Für eine rechtebasierte Fortpflanzungsmedizin - Positionspapier pro familia NRW 2020 - Profamilia
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SEXUALITÄT & PARTNERSCHAFT SCHWANGERSCHAFT & FAMILIENPLANUNG SEXUALPÄDAGOGIK & AUFKLÄRUNG Für eine rechtebasierte Fortpflanzungsmedizin Positionspapier pro familia NRW 2020
2 Erarbeitet durch den Medizinischen Arbeitskreis pro familia NRW Dorothee Kleinschmidt Ärztin/systemische Familientherapeutin, pro familia Bochum Gabrielle Stöcker Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe/systemische Beratung, Sprecherin des Medizinischen Arbeitskreises pro familia NRW, pro familia Köln-Zentrum Dr. Angelika Dohr Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe/ärztl. und syst. Psychotherapeutin, pro familia Münster Verabschiedet durch den Vorstand pro familia NRW Impressum pro familia Landesverband NRW Postfach 13 09 01 42036 Wuppertal Telefon: 0202-245 65-10 Telefax: 0202-245 65-30 lv.nordrhein-westfalen@profamilia.de www.profamilia-nrw.de Vorstand: Rainer Hecker (Vorsitzender), Dr. Eva Waldschütz (stellvertretende Vorsitzende), Laura Bilstein, Cornelia Schneider, Dr. Dr. Wolfgang Müller, Jürgen Wittmer Gestaltung: Jürgen Maier-Glaremin AGD Fotos: pro familia, 123RF.COM ©pro familia Landesverband NRW Wuppertal im Mai 2020 Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE43 3702 0500 0007 0240 01 BIC: BFSWDE33XXX
FÜR EINE RECHTEBASIERTE FORTPFLANZUNGSMEDIZIN – POSITIONSPAPIER PRO FAMILIA NRW 2020 3 Inhalt Für eine rechtebasierte Fortpflanzungsmedizin Positionspapier pro familia NRW 2020 Sexuelle Rechte – IPPF-Erklärung 2008 ����������������������� 4 Der elective single-embryo-transfer (eSET) ��������������� 5 Familiengründung in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ���������������������� 6 Moderne Lebensformen und Kassenfinanzierung ���������������������������������������������������� 7 Samenspenderregistergesetz ������������������������������������������ 9 Eizellspende ����������������������������������������������������������������������� 10 Empfehlungen der Leopoldina 2019 ������������������������� 13 Embryospende/Embryoadoption ������������������������������� 14 Leihmutterschaft��������������������������������������������������������������� 14 pro familia in NRW ����������������������������������������������������������� 16 pro familia in NRW: Ihre Beratungsstelle vor Ort ����������������������������������������� 17
4 FÜR EINE RECHTEBASIERTE FORTPFLANZUNGSMEDIZIN FÜ R EI N E R EC HTEBASI ERTE FORTPFL ANZU NGSMEDIZI N Für eine rechtebasierte Fortpflanzungsmedizin Positionspapier pro familia NRW 2020 pro familia setzt sich seit ihrer Gründung für die abbruch nötig sind, und darauf, dass diese Angebo- Durchsetzung der sexuellen und reproduktiven Rech- te zugänglich, finanzierbar, akzeptabel und für alle te ein. Dabei geht es nicht darum, alles zu erlauben, Nutzerinnen geeignet sind. Alle Menschen sollen was medizinisch machbar ist. Zu groß sind die Inte- innerhalb des Regelwerks der Nichtdiskriminierung ressen der unterschiedlichen Akteur*innen. Gesetzli- dieselben Rechte und Verantwortlichkeiten haben che Regulierung sollte jedoch nicht stärker eingreifen in Bezug auf Vormundschaft, Pflegschaft und die als unbedingt notwendig. Bei allen Schritten repro- Adoption von Kindern oder verwandte, in nationa- duktiven Handelns müssen sowohl die Rechte und len Gesetzen definierte Formen, wobei das Wohl Bedürfnisse der Wunscheltern als auch die Rechte der des Kindes in allen Fällen Vorrang haben muss.1 zukünftigen Kinder auf seelische und körperliche Ge- sundheit und die der möglichen Spender*innen von Eizellen, Samenzellen und Embryonen berücksichtigt In den letzten Jahren gab es wiederholt Forderungen werden. Als Mitglied der IPPF (International Planned nach einem neuen Fortpflanzungsmedizingesetz. Parenthood Federation) sehen wir uns als Verband der Das Embryonenschutzgesetz von 1991, das Abstam- IPPF-Erklärung von 2008 verpflichtet. mungsrecht und die fehlende Gleichstellung gleich- geschlechtlicher Partnerschaften entsprechen kaum den Vorstellungen moderner Medizin und Familien- SEXUELLE RECHTE – IPPF-ERKLÄRUNG 2008 formen. Die Praxis in Deutschland ist getragen von einzelnen Gerichtsentscheidungen, unterschiedlichen Alle Menschen haben das Recht, frei und verant- Einschätzungen der Landesärztekammern und dem wortungsbewusst über Reproduktion und Fami- Handeln einzelner Ärzt*innen, die sich in teils unklarer lienbildung zu entscheiden, einschließlich des Rechtssituation bewegen. Für alle wäre eine bundes- Rechts, darüber zu bestimmen, ob sie biologische einheitliche rechtliche Verbindlichkeit entlastend. oder Adoptivkinder haben möchten oder nicht. Alle Menschen haben Anspruch auf alle sicheren, effek- Der medizinische Arbeitskreis pro familia NRW hat tiven, akzeptablen und finanzierbaren Methoden sich in den Jahren 2019 und 2020 intensiv mit den der Fruchtbarkeitsregelung sowie auf Reproduk- Bedarfen an neuen rechtlichen Regelungen ausein- tionstechnologien und Behandlungen. Alle Men- andergesetzt. Besondere Beachtung fanden dabei fol- schen haben das Recht auf Beratung und andere gende Veröffentlichungen: Dienstleistungen im Zusammenhang mit Repro- duktion, Unfruchtbarkeit und Schwangerschafts- • Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, Stellung- abbruch, unabhängig vom Familienstand und in- nahme der Leopoldina (Nationale Akademie der nerhalb des Regelwerks der Nichtdiskriminierung Wissenschaften) März 20192 und unter Beachtung der sich entwickelnden Fä- • Kinderland Schweden? Friedrich-Ebert-Stiftung – higkeit des Kindes. Jede Frau hat das Recht auf In- Forum Politik und Gesellschaft 20193 formation, Bildung und solche Dienste, die für den • Für reproduktive Gerechtigkeit, Stellungnahme Schutz ihrer reproduktiven Gesundheit, für sichere Gen-ethisches Netzwerk e.V. 01-20204 Mutterschaft und für sicheren Schwangerschafts-
