Brücke als Ort Ein Brückengebäude über dem Rhein bei Ilanz GR - ETH Zürich

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Brücke als Ort Ein Brückengebäude über dem Rhein bei Ilanz GR - ETH Zürich
Brücke als Ort
Ein Brückengebäude über dem Rhein bei Ilanz GR

      ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit
                  Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Brücke als Ort Ein Brückengebäude über dem Rhein bei Ilanz GR - ETH Zürich
Herbstsemester 2020
Masterarbeit Thema C

ETH Zürich Departement Architektur
Professur Gion A. Caminada

Gion A. Caminada
Timon Reichle
Franziska Wittmann
Lorenz Jaisli

September 2020

                                     ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit   2
                                                 Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Brücke als Ort Ein Brückengebäude über dem Rhein bei Ilanz GR - ETH Zürich
INHALT

                                     Einleitung                                4

                                     Ilanz, die erste Stadt am Rhein           5

                                     Aufgabenstellung                         12
                                        Aufgabe
                                        Programm
                                        Perimeter
                                        Rahmenbedingungen

                                     Fachliche Unterstützung                  13
                                        Tragwerksentwurf

                                     Begleitfächer                            14
                                        Bautechnologie und Konstruktion BUK
                                        Kunst

                                     Abgabe / Termine                         16

                                     Planungsgrundlagen                       17

                                     Literatur                                18

                                     Anhang                                   19

ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit             3
            Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Brücke als Ort Ein Brückengebäude über dem Rhein bei Ilanz GR - ETH Zürich
Einleitung

Brücken überwinden Hindernisse und verbinden Wege und Orte.                                       wurde unterdessen durch eine Umfahrungsstrasse, die die angren-
Eine gute Erreichbarkeit hat nicht selten eine wirtschaftliche Ent-                               zenden Talschaften erschliesst, um die Hälfte reduziert. Angesichts
wicklung zur Folge. Brücken sind jedoch mehr als nur die Erfüllung                                der anstehenden Instandsetzung der Betonbrücke stellt sich die Frage
eines praktischen Zweckes.                                                                        nach der Funktion der Ilanzer Stadtbrücke und ihrer Erscheinung. Die
Georg Simmel schreibt: «Zu einem ästhetischen Wert wird die Brü-                                  Brücke als Verbindung der Stadtteile muss zu einem Element der neu-
cke, indem sie die Verbindung des Getrennten nicht nur in Wirklich-                               en Stadtplanung werden.
keit und zur Erfüllung praktischer Zwecke zustande bringt, sondern
sie unmittelbar anschaulich macht. Die Brücke symbolisiert die Aus-                               Vor allem die ältere Generation von Ilanz kann sich gut an die Holz-
breitung unserer Willensstärke über den Raum.»                                                    brücke von La Nicca erinnern und würde diese nicht ungerne zurück-
                                                                                                  gewinnen. Christian Candreja erinnert sich: «Die Brücke war ein
Brücken sind Symbolträger von Städten, sie können sich aber zurück-                               wichtiger Treffpunkt. Samstag 20 Uhr war der Treffpunkt das Süd-
nehmen und nurmehr Teile der Wege sein. In der Landschaft stehen                                  portal der Brücke. Es bildeten sich immer die gleichen Gruppen für
gelungene Brücken in einem Wechselspiel mit der Topographie. Was                                  den Ausgang. Meistens noch mit Kravatte. Dann zogen wir von Res-
die Brücke in Ilanz sein könnte, das interessiert uns bei der Diplom-                             taurant zu Restaurant. Waren wir knapp bei Kasse, begannen wir zu
arbeit im Herbstsemester 2020.                                                                    singen.»

Ilanz ist die erste Stadt am Rhein. Der Rhein trennt die Stadt. Die bei-                          Aus städtebaulicher Sicht ist diese Forderung als rückwärtsgewandte
den Flussseiten haben sich unterschiedlich entwickelt. Während die                                Utopie zu verstehen und kaum ein realistisches Ziel. Vielmehr wäre
Altstadt auf der Südseite gepflegt wurde, musste auf der Gegenseite                               der Frage nachzugehen, in wie weit die Brücke in der Stadtentwick-
der Bestand weitgehend den Neubauten weichen. Weitere Grossbau-                                   lung Verbindungen über den Rhein hinweg stärken kann. Mit einer
ten entstehen derzeit. Zudem plant die Rhätische Bahn, dessen Gleise                              öffentlichen Plattform, durch die Besetzung mit Läden oder Manu-
nahe am Fluss verlaufen, einen neuen Bahnhof. Die Stadt Ilanz ent-                                fakturen oder einfach durch die Möglichkeit den Übergang zu erle-
wickelt sich zum Zentrum der Region Surselva.                                                     ben? Den Fluss erfahrbar zu machen ist eine Vorgabe für die erste
                                                                                                  Stadt am Rhein. Mit den zu treffenden Massnahmen muss es zudem
Die beiden Stadtteile waren schon immer mit einer Brücke verbun-                                  gelingen das Verhältnis zwischen der Brücke und den angrenzenden
den. Die heute bestehende Brücke ist ein Werk des bekannten Bünd-                                 Bauten zu verbessern.
ner Ingenieurs Christian Menn. Diese elegante Betonbrücke ersetzte
eine filigrane Holzbrücke von Richard La Nicca – die Holzbrücke                                   Die Brücke als Ort!
konnte den zunehmenden Schwerverkehr nicht mehr bewältigen.
Heute ist die Situation eine andere: der Verkehr in der Stadt Ilanz

                                                   ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                           4
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Ilanz - die erste Stadt am Rhein

Ilanz ist die erste Stadt am Rhein. Die Stadt liegt in einer muldenför-
migen Landschaft, im Schnittpunkt verschiedener Talstrassen – aus
Flims und Versam, sowie Richtung Disentis, ins Val Lumnezia und
nach Vals. Ilanz ist vor über 700 Jahren als Ortschaft mit Stadtrecht
erwähnt worden. Seit 2013 ist Ilanz das Verwaltungszentrum der zu-
sammen mit zwölf Gemeinden der Umgebung neu gebildeten Gross-
gemeinde Ilanz/Glion.

Zur Stadtgeschichte von Ilanz
Zusammenfassung aus: Ilanzer Stadtgeschichte, Herausgeber: Ge-
meinde Ilanz/Glion

Der Name Ilanz erscheint zum ersten Mal in einem Tello-Testament
im Jahre 765 – eine Villa (Hof- oder Dorfsiedlung) wird vom Bischof
von Chur dem Kloster Disentis geschenkt. Die genaue Entwicklung
                                                                                       Ilanz um 1821
von einem solchen Hof oder Dorf bis zur Nennung von Ilanz als Stadt                    Kunstmuseum Basel, Kupferstich, S. Birmann, aus: Schenker-Nay André (2015), Die Surselva und Ilanz, Titelbild, Glarus/Chur
1289 ist nicht bekannt.

Die Gründung des Oberen Bundes – der Ligia Grischa – im Jahre
1395 führte zu einer Aufwertung der Stadt und zu grösserem Verkehr.
Es wurde eine befahrbare Brücke über den Rhein und eine Zollstätte                                   Im 17./18. Jahrhundert war Ilanz geprägt von den Bündner Wirren als
gebaut.                                                                                              Folge von Uneinigkeiten in den Drei Bünden zur Zeit des Dreissig-
                                                                                                     jährigen Krieges. Ilanz repräsentiert eine selbstbewusste reformierte
Im Jahre 1483 wurde die Stadt von einem Brand zerstört. Das bedeu-                                   Gemeinde innerhalb eines mehrheitlich katholischen Grauen Bundes.
tete für den Ort den Beginn einer neuen Zeit. Als wichtige Bauten des                                Die Mehrheit der Nachbarschaften war reformiert und beanspruchte
Wiederaufbaus gelten das neue Rathaus, die Stadtmauern und -tore                                     die meisten politischen Ämter für sich. Das führte zu grossen Span-
sowie die neue Stadt- und Pfarrkirche im spätgotischen Baustil. Ilanz                                nungen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und dazu, dass sich
entwickelte sich in dieser Zeit zu einem bedeutenden Schul- und Bil-                                 die katholischen Nachbarschaften vorübergehend von der Gemeinde
dungsort mit einer Schreiberschule.                                                                  trennten. Die Stadt Ilanz fühlte sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts

                                                  ETH Zürich Departement Architektur     Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                                               5
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von der katholischen Mehrheit im Grauen Bund stark bedroht und
entschloss sich um 1713/14 ihre Stadtmauern und -tore auszubauen
und zu befestigen.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts treten die konfessionellen Spannun-
gen in den Hintergrund. Das neue Zeitalter wird zunehmend von aus-
sen bestimmt und die Eingliederung in ein neues Staatsgebilde – die
Drei Bünde in die Eidgenossenschaft, Ilanz in den Kanton Graubün-
den – erzwungen. Die Privilegien der Aristokratie werden zuguns-
ten einer gleichberechtigten Bürgerschaft aufgehoben. Die einstigen
Haupterwerbsquellen (fremde Kriegsdienste, Veltliner Ämter, Zölle)
versiegen. Ilanz musste sich neu orientieren und zunächst Mittel ge-
gen die Armut finden. Durch den Aufschwung der Bauwirtschaft, den
Markt mit Vieh und Waren, von Handel und Verkehr sowie des Gast-
gewerbes wird das Gemeinwesen allmählich stärker.

