz am Arbeitsplatz 32 Beispiele zeigen: Es gibt noch viel Handlungsbedarf, um im Ar- BETRIEBLICHE GESUNDHEITSFÖRDERUNG beitnehmerInnenschutz Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen. Wie BGF frauengerecht wird 22 Viel Vergnügen beim Lesen dieser Ausgabe und der Beiträge auf AUS DER PR A XIS www.gesundearbeit.at wünschen Sicheres Arbeiten im Tiergarten Schönbrunn 24 Ihre Ingrid Reifinger Österreichischer Gewerkschaftsbund GESUNDHEIT Referat für Gesundheitspolitik Diagnose: Brustkrebs, arbeitsbedingt 19 Long COVID: Langes Leiden nach einer COVID-19-Infektion 33 Ihr Alexander Heider Arbeiterkammer Wien BUCHTIPPS26 Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit VER ANSTALTUNGEN30 BROSCHÜREN | IMPRESSUM 34 www.gesundearbeit.at 3/2021 3
A K T U E L L E S CARTOON VON PHILIPP SELLS © Adobe Stock / Girts Warum Videokonferenzen müde machen Videocalls gehören für viele Beschäftigte zum Arbeitsalltag – oft verbunden mit verstärkter Müdigkeit. Eine Befragung widmet sich dem Phänomen und zeigt Gründe und Handlungsoptionen auf. Gesellschaft Ludwigshafen das Phänomen nehmung von Gestik/Mimik, fehlende mittels Befragung näher angeschaut. Das Pausen, die starke Belastung der Augen Ergebnis der bereits zweiten Phase: 62,4 durch mangelnde Bildqualität, weniger Prozent der Befragten gaben an, Video- Gesprächsfluss durch die verzögerte konferenzmüdigkeit zu verspüren – rund Kommunikation oder Frust durch insta- 83,8 Prozent sind regelmäßig und circa bile Verbindungen. Als Gegenstrategi- zwölf Prozent permanent hiervon betrof- en werden z. B. Pausen in und zwischen fen. Müdigkeit und Erschöpfung zeigen den Meetings, die Begrenzung der Mee- sich dabei in verschiedenen Formen, wie ting-Dauer oder eine humorvolle Mode- durch eingeschränkte Konzentration, Un- ration empfohlen. Auch eine Moderation, geduld, Genervtheit oder fehlende Ba- die alle TeilnehmerInnen miteinbezieht, lance, aber auch durch Beschwerden wie und die Anpassung des Arbeitsplatzes Kopf- und Rückenschmerzen. werden häufig vorgeschlagen. V ideokonferenzmüdigkeit, auch Zoom- Fatigue genannt, wird zunehmend für die Forschung interessant. So hat sich Belastungstreiber und Gegenstrategien Die Belastungstreiber sind vielfältig: Ge- Johanna Klösch, AK Wien johanna.kloesch@akwien.at das Institut für Beschäftigung und Employ- nannt werden etwa die fehlende Mög- IBE-Studie „Zoom-Fatigue“ ability der Hochschule für Wirtschaft und lichkeit zu Small Talk oder zur Wahr- https://tinyurl.com/zoomf321 4 3/2021 www.gesundearbeit.at/aktuelles
A K T U E L L E S Gleiche Rechte für LandarbeiterInnen Seit 1. Juli 2021 gibt es ein bundesweit einheitliches Landarbeitsgesetz. Bisher waren Gesetze und Verordnungen für LandarbeiterInnen Sache jedes einzelnen Bundeslandes. Offen sind noch Verbesserungen beim Schutz von ErntearbeiterInnen. F ür ArbeitnehmerInnen in der Land- und Forstwirtschaft gilt das Arbeit- nehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nicht. Historisch gewachsen gab es immer ein eigenes Landarbeitsrecht, das jedes Bun- desland selbst festlegen konnte. So galten neun verschiedene Landarbeitsordnun- gen. Die Politik hat den Weg dafür frei- gemacht, dass nun bundesweit dasselbe gilt. Erfasst sind ArbeitnehmerInnen in bäuerlichen Betrieben, privaten Forst- und Gutsbetrieben, landwirtschaftlichen Ge- nossenschaften und im Gartenbau. © Adobe Stock / JackF Landarbeitsgesetz Seit 1. Juli 2021 gilt das neue Landar- beitsgesetz für ganz Österreich. Bei der Entstehung waren die Sozialpartner ein- Das neue Landarbeitsgesetz soll die Rechte der ErntearbeiterInnen verbessern. gebunden. Das Arbeitsrecht wurde bei dieser Gelegenheit aktualisiert. Im Bereich nun, die Arbeits- und Wohnbedingungen der Inspektion. Die Gewerkschaften und Sicherheit und Gesundheitsschutz hat der – meist migrantischen – Arbeitneh- Landarbeitskammern versprechen, bei man sich in weiten Teilen an das ASchG merInnen auf den Stand des 21. Jahrhun- den Kontrollen dranzubleiben. Ein wich- angelehnt. Auch die zukünftigen Ausfüh- derts zu bringen. tiger gewerkschaftlicher Vorstoß auf rungsverordnungen wie zu Arbeitsmitteln Besonderen Handlungsbedarf gibt es europäischer Ebene wurde von der ös- oder Arbeitsstätten werden sich an den demnach bei den Unterkünften, aber auch terreichischen Landwirtschaftsministe- Verordnungen zum ASchG orientieren. dabei, während der Arbeit Trinkwasser zur rin blockiert: Betriebe, die sich nicht an Notwendige Spezialregeln für die Land- Verfügung zu haben und eine Toilette auf- die arbeitsrechtlichen Vorschriften hal- und Forstwirtschaft werden aus dem bis- suchen zu können. All dies soll in der Ar- ten, sollten keine Agrarförderungen der herigen Landesrecht übernommen, z. B. beitsstättenverordnung für die Land- und EU kassieren. Die Agrarlobby hat diesen der Umgang mit Tieren oder Regeln für die Forstwirtschaft geregelt werden. Die po- Schritt zur sozialen Verantwortung vor- Waldarbeit. litischen Verhandlungen darüber dauern erst verhindert. noch an (Stand: 4. August 2021). Upgrade aufs 21. Jahrhundert Petra Streithofer, AK Wien Die Bilder von menschenunwürdigen Theorie und Praxis petra.streithofer@akwien.at Unterkünften für ErntearbeiterInnen bei Damit das neue Landarbeitsrecht auch ge- Spargelbauern sind noch in Erinnerung: lebt wird, braucht es weit mehr Kontrollen Sezonieri-Kampagne schimmlige Zimmer, Stockbetten auf durch die Land- und Forstwirtschaftsin- www.sezonieri.at engstem Raum gepfercht. Dank der Sezo- spektion. In vielen Bundesländern ist EU-Agrarpolitik: Wie die Ausbeutung in nieri-Kampagne und der Produktionsge- dazu dringend mehr Personal nötig. Wei- der Landwirtschaft verhindert werden werkschaft PRO-GE wurde dieses Thema tere Bausteine sind Mindestkontrollquo- könnte ans Licht gebracht. Das politische Ziel ist ten und Transparenz über die Tätigkeit https://tinyurl.com/sez321 www.gesundearbeit.at/aktuelles 3/2021 5
