www.aaku.ch September 2020 Nr. 38 - Aargauer Kulturmagazin
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Herausgegeben von der IG Kultur Aargau Sept 20 Aargauer Kulturmagazin www.aaku.ch September 2020 Nr. 38 ANIMATIONSFILM Mutig, gerecht, be sonnen: Das Fantoche lädt auf ein Treffen mit Heldinnen ein KREATIVER FREIRAUM Brachen sind wichtig fürs Kunstschaffen. Eine Kritik am Renditedenken AARGAUER KUNSTHAUS Die neue Direktorin Katharina Ammann über die künftige Aus- richtung des Hauses
ODEON BRUGG das Kulturhaus beim Bahnhof Heidi Widmer Bilder und Zeichnungen BAR Montag 14 – 23 Uhr aus einem halben Jahrhundert. CINEMA BÜHNE Di – Do 11.30 – 23 Uhr Info 056 450 35 65 Vorverkauf Freitag 11.30 – 24 Uhr Tickets Mo – Fr ab 14 Uhr Samstag 17.30 – 24 Uhr odeon-brugg.ch Sa/So ab 10 Uhr Sonntag 17.30 – 22 Uhr CINEMA BÜHNE FREITAG 4. SEPT. 19 UHR FREITAG 11. SEPT. 20.15 UHR CH 2019 90 Min. Dialekt/d ab 6 J. Regie: Thomas Horat DIENER & BACHMANN DIE RÜCKKEHR DER WÖLFE DIE ABENTEUER DES DON Der Wolf erobert nach längerer CHILISCHOTE Abwesenheit durch Ausrottung seine Der Slam Poet und der Cellist alte Heimat Schweiz zurück. erzählen vom Abenteuer des Lebens, vom heldenhaften Kampf für eine bessere Welt und gegen die bösen Geister der Quarter-Life-Krise, von der Suche nach dem Sinn des Lebens und der wahren Liebe DONNERSTAG 17. SEPT. 20.15 UHR MARIE UND ROBERT Zum 100-jährigen Todestag des SONNTAG 13. SEPT. 11 UHR Aargauer Autors Paul Haller aus Rein PAUL NIZON: DER NAGEL IM KOPF bei Brugg gastiert das Theater Marie CH 2020 90 Min. O/df ab 12 J. Regie: Christoph Kühn mit seinem Live-Hörspiel im Salzhaus Wortgewandt und voller Humor Brugg. gewährt Paul Nizon einen Einblick in seine Biografie und in sein Schaffen. MITTWOCH 16. SEPT. 17 UHR ODEONKINOREIF? Ausstellung GENTLEMEN PREFER BLONDES im ehemaligen Werkhofgebäude USA 1953 91 Min. E/d ab 12 J. Regie: Howard Hawks Marilyn Monroes Glanzauftritt mit Bleichi Wohlen «Diamonds are a Girl’s Best Friend» 30. August bis 27. September 2020 bleibt unvergessen. FREITAG 18. SEPT. 20.15 UHR KIERAN GOSS & ANNIE KINSELLA Öffnungszeiten Die Musik des irischen Singer-Song- Mi bis Fr 17.00 bis 20.00 Uhr writers Kieran Goss und der Sängerin Sa und So 11.00 bis 18.00 Uhr Annie Kinsella kommt direkt aus dem Herzen und geht direkt ins Herz. Ein Vernissage Konzert, das Sie zum Lachen und Sonntag 30. August 2020, 11.00 Uhr zum Weinen bringen wird. Anlässe 06.09. 11.00 Uhr SONNTAG 20. SEPT. 11 UHR Ernst Halter, Schriftsteller, MITTWOCH 22. SEPT. 18 UHR KINDER spricht zum zeichnerischen Werk CAMPUSCINEMA DIE CHLY HÄX CONTRADICT Die Tösstaler Marionetten präsen- 10.09. 19.00 Uhr tieren ein heiteres Figurentheater CH 2019 90 Min. O/df ab 12 J. Ulrike Büchs, Seelsorgerin in Regie: Peter Guyer und Thomas Burkhalter nach dem gleichnamigen Kinder- Zwei Jungs sammeln in Ghanas buchklassiker von Otfried Preussler. der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich Hauptstadt Accra Spenden für das führt durch die Ausstellung arme Amerika. Ist das ein blosser Spass oder eine Vision über umge- 13.09. 14.00 Uhr kehrte Kräfteverhältnisse? Regula Gerber, Lehrperson für Bildnerisches Gestalten, begleitet auf einem Kunstspaziergang durch MITTWOCH 30. SEPT. 20.15 UHR die Ausstellung, ins Stille Museum und ins Atelier CAMPUSCINEMA der Künstlerin THE EMPIRE OF RED GOLD F 2018 54 Min. O/d ab 12 Jahren Regie: Jean-Baptiste Malet 16.09. 19.00 Uhr Entdecken Sie vom ersten Ketchup FREITAG 25. SEPT. 20.15 UHR Mona Hasler liest aus den Tagebüchern 1897 an die verrückte Geschichte CLAIRE ALLEENE von Heidi Widmer, der Tomate, Ikone der heutigen AUS LAUTER LEBENSLUST musikalisch ergänzt durch Lissa Prim Globalisierung. Sturmfrei für Claire! Sie singt und schnabuliert frei nach Berliner 20.09. 11.00 Uhr Schnauze, purzelt von Augenblick zu Dr. phil. Heike Scheel, Kunsthistorikerin Augenblick, verliert den Faden, aber führt durch die Ausstellung nie sich selbst. Alle Anlässe sind öffentlich und ohne Eintritt. www.heidiwidmer.ch
Herausgegeben von der IG Kultur Aargau Sept 20 Aargauer Kulturmagazin Editorial Ins Alltags abenteuer, ihr Michael Hunziker Held*innen! Redaktionsleiter michael.hunziker@aaku.ch Das diesjährige Animationsfilmfestival Fantoche lädt uns mit seinem Thema «Heldin- nen» ein, über eine bessere Welt nachzudenken. Schliesslich arbeiten Heldinnen an nichts Geringerem als an der Veränderung des Status quo, und zwar Richtung Glück, Frieden und Gerechtigkeit – NIE in die Gegenrichtung (Eigennutz, Leid und Ungleich- heit)! Die animierten, bunten Welten mit den offenen Möglichkeiten erinnern uns an die eigene Kindheit mit ihren Tag- und Nachtträumen. An Abenteuerspiele und Mut proben, die wir beinahe täglich durchlebten. Die Normalität mit ihren Regeln war da- mals ja zwar da, fix in der Erwachsenenwelt, für uns – sind wir ehrlich – war diese aber häufig bloss Aushandlungssache und mit Tricks, kindlicher Schlauheit und Fantasie war es möglich, sie auszuhebeln oder gar mitzuprägen. Als Erwachsener darf man sich ruhig eingestehen, in diese offene und fluide Welt einzutauchen – gerade das Fantoche mahnt mit freundlicher Kontinuität daran – und etwas von den versunkenen Schätzen der Kindheit wieder hervorzuholen. Denn schnell und bequem ist vergessen, dass wir auch heute held*innenhaft etwas bewir- ken können. Am Prinzip hat sich ja nichts geändert, die gesellschaftliche Wirklichkeit ist damals wie heute Resultat von … ach hochkomplexen Zusammenhängen und ein paar Schwergewichten mit teilweise zweifelhaften Intentionen. Mit ein wenig List und Courage können wir ihnen im Alltag aber etwas entgegenhalten. Genau hinhören; sagen, wenn etwas nicht stimmt; solidarisch mit Schwächeren sein; Gerechtigkeit fordern und sich selbst in die Rechnung mit einbeziehen. Diese Held*innentugenden sind ja kein Witz, hierbei dürfen wir die Comics ruhig ernst nehmen. Probieren wir es aus. Es schaut mindestens ein Abenteuer heraus. Thematisch lässt sich an dieser Stelle einen Bogen zu unserem Hauptartikel schlagen. Wo entstehen diese Utopien? Einfache Antwort: im Kopf, klar. Da ist aber bestenfalls noch nicht Endstation. Wo realisieren sie sich? Einfache Antwort: im Atelier. Logische Folgerung: Kunst braucht Raum. Und dieser ist aber bei den Gentrifizierungsdyna miken und Renditeinteressen von Immobilienbesitzer*innen gefährdet, vergessen zu gehen, wenn jeder Kubikmeter zum Zahnrad einer Wertschöpfungsmaschine wer- den muss. In den Freiräumen, in den Nischen entstehen Innovation und Identität, sie tragen zur Lebensqualität eines Ortes bei. Und eben: Hier materialisieren sich die Ideen, werden Wirklichkeit. Held*innen würden zweifellos für den Erhalt solcher «Offspaces» einstehen und gegen eine profitorientierte Raumnutzung ankämpfen – denn sie wissen ja, woher sie kommen. 3