POSITIONSPAPIER PRO FAMILIA NRW 2020 5 • Eizellspende im Ausland – Konsequenzen im Kind schützt (Mehrlingsschwangerschaften bergen Inland, Deutscher Ethikrat 20175 relevante Risiken für Mutter und Kinder). Kaum ein europäisches Land hat ähnlich hohe Zwillings- und Nachfolgend werden verschiedene Teilbereiche und Drillingsraten nach reproduktionsmedizinischer Be- Aspekte beleuchtet, bei denen nach Einschätzungen handlung wie Deutschland. von pro familia NRW dringender Handlungsbedarf besteht. Das Embryonenschutzgesetz beruht auf dem Poten- tialitätsprinzip: Jeder Embryo kann sich ab der Kern- verschmelzung zu einem Menschen entwickeln und DER ELECTIVE ist damit zu schützen. Diese Haltung ist besonders S I N G L E - E M B RYO -TR A N S F E R ( E S E T ) durch religiös-konservative Sichtweisen geprägt. Dazu schreibt der evangelische Theologe Hartmut Beim eSET wird aus den Embryonen nur derjenige Kreß in der Studie Reproduktionsmedizin im inter- ausgewählt, der die besten Entwicklungschancen nationalen Vergleich: „Die Tatsache, dass der single- aufweist. Um eine solche Auswahl treffen zu können, embryo-transfer in Deutschland durch das Embryo- wird eine größere Anzahl von Eizellen befruchtet und nenschutzgesetz verhindert oder zumindest deutlich ihre Entwicklung über einige Tage beobachtet. Ein sol- eingeschränkt wird, führt zu einer starken Erhöhung ches Vorgehen untersagt das deutsche Embryonen- der Mehrlingsschwangerschaften und damit zur schutzgesetz. Es verbietet, bewusst mehr Embryonen Missachtung des Rechtes auf größtmögliche Gesund- zu erzeugen, als der Frau in einem Zyklus übertragen heit für Mütter und Kinder. Und das obwohl viele werden sollen. Es ist kaum nachvollziehbar, dass der in Menschen in Deutschland der Haltung des Potentia- vielen Ländern übliche elektive single-embryo-trans- larguments nicht anhängen.“6 fer in Deutschland nach wie vor nicht voll legalisiert wird. Expert*innen sind sich einig, dass die Auswahl In einigen der oben genannten Länder greift der Staat und der Transfer eines einzelnen, gut entwickelten sogar regulierend ein, um den single-embryo-transfer Embryos bei gleichen Schwangerschafts- und Gebur- durchzusetzen. Belgien finanziert die Kinderwunsch- tenraten die Gesundheit von Mutter und zukünftigem behandlung nur, wenn das Paar (zumindest bei einem Vergleich der Anzahl der Anwendungen von SET bei IVF und ICSI und der Geburten- und Mehrlingsraten Deutschland Belgien Großbritannien Schweden Anteil der Embryotransfers 18,5 % 56,6 % 45,6 % 79,9 % mit einem Embryo (ICSI/IVF) Geburtenrate pro 20,6 % 19,4 % 28,1 % 24,1 % Eizellpunktion (IVF) Zwillingsrate pro Geburt 21,4 % 10,0 % 14,3 % 4,2 % (IVF/ICSI) Quelle: Europäische Statistik zu 2014, De Geyter et al. (2018)
6 FÜR EINE RECHTEBASIERTE FORTPFLANZUNGSMEDIZIN mütterlichen Lebensalter von unter 37 Jahren) einen bis zum heutigen Tage nicht verabschiedet. Die dort eSET durchführt. Werden mehr Embryonen einge- aufgeführten Regelungen können Rechtssicherheit setzt, muss das Paar selbst zahlen. Erst nach erfolg- für Wunscheltern und zukünftige Kinder, und zwar losen Versuchen und bei höherem Alter können zwei von Geburt an, gewährleisten. Der LSVD (Lesben-und Embryonen transferiert werden. Schweden schreibt Schwulenverband Deutschland) befürchtet sogar eine den eSET als Standardverfahren vor, nur in besonde- Verschlechterung der aktuellen Situation, da ab dem ren Ausnahmen (Alter, Fehlversuche) dürfen maximal 01.07.2020 mit dem geplanten neuen Adoptions- zwei Embryonen transferiert werden. hilfegesetz verpflichtende Beratungen im Falle einer „Stiefkindadoption“ eingeführt werden sollen. Mit einer weiteren Verlängerung der Wartefristen auf das pro familia NRW fordert eine Implementie- jetzt schon langwierige Verfahren ist zwangsläufig zu rung des eSET als Standardverfahren und so- rechnen.9 mit die Umsetzung des Rechtes auf größtmög- liche Gesundheit für Mutter und zukünftige Kinder. pro familia NRW fordert eine unverzügliche Reform des Abstammungsrechtes und damit die Umsetzung reproduktiver Rechte unab- hängig von sexueller Orientierung oder ge- FA M I L I E N G R Ü N D U N G I N G L E I C H schlechtlicher Identität. G E S C H L E C H T L I C H E N PA R T N E R S C H A F T E N Im Jahr 2017 wurde das Gesetz zur Einführung des Rechtes auf Eheschließung für Personen gleichen Ge- schlechts verabschiedet. Es gewährt homosexuellen Paaren die gleichen Rechte wie heterosexuellen Paa- ren und soll gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die volle rechtliche Anerkennung seitens des Staates zusichern. Es ist im Rahmen der reproduktiven Teilhabe nicht nachvollziehbar, dass trotz dieser rechtlichen Gleich- stellung die Co-Mutter in einer lesbischen Ehe das durch Samenspende gezeugte Kind in einem um- ständlichen und entwürdigenden Prozess adoptieren muss. Dies ist nicht im Sinne der Kinder und wider- spricht dem Kindeswohl. Auch Männerpaare sind in einem Adoptionsverfahren nicht komplett gleichge- stellt7. Die Reform des Abstammungsrechtes8, be- reits am 01.07.2017 unter Federführung des dama- ligen Justizministers Heiko Maas erarbeitet, wurde
