Für postheroisches management
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Transnationale Utopie? Internationalisierung in der Krise Revue für postheroisches Management Heft 5 Transnationale Utopie? Internationalisierung in der Krise Heft 5 ISBN 978-3-89670-714-7, € 25,– für postheroisches management 9 783896 707147
3 Editorial von Katrin Glatzel Inhalt 6 Henry Mintzberg America’s Monumental Failure of Management 10 Featured Artist Dirk Hupe 16 Elena Esposito Riskante Risiken 22 Christopher A. Bartlett, Sumantra Ghoshal The Transnational: The Emerging Organization Model 32 Christopher A. Bartlett im Interview The Transnational Solution 38 Reinhart Nagel, Thomas Schumacher The World is Not Flat 48 Rob Wiechern, Torsten Groth Transnationale Utopie? 50 Leonie Maria Koenen Von Großfamilien und internationalen Unternehmensgruppen 56 Helmut Kostal im Interview Wir haben nie eine riesige Investition auf der grünen Wiese gemacht 60 Jekaterina Anzupowa Erdbeerjoghurt 150 g – Reiseperformance in zwei Teilen 62 Fritz B. Simon im Interview Realitätskonstruktion per Fruchtjoghurt 65 Stefan Strohschneider Zur See! – Teamtraining mit der MS ANTWERPEN 68 Milton J. Bennett im Interview Working with Culture: From Observation to Competence 74 Claudia Auer-Welsbach, Matthias Lang, Katrin Wulf, Margit Gietler Internationales Managementteam? 80 Boris Holzer Orbis (non) sufficit: Wie global ist die Weltgesellschaft? 86 Stefan Kühl Von Filial- zu Kontaktgründungen 92 Stefan Friedrichs, Stefan Jung Das Unmögliche wird eine Weile dauern 98 Eva Kiefer im Gespräch mit Nele Hertling und Stefan Schmidtke … zu Aspekten des Internationalen im Theater 106 Wozu Wirtschaft? Transnationale Utopie von Birger P. Priddat 108 Management für Fortgeschrittene Krisenkultur von Dirk Baecker 112 Hollywood Lost in Translation von Fritz B. Simon 116 Marie Ganier-Raymond Der Kaiser in Frankreich 122 Hören & Sehen 129 Leserrevue 130 Überblick, Bestellservice, Impressum Inhalt 5 Revue für postheroisches Management / Heft 5
Claudia Auer-Welsbach, Matthias Lang, Katrin Wulf, Margit Gietler International + Management + Team = Internationales Managementteam? Folgende Seiten geben Einblick in die Ergebnisse eines Forschungs- Claudia Auer-Welsbach, 1979 in Österreich geboren und dort aufgewachsen. Nach kürzeren Auslandsaufenthalten im Rahmen des Studiums der Psychologie mit Schwerpunkt Gruppendynamik seit Frühjahr letzten Jahres interne Prozessberaterin bei ZF Friedrichshafen AG am Bodensee. Matthias Lang, Psychologe und Auslandsösterreicher, berät intern bei ZF Friedrichshafen AG Führungskräfte und inter- nationale Management-Teams. Außerdem arbeitet er zu organisationaler Evolution sowie zu Spezifika der internen Beratung. Katrin Wulf arbeitet als Trainerin und Beraterin mit internationalen Teams und unterstützt sie in ihrer Entwicklung. Für ihre Dissertation untersucht sie die Herausforderungen der HR Politik in transnationalen Unternehmen. Margit Gietler ist Psychologin und verbindet ihre fachliche Ausrichtung mit digitalem Grafikdesign und Fotografie. Zu ihren Arbeiten zählt die Erstellung von Fachgrafiken und Illustrationen ebenso wie die Beratung und visuelle Umsetzung im Bereich des Corporate Branding. projektes zum Thema »internationale Managementteams«, das wir im Rahmen einer Weiterbildung der Österreichischen Gesell- schaft für Gruppendynamik und Organisationsberatung (ÖGGO) kürzlich durchgeführt haben. Dabei fließen unsere eigenen beruf- lichen Erfahrungen sowie Erkenntnisse und wörtliche Zitate aus 12 Gesprächen mit internen und externen Beratern und betroffenen Managern ein. Die Initiative von Unternehmen zur Internationalisie- rung zielt in den meisten Fällen darauf ab, Zugriffe auf neue Absatzmärkte, neue Einkaufsmöglichkeiten und zu- sätzliche Humanressourcen zu ermöglichen. Dass man sich mit dem Schritt in die Internationalisierung gänz- lich neuen Herausforderungen zu stellen hat, ist nicht jedem Unternehmen von Anfang an klar. »Das Unternehmen war gut darin, Neues zu kaufen, aber nicht gut darin, die Themen zu integrieren im globalen Management. Das Produkt ist eine Sache, aber ein Unternehmen global zu managen ist eine andere.