A K T U E L L E S Neuer Strategischer Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit Am 28. Juni 2021 wurden die Pläne für den neuen Strategischen Rahmen der EU für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz 2021–2027 vorgestellt. Nach der bisherigen Strategie 2014–2020 stellt dieser die Richtschnur für die Weiterentwicklung des ArbeitnehmerInnenschutzes für die nächsten Jahre dar. gleichzeitig verarbeiteter Stoffe oft mehr als die Addition der einzelnen Risiken. Lücken bei psychischer Gesund- heit, Muskel- und Skelett- Verbesserung der Verbesserung der erkrankungen und Hitze Sicherheit und Gesundheit Prävention von der ArbeitnehmerInnen in Arbeitsunfällen und Besonders bedauerlich ist, dass seitens Zeiten des digitalen, des Berufskrankheiten ökologischen und des der Kommission keine Gesetzgebung zu demografischen Wandels psychischer Gesundheit und bei Muskel- und Skeletterkrankungen angedacht ist, obwohl in diesen Bereichen Richtlinien immer dringender werden. Angesichts des Klimawandels ist es zudem mehr als ver- © Adobe Stock / panyajampatong Bewältigung der Auswirkungen der Pandemie auf die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und Vorbereitung auf wunderlich, dass maximale Temperaturen mögliche künftige Notsituationen am Arbeitsplatz, trotz der ernsthaften Ge- fahr, keine Erwähnung finden. Positiv hervorzuheben ist, dass die Kommission die Mitgliedstaaten zur Aner- Die drei bereichsübergreifenden Hauptziele des neuen Strategischen Rahmens für Gesundheit kennung von COVID-19 als Berufskrankheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. auffordert. Dies ist Teil der „Vision Zero“, um Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten N ach erster Analyse bleibt der Stra- tegische Rahmen trotz ehrgeiziger Ziele doch in vielen Bereichen hinter den fährden. Allerdings geht die Kommission nicht ausreichend weit mit den eigenen Vorhaben, obwohl viele ArbeitnehmerIn- gänzlich vorzubeugen, angesichts einer Million arbeitsbedingter COVID-19-Erkran- kungen und 100.000 Toten durch arbeits- Erwartungen zurück. nen betroffen sind – so beispielsweise bei bedingten Krebs sowie einer steigenden In ihrer Strategie nennt die EU-Kom- Muskel-Skelett-Erkrankungen und psychi- Anzahl tödlicher Arbeitsunfälle. mission drei Schwerpunktbereiche: scher Gesundheit. • Sichere und gesunde Arbeitsplätze im Zahl der Arbeitsinspektionen in Rahmen des digitalen, ökologischen und Unzureichende Fortschritte bei der EU gesunken demografischen Wandels gewährleisten krebserregenden Arbeitsstoffen Die Anzahl der Arbeitsinspektionen ist in • Zahl der arbeitsbedingten Todesfälle in Leider schlägt der neue Strategische Rah- vielen EU-Staaten stark gesunken. Hier ruft der EU gegen null senken men vor, nur einige wenige krebserregen- die Kommission die Mitgliedstaaten dazu • Eine bessere Vorsorge für künftige de Stoffe in den nächsten Jahren anzuge- auf, diesem Abwärtstrend durch Auswei- Gesundheitskrisen als Lehre aus der hen. Bedauerlich ist insbesondere, dass tung der Inspektionen entgegenzuarbeiten. aktuellen Krise eine kombinierte Exposition gegenüber Positiv: Die jahrelange Forderung von gefährlichen, chemischen und endokrinen Julia Nedjelik-Lischka, AK Wien Gewerkschaften und ArbeitnehmerIn- Disruptoren fehlt. Aktuell kennt man das julia.nedjelik@akwien.at nen-Organisationen wird aufgegriffen – Risiko eines einzigen Stoffes, dem man die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, ausgesetzt ist. Da an vielen Arbeitsplätzen Strategischer Rahmen der EU für Gesund- Verfehlungen anzugehen, die Leben und mehrere Stoffe parallel vorhanden sind, ist heit und Sicherheit am Arbeitsplatz Gesundheit der ArbeitnehmerInnen ge- das tatsächliche Gefahrpotenzial mehrerer https://tinyurl.com/rahmen321 6 3/2021 www.gesundearbeit.at/aktuelles
A K T U E L L E S Homeoffice oder Gesundheit? Die Kehrseite der digitalen Arbeitswelt wird im Homeoffice besonders sichtbar. Neben sozialer Isolation verursacht vor allem die unprofessionelle Ausstattung der Bildschirmarbeitsplätze gesundheitliche Beschwerden von Kopf bis Fuß. so viel wie sonst, wodurch es zu einem Mangel an Tränenflüssigkeit kommt. Die häusliche Arbeit am Computer führt da- her zu Kurzsichtigkeit, vor allem wenn sie noch mit starkem Handygebrauch kombi- niert ist, lautet die medizinische Schluss- folgerung. Die Augen stellen sich auf die kurze Distanz ein, weshalb zu Vorbeu- gungsmaßnahmen zur Verhinderung von Augenschädigungen geraten wird. Dazu zählt, während der Arbeit aufzustehen und ins Freie zu gehen oder zumindest das Fenster regelmäßig zu öffnen und den Blick in die Ferne schweifen zu lassen. Homeoffice-Realität: Hobbyequipment statt © Adobe Stock / nenetus Profiarbeitsplatz Die gesundheitlichen Probleme, die durch die Homeoffice-Arbeit entstehen kön- nen, bleiben jedoch nicht auf die Augen beschränkt. Gerade die systematische Ausblendung sämtlicher ergonomischer Mindestanforderungen (für Arbeitsstät- ten und Bildschirmarbeitsplätze) zieht natürlich gesundheitliche Konsequenzen Homeoffice bringt spezifische Belastungen mit sich und verstärkt bestehende. nach sich. Wenn Bürodrehstühle, geeigne- te Tische, Zusatzmonitore, Eingabegeräte D er Chef einer Universitätsaugen- klinik in Deutschland bringt es an- lässlich einer Online-Pressekonferenz der aufgrund geänderter Verhaltensweisen im Homeoffice-Alltag festgestellt. So wird etwa die Arbeit im Büro regelmäßig unter- und Ergonomiezubehör fehlen, dann ist kein Arbeitsplatz auf Basis ergonomischer Mindeststandards machbar. Hier können Stiftung Auge auf den Punkt: „Die Bedin- brochen – durch Aufstehen, Umhergehen, Arbeiten nur unter ständigen Zwangs- gungen im Homeoffice sind für die Augen Abheften, das Holen von Gegenständen haltungen (z. B. Verrenkungen aufgrund eine Zumutung.