Im 20. Jahrhundert wächst die Bedeutung der Kleinstadt durch neue
Entwicklungen im Strassen-, Post- und Bahnverkehr, industrielle
Werte der Energiegewinnung, moderne Einrichtungen im Sozial-,
Schul- und Gesundheitsbereich und ein attraktives Regionalmuseum.
Ilanz wird zu einem wichtigen regionalen Zentrum.

Aus städtebaulicher Sicht erfuhr Ilanz anfangs des 20. Jahrhunderts
eine grosse Veränderung. Verschiedene Institutionen wie die Rhäti-                   Ilanz ab 2014
                                                                                     Grossgemeinde bestehend aus 12 Gemeinden und der Stadt Ilanz
sche Bahn oder das Spital begünstigten die Zuwanderung. Der damit
einhergehende Fortschritt war verbunden mit grossen Landschafts-
und Stadtveränderungen. Viele Gebäude wurden abgerissen und neu                                   Die grösste politische Veränderung erfuhr die Stadt als sie vor einigen
gebaut. So musste die alte Holzbrücke, die nach den Plänen des In-                                Jahren ihre Eigenständigkeit als Gemeinwesen aufgab. Ilanz ist nun
genieurs Richard La Nicca gebaut wurde, einer verkehrstauglichen                                  das Verwaltungszentrum der zusammen mit zwölf umliegenden Ge-
Betonbrücke weichen.                                                                              meinden neu gebildeten Grossgemeinde Ilanz/Glion.

                                                ETH Zürich Departement Architektur     Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                               6
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Verkehr, Strassen und Brücken                                                                      Einweihung der Bahnstrecke am 30. Mai 1903 begann ein neues Ka-
Für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Ilanz war die Strasse                                pitel für die Stadt. Es entstanden zahlreiche Bürgerhäuser in der Nähe
von Reichenau nach Disentis und über den Oberalppasse von gros-                                    der Bahn. Entlang der Achse Glenner-Castrisch entwickelte sich eine
ser Bedeutung. Sie wurde in den Jahren 1846 bis 1858 fertiggestellt.                               rege Bautätigkeit. Der Bau der Bahn hatte eine Bevölkerungszunah-
Davon profitierte sowohl der Reise- sowie der Warenverkehr. Durch                                  me zur Folge. Zwischen 1900 und 1910 wuchs der Ort um über 200
den Bau der Strasse kamen fremde Handwerker und Arbeiter in die                                    Personen.
Stadt. In dieser Zeit wurden mehrere Gaststätten in Ilanz angesiedelt.
                                                                                                   Im Jahre 2016 wurde die Umfahrung Ilanz West in Betrieb genom-
Im Jahre 1850 beschlossen die Ilanzer Bürger eine neue Brücke über                                 men. Diese Umfahrung erleichtert die Durchfahrt ins Val Lumnezia,
den Rhein zu bauen. Das Holzbauwerk wurde vom Ingenieur Richard                                    nach Vals und Obersaxen und reduziert den täglichen Verkehr in der
La Nicca realisiert. Mit dem Bau der Brücke waren Schutzbauten                                     Stadt Ilanz um mehr als die Hälfte. Die neue Rheinbrücke in Ilanz
und die partielle Kanalisierung des Rhein nötig. Dadurch entstand                                  West ist 267 Meter lang.
eine befestigte Uferzone mit neuem Bauland auf der linken Seite des
Rheins. Auf der rechten Seite blieb die grosse Schwemmzone. Erst
mit der späteren Kanalisierung konnte sie genutzt werden. Die immer
wieder eintretenden Überschwemmungen waren zu dieser Zeit nicht
nur bedrohlich, sie hatten für die Landwirtschaft auch ihren Nutzen.
Der mitgeführte Schlamm wurde als Dünger für die Äcker und Wie-
sen genutzt.

Im Jahre 1962 wurde die Holzbrücke abgebrochen. Mit dem Bau der
Zervreila-Kraftwerke in den 1950er-Jahren rollten schwere Lastwa-
gen über die Brücke. Dadurch wurde die Brücke derart beschädigt,
                                                                                                                                                                            N

dass sie laut Expertisen zum Sicherheitsrisiko wurde. Mit der neuen
Kantonsstrasse wurde eine neue Brücke über den Rhein erstellt. Die
Betonbrücke wurde vom Ingenieur Christian Menn geplant.
                                                                                       Verkehrssituation Ilanz mit der neuen Umfahrungsstrasse
                                                                                       Rechts Ergänzung Situationsplan mit Vorderrheinbrücke
Ein bedeutendes Ereignis für Graubünden war der Bau der Rhäti-
schen Bahn. Das neue Verkehrsmittel hatte auch grosse Auswirkun-
gen auf die Arbeitswelt, die Bildung und Wirtschaft in Ilanz. Mit der

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Die Holzbrücke von Richard La Nicca (1851)

Richard la Nicca war einer der bedeutendsten Ingenieure und Ver-
kehrspioniere Graubündens des vorletzten Jahrhunderts. La Nicca
hat zahlreiche Brücken gebaut. Zu seinen Leistungen gehören auch
Wasserbauprojekte und Flusskorrekturen. Zu erwähnen sind nebst
seiner Arbeitsleistung auch die Qualität seiner Projektunterlagen, die
als eigentliche Kunstwerke gelten. Richard La Nicca verstarb 1883.

Wie die meisten Holzbrücken des 19. Jahrhunderts hatte auch die
Ilanzer Brücke ein Satteldach. Das Tragsystem war eine Überlage-
rung von einem Spreng- und Fachwerk. Die vier Bogenträger hatten
eine Spannweite von 61.50 Meter. Die Brücke hatte eine Fahrbahn-
breite von 2.80 Meter und beidseitig ein Trottoir von 1.20 Meter Brei-
te. Die Brückenverschalung aus Brettern ermöglichte eine Sicht zum
Fluss.

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Die Betonbrücke von Christian Menn (1962)

Die heutige Brücke wurde vom Bündner Ingenieur Christian Menn
geplant. Christian Menn war einer der bekannteste Brückenbauer der
Schweiz, sowie international im Brückenbau tätig. Christian Menn
verstarb 2018.

Die Ilanzer Brücke hat eine Spannweite vom 50 Meter. Die Fahr-
bahnbreite beträgt 12 Meter, die seitlichen Trottoirs sind je 2.80 Me-
ter breit. Die Brücke ist als Hohlkastenträger konzipiert. In der Regel
beträgt die Höhe des Hohlkastens zwischen 1/20 bis 1/25 der Spann-
weite. Bei der Ilanzer Brücke ist der Kastenträger aber nur 1.45 Meter
hoch, dies entspricht 1/34 der Spannweite. Damit schaffte Menn ei-
nen grossen Freiraum für das Hochwasser, ohne die Brücke hochhal-
ten zu müssen, was wegen der angrenzenden Gebäudeeingänge und
dem RhB-Bahnübergang kaum möglich gewesen wäre. Diese kühne
Konstruktion war gemäss dem Ingenieur Jürg Conzett dadurch mög-
lich, weil Christian Menn die Strassenquerung (Unterfahrt der Auto-
strasse) auf der Nordseite als Einspannung benützte und das nördli-
che Ende mit Spannkabeln an das Widerlager zurückband. Das Lager
wird als Gegengewicht benutzt. Durch diese Einspannung ist der Trä-
ger der Brücke ausreichend steif. Die Brücke zeigt ohne spektakuläre
Effekte eine technisch kluge Lösung für den Schutz vor Hochwasser.
Die schlanke Ansicht lässt die Brücke ruhig und elegant erscheinen.

                                                  ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit   9
                                                              Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Brücke als Ort Ein Brückengebäude über dem Rhein bei Ilanz GR - ETH Zürich
Vorderrheinbrücke Ilanz - Perimeter Master-Arbeit

ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit        10
            Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Vorderrheinbrücke Ilanz heute
ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit   11
            Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Aufgabenstellung

