Frieden! Aber um welchen Preis? - Zwei Denkanstöße aus christlicher Sicht - kim-ekmrs Jimdo-Page!

 
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Frieden! Aber um welchen Preis? - Zwei Denkanstöße aus christlicher Sicht - kim-ekmrs Jimdo-Page!
August-September 2022

Ökumenische
Monatszeitung

                                   Frieden!
                     Aber um welchen Preis?
                     Zwei Denkanstöße
                     aus christlicher Sicht
Frieden! Aber um welchen Preis? - Zwei Denkanstöße aus christlicher Sicht - kim-ekmrs Jimdo-Page!
In dieser Ausgabe
                                                                             Evangelische                        Christus-Treff               34
                                                                             Kirchengemeinden                    Ev.-Freikirchliche
                                                                             Innenstadtgemeinden     15          Gemeinde (Baptisten)         34
Redaktionelle Themen                                                         Elisabethkirche         16          Anskar-Kirche Marburg        35
                                                                             Luth. Pfarrkirche       17          Freie ev. Gemeinde
Frieden! Aber um welchen Preis?                                              Universitätskirche      18          Marburg                      35
Zwei Denkanstöße aus christlicher Sicht                         4-11
                                                                             Lukas- und Pauluskirche 19          United Methodist Church
        „Meinen Frieden gebe ich euch“
                                                                             Evang. Gottesdienste 20-21          Christ Church Marburg        35
        von Johanna Haberer                                       4-7
                                                                             Matthäuskirche          22          Selbständ. Ev.-Luth.
        Gottes Allmacht und der Krieg
                                                                             Markuskirche            23          Kirche (SELK)                35
        von Jörg Garscha                                        8-11
                                                                             Kirche am Richtsberg    24
Burkhard von Dörnberg kommt als Dekan                                        Ev. Kirche Cappel       25
des Kirchenkreises Marburg                                         12                                            Katholische
                                                                             Evangelische                        Kirchengemeinden
Christus Treff wird 40 –                                                     Einrichtungen                       Liebfrauen                   30
festlicher Empfang zum Jubiläum                                    33        Ev. Jugend Marburg           26     St. Franziskuskirche         30
Schöpfungstag:                                                               Familienbildungsstätte       27     St. Johannes                 31
       Das Geschenk der Schöpfung                                  36        Diakonie                     28     St. Peter und Paul           31
       Petition für mehr Klimaschutz                              36        Kindertagesstätten           29     Kath. Gottesdienste          32
Bürgermeisterin Nadine Bernshausen                                           Ev. Gemeinschaften,                 Caritasverband Marburg       33
eröffnet Marburger Theologie- und Diakonieweg                      37        Kirchen und freie
                                                                             Gemeinden                           Sonst
Vollversammlung des Ökumenischen Rates                                       Gem. in der Ev. Kirche              Editorial                 3
der Kirchen erstmals in Deutschland                                38        Marburg-Ortenberg            34     Auf ein Wort              3
Mutter Teresa: „Aus Liebe zu Gott                                            Ev. Gemeinschaft                    Veranst./Kirchenmusik 13-15
und nicht für eine Million Dollar“                                38        Marburg-Süd                  34     Kirche und Universität   25

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 Impressum:
 Die ökumenische Monatszeitung „Kirche in Marburg“ (KiM) er-                 Redaktion „Kirche in Marburg",
 scheint zehn Mal im Jahr in einer Auflage von 6.900 Exemplaren.             Ockershäuser Schulgasse 35, 35037 Marburg.
 Herausgeber ist der Gesamtverband der Evangelischen Kirchen-                Mit Namen gekennzeichnete Beiträge erscheinen unter aus-
 gemeinden Marburgs.                                                         schließlicher Verantwortung der Verfasser*innen. Die Verantwor-
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 Wolfgang Huber, ev.; Dr. Stefan Ohnesorge, röm.-kath.; Dr. Klaus            Ecolabel / PEFC-Label / FSC-Mix-Label), hergestellt ohne Einsatz
 Dorn, röm.-kath.; Ulrike Paulus-Jung, ev.; Hanns Pommerien, SELK.           von Chlor, optischen Aufhellern und halogenierten Bleichmitteln.
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                                                                 KiM     2   8-9/22
Frieden! Aber um welchen Preis? - Zwei Denkanstöße aus christlicher Sicht - kim-ekmrs Jimdo-Page!
Editorial                            Liebe Leserinnen und Leser,
                                        die christliche Friedensethik          Beispiele nur für eine sehr          i.R Jörg Garscha. Vielen Dank
                                     ist durch den nahen Krieg in der          schwierige Gemengelage mit           der Autorin und dem Autor! Mel-
                                     Ukraine in die Krise geraten.             komplizierten Fragen, in der wir     den Sie uns gerne zurück, was
                                     Das, was lange Jahre gerade               uns aber alle orientieren müs-       Ihnen in diesen Fragen beden-
                                     auch vor dem Hintergrund der              sen. Denn was ja gar nicht geht,     kenswert erscheint!
                                     ruhmlosen und gottlosen deut-             ist ein Verschließen der Augen
                                     schen Rolle in den beiden Welt-           vor den Problemlagen oder ein           Ein besonderer Höhepunkt im
                                     kriegen als klar und unumstöß-            Rückzug ins heimelige Private.       gemeindlichen Leben Marburgs
                                     lich galt, ist fraglich geworden             Deswegen haben wir uns ent-       wird sicher die „Nacht der Kir-
                                     und wird jetzt sehr kontrovers            schieden, Ihnen in dieser Som-       chen“ am 17. September. Sie
                                     diskutiert. Was denken Sie? Ist           mer-Doppelausgabe der KiM            finden dazu in dieser KiM ein
                                     christliche Ethik in erster Linie         gleich zwei längere Texte mit        ausführliches Programm.
                                     etwas für den Privatbereich oder          auf den Weg geben, die auf
                                     muss sie auch eine gesell-                unterschiedliche Weise und na-         Wir wünschen Ihnen eine an-
                                     schaftspolitische oder gar welt-          türlich keineswegs erschöpfend       regende KiM-Lektüre in einem
                                     politische Ausrichtung haben?             bedenken, wo die christliche         für Sie hoffentlich erholsamen
                                     Und: Geht es in der christlichen          Friedensethik gerade steht und       und friedvollen Sommer!
                                     Friedensethik um bedingungslo-            wohin sie sich entwickeln könn-        Im Namen der Redaktion
                                     se Gewaltlosigkeit oder auch              te. Dabei handelt es sich um ei-     grüßt Sie herzlich
                                     um Begrenzung von Gewalt ge-              ne Rundfunkansprache von
Christoph Seitz                      gen Unschuldige durch Anwen-              Prof. Johanna Haberer aus Er-                 Ihr
Redaktionsleitung                    dung von Gegengewalt? Zwei                langen und einen Text von Pfr.                Christoph Seitz

Wort
Auf ein
                                       Endlich mal wieder Luft haben           und seiner Pracht erfreuen.          auf uns warten. Beides ist gut
                                     – das wäre schön!                         Durchatmen.                          und wichtig.
                                       Denn in mir ruft es seit einiger           Denn wenn wir etwas aus der         Aber jetzt ist erst einmal Zeit
                                     Zeit: „Rette mich Gott – denn das         Pandemie gelernt haben, dann         zum Durchatmen und Krafttan-
                                     Wasser steht mir bis zum Hals!“           ist es doch, dass wir uns immer      ken, damit wir nach der Som-
                                     Psalm 62,2.                               wieder auf das Wesentliche be-       merpause, wenn die Akkus hof-

                                                                                                  Durchatmen!
                                        Alles, wirklich alles wird nach-
                                     geholt. Taufen, Trauungen, Kon-
                                     firmationen, Gemeindefeste, alle
                                     Jubiläen der vergangenen zwei             sinnen dürfen. Oder nicht? Wir       fentlich wieder alle aufgeladen
                                     Jahre und privat sieht es auch            dürfen uns erlauben, zur Ruhe        sind, laut und fröhlich in die 8.
                                     nicht anders aus.                         zu kommen. Vielleicht bei einem      Strophe von Paul Gerhard ein-
                                        Wie eine große Flutwelle stürzt        schönen Glas Rotwein mit Freun-      stimmen können:
                                     es auf uns herab und ich weiß             den, im Lieblingsrestaurant mit         „Ich selber kann und mag nicht
                                     nicht genau, ob ich mich freuen           der Familie, am lang ersehnten       ruhn, des großen Gottes großes
Von Annika Wölfel                    oder so schnell wie möglich weg-          Urlaubsort, im Lieblingssessel bei   Tun erweckt mir alle Sinnen; ich
                                     laufen soll.                              einem schönen Buch oder unter-       singe mit, wenn alles singt, und
                                        Einerseits ist es so befreiend         wegs in der Natur mit einem Lied     lasse, was dem Höchsten klingt,
                                     und schön, dass endlich wieder            wie EG 503 im Herzen. Krafttan-      aus meinem Herzen rinnen, aus
                                     all das möglich ist: die Konzerte,        ken, zur Ruhe kommen, durchat-       meinem Herzen rinnen.“
                                     die Feste, das unbeschwerte Zu-           men. Darauf freue ich mich ge-          Ich wünsche Ihnen viel Zeit
                                     sammensein, andererseits ist es           nauso wie auf die vielen schö-       zum Durchatmen und Krafttan-
                                     immer noch ungewohnt, beängs-             nen Feste, die ab Herbst wieder      ken!
                                     tigend und überfordernd.
                                        Wie gut, dass der Sommer vor                                                                     - Anzeige -
                                     der Tür steht! Urlaubszeit, Zeit
                                     zum Durchatmen. Die kirchlichen
                                     Feste machen eine Sommer-
                                     pause, und es gibt Zeit zum Kraft-
                                     tanken.
                                        „Geh aus mein Herz, und su-
                                     che Freud’! In dieser lieben Som-
                                     merzeit an deines Gottes Ga-
                                     ben“, heißt es im Kirchenlied EG
Annika Wölfel ist Pfarrerin der      503. Das ist eine schöne Idee.
Marbacher Markusgemeinde.            Einfach mal raus aus dem All-
                      Foto: privat   tagsstress und sich am Sommer

