Gartenschauen nachhaltig gestalten - Lebenszykluskosten öffentlicher Grünanlagen - Die grüne Stadt

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Gartenschauen nachhaltig gestalten - Lebenszykluskosten öffentlicher Grünanlagen - Die grüne Stadt
Gartenschauen
nachhaltig gestalten
Lebenszykluskosten öffentlicher Grünanlagen

              Stiftung DIE GRÜNE STADT
Gartenschauen nachhaltig gestalten - Lebenszykluskosten öffentlicher Grünanlagen - Die grüne Stadt
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Impressum

Herausgeber:                                                                  Druck:
Stiftung DIE GRÜNE STADT, www.die-gruene-stadt.de                             Siebengebirgs-Druck GmbH & Co. KG, Bad Honnef, 11/2015

Texte / Redaktion:                                                            Fotos:
Christof Geskes, geskes.hack Landschaftsarchitekten                           Stiftung DIE GRÜNE STADT, geskes.hack Landschaftsarchitekten,
Rüdiger Dittmar, Amt für Stadtgrün und Gewässer, Leipzig                      Rüdiger Dittmar, d.b.g. Datenbankgesellschaft, Grün Berlin GmbH,
Ralf Semmler, d.b.g. Datenbankgesellschaft mbH                                INLA, DBG, BUGA 2015 Havelregion/Thomas Uhlemann
Christoph Schmidt, Grün Berlin GmbH
Siegfried Knoll, Institut für Nachhaltige LandschaftsArchitektur (INLA)
Peter Menke, Stiftung Grüne Stadt
Sibylle Eßer, Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft mbH (DBG)

Layout:
K2 I agentur für kommunikation, Bonn, www.k2agentur.de
                                                                                       klimaneutral
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Inhaltsverzeichnis

Vorwort                                    6

Von der Gartenschau zum Bürgerpark         8

Nachnutzung von Landesgartenschauen        12

BUGA 2011: Nachhaltigkeit in der Praxis    18

GreenCycle® – ein neuer Weg                26

Lebenszykluskosten – das Berliner Modell   30

Konzept für den Wilhelmsburger Inselpark   34

Ausblick                                   42

Wir stellen uns vor                        44

Literatur und Links                        46

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Gartenschauen nachhaltig gestalten - Lebenszykluskosten öffentlicher Grünanlagen - Die grüne Stadt
Vorwort

Wie wird in Zukunft das öffentliche Grün in der von der Bevölkerung erwarteten Qualität er-
halten und gepflegt? Diese Frage stellen sich viele Kommunen in Deutschland und suchen
nach Möglichkeiten einer größeren Planungssicherheit. In diesem Zusammenhang bieten
Gartenschauen gute Ansatzpunkte, um die späteren Pflege- und Unterhaltungskosten
von Grünflächen schon in der frühen Planungsphase zu berücksichtigen. Schließlich sind
Gartenschauen nach wie vor anerkannte und erfolgreiche Instrumente für integrierte Stadt-
und Regionalentwicklungsprozesse. Doch immer mehr tritt bereits in den frühen Phasen
der Entscheidungsfindung und später auch in der konkreten Planung die Frage nach dem
„danach“ in den Vordergrund. Zu Recht, denn nicht immer folgt einer erfolgreichen Garten-
schau der Übergang zu einer im Sinne der vielzitierten Nachhaltigkeit gelungenen Nach-
bzw. Dauernutzung.

Typische Schnittstellenprobleme liegen in der mangelnden Einbindung der zukünftigen
Betreiber in die Planungs- und Realisierungsphase, im Fehlen von verlässlichen Ermitt-
lungen von Unterhaltungs-, Betrieb- und Entwicklungskosten, in unzureichenden Be-
triebs- und Managementkonzepten usw.

Zwar fordern wir als DBG bereits in der Bewerbungsphase einer BUGA und IGA von unse-
ren kommunalen Partnern belastbare Aussagen über die angedachte Nach- und Dauer-
nutzung, erleben jedoch im Verlaufe der langjährigen Begleitung einer Gartenschau (von
der Machbarkeitsstudie bis zur Schlussrechnung) immer wieder, dass die oben genann-
ten Fragestellungen häufig nicht in der erforderlichen Konsequenz verfolgt werden.

Diese Situation war für die Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft Anlass für eine
vertiefende Betrachtung. Schon auf einer Klausurtagung unseres Verwaltungsrates im
März 2015 sind wir mit Experten in die Diskussion gegangen. Das Ergebnis liegt hier vor.
Alle Beiträge liefern Praxiserkenntnisse, über die sich zukünftige Gartenschau-Ausrichter
dem Thema Lebenszykluskosten annähern können. Unsere Diskussion soll die Bewertung
der Pflege von Grünflächen und deren Berechenbarkeit in einer Methodik anstoßen.

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Gartenschauen nachhaltig gestalten - Lebenszykluskosten öffentlicher Grünanlagen - Die grüne Stadt
Mit dem Ziel, die Qualität der Parkanlagen, die mit einer Gartenschau entstehen, zu
erhalten und den Kommunen die Entscheidung zur Bewahrung von Grünflächen für eine
bessere Lebensqualität in Stadt und Region zu erleichtern.

Jochen Sandner                                      Hanns-Jürgen Redeker
Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft (DBG)       Vorsitzender Kuratorium Stiftung DIE GRÜNE STADT

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Landesgartenschau Reichenbach
im Vogtland 2009                8
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Von der Gartenschau zum Bürgerpark

Der zukunftsgerechte Umbau einer Stadt wird von              einen Park, der auch zukunftsfähig ist und sich
Politikern diskutiert, basiert aber zunehmend auch           heute mehr denn je am demografischen Wandel, der
auf den Initiativen seiner Bürger. Eine repräsentative       Klimaentwicklung und der Pluralität der Gesellschaft
Forsa-Umfrage 2014 in zwölf deutschen Großstädten            ausrichtet.
beweist: Bürger wollen in grünen Städten und Regi-
onen leben. Die BUGA ist ein Motor, der die entspre-
chenden Prozesse dynamisch in Gang setzt. Mit ihr            Konfliktpotential im Vorfeld
kommt eine Verbindlichkeit in Bezug auf die Zeit- und
Maßnahmenplanung ins Spiel. Sie setzt kreative Finan-        Natürlich gibt es Konfliktpotential im Vorfeld. Poli-
zierungsmöglichkeiten frei und ermöglicht den Zugriff        tik und Finanzen müssen über mehrere Legislatur-
auf Fördergelder, die nur mit ihr zu schöpfen sind.          perioden zusammengebracht werden, Bürger und
                                                             „Betroffene“ wollen mitreden, es geht um Prozess-
                                                             Strukturen zur Planung, es geht um Genehmigun-
Zur Wirkung von Gartenschauen                                gen, Liegenschaften und Architekturwettbewerbe,
                                                             Vergaben und Rechtsfragen. Nicht zuletzt fordern
Hinzu kommt, das eine Gartenschau auch Breiten-              Naturschutz und Denkmalschutz bei der Erstellung
wirkung für die Städte hat: etwa, wenn sie eine              Berücksichtigung. Auch die grünen Verbände bringen
Begleitinvestition auslöst wie zur BUGA Koblenz 2011,        ihre Position zum Bau des Gartenschaugeländes ein.
zu der vom Land 46 Mio. Euro für die Restaurierung           Wichtig ist es Transparenz in allen Prozessphasen zu
der Festung Ehrenbreitstein zur Verfügung gestellt           gewährleisten, klar definierte Managementstrukturen
wurden. Wirkung zeigt die BUGA auch im Tourismus
– Beispiel BUGA 2015 Havelregion: Der Ausbau der                                                                     Bundesgartenschau
Radwege um Havelberg brachte allein 14 % aus-                                                                        2015 Havelregion
wärtige Besucher auf Rädern in die Region. In der
langfristigen Wertschöpfung liegt der größte Gewinn.
Einen Beweis liefern ehemalige BUGA Parks, die
heute zum Teil eintrittspflichtig als Bürgerparks von
Millionen Besuchern geschätzt werden. Das ist dem
Fakt geschuldet, das eine BUGA die Kompetenzschau
der grünen Branche ist und sie die zukünftige Anlage
mit bester Qualität von Lebendgrün und Baumaterial
gestaltet. Wer eine Gartenschau plant, der bekommt

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einzuziehen und alles positiv in die richtigen Medi-              den Park früh definiert werden: Lebenszykluskosten
enkanäle zu lenken. Dann startet das sommerlange                  für die Freianlagen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen
Fest. Und danach? Wie bewahrt man das anfänglich                  für Hochbauten und Infrastruktur. Und zum Schluss
so großzügig angelegte neue Stadtgrün, das mit                    sollte sich auch eine positive Ökobilanz ergeben, die
Staudenanlagen und Sporteinrichtungen in moderner                 bei späteren Verhandlungen um Kosten vor dem Käm-
gartenarchitektonischer Ausrichtung aber auch famili-             merer gute Argumente für den Unterhalt bieten.
en- und freizeitgerechter Ausstattung um Besucher
wirbt?
                                                                  Erwartungen an den Prozess