Aufgabe
Über den Vorderrhein soll zur besseren Verbindung der beiden Stadtteile                     Perimeter                     Bestehende Betonbrücke und angrenzender Fluss-
und zur Stärkung der Präsenz des Flusses ein öffentliches Brückenbau-                                                     raum flussaufwärts und -abwärts inkl. Brücken-
werk entworfen werden. Die räumliche Nutzung ist freigestellt.                                                            köpfe. Im Betrachtungsperimeter einzubeziehen
Die Brücke ist aus der städtebaulichen Entwicklung heraus zu konzipie-                                                    ist auch das Areal zwischen dem RhB-Bahnhof
ren und aus den räumlichen Qualitäten des Flussraumes und der Brücken-                                                    und dem Fluss. Diesem Raum könnte in Zukunft
kopfsituationen heraus zu gestalten; mit folgenden Zielen:                                                                eine öffentliche Aufgabe zukommen, als Markt-
- Verbindung beider Ilanzer Stadtteile                                                                                    platz oder aus touristischer Betrachtung als Aus-
- Verbesserung des Übergangs für Fussgänger                                                                               gangspunkt für die Ruinaulta (Rheinschlucht).
- Erfahrbarmachen des Rheins
- Belebung des Übergangs
- Angemessenes Verhältnis von bestehender Brücke und den Stadtbauten                        Rahmenbedingungen
  in der Umgebung                                                                           Betonbrücke                   Seitliche Auskragung im Trottoirbereich kann
                                                                                                                          abgebrochen werden. Fahrbahn kann auf 9.0 m
Die bestehende Brücke von 1963 wird periodisch unterhalten und in-                                                        reduziert werden. Unterführung Kantonssstrasse
standgesetzt. Wenn keine andere Perspektive aufgezeigt werden kann,                                                       bleibt bestehen. Das neue Bauwerk darf die be-
wird dies auch über die nächsten Jahrzente weiter so gehandhabt.                                                          stehende Brücke nur bedingt belast (s. Beschrieb
                                                                                                                          Schwartz S. 13)
Architektur und Ingenieurbauwerke
Als Einstieg in das Thema C wird die Professur für Tragwerksentwurf,                        Hochwasser                    Hochwasserstände und Lichtraumprofile bei
Prof. Dr. Joseph Schwartz einen Vortrag anbieten. Dies wird als Grund-                                                    Brückendurchlässen sind keine amtlichen Festle-
lage verstanden, um ein Brückenbauwerk als räumlich-konstruktiven                                                         gungen, sondern das Resultat einer hydrologisch-
Entwurf zu entwickeln.                                                                                                    hydraulischen, bauwerksspezifischen Bemessung
                                                                                                                          im Einzelfall. Im Entwurf ist ein Verständnis für
                                                                                                                          die Problematik zu berücksichtigen.
Programm
Bauwerk über den Rhein in Ilanz unter Einbezug                                              Rhätische Bahn                Das Bahntrassee bleibt bestehen, die Perrons sind
der bestehenden Vorderrheinbrücke.                                                                                        neu gebaut. Der Gleisübergang am Brückenkopf
                                                                                                                          Süd ist mit Schranken geregelt, er bleibt bestehen.
Brückenbauwerk          Spannweite ca. 50 m, teilweise gedeckt                                                            Wettbewerb zur Neugestaltung des Bahnhofes
                                                                                                                          läuft 2020.
Nutzung                 Fussgängerbereich, Aufenthalt, Wahrnehmung
                        des Flusses und des Flussraumes, gewerbliche
                        Nutzung, Fahrbahn (PW, Postauto, Gewerbe).

                                                 ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                                12
                                                             Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Fachliche Unterstützung                                                                     führen. Auch die Erneuerung der Abdichtung und des Fahrbahnbelags
                                                                                            erfolgt in diesen Zeitintervallen. Weitergehende Massnahmen wie bei-
                                                                                            spielsweise statische Verstärkungen, häufig bedingt durch Nutzungsän-
                                                                                            derungen, werden falls erforderlich so ausgeführt, dass die einsehbare
Tragwerksplanung                                                                            Form des Tragwerks möglichst nicht verändert wird.

Brücke in Ilanz – Thema C – Professur Gion Caminada                                         Bei Flussbrücken ist das Hochwasser zu beachten. Einerseits sind die
Tragwerks- und brückentechnische Überlegungen                                               Fundationen so auszulegen, dass sie nicht unterschwemmt werden kön-
Prof. Dr. Joseph Schwartz                                                                   nen. Anderseits ist dafür zu sorgen, dass das Hochwasser selbst weder
                                                                                            die Stützen noch den Brückenträger beschädigen kann. Einerseits wird
Die Spannbetonbrücke in Ilanz von Christian Menn ist ein technischer                        aus hydraulischen Berechnungen ein Durchlaufprofil mit maximaler
Zeitzeuge des modernen Brückenbaus der Nachkriegszeit, angetrieben                          Hochwasserkote festgelegt, welche die tiefstmögliche Unterkante des
durch die vormals undenkbaren Schlankeitsverhältnisse ermöglicht                            Brückenträgers definiert. Weiter ist zu beachten, dass die gesamte Ober-
durch die Vorspannung. Die Brücke ist ein sogenanntes Balkentragwerk                        fläche unterhalb der Rücke glatt und ohne Versprünge ausgebildet wird,
mit einer Hauptspannweite von 50 m und einer Nebenspannweite von                            damit kein Geschiebe hängen bleiben kann, was zu einem Wasserstau
11 m. Die Breite der Brücke beträgt 12 m, und ihr Querschnitt ist als                       mit grossem Schadensrisiko am Brückenträger führen könnte.
mehrzelliger geschlossener Kastenquerschnitt mit fünf Stegen ausgebil-
det, und weist auf beiden Seiten eine 2.2 m auskragende Fahrbahnplatte                      Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, eine Brücke umzunutzen. Die
auf. Die Brücke ist bei sowohl bei den Endauflagern als auch bei der                        Brücke wurde für eine Verkehrslast bemessen. Diese Verkehrslast kann
scheibenartigen, monolithisch mit dem Brückenträger verbundenen Mit-                        durch alternative Lasten ersetzt werden. So ist es vorstellbar, eine Leicht-
telstütze, dem Flussverlauf entsprechend schief gelagert und flachfun-                      baukonstruktion auf die Brücke zu stellen. Höhere Lasten setzen ent-
diert. Über allen drei Auflagerlinien sind innerhalb des Brückenträgers                     weder eine Ergänzung parallel zur Brücke voraus, oder aber einen direk-
Querscheiben angeordnet.                                                                    ten Eingriff in die Brückenkonstruktion. Versteckte Verstärkungen des
Die Brücke wurde in Längsrichtung in den 5 Stegen mittels parabelförmi-                     Brückenträgers sind wegen der grossen Schlankheit bei der vorliegenden
ger Kabel stark vorgespannt, wodurch die ausserordentliche Schlankheit                      Brücke nicht zielführend. Eine vertikale Ergänzung im Sinne von Schei-
ermöglicht wurde. So weist die Brücke bei einer Hauptspannweite von                         ben, Fachwerken, usw. ist vorstellbar. Werden entsprechende Elemente
50 m eine statische Höhe von lediglich knapp 1.5 m auf. Der Brücken-                        kraftschlüssig mit dem bestehenden Brückenträger verbunden, resultiert
balken wird infolge seiner fünf Stege quasi zu einer Platte mit prisma-                     eine sehr effiziente Tragwirkung in Brückenlängsrichtung von Auflager
tischen Aussparungen in Längsrichtung, was der Schlankheit zusätzlich                       zu Auflager. Die Anforderungen an die Gestaltung sind in dem Fall hoch.
zugutekommt. Bei den grösseren Unterhalts- und Instandsetzungsarbei-                        Möglich ist auch ein zusätzliches scheiben- oder volumenartiges Trag-
ten, welche in einem Zeitraster von ca. 20 Jahren durchgeführt werden                       element, welches autonom von Auflager zu Auflager zu Auflager spannt.
müssen, sind in der Regel Arbeiten an den Betonoberflächen erforderlich,                    Dieses kann entweder neben oder auch oberhalb des Brückenträgers an-
da die fortschreitende Karbonatisierung sowie die Schäden am Beton in-                      geordnet werden.
folge Frost- und Tausalzeinwirkung häufig zu Korrosion der Bewehrung

                                                 ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                              13
                                                             Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Begleitfächer

Bautechnologie und Konstruktion BUK                                        / BUK
                                                                           Bautechnologie und Konstruktion / Dozentur Mettler/Studer
                                                                           IEA / Departement für Architektur / ETH Zürich

                                                                           Begleitfach Konstruktion

                                                                           Zielvorstellung des Begleitfaches Konstruktion ist es, auf die Komplexität der Baurealität - soweit in der Schule
                                                                           möglich und in für das Projekt wichtigen Teilbereichen - bewusst und nachvollziehbar einzugehen, z.B. durch die
                                                                           Anwendung des im Studium und im Praktikum erarbeiteten Grundlagenwissens (wie Konstruktion, Material-
                                                                           kenntnisse, Tragstruktur, Bauphysik, Haustechnik, Ökologie, Ökonomie usw.)

                                                                           im Arbeitsprozess zu berücksichtigen sind z.B.:

                                                                                •    eine bewusste Analyse
                                                                                •    das Denken in Varianten
                                                                                •    ein Umgang mit erhöhter Komplexität
                                                                                •    das konstruktive Entwickeln als Teil des Entwurfes
                                                                                •    das Gestalten mit realen Materialien
                                                                                •    ein bewusster, auch gestalterischer Umgang mit dem konstruktiven Ort *: Sockel, Wand, Öffnung, Dach
                                                                                •    das Einbeziehen heutiger Auflagen wie Dämmvorschriften, Schallschutz, Raumakustik, Feuerpolizei

                                                                           die konstruktive Bearbeitung soll nachvollziehbar sein, z.B. an:

                                                                                •    Projektpläne, Perspektiven, Modelle, etc.
                                                                                •    Konstruktions-Pläne, -Modelle, -Skizzen, etc. (die auch die Gestaltung präzisieren)
                                                                                •    Ein Bericht, der den Arbeitsprozess dokumentiert

                                                                           Die konkreten Anforderungen werden im Laufe der Projektbearbeitung, anlässlich einer Konstruktions-Zwischen-
                                                                           kritik mit /BUK und/oder nach der 2. Entwurfs-Zwischenkritik festgelegt.