POSITIONSPAPIER PRO FAMILIA NRW 2020 7 MODERNE LEBENSFORMEN UND pro familia NRW fordert eine Reform der Kran- K A S S E N F I N A N Z I E R U N G kenkassenfinanzierung. Alle Menschen haben das Recht, frei und verantwortungsbewusst Obwohl in Deutschland immer mehr Paare bei Famili- über Reproduktion und Familienbildung zu engründung nicht verheiratet sind, wird diese Lebens- entscheiden und sollten in diesem Anliegen form bei der Kinderwunschbehandlung diskriminiert. finanziell unterstützt werden. Dies entspricht Eine Kassenfinanzierung ist nur für verheiratete hete- einer modernen Sichtweise unterschiedlicher rosexuelle Paare vorgesehen. Lebensformen in einer aufgeklärten Gesell- schaft. Dabei erhebt das Statistische Bundesamt: „Vor al- lem zum Zeitpunkt der ersten Geburt sind Eltern oft (noch) nicht verheiratet. 44 % der Erstgeborenen hat- ten 2015 im Bundesdurchschnitt nicht miteinander verheiratete Eltern. Im früheren Bundesgebiet waren es 38 % und in den neuen Ländern gut 71 %“.10 Und selbst bei verheirateten Paaren wird eine Spendersa- menbehandlung nicht kassenfinanziert, auch wenn in der Regel eine eindeutige und schwerwiegende Fertilitätsstörung beim Mann vorliegt. Wesentlich moderner und neuen Familienrealitäten angepasster wird in Schweden und Dänemark entschieden (siehe Tabelle 1). Verheiratet, nicht verheiratet, sexuelle Orientierung, geschlechtliche Identität oder allein- stehend spielt in den Angeboten und der Kassenfi- nanzierung von 90–100 % keine Rolle, da neben der medizinischen auch eine soziale Indikation zur Finan- zierung der assistierten Reproduktion anerkannt wird. Aus unserer Sicht ist Schweden ein gutes Beispiel für die Anerkennung reproduktiver Freiheit bei gleichzei- tiger medizinisch sinnvoller Regulierung. Der Staat setzt hinsichtlich der Akzeptanz unterschiedlicher Fa- milienformen keine Normen. Er greift jedoch regulie- rend ein beim eSET, da in diesem Fall die Gesundheit von Mutter und zukünftigen Kindern betroffen ist.
8 FÜR EINE RECHTEBASIERTE FORTPFLANZUNGSMEDIZIN Tabelle 111 Schweden Dänemark Finnland Norwegen Deutschland Personengruppen (rechtlicher Zugang) Medizinisch Medizinisch Medizinisch Medizinisch Indikation & sozial & sozial & sozial & sozial Nur medizinisch Eingetragene Hetero Paar, Zulässiger Single Single Single hetero/lesbische lesbisches Paar Personenstand Partnerschaft (rechtsunsicher) Hetero; Keine Keine Keine Keine Sexuelle Orientierung Einschränkung Einschränkung Einschränkung Einschränkung lesbisch (rechts unsicher) Behandlungsmethoden (rechtlicher Zugang) Frau (45); Nicht Frau (45); Nicht Partner*in Nicht Altersbegrenzungen reguliert Partner*in (∞) reguliert (angemessener reguliert Altersunterschied) Ei- und Ei- und Ei- und Nur Nur Donogene Befruchtung Samenspende Samenspende Samenspende Samenspende Samenspende Nicht Nicht reguliert Embryoadoption Erlaubt (2019) Erlaubt (2018) Erlaubt (2006) erlaubt (praktiziert) Wählbar. Mind. eine nicht ano- Donor-Anonymität Nein nyme genetische Nein Nein Nein Herkunft Nicht ausdrücklich Leihmutterschaft verboten, faktisch Verboten Verboten Verboten Verboten unmöglich Lagerungsdauer 5 Jahre 5 Jahre Nicht 15 Jahre 5 Jahre gefrorener Embryos (verlängerbar) (verlängerbar) definiert Anzahl implantierter 1 Regel, Nicht Nicht Nicht 3 Embryos 2 max. reguliert reguliert reguliert Finanzierung im Gesundheitssystem (faktischer Zugang) i.d.R. 50 %; Kostenübernahme 90–100 % 90–100 % 90–100 % 90–100 % selten 100 % Eingetragene Abdeckung bis zu Hetero Hetero Single Single lesbische Personengruppe Paare Partnerschaft Eheleute Frau (40), Frau (43), Frau (45), Altersbegrenzung, Frau (37-40), Frau (40), Partner*in Partner*in Partner*in max. Alter Partner*in (53-56) (undefiniert) (undefiniert) (undefiniert) Mann (50) Anzahl Versuche Inseminationen 6; Inseminationen 6; Inseminationen 3; Inseminationen IVF 3-4 maximal IVF 1-3 IVF 3 IVF 3 3-8; IVF 3 Limitierung der Keine Keine 1 1 2 Geburtenzahl Begrenzung Begrenzung Ort für finanzierte Öffentlich Öffentlich Öffentlich Öffentlich Öffentlich Behandlung & Privat & Privat Quellen: ESHRE 2017, IFFS (2019), Nationale Gesetzgebungen und Versicherungsträger