Konfliktpotential in der Nachnutzung                              Optimal ist es, wenn alle schon im Vorfeld an einer
                                                                  Minimierung der Zielkonflikte arbeiten. Dazu gehört
Traditionell werden mit der Übergabe der Trägerschaft             eine offene Kommunikation aller Beteiligten, den
die Budgets für die weitere Pflege der Grünflächen                alten und den neuen Parkbetreibern, den Kommunal-
definiert. Doch reibungsloser und langfristig erfolgrei-          politikern wie den Mitarbeitern im Grünflächenamt.
cher wäre es, wenn schon während der Planung und                  Hilfreich wäre ein Kriterienkatalog, der die Nachnut-
Entstehung einer BUGA die Schnittstelle zwischen                  zung definiert, der Zielvereinbarungen trifft, zum
dem Gartenschau-Management und der Übernahme                      Beispiel zum Thema Barrierefreiheit. Monitoring und
des Parks durch die Kommune/das Grünflächenamt                    eine Erfolgskontrolle spielen bei der Aufstellung zu-
geklärt wäre. In der Phase des Übergangs müssen                   künftiger Budgets eine entscheidende Rolle. Was also
der Rück- und Weiterbau abgeschlossen werden. Es                  sollte aus diesen Forderungen hergeleitet werden?
sind Gewährleistungspflichten, eventuelle steuerli-               Mit dieser Broschüre wollen wir einen weiterführen-
che Aspekte und Förderauflagen zu berücksichtigen.                den Diskurs anregen, der für Bundes- und Landesgar-
Auch Betriebsformen werden verglichen, Personal-                  tenschauen, aber auch grundsätzlich für das öffent-
übernahmen verhandelt. Und ganz wichtig: Budgets                  liche Grün zukunftsfähige Berechnungsgrundlagen
und ihr Bereitstellung für Pflege, Unterhalt, Betrieb,            entwickelt. Wenn Kommunen, Politik, lokale Wirt-
Weiterentwicklung, Attraktivierung, Marketing usw.                schaft und die breite Öffentlichkeit offen, transparent
sind aufzustellen. Vielleicht hilft es, wenn frühere              und ergebnisorientiert miteinander kommunizieren
Lobbyisten und Unterstützer, die pro BUGA gestimmt                und die Folgekosten von Grünflächen in der frühen
haben, als Mediatoren weiterhin diese Prozesse                    Planungsphase hinreichend berücksichtigt werden,
begleiten. Eins ist klar: all dies fällt schon in das hier        sind die Voraussetzungen für ein funktionierendes
behandelte Thema Nachnutzung – und das muss für                   öffentliches Grün gegeben.

                                                             10
BUGA und IGA: Über 60 Jahre grüne Stadtentwicklung

                     11
Nachnutzung Landesgartenschauen

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                                                                           besonderes Augenmerk. Obwohl die nachhaltige
                                                                           Wirtschaftlichkeit von Gartenschaugeländen für viele
                                           Christof Geskes von             Kommunen eine zentrale Rolle einnimmt, sollte ein
                                           geskes.hack Land-               Nachnutzungskonzept nicht auf den finanziellen
                                           schaftsarchitekten,             Aspekt des zukünftigen Pflegeaufwandes reduziert
                                           Berlin, plant bundesweit        werden. Drei Beispiele realisierter Gartenschauen
                                           innovative Garten- und          unseres Büros in strukturschwachen Regionen ver-
                                           Landschaftskonzepte und         deutlichen dies.
                                           beschäftigt sich leiden-
                                           schaftlich mit dem Thema
                                           Gartenschauen.                  Landesgartenschau Reichenbach
                                                                           im Vogtland 2009
               Gartenschauen sind für unser Büro auch nach einigen         Wer die sächsische Stadt Reichenbach heute erstmals
               Projekten stets eine besondere Herausforderung.             besucht, wird sich kaum vorstellen können, dass
               Die Frage der Nachnutzung bekommt in unseren                dort, wo heute das ehemalige Landesgartenschau-

Waldbühne in
Reichenbach

                                                                      12
Salbeibänder
                                                                                                                     im Raumbachtal
                                                                                                                     Reichenbach

gelände liegt, nicht immer schon ein Park war. Aus            Helfern an der Pflege des Parks. Wie positiv die Ak-
einer dicht bebauten und ruinösen Industriebrache             zeptanz in der Bevölkerung ist, kann man an den hier
ist ein Park mit hoher Aufenthaltsqualität in direkter        dargestellten Beispielen festmachen. Im letzten Jahr
Nähe zur Innenstadt entstanden. Das Gelände ist               hat die Stadt eigenverantwortlich eine „Gartenschau“
jetzt eingezäunt und hat Schließzeiten, ist aber außer        veranstaltet, zu der in einer Woche 30.000 Besucher
bei größeren Veranstaltungen kostenlos zugänglich.            kamen – laut Aussagen des Bürgermeisters hat die
Die Frequentierung von jung bis alt ist äußerst hoch,         Bevölkerung durch die Landesgartenschau ein neues
vor allem werden die Spielplätze und die Skaterbahn           Selbstverständnis entwickelt. Der Park gab der Stadt
besonders gut angenommen. Es finden jährlich Stadt-           ein neues Gesicht: „Herzlich Willkommen in Sachsens
feste und musikalische Veranstaltungen auf dem                grüner Mitte“, mit diesem Slogan wirbt der entstan-
Gelände statt. Von April bis November arbeiten vier           dene Förderverein seit 2010 für die Parkanlagen in
Arbeitskräfte mit Hilfskräften sowie ehrenamtlichen           Reichenbach.

                                                         13
Landesgartenschau Hemer 2010

Ähnlich ist die Lage nach der Landesgartenschau              der ganzjährige Veranstaltungskalender des Parks,
in Hemer (NRW) einzuordnen. Im Gartenschaujahr               in dem kaum eine Woche ohne Konzerte oder sons-
besuchten über eine Million Gäste den Park. Die              tige Events vergeht. Speziell das Angebot für Kinder
ehemalige Kaserne wurde ins Stadtgefüge integriert           und Jugendliche ist abwechslungsreich. Die hohen
und erscheint heute in neuem Gewand. Das Gelände             Besucherzahlen und der überaus aktive Förderverein
hebt sich vom industriellen Stadtbild deutlich ab            mit über 1.000 Mitgliedern sprechen für eine hohe
und die Nähe zum Stadtzentrum kommt dem Park zu              Akzeptanz in der Bevölkerung. Der Park wird auch
Gute. Der Zaun ist als dauerhafte Lösung angedacht.          im Winter genutzt, zwei Gärtner mit einer Hilfskraft
Obwohl hier Eintrittspreise erhoben werden, hat der          arbeiten an der Pflege. Zudem sind 10-15 behinderte
Parknach wie vor zwischen 200.000 und 250.000 Be-            Menschen in der Pflege aktiv. Im Zuge der Garten-
sucher pro Jahr. Im Park können musikalische Groß-           schau ist einer der größten Irrgärten Deutschlands re-
veranstaltungen wie z.B. ein Peter Maffay Konzert mit        alisiert worden, dessen Pflege für die nächsten zehn
über 10.000 Besuchern durchgeführt werden, aber              Jahre von Patienten einer ortsansässigen Suchtklinik
auch kleinere Veranstaltungen. Bemerkenswert ist             durchgeführt wird.

Felsenpark Hemer
                                                        14
Verknüpfung von Stadt und Landschaft durch die Himmelstreppe Hemer
15
Aussichtspavillons „Fischkästen“ in Tirschenreuth
                                                    16
Natur in Tirschenreuth 2013

Die Gartenschau gab dem bayerischen Tirschenreuth            dargestellten Gartenschauen überwiegen die posi-
ihr historisches Stadtbild zurück. Mehr als 100 Jahre        tiven Effekte. Sowohl Reichenbach, Hemer als auch
war die Stadt bestrebt, die beiden einst prägenden           Tirschenreuth sind mit einem tiefgreifenden Struktur-
Stadtteiche und das historische Stadtbild wiederher-         wandel konfrontiert. Die Gartenschauen tragen zur
zustellen. Erst mit der Gartenschau konnten diese            Identifikation und Wertschätzung der Bürger mit Ihrer
Anliegen umgesetzt werden. Dies wurde im Rahmen              Stadt nachhaltig bei. Gerade in Zeiten des demogra-
des deutschen Landschaftsarchitekturpreises 2015             phischen Wandels hat dieser Aspekt eine besondere
mit einer Anerkennung gewürdigt. Das denkmal-                Bedeutung. Zudem sollte man bei den Kosten der
geschützte Ensemble aus alter Fischhofbrücke und             Parks eine Sache nicht vergessen:
Fischhofinsel wird seinem Namen wieder gerecht.
Der Platz am See entwickelt sich zu einem beliebten          Die Beispiele sind alle in einem guten Pflegezustand
Anziehungspunkt. Das zur Gartenschau entstandene             den es zu erhalten gilt. Besonders die Bereiche, die
Hotel und Restaurant werden gut besucht und tragen           stark von der Atmosphäre der Pflanzungen geprägt
positiv zur Belebung des Parks bei. Der Zaun wurde           sind, entwickeln ihren Zauber nach der Gartenschau
zurückgebaut und der Park ist kostenlos zugänglich.          stetig weiter.
Für den Bürgermeister Tirschenreuths spielt der Pfle-
geaufwand (2-4 Gärtner von April-November) eine un-                                                                  Neuer Stadt-
tergeordnete Rolle, da der Wert der neu geschaffenen                                                                 teich mit alter
                                                                                                                     Fischhofbrücke
Grünflächen für die Stadtentwicklung kaum positiver                                                                  Tirschenreuth
hätte sein können. Die Akzeptanz in der Bevölkerung
ist ebenfalls sehr hoch, was sich in den Besucherzah-
len aller Alters- und Nutzergruppen zeigt. Auch hier
ist ein Förderverein entstanden.