                                      ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                                               14
                                                  Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Begleitfach Kunst

                                             Prof. Karin Sander

                                             Dozentur Zilla Leutenegger, Matthias Wermke
Kunst

                                             Zielsetzung

                                             Die Kunst ist der Bereich, in dem Wahrnehmungs- und Begriffsrealitäten
                                             immer neu erzeugt werden. Diese Form des Wissens, welche die Kunst
                                             hervorbringt, kommt im Begleitfach zur Anwendung. Der Entwurfstätig-
                                             keit werden künstlerisches Denken und Arbeiten zur Seite gestellt. Im
                                             Dialog der Methoden von Architektur und Kunst soll insbesondere das
                                             jeweilige konzeptuelle Vorgehen präzisiert werden. Zudem wird Wert dar-
                                             auf gelegt, dem Entwurfsergebnis durch künstlerische Mittel Ausdruck zu
                                             verleihen.

                                             Leistungen

                                             Diese methodischen Reflexionen fliessen integriert in den Entwurf ein.
                                             Eine zusätzliche Abgabe wird nicht verlangt. Jedem einzelnen Schritt des
                                             Entwurfs, von der Ideenfindung über die Detaillierung bis zur Darstel-
                                             lung, soll jedoch ein selbstbewusst gestalteter und nachvollziehbarer Ar-
                                             beitsprozess zu Grunde liegen. Dazu gehört auch die produktive Nutzung
                                             intensiver Arbeitsgespräche und Kritiken. Ein konsequent durchdachter
                                             Arbeitsprozess ist die Bedingung für eine eigenständige Abgabe, auf die
                                             das Begleitfach Architektur und Kunst mit Bedacht einwirkt.
                                             Teilnahmebedingungen : Sämtliche Diplomanden können das Begleitfach
                                             belegen.

                                             Die Arbeitsgespräche sowie die Teilnahme an den Kritiken erfolgen in
                                             Absprache mit den Diplomanden und den jeweiligen Professuren.

                                             Zilla Leutenegger, mail@zilla.ch

        ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                      15
                    Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Abgabe                                                                              Termine

Übersicht        Übersichtsplan Mst offen                                           Ausgabe Master                Montag, 14. September 2020
                 Erfassen von Lage in der Landschaft, Flussver-                                                   17:00 Zoom-Konferenz
                 lauf und Ortschaft                                                                               online: https://ethz.zoom.us/j/91015132668

Situation        Situationsplan Mst 1:500                                           Begehung                      Dienstag, 15. September 2020
                                                                                                                  15:30 Ilanz (Brücke befindet sich gleich am
Projekt          Projektpläne Mst 1:100 / 1:50                                                                    Ende des Bahnhof-Areals)
                 Sämtliche zum Verständnis des Projektes not-
                 wendigen Grundriss, Schnitte und Ansichten                         Themenwahl                    Freitag, 18. September 2020

Konstruktion     Details 1:20                                                       Bestellung Modell             Freitag, 18. September 2020
                 In Absprache mit Dozentur Bautechnologie
                 und Konstruktion BUK ein für den Entwurf                           Modellausgabe                 Freitag, 25. September 2020
                 wesentlicher konstruktiver Ort.                                                                  HIL A Rampe und ONA Rampe

Darstellung      Visualisierungen                                                   Vorlesung Tragwerk            Mittwoch, 30. September 2020
                 Spezifische für das Verständnis des Projektes                                                    13:30 ETH Hönggerberg
                 aufschlussreiche Darstellungen
                                                                                    Zwischenkritiken              in Absprache mit der Diplomprofessur
Modelle          Situationsmodell 1:500
                 Gipsmodell als Grundlage                                           Abgabe                        Donnerstag, 3. Dezember 2020
                                                                                                                  18:30 ETH Hönggerberg Ebenen D und E
Prozessbuch      Erläuterungen, Prozessnotizen                                                                    (Vorbehalten anderweitige Weisungen des
                                                                                                                  Departementes aufgrund ausserordentlicher
Urheberzeugnis   Unterzeichnetes Urheberzeugnis                                                                   Lagen)

Umfang           4 Stellwände à 120x180 cm (8 Formate                               Ausstellung		4. Dezember 2020 - 8. Januar 2021
                 A0quer) werden für jede Master-Arbeit zur                                                        ETH Höggerberg Ebenen D und E
                 Verfügung gestellt.                                                                              (Vorbehalten anderweitige Weisungen des
                 (Vorbehalten anderweitige Weisungen des                                                          Departementes aufgrund ausserordentlicher
                 Departementes aufgrund ausserordentlicher                                                        Lagen)
                 Lagen)

                                         ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                                 16
                                                     Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Planungsgrundlagen

Pläne                  Situation mit Höhenkurven 0.5m
                       AV-Daten dxf-, dwg-Datei

                       Holzbrücke 1850/51
                       Plandarstellungen pdf aus Publikation

                       Beton-Brücke 1963
                       Übersichtsplan Projekt 1:100/1:50/1:20; pdf
                       Projektplan Grundriss 1:300, Längschnitt
                       1:300, Querschnitt 1:100, Baujahr 1963; pdf
                       Bauarchiv Kantonales Tiefbauamt Graubünden

Modell                 Gipsmodell                                                          Modellausschnitt:
                       Mst 1:500, Ausschnitt 40x50 cm
                       (Bestellung mit Anmeldung und Themenwahl
                       beim Studiensekretariat. Preis von ca. 250.-
                       wird den Studierenden direkt verrechnet)

Bildmaterial           Historische Fotos
                       jpg-Dateien                                                                                      Viafier Retica

Projekte und           Div. Unterlagen zur Ortsplanung Ilanz
Planungen

Unterlagen ab 14. September 2020 als Download verfügbar unter:
https://go.ethz.ch/diplomthema

                                               ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                    17
                                                           Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Literatur

Ilanzer Stadtgeschichten, Gemeinde Ilanz/Glion, Hrsg)
Autoren: Heinz Gabathuler, Dr. Martin Bundi, Dr. Adrian Collenberg, Silke Margherita Redolfi, Dr. Leza Dosch, 2015

Erinnerungen an Ilanz, Christian Candreja, 2015

Richard La Nicca, Bilder der Baukunst, Casanova Druck (Hrsg),
Verlag: Bündner Monatsblatt, 2006

                                                  ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit   18
                                                              Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Anhang

Texte            Bau- und Bildwerke                                     20
                 Leza Dosch

                 Der Rhein und die Holzbrücke,                   38
                 Erinnerungen an Ilanz, Christian Candreja, 2015

Brücken          Zeichnung Holzbrücke um 1840                           41

                 Holzbrücke 1851 - 1962                                 42
                 Div. Fotos aus Archiven und Publikationen

                 Holzbrücke 1850/51                                     44
                 Plandarstellungen aus Publikation

                 Betonbrücke Bestand heute                              45
                 Objektinformation Tiefbauamt Graubünden,

                 Betonbrücke 1963                                  46
                 Übersichtsplan Projekt 1:100/1:50/1:20, verkleinert

Planunterlagen   Historische Entwicklung 1865 - 2013                    47

                 Situation Mst 1:500                                    48
                 Situation Mst 1:2‘000                                  49
                 Situation Mst 1:10‘000                                 50

Themen           Verkehrsprojekt Umfahrung Ilanz                        51
                 Rhein-Verlauf von Surselva bis ins Meer                52
                 Rhein / Fluss als Lebensraum                           53

Referenzen       Diverse                                                54

                                          ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit   19
                                                      Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Bau- und Bildwerke | Leza Dosch

                                                                                                                                   BAU- U N D BI LDWERKE
                                                                                                                                   Leza Dosch

                                                                                                                                   In seiner überschaubaren Grösse und mit dem erhaltenen Bestand bietet Ilanz ein gu-
                                                                                                                                   tes Beispiel für das Zusammenwirken von Architektur, bildender und angewandter
                                                                                                                                   Kunst. Vom Ganzen des Stadtkörpers und der Quartiere soll auf das Kleine der einzel-
                                                                                                                                   nen Bauten und Bildwerke vorgedrungen werden. Im Vordergrund stehen Aspekte
                                                                                                                                   der Gestaltung, der Bautypologie und der auf den erzählerischen Inhalt zielenden
                                                                                                                                   Ikonografie. Von Interesse ist aber auch stets der kultur- und sozialgeschichtliche
                                                                                                                                   Hintergrund.1

                                                                                                                                   STADTGESTALT
95 |   Die Stadt in der Landschaft. Ilanz von Quinclas aus.                                                                        Prägend für die einzige Stadt der Surselva und des einstigen Oberen Bundes ist ihre
                                                                                                                                   Lage in der muldenförmigen Landschaft der Gruob (romanisch Foppa) und die Aus-
                                                                                                                                   breitung beidseits des Rheins. Verkehrsgeografisch ist die Stadt Schnittpunkt der
                                                                                                                                   Talstrassen von Flims und von Versam her sowie der Fortsetzung Richtung Disentis, ins
                                                                                                                                   Lugnez und nach Vals. Wie bei einem Spinnennetz gehen von Ilanz zudem die Stras-
                                                                                                                                   sen in die ringsum gelegenen Dörfer ab; dies veranschaulicht heute noch der gemeinsa-
                                                                                                                                   me Start der verschiedenen Postautokurse am Bahnhofplatz.