                                                                   KiM     3   8-9/22
Frieden! Aber um welchen Preis? - Zwei Denkanstöße aus christlicher Sicht - kim-ekmrs Jimdo-Page!
„Meinen Frieden                                                            gehalten hatte. Damals hob ich

gebe ich euch“
                                                                           das Neugeborene über mich in
                                                                           die Höhe und flüsterte glücklich:
                                                                           Du wirst nach Petersburg rei-
                                                                           sen, vielleicht wirst du in Mos-
                                                                           kau arbeiten können, in Ros-
                                                                           tock studieren.
                                                                             Märchen beginnen ja manch-
                                                                           mal mit dem Satz: Zur Zeit, wo
                                                                           das Wünschen noch geholfen
                                                                           hat. Für meine Generation fing
                                                                           damals eine solche neue Zeit
                                                                           zum Wünschen an. Und die zu-
                                                                           vor dunklen Landkarten began-
                                                                                                                 Johanna Haberer ist eine
                                                                           nen sich zu füllen mit Städtena-
                                                                                                                 evangelische Theologin, Jour-
                                                                           men und Reisezielen, von de-
                                                                                                                 nalistin und Professorin für
                                                                           nen man in meiner Jugend nicht
                                                                                                                 Christliche Publizistik am
                                                                           zu träumen gewagt hatte. Dres-
                                                                                                                 Fachbereich Theologie der
                                                                           den und die Transsibirische Ei-
                                                                                                                 Friedrich-Alexander-Univer-
                                                                           senbahn, Krakau, die kurische
                                                                                                                 sität Erlangen-Nürnberg und
                                                                           Nehrung und Kiew. Ja, Kiew.
                                                                                                                 Autorin vielfältiger Beiträge,
                                                                             Ich habe meiner Tochter die
                                                                                                                 Vorträge und Rundfunkpredig-
                                                                           Szene zwischen uns auf dem
                                                                                                                 ten bei verschiedenen öffent-
                                                                           taubenblauen Sofa schon oft er-
                                                                                                                 lich-rechtlichen Sendern.
                                                                           zählt. Heute fragt sie mich, wie
                                                                                                                                       Foto: privat
                                                                           ich mich so täuschen konnte.
                                               Text der                    Ich und eine ganze Generation
                                       Rundfunkandacht                     Deutscher, die überzeugt wa-          triotismus der Väter verdeckt,
                             von Prof. Johanna Haberer,                    ren, dass ihnen die Erfahrung         wenn nicht beide Eltern stumm
                             Erlangen, vom 22. Mai 2022                    des Krieges erspart bleiben           litten…
                                                                           würde. Was ist geschehen?                 Matthias Claudius ruft den Er-

E
                                                                           Und wie konnte das passieren?         zengel Michael an und bittet
                                                                           Es ist Krieg.                         ihn, der Kriegstreiberei ein En-
Irgendwo ist immer Krieg             Irak Anfang der 90er Jahre, der         Matthias Claudius, der Jour-        de zu machen, denn in jedem
                                     Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien         nalist und Liederdichter, der uns     Krieg gibt es nur Verlierer. Nur
       s ist Krieg. Politikerinnen   und der Zerfall dieses Mehr-          das unsterbliche Lied „Der            Schmerz. Nur Leid. Nur Verlus-
       und Politiker, die ihr Herz   staatensystems, der erneute           Mond ist aufgegangen“ ge-             te. Und selbst die Plünderer, die
       in der Friedensbewe-          Angriffskrieg der USA gegen           schenkt hat, dichtet im Jahre         sich Sieger nennen, werden die
gung haben, sprechen derzeit         den Irak Anfang des Jahrtau-          1778 folgende Verse:                  blutigen Gespenster in ihrer
von schweren Waffen, wir ler-        sends, der Bürgerkrieg in Sy-                                               Seele nie wieder los. Was
nen die Namen von Panzern            rien, die nicht enden wollenden       „`s ist Krieg! `s ist Krieg! O Got-   macht das mit Menschen, wenn
und Granaten kennen. Militär-        militärischen Auseinanderset-         tes Engel wehre,                      sie andere aus ihren Wohnun-
experten füllen die Bildschirme.     zungen in Palästina. Der Krieg        und rede Du darein!                   gen verjagen und auf sie schie-
Und die Drohung, Vernich-            in Afghanistan. Die terroristi-       `s ist Krieg und ich begehre          ßen, wie auf Hasen? Was
tungswaffen gegen westliche          schen Anschläge. Ich werde            nicht schuld daran zu sein.           macht es mit Männern, wenn
Demokratien einzusetzen, wur-        jetzt hier stoppen. Denn wenn                                               sie sich an Mädchen und Frau-
de von Seiten des russischen         ich auch noch die gewaltsamen         Was hülf mir Kron und Land            en vergreifen und sie scheinbar
Außenministers öffentlich und        Konflikte auf anderen Kontinen-       und Gold und Ehre?                    straflos vergewaltigen?
für jeden Menschen der Welt          ten aufzählen wollte, wäre mei-       Die können mich nicht freun!              Was Kriege anrichten, das
deutlich vernehmbar geäußert.        ne Zeit vorbei und ich wäre im-       `s ist leider Krieg und ich be-       kann ich in meiner eigenen Fa-
  Ich bin nun seit 34 Jahren         mer noch nicht fertig. Es ist         gehre                                 milie nachvollziehen. Meine Ur-
Predigerin in dieser Morgen-         nämlich Krieg. Irgendwo ist im-       Nicht schuld daran zu sein.“          großeltern hatten dreizehn Kin-
feier (Radio bayern 1) und ich       mer Krieg.                                                                  der. Sie haben alle die Geburt
dachte nicht, dass ich in einer         Ich erinnere mich gut: Im          Was Kriege anrichten                  überlebt und sind groß gewor-
meiner letzten Rundfunkpredig-       Herbst 1989 kommt meine klei-                                               den. Eine Generation später
ten vor meinem Ruhestand             ne Tochter zur Welt. Ich liege          Damals, Ende des 18. Jahr-          dann: Mein Vater war der einzi-
noch einmal einen solchen Satz       mit ihr auf einem taubenblauen        hunderts, ist Krieg in Europa         ge Nachfahre dieser dreizehn
würde sagen müssen: Es ist           Sofa vor einem winzigen Fern-         beinahe eine Normalität. Die äl-      Kinder. Vier Söhne hatte der er-
Krieg.                               seher, das Neugeborene auf            testen Söhne aus den vorneh-          ste Weltkrieg das Leben geko-
  Dabei begleiten uns ja seit        der Brust und das Herz schlägt        men Familien werden zur Offi-         stet, die Mädchen starben an
Jahrzehnten Abend für Abend          mir bis zum Halse, als ich mit        zierslaufbahn geschickt. Und ja,      den Kriegsfolgen: Hunger, Ar-
in den Hauptnachrichten Krie-        Millionen anderen Zeugin wer-         es war wohl auch eine Ehre,           mut und Krankheiten. Und der
ge. Kriege, in die auch Deutsch-     de, wie ein Wunder geschieht.         wenn man Gefallene zu bekla-          Engel Gottes hatte nicht einge-
land irgendwie verwickelt war        Es fällt diese Mauer, die meine       gen hat. Der Schmerz der Müt-         griffen. Im Gegenteil: Die Kir-
und ist. Der Krieg gegen den         Generation für unüberwindlich         ter wurde oft vom stolzen Pa-         chen haben alle Kriegshetze