Die Städte müssen die Kosten für Pflege und Instand-
haltung der Parkanlagen nach der Übergabe der
Flächen von den Betreibergesellschaften aus eigenem
Budget tragen. Von keiner der Kommunen werden die
Folgekosten jedoch als Problem beschrieben. Bei den

                                                        17
BUGA 2011: Nachhaltigkeit in der Praxis

                                                               haltigkeit ausgerichteten Planungsansatzes der
                                                               Bundesgartenschau Koblenz 2011. Mit Auslobung
                              Rüdiger Dittmar ist seit         des internationalen Wettbewerbs und damit bereits
                              2015 Leiter des Amtes für        zu Projektbeginn war die Einbindung in eine Ge-
                              Stadtgrün und Gewässer           samtstrategie wichtig. Diese stellte die Integration
                              in Leipzig. Davor war er         in die städtebauliche Zielsetzung sicher, vergleich-
                              als Leiter des Eigenbe-          bar mit einer Unternehmensstrategie. Nach der
                              triebes Grünflächen- und         Bekanntgabe der Wettbewerbsentscheidung im
                              Bestattungswesen in              Dezember 2006 folgten mit der Beauftragung des
                              Koblenz für die Freiraum-        Wettbewerbssieger RMP Stephan Lenzen Land-
                              entwicklung der Stadt            schaftsarchitekten die zentralen Arbeitsschritte hin
                              verantwortlich.                  zu einer erfolgreichen Bundesgartenschau. Beson-
                                                               ders die unmittelbare und intensive Einbindung der
                                                               für die künftige Bewirtschaftung der neuen Flächen
Das Koblenzer Stadtbild ist heute durch die im Zuge            Verantwortlichen war wesentliche Grundlage, den
der Bundesgartenschau Koblenz 2011 neu gestalte-               zu gestaltenden öffentlichen Raum langfristig sowie
ten Freiräume geprägt. Zentrale Freiflächen, teilwei-          qualitätsvoll erhalten zu können.
se ungenutzte oder häufig durch Verkehrsflächen
und Stellplätze überprägte Bereiche erhielten ein              Seit Beginn der Planungsphase und damit bereits vier
neues Gesicht, neue Funktionen und verwandelten                Jahre vor der Eröffnung der Gartenschau war klar: Die
sich zu innerstädtischen Landschaften. Sie ver-                neu zu gestalteten Flächen können nur dann langfris-
binden heute Stadt, Wasser und Kulturlandschaft,               tig ins Stadtleben eingebettet werden, wenn bereits
sind Teil im städtebaulichen Kontext der Innenstadt            im Rahmen der Planung die dauerhafte Nutzung und
und prägen das städtische Leben. Der Gedanke der               Gestaltung definiert sowie die Ziele einer langfristi-
Nachhaltigkeit begleitete diesen Weg zu neuen Qua-             gen Instandhaltung berücksichtigt werden.
litäten des öffentlichen Raumes.

                                                               Auf der grünen Achse zusammenarbeiten
Die BUGA als Gemeinschaftsaufgabe
                                                               Für rund 33 ha städtische Grün- und Freiflächen war
Die langfristig gute Nutzbarkeit und dauerhafte                von herausragender Bedeutung, die künftigen Funk-
gestalterische Qualität war Basis des auf Nach-                tions- und Gestaltungsprofile dieser neu zu schaf-

                                                          18
GRIS Koblenz: Die
     Abgrenzung der Haupt-
     objekte im Innen- und
     Altstadtbereich zeigt
     die Gliederung des
     Freiraums in Bewirt-
     schaftungseinheiten.

19
GRIS Koblenz:
Der detaillierte
GRIS-Auszug zeigt
die Vielzahl der
unterschiedlichen
Flächeninhalte und
vermittelt einen
Eindruck über die
Komplexität der
Bewirtschaftungs-
situation.

                     fenden oder vollständig zu überarbeitenden Räume             Geprägt war diese Phase von intensiven Klärungs-
                     zu definieren. Hierbei hat sich die „grüne Achse“ der        und Abstimmungsprozessen unter Beteiligung der
                     Landschaftsplaner und -architekten der Planungsbü-           für den künftigen Betrieb und die Instandhaltung
                     ros, der BUGA GmbH und der Stadt Koblenz bewährt,            Verantwortlichen. Mit der Erarbeitung von Planungs-
                     deren Zusammenarbeit weit über das bisher als not-           alternativen und der Abstimmung von Funktions-
                     wendig erachtete Maß der Kooperation hinausging.             und Gestaltungsprofilen wurde das Fundament für

                                                                             20
eine nach definierten Pflegezielen ausgerichtete dau-                                         Werkzeuge zur Ermittlung der
erhafte Bewirtschaftung gelegt.                                                               Lebenszykluskosten
In vielen Fällen wurde so unter Beibehaltung der Ge-                                          Das wichtigste Werkzeug um die künftige Entwick-
staltungsidee über unterschiedliche technische Lösun-                                         lung über den gesamten Lebenszyklus zu betrach-
gen und die bauliche Umsetzung deutlich Einfluss auf                                          ten, und deren Bewirtschaftung zu steuern, ist das
den künftigen Betrieb und die Instandhaltung genom-                                           Grünflächeninformationssystem. Auf der Grundlage
men. Gleichzeitig konnte sich bereits in dieser Phase                                         der dort hinterlegten Daten wurde bereits im Jahr
die Identifikation der Bewirtschafter mit den künftigen                                       2010 der Umfang der Maßnahmen ermittelt, mit
Anlagen entwickeln. Nur so können an die örtlichen                                            denen der funktionsfähige Zustand der künftigen
Verhältnisse angepasste und über den Lebenszyklus                                             Daueranlagen der Gartenschau erreicht und erhalten
hinweg optimierte Grün- und Freianlagen entstehen.                                            werden kann.

     Tätigkeitsanalyse im Hauptobjekt: Arbeitsstunden im „Schloßgarten“ nach Tätigkeiten in %
                             3                                                   8,9                                                                  5
                      7                                                                                                                           3
                                                                                                                                              3
                                                                       4,1
             9                                                      2,9                                                                  7
                                              39                5                                                                                                  35
                                                                                                         39,6                        7
        6
                                                              6,5
        4                                                                                                                           5
        3                                                      5,2

             7                                                       6                                                                   14                         2
                                          4                                                        3,4                                                       12
                     7                                                       6                 2                                                      7
                              7       4                                                10,2

                           2012                                                    2013                                                               2014
       Gesamtleistung: 2.944,6 Stunden                        Gesamtleistung: 3.337,6 Stunden                                       Gesamtleistung: 3.202,5 Stunden

            Stauden- u. Rosenpflege           Strauchpflege   Baumpflege u. Rodungsarbeiten                     Bodendeckerpflege        Heckenschnitt            Wässern
            Wechselbepflanzung                Sonstiges       Rasenpflege                                       Brunnenwartung           Laubbeseitigung          Reinigung

Monitoring: Benötigte Arbeitsstunden im Hauptobjekt „Schlossgarten“ in den Jahren 2012, 2013 und 2014; Instandhaltung im Service Level 1 gegliedert
nach dem Anteil der erbrachten Arbeitsleistungen; werden diese in Jahresvergleichen ausgewertet, sind sie wichtige Bestandteile der Betriebssteuerung.