POSITIONSPAPIER PRO FAMILIA NRW 2020 9 SA MENSPEN DER R EGISTERGESETZ nen. Aber gleichzeitig bekommt man so das Gefühl, aus einer Massenproduktion zu kommen.“13 Auch die Das Samenspenderregistergesetz12, in Kraft getreten Akademie der Wissenschaften Leopoldina schreibt in am 17.07.2017, war längst überfällig und hat viele As- ihrer Stellungnahme: „Die Zahl der durch medizinisch pekte gut geregelt. Endlich besteht Rechtssicherheit assistierte Spende von Samenzellen pro Spender ge- für Spender und Kinder. Die Registrierung der Spender zeugten Kinder sollte begrenzt werden. Unterhalb ermöglicht den Kindern, Kenntnisse über ihre Her- dieser Grenze sollten die Spender die maximale An- kunft zu erlangen. Es besteht jedoch noch Nachbesse- zahl dieser Kinder individuell festlegen können und rungsbedarf. So ist nicht nachvollziehbar, dass die Re- auf Wunsch über die Anzahl der Schwangerschaften gistrierung erst nach Geburt eines Kindes erfolgt. Das und Geburten informiert werden.“14 Verfahren führt somit zu lückenhaften Erhebungen. Meldet eine Familie die Geburt nicht oder macht sie Warum im neuen Samenspenderregistergesetz das falsche Angaben, wird der Vorgang nicht registriert. Angebot der psychosozialen Begleitung der Kontakt- Sinnvoller wäre eine Registrierung schon bei Insemi- aufnahme zwischen Spender und Kind nicht vorge- nation, um Abläufe nachvollziehbar zu machen und sehen ist, bleibt unverständlich. Es gibt genug Erfah- damit das Recht auf Wissen um die eigene Abstam- rungen aus Adoptionsprozessen und Erkenntnisse mung sicherzustellen. Weiterhin ist zu fordern, dass darüber, dass eine sensible und gut vorbereitete Kon- Daten von vor Inkrafttreten des Registergesetzes auf- taktaufnahme den Prozess für alle Beteiligten positi- genommen werden und die Möglichkeit geschaffen ver gestaltet. wird, die Daten nicht medizinisch assistierter privater Spenden zu registrieren. pro familia begrüßt ausdrücklich die Regelun- Es ist sinnvoll, die Zahl der gezeugten Kinder pro gen durch das Samenspenderregistergesetz. Spender zu begrenzen. Diese Möglichkeit bietet eine In einzelnen Fragestellungen besteht jedoch bundesweite Registrierung. In vielen Ländern gibt Nachbesserungsbedarf: es1 Begrenzungen, um Inzest zu verhindern und die Bereitschaft des Spenders, sich mit den so gezeug- · Registrierung bereits der ten Kindern auseinanderzusetzen, zu erhalten. So Inseminationsbehandlung schreibt der Verein Spenderkinder e.V.: „[Es sollte] im · Aufnahme der so genannten „Altfälle“ Idealfall ja so sein, dass der genetische Vater auch und Aufnahmemöglichkeit der privaten dazu bereit ist, einen persönlichen Kontakt mit dem Samenspenden durch ihn gezeugten Kind einzugehen. Je mehr Kin- · Begrenzung der gezeugten Kinder der aber durch ihn gezeugt werden, desto weniger pro Spender ist das umsetzbar. Wer kann schon 100 Kinder als · Implementierung eines freiwilligen, Individuen wahrnehmen? Einige von uns haben ver- professionellen Beratungsangebotes mutlich sehr viele Halbgeschwister, weil die Kliniken bei Kontaktaufnahme des Kindes zum eine solche Begrenzung früher nicht hatten und auch Spender heute schwierig kontrollieren können. Für uns ist es ein sehr seltsames Gefühl, vermutlich so viele Halbge- 2 schwister zu haben. Wir würden sie gerne kennenler-
10 FÜR EINE RECHTEBASIERTE FORTPFLANZUNGSMEDIZIN EIZELLSPENDE land bei 55.521 Eizellentnahmen 635 Komplikationen gemeldet (1,1%), davon 452 vaginale Blutungen. In Auf den ersten Blick ist das Wesen der Eizellspende 20 Fällen erfolgte nach Angaben der reproduktions- nicht anders als das der Samenspende. Ein Mensch medizinischen Zentren eine operative oder stationä- gibt Keimzellen, damit andere Menschen ihren Kin- re Versorgung.17 Nach schweren Komplikationen wie derwunsch erfüllen können. Eine selbstbestimmte, Eierstockabszessen oder einer Bauchfellentzündung aufgeklärte Person sollte eine solche Entscheidung kann theoretisch auch die Fruchtbarkeit der Spende- treffen können. Viele Studien haben inzwischen nach- rin eingeschränkt werden. 2015 verstarb eine Frau im gewiesen, dass die Entwicklung der Kinder vergleich- tschechischen Brünn an inneren Blutungen nach der bar ist mit denen aus anderen tradierten Familien- Eizellentnahme (taz 26.01.2020: „Künstliche Befruch- gründungen.15 tung im Ausland: Die Eizelle der anderen.“). Lediglich die Tatsache, ob eine Aufklärung über die Art Auch wenn gefährliche Komplikationen sehr selten der Familiengründung zeitnah und kindgerecht er- auftreten, wird deutlich, dass Ei- und Samenspende folgt und es die Möglichkeit gibt, die genetische Her- nicht gleich zu behandeln sind. Bei der Eizellspende kunft nachzuverfolgen, scheint Einfluss auf die seeli- entscheidet die Frau jedoch über einen relativ kleinen, sche Gesundheit der so gezeugten Kinder zu haben. eingegrenzten Zeitraum. Die Behandlung kann jeder- Der ursprünglich bei Implementierung des Embryo- zeit abgebrochen werden, Teilentscheidungen kön- nenschutzgesetzes geäußerte Vorbehalt der gespalte- nen individuell getroffen und widerrufen werden. Sie nen Mutterschaft erscheint veraltet und überholt. Er unterscheidet sich in diesen Aspekten so deutlich von überhöht die Bedeutung der genetischen Beziehung der Leihmutterschaft. zwischen Mutter und Kind gegenüber derjenigen zwi- schen Vater und Kind. Es stellt sich die Frage, ob die Risiken der Eizellspen- de rechtfertigen, dass der Staat regulierend eingreift Soweit sind Eizellspende und Samenspende durchaus und die reproduktive Freiheit einschränkt. Frauen und vergleichbar. Und trotzdem ist die Eizellspende an- Männer in Deutschland dürfen auch in andere, für sie ders, weil die Frau als Spenderin andere Risiken ein- risikoreiche Eingriffe einwilligen, wenn sie volljäh- geht. Unter Befürworter*innen der Legalisierung der