                                                                                                                                   Die Altstadt liegt etwas erhöht über dem alten Ufer des damals in breiten Bahnen flies-
                                                                                                                                   senden Rheins, mit dem stets die Gefahr von Überschwemmungen verbunden war. Noch
                                                                                                                                   höher, am Eingang ins Lugnez, befindet sich bei der ehemaligen Pfarrkirche St. Martin
                                                                                                                                   ein kleiner, alter Siedlungsteil, Ober-Ilanz genannt. Jenseits des Rheins schliesst die Vor-
                                                                                                                                   stadt St. Nikolaus (Sontga Clau) an. Markantes Bauwerk zwischen Altstadt und Sontga
                                                                                                                                   Clau war die alte, verschiedentlich erneuerte Rheinbrücke. Erst im Laufe des 19. und
                                                                                                                                   20. Jahrhunderts wuchsen Überbauungen der Stadterweiterung teppichartig auf der
                                                                                                                                   urbarisierten Rheinebene, auf dem Gelände westlich des Glenners (Glogn) sowie in
                                                                                                                                   neuerer Zeit den nach Süden ausgerichteten Berghang gegen Ruschein hinauf.

                                                                                                                                   DAS I LAN Z JAN H AC KA E RT S (17. JA H RH U NDE RT )
                                                                                                                                   Die erste bekannte Ansicht von Ilanz ist zugleich die künstlerisch bedeutendste. Mit
                                                                                                                                   den sparsamen Mitteln einer Zeichnung gelang es dem holländischen Maler Jan Hack-
                                                                                                                                   aert 1655, die atmosphärische Wirkung eines Städtchens am Fusse der Berge einzufan-
                                                                                                                                   gen. Die Landschaft ist ausserordentlich plastisch wiedergegeben. Auf seinen Erkun-
                                                                                                                                   dungsreisen durch die Schweiz und durch die Drei Bünde hielt der Zeichner eine grosse
96 |   Jan Hackaert, Ilanz gegen Süden, 1655. Schwarze Kreide, grau laviert.                                                       Anzahl an Gegenden fest. Der vorromantische Charakter der Blätter lässt vergessen,

340                                                                                                                                                                                                                                           341

                                                                                          Anhang Bau- und Bildwerke Leza Dosch
                                                                               ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                                                      20
                                                                                           Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Bau- und Bildwerke | Leza Dosch

97 |   Orientierungsplan 1: 2000, um 1957.

342                                                                                                                                                     343

                                             ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                  21
                                                         Prof.Gion A. Caminada    Thema C
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      dass diese für holländische Kaufleute und Militärs einen praktischen Zweck haben                                         im Bereich des späteren Schul- und heutigen Rathauses. Dahinter stand die Casa Gri-
      konnten, ging es doch auch darum, Transitwege in den Süden zu erkunden.                                                  scha, zwischen dieser und dem Untertor ein hoher, auf drei Seiten freistehender Turm
                                                                                                                               mit geschweiften Giebeln und Laterne. Nach dem Durchschreiten des Tors erreichten
      Auf dem Ilanzer Blatt spielen die Verkehrsverbindungen allerdings eine untergeordnete                                    Passanten und Passantinnen über die heutige Rathausgasse oder Städtlistrasse die Via
      Rolle. Der strategisch entscheidende Punkt der Rheinbrücke fehlt. Stattdessen erkennt                                    Porta Sura und damit das Obere Tor; vor diesem begann die Strasse ins Lugnez. Abseits
      man Feldwege und Einfriedungen im Vorgelände der Stadt und sehr deutlich den Auf-                                        dieser Stadtdurchquerungen liegt die Kirche St. Margarethen mit dem Burgturm. In noch
      stieg nach St. Martin. Die Stadt selbst geht in der Landschaft fast unter. Eingermassen                                  stärkerem Masse als in Chur hat man sich das Ilanz intra muros als sehr ländlich vorzu-
      markant treten immerhin die Kirche und der Turm von St. Margarethen hervor; darum                                        stellen. Neben den Bürger- und den barocken Herrschaftshäusern standen Gewerbebau-
      herum liegen die einzelnen Häuser und der westliche Teil der Stadtmauer. Das Haus                                        ten und Bauernhäuser mit Ställen und Gärten. Ausserhalb der Mauern, vor dem Unter-
      Schmid am Obertor und die Casa Gronda waren 1655 noch nicht gebaut.                                                      tor, weitet sich der einzige grosse historische Platz der Stadt, der Landsgemeindeplatz.

      OB E R- I LAN Z                                                                                                          Die Silhouette der Altstadt wird von den erhaltenen Teilen der Stadtbefestigung sowie
      Im Testament des Churer Bischofs Tello von 765 wird die Martinskirche und ein Gross-                                     den dazwischen aufragenden Türmen und Herrschaftshäusern bestimmt.
      hof der Victoriden genannt.2 Erstere befindet sich auf der Geländeterrasse von Ober-
      Ilanz. Hier lag wahrscheinlich das Zentrum des Grosshofes (vicus), der noch im 14. Jahr-                                 S ON TGA C LAU
      hundert Standort des Belmonter Meierhofes war.3 Unklar ist die Identifizierung einer im                                  Jünger als Ober- und Unter-Ilanz, aber immer noch mittelalterlich ist das Siedlungsge-
      Tellotestament ebenso aufgeführten Marienkirche. St. Martin war Pfarrkirche von Ilanz,                                   biet von Sontga Clau links der Rheinbrücke. Einen zeitlichen Anhaltspunkt für die Ent-
      aber auch der Dörfer Flond, Luven (nach 1348/50) und Strada und damit, ähnlich wie                                       stehung dieser Vorstadt gibt wiederum ein Sakralbau, die 1408 geweihte und nach der
      Pleif im Lugnez, Zentrum eines grösseren Sprengels. Nach der Vorstellung des Kunst-                                      Reformation zerfallene St. Nikolauskapelle. 1903 wurden ihre Überreste und jene eines
      denkmäler-Autors Erwin Poeschel bildete die Kirche St. Martin zusammen mit dem                                           benachbarten Hospizes entdeckt.
      Pfarrhaus eine mit einer Ringmauer befestigte Kirchenburg (civitas). 1537 ist noch von
      einer Hofstatt bei St. Martin die Rede. Wesentlich grösser wird der mittel- und nachmit-                                 Die Verbindung zwischen Sontga Clau und der Altstadt schuf die hölzerne Rheinbrü-
      telalterliche Siedlungsteil von Ober-Ilanz kaum gewesen sein; archäologisch konnte er                                    cke. Auf einer Federzeichnung von Johann Caspar Ulinger präsentierte sie sich um
      bisher nicht nachgewiesen werden.                                                                                        1730 als ungedeckte Konstruktion. Ansichten des frühen 19. Jahrhunderts überliefern
                                                                                                                               eine gedeckte Holzbrücke; Darstellungen der Zeit um 1840 differenzieren zwischen
      In kleinerem Ausmass und auf niedrigerer Hierarchiestufe stellte St. Martin städtebau-                                   einer gedeckten Brücke und einer ungedeckten Vorbrücke auf der Seite der Innen-
      lich ein Pendant zur kirchlichen Oberstadt von Chur, dem Bischöflichen Hof, dar. Be-                                     stadt.5 Wenn man dem Zeichner Héron Glauben schenken darf, bestand der südlichste
      festigt wirkt St. Martin auch heute noch, auch wenn die Ummauerung wie in Pleif                                          Teil der Vorbrücke 1839 lediglich aus einem schmalen Steg.6
      lediglich aus der niedrigen Einfriedung eines Friedhofs besteht. Sie grenzt den sakralen
      Gottesacker und den Umraum der Kirche vom profanen Wiesland ab.                                                          Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde Sontga Clau zum Quartier der katholischen
                                                                                                                               Kongregation St. Joseph, die hier – in einigem Abstand zum damals noch protestanti-
      UN T E R- I LAN Z                                                                                                        schen Stadtzentrum – das Mutterhaus der Ilanzer Schwestern, eine Schule und ein
      In Unter-Ilanz bestand vielleicht seit frühmittelalterlicher Zeit ein zum Grosshof gehören-                              Spital sowie deren Nachfolgebauten errichtete.
      der Teilhof (Hube).4 Dieser wird den Entwicklungskern der heutigen Altstadt gebildet ha-
      ben. 1289 bezeichnet man Ilanz als oppidum (Stadt). Stadtgründer waren die Freiherren                                    E RW E I T E RU N G SG E B I E TE
      von Frauenberg, deren Nachfolger ab 1305/1314 die Belmonter, unter deren Vogtei Ilanz                                    Erstes Ilanzer Stadterweiterungsgebiet ist das Gelände zwischen Rhein und Glenner im
      im 14. Jahrhundert stand. 1483 wütete in Unter-Ilanz der Stadtbrand, der offenbar weite                                  Norden und Nordosten der Altstadt. Um 1800 existierten hier lediglich vereinzelte Häu-
      Teile des Baubestands zerstört hat.                                                                                      ser; die einsetzende Verdichtung in diesem Gebiet lässt sich auf Ansichten der ersten
                                                                                                                               Hälfte des 19. Jahrhunderts nachverfolgen.7 Auf einem Ölgemälde der Zeit um 1840 er-
      Architektonisch setzte sich eine Stadt durch Stadtmauern und Stadttore von Dörfern ab.                                   scheint der Rhein durch Wuhren gesichert.8 Eine erste Entwicklungsachse bildete die
      Diese Anlagen erschienen umso markanter, als die Umgebung gänzlich unbefestigtes                                         Via Centrala Richtung Rheinbrücke, die nun beidseits überbaut wurde, eine zweite die
      Agrarland war. Der Umriss der alten Stadt Ilanz bildet ein unregelmässiges Fünfeck, das                                  vorerst locker mit Häusern gesäumte Glennerstrasse Richtung Castrisch und Versam.9
      von Mauern und vier Toren begrenzt wurde. Einfallstor im Norden war das Untere Tor                                       An bester Lage, an der Kreuzung dieser beiden Hauptachsen, konnte die katholische

