Geist-Körper-Interdependenz in der osteopathischen Behandlung
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Osteopathische Medizin ORIGINALIA Geist-Körper-Interdependenz in der osteopathischen Behandlung Torsten Liem, Patrick Van Den Heede Zusammenfassung genden wollen wir für die Behandlung we- of physical, viral, bacterial or chemical loads. In Dysfunktionen beeinträchtigen Störun- sentliche zu berücksichtigende Interaktio- The importance of disturbed physical regula- gen der physischen Anpassungsfähigkeit nen in der Geist-Körper-Interdependenz tion as a possible cause of physical symptoms eines biologischen Systems die Fähigkeit diskutieren. is the subject of many a debate in osteopa- zur Aufrechterhaltung der Homöostase, z. B. thy. The role of the mind as a possible cause im Falle von physikalischen, viralen, bak- Schlüsselwörter of bodily disorders, however, is less studied teriellen oder chemischen Belastungen. Die Körper-Geist-Interdependenz, Geist-Körper- in osteopathy and often metaphysically in- Bedeutung gestörter körperlicher Regulati- Interdependenz, Dysfunktion, Behandlungs- terpreted. In this article, we want to discuss onen als mögliche Ursache für körperliche interaktion, Körperkonzept, psychosomati- the interactions in mind-body interdepen- Symptome ist in der Osteopathie Gegen- sche Osteopathie dence that are essential for treatment. stand zahlreicher Diskussionen. Die Rolle des Geistes als mögliche Ursache für kör- Abstract Keywords perliche Störungen ist in der Osteopathie In dysfunctions, disturbances in the physical body-mind interdependencemind-body inter- hingegen weniger untersucht und nicht adaptability of a biological system impair the dependence, dysfunction, treatment interac- selten metaphysisch interpretiert. Im Fol- ability to maintain homeostasis, e.g. in case tion, body concept, psychosomatic osteopathy Geistkonzept assoziierten, fluktuierenden Prozess des Bewusstseins in allen Arten von Anpassungsfähigkeit an eine sich Geist definieren wir als eine Interdepen- Formen und Evolutionen einhergeht, ständig verändernde und integra- denz von Gedanken, Vorstellungen, Er- der gleichzeitig auch eine relative Au- tive Verfeinerung der zunehmenden Komplexität aussetzt. Insbeson- wartungen, Erinnerungen etc. mit der tonomie aufzeigt. Die jeweilige thera- dere die evolutive Gehirnentwick- physischen Quelle des bewussten Funk- peutische Kompetenz, die Interferenzen lung (als Körpersubstrat) tritt bei tionierens, durch die sie ausgedrückt und Wechselwirkungen von Geist und der Menschheitsentwicklung in den wird (z. B. der Körper als physiologische Form unter Berücksichtigung ontogene- Vordergrund. Einheit). Damit ist gemeint, dass wir den tischer und organogenetischer Aspekte Geist als eine Funktion betrachten, die des – sowie phylogenetischer und evo- zwei verschiedene Eigenschaften oder lutionärer Einflüsse im – jeweiligen*r Ausdrucksweisen aufweist: Patient*in haben unserer Erfahrung nach Dabei ist das Körperkonzept im Laufe • eine, in der der Geist von physischen Einfluss auf die im Hier und Jetzt einer der Menschheitsentwicklung selbst Parametern abhängig ist, und Behandlungsinteraktion stattfindenden evolutiven Wandlungen unterworfen, • eine, in der der Geist eine relativ Prozesse. z. B. von einem abstrakten Konstrukt unabhängige Qualität der Informa- hin zu einem zunehmend konkreten tion erworben hat, die ihrerseits mit Körper, der bedeutungsvolle