Freitag, 4. September 2020, 19.15h VERNISSAGE SCHWELLENZEIT MIT MONICA CANTIENI, STEPHAN PÖRTNER, JAN KONEFFKE U.A.M. Während des Lockdowns haben für uns Schweizer Autor/in- nen und Schriftsteller/innen aus der ganzen Welt Tagebuch, Essays, literarische Texte geschrieben. Nun erscheint das Buch Schwellenzeit, und am 4. September feiern wir bei uns im Literaturhaus eine multimediale Buchvernissage. Es lesen und diskutieren mit uns und Ihnen über die letzten Corona-Monate aus künstlerischer Sicht: Monica Cantieni (Bild), Jan Koneffke, Stephan Pörtner und andere mehr. Aargauer Literaturhaus, Müllerhaus, Bleicherain 7, 5600 Lenzburg; wir bitten um schriftliche Voranmeldung: www.aargauer-literaturhaus.ch/tickets PAUL NIZON Der Nagel im Kopf Literatur zwischen Aare, Limmat, Reuss und Rhein Ein Film von 4. September 2020 bis Christoph Kühn 10. Januar 2021 www.forumschlossplatz.ch Ab 10.September im Kino *PaulNizon_InsD_102x1425_aaku.indd 1 04.08.20 14:36
Herausgegeben von der IG Kultur Aargau Sept 20 Aargauer Kulturmagazin Inhalt VORSCHAU Fantoche 6 MAGAZIN Das Animationsfilmfestival legt einen Schwerpunkt auf Heldinnen – weibliche Hauptfiguren in starken Rollen, vor und hinter den Kulissen. 24 Kultureller Freiraum Welche Bedeutung hat der Raum auf das künstlerische Schaffen? Wie können Freiräume vor der Gentrifizierung gerettet werden? AAKU spricht mit Künstler*innen über ihre kreativen Kosmen und fragt bei den Städten Aarau und Baden nach, welche Instrumente sie für kulturelle Zwischennutzungen kennen. Freilichttheater 9 In Reinach spielt das Tab-Ensemble Tschechows Kirschgarten Kunst in Aarau 10 Das Aargauer Kunsthaus zeigt gleich drei junge 29 Neue Kunsthausdirektorin Schweizer Künstler*innen Katharina Ammann spricht im Interview über ihre Schwerpunkte, Verborgene Räume 11 Drittmittelakquise und ihre erste Ausstellung. «hausaus hausein» ist ein Kulturparcours durch 32 Bühne Aarau unbekannte Orte von Brugg Die Reithalle, Spielort der neu gegründeten Bühne Aarau, ist noch Theaterfestival Fanfaluca 12 nicht fertig, und doch starten die Verantwortlichen unter diesem In Aarau setzen sich Jugendliche mit digitalen Formen Namen in die aktuelle Theatersaison. Der künstlerische Leiter Peter auseinander Kelting gibt Einblick in das Vorhaben. Albumtaufe 13 35 Das Bild Die Badener Band Al Pride feiert im Royal ihr neues Album Aus dem Ringier Bildarchiv Entschleunigtes Fotofestival 14 36 Sadas Welt In Lenzburg sind Bilder zum Thema «Zeiten unter Kolumne Druck» zu sehen Neuer Chefdirigent 16 36 Das Objekt Das Argovia Philharmonic erhält mit Rune Bergmann Sammlerstücke von Rudolf Velhagen einen neuen Dirigenten 37 Jens Nielsen Improvisationsmeister 17 Kolumne Musig im Pflegidach Muri hat zwei Jazzgrössen 37 Ausschnitte eingeladen: Lionel Loueke und Ziv Ravitz Von Anna Sommer Indie-Pop 18 38 Unterwegs mit Julia Haenni Die Band Tim Freitag beschwört im Kiff ein Monster – Von Benjamin von Wyl oder eher eine verspielte Kreatur Familienseite 19 Kultursplitter 20 Filmtipps 21 AGENDA Hörtipps 22 Lesetipps 23 40 Kultur im Aargau auf einen Blick Veranstaltungen im September Cover: Culottées, Mai Nguyen, Charlotte Cambon, FR 2019. Videostill 5
VORSCHAU Sept 20 Aargauer Kulturmagazin TEXT PHILIPPE NEIDHART l FOTOS FILMSTILLS / ZVG Heldinnen der Leinwand FILM Die Kinoleinwände dieser Welt werden noch immer von Männern beherrscht, doch das Fantoche stellt sich diesem Trend entgegen. An der 18. Ausgabe des Internationalen Animationsfilmfestivals in Baden stehen Heldinnen im Vordergrund. 6
Sept 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Hollywood versteht sich selbst als Traumfabrik – bei und Gewaltfreiheit. Und ein Blick in die Filmgeschichte zeigt, genauer Betrachtung vieler Filme muss jedoch festge- dass Frauen eine prägende Rolle in der Entwicklung des stellt werden, dass es sich vornehmlich um Männerträume Kinos gespielt haben und noch immer spielen – auch im handelt. Wenn Frauen in Filmen erscheinen, dann meist in Animationsfilm. Deshalb werden im Fantoche-Edit-a-thon für stereotypisierten Rollen – als Prinzessinnen beispielsweise, wichtige Animationsfilmemacherinnen Einträge auf Wikipe- die vom männlichen Helden gerettet werden. Und viel zu dia erstellt, um dem nach wie vor ungleichen Verhältnis der oft werden weibliche Charaktere in einem sexualisierten dort repräsentierten Geschlechter entgegenzuwirken. Kontext dargestellt. Hierbei wird vom sogenannten «male gaze» gesprochen, dem bestimmenden männlichen Blick im Film. Dieser projiziert seine Fantasie auf die weibliche Gestalt, die dementsprechend geformt wird. Der Frau wird die Rolle als sexualisiertes Objekt zugeschrieben, sie wird zur Schau gestellt, ihre Erscheinung erotisiert. Dies äussert sich mitunter in der überproportionalen Darstellung der Frau in freizügiger Kleidung oder Nacktheit. Demgegenüber sind Männer laut diversen Studien noch immer doppelt so häufig auf der Leinwand zu sehen wie Frauen und besitzen einen erheblich höheren Redeanteil. Um festzustellen, wie Frauen in Filmen dargestellt werden, existiert der sogenann- te «Bechdel-Test». Dieser geht zurück auf die US-amerikani- sche Cartoonzeichnerin und Autorin Alison Bechdel und ihr queerer Comicstrip «Dykes to Watch Out For». Um den Test zu bestehen, müssen folgende drei Fragen positiv beantwor- tet werden können: Gibt es mindestens zwei Frauenrollen? Sprechen diese miteinander? Und unterhalten sie sich über The «Armpit Hair Girl» (KR 2017), Da-Hee Jeong / Young-Seo Kwon. etwas anderes als einen Mann? Auch wenn der Test aus wissenschaftlicher Perspektive umstritten ist, bildet er ein simples Mittel, zumindest oberflächliche Stereotypisierun- gen weiblicher Figuren aufzudecken und zu beurteilen. Fantoche gehört den Frauen Auch das Fantoche hat es sich in diesem Jahr zum Ziel gemacht, die partriarchalisch geprägten Machtstrukturen zu hinterfragen und mit gängigen Verhaltensmustern zu brechen. Dies beginnt bereits hinter der Kulisse: Das Festi- valkernteam ist weiblich, ebenso werden der Schweizer und Internationale Wettbewerb von einer Frauenjury bewertet. Und inhaltlich widmet sich das Fantoche dem Schwerpunkt- thema «Heldinnen»: Mit Hayao Miyazakis «Kiki’s Delivery Service» (JP 1989) kommt ein Anime-Klassiker aus dem Stu- dio Ghibli auf die Badener Leinwände, der sich einfühlsam «Tout en haut du monde» (FR/DK 2015), Rémi Chayé. mit dem Prozess des Erwachsen- und Selbstständigwerdens auseinandersetzt. «Tout en haut du monde» (FR/DK 2015) von Rémi Chayé hingegen nimmt die Zuschauer*innen mit auf die Reise der 15-jährigen Adligen Sasha, die von St. Pe- tersburg zum Nordpol reisen will, um ihren verschollenen Grossvater zu suchen; ein bildgewaltiges Abenteuer für die ganze Familie. Der dritte Langfilm im Rahmen des Schwer- punktthemas «Heldinnen» spielt in einer dampfbetriebenen Parallelwelt. Christian Desmares’ «Avril et le monde truqué» (FR/BE/CA 2015) basiert dabei auf dem grafischen Univer- sum des Comiczeichners Jaques Tardi. Für Abwechslung sor- gen zudem drei von Eliška Děcká und den Frauen vom Wie- ner Tricky Women Festival kuratierte Kurzfilmprogramme. «Young Role Models for Girls at Heart» zeigt auf, was wir von jungen Frauen lernen können, «Unsung Heroines» beschäf- tigt sich mit kleinen Heldentaten, «Alltagsheldinnen» erzählt Geschichten über Selbstbestimmung, Chancengleichheit 7