344                                                                                                                                                                                                                                    345

                                                                           ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                                                  22
                                                                                       Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Bau- und Bildwerke | Leza Dosch

                                                                                                                                                           Kirchgemeinde 1877 bis 1879 ihre Pfarrkirche errichten. Mit dem 1903 eröffneten Bahn-
                                                                                                                                                           hof erlangten die Gärten östlich der Via Centrala und nördlich der Glennerstrasse eine
                                                                                                                                                           neue Bedeutung als Bauland. Im Laufe der Jahrzehnte nahm dieses Areal die Form der
                                                                                                                                                           heutigen offenen Randbebauung an. Die Innenstadt zwischen Altstadt und Sontga Clau
                                                                                                                                                           weist eine gemischte Nutzung auf: Wohn- und Geschäftshäuser stehen neben Gasthäu-
                                                                                                                                                           sern und Bauten des öffentlichen Verkehrs.

                                                                                                                                                           Neuere Wohnüberbauungen zeichnen sich nach Süden, gegen Schlifras, und nordwest-
                                                                                                                                                           wärts, an der Hanglage unterhalb des neuen, in Quinclas gelegenen Klosters ab. Die
                                                                                                                                                           Expansion nach Süden wurde von Anlagen öffentlicher Nutzung unterstützt: dem Para-
                                                                                                                                                           diswäldli, dem neuen Schulhaus, der Gewerbeschule, dem Freibad in Fontanivas und
                                                                                                                                                           den Sportplätzen. Gewerbezonen, Einkaufszentren und Bürogebäude folgten hingegen
                                                                                                                                                           der Ost-West-Achse. Sie sind zwischen Poststrasse und Glenner, im Inner- Giessli, in
                                                                                                                                                           California und in Strada angesiedelt.

                                                                                                                                                          ARC H I T E KT U R
98 |   Stadt mit gedeckter Holzbrücke über den Rhein. Brücke erbaut 1850 / 51, abgebrochen 1962.
                                                                                                                                                           Den Hauptbestand der visuellen Kultur einer Siedlung macht die Architektur aus. Wäh-
                                                                                                                                                           rend ältere Bauten innerhalb der einzelnen Epochen eine gewisse stilistische Einheit-
                                                                                                                                                           lichkeit aufweisen, ist beim kaum mehr überschaubaren jüngeren Bestand das Gefälle
                                                                                                                                                           zwischen ästhetisch Bemerkenswertem und lediglich Gebautem gross. Im Folgenden
                                                                                                                                                           geht es um die erste Kategorie und um relevante ortsbildliche Beiträge.

                                                                                                                                                           STADT B E F E ST I G U NG U N D F RÜ H E ÖF F E NTLI CH E BAU T E N
                                                                                                                                                           Die aus Ringmauern und vier Stadttoren bestehende Ilanzer Stadtbefestigung entstand,
                                                                                                                                                           wie erwähnt, im Hochmittelalter. 1352 wurde sie ein Opfer der Belmontschen Fehde,
                                                                                                                                                           1483 des Stadtbrands. Von Reparaturarbeiten zeugt ein ins Jahr 1513 datiertes Meister-
                                                                                                                                                           zeichen des Peter Stachius am Obertor. Die umfassende Erneuerung der Stadtbefesti-
                                                                                                                                                           gung erfolgte erst im frühen 18. Jahrhundert und galt auch dem Roten Tor in der Nord-
                                                                                                                                                           westecke der Anlage und dem Oberen Tor. Teile der Ringmauer und die beiden Tore
                                                                                                                                                           haben sich bis heute erhalten. Das Schwarze Tor im Südosten der Stadtanlage wurde
                                                                                                                                                           nach einem Brand von 1801 abgebrochen, das Untere Tor 1842. Dieses stand beim heu-
                                                                                                                                                           tigen Rathaus und ist kurz vor seinem Abbruch auf Gesamtansichten der Stadt festge-
                                                                                                                                                           halten worden.10 Ein nachmittelalterliches Tor, das sogenannte Giessli-Tor, bot eine di-
                                                                                                                                                           rekte Verbindung aus der Stadt hinaus zu den Gütern nordwestlich der Stadt.11

                                                                                                                                                           Promotoren der Stadtbefestigung des frühen 18. Jahrhunderts waren die Familien
                                                                                                                                                           Schmid von Grüneck. Landammann Johann Wilhelm Schmid von Grüneck (1688–
                                                                                                                                                           1756) verpflichtete sich 1714 gegenüber der Stadt zum Bau der westlichen Stadtmauer
99 |   Die Stadtbefestigung.                                         100 |   Ein Paar Körbchen -Ohrringe, 8. Jahrhundert. Lango-
                                                                                                                                                           bis zum neuen Pferdestall seines Verwandten Oberst Christoffel Schmid von Grüneck
       Erhaltener Teil der Ringmauer an der Westseite.                       bardischer Goldschmuck aus dem Münzschatz von Ilanz.                          (1671–1730).12 An der Südostecke der Ringmauer entstand ein ins Jahr 1715 datierter

346                                                                                                                                                                                                                                                                347

                                                                                                        ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                                                  23
                                                                                                                    Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Bau- und Bildwerke | Leza Dosch

      Erker mit Schlüssellochscharten und zwiebelförmigem Helm. Ein Jahr später, 1716,                                       Mittelschiff auf die Seitenschiffe zu, hölzerne Tonnen überwölbten die Schiffe, eine
      liess sich Johann Gaudenz Schmid von Grüneck (1665 –1733) am Obertor als Auftrag-                                      Empore lag über dem Eingang. Südlich des Chors baute man eine Sakristei an. Auf die-
      geber dieses Tors, in Wirklichkeit seiner Umgestaltung, verewigen.13 Mit Unterstützung                                 se Bauphase gehen auch das spitzbogige Eingangsportal mit der originalen Holztüre,
      der in einer Inschrift verdankten protestantischen Städte Zürich und Bern erhielt das                                  der spitze Chorbogen und das Sterngewölbe des Chors zurück. Am Chorbogen sind
      Tor damals seinen stattlichen Oberbau: Es wurde nun zum Wahrzeichen der Stadt.14                                       das Werkzeichen des Baumeisters und die Jahreszahl 1448 sowie am südlichen Ansatz
      Der Unterbau trägt wie erwähnt die Jahreszahl 1513. Schlichter fiel demgegenüber das                                   das steinerne Wappen der Herren von Sax-Misox angebracht.21 Im Osten entstand ein
      wenig gegliederte Rote Tor aus. Stilistisches Merkmal seiner Zeit ist der geschweifte                                  eingezogener, gerade geschlossener Choranbau mit Masswerkfenster, der einen steilen
      Giebel; auf einen älteren, wiederverwendeten Bestand deuten die Schlitzscharten hin.                                   Treppenabgang zu einem gewölbten, ebenso um 1448 unter dem Chor angelegten
                                                                                                                             Gelass enthält. Man würde dieses gerne als Gruft der Sax-Misox ansprechen, wenn es
      Die baulichen Anstrengungen der Stadt als öffentlicher Körperschaft galten fast ganz                                   nicht kleine Öffnungen zum Kirchenraum besässe; zudem fehlen Spuren einer Vermau-
      der Bewehrung. Einer der wenigen sonstigen kommunalen Bauten war das Rathaus, die                                      erung. Vielleicht war das Gelass ein Beinhaus (Ossarium); die Öffnungen könnten auf
      1881 abgebrochene Casa Grischa. Sie stand hinter dem Untertor und ist auf einer                                        eine Zeremonie hindeuten, die in diesem Raum stattfand und im Kirchenraum akus-
      fotografischen Aufnahme überliefert.15 Wie auch in den Rathäusern von Chur und Da-                                     tisch mitvollzogen wurde. In Frage kommt dafür das Ritual der Totenspende.22 In ein-
      vos fanden in der Ilanzer Casa Grischa die Sitzungen des Bundstags der Drei Bünde                                      zelnen Beinhäusern standen noch in der Neuzeit Korntruhen zur Aufbewahrung des
      statt. Den Formen nach zu schliessen, wurde dem Haus im 17. Jahrhundert in der Nord-                                   Saatkorns, das bei Begräbnissen gespendet und an Arme weitergegeben wurde.
      ostecke ein dreigeschossiger, im Grundriss ungefähr quadratischer Turm vorangestellt.16
                                                                                                                             Als weitere Baudaten von St. Martin sind urkundlich eine Neuweihe der Kirche mit vier
      Brücken über den Rhein werden in Ilanz bereits seit hochmittelalterlicher Zeit bestan-                                 Altären am 15. Oktober 1500 und 1508 ein fünfter Altar erwähnt. 1663 ist das Abschluss-
      den haben; eine davon wird 1410 erwähnt.17 Bildlich überliefert ist im 18. Jahrhundert                                 jahr eines grossen Umbaus. Damals wurden die Seitenschiffarkaden abgebrochen und ein
      eine ungedeckte Konstruktion, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert eine kombinier-                                 grosser, erhöhter Saal mit gewölbter Leistendecke geschaffen. Grabplatten bedeckten den
      te Lösung mit gedeckter Brücke und ungedeckter Vorbrücke.18 1850/51 baute Zimmer-                                      Boden. Neben der Empore über dem Eingang entstand nun eine zweite an der nördlichen
      meister A. Faller mit der neuen, gedeckten Holzbrücke nach Plänen des Ingenieurs Ri-                                   Längsseite; auf der Südseite des Chorbogens stellte man die Kanzel auf. Seitliche Anbau-
      chard La Nicca eines der Wahrzeichen von Ilanz. 1931 wurde die Brücke um einen                                         ten mit rundbogigen Durchbrüchen erweiterten den Chor zu einer dreischiffigen Anlage;
      Trottoiranbau erweitert,19 1962 zum Bedauern der nachfolgenden Generationen abge-                                      dabei wurden offensichtlich Fenster des 15. Jahrhunderts wiederverwendet.
      brochen.
                                                                                                                             Für die Auswertung der Architekturtypologie lassen sich aus diesen Ergebnissen der
      ALT E P FARR K I RC H E ST. MART I N                                                                                   Bauarchäologie und der Archivforschung sowie aus der Beobachtung am Bau bemer-
      Die heutige Begräbniskirche St. Martin war bis kurz vor der Reformation von 1526                                       kenswerte Schlüsse ziehen. Aus dem Saal mit eingezogener Apsis wurde im 14. und
      Ilanzer Pfarrkirche. Archäologische Untersuchungen anlässlich der Restaurierung von                                    15. Jahrhundert ein dreischiffiger Grundriss mit einschiffigem, gerade geschlossenem
      1984 bis 1986 haben acht Bauphasen vom 8. bis zum 17. Jahrhundert unterschieden;                                       Chor. Einziges Vorbild für diesen Typ war in Graubünden die romanische Kathedrale
      der Hauptbestand ist mittelalterlich.20 Einzelfunde datieren aus dem 6./ 7. Jahrhundert;                               Chur. Ein zweites Mal wurde das Schema im späten 15. Jahrhundert bei der unter Ein-
      vermutlich im 8. Jahrhundert entstand ein Saal mit eingezogener Apsis, wohl im                                         bezug romanischer Mauerteile neu erbauten Klosterkirche Churwalden wiederholt.23
      12. Jahrhundert eine Erweiterung im Westen. Im frühen 13. Jahrhundert kam nördlich                                     Im Aufriss unterscheiden sich die Anlagen: Die Churer Kathedrale ist eine Basilika, die
      des Eingangsbereichs der heutige, um 1448 erhöhte Glockenturm dazu.                                                    spätmittelalterlichen Kirchen von Ilanz und Churwalden sind Staffelhallen.