“ Zugrunde liegt dieser oder für Gespräche mit den KollegInnen. ungeeigneter Sitz- und Tischhöhen oder Aussage die Feststellung, dass die Arbeit- Genau diese Tätigkeitswechsel fallen im Laptops) geleistet werden. Auch wenn nehmerInnen zu Hause oft an Laptops Homeoffice jedoch weg. viele Krankheitsbilder sich erst mittelfris- mit kleinen Displays in schlecht ausge- tig zeigen werden, Muskel- und Skelett- leuchteten und ungelüfteten Räumen an Digitale Arbeitswelt daheim: erkrankungen sind Tür und Tor geöffnet. nicht höhenverstellbaren Arbeitsplätzen Bildschirmzeit und Um präventiv gegenzusteuern, gilt es klar sitzen. Er berichtet von einer Vielzahl an Belastungen steigen zu regeln, welche Arbeitsmittel es für ei- PatientInnen, welche über deutlich zu- Das Starren auf den Monitor zu unterbre- nen Homeoffice-Arbeitsplatz braucht. nehmende Augenbeschwerden klagen. chen ist jedoch wichtig, um die Hornhaut Als Ursache wird unter anderem eine hö- gesund zu halten. Wenn man vor dem Harald Bruckner, AK Wien here Verweildauer vor den Bildschirmen Computer sitzt, blinzelt man nur halb harald.bruckner@akwien.at www.gesundearbeit.at/aktuelles 3/2021 7
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z Frauenarbeitswelt: Frauen arbeiten anders! Im Zuge der Arbeit auftretende Belastungen und Gefahren unterscheiden sich bei Frauen oft von jenen der Männer. Häufig werden diese spezifischen Belastungen von Frauen jedoch gar nicht gesehen. Bis im ArbeitnehmerInnenschutz Geschlechtergerechtigkeit erreicht wird, ist noch ein langer Weg zu gehen. Text: Beatrix Mittermann | Foto: Markus Zahradnik F rauen und Männer arbeiten anders – sie sind oftmals in unterschiedlichen Berufsfeldern beschäftigt und üben unter- Weil Frauen und Männer in verschie- denen Berufen arbeiten, sind sie unter- schiedlichen Arbeitsumgebungen und und Gesundheitsgefahren für Frauen und für Männer mit sich und kann daher un- terschiedliche Schutzmaßnahmen erfor- schiedliche Tätigkeiten aus. Damit sind sie Formen von Anforderungen ausgesetzt, dern“, heißt es darin. Das im Leitfaden an- auch mit unterschiedlichen Gefahren und was andere Gefahren und Belastungen geführte Beispiel der Gebäudereinigung Belastungen konfrontiert, was andere An- bedeutet und Auswirkungen auf die Si- zeigt sehr deutlich auf, dass beispiels- forderungen an Präventionsmaßnahmen cherheit und den Gesundheitsschutz am weise unter „typisch männliche“ Reini- stellt. Nicht immer erhalten diese jedoch im Arbeitsplatz hat. gungstätigkeiten die Fensterreinigung, Zuge des ArbeitnehmerInnenschutzes die- Doch auch wenn Frauen und Männer die Bodenreinigung mit selbstfahrenden selbe Aufmerksamkeit und werden bei der in derselben Branche arbeiten, können bei Reinigungsmaschinen sowie die Grund-, Ressourcenverteilung nicht gleichermaßen ihren Tätigkeiten dennoch geschlechts- Fassaden- und Grobreinigung fallen. Die berücksichtigt. Dass die Ressourcen des Ar- spezifische Unterschiede bemerkt wer- häufigsten Gefährdungen, denen Männer beitnehmerInnenschutzes nicht geschlech- den. Das führt dazu, dass bestimmte Ar- bei diesen Tätigkeiten ausgesetzt sind, tergerecht verteilt sind, stellt auch Antonia beiten als „typisch weiblich“ oder „typisch betreffen vor allem das Risiko von Sturz Wenzl in ihrer vom Johann-Böhm-Fonds und Fall. „Typisch weibliche“ Reinigungs- des ÖGB geförderten Masterarbeit „Gen- tätigkeiten sind hingegen die Unterhalts- deraspekte in der Gefahrenevaluierung am reinigung, das Nachfüllen von Handtuch- Arbeitsplatz nach § 4 ASchG“ fest. Aber wa- Frauen in der Reini- und Seifenspendern, das Entleeren von rum ist das so? gungsbranche sind Abfallbehältern oder die Sanitärreinigung. komplett anderen Das bringt für Frauen in der Reinigungs- „Frauenberufe“ branche komplett andere Gefahren und Zunächst ist es so, dass Frauen häufig in Gefahren und Belastungen mit sich, die im Arbeitneh- anderen Branchen und Berufen arbeiten Belastungen ausge- merInnenschutz oft weniger Beachtung als Männer: Zwei Drittel der Frauen arbei- finden. Darunter fallen beispielsweise die setzt als Männer. ten in sogenannten Frauenberufen, also in ständige Feuchtarbeit, Ausrutschen und Berufen mit über 50 Prozent Frauenanteil. Stolpern, Schnitt- und Stichverletzungen Das gilt beispielsweise für Elementarpä- beim Leeren von Behältern, aber auch dagoginnen, Lehrkräfte in Volks- und Son- psychische Belastungen wie Angst vor derschulen, Gesundheitsfachkräfte wie männlich“ angesehen werden, wie der Übergriffen, Alleinarbeit, Zeitdruck. Hinzu diplomierte Gesundheits- und Krankenpfle- „Leitfaden für Reinigungskräfte, Objekt- kommen oftmals unzureichende Schutz- gerinnen, Hebammen und Pflegerinnen so- leiterinnen/Objektleiter und Auftragge- ausrüstung oder fehlender Hautschutz. wie Tätigkeiten in Dienstleistungsberufen, berinnen/Auftraggeber“ der Arbeitsin- Die Arbeitsplatzevaluierungen müssten wozu Verkäuferinnen, Sekretärinnen, Buch- spektion feststellt. „Das bringt abhän- für einen geschlechtergerechten Arbeit- halterinnen, Friseurinnen, Kellnerinnen, Rei- gig von den durchzuführenden Arbeiten nehmerInnenschutz daher entsprechend nigungskräfte und Kassiererinnen zählen. auch unterschiedliche Sicherheitsrisiken angepasst werden. 8 3/2021 www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz
Frauen in der Reinigungsbranche sind oft komplett anderen Gefahren und Belastungen ausgesetzt als Männer. Darunter fallen beispielsweise die ständige Feuchtarbeit, Ausrutschen und Stolpern, Schnitt- und Stich- verletzungen beim Leeren von Behältern, aber auch psychische Belastun- gen wie Angst vor Übergriffen, Alleinarbeit, Zeitdruck. Hinzu kommen oftmals unzureichende Schutzausrüstung oder fehlender Hautschutz.