VORSCHAU Sept 20 Aargauer Kulturmagazin Pionierin des Animationsfilms Ein Schwerpunkt des Festivals widmet sich zudem der deut- schen Scherenschneiderin und Silhouetten-Animationsfil- merin Lotte Reiniger (1899–1981). Bereits in ihrer Schulzeit begann Reiniger mit Schattentheater, ebenso war sie beeindruckt von der Arbeit des französischen Illusionisten und Filmpioniers Georges Méliès. Bald schon wurden Sche- renschnitt und Silhouette zu Reinigers selbstverständlichen künstlerischen Ausdrucksmitteln: «Meine Hände gehen schon so lange mit der Schere um, dass sie von ganz allein wissen, was sie tun müssen», gab sie einst zu verstehen. Mit jungen zwanzig Jahren schuf Reiniger so ihren ersten eigenen und erst kürzlich wiederentdeckten Kurzfilm «Das Ornament des verliebten Herzens». In den folgenden Jahren sollten diverse Auftragsarbeiten und Werbefilme folgen, ihr Hauptinteresse jedoch galt über die ganze Zeit hinweg den Märchen und Mythen. Ihre poetisch gehaltenen Filme zeichnen sich dabei nicht nur durch handwerkliches Können aus, ebenso beinhalten sie oftmals eine hintergründige Komik und viel Liebe zum Detail. Bis zuletzt reiste sie um die Welt, hielt Vorträge und arbeitete an neuen Werken und wurde so noch zu Lebzeiten zu einem Teil der lebendigen Filmgeschichte. Ihr wohl bekanntestes Werk «Die Abenteuer des Prinzen Achmed» (DE 1926) ist der erste noch erhaltene abendfüllende Trickfilm und erschien ganze zehn Jahre vor Disneys erstem Langfilm «Schneewittchen» (USA 1937). Im filmwissenschaftlichen Diskurs ist Reinigers Werk zwar präsent, dem zeitgenössischen Publikum jedoch weitestge- Lotte Reiniger, Pionierin des Animationsfilms. zvg hend unbekannt. Nun bietet sich am Fantoche die Chance, den einstündigen Film samt Livevertonung zu erleben und sich in Lotte Reinigers Interpretation von Tausend undeiner Nacht entführen zu lassen. In der «Retrospektive» wird zudem eine Auswahl an ihren Kurzfilmen gezeigt, und eine Ausstellung im Kunstraum Baden widmet sich dem Schaffen Reinigers mit Materialien aus ihrer Werkstatt. BADEN diverse Orte, Di, 1. bis So, 6. September Informationen und Programm: www.fantoche.ch «Under Your Fingers» (FR 2014), Marie-Christine Courtès. 8
Sept 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Frische Kirschen von der Brache BÜHNE Mit der Freilichtinszenierung des bekann die Städter zu überbauen, findet Ljuba geistlos. Der aufs Gut ten Tschechow-Stücks versetzt das Tab-Ensemble zurückgekehrte ehemalige Lehrer und ewige Student kriti- unter der Regie von Gunhild Hamel den Kirsch siert Kapitalisten und Intellektuelle – eine Vision, den Kirsch- garten und dessen ratlose Bewohner*innen in die garten zu erhalten, ohne bankrottzugehen, hat niemand. Es grosse Industriebrache mitten in Reinach. kommt wie es muss. Das Gut wird verkauft. Schon lange wollte Gunhild Hamel ein Stück von Tschechow Die russische Gutsbesitzerin Ljuba kehrt hochverschuldet inszenieren – und neben dem Theater am Bahnhof lockte aus Paris auf ihr Anwesen mit dem geliebten Kirschgarten die verwilderte Ebene als Bühne. Der tiefgründige «Kirsch- zurück. Die Bäume blühen – als Einziges noch auf dem garten» passt bestens in die Ungewissheit unserer eigenen Gelände, Ertrag werfen sie keinen mehr ab. Die Gutsbewoh- Zeit und zum Ort, der die heutige Ratlosigkeit spiegelt: Die ner*innen haben sich darauf verlegt, anstelle der Kirschen Fabrik, die neben dem Tab stand, hat ihr Geschäft zwecks für Verzehr und Verkauf die alten Zeiten zu konservieren. besserer Rendite nicht gerade nach Paris, aber dennoch Ljubas Bruder, der auf dem Gut geblieben war, hat keinen nach Frankreich verlegt. Finger für dessen Erhalt gerührt, bei den Dienstboten sind Die Personen und die Handlung des Stücks sind von Landstreicher untergekommen, und der Buchhalter spielt Tschechow mehr oder weniger frei erfunden. Etwaige Ähn- lieber Gitarre, als sich um die roten Zahlen zu kümmern. lichkeiten der Inszenierung mit aktuellen Begebenheiten Die neue Zeit macht sich bemerkbar – was tun mit dem Kirschgarten? Foto: Peter Siegrist Wie den Kirschgarten erhalten? sind natürlich beabsichtigt. Man darf sich auf die Früchte der Familie und Anhang schwelgen in Erinnerungen, tändeln lebhaften Auseinandersetzung mit dem eigentlich zeitlosen und diskutieren, derweil erscheint die neue Zeit vage am Text freuen. Von Kristin T. Schnider Horizont in Gestalt von Pleite, naher Stadt und Eisenbahn. Was tun? Für Ljuba oder ihre Töchter einen reichen Mann finden? Auf ein Darlehen einer alten Tante hoffen? Der Ein- REINACH Theater am Bahnhof zige, der eine Lösung anbietet, ist Lopachin, der Kaufmann, 28. August, 20 Uhr (Premiere). dessen Eltern sich noch in Leibeigenschaft auf dem Gut Diverse Vorstellungen im September: abgerackert hatten. Dass er vorschlägt, den Garten abzuhol- www.tab.ch zen, das Land zu parzellieren und mit Sommerhäusern für 9
VORSCHAU Sept 20 Aargauer Kulturmagazin Gletscherschmelze und radioaktive Kokosnüsse AUSSTELLUNG Im September sind im Aargauer Kunsthaus Werke von drei jungen Schweizer Künstler*innen zu sehen. In der Einzelausstellung thematisiert Julian Charrière die ambivalente Verbindung zwischen Mensch und Natur. In der grossen Einzelausstellung mit dem bezeichnenden «So setzt sich Martina Mächler mit Fragen auseinander, Titel «Towards No Earthly Pole» führt Julian Charrière (33) in denen das Verhältnis zwischen Psyche und Körper im die destruktive Kraft menschlichen Handelns ad absurdum. Zentrum steht.» In der gleichnamigen raumgreifenden Filminstallation sind schimmernde Eisberge, Gletscherspalten und Eismeere Mit Haut und Farbe zusehen, die aus der Dunkelheit erscheinen und von ihr Rachele Monti lotet in der zweiten Caravan-Ausstellung wieder verschluckt werden. Vereinen sich hier die Eisland- die Möglichkeiten des fotografischen Mediums aus und schaften zu einem sinnlich-poetischen Kosmos, erhalten erweitert ihre Ergebnisse mit dem manuellen Einsatz von die Eisberge (andere freilich) in einer weiteren Arbeit