rig sind. Eine Mutter kann ihrer Tochter ihre Gebär- Eizellspende in Deutschland werden die Risiken für mutter spenden (eine umfangreiche OP auch für die die Spenderin häufig verharmlost. Hervorgehoben Spenderin, da organerhaltend operiert werden muss), wird, dass die Risiken der Hormonbehandlung für die ein Mensch darf Angehörigen eine Niere spenden, in Spenderin durch Veränderung der Medikamentenga- Medikamentenversuche oder Schönheitsoperationen be in den letzten Jahren kaum noch ins Gewicht fal- einwilligen. Dies alles erlaubt der Gesetzgeber, wenn len.16 ein informed consent besteht, also unter der Voraus- setzung, dass eine Person gut aufgeklärt wurde, sie Die Risiken der Eizellpunktion (Blutungen, Infektio- die Risiken einschätzen kann und somit wirksam ein- nen, Verletzungen der Nachbarorgane), die Risiken der gewilligt hat. Wieso also sollte eine Frau beispielswei- Vollnarkose bei der Punktion und die Nebenwirkun- se ihrer Schwester keine Eizelle spenden? gen der Medikamente werden nicht selten negiert. Laut Deutsches IVF-Register wurden 2018 in Deutsch-
POSITIONSPAPIER PRO FAMILIA NRW 2020 11 Die vielen Vorbehalte gegen die Praxis der Eizellspen- ders unter in Barcelona lebenden Migrantinnen aus de sind nicht unbegründet. Die Eizellspende ist ein Russland, Rumänien oder anderen osteuropäischen finanziell lukratives Geschäft. Angesehene Praxen in Ländern. Allerdings ist die Eizellspende nicht nur für Spanien werben mit hohen Schwangerschaftsraten Migrantinnen eine neue Art von reproduktiver (Zeit-) und verschweigen dabei die baby-take-home-Raten, Arbeit geworden. Sowohl in Spanien wie auch in obwohl sie das einzig wirklich wichtige Entschei- Tschechien hat sich die Eizellspende zu einer ökono- dungskriterium für Paare sind. Journalistische Recher- mischen Strategie prekarisierter Frauen entwickelt.“19 chen bringen immer wieder menschenverachtende Praktiken zutage: Die Inkaufnahme hochgradiger Bei der Forderung nach einer Legalisierung der Ei- Überstimulierungen der Spenderinnen, um am Ende zellspende wird häufig argumentiert, dass die Eizell- eine maximale finanzielle Ausbeute zu haben (siehe spende bei einer Legalisierung in Deutschland unter Film: „Frozen Angels“ in den USA), die mangelnde me- deutlich besseren Bedingungen durchgeführt wer- dizinische Aufklärung und Ausbeutung junger Frauen den könnte. So könnte die Behandlung mit medizi- mit unbegrenzten Stimulierungszyklen sowie eine nisch hoher Qualität und unter ethisch vertretbaren Nichtversorgung der Spenderinnen bei Auftreten von Grundsätzen stattfinden. Das Recht auf Kenntnis der Komplikationen (Film: „Ware Mensch“ in Rumänien). Abstammung des zukünftigen Kindes könnte insbe- sondere bei Registrierung in einem Gametenspender- Sicher sind dies alles Ausdrücke krimineller Machen- register möglichst umfassend gewährleistet werden. schaften, doch immer wieder gibt es Berichte, dass Ei- pro familia NRW gibt allerdings zu bedenken, dass zellen zum Beispiel aus Rumänien nach Spanien oder es auch zu anderen ungewünschten Entwicklungen Großbritannien verkauft werden, da es dort nicht ge- kommen kann. Wenn die Eizellspende erlaubt ist, dür- nug Spenderinnen gibt. Es macht deutlich, warum es fen Ärzt*innen alle notwendigen Voruntersuchungen wichtig ist, gesetzliche Regelungen bis ins Detail aus- und Vorbehandlungen durchführen, auch wenn die zuführen. Das gezeichnete Bild der Frau, die aus rein letztendliche Durchführung im Ausland stattfindet. altruistischen Gründen spendet, entspricht einem eher 1 unrealistischen Szenario. „Doch vorerst werden Da zu vermuten ist, dass sich ähnlich wie in Öster- noch mehr Spenderinnen gebraucht - und die Rezes- reich auch in Deutschland nicht genug Spenderinnen sion mit einer Arbeitslosenquote von über 26 Prozent, finden, könnte es lediglich zu einer vermehrten Inan- sogar fast 56 Prozent bei den Jüngeren, hat dazu ge- spruchnahme in anderen Zielländern führen wie zum führt, dass mehr Spanierinnen bereit sind, sich der be- Beispiel Spanien, in dem die Anonymität der Spende- schwerlichen Prozedur zu unterziehen“ berichtet der rin gesetzlich verankert ist. Dies würde der Intention SPIEGEL 2013.18 der deutschen Gesetzgebung zuwider laufen. Der Ge- setzgeber sollte diese Entwicklung sorgfältig verfol- Auch die Wünsche der potentiellen Eltern in Hinblick gen und bei Bedarf gegensteuern. auf das Aussehen ihres zukünftigen Kindes beein- flusst die Suche nach möglichen Eizellspenderinnen, Und auch in Deutschland leben Frauen in prekären Si- wie das Gen-ethische Netzwerk konstatiert: tuationen, für die eine Aufwandsentschädigung zwi- schen 750 Euro und 1.200 Euro einen starken finan- „Um [.] Kund*innen mit den entsprechenden helleren ziellen Anreiz darstellt. Hier ist es besonders wichtig, 2 Phänotypen zu versorgen, werben die Kliniken beson- eine sehr gute, fachlich präzise Aufklärung zu garan-