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z Kassiererinnen im Supermarkt sind durch das ständige Heben von Waren starken körperlichen Belastungen ausgesetzt. © Adobe Stock / Nejron Photo Historische Entwicklung stellt, dass der Einsatz von technischen sche zwar sehr häufig verwendet, im Ein- Bei der Entwicklung des ArbeitnehmerIn- Hilfsmitteln zur Verringerung von Gefah- zelhandel jedoch für das Einschlichten der nenschutzes in den letzten 150 Jahren lag ren und Belastungen in frauendominier- Waren in Regale nicht. Auch in den Pfle- der Fokus zunächst darauf, Arbeitsunfälle ten Branchen nicht ausreichend erfolgt. geberufen werden technische Hilfsmittel zu vermeiden bzw. Gesundheitsgefahren Dieser Umstand wird auch in der Arbeits- wie Hebehilfen nicht ausreichend genützt, wie Lärm, Vergiftung, körperliche Schwer- platzevaluierung nicht hinreichend the- vor allem in der mobilen Pflege. Das liegt arbeit, Hitze- und Kälteeinwirkungen zu matisiert. zu einem großen Teil auch daran, dass es verringern, schreibt Wenzl. Doch in der Korinna Schumann, Vizepräsidentin in der Regel mehr Zeit in Anspruch nimmt, Zwischenzeit haben sich die Arbeitsum- und Bundesfrauenvorsitzende des ÖGB, technische Hilfsmittel einzusetzen. Oft ist gebungen und die Arbeitsbedingungen betont: „Frauen sind auch von körper- es – vor allem unter Zeitdruck – schneller, inklusive der damit verbundenen Belas- licher Arbeit ganz stark betroffen. Man die Tätigkeiten händisch auszuüben. tungen und Gefahren oft verändert. Dazu sieht körperliche Arbeit oft sehr stark kommt, dass immer mehr Menschen – zu auf Männer fokussiert. Das ist aber nicht „Versteckte“ Belastungen einem großen Teil Frauen – beispielswei- der Fall, Frauen arbeiten unglaublich viel, Zudem werden viele Belastungen gar se im Dienstleistungssektor beschäftigt auch beim Heben von Lasten. Allein wenn nicht als solche gesehen oder gesell- sind. Doch die Arbeitsfelder im Dienst- man an Kassiererinnen im Supermarkt schaftlich als solche wahrgenommen leistungssektor galten und gelten nach denkt, was da gehoben wird, oder wenn bzw. wird ihnen nicht so viel Beachtung wie vor als körperlich wenig anstrengend, man an die Pflegekräfte denkt, die Men- geschenkt. In diesem Zusammenhang sauber und nicht gesundheitsschädi- schen umbetten müssen.“ Das wiederhol- kann von „versteckten“ Belastungen ge- gend, weshalb ihnen im ArbeitnehmerIn- te Heben eines kleineren Gewichts an der sprochen werden. Diese treten beispiels- nenschutz nicht dieselben Ressourcen Supermarktkasse ist zwar von der Belas- weise im (Lebensmittel-)Einzelhandel auf, wie anderen Bereichen zukommen. tung her anders als das kurzzeitige Tragen in der Gastronomie und Hotellerie, im sehr großer Lasten, es kann aber ebenso Tourismus, im Service, bei Arbeiten in der Technische Hilfsmittel zu gesundheitlichen Schäden führen wie Küche, aber auch in der Pflege – alles Be- Wie sieht es nun aber mit technischen das Heben einer schwereren Last in der rufe, in denen der Frauenanteil sehr hoch Hilfsmitteln aus, wenn es darum geht, Bauwirtschaft. ist. Doch auch wenn sie nicht gesehen Belastungen im Arbeitsalltag zu redu- In der Industrie werden Hebe- und Tra- werden, stellen sie dennoch körperliche zieren? Diesbezüglich hat Wenzl festge- gehilfen wie beispielsweise Scherenhubti- Belastungen dar. 10 3/2021 www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z In der Pflege sind ArbeitnehmerInnen großen körperlichen, aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt. © Adobe Stock / Alexander Raths Ein weiteres Beispiel betrifft die Elemen- Dies hat sich auch in Zeiten der Pandemie gen mit Vollzeitarbeit vereinbar“, so Schu- tarpädagogik, wo ein hoher Lärmpegel gezeigt: Frauen, die im Homeoffice gear- mann. Nur so kann die Doppelbelastung, sowie das Heben von Kindern Belastun- beitet haben oder nach wie vor arbeiten, der viele Frauen seit Beginn der Corona- gen für ArbeitnehmerInnen – sehr häufig waren bzw. sind oft mit sehr schwierigen krise ausgesetzt sind, in Zukunft verhin- Frauen – darstellen. Bedingungen konfrontiert, etwa beim dert werden. neben der Arbeit zu erledigenden Home- „Haushaltsnahe“ Tätigkeiten Geschlechtsneutral ≠ Wenzl sieht als weitere Ursache für die geschlechtergerecht nicht geschlechtergerecht verteilten Res- All die angeführten Beispiele zeigen, dass sourcen im ArbeitnehmerInnenschutz die Viele Belastungen Frauen anders arbeiten: Oftmals sind es Tatsache, dass frauendominierte Berufs- von Frauen werden andere Branchen, andere Tätigkeiten und felder oft als „haushaltsnahe“ Tätigkeiten damit verbunden auch andere Gefahren gelten und deshalb als nicht belastend gar nicht als solche und Belastungen als bei Männern. Vie- und nicht gefährlich eingestuft werden. erkannt. le Belastungen von Frauen werden gar Als Beispiele führt sie hier Branchen wie nicht als solche erkannt. Auch wenn der den Handel, aber auch Gesundheits- und ArbeitnehmerInnenschutz geschlechts- Pflegeberufe an. Daraus folgend werden neutral ist, bedeutet dies nicht, dass er die Gefahren und Belastungen in frauen- schooling und bei der Kinderbetreuung. deswegen geschlechtergerecht ist. Um dominierten Branchen tendenziell unter- Für Schumann ergibt sich hier eine Reihe die Ressourcen im ArbeitnehmerInnen- bewertet. an gesundheitlichen Fragen, besonders schutz geschlechtergerecht zu verteilen, Arbeiten, die Frauen auch zu Hause durch die psychische Beanspruchung auf- muss einerseits anerkannt werden, dass verrichten, wie beispielsweise reinigen, grund der Doppelbelastung. Homeoffice Frauen vielfach anders arbeiten als Män- kochen, Familienangehörige pflegen oder und Kinderbetreuung? „Das kann nicht ner, und andererseits muss den Belastun- Kinder erziehen, sind oft vergleichbar mit die Lösung sein, Homeoffice kann nicht gen von Frauen und Männern die gleiche jenen Tätigkeiten, die Frauen im Dienst- die Kinderbetreuung ersetzen. Es braucht Aufmerksamkeit zukommen. leistungssektor ausführen. Sie werden da- – und zwar ganz dringend – den raschen her als nicht so belastend eingestuft, denn Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen, sie sind ja Teil des „Alltagsgeschehens“. flächendeckend, leistbar und vor allen Din- www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz 3/2021 11