« Im Zuge der Grenzüberschreitungen werden Organisa- tionsmodelle1 weiterentwickelt, um internationales Ge- schäft organisieren zu können. Dabei spielt das jeweilige Geschäftsmodell eine entscheidende Rolle 2: Sollen die Regionen mit großer Autonomie entscheiden können, geben Geschäftsfelder weltweit den Ton an? Oder zielt die Strategie darauf ab, ein vielfach vernetztes Unterneh- men zu werden, welches Geschäftsprozesse kreuz und quer über Länder und Kulturkreise organisieren kann und so einen Mehrwert erzeugt? »Die Frage ist immer: Was ist die Kernidentität des Unternehmens und wie sind die Eigentümerver- hältnisse? Wenn der Eigentümer ein ›lokaler‹ Eigen- tümer ist, wird er auch stärker dafür sorgen, dass im Kernbereich diese lokale Identität gewahrt wird. Ist der Eigentümer international, ist es ihm entweder egal, oder es ist Voraussetzung, dass die jeweiligen Manager sich auf internationalen Parkett bewegen können.« Für die verantwortlichen Manager scheint es keine brauchbaren Kochrezepte zu geben, wie sie die anstehen- den Entwicklungsherausforderungen mit der bisherigen Organisation in Einklang bekommen. Maßanfertigung und Kreativität sind gefragt, um im jeweiligen inter- nationalen Geschäft erfolgreich zu sein. Bei der Steue- rung dieses Entwicklungsprozesses sind Entscheidungs- Internationales Managementteam? 74 Revue für postheroisches Management / Heft 5
gremien – internationale Managementteams – besonders zu den Bedingungen, auf die sie sich einlassen werden. gefordert. Auf Seiten der Betroffenen begünstigen häufig mone- täre Anreize die Entscheidung für eine Entsendung ins »Management« – ein international gängiger Begriff – ist Ausland, ein garantierter Karrieresprung ist sie jedoch in vielen Kulturen an unterschiedliche Bedeutungsin- nur noch in wenigen Fällen. Wir treffen jedoch auch auf halte geknüpft. Während im deutschen Sprachgebrauch folgende Motivation für die Mitgliedschaft in einem iMT: mit der Bezeichnung »Manager« Führungsverantwor- »Jeder erzählt in der Kaffeepause von seiner Heimat, tung einhergeht, werden beispielsweise im englischen und es ist phänomenal, was ich aus der Welt gelernt oder russischen Sprachraum auch Funktionen ohne Füh- habe. Meine Kollegen haben die Kultur und Politik rungsverantwortung so benannt: ihres Landes auf ihren Gesichtern hierher gebracht.« »In Russland ist jeder Manager, der eine kleine Ver- antwortung übernimmt, wie der ›Manager für das Tür an Tür vs. Jetlag Kehren des Hausflures‹. Manager in unserem Sinne Die geografische Nähe von Teammitgliedern bestimmt heißen dort ›Direktor‹. Insofern ist der Begriff dort die Möglichkeiten und das Ausmaß an Face-to-face-Kom- abgenutzt.« munikation und somit die Entwicklung und Pflege einer Über die Bezeichnung »Team« lässt sich aus unserer gemeinsamen Teamkultur. (gruppendynamischen) Sicht in manchen beobachteten Ist das Team über verschiedene Standorte verstreut, Fällen (hinsichtlich Größe, Kommunikationsstrukturen können Missverständnisse nicht nach der Methode »Ich etc.) streiten, dennoch sprechen wir von einem interna- stehe so lange vor deinem Schreibtisch, bis du Zeit hast« tionalen Managementteam (im Folgenden: iMT), wenn ausgeräumt oder Beziehungen beim Kaffeeplausch ge- folgende fünf Aspekte gegeben sind: (1.) Ein Gremium pflegt werden. Hier muss man für direkten Kontakt meist von Menschen, (2.) das international (mit Vertretern aus