                                                               KiM     4   8-9/22
Frieden! Aber um welchen Preis? - Zwei Denkanstöße aus christlicher Sicht - kim-ekmrs Jimdo-Page!
und Kriegspropaganda mitge-         gene Geschichte zu erzählen.           tende Rede in den Mund. Heute        Menschenbild des homo oeco-
macht. „Gott mit uns“ stand auf     Und jede Familie in Deutsch-           hören wir sie wie eine Beschrei-     nomicus ist schon lange wider-
den Koppelschlössern der deut-      land hat dieses „Nie wieder            bung von Kriegstraumata: Kein        legt. Schon vor 40 Jahren sin-
schen Soldaten im ersten Welt-      Krieg“ tief in die Wachstumsfu-        Stein würde auf dem anderen          gen Liedermacher*innen davon:
krieg.                              gen des Bewusstseins einge-            bleiben, Völker werden sich
                                    graben.                                gegeneinander erheben. Die           „Stille ists und doch kein
Nie wieder Krieg                       Wenn ich als evangelische           Erde wird beben und die Men-         Frieden
                                    Christin Antworten suche auf           schen werden eingeschlossen          volle Münder schreien nicht
  Erst über den millionenfachen     die unabweisbaren Fragen, die          sein, sie werden hungern und         wenn sie in den Betten liegen
Gräberfeldern nach dem Zwei-        der Krieg in der Ukraine uns           vergeblich auf Hilfe hoffen. Die     spürn sie kaum noch ihr
ten Weltkrieg machen dann alle      stellt, dann befrage ich zuerst        Stillenden und die Schwange-         Gewicht
christlichen Kirchen dieser Erde    unsere Heilige Schrift und ich         ren werden das Ziel der Angrei-
dieses Gelöbnis: Krieg darf um      finde darin keine Antwort. Kein        fer sein. Und: Es wird im Früh-      Liegen doch auf weichen
Gottes Willen nicht sein. Um        Rezept. Keine politische Weg-          jahr geschehen, dann, wenn           Kissen
Gottes Willen. So formuliert die    weisung. Aber ich finde Denk-          der Boden noch hart genug ist,       und ihr Sterben spürn sie kaum
Gründungsurkunde des Öku-           ansätze.                               dass das Kriegsgerät darüber         Manchmal, nachts, weint noch
menischen Rates der Kirchen.                                               rollen kann. Und die Menschen        Gewissen
Um Gottes Willen. Nie wieder        Die biblischen Texte                   besonders gefährdet sind, weil       eingesperrt in ihren Traum
Krieg. Diese Sätze haben unse-      kennen den Krieg                       es noch so kalt ist.
re Eltern, die den Krieg erlebt                                               Diese Texte wissen Bescheid       Überfluss und gutes Essen
hatten, uns eingehämmert. Und          Zunächst: Viele, viele Texte        über Kriege. Wer die Bibel liest,    kann doch nicht das Leben sein
ich werde nicht vergessen, wie      unserer Bibel sind blutgetränkt.       erlebt eine unbarmherzige            Was mal war, ist längst
mein Vater bleich die Nachrich-     Sie kennen den Krieg als Nor-          Wirklichkeit mit, sie kennt die      vergessen
ten von der Kubakrise 1963          malzustand. Der Evangelist             grausame Seite des mensch-           Hier zählt Haben und nicht Sein
hört, meiner Mutter die Tränen      Markus, der das erste Evange-          lichen Gegeneinanders. Diese
übers Gesicht rinnen, als die       lium unseres Neuen Testamen-           Texte wissen, was Menschen –         Hier zählt Heute, nicht das
russischen Panzer 1968 durch        tes aufgeschrieben hat, ist ver-       auch kluge und gebildete Men-        Morgen
Prag rollen und den Prager          mutlich vor dem jüdischen Krieg        schen - einander antun können.       was aus unsrer Erde wird
Frühling im Keim ersticken.         im Jahre 70 nach Christus in           Auch vor Fake News warnt Je-         das bereitet keine Sorgen
  Was sage ich meiner Toch-         Richtung Syrien geflohen. Die          sus in seiner Abschiedsrede          nur, der Mensch in ihnen stirbt“
ter? Sie fragt angesichts der       Übermacht der Römer macht              über Jerusalem: Verführung,                     (aus: Bettina Wegner,
russischen Aggression in der        damals die jüdischen Wider-            Lüge, Betrug gehen mit den                  „Traurig bin ich sowieso“)
Ukraine heute: Warum habt ihr       ständler wie eine Todeswalze           Schrecken des Krieges einher.
euch nur so geirrt? Was sage        nieder. Sie schneiden die Le-          Die Menschen sollen wachsam             Ich finde, es lohnt sich, sich
ich ihr als Christin, als Mutter?   bensmittel-Transporte nach Je-         sein, rechtzeitig fliehen und ge-    wieder auf das christliche Men-
Was sage ich einem jungen           rusalem ab und hungern die             nau hinhören, wer sie infor-         schenbild zu besinnen. Wir ver-
Menschen, der sein Leben noch       Stadt aus. Und wer nicht ver-          miert.                               orten uns vor dem Angesicht
vor sich hat? Welche Welt wol-      hungert, wird von den römi-                                                 Gottes und können uns selbst
len wir unseren Kindern und         schen Soldaten erschlagen.               Tut mir leid, es mag etwas         von diesem Horizont her völlig
Enkeln hinterlassen? Ich denke,        Markus legt Jesus im 13. Ka-        unbarmherzig auf Sie wirken          ungeschminkt       wahrnehmen.
jede Familie in Deutschland hat     pitel seines Evangeliums eine          und wenig tröstlich. Aber das ist    Denn Gott hat ein Auge auf uns,
– so wie ich – da eine ganz ei-     geradezu apokalyptisch anmu-           auch eine Gelegenheit zur            ein Auge der Liebe. Wir können
                                                                           Selbstprüfung. Wir Christinnen       uns selbst ehrlich machen: in
                                                                           und Christen haben diese Texte       unserer Schwäche und Eitel-
                                                                           in den friedensbewegten Jahr-        keit, in dem Hunger nach Macht
                                                                           zehnten außen vor gelassen.          und Ruhm, in unserer Rück-
                                                                           Wir haben die gepredigt, ge-         sichtslosigkeit und in unserem
                                                                           feiert und groß gemacht, die         ewigen Sehnen, sein zu wollen
                                                                           den Frieden preisen und den          wie Gott.
                                                                           Menschen als friedensbegabtes           Gott vorgestellt als ein abso-
                                                                           Geschöpf. Wir dachten, dass          luter Herrscher, der willkürlich
                                                                           bei der richtigen politischen Ein-   mit seinen Untertanen macht,
                                                                           bindung alle Menschen gut sein       was ihm gerade einfällt. Män-
                                                                           werden. Wenn sie nur profitie-       ner, die sich wie ein Gott fühlen
                                                                           ren, am Wohlstand teilhaben          – und zwar wie ein solcher all-
                                                                           und Geschäfte machen können.         mächtiger Herrscher, dem nicht
                                                                           Der ökonomische Mensch hat           widersprochen werden darf –
                                                                           in unseren Köpfen die Ober-          die bekommen derzeit in unse-
                                                                           hand: Wenn die Wirtschaft und        rer Welt wieder die Oberhand.
                                                                           der Wohlstand wachsen – das          Es sterben Menschen unter den
                                                                           war Konsens unter den Bürgern        Einschlägen ihrer Granaten, es
                                                                           wenn – alle verdienen, dann          sterben tausende junger Solda-
                                                                           wird es keine Kriege mehr ge-
                                                                           ben. Das war die Logik der ver-
                                                                           gangenen 60 Jahre. Dieses                               Fortsetzung
                                                                                                                                  nächste Seite
                                                               KiM     5   8-9/22
Frieden! Aber um welchen Preis? - Zwei Denkanstöße aus christlicher Sicht - kim-ekmrs Jimdo-Page!
Fortsetzung:                       schaffen wird, die unser Den-             nis des Herrn, wie Wasser das        sucht nach Frieden und die
                                   ken darüber prägen, wie eine              Meer bedeckt. (Jesaja 11, 2.6-       Sucht nach Macht – und Gottes
                                   Gesellschaft aussehen könnte              9)                                   großes Versprechen. Der Frie-
ten, Kinder noch, denen gesagt     – mit einem gottgewollten und                Der Traum von einer Welt, in      de Gottes, der ist Geschenk.
wurde, sie würden ein Land be-     menschenfreundlichen Gesicht.             der die animalischen Züge un-        Wir Menschen erfahren immer
freien und die erwartet hatten,       Die weltberühmte Rede des              serer groben Natur, unser allzu      wieder, dass wir uns auf uns
die Ukrainer würden sie mit Blu-   Jesaja zum Beispiel. Da wird              menschlicher Vernichtungswille       selbst nicht verlassen können.
men empfangen.                     der ganz andere Herrscher er-             gebändigt ist. Friede wird sein,     Wir können uns selbst nicht
   Sein-Wollen wie Gott. Die Hy-   wartet. Das Gegenbeispiel zu              weil der Geliebte Gottes sein        trauen. Wir sind irrende Ge-
bris als die dunkle Seite des      den Kriegsherren: Ein Herr-               Friedensreich baut. Jesus hat        schöpfe, die mal hier, mal dahin
menschlichen Strebens nach         scher, der sich vor Gott in der           sein Leben, seine Predigt und        taumeln. Man kann das ein we-
Höherem. Grenzenlose Zerstö-       Verantwortung weiß. „So wahr              seinen Traum vom Reich Got-          nig an der schäumenden Dis-
rungswut. Auch das gehört zu       mir Gott helfe!“ Ein Politiker, der       tes als Erfüllung dieser Frie-       kussion erkennen, die wir der-
Menschen, und es ist unserer       seine Macht in Verantwortung              densvision verstanden. Der           zeit über die Waffenlieferungen
menschlichen Rasse wohl nicht      und Klugheit gebraucht.                   Mann, der keine Gewalt ausü-         in die Ukraine führen. Noch vor
auszutreiben.                         Auf ihm wird ruhen der Geist           ben wollte über andere, ist ge-      wenigen Monaten wurden Poli-
   Wir Christen haben vielleicht   des Herrn, der Geist der Weis-            walttätig gestorben. Und den-        tiker, die darauf hinwiesen, dass
zu lange die Logik des ökono-      heit und des Verstandes, der              noch: Er hat uns sein Vermächt-      das Land womöglich Hilfe brau-
mischen Menschenbildes über-       Geist des Rates und der Stärke,           nis hinterlassen und ein Ver-        che, auch militärische, als
nommen - der Mensch wird gut,      der Geist der Erkenntnis und              sprechen:                            Kriegstreiber niedergeschrien,
wenn es ihm gut geht - und ha-     der Furcht des Herrn.                        Frieden lasse ich euch, mei-      die Empörungswellen schlugen
ben das religiöse Wissen um           Da wird der Wolf beim Lamm             nen Frieden gebe ich euch.           hoch. Und man hat jetzt den
die unerklärlich böse Seite des    wohnen und der Panther beim               Nicht gebe ich euch, wie die         Eindruck, dass es den gleichen
Menschen hintangestellt. Dabei     Böcklein lagern. Kalb und Löwe            Welt gibt. Euer Herz erschrecke      Leuten heute nicht schnell ge-
erzählen unsere Schriften in un-   werden miteinander grasen,                nicht und fürchte sich nicht. (Jo-   nug gehen kann mit dem Lie-
gezählten Geschichten immer        und ein kleiner Knabe wird sie            hannes 14,27)                        fern von Kriegsgerät.
und immer wieder davon, wie        leiten. Kuh und Bärin werden                                                      Ich möchte nicht in der Haut
der Egoismus Menschen zer-         zusammen weiden, ihre Jungen              Und der Friede Gottes,               derer stecken, die das entschei-
frisst, wie Macht korrumpiert.     beieinanderliegen, und der Lö-            der höher ist…                       den müssen, aber ich bin froh
                                   we wird Stroh fressen wie das                                                  um alle, die sich nicht in eine
Friedensvisionen                   Rind. Und ein Säugling wird                 Der Frieden, von dem Jesus         feindselige Sprache treiben las-
                                   spielen am Loch der Otter, und            spricht, ist nicht von dieser        sen. Alle die, die die Entfein-
  Doch so gnadenlos viele Bi-      ein kleines Kind wird seine               Welt. Er ist Geschenk, nicht das     dung nicht aus den Augen ver-
beltexte auf dem Hintergrund       Hand ausstrecken zur Höhle                Ergebnis von Waffengewalt,           lieren. Alle die, die Opfer auf
von Krieg und Zerstörung ent-      der Natter. Man wird weder                nicht das Ergebnis strategi-         beiden Seiten sehen.
standen sind, so leuchtend sind    Bosheit noch Schaden tun auf              scher     oder   diplomatischer         Widerstehe nicht dem Bösen,
die Friedensvisionen. Ewige Bil-   meinem ganzen heiligen Berge;             Kunst. Wir werden diese Span-        predigt der gleiche Jesus, der
der eines Friedens, den Gott       denn das Land ist voll Erkennt-           nung nicht auflösen: die Sehn-       im Markusevangelium den