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z „Frauen sind am Limit!“ Die Gesundheitsrisiken, die Krankheitsverläufe und auch die potenziellen Gefahren am Arbeitsplatz unterscheiden sich zwischen Frauen und Männern. Gesundheitliche Chancengerechtigkeit ist für alle Menschen ein Thema, aber Frauen sind von sozioökonomischen Einflüssen, die sich auf die Gesundheit auswirken, wie insbesondere Armut, deutlich stärker betroffen als Männer. Korinna Schumann, ÖGB-Vizepräsidentin und ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende, beleuchtet im Gespräch mit der „Gesunden Arbeit“ Aspekte von Frauengesundheit und Arbeitnehmerinnenschutz. Interview: Ingrid Reifinger, ÖGB | Fotos: Markus Zahradnik Wie ist es den Frauen in der Pandemie ge- gangen? Mit der Coronakrise wurde der Scheinwer- fer auf die Schattenseite der weiblichen Arbeitswelt geworfen, und die großen Nachteile von Frauen am Arbeitsmarkt sind sichtbar geworden: Frauen arbeiten vielfach in systemerhaltenden Bereichen, oft unter ungesunden Arbeitsbedingun- gen und mit unangemessener, niedriger Entlohnung. Die wichtigen Leistungen und die schwierige Situation der Frauen in den Gesundheitsberufen, in der Pflege, im Handel, in der Kinderbildung und in der Produktion müssen wahrgenommen und anerkannt werden. Geht Homeoffice für Familien mit Kin- dern überhaupt zusammen? Wir haben gesehen, dass während der Co- ronakrise Homeoffice für viele Frauen be- deutete, nicht nur ihre beruflichen Pflich- „Frauen arbeiten vielfach in systemerhaltenden Bereichen, oft unter ungesunden Arbeitsbedin- gungen und mit unangemessener, niedriger Entlohnung.“ ten erledigen, sondern viele andere Dinge schupfen zu müssen. Zahlreiche Studien und auch unsere eigenen Erfahrungen zei- Doch diese Situation darf keine akzep- zusteht. Frauen dürfen nicht die Verliere- gen nun immer deutlicher: Frauen sind am tierte Selbstverständlichkeit werden – der rinnen dieser Krise sein! Limit! Sie waren und sind im Berufs- sowie Notbetrieb ist keine Dauerlösung. Vor al- im Privatleben mit unglaublichen Belas- lem darf das nicht dazu führen, dass die Wo siehst du den größten Handlungsbe- tungen konfrontiert und gehen psychisch Kinderbetreuungsangebote nicht ausge- darf beim Thema „Frauengesundheit und und physisch an ihre Grenzen. Frauen tra- baut werden. Wir brauchen einen raschen Arbeit“? gen vielfach Mehrfachbelastungen wie Ausbau des flächendeckenden, ganztä- Ein wichtiger Aspekt ist das Sichtbarma- Homeschooling, Homeoffice, Kinderbe- gigen Betreuungsangebots. Es ist an der chen der Belastungen von Frauen. Oft treuung, Haushalt, Pflege von Angehöri- Zeit, die Arbeits- und Lebenssituation von herrscht eine sehr männlich geprägte gen. Alleinerzieherinnen sind davon ganz Frauen endlich zu verbessern und ihnen Sicht auf Problemstellungen vor, und die besonders betroffen. die Wertschätzung zu zeigen, die ihnen Perspektive von Frauen ist ein blinder 12 3/2021 www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z „Ein wichtiger Aspekt ist das Sichtbarmachen der Belastungen von Frauen.“ Korinna Schumann ÖGB-Vizepräsidentin und ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende Fleck. Ein Beispiel ist das Heben und Tra- Braucht es mehr Gender im Arbeitneh- weibliche) geben. Verpflichtende Schulun- gen schwerer Lasten, etwa im Gesund- merInnenschutz? gen vor allem für Führungspersonal in re- heitsbereich. Einen Blick aus Genderperspektive auf gelmäßigen Abständen können für Sensi- Ein weiterer Aspekt ist die Berücksich- die Arbeitswelt braucht es jedenfalls. Im bilisierung und Bewusstmachung sorgen. tigung und Anerkennung psychischer Be- ArbeitnehmerInnenschutz kann Gen- Auch der Betriebsrat hat hier eine wichtige lastungen. Frauen sind im Alltag vielen am der-Mainstreaming dazu beitragen, ge- Funktion genauso wie in großen Betrieben Arbeitsplatz unsichtbaren Mehrfachbelas- schlechtergerechte Arbeitsbedingungen ein Gleichstellungsbeauftragter oder eine tungen ausgesetzt. Man denke an die Ent- herzustellen und wirksame Sicherheits- Gleichstellungsbeauftragte. Diese sollten grenzung im Zuge von Homeoffice oder und Gesundheitsschutzmaßnahmen für als Anlaufstelle bereitstehen. Betriebsver- den Erholungswert eines Urlaubs, wenn alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin- einbarungen zu diesem Thema sind wich- es betreuungsbedürftige Familienmitglie- nen zu treffen. Dazu gehören etwa Maß- tige und wertvolle Werkzeuge. der gibt. nahmen wie die Bestellung von Frauen Auch die Gewaltprävention sehe ich und Männern zu Sicherheitsvertrauens- Was kann die Betriebsratskampagne als zentrales Thema und die große Be- personen, die Beteiligung von Frauen und „Mir reicht’s!“ zu besseren Arbeitsbedin- deutung von Vorsorgeuntersuchungen. Männern in ArbeitnehmerInnenschutz- gungen von Frauen beitragen? Die Wichtigkeit dieser beiden Bereiche angelegenheiten oder die systematische Viele Frauen sagen schon seit Langem „Mir hat sich gerade im Zuge der Pandemie Einbeziehung von Genderfragen in die Ar- reicht’s!“. Gerade der Betriebsrat kann hier gezeigt – mit dem Anstieg häuslicher Ge- beitsplatzevaluierung. im Arbeitskontext helfen, die Arbeitsbe- walt und dem Rückgang der Vorsorgeun- dingungen für alle, aber auch natürlich tersuchungsmöglichkeiten sowie negati- Sexuelle Belästigung, Belästigung und für Frauen zu verbessern. Verhandlungen ven gesundheitlichen Konsequenzen für Gewalt am Arbeitsplatz: Frauen sind da- zur Sonderbetreuungszeit, Unterstützung Frauen. von häufiger betroffen als Männer. Was und Hilfe bei der Suche nach Betreuungs- müsste in den Betrieben dagegen getan möglichkeiten von Kindern, klare Betriebs- Auf welche Berufsgruppen trifft das be- werden? vereinbarungen zu Homeoffice etc. kön- sonders zu? Es bräuchte auf jeden Fall mehr Sensibili- nen hier Frauen unterstützen. Beispielsweise ist schwere körperliche Ar- sierungsmaßnahmen – hier besonders für beit in vielen Köpfen noch immer männ- Führungskräfte. Die Führungskräfte müs- Vielen Dank für das Gespräch! lich besetzt – so wird Heben und Tragen sen wissen, dass dies ein Thema ist, das im Gesundheits- und Sozialbereich, in der viel häufiger vorkommt, als man denkt. Kinderbildung und im Handel oft überse- Die ArbeitnehmerInnen müssen wissen, hen. Ein anderes Beispiel ist die Lärmbelas- an wen sie sich wenden können, wenn es tung von Elementarpädagoginnen – auch solche Situationen gibt bzw. solche Pro- die findet in der Diskussion um Lärm- bleme auftauchen – dieses Angebot muss schutz nicht immer Berücksichtigung. Es niederschwellig sein, und es muss ver- lassen sich zahlreiche Beispiele finden. schiedene Ansprechpersonen (vor allem www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz 3/2021 13