                                                                                        21
Hierfür wurden mit der Objektdokumentation im                                   Eine Fotodokumentation erleichtert
ersten Schritt die Flächeninhalte erfasst und sinnvolle                         das Verfahren
Bewirtschaftungseinheiten auf Grundlage der Funk-
tions- und Gestaltungsprofile entsprechend der jewei-                           Die Kommunikation über Bilder vereinfacht dabei
ligen Besitzverhältnisse gegliedert. Zusammen mit                               die Vermittlung komplexer fachlicher Zusammen-
bestehenden Nutzungsanweisungen oder -beschrän-                                 hänge: Bilder können die Kommunikation beim
kungen sowie gestalterischen und vegetationstechni-                             Erarbeiten von Funktions- und Gestaltungsprofilen
schen Entwicklungszielen wurden diese Gestaltungs-                              im Planungsprozess und zum Festlegen von Pflege-
und Funktionsprofile zu Bewirtschaftungs- bzw.                                  niveaus für die Bewirtschaftung deutlich verbessern.
Pflegezielen zusammengefasst. Diese beschreiben                                 Dies erleichtert die Beteiligung von Entscheidungs-
künftig den funktionsgerechten Zustand der Bewirt-                              trägern und der Öffentlichkeit gleichermaßen und
schaftungseinheiten und geben die Pflegeintensität                              bildet somit eine wichtige Basis für die zielgerichte-
für deren jeweilige Flächeninhalte vor.                                         te Instandhaltung.

Flächen vor dem Kurfürstlichen Schloss: Zustand vor der Neugestaltung im        Flächen vor dem Kurfürstlichen Schloss: Der im Zuge der BUGA Koblenz 2011
Zuge der BUGA Koblenz 2011. Foto: BUGA Koblenz 2011 GmbH                        neu hergestellte Schlosspark. Foto: BUGA Koblenz 2011 GmbH

                                                                           22
Schlossgarten:
                                                                                                                            Gartenparterre mit
                                                                                                                            Heckenpaketen
                                                                                                                            Rosen- und Stau-
                                                                                                                            denpflanzungen;
                                                                                                                            die Flächen werden
                                                                                                                            im Service Level 1
                                                                                                                            gepflegt.

Die festgelegten Pflegeziele sind nur zu erreichen,          Ein Leistungsverzeichnis zur
wenn entsprechende Leistungen der Instandhaltung             Kostenermittlung
auf den jeweiligen Flächen beschrieben werden. Die
FLL-Richtlinie Freiflächenmanagement bietet hierbei          Bereits im Jahr 2010 wurde im Zuge dieses Bewirt-
Orientierung am Stand der Technik, sorgt für Trans-          schaftungskonzeptes für die einzelnen Flächeninhalte
parenz und Nachvollziehbarkeit. Erforderlich ist eine        auf der Grundlage der erforderlichen Tätigkeiten ein
Gesamtbetrachtung der Instandhaltung auf Grundla-            Leistungsverzeichnis in Kurzform erstellt. Je Flächen-
ge der DIN 31051 „Grundlagen der Instandhaltung“,            inhalt wurden Tätigkeiten und erforderlicher Material-
in der Inspektion, Wartung, Instandsetzung und               aufwand, einschließlich Entsorgung aufgeführt. Über
Verbesserung beschrieben sind. Zum Erreichen der             die Auspreisung des Leistungsverzeichnisses nach den
Pflegeziele im Zuge der Instandhaltung sind für jeden        aktuellen Marktpreisen oder eigenen bzw. mit Exper-
Flächeninhalt Pflegeprofile zu erstellen. Die Pflege-        ten abgestimmten Erfahrungswerten wurden dann die
profile beinhalten alle notwendigen Instandhaltungs-         Instandhaltungskosten für die ca. 33 ha städtischen
maßnahmen, d.h. alle Maßnahmen zur Erhaltung und             Daueranlagen ermittelt. Insgesamt wurde ein Bedarf von
Wiederherstellung des funktionsfähigen Zustands.             durchschnittlich 1,7 Mio. € je Jahr hergeleitet, der für die
Für diese wird die jeweilige Intensität bzw. deren           dauerhafte und funktionsgerechte Erhaltung über den
Intervall über den Lebenszyklus hinweg festgelegt.           gesamten Lebenszyklus hinweg erforderlich ist.

                                                        23
Mitwirkung auf der Gartenschau

                                                                                        Nach der Eröffnung am 15. April 2011 begann dann
                                                                                        ein insgesamt sehr erfolgreiches Gartenschaujahr mit
                                                                                        über 3,5 Mio. Besuchern und mit 13 Mio. € Mehrein-
                                                                                        nahmen gegenüber ursprünglichen Planungen.

                                                                                        Im Hinblick auf die künftige Bewirtschaftung des
                                                                                        Freiraums im Anschluss an die Gartenschau übernahm
                                                                                        der städtische Eigenbetrieb bereits während des
                                                                                        185-tägigen Ausstellungszeitraums Verantwortung. Im
                                                                                        Schlossgarten, der auf der Grundlage der Planungen
                                                                                        von Peter-Joseph Lenné neu gestaltet wurde, erfolgte
                                                                                        die Pflege dieses gärtnerisch hochwertigen Bereichs
                                                                                        bereits während der Gartenschau durch die eigenen
                                                                                        Stadtgärtner. Dies war nicht nur eine Gelegenheit, die
                                                                                        eigene Leistungsfähigkeit zu dokumentieren, sondern
                                                                                        förderte auch die Motivation und die Verbundenheit des
                                                                                        eigenen Personals mit den künftigen Daueranlagen.

                                                                                        Flankierende Maßnahmen –
                                                                                        Erfolg durch vielfältige Aktivitäten

                                                                                        Gleichzeitig wurde der Gartenschauprozess genutzt,
                                                                                        neue Perspektiven in der Stadt und der Region nicht
                                                                                        nur für die Bedeutung des öffentlichen Raums und
                                                                                        der landschaftlichen Lage zu eröffnen. So wurde
                                                                                        intensiv mit den politischen Gremien und der Bür-
                                                                                        gerschaft über den Umgang mit Natur, Landschaft,
                                                                                        Kultur und Architektur sowie deren Bedeutung für die
                                                                                        Stadtentwicklung diskutiert und so eine breite Öffent-

Park am Deutschen Eck: Herstellung der BUGA-Daueranlagen nach dem Rückbau der
Ausstellungsbeiträge; Anlage einer Staudenmischpflanzung durch eigenes Personal.   24
(Foto: BUGA Koblenz 2011 GmbH)
lichkeit für diese Themen sensibilisiert. In der Stadt
wurde mit dem Masterplan Grün 2011+ eine Strategie
für den gesamten städtischen Freiraum entwickelt.
Auf der Grundlage dessen Maßnahmenkonzeptes
erfolgten bereits seit 2007 mit Schwerpunkten in
unterschiedlichen Stadtteilen deutliche Verbesserun-
gen im Freiraum. So konnten nicht nur flankierende,
mehrere Millionen Euro umfassende Maßnahmen zur
Freiraumgestaltung im Umfeld der Kernbereiche umge-
setzt werden. Gerade in den Stadtteilen wurden Sanie-                                                                                       Präriestaudenpflan-
                                                                                                                                            zung im Festungs-
rungsmaßnahmen des städtischen Grüns durchgeführt,
                                                                                                                                            park: Gut gepflegte
welche zur Stärkung des Bewusstseins der Gartenschau                                                                                        Parkanlagen wer-
als städtisches Gesamtprojekt geführt haben.                                                                                                den von Besuchern
                                                                                                                                            intensiv genutzt.

Was ist geblieben?                                             Stadt und Landschaft verankert worden. Begleitet
                                                               von einem breiten ehrenamtlichen Engagement, das
Als schließlich am 16. Oktober 2011 die erste Bundes-          bis heute vom rund 1000 Mitglieder starken Verein
gartenschau in Rheinland-Pfalz ihre Tore schloss, ging         Freunde der Bundesgartenschau Koblenz 2011 e.V.
nicht nur ein erfolgreiches Event zu Ende, sondern in          getragen wird.
der Bevölkerung hatte sich aus einer ursprünglich skep-
tischen Haltung ein neues Lebensgefühl eingestellt.            Dem Gedanken der Nachhaltigkeit der Bundesgar-
                                                               tenschau Koblenz 2011 konnte somit weit über ein er-
Geblieben sind nach der endgültigen Fertigstellung             folgreiches Event hinaus Rechnung getragen werden.
aller Daueranlagen im Jahr 2012 somit nicht nur die            Gut gestaltete und gepflegte Freiraume sowie das
Öffnung der Stadt zum Wasser, die Um- und Neu-                 Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für eine neu
gestaltung der Uferanlagen, die Sanierung stadt-               gewonnene Lebensqualität sind heute mit der Marke
bildprägender Orte sowie die Revitalisierung der               „Koblenzer Gartenkultur“ fest verbunden.
Freiräume rund um das Kurfürstliche Schloss und auf
dem Festungsplateau Ehrenbreitstein. Vielmehr ist in           Anmerkung
                                                               Grundlage für diesen Beitrag ist ein Vortrag bei den 32. Osnabrücker Baum-
der Bevölkerung ein Gefühl für die neu geschaffene             pflegetagen zur Thematik des Freiflächenmanagements im September 2014
städtische Qualität und die Verbindung zwischen