12 FÜR EINE RECHTEBASIERTE FORTPFLANZUNGSMEDIZIN tieren. Es muss sichergestellt werden, dass potentielle Bei Abwägung der möglichen Risiken für die Spende- Spenderinnen neutrale, verständliche Informationen rin und die zukünftigen Kinder gegen das Recht auf erhalten und dass sämtliche Einwilligungsformulare sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung kommt in der jeweiligen Muttersprache zur Verfügung ste- pro familia zu dem Schluss, dass die Bedenken im Falle hen oder eine neutrale Person zur Übersetzung her- der Eizellspende die Einschränkung der reproduktiven angezogen wird. Freiheit nicht rechtfertigen. Daher tritt pro familia NRW für eine Legalisie- C. pro familia lehnt eine verpflichtende Be- rung der Eizellspende in Deutschland ein und ratung vor Inanspruchnahme ab, plädiert schließt sich den Ausführungen der Akademie jedoch für einen verpflichtenden Hinweis der Wissenschaften Leopoldina an. Wichtig auf das Angebot für Spenderin und Emp- sind uns jedoch folgende Ergänzungen: fängerin (äquivalent zu der Hinweispflicht bei der medizinischen Indikation für einen A. Die medizinische Versorgung von Spen- Schwangerschaftsabbruch). Die unabhän- derin und Empfängerin bei Auftreten von gige medizinische und psychosoziale Be- Komplikationen muss sichergestellt sein. ratung hat einen großen Stellenwert. Sie sollte gefördert und finanziell abgesichert B. Der Gesetzgeber sollte wissenschaftlich werden. Die Beratung sollte nicht nur bei fundiertes und neutrales Informations- Inlandsverfahren, sondern ganz besonders material über medizinische Perspektiven auch bei Eizellspendebehandlungen im und Erfolgsaussichten erstellen, welches Ausland angeboten werden. Die Beratung sowohl Spenderin als auch Empfänge- muss rechtebasiert erfolgen, das heißt, rin vor Inanspruchnahme ausgehändigt die Rechte der Spenderin, des zukünfti- werden muss. Dieses Material muss auch gen Kindes und der Wunscheltern sollen in andere Sprachen übersetzt werden. Das mitgedacht und bei Bedarf thematisiert Informationsmaterial sollte Adressen von werden. Verbänden und Organisationen enthalten, die unabhängige psychosoziale Beratung anbieten.
POSITIONSPAPIER PRO FAMILIA NRW 2020 13 E M P F E H L U N G E N D E R L E O P O L D I N A 2 0 1 9 20 1. Die Eizellspende sollte in Deutschland erlaubt auch dessen rechtliche Eltern werden. Eine An- werden. fechtung durch die Spenderin oder die Wunsch- eltern sollte ausgeschlossen werden. Dem Kind 2. Die Art der Stimulation und die Zahl der Stimula- tionszyklen müssen so beschaffen sein, dass die sollte lediglich in eng begrenzten Ausnahmefäl- Risiken für die Spenderin minimiert werden. len, etwa bei erheblicher Kindeswohlgefährdung durch die rechtliche Mutter, ein Anfechtungs- 3. Über die Risiken bei einer Schwangerschaft recht zustehen. durch Eizellspende, insbesondere Bluthochdruck und Präeklampsie, muss die Empfängerin ange- 11. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstam- messen aufgeklärt werden. mung aller Kinder, die nach einer Eizellspende geboren werden, sollte durch entsprechende 4. Im Regelfall sollte die Empfängerin nicht älter gesetzliche Regelungen und organisatorische als etwa 50 Jahre sein, da die gesundheitlichen Vorkehrungen, insbesondere durch Ausweitung Risiken für Mutter und Kind altersabhängig zu- des Samenspenderregisters zu einem auch Ei- nehmen. zellspenden umfassenden Spenderregister, ge- 5. Die Dauer der Kryokonservierung von Eizellen währleistet werden. sollte auf festgelegte Zeiträume begrenzt wer- 12. Einwilligung der Spenderin und der Wunschel- den. Diese Frist sollte auf Wunsch der Person, tern sollte ein gegenseitiges Kennenlernen mög- von der die Eizellen stammen, verkürzt oder lich sein. um angemessene Zeiträume verlängert werden können. 13. Darüber hinaus sollte es möglich sein, Kenntnis von der Existenz von Halb- oder Vollgeschwis- 6. Eizellen dürfen nicht kommerziell gehandelt tern zu erhalten. Für die Offenlegung von deren werden. Für die Spende darf lediglich eine an- Identität gegenüber Halb- oder Vollgeschwistern gemessene Aufwandsentschädigung geleistet sollte Voraussetzung sein, dass sie sich gegen- werden. über dem Register damit einverstanden erklärt 7. Die Zahl der pro Spenderin aus Eizellspenden haben. Ein Kind sollte diese Einwilligung nach gezeugten Kinder sollte begrenzt werden. Un- Vollendung des 16. Lebensjahres selbst erklä- terhalb dieser Grenze sollten die Spenderinnen ren können, davor sollten seine Eltern zuständig die maximale Anzahl dieser Kinder individuell sein. festlegen können und auf Wunsch über die An- zahl der Schwangerschaften und Geburten in- 14. Eine psychosoziale Beratung der Kinder, der formiert werden. Spenderin sowie ihrer jeweiligen Familien insbe- sondere vor der Kontaktaufnahme sollte ange- 8. Eine Eizellspende sollte nur mit Einwilligung der boten werden. Spenderin vorgenommen werden. Eine erteilte Einwilligung sollte nur bis zum Beginn der Be- 15. D ie Verwendung von Eizellen in Kenntnis des fruchtung widerrufen werden können. Todes der Spenderin sollte grundsätzlich verbo- ten sein. Ausnahmen von diesem Verbot sollten 9. Das Angebot einer unabhängigen psychosozia- zugelassen werden, wenn seit dem Tod eine ver- len Beratung vor Beginn der Behandlung muss hältnismäßig geringe, vom Gesetzgeber festzu- verpflichtend sein. legende Anzahl von Jahren vergangen ist und 10. Werden Eizellen mit der Zustimmung der Spen- wenn die Spenderin erst nach der extrakorpora- derin und der Wunscheltern verwendet, sollten len Einleitung der Befruchtung der Eizellen ver- die Wunscheltern mit der Geburt des Kindes storben ist.