      Wie man annimmt gegen Ende des 13. Jahrhunderts brach ein Brand aus. Erste wesent-                                     Der Choranbau von St. Martin kann als Ausdruck nachlassender architektonischer
      liche Vergrösserung war der Neubau des leicht trapezförmigen Chors (Anfang 14. Jahr-                                   Symbolkraft im Spätmittelalter interpretiert werden. Axialer Anbau an das Presbyte-
      hundert). Nach einem weiteren Brand Ende des 14. Jahrhunderts folgten um 1400 die                                      rium (Priesterhaus) der Kathedrale Chur ist das eingezogene, gerade geschlossene
      Seitenschiffe des Saals, die im Westen nur bis an den Turm heran geführt sind; Teile                                   Altarhaus, das den Flucht- und liturgischen Höhepunkt der Kirche darstellt. Nach
      des südlichen Seitenschiffes besserte man in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus.                               aussen hin erscheint auch der Choranbau von St. Martin als Altarhaus, in seinem
      Die damaligen Herren der Gruob, die Grafen von Sax-Misox, waren vermutlich die Auf-                                    Innern ist er jedoch das Gehäuse für den Treppenabgang zur Gruft. Dem gut sichtbaren
      traggeber eines weiteren Umbaus der Zeit um 1448. Damals wurden Langhaus, Chor                                         romanischen Westzugang der Churer Kathedrale zur Krypta steht in Ilanz der eher ver-
      und eben auch der Turm erhöht. Je eine Rundsäule und zwei Arkaden öffneten das                                         borgene gotische Ostzugang zur Gruft gegenüber. Inwieweit Vorbilder bei den spät-

348                                                                                                                                                                                                                                  349

                                                                         ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                                                  24
                                                                                     Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Bau- und Bildwerke | Leza Dosch

                                                                                                                                     mittelalterlichen Umbauten von St. Martin überhaupt eine Rolle spielten, weiss man
                                                                                                                                     nicht. Interessant ist immerhin, dass auch noch eine Massnahme aus protestantischer
                                                                                                                                     Zeit, die Erweiterung des einschiffigen zum dreischiffigen Chor im 17. Jahrhundert,
                                                                                                                                     seinen typologischen Vorläufer in der Bischofsstadt Chur hat: in der spätromanischen
                                                                                                                                     Anlage der ehemaligen Klosterkirche St. Luzi.24 Pragmatisch gesehen ging es in Ilanz
                                                                                                                                     allerdings wohl um eine möglichst einfache Vermehrung von Sitzplätzen.

                                                                                                                                     RE FOR M I E RT E PFAR RK I RCHE ST. MARGARE T H EN
                                                                                                                                     765 wird im Tellotestament mit Bezug auf Kirchen der Gruob ausser St. Martin auch
                                                                                                                                     eine Marienkirche genannt. Dafür kommt die Kirche in Sagogn oder jene in Unter-Ilanz
                                                                                                                                     in Frage, die im 13. Jahrhundert als Kapelle der hll. Maria und Margaretha überliefert
                                                                                                                                     ist.25 Im zweiten Fall würden Vorgängerbauten von St. Margarethen auf frühmittelalter-
                                                                                                                                     liche Zeit zurückgehen. Das jüngere Alter des heutigen Baus gegenüber jenem von
                                                                                                                                     St. Martin äussert sich bereits darin, dass sein spätmittelalterlicher Chor im Süden liegt,
                                                                                                                                     während die früh- und hochmittelalterliche Martinskirche nach Osten ausgerichtet ist.

                                                                                                                                     Mit der Erwähnung des St. Margarethentitels im 13. Jahrhundert wird gewiss die Kirche
                                                                                                                                     am heutigen Standort bezeichnet. 1288 ist von einem Neubau die Rede, 1385 von einer
                                                                                                                                     Neuweihe ausschliesslich als St. Margarethenkirche.26 Einige Jahre nach dem Stadt-
101 |   Die Kirche St. Martin. Langhaus mit dreischiffigem Chor ( Umbau 1663).                                                       brand von 1483 wurde die zerstörte Kirche in grösserer Form wiederaufgebaut. Ein
                                                                                                                                     Werkmeister Ulrich vollendete 1494 den Chor, der sogenannte Ilanzer Meister schuf
                                                                                                                                     das Schiff (über dem Chorbogen datiert 1518).27 Eine Konsekration des Neubaus mit
                                                                                                                                     vier Altären erfolgte 1500, die Schlussweihe 1520.28

                                                                                                                                     Der Chor erlaubt einen der seltenen Einblicke in die Aufgabenteilung zwischen Baumeis-
                                                                                                                                     ter und Steinmetz: Über der Fensterrose wurde die Baumeisterinschrift mit Jahreszahl
                                                                                                                                     1494 freigelegt, einzelne Werkstücke tragen Steinmetzzeichen. Meister Ulrich war dem-
                                                                                                                                     nach für den Chor als Gesamtbau zuständig, Sebold Westtolf schuf daran die Gewölbe-
                                                                                                                                     rippen, die Fenstermasswerke und den Wandtabernakel.29 Über Meister Ulrich ist ausser
                                                                                                                                     seiner Charakterisierung in der Baumeisterinschrift als discretus vir (ein zurückhaltender
                                                                                                                                     Mann) nichts bekannt, Steinmetz Sebold Westtolf stammte möglicherweise aus Nürn-
                                                                                                                                     berg und war in Ilanz mehrfach tätig. Sein Werkzeichen findet sich auch am Türgewän-
                                                                                                                                     de des Glockenturms neben der St. Margarethenkirche und am Haus Schmid am Obertor.
                                                                                                                                     Nach der Arbeit am Chor der Ilanzer St. Margarethenkirche stieg Westtolf zum Architek-
                                                                                                                                     ten auf: Vom Kärntner Andreas Bühler übernahm er den Bau von San Vittore in Poschia-
                                                                                                                                     vo und vollendete diesen 1503. Bühler seinerseits war als Mitarbeiter des Oberösterrei-
                                                                                                                                     chers Steffan Klain nach Graubünden gekommen. Dieser hatte 1491 mit der Churer
                                                                                                                                     St. Martinskirche rückblickend gesehen den Idealtypus des spätgotisch-churrätischen Kir-
                                                                                                                                     chenbaus geschaffen: ein längsrechteckiges, gewölbtes Schiff mit eingezogenem, dreisei-
                                                                                                                                     tig geschlossenem und ebenfalls gewölbtem Chor (nördliches Seitenschiff nachträglich).