                                                          25
GreenCycle® – ein neuer Weg

                               Ralf Semmler, Geschäfts-         einer Anlage ausmachen. Um diese Lücke zwischen
                               führer der d.b.g. Daten-         Planung und Unterhalt überbrücken zu können, wurde
                               bankgesellschaft mbH,            GreenCycle® im Rahmen eines Forschungsprojektes
                               Falkensee: „Die Instand-         in einem Zeitraum von vier Jahren (2007-2010) in der
                               haltung und Bewirtschaf-         Schweiz entwickelt. An diesem Projekt waren die Firma
                               tung von Freiräumen in           nateco AG (Gelterkinden, Schweiz) und die ZAHW
                               der heutigen Zeit ist ein        (Wädenswil, Schweiz), sowie die d.b.g. Datenbankge-
                               komplexes nahlogisti-            sellschaft mbH (Falkensee) beteiligt.
                               sches Problem, das völlig
                               neue Herangehensweisen
                               an die Planung notwen-           Das Werkzeug
                               dig macht.“
                                                                GreenCycle® berücksichtigt bereits in der Planungs-
                                                                phase alle ökonomischen Aspekte zur Instandhaltung
Öffentliche und private Grünräume sind im urbanen               von Grünanlagen. Somit ergibt sich für Architekten und
Umfeld immer wichtigere Erholungs-und Rückzugsräu-              Planer ein Werkzeug, das in verschiedenen Leistungs-
me und werden von einer Vielzahl von Nutzern in An-             phasen im Planungsprozess eingesetzt werden kann.
spruch genommen. Zahlreiche Planungen von Grüna-                Es berücksichtigt die vollständigen Kosten für alle
realen entstehen und zeigen Planungsziele in schönen            Lebensabschnitte eines Werkstoffs oder einer Pflanze
Bildern, die weit in der Zukunft liegen. Wie das Ziel           und bildet so den gesamten Lebenszyklus ab. Die Da-
erreicht werden soll, findet in den Arbeiten jedoch we-         tenbasis wurde im Rahmen von Expertengesprächen,
nig Betrachtung. Dabei ist dazu eine fachgerechte und           der Auswertung von kommunalen Grünflächeninfor-
auskömmliche Pflege erforderlich, deren Umfang wie-             mationssystemen und normierten Musterzeitwerten
derum am stärksten in der Planungsphase beeinflusst             von der d.b.g. Datenbankgesellschaft erarbeitet. Im
wird. Die gängige Praxis heutiger Managementsysteme             Basiskatalog von „GreenCycle“ sind ca. 70 Pflege-
für die Flächenbewirtschaftung, die Planung und den             profile hinterlegt, für welche detailliert die Lebens-
Unterhalt von Grünräumen in der Regel getrennt zu               zykluskosten dargestellt werden können.
betrachten, ist somit nicht zielführend. Der Unterhalter
der Grünflächen übernimmt die fertig gebaute Anlage,            Die Berechnungen basieren auf Schemata und deren
hat aber kaum Einflussmöglichkeiten auf die Planung.            dazugehörigen Profilen. In diesen sind alle Tätigkeiten
Als Richtwert gilt hingegen, dass die Investitionskos-          der jeweiligen Lebensphase aufgeführt. DieTätigkeiten
ten nur ca. 15 % der gesamten Lebenszykluskosten                werden mit Zeitwerten für Personal-und Betriebsmit-

                                                           26
teleinsatz sowie einer Vielzahl von weiteren Attributen        Kosten für Personal, Betriebsmittel, Material und
hinterlegt, die einen Einfluss auf die Gesamtkosten            Fremdleistung in Tabellenform bzw. als Grafik darge-
haben. Um ein reales Berechnungsmodell zur Kosten-             stellt. Verschiedene Auswertungs-und Vergleichsoptio-
planung zu erhalten, können neben den Leistungspo-             nen wie die separate Betrachtung von Erstellungs-und
sitionen steigernde oder mindernde Kostenfaktoren              Instandsetzungskosten ermöglichen umfassende
einkalkuliert werden.Im Ergebnis werden die einzelnen          Darstellungs-und Auswertungsvarianten.

                                                          27
GreenCycle® im Planungsprozess

Durch die Berechnung von Lebenszykluskosten kann             durch die Gestaltung der Anlage die Instandhaltung
bereits im Entwurf gezeigt werden, wie hoch der              stark beeinflussen. Beispielhaft seien dazu Einbauten
zukünftige Pflegeaufwand der Grünanlage sein wird.           in Rasenflächen, Mähbreiten von Großflächenmähern
Über diese Kosten kann mit dem zukünftigen Betrei-           oder die Zugänglichkeit zu den Flächen erwähnt. Als
ber diskutiert werden. Es wird ein Prozess angesto-          Ergebnis sollten die Aufwendungen mit den real zur
ßen, in welchem sich die Planung, die Wünsche des            Verfügung stehen Ressourcen abgeglichen werden.
Bauherrn und die späteren Pflegeressourcen einander
annähern. Verschiedene Materialien können im Hin-            Ausblick
blick auf die Bau- und Folgekosten verglichen werden         So entsteht ein optimiertes Projekt, das dem Planer
und so Alternativen aufzeigen. Vor allem bei Materia-        zusätzliche Argumentationsansätze bietet. Werden
lien, die geringe Baukosten verursachen, aber in der         weitere Komponenten wie die ökologischen und
Folge sehr kostenintensiv oder kurzlebig sind, bieten        sozial-funktionalen Kriterien betrachtet, ergibt sich
die Auswertungen dem Planer Argumentationsgrund-             eine umfassende Planung, die der heutigen Forde-
lagen. Von daher umfasst eine nachhaltige Planung            rung nach verstärkter Nachhaltigkeit gerecht wird.
von Freiräumen die Einbeziehung der Lebenszyklus-            Die Komponenten, wie sie derzeit durch die Deutsche
kostenbetrachtung in fast alle Leistungsphasen der           Gesellschaft für nachhaltiges Bauen DGNB und FLL
Freiraumgestaltung.                                          entwickelt werden, werden GreenCycle® inhaltlich
                                                             erweitern. Die Entwickler werden die möglichen
Im Bestand kann GreenCycle® aufzeigen, welchen               Schnittstellen zu CAD und GIS ausbauen, um eine
Unterhaltsbedarf die Flächen verursachen und was             medienbruchfreie Übernahme von Planungen zu er-
mit dem vorhandenen Ressourcenbedarf überhaupt               möglichen, so dass GreenCycle® ein Baustein im BIM
erhalten werden kann. Zudem können die ökonomi-              (Building Information Modeling) für Freiraumareale
schen Konsequenzen einer kompletten Neuplanung               werden kann.
gegenüber der Änderung kleinerer Teilbereiche darge-
stellt werden.

Bei Neuplanungen kann über verschiedene Materiali-
en in Bezug auf die Bau- und Instandhaltungskosten
diskutiert werden. Zudem fließen verschiedene Rah-
menbedingungen in die Berechnungen ein, welche

                                                        28
29
Lebenszykluskosten – Berliner Modell

                                                               Zu diesem Zweck formuliert das Betriebskonzept

                             Christoph Schmidt ist               n Vision und Ziele des Parkbetriebs,
                             als Geschäftsführer der
                                                                 n eine Service Philosophie als Grundlage des
                             Grün Berlin GmbH, einer
                                                                   Handelns,
                             Servicegesellschaft des
                             Landes Berlin GmbH, für             n die Parkservices als zentrale Umsetzung der
                             alle Aufgaben der Frei-               Service Philosophie,
                             raumentwicklung zustän-
                                                                 n eine Beschreibung der Organisation und Verant-
                             dig. Darüber hinaus ist er
                                                                   wortlichkeiten,
                             Geschäftsführer der
                             IGA 2017 GmbH.                      n die weiteren erforderlichen Services in Leistun-
                                                                   gen und Prozessen.