14 FÜR EINE RECHTEBASIERTE FORTPFLANZUNGSMEDIZIN E M B RYO S P E N D E / E M B RYOA D O PTI O N LEIHMUTTERSCHAFT In Deutschland wird die Embryospende/Embryoad- Die Leihmutterschaft unterscheidet sich in besonde- option seit 2013 von Fortpflanzungszentren, insbe- rer Weise von der Entscheidung zu einer Eizellspende. sondere in Süddeutschland, durchgeführt und auch Bei der Eizellspende entscheidet die Frau über eine re- öffentlich angeboten. Embryonen können überzählig lativ kurze, überschaubare Zeitspanne. Eine Leihmut- werden, wenn sie für die fortpflanzungsmedizinische ter (oder auch Leihgebärende) stellt ihren Körper über Behandlung des Paares, für das sie erzeugt wurden, mehrere Monate hinweg zur Verfügung. Für sie ist es endgültig nicht mehr verwendet werden. Eine solche schwierig abzuschätzen, wie die Schwangerschaft ihre Situation kann entstehen, wenn die Behandlung des Bindung zum ungeborenen Kind, ihre Lebenssituation Paares erfolgreich abgeschlossen wurde, wenn medi- und ihr körperliches Wohlbefinden verändern wird. zinische Gründe gegen eine weitere Behandlung spre- Immer wieder gibt es Berichte über Frauen, die eine chen oder wenn das Paar keine weitere Behandlung starke Bindung zu dem Kind aufbauen. Es gibt Einzel- mehr wünscht. Die rechtliche Situation ist allerdings fälle, in denen die austragende Frau das Kind nicht an nach wie vor nicht zufriedenstellend geregelt, sodass die Wunscheltern abgeben wollte. Insgesamt gibt es eine bundesweite gesetzliche Regelung wünschens- nur wenige Studien, die die seelische Gesundheit von wert erscheint. austragenden Frauen während der Schwangerschaft und nach Abgabe des Kindes beleuchten. Die Detailüberlegungen zur vollständigen Legalisie- rung sind überaus diffizil, da sie diverse andere Berei- Die Studienlage zur Situation der so geborenen Kinder che und Rechtsfragen berühren. Daher verweisen wir ist besser. Einige Studien weisen darauf hin, dass die auf die Ausführungen des Deutschen Ethikrates zu Entwicklung dieser Kinder mit denen von Kindern aus Embryospende/Embryoadoption und elterliche Ver- anderen Formen der Familiengründung vergleichbar antwortung von 2016.21 ist.22 Prinzipiell befürwortet pro familia NRW die Mög- Es ist nachvollziehbar, dass einzelne Themen der re- lichkeit der Embryospende/Embryoadoption. Paare produktiven Entscheidungen kaum im Vorfeld hinrei- sollten selbstbestimmt über ihre Gameten (Ei- und chend geklärt werden können. Trotz des Versuches Samenzellen), über befruchtete Eizellen im Vorkern- vertraglicher Klärung kann es sein, dass es zu unter- stadium und Embryonen entscheiden können. Den schiedlichen Einschätzungen zwischen austragender Zentren dürfen durch die Weitergabe jedoch keine Frau und Wunscheltern kommt. Wer entscheidet über finanziellen Vorteile entstehen, um zu vermeiden, eine gesunde Lebensführung, welche Vorsorgeunter- dass die Entstehung von überzähligen Embryonen suchungen werden wahrgenommen, was passiert, aus wirtschaftlichen Interessen gefördert wird. Der wenn beim Kind Auffälligkeiten festgestellt werden? Gesetzgeber muss begleitend für umfangreiche Be- Kann die austragende Frau selbst über einen Schwan- ratung und Begleitung in allen Phasen des Prozesses gerschaftsabbruch oder über die Entscheidung einer sorgen. Sectio bestimmen? Diese Fragen machen deutlich, dass die reproduktive Autonomie der austragenden Frau empfindlich ein-
POSITIONSPAPIER PRO FAMILIA NRW 2020 15 geschränkt ist. Nach einer anfänglich selbstbestimm- 1 https://www.ippf.org/sites/default/files/ippf_sexual_rights_declaration_german. pdf ten Entscheidung kann sie in Situationen kommen, 2 https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2019_Stellungnahme_Fort- in denen sie nicht mehr über sich und ihren eigenen pflanzungsmedizin_web_01.pdf 3 http://library.fes.de/pdf-files/dialog/15644-20191001.pdf Körper entscheiden kann. Das Gen-ethische Netzwerk 4 https://www.gen-ethisches-netzwerk.de/sites/default/files/dokumente/2020-01/ formuliert in seiner Stellungnahme: „Leihmütter tre- stellungnahme_reproduktive_gerechtigkeit_stand_2020_01_06.pdf ten für neun Monate per Vertrag Selbstbestimmungs- 5 https://www.ethikrat.org/forum-bioethik/eizellspende-im-ausland-konsequenzen- im-inland/ rechte und partiell die Verfügung über ihren Körper an 6 die Reproduktionsmediziner*innen ab.“23 7 https://www.bundesverfassungsgericht.de/e/ls20130219_1bvl000111.html 8 https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/Artikel/07042017_AK_Ab- stimmung_Abschlussbericht.pdf?