                                                                 KiM     6   8-9/22
Frieden! Aber um welchen Preis? - Zwei Denkanstöße aus christlicher Sicht - kim-ekmrs Jimdo-Page!
Untergang der Stadt Jerusalem
prophezeit. Widerstehe nicht
dem Bösen, halte die andere
Wange hin und bete für die, die
dich verfolgen. Diese weltbe-
rühmten Sätze markieren in der
Person des Jesus von Nazareth
den ersten Denker, der die
Unterbrechung der Gewalt
durch eine andere Logik aufge-
zeigt hat.

Unterbrechung der Gewalt
durch Gewaltlosigkeit

  Diese neue Wahrheit hat tat-
sächlich ja im 20. Jahrhundert
Gestalt angenommen: durch
die mächtigen schweigenden         heit zu riskieren. Wie viele Men-       Wichtiges tun. Wir wollen in un-    Menschen und Völkern Ent-
Märsche des Mahatma Ghandi,        schen in Belarus haben sich im          serer öffentlichen Sprache kei-     schlossenheit verlangt, Klugheit
durch die friedlichen Revolutio-   vergangenen Jahr entschieden,           ne Feindschaften vorantreiben.      und Mühe…
nen in Deutschland und anders-     gegen den Tyrannen ihres Vol-           Wir wollen „entfeinden“. Wir          Aber der von Menschen ge-
wo. Ja. Diese Wahrheit hat die     kes auf die Straße zu gehen.            wollen in unseren Begegnun-         machte Friede, er ist immer ge-
dichteste Mauer der Weltge-        Friedlich. Immer wieder. Und            gen mit den Frauen und Kin-         fährdet und kann zerstört wer-
schichte zu Fall gebracht. Aber    immer wieder friedlich. Sie ha-         dern aus der Ukraine die Furcht     den. Der Frieden aber, der ein
man hat den Eindruck, dass         ben alle einen sehr hohen Preis         und den Hass nicht vertiefen.       Geschenk Gottes ist, der will
auch die Diktatoren dazulernen.    gezahlt und das Regime exis-            Wir wollen dem Frieden dienen.      Platz nehmen in unserem Her-
Gewaltloser Widerstand soll        tiert immer noch.                       Das bedeutet: nie vergessen,        zen – ganz egal, wie die Welt
durch die nackte Angst gebro-         Die Männer und Frauen, die           dass auf beiden Seiten des          brüllt. Der will uns eine unzer-
chen werden. Einfach durch im-     jetzt in unserem Namen Ent-             Krieges Menschen agieren.           störbare Richtung geben für un-
mer noch mehr Gewalt.              scheidungen treffen, die die Ge-        Auch der Gegner ist ein Ge-         ser Reden und Handeln.
  Man kann mit den Worten der      fahr gewaltiger Eskalationen            schöpf Gottes. Wir wollen fest-       Wie heißt es doch in jedem
Bergpredigt wohl derzeit keine     nach sich ziehen, sie sind in ei-       halten: Das Schweigen der           christlichen Gottesdienst: Und
Politik machen. Vor allem kann     nem Dilemma. Das kann ihnen             Waffen wäre noch kein Frieden.      der Friede Gottes, der höher ist
ich die Entscheidung zur Ge-       niemand abnehmen.                       Frieden ist nicht einfach das       als alle unsere Vernunft, be-
waltlosigkeit niemandem auf-          Aber ein paar Linien für die         Gegenteil von Krieg. Die Fried-     wahre unsere Herzen und Sin-
zwingen. Dem Bösen nicht           Gedanken seien aus der christ-          hofs-Stille ist kein Frieden. Der   ne – in Christus Jesus.       쑸
widerstehen, den Gewalttäter       lichen Gedankenwelt in diese            Friede aus unserer biblischen
durch Gewaltlosigkeit bloßstel-    Zeit getragen. Was sage ich             Tradition ist „shalom“. Der ge-       Diese Gedanken entstammen
len und damit zum Erschrecken      meiner Tochter, die in eine neue        rechte Ausgleich verschiedener      der Evangelischen Morgenfeier
bringen über sich selbst, das      Welt hineingeboren war und jetzt        Interessen und Bedürfnisse in       des Bayrischen Rundfunks vom
muss jeder Mann und jede Frau      mit dem Grauen der alten Welt           einem Gemeinwesen, das heißt        22. Mai. Die Rundfunkandacht
ganz alleine entscheiden. Nie-     konfrontiert ist? Was können wir        Friede, shalom. Friede ist ein      kann nachgehört werden unter:
mand kann einem anderen ra-        tun, um unseren Traum vom               immerwährender Prozess, an          https://www.br.de/mediathek/po
ten, gewaltlos gegen Bewaffne-     Frieden nicht völlig zu verraten?       dem alle gemeinsam arbeiten         dcast/evangelische-morgen-
te aufzustehen und Leib und           Wir als Bürger und Bürgerin-         müssen. Wir lernen in diesen        feier/meinen-frieden-gebe-ich-
Leben für die Sache der Frei-      nen können da nur wenig, aber           Tagen, dass Frieden unter den       euch/1856584)