Erfahrun- physikalischen Faktoren interferie- Körperkonzept gen ermöglicht, einhergehend mit zu- ren kann. nehmender Integration der Wahr- nehmung von sowohl Zuständen wie Information kann aus unserer Sicht Prozessen, auch jenseits mechanis- Das Konzept des „Körpers“ oder der sowohl als physikalische als auch als tischer Sichtweisen, von Äußerlichem „Verkörperung“ verstehen wir als begriffliche, abstrakte Austauschein- zum Innerlichen, von Zuständen zu einen adaptiven Prozess zunehmen- heit begriffen werden, die sich in be- der Komplexität, bei dem Informa- Prozessen, von Analyse zum Holismus, stimmten Zeitskalen der Evolution mit tionen in die Materie integriert und von mechanischer isolierter Ganzheit Modalitäten der Form (Erscheinung) diese integrierten Informationen zu einer Betrachtung systemischer in- konstelliert und interferiert. Wir pos- einem evolutiven Wellenmuster der teraktiver Kontextdynamik ([2], in An- tulieren, dass diese Prozesse mit einem lehnung an Levin u. Solomon 1990). 28 22. Jahrg., Heft 3/2021, S. 28–32, Elsevier GmbH, www.elsevier.com/locate/ostmed
Osteopathische Medizin ORIGINALIA Körper-Geist-Beziehung Als Endergebnis sehen wir die Entste- Zeug und Körper-Zeug nicht, d. h. hung eines sich ständig selbst erneu- Informationsumbau ist nie nur In Abhängigkeit von evolutionären und ernden Verstandes, der beginnt, mit Körper-bezogen, nie nur Geist- ontogenetischen Evidenzen sollten nach zunehmender relativer Autonomie sein bezogen, sondern abhängig von unserer Ansicht die Körper-Geist-Inter- eigenes Leben zu leben (ein „ursprüng- Umgebungskontexten, in denen aktion und die Geist-Körper-Interaktion licher“ informierter Teil, der nun be- die Körper-Geist Einheit evoluiert. als zwei aufeinander folgende Episoden ginnt, sich mit einer abstrahierenden ontogenetischer Differenzierung betrach- Tendenz der Verstandeseinstellung zu tet werden. verbinden, sich von körperlichen Ein- Das bedeutet, dass jedes lebende Sys- schränkungen relativiert und emanzi- tem davon abhängt, wie es sich in piert). Dieses neue Potenzial des Geis- Bezug zum jeweiligen Kontext entwi- tes hat auch die Fähigkeit – wenn auch ckelt und entwickelt hat. Das bedeutet Ontogenese bezeichnet die Entwick- immer in Abhängigkeit zu wechselwir- auch, dass die Möglichkeiten für trans- lung eines Einzelwesens, in Abgren- kenden Dynamiken zur Körperlichkeit formatorische Prozesse in der Behand- zung zum Begriff der Phylogenese. und zu Lebenskontexten –, die „Materie“ lung von einem gemeinsamen und des Körpers zu beeinflussen und zu kombinierten Muster der Interferenz reorganisieren. und des Ausdrucks der Komponenten Körper-Geist-Medizin und Geist-Kör- von Körper-Geist- und Geist-Körper- per-Medizin erscheinen dementspre- Wir beobachten in unserer osteopa- Interaktionen bestimmt wird, die ei- chend als zwei Facetten derselben thischen Behandlung, dass, wenn der nerseits auf die Vergangenheit rück- Medaille, wobei deren Tiefe und Hei- Geist sich zunächst mittels wie auch geführt werden können und sich lungspotenzial mit der Identifizierung, in Wechselwirkung mit einer zuneh- andererseits auf die Wahrscheinlichkeit Differenzierung und Integration von menden Komplexität des Körperlichen einer sich entwickelnden Zukunft be- „Bottom-up“- wie auch „Top-down“- evoluiert, um an Tiefe und Bedeutung ziehen. Informationen und -Prozessen zu- zuzunehmen und konkret und aus- nimmt. drucksstark zu werden, er beginnt, den In diesem Sinne scheint die