Charrières einen unheilvollen Besuch: Der Künstler besteigt sie mit einem Flammenwerfer, mit dem er sie zum Schmelzen bringen will. «Julian Charrière ist als bilden- der Künstler ebenso Forscher und Entdecker», sagt Gastkurator in Katrin Weilenmann. «Er verbindet mit Leichtigkeit disparate Werke und unterschiedliche Diszipli- nen.» Beispielhaft dafür steht «The Purchase of the South Pole» (2017). Unter einer Schutzhülle, die auch gegen Gletscherschmel- ze zum Einsatz kommt, verbirgt er eine Kanone – umgeben von bleiummantelten Kokosnüssen. Die Kokosnüsse sind «Souvenirs» Julian Charrière, «The Blue Fossil Entropic Stories I», 2013 Courtesy the artist. Pro Litteris, Zürich. von Charrières Expedition zu den radioaktiv verstrahlten Inseln des Bikini-Atolls. Licht, Farbe und transparenten Materialien. So kombiniert «Julian Charrières Neugier und sein Interesse, die sie bearbeitete, farbenprächtige Fotografien mit kantigen, Umwelt zu begreifen, führen ihn an globale Brennpunkte. spitzigen Objekten und setzt sie im Raum in ein Spannungs- Gleichzeitig konfrontiert uns der Künstler mit den direk- verhältnis. Monti konzentriert sich bei ihren Aufnahmen fast ten Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Natur», ausschliesslich auf den menschlichen Körper – insbeson- erklärt Weilenmann. dere die Haut – und bearbeitet ihre Materialien und Bilder meist so, dass sie an hautähnliche Oberflächen erinnern. Stimmen eines fragmentierten Ichs «Mit ihrer Arbeit lädt uns Monti in eine bunte, intime, von In den zwei Caravan-Ausstellungen zeigen Martina Sinneseindrücken dominierte Welt ein», sagt Anouchka Pan- Mächler und Rachele Monti je ihre Werke. Mächlers (29) Ar- chard, Wissenschaftliche Mitarbeiterin. Bei Montis Arbeiten beiten basieren auf Text und Ton. Ihre Geräuschcollage be- schwingt die Verletzlichkeit menschlicher Existenz stets mit. gleitet die Besucher*innen durch die Ausstellungsräume der Klima, psychische Brüche, Vulnerabilität – die thematischen Sammlung im Obergeschoss. Wir hören ein Summen und Setzungen dieser Ausstellungen könnten aktueller nicht Murmeln und lesen dazu im Raum platzierte Textfragmente. sein. Von Michael Hunziker Es wird erzählt, argumentiert oder gescherzt, geschrien, geflüstert, getuschelt. «In den Texten geht es um ein fragmentiertes Selbst, als bestünde es aus verschiedenen AARAU Aargauer Kunsthaus Persönlichkeiten», erklärt Kuratorin Yasmin Afschar. ab 6. September 10
Sept 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Entdeckungen in verborgenen Räumen AUSSTELLUNG «hausaus hausein» – ein Kulturparcours durch Brugg: Musik, Kunst und Literatur können von der Schaltzentrale im Kupperhaus aus an unerwarteten Orten entdeckt werden. Für «Kupper, Salz und Zimmermann» verlassen das Zimmer- Die eingeladenen Kunstschaffenden gehen der Frage mannhaus wie auch das Salzhaus temporär ihre gewohnten nach den Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Räumlichkeiten. Ein Versuch, auf den Leerstand von Räumen Raum nach und antworten mit ortsspezifischen Installatio- und Gebäuden in Brugg zu reagieren und das Kupperhaus nen. So zum Beispiel die Künstlerin Maria Bänziger und der wiederzubeleben. Das ehemalige Steueramt verwandelt Theaterschaffende Andreas Bächli im Effingerhof. In ihrer sich im September zum Check-in für Kunstinteressierte. Wer begehbaren Arbeit spielen sie mit der gegebenen Archi- vom Warteraum aufgerufen wird oder das Getränk an der tektur und der Ausstattung der ehemaligen Druckerei und Bar ausgetrunken hat, bekommt an der Rezeption Schlüssel, bauen einen Raum aus Vorhangstoff, durch den man als Codes und Karten zu verborgenen privaten und halbprivaten Besucher*in schlüpfen kann. Räumen in der Brugger Altstadt. Insgesamt neun künstle Aber nicht nur Kunst, sondern auch Musik und Literatur rische Interventionen können auf diesem Parcours entdeckt werden berücksichtigt. Durch die Kollaboration mit den werden – ob in einer leer stehenden Wohnung oder den 36. Brugger Literaturtagen und anderen Kulturakteur*innen ehemaligen Gefängniszellen des Schwarzen Turms. werden auch hier Synergien geschaffen: Zum Beispiel mit den Pop-up-Konzerten der Zürcher Band Silent Neighbour in den Ausstellungsräumen oder der Performance der Zeichnerin Karoline Schreiber. Sie wird im Dachstock des Salzhauses zeichnend die Lesungen im Untergeschoss mitverfolgen und mehrere Stunden ihre Assoziationen auf ein langes Papierband übertragen. Dieses wandert als Fluss des Erzählens langsam durch einen Schacht nach unten und mündet zeitverzögert und bildhaft zu einem immer grösser werdenden Papierhaufen. Von Gianna Rovere BRUGG Zimmermannhaus, diverse Orte und Veranstaltungen, Vernissage: Fr, 4. September, 19 Uhr. Bis 20. September. Andreas Bächli und Maria Bänziger, «backstaging Welt». Fotomontage. 36. Brugger Literaturtage, 18. bis 20. September Grosssiedlungen im Pressebild Sicht auf die Wohnsiedlung Onex bei Genf, 1969. Foto: Donald Stampfli AUSSTELLUNG Das Stadtmuseum Aarau eröffnet während der Euro StAAG/RBA1-1-15592_3 päischen Denkmaltage eine neue Bilderschau aus dem Ringier Bildarchiv zum Thema Grosssiedlungen. Während die «Wohnbauten für die Masse» in den 1950er- und 60er-Jahren als Garant für Fortschritt, technische Neuerungen und Wirtschaftswachstum standen und als Mittel der Stun- de gegen den akuten Wohnungsmangel propagiert wurden, deklarierte man sie wenige Jahre später als «Betonwüsten» und «anonyme Schlaf- stätten». Die Bilderschau gibt Einblick in den architektonischen Diskurs zum Wohnungsbau zwischen 1950 und 1980 und beleuchtet gleichzeitig die Rolle der Pressefotografie bei der Vermittlung des Wertewandels und der Kritik an der Nachkriegsmoderne. mh AARAU Stadtmuseum ab 12. September 11