__blob=publicationFile&v=4 9 https://www.lsvd.de/de/ct/1956-Ohne-Reform-des-Abstammungsrechts-wird-sich- pro familia NRW ist sich darüber bewusst, dass Diskriminierung-von-Zwei-M%C3%BCtter-Familien-versch%C3%A4rfen für Paare, bei denen die Frau kein Kind austra- 10 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2016/12/PD16_461_126. html gen kann, oder für männliche homosexuelle 11 Tabelle entnommen aus: Kinderland Schweden? Friedrich-Ebert-Stiftung 2019 Paare neben dem CoParenting die Leihmutter- http://library.fes.de/pdf-files/dialog/15644-20191001.pdf schaft die einzige Möglichkeit der Elternschaft 12 https://www.gesetze-im-internet.de/saregg/BJNR251310017.html 13 http://www.spenderkinder.de/ueberuns/faq/#frage25 mit zumindest einem genetisch verwandten 14 https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2019_Stellungnahme_Fort- Elternteil darstellt. Insofern beschneidet ein pflanzungsmedizin_web_01.pdf Verbot der Leihmutterschaft die reproduktive 15 Golombok, S., Blake, L., Casey, P., Roman, G. & Jadva, V. (2013). Children born through reproductive donation: a longitudinal study of psychological adjustment. Journal of Selbstbestimmung dieser Gruppe. Auch die Child Psychology and Psychiatry, and Allied Disciplines, 54(6), 653–660. doi: 10.1111/ Selbstbestimmung der Frau, die sich für die jcpp.12015.Vgl. Golombok et al. (2013) 16 Stoop, D., Vercammen, L., Polyzjos, N. P., de Vos, M., Nekkebroeck, J. & Devroey, P. Durchführung einer Leihmutterschaft ent- (2012). Effect of ovarian stimulation and oocyte retrieval on reproductive out-come scheidet, ist hoch einzustufen. Trotz allem in oocyte donors. Fertility and Sterility, 97(6), 1328–1330. doi: 10.1016/j.fertns- tert.2012.03.012. birgt das Verfahren die Gefahr, dass Frauen 17 https://www.deutsches-ivf-register.de/perch/resources/dir-jahrbuch- instrumentalisiert werden und im Verlauf der 2018-deutsch-4.pdf 18 https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-94387930.html neunmonatigen Schwangerschaft, während 19 Gen-ethisches Netzwerk - Der Imperativ der Ähnlichkeit/ Zur Praxis des Matching und nach der Geburt ihr sexuelles und repro- 1 beim Eizelltransfer duktives Selbstbestimmungsrecht verlieren. https://www.gen-ethisches-netzwerk.de/reprotechnologien/der-imperativ-der- aehnlichkeit In Abwägung dieser Güter spricht sich pro fa- 20 https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2019_Stellungnahme_Fort- milia NRW daher gegen eine Legalisierung der pflanzungsmedizin_web_01.pdf 21 https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen/deutsch/ Leihmutterschaft in Deutschland aus. stellungnahme-embryospende-embryoadoption-und-elterliche-verantwortung.pdf 22 Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag: Leihmutterschaft im europäischen und internationalen Vergleich. https://www.bundestag.de/resource/blob/592446/b04363cfd1cf5f6fa65c94b- 8c48495d9/WD-9-039-18-pdf-data.pdf 23 https://www.gen-ethisches-netzwerk.de/sites/default/files/dokumente/2020-01/ stellungnahme_reproduktive_gerechtigkeit_stand_2020_01_06.pdf 2
16 PRO FAMILIA LANDESVERBAND NRW E.V. pro familia in NRW Der pro familia Landesverband NRW e.V. ist ein ge- meinnütziger Verein, der in NRW an 36 Standorten ein vielfältiges Beratungsangebot unterhält. Fachlich eingebunden sind Beratungsstellen der eigenständi- gen Ortsverbände und von VARIA. pro familia bietet Beratung, Informationen und Veranstaltungen zu Sexualität und Partnerschaft, Schwangerschaft und Familienplanung, Sexualpäda- gogik und Aufklärung an. Detaillierte Informationen finden Sie unter: www.profamilia-nrw.de sowie auf der Seite für Jugendliche: www.sex-profamilia.de Sitz des Vereins: Kolpingstraße 14, 42103 Wuppertal Postfach 130901, 42036 Wuppertal Steuernummer: 132/5902/1329 Vorstand: Rainer Hecker (Vorsitzender), Dr. Eva Waldschütz (stellvertretende Vorsitzende), Laura Bilstein, Cornelia Schneider, Dr. Dr. Wolfgang Müller, Jürgen Wittmer Amtsgericht Wuppertal, VR 2520
PRO FAMILIA LANDESVERBAND NRW E.V. 17 pro familia in NRW: Ihre Beratungsstelle vor Ort Warendorf Oelde Ahlen Beckum Hamm Zusätzliche Beratungsangebote: Witten · Horizonte – Beratungsstelle bei sexualisierter Gewalt · Erziehungsberatungsstelle Oberhausen · Anlauf- und Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch Schwelm · KIZZ – Kinder- und Jugendschutzambulanz gegen sexualisierte und häusliche Gewalt Ahlen, Beckum, Hamm, Oelde, Warendorf · Kooperation mit Varia Beratungsstellen
SEXUALITÄT & PARTNERSCHAFT SEXUALITÄT & PARTNERSCHAFT SEXUALITÄT & PARTNERSCHAFT pro familia Telefon: 0202-245 65-0 Landesverband NRW e.V. Telefax: 0202-245 65-30 Postfach 13 09 01 lv.nordrhein-westfalen@profamilia.de 42036 Wuppertal www.profamilia-nrw.de www.sex-profamilia.de Ihre Spende hilft in jeder Beziehung und ermöglicht wesentliche Bereiche unserer Arbeit. Spendenkonto pro familia NRW IBAN: DE43 3702 0500 0007 0240 01 · BIC: BFSWDE33XXX Ihre Spende ist steuerlich absetzbar.
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