Spezifität Körper über wechselnde Raum-Zeit- Morphodynamik des Geistes mit einer spezifischen Trans- Einheiten des Bewusstseins und des in der Osteopathie formation der implizierten Materie zu- Gewahrseins in den „subtilsten und sammenzuhängen, der Geist beginnt, feinsten Bestandteilen seiner Konsti- Einerseits ist Evolution ein Prozess der quasi „personalisiert“ zu werden bzw. zu tuenten“ zu informieren und zu trans- Selbsttranszendenz, der über das Be- erscheinen, wenn er mit einer bestimm- formieren. stehende hinausführt [1], wobei jede ten Form von Materie verbunden ist. Dementsprechend sehen wir die Onto- neue Emergenz ihre Vorläufer transzen- Für das Verständnis der Krankheitsent- logie des Geistes als eine Geschichte diert und inkorporiert und dabei das stehung und der osteopathischen Annä- des Aufbaus und der Reifung des Geis- Niedrigere die Möglichkeiten des Hö- herung im Behandlungssetting sind für tes auf einer genetischen und epige- heren setzt und das Höhere die Wahr- uns folgende Interaktionen bedeutsam: netischen Landschaft der Proto-Onto- scheinlichkeiten des Niedrigeren setzt Wenn Energie und Materie sich gegen- genese des Körpers (präinformierte und jede weitere evolutionäre Stufe seitig beeinflussen, schaffen sie ein Ontogenie), während die Phänomeno- größere Tiefe erzeugt. Andererseits evolutives Muster der Raum-Zeit-Be- logie des Geistes als eine Geschichte existiert in seiner Form als (relativ) ziehung, das für diese bestimmte Form der Verdichtung der Raum-Zeit in die autonomes Ganzes ein definiertes Telos spezifisch ist. Der Geist kann als ein feinsten Fraktale des Körperbewusst- dieses Ganzen. In seiner Eigenschaft interaktiver Ausdruck zwischen diesen seins erscheint. als Teil einer anderen Ganzheit wird es beiden Komponenten aufgefasst wer- In diesem Sinne potenziert der Körper- jedoch von einem Telos außerhalb ih- den, der je nach Evolutionsstufe eine stoff zunächst die Reifung des Geistes, rer selbst beeinflusst. So üben Attrak- zunehmende Wahrscheinlichkeit von während später der Geiststoff den Kör- toren quasi Muster erhöhter Wahr- Bewusstsein und schließlich Bewusst- perstoff reorganisiert. scheinlichkeit und als prägende Züge heit schafft. gewissermaßen eine Art Antrieb für die Insbesondere in der Behandlung von Entwicklung aus bzw. eine Art Zug, der Menschen ist uns dabei wesentlich, die Entwicklung in eine bestimmte In der Tat gibt es unserer Ansicht dass der Verstand von spezifiziertem Richtung „zieht“. nach am Ende keine Trennung von und spezialisiertem Bewusstsein aus- Geist und Körper (Materie). Es gibt Eine aufsteigende Kausalität zuneh- geht und Bewusstsein schafft sowie zu so etwas wie getrenntes Geist- mender Komplexität der materiellen verändern in der Lage ist. Welt geht mit einer gleichermaßen 22. Jahrg., Heft 3/2021, S. 28–32, Elsevier GmbH, www.elsevier.com/locate/ostmed 29
Osteopathische Medizin ORIGINALIA absteigenden Kausalität von Bewusst- durch das Mittelgehirn. Zu berücksich- tion im bewussten Feld abläuft. Inten- sein einher. Beide sind Ausdruck einer tigen sind dabei außerdem regulative tion scheint eine „Gedankenbewe- ständig wechselnden Information, die oder dysfunktionelle Einflüsse sozialer gung“ zu sein, die auf einer subtilen gleichzeitig als Impulsgeber für diese Systeme, Normen, Regeln und Kultur Kombination von unbewussten Antrie- auf- und absteigenden Kausalitäten auf präfrontale Aktivitäten und Funk- ben beruht, die sich mit dem