VORSCHAU Sept 20 Aargauer Kulturmagazin So digital kann Theater sein BÜHNE Das Jugendtheaterfestival Fanfaluca setzt spieler*innen und Organisator*innen über die Chancen und sich mit den digitalen Formen der Schauspielerei Möglichkeiten der Schauspielerei im digitalen Raum spre- auseinander und zeigt zwei Produktionen von chen. Zudem präsentieren die Jugendlichen die Ergebnisse Jugendlichen. aus den Workshops, die während der Festivalwoche erarbei- tet werden. Zu Hause arbeiten und Freunde online treffen: Die Coro- Aufgrund der Pandemie werden erstmals nur zwei na-Krise hat die Schweiz digitalisiert. Auch vor dem Theater Produktionen am Festival gezeigt: «Es gab auch weniger hat die virtuelle Welt keinen Halt gemacht. Damit beschäf- Eingaben, da die Ensembles nicht proben konnten», erklärt tigt sich das diesjährige Fanfaluca: Das Jugendtheaterfestival Lukas Renckly, Mediensprecher des Festivals. Eröffnet wird thematisiert in seiner siebten Ausgabe die Möglichkeiten das Fanfaluca vom Verein Fokus im Leben aus Basel-Stadt und Formen des digitalen Theaters. mit seiner Produktion «Liebes-Spiel – ein Theaterstück von In einem öffentlichen Gespräch zu Digitalisierung und und mit Jugendlichen mit einer unheilbaren Krankheit». Das Theater können Interessierte gemeinsam mit den Schau- Stück basiert auf den Erfahrungen und Gedanken schwer- kranker Jugendlicher und ist eine künstlerische Auseinan- dersetzung mit Leben, Lieben und Sterben. Die Schultheatergruppe der Kantonsschule Enge zeigt das zweite Stück: «Kleider machen Leute oder Sallys Fall». Thematischer Ausgangspunkt ist hierbei Gottfried Kellers Novelle «Kleider machen Leute». In zwei Geschichten befassen sich die zehn Schauspieler*innen mit Fremd- und Selbstwahrnehmung. Dabei setzen sich die Nachwuchsdar- steller*innen mit der Frage auseinander, ob junge Menschen in der heutigen Gesellschaft ohne mediale Selbstdarstellung bestehen können. Aufgrund der Massnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 finden die Vorstellungen nur im Theater Tuchlaube statt. Dort werden sich auch das Festivalzentrum und der Ort der Begegnung und des Austausches befinden. Von Barbara Scherer AARAU Tuchlaube, Do, 8., bis So, 11. September Fremd- und Selbstwahrnehmung – Kleider machen Leute. zvg Urbaner Wahnsinn AUSSTELLUNG Im September lohnt es sich gleich mehrmals das Gluri Suter Huus in Wettingen zu besuchen. Als Satellitenausstellung zum Fantoche zeigt das Haus vier Künstler*innen, die zeichnerisch Welten er- schaffen, die für die Hilfe von Heldinnen zumindest offen wären. Es sind dystopische Visionen: Cornelia Hesse-Honegger zeichnet nuklearbeding- te Deformationen von Insekten, Ingo Giezendanner aka GRRRR bannt den urbanen Wahnsinn von Grossstädten auf Papier, Lika Nüssli berichtet in ihren comicartigen Malereien von der gesellschaftlichen Schattenseite, und Thomas Otts Werke evozieren albtraumhafte Erinnerungen. In der zweiten Ausstellung versammeln sich die Urban Sketchers mit ihren Eindrücken, die sie während der Krise festgehalten haben. Es sind Bilder, die vor Kurzem wohl ebenso als dystopisch verstanden worden wären. Heute sind sie hoffentlich bald nur noch geteilte Erinnerungen. mh WETTINGEN Gluri Suter Huus, Schöne heile Welt, bis 20. September Thomas Ott, «Trilogie 3», Lithografie. Urban Sketchers, 27. September bis 18. Oktober 12
Sept 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Al Pride präsentieren ihre demokratisch entstandenen Songs. Foto: Andrin Fretz. Keine Pose zum Preis der eigenen Haltung SOUNDS Musikalische Demokratie auf Hoch In ihrer elfjährigen Geschichte hat sie viele Verände- touren: Die Badener Band Al Pride tauft ihr rungen durchgemacht, personelle wie musikalische. Die neues Album im Royal Baden. kleinen Schritte zurück auf dem Weg nach vorne seien quasi integraler Bestandteil der «Idee» Al Pride, sagt Sänger Nico Ein kurzes Zaudern, ein Moment des Innehaltens, dann ist Schulthess. Nachzeichnen lässt sich das etwa am Songwri- die Gewissheit da: Ich bin an dich gebunden, ich bedinge tingprozess, den die mittlerweile achtköpfige Band ab 2016 dich, und wenn du untergehst, dann gehe ich mit dir. Die radikal demokratisiert und damit geöffnet hat für unter- Bläser setzen zur Fanfare an, Bass und Schlagzeug stehen schiedlichste Perspektiven. Damals stiessen mit den Bläsern noch näher zusammen, die Stimmen verlieren an Schwer- nochmals neue Instrumente und Musiker zur Band. kraft, aber die Stimmung gewinnt an Dringlichkeit. «If You Vergleicht man die Songs des 2016 erschienenen Al- Go Down» entfaltet jetzt seine ganze epische Wirkung. bums «Hallavara» mit der neuen EP «Spruce», wird deutlich, Der Song ist ein Dialog mit dem versehrten Planeten über wie dieser Demokratisierungsprozess auf die Musik einge- unsere Abhängigkeit von ihm, und die Schwierigkeit, diese wirkt hat. Sprang die dreiköpfige Bläsersektion auf Hallavara anzuerkennen. Und er ist ein Popsong, wie er typisch ist für stellenweise noch aus dem Mix heraus, sind nun alle Instru- die Badener Band Al Pride: Die eine Hand ausgestreckt zur mente eng verwoben zu einem satten Klangbild. Sie haben grossen Geste, die andere Hand auf dem Herz. Posen sind zu einem Konsens gefunden. erlaubt, aber nie zum Preis der eigenen Haltung. Ob es denn nicht anstrengend sei, acht unterschiedliche Stimmen zu einer verständlichen Sprache zu verdichten? Schritte zurück, nach vorn «Es braucht natürlich viel Ausdauer und Kritikfähigkeit», sagt «If You Go Down» ist die letzte Vorankündigung ihres Schulthess. Aber: «Wenn es dann klappt und acht Personen neuen Albums «Sweet Roller», das Ende August erscheint kompromisslos in eine Richtung ziehen, wird es unaufhalt- und am 11. September im Royal Baden getauft wird. Bereits sam». Von Donat Kaufmann im April erschien die EP «Spruce», deren Songs auch Teil des Albums sind. Und eigentlich wären Al Pride zu die- sem Zeitpunkt bereits einmal quer durch die Schweiz und BADEN Royal Deutschland getourt mit den Songs – aber eben, der Virus. Fr, 11. September, 20 Uhr Doch Al Pride ist nicht die Band, die sich davon die Stim- mung verderben lässt. 13
VORSCHAU Sept 20 Aargauer Kulturmagazin Momentaufnahmen aus der rennenden Zeit AUSSTELLUNG Das Fotofestival findet dieses Jahr zum dritten Mal an verschiedenen Orten in Lenzburg statt. In den Ausstellungen, Workshops und Talks dreht sich alles um die Entschleunigung der Zeit. Die Frau im gemusterten Pullover reckt ihre Arme in die Höhe und lehnt sich mit den Händen an die Wand: Der Berliner Fotograf Nils Stelte hat sie auf der Suche nach geistiger Regeneration mit seiner Kamera eingefangen. Sein Projekt «Renaissance» trifft den Nerv der Zeit und ist eines von vier Portfolios, die von der Jury für den Fotowettbewerb des Foto- festival Lenzburg ausgewählt wurden. «Seine Fotografien und vor allem seine Bildauswahl stachen aus über 250 Einsendungen heraus. Die Serie erzählt vom Kampf mit Stress und von der Flucht von Städter*innen in esoteri- sche Selbstfindung. Das passt wunderbar zu unserem diesjährigen Thema des Festivals: ‹Zeiten unter Druck›», sagt die Festivalleiterin Margherita Guerra. Ein Mittel, um zu verstehen 2017 wurde das Fotofestival vom Verein Lenzburger Gesellschaft für Fotografie gegrün- det, um relevante Fotografieausstellungen mit dem Fokus auf Vermittlung auch abseits der grossen Zentren erlebbar zu machen. Denn so- wohl Bilder wie auch das Fotografieren sind von unserem Alltag nicht mehr wegzudenken; aber es herrscht die Gefahr, dass die Bedeutung von professionellem fotografischem Arbeiten ver- gessen wird. «Die Fotografie soll ein Mittel sein, unsere Welt und unsere Gesellschaft besser zu verstehen. In der heutigen Bilderflut wird es im- mer schwieriger, diese Talente zu entdecken», erklärt Guerra. Mit diesem Ziel werden jedes Jahr Projekte gesucht, die Brüche zwischen Alltags- und Highlevelfotografie kreieren und das Festival zu einem Erlebnis für ein breites Publikum machen. So auch in der Hauptaus- stellung «Divided We Stand» im Stapferhaus: Das renommierte Schweizer Fotografenduo Monika Fischer und Mathias Braschler ist für ihre dokumentarische Fotoarbeit 2019 für vier Aus der Serie «Renaissance» vom Berliner Foto- Monate durch vierzig US-Staaten gefahren und grafen Nils Stelte, ausgestellt am Fotofestival Lenzburg. Foto: Nils Stelte wollte herausfinden: Wo stehen die Menschen in diesem Land? Sie porträtierten Bürger*innen aus allen Gesellschaftsschichten und versuchten, ihre Ge- schichten vom Druck politischer, sozialer und persönlicher Veränderungen in der schnell rennenden Zeit einzufangen LENZBURG Alte Bleiche, Stapferhaus und andere Orte, und als Momentaufnahme in Fotografie zu übersetzen. 