höhere Reisekosten, längere Flugzeiten und – nicht zu- unterschiedlichen Standorten, muss nicht zwingend in- letzt aktuell aufgrund der Sparmaßnahmen – verkürzte terkulturell sein) zusammengesetzt ist und (3.) gemein- Aufenthaltszeiten und durch Jetlag ermüdete Meeting- sam Verantwortung für (4.) internationale Geschäfts- teilnehmer in Kauf nehmen. prozesse wahrnimmt und (5.) somit Entscheidungen für Aktivitäten und Mitarbeiter in mehreren Ländern trifft. Doppelagent vs. Brückenschlag Im Binnenverhältnis eines Standortes sowie für die Be- Die komplexen Bedingungen, unter denen ein iMT in ziehung zwischen Tochter- und Mutterhaus hat vor allem Aushandlungsprozesse treten muss, erschwert das Her- die Nationalität des entsendeten Managers hohen Sym- stellen einer notwendigen Vertrauensbasis zwischen den bolcharakter. Ein deutscher Expat aus dem Headquar- Teammitgliedern bzw. dem Team und der Organisation. ter in einer gehobenen Position am südamerikanischen Die aus unserer Sicht wesentlichsten, speziell für iMTs Standort symbolisiere unter Umständen, dass die Auf- erschwerenden Faktoren in der Zusammenarbeit sollen stiegsmöglichkeiten als Südamerikaner in diesem Unter- nun kurz dargestellt werden. nehmen begrenzt sind. Zudem fühlen sich die im Toch- terunternehmen Beschäftigten möglicherweise in ihrer Karriereknick vs. Karrieresprung Annahme bestätigt, vom Mutterhaus ausspioniert zu Bereits die personellen Zugangsvorsaussetzungen zu in- werden. Umgekehrt steht der Expat unter besonderer ternationalen Teams sind meist andere als zu nationa- Beobachtung der Lokalen, vor allem wenn es um seine len. Auf Seiten des Unternehmens wird eine solche Ent- Bewegungen im ihm fremden Kulturkreis geht. scheidung häufig – analog zu Projekt-Teams – nach der »Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Annahmen ge- Verfügbarkeit von Personen/Funktionen getroffen. Sel- troffen werden, ist bei internationalen, kulturüber- ten spielen dabei individuelle Erfahrungshintergrün- de zu interkulturellen/internationalen Fragestellungen 1 Bartlett, C. A. & Ghoshal, S. (2002). Managing across borders: The transnational solution. Harvard oder soziale Kompetenzen eine Rolle. Auch fehlt es den 2 Adler, N. J. (2008). International Dimensions of Organizational Expats oft an Vorbereitungszeit oder sogar Basiswissen Behavior. o. O. Internationales Managementteam? 75 Revue für postheroisches Management / Heft 5
dirk hupe, 2009. Werk-Nr. 0177_2009; o.T., Text-, Wortfragmente (...) , Druck-,Acryl- und Dispersionsfarbe, Acryllack, Aluminium U-Profile, Silikon, Alu-Dibond, 80 x 120 x 3,5 cm, 2009, Hintergrundabbildung Fotoarbeit, 2008 greifenden Thematiken wesentlich größer, weil man »Sprache ist ein Riesenthema, weil Nuancen nicht auf solche Dinge schaut wie: Isst er unsere Speisen, verstanden werden, weil zum Teil Sachen nicht kom- ist er mit der Kultur des Landes vertraut, ist er über- muniziert werden können, einfach weil die sprach- haupt interessiert an dem, was wir hier tut?« liche Fähigkeit fehlt …« Komplexe Aushandlungsprozesse unter erschwerten Be- Deutsche Manager neigen gerne dazu, wörtlich vom dingungen bieten reichlich Nährboden für Phänomene Deutschen ins Englische zu übersetzten, und laufen da- kultureller Stereotypisierung. bei Gefahr, ihre z. B. englischen Teamkollegen vor den Kopf zu stoßen, wenn es heißt: »Send me this document Zwischen Stereotypen und dritter Kultur by tomorrow«, anstelle von: »Would you be so kind to In iMTs kommen unterschiedlichste Kulturen zusam- send me this document by tomorrow?