                                                                                                                                     - Anzeigen -

                                                               KiM     7   8-9/22
Frieden! Aber um welchen Preis? - Zwei Denkanstöße aus christlicher Sicht - kim-ekmrs Jimdo-Page!
Gottes Allmacht                                                             all das wurde als Strafe Gottes

und der Krieg
                                                                            verstanden, weil das Volk und
                                                                            seine Oberschicht sich von ih-
                                                                            rem Gott abgewandt hatten.
                                                                            Diese Strafe ließ aber zugleich
                                                                            hoffen, dass es zu einem Neu-
                                                                            anfang kommen werde. Gott
                                                                            hatte ja vorher Mahner („Pro-
                                                                            pheten“) geschickt und damit
                                                                            gezeigt, dass er nicht die Ver-
                                                                            nichtung des Volkes wolle, son-
                                                                            dern dessen Umkehr.
                                                                               Ein weiterer „religiöser“ An-
                                                                            satz bemüht sich, statt einer Er-
von                                                                         klärung eine veränderte Wahr-
Pfr.i.R. Dr Jörg Garscha                                                    nehmung von dem, was ge-
                                                                            schieht, zu erreichen. Dabei
                                                                            geht es darum, Abstand zu ge-       Jörg Garscha, Studium der Ev.
                                                                            winnen. Es kommt nicht darauf       Theologie und Leibeserzie-
                                                                            an, Sinn zu finden, sondern         hung in Marburg, Promotion
                                                                            „Gleichgültigkeit“. Ein Buddhist    mit einer Untersuchung des
                                                                            zum Beispiel strebt nach einem      Hesekielbuches, 1. Staatsexa-
                                                                            Zustand, in dem kein Leid mehr      men für das höhere Lehramt,
                                                                            empfunden wird und auch jede        Repetent an der Hessischen
                                                                            Veranlagung, Leiden hervorzu-       Stipendiatenanstalt und Vikar
                                                                            bringen, verschwunden ist. Die-     an der Pfarrkirche, Pfarrer im
                                                                            ser Zustand kann durch tugend-      Schuldienst am Gymnasium

V
                                                                            haftes Verhalten, durch die Ent-    Philippinum und der Elisabeth-
                                                                            wicklung von Mitgefühl und          schule, Stadtjugendpfarrer in
                                                                            Weisheit, vor allem aber durch      Marburg, Gemeindepfarrer in
                                                                            Meditation erreicht werden.         Cappel, Katechetischer Stu-
       ater – Allmächtig –          der Ereignisse, die schicksal-          Denn es geht darum zu erken-        dienleiter des Pädagogisch-
       Schöpfer: Zu diesen Be-      haft unser Leben betreffen, ist         nen, dass wir in einem ewigen       Theologischen Instituts der Ev.
       schreibungen Gottes be-      die Aufteilung des Lebens in            Kreislauf von Sterben und           Kirche von Kurhessen-Wal-
kennen sich Christen jeden          zwei Abschnitte. Das Leben hier         Wiedergeburt gefangen sind.         deck in Marburg, seit 2007 Ru-
Sonntag, wenn sie das apostoli-     auf dieser Erde ist dabei nur ei-       Diesen gilt es, durch Erleuch-      hestand, verheiratet, 2 Kinder.
sche Glaubensbekenntnis spre-       ne Vorbereitung für das eigentli-       tung zu durchbrechen.                                    Foto: privat
chen. Aber alle drei Aussagen       che Leben nach dem Tod in ei-              Neben diesen religiösen Ant-
sind umstritten. Vor allem die      ner himmlischen Welt. Die Rea-          wortversuchen gibt es philoso-      auch in schweren Situationen
Behauptung der Allmacht Got-        lität, in der wir leben, wird von       phische Ansätze, mit den gro-       zu bewältigen. Dazu muss man
tes macht Schwierigkeiten.          einer Welt darüber bestimmt.            ßen Fragen nach Krieg, Unglück      jedoch die jeweiligen weltan-
Auch den Christen. Denn wie         Darum gilt es, das, was ge-             und Leid umzugehen. Derjenige,      schaulichen Voraussetzungen
kann ein gütiger Vater, der alle    schieht, geduldig zu ertragen           der sich am deutlichsten von        teilen und von ihnen überzeugt
Macht besitzt und der alles ge-     und sich darin zu bewähren. Ein         den religiösen Erklärungen          sein.
schaffen hat, zulassen, dass        schweres Schicksal ist dem-             unterscheidet, ist der des             Aber ist es nicht viel einfa-
Dinge wie der Holocaust, der        nach kein Zufall, sondern Prü-          Atheismus. Nach ihm gibt es         cher, darauf zu verzichten, die
Ukrainekrieg oder schlimme          fung, um in die zukünftige Welt         keinen Gott und keine Welt über     großen Fragen des Lebens zu
Katastrophen geschehen?             gelangen zu können. Diese               der erfahrbaren. Unsere Welt ist    stellen? Was bringt es, über
                                    Deutung wird zum Beispiel von           keine Schöpfung, sondern uner-      Dinge zu grübeln, die unlösbar
Es gibt verschiedene                vielen christlichen Strömungen,         schaffen, unzerstörbar, ewig und    erscheinen? Ist es nicht sinnvol-
Erklärungen für die Ursachen        vor allem aber vom Islam ver-           unendlich. Sie entwickelt sich      ler, sich vor allem auf die All-
von Unglück, Leid, Krieg und        treten.                                 unaufhörlich. In ihr wirken Ge-     tagsprobleme zu konzentrie-
Katastrophen                           Eine andere religiöse Erklä-         setzmäßigkeiten, in denen sich      ren?
                                    rung ist die Vorstellung, ein Er-       Notwendiges und Zufälliges ver-        Erleichtert wird eine solche
  Die großen Fragen nach den        eignis sei eine Strafe Gottes für       knüpfen. Sie ist voller Webfehler   Haltung durch das moderne
Gründen für Unglück, Leid,          begangene Verfehlungen. Die-            und Unstimmigkeiten, denn ihr       Vertrauen in die Wissenschaft.
Krieg und Katastrophen haben        se Vorstellung finden wir etwa          liegt kein Sinn zu Grunde. Das      Auch in der Wissenschaft gibt
Menschen schon immer be-            im Alten Testament. Sie hat sei-        Höchste, was sie kennt, ist         es für vieles Grundlegende
wegt. Es wundert daher nicht,       nerzeit den Israeliten geholfen,        Glück im Unglück. Für den Men-      noch keine gültigen Antworten.
dass im Laufe der Menschheits-      die Katastrophe der Eroberung           schen kommt es darauf an, Un-       Man behilft sich mit Theorien,
geschichte         verschiedene     Jerusalems durch die Babylo-            glück und Leid mit Anstand zu       wie die Dinge sein könnten und
Grundmuster entstanden sind,        nier, den Verlust der staatlichen       meistern.                           ändert diese, wenn neue Er-
wie diese Nöte erklärt und ertra-   Selbständigkeit und das Exil ei-           Alle diese Ansätze in ihren      kenntnisse es erfordern. Außer-
gen werden können.                  nes Teiles der Bevölkerung in           vielfältigen Ausprägungen kön-      dem lassen die vielen wissen-
  Ein Ansatz religiöser Deutung     Babylonien zu überleben. Denn           nen sicher helfen, das Leben        schaftlichen Fortschritte darauf

                                                                KiM     8   8-9/22
Frieden! Aber um welchen Preis? - Zwei Denkanstöße aus christlicher Sicht - kim-ekmrs Jimdo-Page!
hoffen, dass einmal viele Pro-
bleme, die uns jetzt beschäfti-
gen, gelöst werden können.