12. September, 14 Uhr (Eröffnung, Bleiche). Von Gianna Rovere Bis 25. Oktober, jeweils Fr/Sa/So 14
Sept 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Durch drungen von Welt AUSSTELLUNG Ein Blick aus dem Fenster, Men- schen im Bus, ein Pianist am Flügel – die Malerei von Milena Seiler ist durchdrungen von der Welt, in der sie lebt. Auf den grossformatigen Arbeiten zerfliessen die Konturen, Farbe trifft auf nasse Leinwände, schwarze Tusche und collagierte Elemente setzen Akzente. Im Zentrum der ersten institutionellen Einzelausstellung der Künstlerin steht hierbei der titelgebende Werkzyklus «Das japanische Zimmer». Gleichzeitig zu Seilers Bilder wird in Kooperation mit dem Animationsfilmfestival Fantoche das Schaffen der Silhouetten-Animati- onsfilmerin Lotte Reiniger (1899–1981) gezeigt. phn BADEN Kunstraum 29. August bis 25. Oktober «Zimmer» von Milena Seiler. zvg Anzeigen STERNENSAAL Das Theater in Wohlen AU F TA K T V E R A N S TA LT U N G Dienstag 8. September 19.00-21.00 Saisoneröffnung Samstag im Stapferhaus Lenzburg 19:00 Apéro und Znacht 19. Sep. 2020 20:30 6 Handful of Blues - Shuffle, Slow Blues, Blues Rock 19:00 Uhr Kultur sichtbar machen, ihre Anliegen gegenüber Gesellschaft, Einweihung des Schaukastens gestaltet von Heidi Widmer Politik und Wirtschaft vertreten und Kulturschaffende und Kulturveranstaltende überregional und spartenübergreifend vernetzen. Das will der neu gegründete AGKV. From Basin Street to Broadway Mit welchen konkreten Zielen und Massnahmen? Samstag Morgenthaler/ Breinschmid Sextett Wie war der AGKV schon aktiv und welche Schritte sind geplant? 17. Okt. 2020 Was brauchen die Kulturschaffenden und Kulturveranstaltenden Grosse Hits der Jazzgeschichte 20:30 Uhr im Kanton? Darüber möchte sich der AKGV mit den Kulturakteur*innen austauschen. Mit Anmeldung bis am 1. September: Mundartprojekt Hunziker 2020 agkv.ch/auftaktveranstaltung-agkv/ Eine Matinée ganz im Zeichen der Aargauer Mundart Sonntag 18. Okt. 2020 10:30 Uhr Poscriptum Les Diptik sortieren Erinnerungspakete Samstag Theaterkunst und Clownerie - poetisch, tiefgründig, witzig 24. Okt. 2020 20:30 Uhr Atelierstipendium Das dritte Leben Vorstadttheater Basel Ein poetischer Reigen über den letzten Lebensabschnitt Samstag 31. Okt. 2020 Belgrad 2021 20:30 Uhr für den Zeitraum August bis November 2021 Bewerbungen digital bis zum 5.10.2020. Eine Annäherung an Erik Satie „Ich bin sehr jung auf eine sehr alte Welt gekommen“ Samstag www.baden.ch/atelierstipendien von Rahel Sohn-Achermann und Werner Bodinek 14. Nov. 2020 20:30 Uhr 15
VORSCHAU Sept 20 Aargauer Kulturmagazin Magie entstehen lassen KLASSIK Am 6. September geht es im Trafo Baden los: Dann gibt der Norweger Rune Bergmann seinen Einstand als neuer Chefdirigent des Argovia Philharmonic. Im Interview blickt er dem Auftakt entgegen. Rune Bergmann, Sie dirigieren das Argovia Philhar Sie gelten als Multiinstrumentalist, denn Sie spielen monic am 6. September gleich zweimal – weil Sie sich Trompete, Klavier, Violine und Viola. Kann man Sie so auf das Konzert freuen? künftig nicht nur als Dirigent, sondern auch als Solist Rune Bergmann: Nun, seit wir wissen, dass wir auf die erleben? Eröffnung der Alten Reithalle in Aarau noch warten müs- Absolut! Natürlich möchte ich keinem unserer wunder- sen, haben wir etwas Spektakuläres für das Trafo geplant. baren Musiker*Innen eine Gelegenheit wegnehmen, aber in Wir hatten ein tolles Programm mit einem tollen Solisten einigen speziellen Situationen werde ich spielen. Das dürfte vorgesehen, aber in der derzeitigen Situation, in der wir bereits im Dezember der Fall sein. uns befinden, müssen wir ebenso wie die ganze Welt, Anpassungen vornehmen. Das heisst? Das Corona-Virus hat die Or- chester und das Kulturleben sehr beeinträchtigt. Für uns stand aber fest: Wir wollen unbedingt, gleich wie, für unser Publikum spielen. Selbst wenn dies bedeuten würde, dass wir das Konzert in verkürz- ter Form und mit angepasstem Programm zweimal durchführen müssten, damit es jeder hören kann. Genau das machen wir jetzt. Ich bin überzeugt, dass das Zusammentreffen von Orchester und Publikum am 6. September Der neue Chefdirigent Rune Bergmann. Foto: Kaupo Kikkas ein schöner Moment sein wird. «Mit dem ersten Ton, den wir zusammen gespielt Sie sind Chefdirigent des Argovia Philharmonic haben, habe ich mich in dieses Orchester verliebt», sowie des Calgary Philharmonic Orchestra und sagen Sie über Ihre Begegnung mit dem Argovia der Philharmonie im polnischen Szczecin (Stettin). Philharmonic. In was haben Sie sich verliebt? Die beiden Letztgenannten spielen in akustisch vor Jedes Orchester verfügt über eine ganz eigene Energie – züglichen Konzerträumen. In einem Jahr wird das in einigen Fällen lässt es eine solche vermissen. Die Musike- Argovia Philharmonic in die Alte Reithalle Aarau rinnen und Musiker im Argovia Philharmonic sind in dreierlei einziehen. Welche Hoffnungen verbinden Sie mit Hinsicht aussergewöhnlich: Sie spielen im Orchester, haben diesem speziellen Ort? aber auch Zeit für Kammermusik; zudem unterrichten einige Ich glaube, dass sich ganz viele Konzertbesucher*in- von ihnen auch. Diese Kombination macht sie sehr aufge- nen auf den besonderen Tag freuen, wenn wir den neuen schlossen für musikalische Ideen; das ist das Erste, was mir Konzertsaal eröffnen können. Ich bin schon in der Alten sofort aufgefallen ist. Diese spezifische Energie macht das Reithalle gewesen – dort herrscht wirklich eine sehr speziel- Potenzial für dieses Orchester sehr speziell. le Atmosphäre. Die Kombination eines historischen Ortes mit schöner Musik – das wird perfekt sein. Wer von einem Orchester spricht, spricht von seiner Interview Elisabeth Feller Unverwechselbarkeit. Wie erreicht man diese? Die Kombination der Menschen ist entscheidend für den Erfolg. Ich kann mit Programmen arbeiten und das Orches- BADEN Trafo ter künstlerisch, technisch und musikalisch entwickeln. So, 6. September, 11 Uhr und 17 Uhr (ausverkauft) Aber nur die Kombination all dessen sowie die Persönlich- Programm: www.argoviaphil.ch keit aller Musiker*innen vermögen Magie entstehen zu lassen. 16