bewuss- wirkt. tionen, die zunehmend differenziert ten Feld der tatsächlichen Interaktion In diesem Sinne hat sich Geist ein sehr untersucht werden können (was in der auf eine Spur bringen. ausgewähltes Gewebe (Ektoderm) „aus- Entstehungszeit der Osteopathie noch In diesem Sinne sind das neurokogni- gesucht“, auf dem er sein geistiges nicht möglich war). tive Gehirn und seine funktionelle Or- Zeug erschaffen kann. Embryologisch Neuronale Netze werden selbst kombi- ganisation von einer Vielzahl von Ein- wurde das Gehirn quasi auf zwei ande- niert und bilden Netzwerke über Netz- flüssen abhängig. ren Geweben (Entoderm und Mesoderm) werke, bis sich ein enaktives Gehirn Das Frontalhirnfeld der Intention und aufgebaut, um seine endgültige Form bildet. Damit ist gemeint, dass Gehirn, Entscheidungsfindung wird ständig und Funktion darzustellen. In dieser Körper und Kontext (Umwelt) sich in vom limbischen, integrativen Hirnfeld Hinsicht wirkt das Gehirn als eine Art dynamischer Wechselwirkung zueinan- informiert, während es diese gleichzei- Transformator von Körpergewebe in der bilden und miteinander in ständi- tig zu relativieren und inhibieren in Geistgewebe. Es wurde durch eine „Evi- gem Bezug stehen und nur aus diesem der Lage ist. Dieses Feld interferiert denz“ der Afferenz geschaffen und kon- zu verstehen sind. Schließlich ist die wechselseitig mit allen Konvergenz- struiert. Mehrere Bahnen der Afferenz neuronale Aktivität so komplex ver- zonen, die über und in den Hirnober- wurden während seiner Ontogenese drahtet, dass ihre Aktivität eine sub- flächen verstreut sind, und mit allen aufgebaut und setzen dies bis zur voll- tile Feldkohärenz von Frequenzwellen sensorischen, sensomotorischen und ständigen Reifung fort. Die neurologi- erzeugt, die in der Lage ist, Bilder von interozeptiven Inputs, die in das lim- schen Bahnen scheinen die offensicht- Repräsentationen des Geistes zu schaf- bische System eingehen. lichsten zu sein, aber die vaskulären fen. Der Geist entsteht auf der Grund- Bahnen beispielsweise sind mindestens lage einer Frequenzkohärenz, die ih- genauso informativ, wenn nicht anfangs rerseits von einer subtilen elektrischen noch wesentlicher. und elektromagnetischen Hirnfeldor- Es gilt dabei aus unserer Sicht insbesondere therapeutisch zu ganisation abhängig ist. beachten, dass länger bestehende Während der neurologischen Reifung So ist die Hirnfeldorganisation unserer Muster – seien es gewebige, psy- (bis zu den ersten 22 Lebensjahren) Ansicht durch verschiedene Eigenschaf- chische, neuroendokrine, meta- wird ein synergistisches Störfeld mit ten gekennzeichnet: bole, immunitäre oder Haltungs- dem reifenden immunologischen Feld • Sie organisiert ein Gedächtnisfeld. und Verhaltensmuster – zu neuen (bis zum 10. Lebensjahr) aufgebaut. • Sie schafft progressiv ein Gedächtnis Stabilitäten und Dysfunktionen So ist es auch nicht überraschend, dass des „Selbst“. werden, die sich nicht einfach auf- die Neurologie und das Immunsystem • Sie schafft die Möglichkeit oder Pro- lösen, nur weil die Bedingungen bei der Unterscheidung zwischen Selbst babilität eines freien Willens. für deren Entstehen verschwunden und Nicht-Selbst funktionell zusammen- • Sie beginnt, die „Absicht“ zu kont- sind! Es bedarf spezifischer Stra- hängen. rollieren, die zur kognitiven Kompe- tegien zu deren Auflösung. Dabei weist Evolution eine Richtung tenz der Erstellung von Probabilitä- auf, die durch zunehmende Differen- ten