Betroffenen helfen nicht
Erklärungen, sondern
praktische Reaktionen

   Das Ringen um zutreffende
Erklärungen setzt Abstand vor-
aus. Wer aber Leid, Krieg und
Naturkatastrophen selber er-
lebt, ist gezwungen, darauf in
irgendeiner Weise zu reagieren.
Betroffene grübeln darüber
nach, warum ihnen ein Unglück
geschehen ist, warum sie leiden
müssen. Aber dabei geht es vor
allem darum, Wege zu finden,
wie ein Weiterleben möglich ist.
Erst wenn sich aus der Frage
nach dem „Warum“ eine ganz
persönliche Antwort, ein „Wozu“
ergibt, kann ein katastrophales
Ereignis bewältigt werden. Auch    Wirklichkeit die „richtige“ ist.       Bekenntnis zu Gott als dem Va-    sieht eher so aus, als würden
diejenigen, die mit Betroffenen    Vielleicht geht es vielmehr um         ter, dem Allmächtigen und dem     andere Realitäten unser Verhal-
mitleiden, drängt es dazu, nicht   die praktischen Konsequenzen,          Schöpfer?                         ten viel stärker beeinflussen:
nur zuzuschauen, sondern et-       die sich aus den unterschied-                                            • Spielen die äußeren Unter-
was zu tun, zu helfen und dafür    lichen Erklärungsmodellen er-          Durch ihren Glauben an Gott,        schiede unter uns Menschen
zu kämpfen, dass Leid gelindert    geben. Wie weit reicht eine            den Vater, den Allmächtigen,        nicht eine größere Rolle als
beziehungsweise zukünftig ver-     Deutung der Ereignisse? Was            den Schöpfer des Himmels            unser Wissen um die Gleich-
mieden wird.                       bedeutet sie für die Bewältigung       und der Erde erfahren Chri-         wertigkeit aller Menschen?
   Vielleicht ist es darum gar     unserer Lebensprobleme?                sten zwei Seiten ihrer Wirk-      • Bestimmen nicht einzelne
nicht so wichtig zu entscheiden,      Welche praktischen Folgen           lichkeit                            Menschen oder eine kleine
welche Vorstellung über unsere     ergeben sich demnach aus dem                                               Zahl von Machthabern über
                                                                            Die Aussagen des Apostoli-        die Lebenschancen einer
                                                                          schen Glaubensbekenntnisses         Mehrheit der Menschen?
                                                                          über Gott beinhalten zugleich     • Wird unsere Welt von uns
                                                                          Aussagen über den Menschen:         nicht nur als „Sache“ behan-
                                                                          • Wir Menschen sind trotz aller     delt, die aus kurzfristigen
                                                                            äußeren Unterschiede Ge-          Wohlstands- und Machterhal-
                                                                            schwister, Kinder eines Va-       tungsinteressen ausgebeutet
                                                                            ters.                             wird? Fehlt es uns nicht an
                                                                          • Die höchste Macht über das        Ehrfurcht vor dem Leben?
                                                                            Leben hat Gott. Weder ein
                                                                            einzelner Mensch noch eine         Wer sich zu Gott dem Vater,
                                                                            Gruppe von Menschen dürfen      dem Allmächtigen, dem Schöp-
                                                                            absolute Macht für sich bean-   fer des Himmels und der Erde
                                                                            spruchen.                       bekennt, der erfährt sich daher
                                                                          • Unsere Wirklichkeit und un-     wie ein Bürger zweier Welten,
                                                                            ser Leben sind mehr als nur     in denen er gleichzeitig lebt.
                                                                            chemische         Reaktionen.   Noch sind wir eingebunden in
                                                                            Schöpfung bedeutet nicht nur    eine Wirklichkeit, die durch Ge-
                                                                            „Herstellen“. In jeder wirk-    walt, Tod und Rücksichtslosig-
                                                                            lichen Schöpfung steckt ein     keit der Stärkeren bestimmt
                                                                            „Einfall“, eine „Idee“, eben    wird. Aber zugleich gibt es im-
                                                                            „Schöpferisches“. Die Welt      mer wieder auch die Erfahrun-
                                                                            existiert aus Kreativität und   gen einer anderen Seite unse-
                                                                            wir Menschen haben daran        rer Wirklichkeit, in der trotz aller
                                                                            Anteil.                         Gefahren und Nöte Leben ge-
                                                                                                            lingt und sich zumindest teil-
                                                                            Alle drei Aussagen drängen      weise erfüllt.
                                                                          dazu, dass wir uns dementspre-
                                                                          chend verhalten. Aber das ist
                                                                          nicht selbstverständlich. Es                           Fortsetzung
                                                                                                                                nächste Seite
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Frieden! Aber um welchen Preis? - Zwei Denkanstöße aus christlicher Sicht - kim-ekmrs Jimdo-Page!
Fortsetzung:                          Geld dafür an anderer Stelle         halten können? Vor allem für        ist die Macht, die über allen
                                      viel nötiger wäre.                   uns Christen bedeutet dieser        Mächten steht und die sich am
                                         Das alles sehen wir, und zwar     Krieg einen nur schwer auszu-       Ende durchsetzen wird. Selbst
                                      in der westlichen Welt mit er-       haltenden Zwiespalt. Einerseits     durch bittere Erfahrungen und
Es gibt Ereignisse, die die           staunlicher Einmütigkeit. Aber       kann es uns nicht gleichgültig      Leiden hindurch.
Spannung zwischen dem                 was ist, wenn das nur die eine       sein, dass die Ukraine überfal-        Das Bekenntnis zu Gott dem
„Schon“ und dem „Noch-                Seite ist, wenn es dahinter noch     len wurde und Unterstützung in      Vater, dem Allmächtigen, dem
nicht“ im Leben der Christen          um ganz andere Zusammen-             ihrem Abwehrkampf benötigt.         Schöpfer des Himmels und der
verschärfen, zum Beispiel             hänge geht?                          Andererseits müssen wir unser       Erde, drängt uns dazu, allen
der Krieg in der Ukraine                 Es ist doch kein Wunder,          Bekenntnis zur Allmacht Gottes      Mächten zu widerstehen, die
                                      dass gerade uns Deutschen die        von Jesus, seinem Leben und         beanspruchen, wie Gott über
   Durch den Krieg in der Ukrai-      radikale Wende, die dieser           Schicksal her verstehen.            das Leben anderer Menschen
ne ist für Christen diese doppel-     Krieg von uns fordert, so               Er hat im Namen Gottes zu        zu entscheiden. Dies kann auch
te Zugehörigkeit wieder be-           schwerfällt. War doch der Ver-       Gewaltlosigkeit und Feindeslie-     bedeuten, unter Einsatz von
sonders bedrängend geworden.          such, „Wandel durch Handel“          be aufgerufen und ist in völliger   Gewalt andere zu schützen.
Er zeigt, wozu mächtige Men-          zu erreichen, eine Folgerung         Ohnmacht am Kreuz gestorben.        Viele Christen unterstützen da-
schen fähig sind, und zerstört Il-    aus den Katastrophen der bei-        Dieser Justizmord an Jesus er-      her auch Waffenlieferungen und
lusionen über die Welt, in der        den Weltkriege, die wesentlich       scheint zunächst als Scheitern      sogar militärische Einsätze, um
wir leben.                            von uns Deutschen mit verur-         seines Lebens und seiner Bot-       Aggressoren abzuwehren.
   Die Folgerungen aus dem,           sacht waren. Wir wollten kein        schaft. Er ist aber von den            Gleichzeitig bedeutet dieses
was da geschieht, scheint für         Militär und dessen Verherrli-        Christen so verstanden worden,      Bekenntnis die Herausforde-
eine Mehrheit, auch der Chris-        chung mehr und wenn, dann            dass sich damit Gott um der         rung, beim Schutz des eigenen
ten, eindeutig zu sein: Wir müs-      nur für Friedenseinsätze. Wir        Menschen willen selber den          Lebens auf physische Gewalt-
sen alles tun, damit die Angrei-      wollten die gefährlichen ideolo-     Mächten des Unrechts, der Ge-       anwendung zu verzichten und
fer nicht gewinnen. Wir müssen        gischen und politischen Gegen-       walt und des Todes hingibt, um      auf „gewaltlose“ Wege der Ver-
der Ukraine Waffen liefern,           sätze durch wirtschaftliche Ver-     diese zu überwinden. Denn Lie-      teidigung zu setzen.
auch wenn wir es eigentlich           flechtung und Wohlstand für al-      be verzichtet auf Gewalt und er-       Diese Haltung wird oft als
nicht wollen. Wir müssen einse-       le überwinden. Und das ist ja an     trägt lieber Unrecht. Dadurch       naiv abgetan. Und doch wissen
hen, dass der Versuch geschei-        einigen Stellen auch geglückt:       vermeidet sie eine weitere Stei-    wir, dass die Zerstörungskraft
tert ist, über wirtschaftliche Ver-   etwa in Südtirol, in Nordirland,     gerung der Gewalt und erweist       moderner Waffen Kriege völlig
flechtungen politische Gegen-         mit der Wiedervereinigung.           sich am Ende als stärker, wie       sinnlos machen. Daher müssen
sätze zu entschärfen. Daher              Sind diese mit dem Blut von       es die Botschaft von der Aufer-     heutige Kriege – wie das Bei-
müssen wir unser Militär in die       Millionen von Menschen und ei-       stehung Jesu verkündet.             spiel des Krieges in der Ukraine
Lage versetzen, uns gegen Ag-         ner nie dagewesenen Zerstö-             Allmacht beweist sich also       und die Information darüber in
gressoren verteidigen zu kön-         rung erkauften Einsichten nun        nicht nur, wenn sie dunkle          Russland zeigen – mit großem
nen. Gleichzeitig wissen wir          plötzlich überholt, weil es wie-     Mächte mit noch mehr Macht          Aufwand „verleugnet“ und ver-
aber, dass die Spirale der Auf-       der einen sinnlosen Krieg gibt,      beseitigt. Sie wirkt auch durch     tuscht werden. Auch verlagern
rüstung gefährlich ist und das        aus dem wir uns nicht heraus-        bewussten Gewaltverzicht. Sie       sich Kriege immer mehr in