Sept 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Zwei Schwergewichte im Improvisieren SOUNDS Die beiden Jazzgrössen, der Gitarrist Lionel Loueke und der Schlagzeuger Ziv Ravitz, gastieren als Duo im Pflegidach Muri. Die Veranstaltungsreihe «Musig im Pflegidach» in Muri ist engagieren, den Gitar- nicht dafür bekannt, bescheiden in ihren Ansprüchen zu risten Lionel Loueke sein. Stephan Diethelm, der sie erfunden hat und seit Jahren und den Schlagzeu- kuratiert, gibt sich nur mit dem Besten zufrieden. Mit dem ger Ziv Ravitz. Möglich natürlich, was ihm persönlich am besten gefällt, was ihn wurde es deshalb, weil berührt und was die Qualität hat, die er gerne hört. Ein gutes die beiden Weltbürger Rezept, um Konzerte zu organisieren, Claude Nobs in Mon- im Moment in Europa Lionel Loueke. zvg treux, und Niklaus und Arno Troxler in Willisau mach(t)en es leben. genauso. Der Kurator ist Mittler zwischen Musizierenden und Der Gitarrist Publikum, man kann sich auf ihn verlassen, Stil und Qualität Lionel Loueke stammt ursprünglich aus Benin in Westafrika, sind gesetzt – Zuhörende müssen allerdings mit der Ausrich- aus der Musik seiner Heimat und tausend anderen Ein tung glücklich sein. Bei Stephan Diethelm ist diese klar: flüssen hat er seinen ganz persönlichen Sound kreiert, den Er liebt Musiker*innen aus Israel und solche aus der jüdi- Jazzgiganten wie Herbie Hancock oder Wayne Shorter gern schen Diaspora in New York. Die ist überreich gesegnet mit in ihr musikalisches Universum integrierten. Ziv Ravitz ist wunderbaren Künstler*innen, und natürlich hat auch diese Israeli und heute einer der angesagten Drummer in Szene ihrerseits eine musikalische Diaspora – eine fast unbe- New York, der kürzlich verstorbene Saxofonist Lee Konitz grenzte Auswahl Musiker*innen zum Engagieren also. war einer seiner Arbeitgeber. Überflüssig zu sagen, dass beide langjährige Freunde Weltbürger zu Gast von Stephan Diethelm sind und mit Vergnügen im Pflegi- Für Veranstalter wie Diethelm allerdings ist die jetzi- dach gastieren! Von Beat Blaser ge Zeit sehr schwierig, «seine» Leute können im Moment kaum reisen, ein Wunschprogramm zusammenzustellen ist ziemlich herausfordernd. Umso schöner, dass es gelungen MURI Musig im Pflegidach ist, zwei Schwergewichte der improvisierten Musik im Duo zu So, 6. September, 20.30 Uhr Choreografierte Industriegeschichte BÜHNE Die Betonwände von der Zeit gezeich- net, rostige Überbleibsel von der einstigen Metallgiesserei – so präsentiert sich die Szene- rie von «Fallen». Unter der Leitung von Sarah Keusch und Jeanine Reutemann entstand eine künstlerisch-kulturelle Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Zusammenspiel von Tänzer*innen der Com- pagnie Quilla und einer Videoinstallation. Die gleichsam performative und installative Bespie- lung der alten Metallgiesserei findet im Rahmen des Projektes #ZeitsprungIndustrie statt. phn OBERSIGGENTHAL Oederlin Areal, Do, 3. September, 17. 30 Uhr, Fr, 4. September, 11 / 17.30 Uhr Tänzer*innen der Compagnie Quilla. zvg 17
VORSCHAU Sept 20 Aargauer Kulturmagazin Ein zahmes Monster SOUNDS Was lange währt, wird endlich gut – diese zwar etwas abgedroschene Phrase umschreibt doch allzu treffend das kürzlich erschienene Erstlingswerk der Zürcher Indie-Popper Tim Freitag. Bereits seit dem Jahr 2011 produziert das Quintett Musik, wurde dann aber zwischenzeitlich auf Eis gelegt. Dass sie nun die Auftau phase mehr als überstanden haben, zeigt der Langspieler «Monsters Forever» in eindrücklicher Weise: Auch wenn der Albumtitel etwas Ungetümes verspricht, handelt es sich bei dem vermeintlichen Monster vielmehr um eine verspielte Kreatur zwischen tanzbarem Pop und melodiegetränktem Indie mit viel Liebe zum Detail. Die Texte über Sehnsucht und gebrochene Herzen unterstreichen zwar den melancholischen Grundton des Werks, gleichsam lässt die Musik Hoffnung auf bessere Zeiten aufkeimen. Wenn diese Kompositionen – so, wie von Tim Freitag gewohnt – live mit einer unglaublichen Energie vorgetragen werden, ist ein einmaliges Konzerterlebnis garantiert. Von Philippe Neidhart AARAU Kiff Das Zürcher Quintett Tim Freitag. Foto: Nadja Stäubli Fr, 4. September, 20.30 Uhr Amalgam aus Antike und Moderne SOUNDS Ein psychedelisch-musikalisches Erlebnis an einer einzigartigen Location – wenn Dub Spencer & Trance Hill im Römerlager Vindonissa aufspielen, verschmelzen Welten. Hier der von Trance und Rock geprägte Dub-Reggae, da die römischen Legionäre, Gladiatoren und antike Kulisse, lassen sie das Publikum zusammen mit Umberto Echo am Misch- pult in psychedelische Sphären eintauchen. Das im Rahmen der Soundwerkstatt «Tumultus» stattfindende Konzert ist zudem die Plattentaufe des neusten Albums, «Tumultus II», der kreativen Luzerner Musiktüftler. Dabei dürfen wir uns auf eine Hommage an das Windischer Legionslager freuen. phn WINDISCH Römerlager Vindonissa Fr, 18. September, 21 Uhr Die Luzerner Dub-Reggae-Künstler Dub Spencer & Trance Hill. zvg 18
Sept 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Bei Vollmond ins Museum Idealer Ort für ein Hexenmuseum: Schloss Liebegg. zvg DIES & DAS Nachts ins Museum? In der magischen Nacht des Vollmon- des ist dies im Hexenmuseum Gränichen möglich. Bis Mitternacht haben die Besucher*innen Zeit, sich vom mystischen Ort und vom Thema ver- oder besser entzaubern zulassen. Denn das Hexenmuseum versteht sich als Ort der Information und Aufklärung und hinterfragt kritisch Volks- und Aberglauben, hilft falsche Vorurteile und Vorstellungen zu Hexen abzubauen und liefert einen profunden Einblick in den Forschungsstand über die Hexenprozesse in der Schweiz. Ab 11 Jahren. mh GRÄNICHEN Hexenmuseum Schloss Liebegg Di, 1. September (Vollmond), ab 20 Uhr Rahel Wohlgensinger. Foto: Ilja Mess Bunte Fantasiewelten FILM Das Fantoche bietet eine ganze Reihe von Filmen für ein jüngeres Publikum. Neben Wettbewerbsblöcken mit Kinder- und Jugendkurzfilmen werden neue Langfilme («Fritzi – Eine Wendewundergeschichte»), aber auch Klas siker wie «Die Abenteuer des Prinzen Achmed», einer der ersten animierten Langfilme (Scherenschnitt-Technik), der musikalisch live vertont wird, oder «Ernest and Céles- tine» gezeigt. Auch junge Manga-Fans kommen auf ihre Rechnung: «Kiki’s Delivery Service», der japanische Kultfilm aus dem Jahre 1989 läuft gleich dreimal im Programm. mh BADEN Fantoche 1. bis 6. September Lauschen und horchen BÜHNE In ihrem Stück «Klank» für die jüngsten Zuschau- er*innen begeben sich die Puppenspielerin Rahel Wohl gensinger und die Musikerin Andrea Zuzak auf eine Reise in den Klang der Dinge. Was tönt denn da? Es kreiselt, es reibt, es schlägt, wischt, bricht und klopft. Durch einfache Animation werden die Dinge lebendig und zum Klingen gebracht. Wie klingt Stein, Videostill aus dem Film «School of Development» von Anastasiya Sokolova wie tönt Holz, Laub oder Tannenzapfen und wie Knäckebrot? Eine Klangreise, die die Ohren weckt, die überrascht und verblüfft. Ab 2 Jahren. mh AARAU Tuchlaube So, 20. September, 11 Uhr 19