«. men, nicht nur nationale, sondern auch funktionale oder Englisch als Konzernsprache ermöglicht und verhin- branchenspezifische Hintergründe. Somit treffen unter- dert zugleich Kommunikation. Gedacht als Zeichen der schiedlichste Führungsstile, Erwartungen und Ansprü- Öffnung zur Welt hin, ist sie schnell der größte Stol- che auf die Einflussnahme im Team aufeinander. Häufig perstein, insbesondere wenn im Team sowohl Mutter- anzutreffendes Konkurrenzdenken und das Fehlen von sprachler als auch Nicht-Muttersprachler vertreten sind, gemeinsamen Sozialisationserfahrungen – etwa durch wie es Manager in einem deutschen Konzern feststellen dasselbe Bildungssystem – erschweren die Thematisie- mussten: rung von Unterschieden. Deutlich werden die kulturellen »Wenn man als Deutscher in einer deutschen Stadt in Unterschiede zu Beginn der Zusammenarbeit zumeist an der Hauptverwaltung eines deutschen Konzerns tätig äußeren Faktoren: ist und man selbst gegenüber einem gerade eben »Für die Amerikaner war es überhaupt nicht vorstell- aus Amerika Zugereisten, der womöglich noch unter bar, warum die Kündigung einer Person in einem Job einem steht, jedes Mal verliert, dann ist das schon ge- mindestens ein Jahr dauert. Und das Bild war, dass wöhnungsbedürftig. Man ist sozusagen im eigenen wir Deutschen nicht wirklich willens sind, uns zu Land benachteiligt, weil man sich entschieden hat, verändern.« die Lingua franca zur Konzernsprache zu machen, IMTs befinden sich im Umgang mit kulturellen Unter- und man nimmt plötzlich wahr, da gibt es Leute, die schieden im Spannungsfeld zwischen dem Festhalten an dominieren einen, einfach aufgrund ihrer Herkunft.« Stereotypen und der Entwicklung einer dritten Kultur. Es lassen sich jedoch Unterschiede je nach Unternehmen Fehlende Sensibilität, führt zu Ressourcenverlust, wie im beobachten, was die Verbreitung und die Akzeptanz von Beispiel eines Managers: Englisch als Arbeitssprache betrifft. National geprägte »Mein Chef ist jemand, der brillant präsentieren Unternehmen stehen hier großen, längst internationa- kann, durchaus typisch für jemanden, der in Ame- lisierten Konzernen oftmals nach. Es zeichnet sich je- rika groß geworden ist. Doch die Deutschen haben doch ab, dass die nachkommende jüngere Management- dann manchmal das Gefühl, jetzt lehnt er sich ein generation, aufgrund ihrer internationalen Ausbildung, bisschen zu weit aus dem Fenster, und steuern allei- deutlich weniger Probleme haben wird. ne deswegen entgegen.« Die Herausforderung solcher Teams besteht darin, ein Virtualität Modell der Zusammenarbeit zu entwickeln, in dem die Aufgrund der geografischen Entfernung verständigen unterschiedlichen kulturellen Faktoren berücksichtigt sich sogenannte virtuelle Teams nur in Ausnahmefällen werden und somit eine eigene Kultur im Team aufge- face to face und kommunizieren hauptsächlich über E- baut wird, die dann in das Unternehmen hineingetragen Mail, Telefon oder Videokonferenz. Die technische Mach- werden kann. barkeit und die Qualität der Kommunikation stellen aktuell die größten Restriktionen der virtuellen Kom- Sprache – Hindernis und Wegbereiter in iMTs munikation dar. Innerhalb Deutschlands ist es heute in Überraschenderweise ist für viele solcher Gremien die den großen Unternehmen in der Regel kein Problem Sprache nach wie vor ein großes Hindernis: mehr, auch technisch aufwändige Videokonferenzen Internationales Managementteam? 76 Revue für postheroisches Management / Heft 5