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z Was uns systemrelevante Berufe (nicht) wert sind Die Coronakrise und die politischen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung haben Ungleichheiten in unserer Gesellschaft schonungslos offengelegt. Dazu zählt auch die Neuordnung am Arbeitsmarkt zwischen denen, die ihre Arbeit ins Homeoffice verlegen konnten, und jenen Menschen, die trotz hoher Ansteckungsrisiken weiter in ihre Arbeit ausrücken mussten. Angst vor Ansteckung als neue Form der Belastung Abseits der erwähnten Arbeitsbelastun- gen waren viele dieser Beschäftigten einem erhöhten Infektionsrisiko ausge- setzt. Ein Fünftel musste letztes Jahr trotz Angst vor einer Ansteckung zur Arbeit, ein Viertel fühlte sich von seinen Arbeit- geberInnen nicht ausreichend geschützt und ein Drittel ist der Meinung, dass die getroffenen Maßnahmen zum Schutz der ArbeitnehmerInnen in Österreich zu we- © Adobe Stock / AntonioDiaz nig weitreichend waren. Bonuszahlungen lösen Klatschen ab? Die Mehrheit der Beschäftigten in sys- temrelevanten Berufen sind Frauen, viele Stark belastet und schlecht bezahlt: ZustellerInnen und BerufsfahrerInnen arbeiten unter davon mit Migrationshintergrund. Zwei ständigem Zeitdruck. Drittel der „SystemerhalterInnen“ arbei- ten in der Produktionsarbeit oder in nicht L etztes Frühjahr standen plötzlich Be- schäftigte im Mittelpunkt, deren Ar- beitsleistung davor zumeist nur wenig An- halten, ihren Beruf bis zur Pension aus- zuüben. Häufiges Arbeiten im Stehen, schweres Heben und Tragen, Zeitdruck akademischen Dienstleistungsberufen. In beiden Arbeitssegmenten überwie- gen hohe Arbeitsbelastungen bei einem sehen genoss. Waren es 2008 die Banken, und Arbeitsverdichtung, emotional gleichzeitig unterdurchschnittlichen Ein- die als „systemrelevant“ eingestuft wur- schwierige Situationen und Übergriffe kommen. Die jetzt beschlossenen ein- den, brachte die Coronapandemie die Un- seitens PatientInnen gehören für viele maligen Bonuszahlungen von 500 Euro verzichtbarkeit von u. a. PflegerInnen und zum Arbeitsalltag. Aber auch in anderen nicht nur für ÄrztInnen, sondern auch Beschäftigten im Gesundheitswesen, aber systemrelevanten Berufen zeigen sich für Pflegekräfte und Reinigungskräfte in auch Supermarktangestellten, Reinigungs- hohe Belastungen: BerufsfahrerInnen Krankenhäusern sind zwar „teurer“ als die kräften, ZustellerInnen oder Berufsfah- klagen noch häufiger über Zeitdruck, Balkongesänge letztes Jahr, jedoch nicht rerInnen zum Vorschein. Ihnen wurde vor Handwerksberufe über schlechte Ge- weniger symbolisch zu bewerten, da sie einem Jahr breitenwirksam Lob von jenen sundheitsbedingungen und Unfall- und weder als nachhaltige Aufwertung dieser entgegengeklatscht, die im vergleichswei- Verletzungsgefahr, Supermarktbeschäf- Berufe noch als dauerhafte Verbesserung se sicheren Homeoffice arbeiteten. tigte über ständigen Arbeitsdruck ohne der Arbeitsbedingungen gelten können. Zeit für Pausen. Hinzu kommt, dass es in Systemrelevanz geht mit hohen vielen dieser Berufsgruppen akuten Per- Mag. Daniel Schönherr, SORA Belastungen einher sonalmangel gibt, was die psychosozia- ds@sora.at 61 Prozent aller Pflegebeschäftigten sa- len und körperlichen Belastungen weiter Mag.a Martina Zandonella, SORA gen, dass sie es für unwahrscheinlich steigen lässt. mz@sora.at 14 3/2021 www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z Wie gendergerecht ist die Berufskrankheitenliste? Gendermedizin hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, zunehmend werden bei Erkrankungen auch geschlechterspezifische Faktoren berücksichtigt. Doch wie sieht es mit solchen Faktoren im Zusammenhang mit Berufskrankheiten aus? nung als Berufskrankheit beantragten. Bei der BK-45 (durch Staub von Hartholz verursachtes Adenokarzinom) kommen auf etwa 20 Anträge von männlichen Ver- sicherten null bis ein Anträge von weibli- chen Versicherten. BK-38 (Infektionskrankheiten) Hier gibt es eine Einschränkung bei Aner- kennungen auf bestimmte Unternehmen. So finden sich unter diesen sogenannten Listen-Unternehmen Bildungs- und Be- treuungseinrichtungen sowie Kranken- © Adobe Stock / pikselstock häuser, Heil- und Pflegeanstalten. Zudem sind auch noch Apotheken und Laborato- rien aufgezählt. Es handelt sich dabei um Berufe, die überwiegend von Frauen aus- geübt werden (Gesundheit und Pflege, Bil- dung, Betreuung). Dennoch spiegeln die Antragszahlen Auch in weiblich dominierten Berufen ist die Zahl der von Frauen gestellten Anträge auf Anerken- diese Tatsache nicht wider, denn in den nung einer Erkrankung als Berufskrankheit teilweise signifikant niedriger als jene von Männern. letzten fünf Jahren waren die Anträge von männlichen Versicherten in drei Jahren D ie Zahl der Anträge auf Anerkennung von Hauterkrankungen als Berufs- krankheiten (BK-19 der Berufskrankheiten- der Lunge und des Kehlkopfes durch As- best). Denn hier sind die Anträge der weib- lichen Versicherten im ein- oder maximal sogar höher als die der Frauen. Nur in den Jahren 2018 und 2020 waren die Anträge von Frauen etwas höher (2018: Männer 12, liste) ist im Zeitraum von 2016 bis 2020 im zweistelligen Bereich, während die Zahl Frauen: 14; 2020: Männer: 72, Frauen: 83). Vergleich zwischen Männern und Frauen bei den männlichen Versicherten im ho- Das wirft bei genauerer Betrachtung zugunsten Letzterer deutlich gestiegen. hen zwei- bzw. dreistelligen Bereich liegt die Frage auf, warum in männlich domi- So waren es im Schnitt rund 45 Prozent (Anträge auf Anerkennung der BK-27a im nierten Berufen die Antragszahlen dies mehr Anträge von weiblichen Versicher- Jahr 2017: Männer: 144; Frauen: 7). widerspiegeln und im Fall der BK-38, mit ten als von männlichen. Eine Erklärung für diese große Diffe- der Einschränkung auf überwiegend von renz ist, dass diese Erkrankungen beson- Frauen ausgeübten Berufen, diese Tatsa- Berufskrankheiten in männlich ders häufig in der industriellen Produktion che nicht an den Antragszahlen erkennbar dominierten Berufen bzw. im Baugewerbe auftreten und diese ist. Zumal es im Fall von Infektionskrank- Besonders auffällig sind die geschlechter- Berufe immer noch sehr stark männlich heiten keine wissenschaftliche Evidenz spezifischen Unterschiede, gemessen an besetzt sind. gibt, dass männliche Versicherte höhere der Anzahl der Anträge auf Anerkennung, Gleiches gilt auch für die BK-33 (durch Ansteckungen aufweisen als Frauen. bei der BK-27a (Asbestose) und den BK- Lärm verursachte Schwerhörigkeit), wo 27b/c/d (bösartige Neubildungen des Rip- im Jahr 2016 1.093 männliche Versicherte Sophia Marcian, AK Wien penfells, des Herzbeutels, des Bauchfells, und 36 weibliche Versicherte die Anerken- sophia.marcian@akwien.at www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz 3/2021 15