VORSCHAU Sept 20 Aargauer Kulturmagazin Jazz und Pizza Klangverschiebungen Kinokonzert «Anna Göldi» In Kriens werden Gaumen- und Verschiebungen in der Gesell- Für einmal musst du dich nicht Seit Jahren begeistert die Freilicht- Ohrenfreuden kombiniert: Die schaft, seismografische Schwin- entscheiden, ob du ins Kino oder bühne Rüthi das Publikum mit neue Konzertreihe «Jazz & Pizza» gungen, Bewegungen in der an ein Konzert gehen möchtest, ihren aufwendigen Inszenierun- bietet, was der Name verspricht. Erdkruste: «Tektonik» lautet das denn du kannst beides gleichzeitig gen. Dieses Jahr inszeniert sie das Manuel Kaufmann, Patrick Müller Thema des diesjährigen Musik haben. Das Kino Cameo und das Stück «Anna Göldi», geschrieben und Luca Sisera wollen auf dem festivals Bern. Ein Festival für Salzhaus kollaborieren mit Sound und aktualisiert von Theater- Areal der Krienser Teiggi einen zeitgenössische, improvisierte, und Film. Emilie Zoé und Christian und Filmautor Kuno Bont. Damit «hyperoffenen» Ort schaffen. Eine experimentelle und elektronische Garcia-Gaucher vertonen mit ihrer erzählt das Stück wiederum eine Initiative mit Musik und italieni- Musik mit über 40 Veranstaltun- imperfekten und sanft störenden regionale Geschichte und bringt scher Spezialität gegen Unsicher- gen. Verschiebungen erleben: Musik den schwedischen Film «A ein lebendiges Gesellschaftsbild heit und Misstrauen, für Mut und Etwa am Konzert des Ensembles Pigeon Sat on a Branch Reflecting des 18. Jahrhunderts auf die Büh- Neugier. Mothertongue um den Komponis- on Existence». Regisseur Roy An- ne. Das Stück wird vom 4. bis zum ten Charles Uzor, das sich mit der derson philosophiert darin kritisch 20. September 13 Mal aufgeführt. KRIENS Teiggi Areal, jeweils So, Wandlung unserer Muttersprache über das menschliche Dasein. Zwei Zusatzvorstellungen gibt es 30. August, 6./13./20./27. Septem- auseinandersetzt. am 10. und 17. September. ber, 17 Uhr WINTERTHUR Mi, 16. September, BERN Diverse Orte Kino Cameo RÜTHI Festspielareal Werben, 2. bis 6. September 4. bis 20. September Virtuelle Gefühle Mut zum Selbstbetrug Skurriler Rummelplatz Wenn sich die emotionale Intelli- Die Bühne hat ihn wieder. Nach Buffpapier wurde 2000 von Fran- genz der Menschen und jene der dem Ende von «Late Update» auf ziska Hoby und Stéphane Fratini Maschinen annähern – wissen wir SRF tut Michael Elsener das einzig gegründet und hat sich der Poesie dann noch, wie wir wirklich fühlen? Sinnvolle: Er biegt sich und uns die des Körpers verschrieben. Treibstoff Das Haus der elektronischen Künste Welt glücklich. Sein frischgebacke- ihrer Theaterstücke ist das Grotes- zeigt, wie Technologie und Medien nes Bühnenstück «Fake Me Happy» ke, Absurde, Bizarre. Im September unsere Gefühle beeinflussen. Die ist die «ideale Ergänzung zu feiert die Compagnie Buffpapier Werke der 20 Kunstschaffenden unserem täglichen Selbstbetrug», ihr 20-jähriges Bestehen: ein Rum- reichen von künstlicher Intelligenz, so der Elsener. «Die beste Schwei- melplatzfest in Zusammenarbeit Gaming und interaktiven Installatio- zer Comedy Show 2023» schreibe mit dem Theater Café Roulotte nen über Robotik und Biometrie bis die «New York Times» dazu, so und Chocherey. Dazu Rahmenpro- hin zu Videoinstallationen, virtueller ebenfalls der Elsener. gramm für Gross und Klein, mit Realität und Fotografie. Theater, Musik, Essen, Barbetrieb – ZUG Theater Casino, 25. und und natürlich Zuckerwatte. MÜNCHENSTEIN Haus der 26. September, 20 Uhr elektronischen Künste, bis ST. GALLEN Kreuzbleiche, 9. bis 15. November 13. September 20
Sept 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Unsterblich verliebt «Undine» von Christian Petzold, Deutschland, 2020 Undine ist ein Wassergeist, die uralte Figur der Nymphe, die eine Seele bekommt, wenn sie sich mit einem Menschenwesen vermählt. Scheitert ihre Liebe, bringt sie dem Geliebten den Tod. Christian Petzold (Barbara, Transit) erzählt die unsterblich tödliche Liebesgeschichte Undines im heutigen Berlin und seiner Umgebung und kann dabei auf ein grossartiges Schauspielpaar set- zen: Franz Rogowski, der als Industrietaucher in die Seen steigt, und die an der Berlinale ausgezeichnete Paula Beer, die die Undine verkörpert und als Historikerin durch Berlins Stadtmodelle führt. Einmal mehr schafft Petzold dabei eine distanziert nahe Erzählung, in der die Transzendenz des Zusammengehens fassbar wird und gleichzeitig seine Rät- selhaftigkeit bewahrt. Das ist ein Tauchgang in den Waldsee der Liebe. AB 28. AUGUST im Kino Zerriebene Jugend zwischen den Fronten «Notre-Dame du Nil» von Atiq Rahimi, Ruanda 2019 Ruanda, 1973. Junge Mädchen werden im angesehenen katholischen Internat Notre-Dame du Nil hoch oben in den Hügeln zur künftigen Elite Ruandas ausgebildet. Sie teilen den Schlafsaal, dieselben Träume und Teen- ager-Sorgen, egal ob Hutu oder Tutsi. Doch im Land brodelt ein tiefsitzender Konflikt, der sich zunehmend in die Schule einschleicht und das Leben der jungen Mädchen für immer verändern wird. Atiq Rahimi («The Patience Stone») hat den gleichnamigen autofiktionalen Roman von Scholastique Mukasonga fesselnd und in traumhaften Bildern umgesetzt, schafft dabei Zusammenhänge zur europäischen Geschichte und taucht in die mythische Welt der Tutsi ein. AB 3. SEPTEMBER im Kino Mitten unter uns «Hexenkinder» von Edwin Beeler, Schweiz, 2020 Man kann es kaum glauben, dass sich die Kindheitsgeschichten, die Edwin Beeler zusammengetragen hat, mitten unter uns abgespielt haben und dies in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es sind Erzählungen von zwangsversorgten Heimkindern, die im Namen der Religion gequält wurden, sich nicht brechen liessen und dank Fantasie überlebt haben. Man lauscht dem, was die Porträtierten erzählen, und schaut, was der Filmemacher mit seinen eigenen Bildern schafft: Das sind bewegende, stille Aufnahmen, die dem Unfassbaren Raum und Ruhe geben. AB 20. SEPTEMBER im Kino 21
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