wieder verstärkt auf persönliche Treffen gesetzt. Diese Margit Gietler »babylonische Neuzeit – internationale Sprache«, 2009 basierend auf Pieter Bruegel der Ältere »Turmbau zu Babel«, 1563 dienen vor allem auch dazu, die Spielregeln des virtuel- len Miteinanders auszuhandeln oder zu überlegen, was am virtuellen Miteinander verbessert werden kann. Dazu eine Managerin: »Bei uns gehört es zum Code of Conduct, dass wenn jemand eine E-Mail nicht richtig versteht, er sofort zum Telefon greift und nachfragt. Vieles klärt sich dann schnell auf.« Humor – Lachen hilft Eines der erfolgreichsten Hilfsmittel im Umgang mit Kommunikationsschwierigkeiten ist Humor, wie es sich beispielhaft an einem Beratungsprojekt zeigen lässt: »In dem Beratungsfall in England gab es die Diag- nose, dass deren Hauptkommunikationsproblem das Thema direkte und indirekte Kommunikation war. Diese Dimension habe ich dann aufgespannt und erklärt, dass etwas direkt zu sagen für uns Deutsche nicht unhöflich ist, sondern dass wir Höflichkeit ein- fach anders zeigen. Ich bringe die Teilnehmer dann in Paare, und die Engländer müssen direkt sein, und durchzuführen. Ganz anders sieht dies jedoch im inter- die Deutschen spüren dann die Wirkung, um sich nationalen Bereich aus, wie Manager berichten: anschließend mal indirekt auszudrücken. Was dann »In der Konferenz mit Brasilien brach das Bild immer passiert, ist, dass die Leute über diese Außenperspek- wieder zusammen.« tive erst mal lachen. Und durch dieses Lachen ent- »In Katar oder auch zum Teil in China lassen die steht eine Dimension, die besprechbar ist. Daran an- Leitungen Videokonferenzen nicht zu.« knüpfend hatten wir die Situation, dass sich der Vor- Die Firewall der Unternehmen verhindert es, sich via stand hingestellt und gesagt hat: ›Sorry, I have to say Internet auszutauschen, oder die Technik ist störungs- this, this is German, this is direct, but I have to say it‹.« anfällig und nicht bedienerfreundlich genug. So ist die Humor ermöglicht es, Themen besprechbar zu machen, Kommunikation auf Telefon und E-Mail beschränkt, die Situation erst einmal aufzulockern und auch nach- wenn diese denn funktionieren: zufragen: »Ist das jetzt deine französische Ironie, oder »Für ein Telefonat nach Nigeria nimmt man am bes- meinst du das wirklich so?« Immer ist auch zum Thema ten das Handy, nach zwei, drei Anrufen steht dann Humor eine kulturelle Komponente mitzudenken, denn die Leitung. Das Festnetz funktioniert selten.« nicht jeder kann über das Gleiche gleichermaßen lachen, Die Media-Rückschritts-Theorie besagt: Je komplexer die und dennoch hilft es einem internationalen Team unge- Aufgaben, umso ausgefeilter sollte die technische Unter- mein, wenn seine Mitglieder auch über sich selbst la- stützung sein, um die Kommunikation im Team nicht zu chen können, insbesondere dann, wenn Sprachprobleme gefährden. Wenn nicht klar ist, warum sich der An- hinzukommen: sprechpartner nicht meldet (Ist er krank? Will er sich »Selbstironie hilft, wenn man in einer fremden Spra- nicht melden?), oder weil der Tonfall der E-Mails oder des che plötzlich wieder wie ein Baby spricht.« Telefonates missinterpretiert werden, kann es schnell zu Konflikten kommen. Gerade wenn wichtige Entschei- Beratung internationaler Managementteams dungen anstehen, hat sich für viele iMTs die virtuelle Nicht zuletzt die Fülle an Herausforderungen, die sich Kommunikation als hinderlich erwiesen, und es wird auf der Reise nach Utopia ergeben, veranlasst manche Internationales Managementteam? 78 Revue für postheroisches Management / Heft 5
Organisationen, die Unterstützung von Beratern zu su- les Business x Internationale Organisationsmodelle = chen. Für das Zusammenspiel zwischen Klienten- und Komplexität, der sich internationale Management- Beratersystem muss auch die Herkunft des Beraters be- teams stellen müssen rücksichtigt und ständig reflektiert werden, besonders Die entscheidenden Fragen sind: Wo und in welchem wenn »man miteinander gewachsen ist« und Manager Ausmaß wird die Diversität einer Organisation und auf Berater aus ihrem Heimat-Kulturkreis zurückgreifen, deren Umwelt abgebildet? Wie und auf welcher Basis weil eine vergangene Zusammenarbeit gute Ergebnisse finden hierzu Aushandlungsprozesse, der Umgang mit brachte. Hier stellt die Arbeit in interkulturellen Berater- zu bewältigenden