Parkmanagement ist im Verständnis von Grün Ber-
lin eine vielschichtige und eigenständige Profes-              Service-Philosophie GAST
sion, um dem Besucher ein herausragendes und
facettenreiches Freiraumerlebnis zu bieten und die             Parkmanagement hat für Grün Berlin vor allem zwei
Parkanlage als gesellschaftlich wichtige Aufgabe               Aufgaben: Erstens dem Besucher ein herausragendes
mit einem Höchstmaß an fachlicher Kompetenz                    und facettenreiches Freiraumerlebnis zu bieten und
zu pflegen, zu entwickeln und wirtschaftlich zu                zweitens die Parkanlage mit einem Höchstmaß an
betreiben.                                                     fachlicher Kompetenz und Sorgfalt zu pflegen und zu
                                                               entwickeln. Parks sind lebendige und sich verändern-
Das Betriebskonzept der Grün Berlin GmbH bildet                de Freiräume in der Stadt, die auf gesellschaftlichen
die Managementphilosophie als Parkbetreiber ab.                Wandel und veränderte Bedürfnisse der Menschen in
Ein Organisationshandbuch unterstützt das Park-                geeignetem Maße reagieren müssen. Parkmanage-
management, um die formulierten Ziele mit größt-               ment ist also eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe
möglicher Qualität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit           und eine anspruchsvolle Profession. Der hohe An-
zu erreichen. Das Betriebskonzept ist nicht statisch,          spruch an die Attraktivität der Parkanlagen von Grün
sondern dient dazu, ständig weiter zu lernen und die           Berlin bedeutet eine Service Philosophie zu leben, die
Organisation zu verbessern.                                    auf gemeinsamen Grundwerten basiert. Im Mittel-
                                                               punkt stehen hier der Gedanke der Gastfreundschaft

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und die Behandlung des Parkbesuchers als Gast. Die-           Trimmen: Pflege und Sauberkeit
ser wird willkommen geheißen, soll sich in der Anlage         Den Park aktiv in einem gepflegten und sauberen
wohlfühlen und die Attraktionen des Parks in guter            Zustand zu halten ist eine Selbstverständlichkeit. In
Erinnerung behalten, damit er anderen davon erzählt           einem höheren Maß als in anderen öffentlichen Freian-
und selber wiederkehrt. Anderseits wird aber auch             lagen gilt es das Wohlbefinden des Gastes ebenso zu
vom Gast erwartet, dass er sich als solcher verhält           fördern, wie eine fachlich kompetente Pflege zu zeigen.
und den Park in einem gepflegten Zustand verlässt.
                                                              Diese Grundwerte werden mittels des Betriebskon-
Die Service-Philosophie G.A.S.T. unterscheidet deshalb        zeptes in verschiedene Services (Leistungen und Pro-
folgende wesentlichen Aspekte und Leistungsbereiche:          zesse) übertragen. Die Service Philosophie soll auch
                                                              helfen, Prioritäten zu setzen und das Handeln auf die
Gastmanagement                                                Ziele von Grün Berlin auszurichten.
Der Besucher soll in den Parkanlagen eine unbe-
                                                                                                                                                                                                     Grundsätzlich
schwerte und erholsame Zeit erleben. Zur Erfüllung                                                                FÜHRU
                                                                                                                        NGSPROZESSE
                                                                                                                                                                                                     gliedert sich der
seiner Bedürfnisse bedarf es unterschiedlicher Ange-                                                                                                                                                 Service-Radar in

                                                                                                                                      Contro swesen &
                                                                                                                      Marketin
bote, Information, Dialog, aber auch Regeln für das                                                                                                                                                  folgende Ebenen:

                                                                                                 Füh rson klung
                                                                                                  Pe twic

                                                                                                                                            lling

                                                                                                                                                                  nt
                                                                                                   en

                                                                                                    run al-

                                                                                                                                                          na ts-
                                                                                                                                                               me
                                                                                                                                                                                                     Zentral: Park-Ser-

                                                                                                                         g & PR

                                                                                                                                      Bericht
Miteinander und den Erhalt der Parkanlage.

                                                                                                                                                        ma alitä
                                                                                                        g&

                                                                                                                                                            ge
                                                                                      H
                                                                                    P au                                                                                                             vices, Führungs-
                                                                                  -s lanu sha

                                                                                                                                                         Qu
                                                                                    te n lt                                                                                      g
                                                                                      ue g s-                                                                                 un
                                                                                        ru &
                                                                                          ng                                                                                an                       Prozesse, erweiterte
                                                                                                                                                                         pl
Attraktion                                                                                                            PARKSERVICES                                    & m
                                                                                                                                                                   l- am                             Kern- (oder Kunden-)
                                                                                                                                                                Zie rogr
Jeder Park von Grün Berlin ist einzigartig. Die Gär-                    Dat
                                                                       Dok en- &
                                                                                                                                                                  P                                  Prozesse, Support-
                                                                       man umente                                                                                                                    (oder Unterstüt-
ten der Welt haben eine Alleinstellung und bieten                         age
                                                                              menn-                                       ATTRAKTION                                                       n
                                                                                 t                                                                                                 taltunge          zungs-) Prozesse
                                                                                                                                                                        Verans
besondere Attraktionen, die es zu pflegen und zu
                                                                                                        GAST-
vermarkten gilt. Dies ist die Basis, um neue Besucher                Ausschreibung &
                                                                     Vergabe                          MANAGEMENT                          SICHERHEIT
anzulocken und alte zur Wiederkehr zu bewegen.                                                                                                                              Verm
                                                                                                                                                                            Verpaietung &
                                                                                    gs-                                                                                          chtun
                                                                               igun                                              TRIMMEN

                                                                                                                                                                                               ERW
                                                                                                                                                                                       g
                                                                            ehm nt
                                                                        Gennageme
                                                                             SE

                                                                         ma
Sicherheit

                                                                                                                                                                                 EITE
                                                                          ZES

                                                                                          ng
Sicherheit soll in den Parkanlagen von Grün Berlin
                                                                        RO

                                                                                                                                                                                      RTE
                                                                                        nu &
                                                                                                                                                               En ani bau
                                                                                      ch r
                                                                                    re che zer
                                                                                                                                                                 S eu
                                                                                                                                                                 tw eru
                                                                     T-P

                                                                                  Ab esu nut
                                                                                                                                                                   N

                                                                                                                                                                                          K
                                                                                                                                                                   ick ng

in einem höheren Maße gegeben sein als in anderen
                                                                                                                                                                                           E
                                                                    R

                                                                                   B ritt
                                                                                                                                                                      lu &

                                                                                                                                                                                            RN
                                                                  O

                                                                                                                                                                        ng
                                                                                                          nt

                                                                                     D
                                                                PP

                                                                                                                                                                           ,
                                                                                                     me

                                                                                                                                                                                              -P
                                                                                               na gs-

öffentlichen Freiräumen. Sicherheit ist die Basis für
                                                                                                                  mana werde-
                                                                                                                           nt
                                                                             SU

                                                                                                                                            Insp ieb &

                                                                                                                                                                                                RO
                                                                                                  ge
                                                                                             ma rtra

                                                                                                                                             Betr ung
                                                                                                                                              Wart
                                                                                                                      geme

                                                                                                                                                                       ZE
                                                                                              Ve

                                                                                                                                                ektio

                                                                                                                                                                         SS
einen unbeschwerten Parkbesuch und wird in beson-
                                                                                                                  Besch

                                                                                                                                                                            E
                                                                                                                                                     n,

derem Maße von den Parkbesuchern nachgefragt.

                                                         31
Übergeordnete Themen

Insbesondere aufgrund des öffentlichen Auftrags
von Grün Berlin sind folgende zentrale Themen im
Rahmen der einzelnen Aufgaben und Services zu
bedenken:

 n Wirtschaftlichkeit

 n Gender

 n Umweltschutz

 n Behindertengerechtigkeit/Barrierefreiheit

Die Verantwortung / Aufbau-Organisation
Das Parkmanagement ist in der Organisation der Grün
Berlin GmbH die wesentliche operative Schnittstelle
zwischen der übergeordneten Unternehmensorgani-
sation und den unterschiedlichen operativen Auf-
gaben für den Betrieb des Parks. Es koordiniert und
übernimmt gegebenenfalls selbst die Aufgaben. Dazu
gehören die Entwicklung (Ziel- und Programmpla-
nung), die Facility Services und die Parkpflege sowie
die Parkadministration. Eine wichtige Rolle spielen
auch das operative Marketing und das Veranstal-
tungsmanagement. Außerdem sind das Akteurs- und
Mietermanagement sowie Partizipationsprozesse zu
steuern.

                                                        32
Gärten der Welt
     Betriebseinheiten                                         Der Service-Radar /
     STAGE                                                     Die Prozess-Landkarte
     Ankunft / Abschied
                          Parkplatz                            Auf Basis der spezifi-
                          Parkplatz Blumberger Damm
                                                               schen Aufgabe und der
                          Parkplatz Eisenacher Straße
                          Eingang/Kassen
                                                               Service Philosophie
                          Eingang/Kasse Blumberger Damm        G.A.S.T. von Grün
                          Eingang/Kasse Eisenacher Straße      Berlin wurde die
                          Eingang/Kasse Kienberg
     Aufenthalt
                                                               Prozess-Landschaft
                          Parkplatz                            als Service-Radar
                          Information                          entwickelt.
                          Gastronomie
                          Shop
                          Attraktionen
                          Seilbahn
                          Besucherzentrum
                          Tropenhalle
                          Veranstaltung (Parkbühne)
                          Themengärten
                          Chinesischer Garten
                          Japanischer Garten
                          Koreanischer Garten
                          Balinesischer Garten (Tropenhalle)
                          Karl-Förster-Garten
                          Orientalischer Garten
                          Renaissance-Garten
                          Irrgarten/Labyrinth
                          Christlicher Garten
                          Englischer Garten
                          Wasserwelten
                          Neue Gärten
                          Blumentheater
                          Rhododendronhain
                          Rosengarten
                          Dahliengarten
                          Marzahner Ausguck
                          Spielplätze
                          Spielplatz Parkwiese Süd
                          Spielplatz Parkwiese Nord
                          Spielplatz am Japan. Garten
                          Gesamtpark
                          Parkwiese Nord
                          Parkwiese Süd