                                                                                                                                     Die Ilanzer St. Margarethenkirche behauptet sich neben einem so stattlichen Vertreter wie
102 |   Kirche St. Margarethen. Langhaus (1518 ) mit eingezogenem Chor (1494).                                                       Andreas Bühlers fast gleichzeitiger reformierter Pfarrkirche von Thusis (1491–1506). Die

350                                                                                                                                                                                                                                            351

                                                                                 ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                                                   25
                                                                                             Prof.Gion A. Caminada    Thema C
Bau- und Bildwerke | Leza Dosch

      Breite des Schiffs verleiht dem Raum ein stattliches Aussehen, das durch die Plastizität                                Die Reihe der barocken Schmid-Häuser setzt mit der Casa Carniec, dem heutigen
      des Gewölbes, die ornamentale Wirkung seiner stern- und rautenförmig ausgelegten Rip-                                   Museum Regiunal Surselva, ein. Wandmalereien der Renaissance im ehemaligen Festsaal
      pen, seine Bemalung und die reichliche Belichtung einen festlichen Charakter annimmt.                                   weisen auf eine frühere Bautätigkeit in der Mitte des 16. Jahrhunderts hin. Die beiden
      Zum architektonischen Reichtum tragen die hohen, mit Masswerken ausgestatteten Spitz-                                   offenbar 1710 gestalteten Hauseingänge integrieren zwei Schmidsche Wappensteine: das
      bogenfenster und die Fensterrose des Chorabschlusses bei (verdeckt durch die Orgel).                                    Allianzwappen des Wilhelm Schmid von Grüneck und seiner Gemahlin Mierta von Mont
                                                                                                                              von Vella (1611) und jenes des Jacob Wilhelm Schmid von Grüneck und seiner Gattin
      In der neu aufgebauten St. Margarethenkirche fanden 1526 die Ilanzer Religionsge-                                       Jacobea Schorsch aus Splügen (1710). Mit Wappen kombinierte Jahreszahlen beziehen
      spräche statt, die zur Verbreitung der Reformation in Graubünden führten. Auch Ilanz                                    sich generell auf Um- und Neubauten, können aber auch Präsentationen anlässlich der
      selbst schloss sich dem neuen Glauben an; die St. Margarethenkirche wurde protestanti-                                  Inbesitznahme des Hauses oder der Hochzeit des Hausherrn und der Hausherrin sein.
      sche Stadtpfarrkirche und im 17. /18. Jahrhundert für diese Aufgabe neu möbliert. 1934
      fand eine Restaurierung des Baus durch die Architekten Schäfer & Risch, 1986 bis 1990                                   Zweites grosses Haus der Familie ist das Haus Schmid am Obertor. Gemäss Poeschel
      durch Fortunat und Yvonne Held statt.                                                                                   wurde es 1594 von Landrichter und Podestà Hans Jakob Schmid von Grüneck erwor-
                                                                                                                              ben und ausgebaut und nach seinem Tod im Jahre 1660 von seinem Sohn Johann
      M I TT E LALT E RL I C H E U N D BAROC KE WOH N BAU T EN                                                                (Hans) Jakob erneut erweitert.36 Das von Initialen begleitete Allianzwappen des Hans
      Der Grundstein für einen Überblick über die historischen Profanbauten der Stadt Ilanz                                   und seiner Gemahlin Anna Schorsch aus Splügen erscheint sowohl über dem pracht-
      ist im Bürgerhaus- und im Kunstdenkmälerband Erwin Poeschels gelegt.30 Die frühen                                       vollen, mit Rustikaquadern verzierten Hauptportal (1680) als auch über der kleineren
      Haustypen der Vornehmen waren Wohntürme und Burgen. Der freistehende Turm bei                                           Türe (1660). Höhepunkt des Hauses jedoch ist der 1670 angefügte, im bündnerischen
      der St. Margarethenkirche diente bis 1438 als Wohnturm der Ministerialen und wurde                                      Bestand einmalige Saalbau, der mit seinem steilen Dach nach aussen hin wie ein selb-
      damals von der Stadt als Glockenturm erworben; 31 ein zweiter Wohnturm unbekannten                                      ständiger Turm aufragt.
      Standorts, die Tuor Capaul, wird 1486 genannt.32 Ausserhalb des Ilanzer Stadtareals be-
      fanden sich zwei Burgen: Grüneck östlich von Strada, unterhalb der Strasse nach                                         Wenige Jahre danach erbaute Landrichter und Podestà Johann Anton Schmid von
      Ruschein und Löwenstein auf Territorium der Gemeinde Schluein.33 Mit der ins frühe                                      Grüneck (1643 –1680) das grösste und architektonisch einheitlichste Schmid-Haus, die
      13. Jahrhundert datierten Burgruine Grüneck verbinden sich zwei grosse Ereignisse. Im                                   Casa Gronda. 1670 hatte er sich mit Dorothea von Planta-Wildenberg vermählt, 1677
      16. Jahrhundert, als die Burg vermutlich bereits Ruine war, verhalf sie der für die Ilanzer                             wurde der Neubau vollendet. 1708 heiratete der spätere Generalmajor Christoffel
      Stadtentwicklung massgebenden Familie Schmid zum Adelsprädikat von Grüneck. 1811                                        Schmid von Grüneck die Enkelin des Erbauers Elisabeth Dorothea Schmid von Grüneck
      und 1904 wurde am Fuss des Burgfelsens der Ilanzer Münzfund mit Münzen Karls des                                        (* 1692).37 Architektonisch steht die Casa Gronda in der Reihe etwa gleichzeitig errichte-
      Grossen und des Langobardenkönigs Desiderius gehoben (s. Quellen und Literatur).                                        ter Patrizierhäuser wie dem Haus von Oberst Paul Buol in Chur (heute Rätisches Muse-
                                                                                                                              um), dem Schlössli des Johann Gaudenz von Capol in Flims und dem Hof des Klosters
      Teile des ehemaligen Disentiser Klosterhofs sind im heutigen Haus Lutta an der Gassa                                    Disentis in Trun (Cuort Ligia Grischa). Stilistische Gründe liessen Poeschel annehmen,
      Steffan Gabriel Nr. 1 enthalten. Er wurde nach dem Stadtbrand von 1483 wieder aufge-                                    dass in Ilanz und in Flims derselbe Baumeister und derselbe Steinmetz tätig waren.38
      baut, 1893 ein weiteres Mal durch Brand schwer beschädigt und neu errichtet und trägt                                   Typisch für alle genannten Bauten sind der einfache, kubisch aufgefasste Baukörper, der
      heute ein spätklassizistisches Gepräge. Aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts hat                                  strenge Grundriss mit Mittelkorridor und die plastisch wirkenden Gewölbe. Zum Typus
      sich die heraldische Wandmalerei im heutigen Ladenlokal erhalten; aus spätgotischer                                     des Schlössli wurde das Herrschaftshaus durch einen angefügten Turm. Bei der Casa
      Zeit stammen ein Türgewände im Erdgeschoss, die gewölbte Balkendecke im 1. Ober-                                        Gronda überragt er das Haus und behauptet sich damit neben jenem von St. Margare-
      geschoss sowie der Inschriftenstein des Wiederaufbaus mit den Wappen des Klosters                                       then im Stadtbild. Die reicheren Räume des Hauses sind nach Norden, an die Gasse
      und des Abtes Johannes VI. Schnag (1483) über dem Hauseingang.34                                                        zum Roten Tor ausgerichtet. Die rückwärtigen Erdgeschoss-Räume werden wie die Kel-
                                                                                                                              ler als Warenlager gedient haben. Im Erdgeschoss befinden sich die stuckierten Reprä-
      Bedeutendste Bauherren im Ilanz der Frühen Neuzeit waren die Mitglieder der Adels-                                      sentationsräume, die Obergeschosse nahmen die getäferten Stuben auf.
      familie Schmid von Grüneck.35 Ihr Aufstieg begann im späten 16. Jahrhundert und
      erreichte im 17. Jahrhundert mit dem Bau und Umbau dreier Herrschaftshäuser und im                                      Im Norden von Ilanz breiteten sich weite Gärten aus, deren Begrenzung das Gartenhaus
      frühen 18. Jahrhundert mit dem von der Familie vorangetriebenen Ausbau der Stadtbe-                                     der Familie Schmid von Grüneck anzeigt. Die Einraumanlage wurde 1710 von den Söhnen
      festigung ihren Höhepunkt. 1738 erlosch der Ilanzer Zweig des Geschlechts. Für über                                     des Hans Jakob Schmid von Grüneck, Johannes Gaudenz und Christoffel, erbaut und
      hundert Jahre ereignete sich danach in der Stadt baulich wenig Bedeutsames.                                             avancierte mit ihren vier geschweiften Giebeln zu einer Ikone des frühen Heimatschutzes.

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                                                                          ETH Zürich Departement Architektur   Herbstsemester 2020 Master-Arbeit                                                                  26
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