                                                                KiM   10   8-9/22
nicht-militärische Bereiche wie
Wirtschaft und Information. Das
alles sind Zeichen dafür, dass
zur Verteidigung neben Militär
die Entwicklung von Methoden
des Widerstandes ohne Zerstö-
rungsmacht sinnvoll und weiter-
führend sind.
   Für die Einen ergibt sich aus
ihrem Glauben an Gott, den Va-
ter, den Allmächtigen, den
Schöpfer, ein Engagement für
Militär und Abschreckung, für
die Anderen genau das Gegen-
teil. Einzelne Christen werden
daher in der Regel nicht in der
Lage sein, die Spannung, in die
der Glaube stellt, in gleicher
Weise zu leben. Sie werden
sich meist auf eine der beiden
Möglichkeiten verlassen, die
Allmacht Gottes zu verstehen.
So kommt es – wenn es ernst
wird – untereinander immer         in unserer weltlichen Wirklich-      den Allmächtigen, meist um ei-      dies nicht die ganze Wirklichkeit
wieder zu Konflikten, da es sich   keit zu leben und zugleich           ne wunderbare Bewahrung.            ist. Wir können spüren und erle-
nicht nur um politische Ein-       schon dem Reich Gottes anzu-         Manchmal erleben wir sie.           ben, dass wir nicht aufgegeben
schätzungen handelt, sondern       gehören. Beides gehört dazu,         Manchmal tritt aber nicht ein,      sind – selbst wenn wir sterben
um Anwendung des Glaubens.         wenn wir ohne Illusionen unser       was wir so sehnlich von Gott er-    müssen. Dazu benötigen wir
   Solche Auseinandersetzun-       Leben bestehen wollen. Zu bei-       hoffen. Dann können unsere          den Beistand anderer, die oft
gen müssen aber nicht in           dem benötigen wir aber die Kor-      Ängste und Sorgen in Wut und        ohne viele Worte durch prakti-
fruchtlosen Meinungskämpfen        rektur, den Austausch und die        Anklage umschlagen, oft ver-        sche Unterstützung und Zuwen-
enden. Denn wir bekennen uns       Ermutigung durch Andere.             bunden mit einer Leugnung           dung das leben, was die Bot-
nicht nur zu Gott, dem Vater,                                           Gottes.                             schaft von Kreuzigung und Auf-
und zu Jesus, dem Sohn, son-       Das Bekenntnis zur                      In einer nächsten Phase ver-     erstehung Jesu meint: Die All-
dern auch zum heiligen Geist       Allmacht Gottes kann zu              suchen wir oft, mit allen Mög-      macht Gottes als Vater und
und damit zur Gemeinschaft der     unterschiedlichen                    lichkeiten, die wir sehen, selber   Schöpfer unseres Lebens er-
Gläubigen. Was ein Einzelner       praktischen Folgerungen              gegen das Übel anzukämpfen.         weist sich nicht nur in wunder-
nicht zusammenbringen kann,        führen                               Die Bitte an Gott wird dann oft     baren Ereignissen der Bewah-
ist in der Gemeinschaft lebbar.                                         zur Bitte um die Kraft für diesen   rung und in der Stärkung unse-
Die Gemeinschaft der Gläubi-         Das Bekenntnis zur Allmacht        Kampf, um Lösungswege und           rer Kräfte, wenn wir Übel be-
gen ist von außen gestiftet und    Gottes kann also zu unter-           um Erfolg für alle Bemühungen.      kämpfen. Sie zeigt sich auch,
hängt nicht davon ab, ob ihre      schiedlichen praktischen Folge-      Manchmal aber scheint nur die       wenn Betroffene nicht aufgege-
Mitglieder die gleichen Meinun-    rungen führen. Das zeigt sich        brutale Wirklichkeit von Krank-     ben werden. Sie wird erfahrbar
gen vertreten.                     zum Beispiel auch, wenn wir          heit, Tod und Gewalt über unser     in einer tiefen Geborgenheit bei
   Es ist daher Aufgabe der        persönlich von schwerem Leid         Leben zu bestimmen. Gerade in       Gott selbst dann, wenn die
Christen, im Miteinander vorzu-    betroffen sind.                      dieser Situation der Machtlosig-    Mächte, die das Leben bedro-
leben, dass es möglich ist, ganz     In großer Not bitten wir Gott,     keit können wir erfahren, dass      hen, zu siegen scheinen.       쑸

                                                                                                                                   - Anzeigen -

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Von Traditionen und der Lust auf das Neue -
Burkhard von Dörnberg kommt als Dekan des Kirchenkreises Marburg
   „Ein Dekanat ist eigentlich      strikte Trennung von Person            men, so der künftige Dekan.          Scheu hat, Anlauf zu nehmen
auch nur eine spezielle Form        und Amt, von Freizeit und Be-          Dinge können für ihn nur in der      hin zu neuen Entwicklungen.“
des Pfarramts.“ Mit dieser Über-    ruf.                                   Gemeinschaft umgesetzt wer-          Und dafür nimmt er nun Anlauf.
zeugung kommt Burkhard von                                                 den. Auch wenn diese Gemein-            Nach Marburg zu gehen und
Dörnberg zum 1. September als       Marburg war bereits Station            schaft eine ausgesprochen            Dekan zu werden, ist örtlich ein
neuer Dekan des Kirchenkrei-        auf seinem Lebensweg                   heterogene ist wie in Marburg.       Schritt „back to the roots“, in-
ses Marburg in sein Amt. Und                                               Diese Situation kennt er bereits     haltlich hingegen noch einmal
weil Pfarrer zu werden und zu          Die letzten 14 Jahre hat er als     aus seinem bisherigen Arbeits-       alles auf Anfang. Er will Verant-
sein schon immer seine Beru-        Pfarrer im Kirchenkreis Hanau          umfeld: Auch der Kirchenkreis        wortung übernehmen – etwas,
fung gewesen ist, freut er sich     in der Gemeinde Issigheim ge-          Hanau ist durch eine prägende        das für ihn zu seinem Beruf in
ganz besonders, seinen Job          arbeitet. „Das war nicht nur           Stadt und ein dörfliches Umfeld      besonderem Maße dazugehört.
nun in dieser neuen, speziellen     Dienstort, das war auch Le-            gekennzeichnet. Dort allerdings      Von Dörnberg ist mit der Kirche
Form auszuüben. Dabei sieht er      bensort“, sagt er, eben weil das       sind die evangelischen Christen      groß geworden: Kindergottes-
sich als Kommunikator und –         für ihn nicht zu trennen ist. Die      durchaus in der Minderheit –         dienste, Posaunenchor und ei-
kein Wunder bei seiner sport-       Familie sei ins Dorf integriert        „das größte Fest in Hanau ist        ne Mutter, die im Kirchenvor-
lichen Begeisterung – als Spie-     und das mache den Abschied             das Fastenbrechen der Musli-         stand engagiert war. Dass er
lertrainer. Im Gespräch mit der     nun eher schmerzhaft. Dass             me“, sagt er.                        sich für die Theologie als Beruf
KiM hat er sich schon einmal        seine Frau und die vier Kinder           Eine weitere Verbindung            entschieden hat, sei von zwei
vorgestellt.                        nicht sofort mit ihm nach Mar-         nach Marburg ist die Musik, und      Dingen motiviert gewesen. „Ich
                                    burg umziehen, hat allerdings          die Begeisterung dafür verbin-       fand schon immer gut, was die
  Klischees sind nicht seine Sa-    einen ganz anderen Grund: Die          det ihn mit seinem Amtsvorgän-       Kirche verkündigt – aber dass
che – so viel ist schnell klar,     Sanierung des Hauses am Ro-            ger und Namensvetter Burk-           das besser, frischer und vor al-
wenn man ihm begegnet. Dr.          tenberg, das der Dienstsitz für        hard zur Nieden. Seit vielen         lem näher an der Lebenswelt
Burkhard Freiherr von Dörn-         den Dekan des Kirchenkreises           Jahren ist von Dörnberg aktives      der Menschen getan werden
berg, 47 Jahre alt, Pfarrer.        ist, wird bis September noch           Mitglied im Bläserquintett „IG       könnte“, sagt er. Außerdem
„Standesdünkel werden Sie bei       nicht wie geplant abgeschlos-          Blech“ und, dass Marburg ein         sieht er die Theologie als intel-
mir nicht finden“, sagt er sofort   sen sein. Deshalb bezieht Burk-        besonders musikalischer Kir-         lektuelle Herausforderung für
mit Blick auf den Adelstitel. Die   hard von Dörnberg erst einmal          chenkreis ist, freut ihn ganz be-    sich.
Freiherren von Dörnberg zählen      ein Zimmer in der ESG und wird         sonders. „Musik ist eine der
zum hessischen Uradel, aber         einige Zeit pendeln.                   Sprachen Gottes“, so der künfti-     „Ich bin gern für andere
sein Vater habe Wert darauf ge-        Marburg ist für den 47-Jähri-       ge Dekan, und glaubt, dass sie       unterwegs“
legt, dass die Familie – in Mel-    gen indes kein neues Pflaster.         wichtig sei für die Kirche der
sungen, abseits des Stamm-          Einen Teil seines Studiums hat         Zukunft. Ebenso wie Geschich-           Und wer an der Stelle den
lands – ein ganz normales, bür-     er bereits in der Universitäts-        ten der Bibel. Geschichten er-       vergeistigten Bücherwurm vor
gerliches Leben führt. Was sein     stadt absolviert und danach            zählen – das mag er. „Wir ha-        sich sieht, muss seine Vorstel-
Alter angeht, überrascht Burk-      sein Vikariat an der Elisabeth-        ben da in der Bibel einen ech-       lung einmal mehr revidieren.
hard von Dörnberg dann wiede-       kirche. Weitere Stationen sind         ten Schatz – auch an Geschich-       Burkhard von Dörnberg ist in
rum mit der unerwarteten Aus-       Bethel, Bonn und Cambridge             ten, die tröstlich sein können für   seiner Freizeit leidenschaft-
sage, ein Pfarrer „vom alten        gewesen – ins Ausland wollte er        eine Kirche, die sich selbst         licher Sportler, erzählt vom
Schlag“ zu sein. Und meint: Nä-     unbedingt, weil der kulturelle         meist als sehr krisenbehaftet        Tischtennis-Spielen mit seinem
he zu den Menschen, keine           Austausch für ihn schon immer          wahrnimmt.“                          Vater – und den Autofahrten zu
                                    zu seinem Leben gehört hat.                                                 den Spielen, auf denen er ge-
                                    „Ich habe von klein auf mitbe-         Die Kirche der Zukunft               lernt hat, über seine Begeiste-
                                    kommen, dass der eigene Le-            sollte fröhlich und                  rung für die Kirche zu diskutie-
                                    benshorizont nicht der einzige         selbstbewusst sein                   ren, spielt Basketball und läuft
                                    ist.“ Mit dieser Haltung und die-                                           gern lange Strecken von 5.000
                                    sem Blick hat er viele unter-            Diese Geschichten zu erzäh-        Meter bis hin zum Halbmara-
                                    schiedliche Lebenszusammen-            len, sieht er als eine seiner Auf-   thon. Den langen Atem, den es
                                    hänge von Menschen kennen-             gaben als Dekan, und das nicht       dafür braucht, wird er auch mit
                                    gelernt, erzählt von Dörnberg,         auf traditionelle Art und Weise.     in seine neue Aufgabe nehmen
                                    und keine Berührungsängste,            Soziale Medien sieht er in einer     – und freut sich auf die Heraus-
                                    wenn es darum geht, auf ande-          wichtigen Funktion, sowohl           forderung. „Ich bin gerne für an-
                                    re zuzugehen.                          „werbend“ als auch „erklärend“       dere unterwegs“, erklärt er. „Ich
                                                                           für die „Kirche der Zukunft“, von    bin nicht an allem schuld, aber
                                    „Musik ist eine Sprache                der er spricht. Was er sich für      für alles verantwortlich.“ Und –
                                    Gottes“                                diese Kirche wünscht? „Dass          ganz der Sportler – sieht er sich
                                                                           sie es schafft, fröhlich und         als Dekan in der Rolle des
                                      Seine Lust auf Neues be-             selbstbewusst einen reflektier-      Spielertrainers, um „seinen“
                                    zeichnet er als eine seiner Stär-      ten Glauben zu leben. Dass sie       Pfarrerinnen und Pfarrern den
                                    ken. Er arbeite auch gern mit          sich weniger mit sich selbst be-     Rücken zu stärken.
                                    den unterschiedlichen gesell-          schäftigt und mutig in die Zu-                   Nadja Schwarzwäller
                                    schaftlichen Kräften zusam-            kunft geht. Dass sie keine                 Foto: medio.tv/schauderna