     STAGE
                          Betriebshof
                          Logistikfläche
                          Technische Infrastruktur
                          Entsorgung
                          Lieferung

33
Konzept Wilhelmsburger Inselpark

                              Siegfried Knoll ist              Stadtparks, der als moderner Volkspark Zentrum und
                              Direktor des Instituts           grüne Mitte des Quartiers werden sollte. Der Park
                              für Nachhaltige Land-            bot die städtebauliche Antwort auf einen ehemals
                              schaftsArchitektur - INLA        diffusen und heterogen gewachsenen Stadtraum im
                              an der Hochschule für            bis dato vernachlässigten Süden Hamburgs.
                              Wirtschaft und Umwelt
                              in Nürtingen/Geislingen.         Demographische Veränderungen, zum Beispiel das
                              Seine Erfahrung: „Leider         Verhältnis von freier Zeit zu Arbeitszeit und von aktiv
                              ist in den vergangenen           erlebbarer Ruhestandszeit zur Lebensarbeitszeit
                              Jahren und Jahrzehnten           bedingten einen Anspruch an neue urbane Qualitäten
                              das Wissen über die              im direkten städtischen Wohnumfeld.
                              gärtnerische Pflege z. B.
                              von Stauden und deren            Dieser Planungsansatz war die Aufforderung zum
Pflanzengemeinschaften und das Verständnis von Wachs-          Denken und Planen von der Zukunft her. Ein wichtiger
tumsprozessen immer mehr verloren gegangen. Das muss           Aspekt so verstandener Stadtplanung ist die dauer-
an den Hochschulen und Fachschulen wieder intensiv             hafte, wohnungsnahe und erreichbare Grünflächen-
gelehrt werden.“                                               versorgung im städtischen Raumgefüge. Sie ist vor
                                                               allem bedeutsam für sozial schwache Bevölkerungs-
                                                               gruppen, wie zum Beispiel für kinderreiche Familien
Im Hamburger Süden auf der Elbinsel Wilhelms-                  und alte Menschen, die ihre Freizeit nur in diesem
burg zeigt sich der Wandel der Gesellschaft zu einer           Stadtteil erleben können.
zukünftigen multinationalen Bevölkerungsstruktur
mit seinen unsteten Verhältnissen in der Stadtent-             In beispielhaften Kooperationsprozessen und Pla-
wicklung. Zur Internationalen Bauausstellung, der              nungswerkstätten, in der Planungsphase der Garten-
IBA 2013 und der zeitgleich stattfindenden „internati-         schau und vor allem für den Park danach, ist ein Park
onalen gartenschau hamburg 2013“, der igs hh 2013,             der Bürger entstanden, der als ein Versuchsgarten für
ergab sich die Chance, eine vorausschauende Stadt-             soziale Grün- und Freiflächenpolitik in der Stadtpla-
planung zu realisieren, die die städtebaulichen An-            nung - als moderner Volkspark - gelten kann.
forderungen der Zukunft meistert: Mit verbesserten
Nahverkehrsverbindungen, mit neuen Gebäudetypen                Der Inselpark wird sich trotz des Wandels treu bleiben
und Wohnformen sowie ökologischen, energiesparen-              können. Die von Bächen und Gräben durchzogene, mit
den Bauweisen und mit der Ausformung eines neuen               Hecken umfasste Kleingartenanlage, mit Waldstücken

                                                          34
bestandene Wiesen und Rasenflächen und unberühr-                 Nachdem der Sommerflor der Gartenschau seit zwei
te naturnahe Schilfzonen wurden behutsam nutzbar                 Jahren verblüht ist, steht die gezielte Entwicklung des
gemacht. Eine verbesserte Wegeerschließung, die Ent-             Inselparks mit dem geplanten Umbau der Pflanzun-
schlackung der Kanäle und Bäche sowie Bewegungs-                 gen und der dauerhaften fachbezogenen Pflege im
und Naturräume sorgen nun für eine selbstbewusste                Vordergrund.
neue Identität der Wilhelmsburger mit ihrer grünen Mitte.
                                                                 In vielen Arbeitssitzungen und kooperativen Pla-
Trotz des besonderen baulichen Aufwandes zur igs 2013            nungsrunden wurden diese Ziele erarbeitet, disku-
und zur IBA als ökologisches und landschaftsplaneri-             tiert, verabschiedet und zur Grundlage für die Pflege-
sches Beispielprojekt, ist nach der Ausstellungs- und            und Entwicklungsplanung 2014+, noch bevor die
Rückbauzeit der igs die Bewährungszeit der stadtplane-           Gartenschau 2013 eröffnet wurde.
rischen Leuchtturmprojekte Hamburgs angebrochen.

                                                            35
LEGENDE:

                                                                                     Bearbeitungsgrenze Bereich 50

                                                                                     Baumbestand

                                                                                     Baum Neupflanzung

                                                                                     Strauchpflanzung/
                                                                                     flächige Gehölzpflanzung

                                                                                     Wiesen zweischürig

                                                                                     Rasen

                                                                                     gemähter Rasenstreifen entlang Wege

                                                                                     Schotterrasen

                                                                                     Stauden

                                                                                     Pflanzung §30-Stauden im Uferbereich

                                                                                     wechselfeuchte Biotope

                                                                                     Hauptrundweg mit Versorgungsband
                                                                                     Asphalt/Platten (80x40)

                                                                                     Platten (80/40/16)

                                                                                     wassergebundene Wegedecke/ Grand

                                                                                     Gewässer

                                                                                     Zaunverlauf

                                                                                     Biotop vollständig geschützt nach § 30 BNatSchG

                                                                                     Leuchten

Auszug aus dem Pflege- und Entwicklungsplan 2014+, hier Detailplan
Park der Religionen und Platz an der Rathauswettern.                 36
Dieses Parkpflegewerk oder besser dieser Entwick-                 Die flächenbezogenen Pflegezuordnungen
lungsplan Inselpark ist nur so aktuell wie er auch fortge-
                                                                     Ra 1 - Sportrasen - 20 Schnitte
schrieben werden kann. Alle Parameter der Maßnahmen                  Ra 2 - Zierrasen - 12 Schnitte
                                                                     Ra 3 - Parkrasen – 8 Schnitte
und Konzepte sind digitalisiert. Sie sind somit eine
landschaftsarchitektonische Grundlage geworden und                   Ra 4 - Schotterrasen – 6 Schnitte

Handwerkszeug für eine dynamische Freiflächenpflege.
                                                                     Wi 1 - zwei- bis dreischürige Wiese
                                                                     Wi 2 - ein- bis zweischürige Wiese
Die Darstellung der Einzelpläne sind aus dem Baum-
und Strauchkataster und den überarbeiteten Pflanz-                   Wi2 - Waldwiese, einschürig

plänen nach pflegetechnischen Gesichtspunkten und                    WSt 1 - §30-Stauden - schattig - 1 Schnitt
                                                                     WSt 2 - §30-Stauden - sonnig bis feucht - 1 Schnitt
später durch maßgenaue Flächen- und Pflanzenein-                     WSt 3 - §30-Stauden - feuchte bis nasse Ufer u. Gräben - 1 Schnitt
heiten erarbeitet worden. Sie sind mit den nachfol-
                                                                     Ri 1 - Riedfläche - Rückschnitt alle 4 bis 5 Jahre
genden Zuordnungen zu vergleichen.

Diese Flächenzuordnungen basieren auf der notwen-                    SStau1 – Gräserpflanzung – 1 Schnitt
digen Differenzierung der Pflege für entsprechende
                                                                     SStau 2 – Schmuckstauden sonnig - Intensivpflege
Pflanzeneinheiten. Diese wiederum sind Ausgangs-                     SStau 3 – Schmuckstauden Trogsituation – Intensivpflege
                                                                     SStau 4 – robuste Wildstauden – 1 Schnitt
punkt für die Leistungsinhalte in den Parametern der                 SStau 5 – Schmuckstauden mähbar – 2 Schnitte

Grünflächenpflege.                                                   ZGe 1 – Rhododendron und Begleiter
                                                                     ZGe 2 – Laubgehölze und Begleiter
                                                                     ZGe 3 – Laubgehölze und Begleiter mit §30

Dynamische Pflegestrategie                                           ZGe 4 – Zier- und Rosenpflanzungen