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z Arbeitsfähigkeit und Geschlecht – gibt es Unterschiede? Gleichberechtigung, Frauengesundheit, Geschlechterrollen, Ungleichbehandlung – Schlagworte rund um das Frauenleben sind gleichzeitig en vogue und doch ein Dauerbrenner. Aber es geht um Gesundheit! E rwerbstätigkeit begleitet uns über eine lange Lebensspanne. Dabei wird ersichtlich, dass die Lebensabschnitte und die damit verbundenen Entscheidungen mit dem Geschlecht in Verbindung ste- hen. Innerhalb des letzten Jahrzehnts kam es zu einer Erhöhung der Erwerbsbeteili- gung der Frauen. Der Anstieg ist vorwie- gend auf Teilzeitarbeit zurückzuführen. Die Hintergründe dafür sind Vereinbar- keitsthemen, geringere Aufstiegschancen, häufige Erwerbsverläufe im Niedriglohn- sektor und die Tatsache, dass etwas mehr Krankenstandstage auf Frauen entfallen. © Sandra Hinterlechner Gesundheit und Arbeitsfähigkeit haben für Frauen somit viele Dimensionen. Gesundheit hat ein Geschlecht Nicht nur biologische und genetische Un- terschiede zwischen Männern und Frauen beeinflussen die ungleichen Gesundheits- fit2work: Das österreichweit kostenlose Beratungsprogramm hilft Menschen, um bei gesundheit- chancen und -risiken, sondern vielmehr lichen Problemen wieder arbeitsfähig zu werden oder zu bleiben. auch ungleiche Verhältnisse und das Ver- halten. Frauen haben eine längere Lebens- rufsgruppen schweren körperlichen Ar- oder helfen, bereits Erkrankte wieder gut erwartung, verbringen jedoch mehr Jahre beitsbedingungen (z. B. Pflegekräfte, Rei- einzugliedern. Themen wie Wiedereinglie- in schlechterer Gesundheit. Chronische nigungspersonal), aber auch psychischen derungsteilzeit, Umgang mit chronisch und psychische Erkrankungen weisen ei- Belastungen zunehmend ausgesetzt (z. B. Kranken oder aktuelle Problemstellungen nen höheren Frauenanteil auf. Die Inan- pädagogische Berufe und Sozialberufe). können Teil dieser Beratung sein. spruchnahme von medizinischen Leistun- Arbeits-, Lebenswelten und Gesundheit MitarbeiterInnen verbringen einen gen und Therapien weist wiederum einen stehen in einem direkten Zusammenhang. Großteil ihrer Lebenszeit in ihrer Arbeit. geringeren Männeranteil auf. Fakten rund Eine gender-/geschlechtsspezifische Beur- Nur wenn alle Beteiligten auf die Ge- um geschlechtsspezifische Unterschiede teilung von Arbeitsbedingungen ist not- sundheit schauen, machen sich Erfolge im Bereich Gesundheit lassen sich endlos wendig. Unterstützung erhalten Perso- bemerkbar. Eine geschlechtssensible Be- anführen und sind Gegenstand zahlrei- nen und Betriebe dabei mit fit2work. Das trachtung im betrieblichen Gesundheits- cher Studien. österreichweit kostenlose Beratungspro- management führt zu einer gesundheitli- gramm hilft Menschen, um bei gesund- chen Gleichheit. Was können Betriebe tun? heitlichen Problemen wieder arbeitsfähig In Österreich ist die Ungleichverteilung zu werden oder zu bleiben, und unter- Mag.a Martha Scholz-Resch, Soziologin von Berufs- und Lebenschancen von Frau- stützt Betriebe beim Aufbau gesundheits- Projektleitung fit2work OÖ/Stmk/Ktn en und Männern am Arbeitsmarkt stark förderlicher Strukturen. Dies soll den Aus- martha.scholz-resch@fit2work.at verankert. Frauen sind in „typischen“ Be- fall von ArbeitnehmerInnen verhindern www.fit2work.at 16 3/2021 www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz? Ein anzüglicher Witz, unerwünschte Berührungen, Beurteilungen des Aussehens oder körperliche Übergriffe – für viele Frauen ist dies im Arbeitsumfeld Realität. Was genau ist sexuelle Belästigung (am Arbeitsplatz) und was kann dagegen unternommen werden? M ehr als die Hälfte der Arbeitneh- merinnen sind von sexueller Beläs- tigung am Arbeitsplatz betroffen. Sexuelle Belästigung ist ein klarer Gewaltakt und hat für die Betroffenen Auswirkungen – nicht nur auf die psychische/körperli- che Gesundheit, sondern sie wirkt sich auch massiv auf die Zufriedenheit am Arbeitsplatz aus. Noch schwieriger ist die Situation, wenn die sexuelle Belästigung von einem Vorgesetzten ausgeht, da die Abhängigkeit und die Angst, den Arbeits- platz zu verlieren, groß sind. Sexuelle Be- © Adobe Stock / DDRockstar lästigung kann alle treffen, hauptsächlich sind jedoch Frauen betroffen. Sexuelle Be- lästigung ist verboten und stellt eine Dis- kriminierung dar. Wo fängt sexuelle Belästigung an? Das Gleichbehandlungsgesetz im Arbeits- leben definiert sexuelle Belästigung als „ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt und Wenn Sie sich belästigt fühlen, versuchen Sie, ganz klar Nein zu sagen. für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist (…)“. Dazu tum, den Ort, die Uhrzeit und den Vorfall. speziell an junge Frauen und Berufsein- gehören Äußerungen und Handlungen be- Wenn möglich, suchen Sie sich ZeugInnen steigerinnen, die Erfahrungen mit sexu- zogen auf das Geschlecht, die Geschlech- und Verbündete. Wenn das nicht möglich eller Belästigung machen. Neben einer terrolle oder den Familienstand, die für die ist oder keine Wirkung zeigt, wenden Sie Beratung werden auch Sensibilisierungs- betroffene Person unerwünscht sind und sich an Ihren Betriebsrat und informieren workshops für Unternehmen und Schulen ein demütigendes, feindseliges Umfeld diesen über die Situation. Die Gespräche angeboten. schaffen. mit dem Betriebsrat sind vertraulich und sollten protokolliert werden, damit diese Simone Erne Was kann ich als Betroffene/r tun? (wenn nötig) vor dem Arbeitsgericht oder ÖGB-Bundesfrauensekretärin Wenn Sie sich in einer konkreten Situa- der Gleichbehandlungsanwaltschaft ver- tion befinden und sich belästigt fühlen, wendet werden können. Ebenso bietet die Gleichbehandlungsanwaltschaft versuchen Sie, ganz klar Nein zu sagen. Gleichbehandlungsanwaltschaft vertrau- https://www.gleichbehandlungsanwalt- Das Gegenüber muss wissen und verste- liche und kostenlose Hilfe und Beratung schaft.gv.at/ hen, dass sein/ihr Verhalten nicht okay an. Das Projekt „Act4Respect“ ist vom Infofolder „Act4Respect“ ist, teilen Sie ihm/ihr das mit, wenn nötig Verein sprungbrett gemeinsam mit der AK des Vereins sprungbrett auch schriftlich. Notieren Sie sich das Da- Wien konzipiert worden und richtet sich https://tinyurl.com/act4respect www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz 3/2021 17