Konflikten und das Treffen von Tandems eine vielversprechende Möglichkeit dar, unter- Entscheidungen über (Ge-)Wichtigkeit, Stärkung und schiedliche Systemkonstruktionsmöglichkeiten anzu- Schwächung von Unterschieden statt? Auf Basis unserer bieten und dadurch mit mehreren Überlappungen und Untersuchung bieten wir folgende Beobachtung zur Differenzen arbeiten zu können, wie: fremd/vertraut, Beantwortung an: Wenn nicht im Steuerungsgremium ähnlich/anders, Berater/Klient. selbst, dann an dessen Schnittstellen zur Organisation oder in der mittelbaren bis unmittelbaren Umwelt des Conclusio: »Growing global – Complicating global« iMTs. Doch je weiter weg von Erfahrbarkeit und Einfluss- Organisationen werden nicht nur größer, stärker, mehr, nahme der zentralen Steuerung, desto eher bleibt es je- wenn sie aus ihren Heimatmärkten heraus neue Märkte weils Angelegenheit der gerade Betroffenen und steht in anderen Ländern betreten, vor allem werden sie an- dem entgegen, organisationsweite Überlegungen anzu- ders. stellen und Handlungen zu organisieren. So z. B. im Vorstand eines international agierenden »It takes variety to control variety.« 3 Industrieunternehmens (Standorte in 110 Ländern) mit International aufgestellte Organisationen wollen, um er- Stammsitz in Deutschland, wo sich ausschließlich deut- folgreich zu sein, Inputs aus verschiedenen Kulturen sche Manager begegnen. Interkulturelle Fragestellungen integrieren: Kunden, Lieferanten, gesetzliche Vorgaben, werden somit nicht im obersten Leitungsgremium, son- Mitarbeiter oder Konstruktionen der Wirklichkeiten. Die dern zwischen dem Vorstand und der nächsten Berichts- sich ergebenden Wechselwirkungen resultieren in Ver- ebene, zu der auch die Verantwortlichen in den interna- änderungen der jeweiligen Organisation selbst. Daraus tionalen Regionen zählen, thematisiert. entsteht die organisationale Aufgabe, neue Routinen zu entwickeln, welche einerseits die Identität des Unter- Organisationen befinden sich auf ihrem Weg zur In- nehmens gegenüber den einströmenden Irritationen in ternationalität in sehr unterschiedlichen Entwicklungs- Schutz nehmen und andererseits dem Fremden aus- phasen. Während in einem Fall noch voller Überzeugung reichend Möglichkeit bieten, die Organisation mit In- versucht wird, in Brasilien deutsche Ingenieurskultur zu novationen und Kommunikationen zu versorgen. Viele implementieren, finden wir am anderen Ende des Spek- Unternehmer fragen sich dann »Can we undergo this trums Beispiele von Unternehmen, die bereits seit vielen innovation and still remain who we are?«4. Die Kunst- Jahren auf allen Kontinenten Standorte mit internatio- fertigkeit liegt wohl darin, eine Organisation zu werden, nal rotierenden Mitarbeitern haben. Hier treten geogra- die man zwar noch nicht ist, die aber unverkennbar aus fische Faktoren gegenüber der Organisation mehr und der heutigen hervorgeht, also auf der einzigartigen, be- mehr in den Hintergrund, so wie beim (noch unverkenn- stehenden Kultur aufbauend, neue Impulse in verträgli- bar) japanischen Automobilkonzern, der gerade dabei ist chen Dosen zu integrieren. »Made in Japan« durch »Made by Toyota« zu ersetzen. Der Definition unseres Untersuchungsgegenstandes ¶ und den dargestellten Erfahrungen folgend, können die Herausforderungen an iMTs mit folgender »Formel« be- schrieben werden: 3 Weick, K. E. & Sutcliffe, K. M. (2001). Managing the Unexpected. San Francisco, S. 62. Manager x Team x Kommunikation x Interkulturelle 4 Cook, S. D. N. & Yanow, D. (1993). Culture and Organizational Themen x Sprachen x Virtuelle Teams x Internationa- Learning. Journal of Management Inquiry, 2 (4), S. 373-390. Internationales Managementteam? 79 Revue für postheroisches Management / Heft 5
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