                                                                     Geh 1 – Wildgehölz- und Strauchpflanzung §30 – Deckpflanzung
Die gärtnerische Pflegeleistung als neu entwickelte                  Geh 2 – Wildgehölz- und Strauchpflanzung §30 – Uferbestände
dynamische Parkpflege ermöglicht und sichert die
geplanten Funktionsweisen und Entwicklungen der                      Ba 1 – Solitär-, Erziehungs- und Erhaltungsschnitt
                                                                     Ba 2 – Baumgruppen landschaftlich, kl. Wäldchen aufgeastet
Parkanlage.
                                                                     Ba 2.1 ¬ Baumgruppen landschaftlich, kl. Wäldchen aufgeastet, Schleppen ausgebildet
                                                                     Ba 3 – Baumreihen, Alleen, Rasterpflanzungen
Gerade diese Unterschiede von Entwicklungen,
Bestand und Nutzungen sind das Wesensmerkmal für                     GGeh 1 – geschnittene Hecken bis 1,3m und 0,8-2m hoch
                                                                     GGeh 2 – geschnittene Flächenpflanzungen
eine differenzierte Pflege gegenüber Einheitspflege-                 GGeh 3 – niedrige Gehölzflächenpflanzungen bis 1m hoch

konzepten der pauschalierten Grünpflege.
                                                                     Kl 1 – Selbstklimmer an Betonwand
                                                                     Kl 2 – Kletterpflanze an Rankhilfe

                                                             37
Das heißt für die Pflegestrategie:                            Kostenkalkulation und Arbeitspläne

a   Bestandsaufnahme mit digitaler Aufnahme und               Ein wesentlicher Teil der Pflege- und Entwicklungs-
    Darstellung der Freiflächen. Bestandsaufnahme             planung ist die Kostendarstellung für die Pflege und
    nach Pflegeeinheiten mit realen Größen, Baumka-           Entwicklung des Parks auf die jährlich geplanten
    taster, Baumlisten und einem einfachen Strauch-           und formulierten Pflege- und Entwicklungsziele hin.
    kataster.                                                 Aufgrund der oben genannten Aufnahmen und Inhalte
                                                              der Planungsebenen sind detaillierte Massen und
b   Planung Entwicklung und Erhaltung des Parkbil-            Maßnahmen darstellbar und die Aufwendungen vor-
    des und der Naturschutzfunktion von Teilflächen.          ausschauend für die Kameralistik und die Aufstellung
    Planung in differenzierten Einheiten und Abschnit-        der Budgetplanung kalkulierbar.
    ten auf Grundlage des Parkentwurfs der Nachnut-
    zung der Daueranlage des Gartenschauparks.                Diese vorausschauende Kostenanalytik mit allen Mas-
                                                              senberechnungen und Pflegeinhalten war die Vor-
c   Definition des Mindeststandards der Pflege durch          aussetzung für inhaltliche und maßnahmenbezogene
    die Stadt Hamburg und die igs 2013 gmbh. Defini-          Kostenaufstellungen, dazu zählen alle Entsorgungen,
    tion von Pflege durch Nutzungsansprüche an den            Ersatzbeschaffungen, Brückenbau, Wegebau, Was-
    Park.                                                     serbau und die Parkpflege, bis hin zum einzelnen
                                                              Pflegegang.
d   Wertfunktionen und Werterhaltung der Pflanzen-
    einheiten entwickeln und sichern. Werterhaltung           Damit wird die detaillierte Bedarfs-, Arbeits- und
    der Einbauten und Ausstattungen. Funktionsfähig-          Einsatzplanung im Rahmen der Pflege- und Entwick-
    keit der Spieleinrichtungen, Brücken und Wege.            lungsplanung 2014+ erst möglich.
    Gewässerunterhaltung.

e   Pflegediagramme der Vegetationseinheiten Pfle-            Landschaftsökologische Freiflächenpflege
    geleistungen ermitteln, beschreiben und vermit-
    teln.                                                     Nachhaltige Parkentwicklung im Inselpark bedeutet
                                                              eben auch eine landschaftsökologische Freiflächen-
f   Kostenkalkulation der Pflegeleistungen und Fort-          pflege.
    schreibung der Pflege- und Entwicklungsplanung.

                                                         38
Unser Ziel muss es sein, im Sinne einer ökologischen           scher Pflanzen mit fachbezogener Pflege, wo
Freiflächenpflege bei weiteren Pflegebeauftragun-              immer es möglich ist und pflegeaufwendige
gen die nachfolgenden ökologischen Pflegebelange               Schmuckpflanzung ersetzt werden muss (z.B.
stückweise in die Pflegestrategie einzubinden, unter           Umwandlung von Stauden in Wildstaudenflä-
anderem ist das:                                               chen oder Rasen in Wiesenflächen).

 n Die mechanische oder thermische Unkrautbe-               n Die Regenwassernutzung und Rückhaltung von
   kämpfung. Keine chemische Schädlings- und                  Oberflächenwasser.
   Unkrautbekämpfung.
                                                            n Die Wiederverwendung und nachprüfbare Ver-
 n Die Herstellung von weiteren standortgerechten             wertung der Pflegerückstände und des Schnitt-
   Pflanzgesellschaften und Verwendung heimi-                 guts als Biomasse.

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Ausblick                                                     In diesem Zusammenhang hatte unter anderem
                                                             die Hamburger Bezirksregierung schon Mitte 2013
Dieser Pflege- und Entwicklungsplan zeigt Hand-              beschlossen, die Mittel der detailliert kalkulierten
lungsspielräume, Konzeptionen und Möglichkeiten              Pflegekosten in den Haushalt 2014/15 einzustellen
auf, um die formulierten städtebaulichen und grün-           und ein engagiertes Pflegeteam zu installieren, mit
planerischen Ziele der grünen Mitte Wilhelmsburg             dem Ziel, den Pflege und Entwicklungsplan 2014+ in
zu realisieren, fachgerecht zu pflegen und zu einer          den nächsten Jahren umzusetzen.
nachhaltigen Parkanlage weiterzuentwickeln.
                                                             Dieses positive Signal ist Anspruch und Verpflich-
Eine wissenschaftliche Begleitung und Feststellung           tung zugleich für eine wiedergefundene Planungs-
der Lebenszykluskosten im Hinblick auf diese Zielset-        ebene in der Landschaftsarchitektur und für die
zungen und auf die Fortschreibung des dynamischen            Pflege im Inselpark Wilhelmsburg, in Zeiten, in de-
Modells ist sinnvoll und von außergewöhnlichem               nen die Mittel für das öffentliche Grün immer weiter
berufsständischem Interesse.                                 gekürzt werden.

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Freie und Hansestadt Hamburg
Gesamtplan Inselpark Wilhelmsburg
Pflege+Entwicklungsplan 2014+

Grundlage igs Nachnutzungsplanung
Originalmaßstab 1:1000 und 1:200

Verfasser
Igs hh2013 mit knoll neues gruen gmbh
Prof. Siegfried Knoll, Freier Landschaftsarchitekt

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Ausblick

Das lebendige Grün in Städten, von der Dach- und             Diese Leistungen können Grünflächen nur erbringen,
Fassadenbegrünung bis zum Grün in Parks und                  wenn sie entsprechend geplant sind und gepflegt
Gärten ist das wichtigste Bindeglied zwischen allen          werden. Was für das private Grün in Gärten und Fir-
Funktionen der Stadt. Dabei wirkt Grün positiv               mengeländen gilt, gilt ebenso für öffentliche Grün-
auf ökonomische wie auf ökologische und soziale              flächen: Sie brauchen regelmäßige Pflege und die
Erfolgsfaktoren: Grün wertet Standorte und Immobi-           kostet Geld.
lien auf und verbessert das Image einer Stadt. Es ist
anerkannter Maßen das stärkste Instrument in der             Da viele Kommunen in Deutschland vor erheblichen
Stadtklimatologie, zudem Schadstoff- und Lärmfilter,         Haushaltsproblemen stehen, die sich auch in den
Lebensraum für Tiere und Pflanzen, Erholungsraum             Etats für Grünflächen mit Einsparungen bei den
für Menschen, sozialer Treffpunkt und als Naturer-           Investitions- und Pflegekosten auswirken, sind neue
fahrungsraum insbesondere für Kinder unersetzlich.           Konzepte gefragt. Ein Blick auf Gartenschauen kann
                                                             helfen, denn die Investitionen in Gartenschauen wer-
                                                             den langfristig geplant und auf verschiedenen Ebenen
                                                             politisch diskutiert, bevor sie tatsächlich umgesetzt
                                                             werden. Betrachtet man das urbane Grün als Investiti-
                                                             on in die Zukunft der Städte und Quartiere, so stellen
                                                             sich auf kommunaler Ebene die gleichen Fragen. Es
                                                             lohnt demzufolge, das Grün nicht nur partiell und
                                                             projekthaft als Teil der Stadtentwicklung zu diskutie-
                                                             ren, sondern eine langfristig ausgerichtete integrierte
                                                             Stadtentwicklung mit Grün anzustrengen.

                                                             Die EU hat mit dem Stichwort „Grüne Infrastruktur“
                                                             ein strategisch geplantes Netzwerk vorgestellt, das
                                                             der grauen Infrastruktur der Städte gegenübersteht.
                                                             Auch im Grünbuch „Stadtgrün“, das im Juni 2015
                                                             unter Federführung des Bundesministeriums für Um-
                                                             welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)
                                                             herausgegeben wurde, wird die Grüne Infrastruktur
                                                             als Klammer für verschiedene Themen der Stadtent-
                                                             wicklung angesprochen. Sie ist in der Lage, politische

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