                                                                KiM   12   8-9/22
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Orgelkonzert in der Matthäus-                                                Ein Pilgertag im Geist von
kirche mit Tillmann Benfer                                                   Elisabeth und Franziskus
  „Grenzbereiche", so über-          se, unter Leitung von Klaus Mar-          Sie lebten in verschiedenen         Elisabethkirche. Das geplante
schreibt Tillmann Benfer sein        tin Ziegler.                            Ländern und sind sich nie be-         Ende ist gegen 16 Uhr am selben
Konzert, mit dem er am Sonntag,         Sein beruflicher Weg führte ihn      gegnet. Und doch verbindet sie        Ort. Die Wegstrecke beträgt etwa
dem 4. September um 17 Uhr in        über das Kantorat an der St. Jo-        viel: Elisabeth von Thüringen und     10 km. Bitte bringen Sie die Ver-
der Matthäuskirche gastiert, sein    hannis-Kirche in Uslar an den           Franz von Assisi. Beide fühlen sich   pflegung für den Weg selbst mit!
Programm wird Werke von J. S.        Dom zu Verden, wo er bis An-            durch die damaligen gesell-              Für alle Pilgerinnen, Pilger und
Bach, Louis Vierne, Micheangelo      fang Juli 2022 als Kirchenmusik-        schaftlichen Umstände heraus-         weitere Interessierte vertiefen wir
Rossi und Manfred Kluge enthal-      direktor tätig war. Zudem hatte er      gefordert. Beide haben ein großes     die Thematik im Rahmen eines
ten.                                 an der Hochschule für Künste in         Gespür für Geschwisterlichkeit        Filmabends „Papst Franziskus.
  Tillmann Benfer, geb. 1956, er-    Bremen einen Lehrauftrag für            unter den Menschen. Beide ver-        Ein Mann seines Wortes“ von
hielt seine erste kirchenmusikali-   künstlerisches Orgelspiel inne          bindet eine ähnliche Christusliebe.   Wim Wenders. Er findet um 19
sche Ausbildung in Siegen, stu-      und wirkte als Kurs-Dozent im             Kurz vor dem Franziskustag          Uhr im Andachtssaal des Diako-
dierte an der Hochschule für Kir-    nahen und fernen Ausland. Von           laden wir zu einem Pilgertag im       nissen-Mutterhauses „Hebron“,
chenmusik Westfalen in Herford       Tillmann Benfer liegen im Rund-         Geist von Elisabeth und Franzis-      Hebronberg 1 statt.
und legte dort sein B-Examen         funk und auf CD viele Einspie-          kus in und um Marburg ein. Wir           Für alle Veranstaltungen fallen
ab. Dem folgte an der Musik-         lungen von Orgelwerken Bachs            entdecken manche ihrer Spuren,        keine Unkosten an. Anmeldung
hochschule Köln das Aufbaustu-       und der Musik der Jahrhundert-          lassen uns von ihrem Leben in-        über die Homepages der Veran-
dium Kirchenmusik A. Zahlreiche      wende (Reger, Liszt, Widor u. a.)       spirieren, nehmen uns Zeit zu         stalter: https://begegnungszen-
Orgelkurse bei Ludger Lohmann,       vor.                                    Gespräch, Begegnung, Stille und       trum-sonneck.de               oder
Zsigmond Szathmary, Christoph           Der Eintritt zu diesem Konzert       Gebet. Wir starten am 1. Oktober      https://www.elisabethpfad.de.
Bossert u. a. ergänzten seine        ist frei, am Ausgang wird um eine       um 9.30 Uhr vor dem Portal der
Ausbildung. Er war langjähriges      Spende gebeten.
Mitglied im Vocalensemble Kas-                              Foto: privat
                                                                                                        Unter dem Motto „Fahrt raus, lauft und
                                                                                                        redet miteinander!“ treffen sich Mitglie-
                                                                                                        der christlicher Konfessionen aus Mar-
                                                                                                        burg und Umgebung seit 50 Jahren zu
                                                                              gemeinsamen Wanderungen durch unsere nähere und weitere
                                                                              Heimat. Wir treffen uns immer um 13.30 Uhr am Parkplatz der
                                                                              Liebfrauengemeinde in der Großseelheimer Straße 10. Wer kein
                                                                              Auto hat, kann darauf vertrauen, eine Mitfahrgelegenheit zu fin-
                                                                              den. Zweckmäßige Kleidung und festes Schuhwerk trotzen jeder
                                                                              Witterung. Auskunft: Frau Hübscher, Tel. 8 25 40

                                                                              14.8. Burgholz                              Frau Heinkel          8 km

                                                                              28.8. Am Fuße des Rimbergs
                                                                                    Start: Damshausen, Friedhof           Herr Sohn             8 km

Ludwig Güttler                                                                11.9.    Zu den Klippen am Mühlenberg

in der Elisabethkirche
                                                                                       Start: Cappel, Straße Zur Burgruine,
                                                                                       rechts am Waldrand               Herr und Frau
                                                                                                                        von Hueck               7 km
  Auf seiner Abschiedstournee        Trompete und Orgel findet am 2.
gastiert Ludwig Güttler zusam-       September um 20.00 Uhr statt.
                                                                              25.9. Nanzhäuser Heide
men mit Friedrich Kircheis in der      Tickets gibt es bei reservix.de
                                                                                    Start: Bundesstraße Marburg – Gladenbach,
Elisabethkirche. Das Konzert für
                                                                                    hinter dem Abzweig nach Rüchenbach

Die halbe Stunde
                                                                                    rechts parken                  Frau Röcker                  7 km

                                                                                            Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen,
  Die musikalische Reihe „Die        am Cello, die Werke von Schu-                    war vor zwanzig Jahren. Die nächstbeste Zeit ist jetzt.
Halbe Stunde“ jeden Mittwoch         mann, Rheinberger und Gárdo-                                         Aus Uganda
in der Elisabethkirche macht im      nyi mitbringen werden. Die wei-
August eine Sommerpause. Im          teren Konzerte werden unter
September geht es dann wieder        andrem von Joachim Eichhorn
jede Woche um 17 Uhr weiter.         und Constantin Scholl gespielt.
Das erste Konzert am 7. Sep-         Der Eintritt ist frei, um eine
tember wird dabei gestaltet von      Spende für die musikalische Ar-
Daniel Gárdonyi an der Orgel         beit an der Elisabethkirche wird
und Heejung Kopisch-Obuch            gebeten.
                                                                  KiM   13   8-9/22
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