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z Persönliche Schutzausrüstung – fit für Frauen? In Österreich kommen persönliche Schutzausrüstungen (PSA) millionenfach zum Einsatz – aber sind die Bedürfnisse von Frauen dabei ausreichend berücksichtigt? Dazu gibt es leider erst wenige Daten. PSA im Allgemeinen sehr hoch, aber nach konkreten Problemen gefragt, gaben ins- gesamt mehr Frauen als Männer Probleme und Einschränkungen beim Tragekomfort an. Darüber hinaus besteht die Notwen- digkeit, Informationen in Bereichen zu sammeln, in denen derzeit keine Daten erhoben werden. Nur so können Ansätze entwickelt werden, um Frauen vor mögli- chen Schäden durch universelle männliche Standards bei PSA zu bewahren. Mitbestimmung: BR und SVP ein- binden! © Adobe Stock / Robert Kneschke Bei der Auswahl der PSA sind Betriebsrat, ArbeitsmedizinerIn und die Sicherheits- fachkraft einzubeziehen. Die weitreichen- PSA: Mehr Frauen als Männer äußern Probleme beim Tragekomfort. den Mitwirkungsrechte hinsichtlich aller Angelegenheiten des Sicherheits- und E s gibt viele berufliche Tätigkeiten, die den Einsatz von persönlicher Schutz- ausrüstung (PSA) notwendig machen: Männer gedacht waren, für Frauen nur ver- kleinert. Diese „kleineren“ Designs basieren dann nicht auf weiblichen Spezifikationen. Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz, die der Betriebsrat hat, sollten in diesem Zusammenhang genutzt werden. Ist in ei- etwa zum Schutz vor Staub, gefährlichen Gleichzeitig ist bekannt, dass schlecht sit- nem Betrieb kein Betriebsrat eingerichtet, Arbeitsstoffen, UV-Strahlung oder Lärm. zende Ausrüstung das Unfallrisiko erhöhen sind stattdessen die Sicherheitsvertrau- Diese PSA – in Form von beispielsweise kann und auch Krankenstände verursacht. enspersonen bei der Auswahl der PSA zu Fußschutz, Hautschutz, Kopf- oder Ge- Knapp drei Prozent aller Krankenstände beteiligen. Hier kann mit Trageversuchen hörschutz – haben zum Ziel, Verletzungen werden durch nicht ergonomische PSA und der Einbindung der ArbeitnehmerIn- und Erkrankungen zu verhindern und die verursacht. Das Tragen von nicht passen- nen die Trageakzeptanz massiv erhöht Gesundheit der Verwenderinnen zu schüt- der PSA steht somit an sechster Stelle der werden. Betriebliche Mitbestimmung und zen und zu erhalten. PSA schützen, aber wichtigsten körperlichen Krankmacher. die Beseitigung der geschlechtsspezifi- es kommt durch die Verwendung auch zu schen Datenlücke sind zwei Ansatzpunkte, einer zusätzlichen Belastung von Arbeit- Frauen unzufriedener als Männer um die Nutzung von PSA für alle gleicher- nehmerinnen, deswegen sind neben der Schon 2009 führte die AK Wien gemein- maßen gut zu gestalten. Schutzfunktion auch die Ergonomie und sam mit dem Österreichischen Verband der Tragekomfort sehr wichtig. zur Förderung der Arbeitssicherung eine Charlotte Reiff, Sozialpolitik und Umfrage durch, bei der es um die PSA und Bundesfrauenabteilung, ÖGB Frauenspezifische PSA? die unterschiedlichen Bedürfnisse von charlotte.reiff@oegb.at Gerade die Anforderungen an Ergonomie Männern und Frauen ging. Dabei wurde und Tragekomfort werfen die Frage auf, sichtbar, dass PSA mit einer eigenen Pass- Buchtipp Unsichtbare Frauen: ob die Bedürfnisse von Frauen hier ausrei- form für Frauen noch wenig bekannt wa- Wie eine von Daten beherrschte Welt die chend Berücksichtigung finden. Denn oft- ren. Daran hat sich nur wenig geändert. Hälfte der Bevölkerung ignoriert mals werden Designs, die ursprünglich für Insgesamt war die Zufriedenheit mit der https://tinyurl.com/uf321 18 3/2021 www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz
G E S U N D H E I T Diagnose: Brustkrebs, arbeitsbedingt Jährlich erhalten rund 5.000 Frauen die erschütternde Diagnose Brustkrebs. Brustkrebs ist die häufigste Krebs- erkrankung bei Frauen. In Dänemark wird er als Berufskrankheit anerkannt – nicht jedoch in Österreich! D ie Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind vielfältig. Frauen sind bei der Arbeit oft anderen Gefahren ausgesetzt, was sowohl auf die Biologie als auch auf das Arbeiten in spezifischen Branchen zurückzuführen ist. Nur sehr selten erkranken Männer an Brustkrebs – die Rate liegt bei circa einem Prozent aller Neuerkrankungen. Risikofaktoren für Brustkrebs Wie Brustkrebs entsteht, ist bereits be- kannt: durch eine Fehlsteuerung des Zellwachstums, welche durch unter- © Adobe Stock / lovelyday12 schiedlichste Faktoren (z. B. genetische Prädisposition) beeinflusst wird. Eine Vielzahl von Schädigungen muss zu- sammenwirken, damit eine Zelle dann schlussendlich zur Krebszelle wird. Ne- ben genetischen Faktoren zählen zu den Risikofaktoren ein hohes Alter, ein unge- sunder Lebensstil (Übergewicht, Bewe- gungsmangel, Rauchen etc.), eine Hormon- Brustkrebs kann in Dänemark als Berufskrankheit anerkannt werden. ersatztherapie, eine späte Menopause und zu einem nicht unwesentlichen Anteil lung sind bekannte Risikofaktoren, die zur miteinbezogen – jeder einzelne Fall wird in auch arbeitsbedingte Ursachen. Entstehung von Krebs beitragen können. einem Gremium von MedizinerInnen und Die WHO stuft seit 2007 Nachtarbeit als den Sozialpartnern genau geprüft. Gendersensible Forschung „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Der Arbeitsbedingte Krebserkrankungen notwendig natürliche Tag-Nacht-Rhythmus wird auf- sind eines der größten Gesundheitspro- In einer Studie von ANSES (französische grund der Arbeit in der Nacht gestört und bleme an Arbeitsplätzen weltweit. In Agentur für Lebensmittelsicherheit, Um- Reparaturprozesse sowie die Ausschüt- Österreich sterben daran jährlich rund welt- und ArbeitnehmerInnenschutz) wur- tung von Melatonin werden behindert. 1.820 Menschen. Der Anteil nach dem Ge- den Berufsgruppen ermittelt, bei denen schlecht ist nicht bekannt. Die Forschung ein erhöhtes Risiko besteht, an Brustkrebs Dänemark als Vorreiter ist noch lange nicht dort angekommen, wo zu erkranken. Darunter fielen typische In Dänemark wird Brustkrebs bereits als Be- wir sie uns wünschen. Studien zu arbeits- Frauenberufe wie Krankenpflegerinnen, rufskrankheit anerkannt. Voraussetzung ist, bedingtem Krebs gab es bislang haupt- Arbeiterinnen in der Textil- und Kunststoff- dass die Arbeitnehmerin mindestens einmal sächlich in männerdominierten Branchen, industrie, Laborassistentinnen, Lehrerin- pro Woche über 25 Jahre lang oder 20 bis 25 es ist daher Zeit für eine geschlechtersen- nen und Flugbegleiterinnen. Jahre mehr als einmal pro Woche Nacht- sible Forschung und Prävention! Nachtarbeit, lange Arbeitszeiten, arbeit geleistet hat. Andere Risikofaktoren Stress, Schichtarbeit, Arbeit mit bestimm- wie Rauchen oder Alkoholkonsum werden Marlene Zemann, AK Wien ten chemischen Arbeitsstoffen und Strah- in die Anerkennung oder Nichtanerkennung marlene.zemann@akwien.at www.gesundearbeit.at 3/2021 19
Sie können auch lesen