über die Welt führt. zierung, Vielgestaltigkeit, Komplexität und Organisation gekennzeichnet ist Das Gehirn hat sich in verschiedenen [2]. Dies zeigt sich beispielsweise da- Ebenen der Funktionalität entwickelt. Grenzerfahrungen rin, wie alle die eben genannten Infor- Wir unterscheiden als Trigger für Geist- mationen zunächst in geordneten und • ein Überlebensgehirn, untergeordneten Hirnarealen gestapelt • ein emotionales Gehirn und Körper-Desynchroni- und später nach und nach komplexer • ein kognitives Gehirn. sierungen kombiniert werden und äußert sich Der Nettoausdruck des „freien Willens“ u. a. in einer zunehmenden Verinnerli- ist wahrscheinlich eine subtile Kombi- Herausforderungen und Stress und an- chung von Außerweltlichem sowie der nation dieser drei Eigenschaften. dere Grenzerfahrungen im Leben kön- Inhibierung und Relativierung älterer Manchmal wird die Intention stärker nen einerseits Wachstum ermöglichen, von jüngeren Hirnstrukturen, wie z. B. von unbewussten Antrieben geladen indem wir neue Kompetenzen erwer- des limbischen Systems durch den prä- als von bewussten, obwohl wir den ben, neue Verschaltungen im Gehirn frontalen Cortex oder des Hirnstamms Eindruck haben, dass unsere Interak- sich bilden und neue Sichtweisen sich 30 22. Jahrg., Heft 3/2021, S. 28–32, Elsevier GmbH, www.elsevier.com/locate/ostmed
Osteopathische Medizin ORIGINALIA entwickeln. Es kann jedoch vorkommen, Die gleiche Überlegung kann man tolerablem oder toxischen Stress dass Herausforderungen zu schnell, in- auch über das „Denken“ anstellen. konfrontiert wurden, neuroendokrine tensiv oder komplex sind und uns Wenn man weiß, dass der Teil, den und neurovegetative Stressachsen überfordern und wir nicht in der Lage man während eines Denkvorgangs etc. beeinflussen diese unbewussten sind, darauf angemessen zu reagieren, denkt, nur der „sichtbare“ Teil des Prozesse. sondern im Gegenteil, das Erleben kompletten Gedankens ist, der bereits • Der bewusste Teil des Denkens inter- möglicherweise von Kontrollverlust, eine halbe Sekunde früher begonnen agiert aktiv mit der Körperfeldorga- Hilf- und Hoffnungslosigkeit geprägt hat, dann sollte man die Möglichkeit nisation, teilweise durch die unbe- ist und nachhaltige Auswirkungen in in Betracht ziehen, dass zumindest wussten Antriebe, die sich hinter der Geist-Köper-Interdependenz hin- Teile eines Gedankens auf einer un- „freiem Willen“ und „Absicht“ ver- terlassen. bewussten oder vorbewussten Ebene bergen. stattfinden. Dies sieht zwei Möglichkeiten vor: Geist-Körper-Einfluss • Der unbewusste Teil eines Gedanken- prozesses hängt mit der Organisation Es ist nun klar, dass das „Denken“ in der Behandlung nicht so frei ist, wie man vielleicht des Körperfeldes und seiner nachfol- Es ist wichtig zu beachten, dass der genden afferenten Tonalität zusam- „denken“ würde. Dies hat aller- freie Wille und die Absicht von unter- men (z. B. das, was die endgültige dings den Vorteil der Energie- und Ressourcenersparnis, indem nicht bewussten Bewusstseinsebenen „ge- Kohärenz bestimmter Hirnareale or- jede Erfahrung mittels komplexen steuert“ werden. Der Teil, der als freier ganisiert). Wiederholt gemachte Er- Reflektierens analysiert werden Wille definiert werden könnte, ist der fahrungen, familiäre Sozialisationen muss. scheinbar bewusste Teil der Absicht, und Bindungsmuster, soziokulturell den man quasi als vom „Selbst“ orga- geprägte Interpretationen, prä-, peri- nisiert interpretiert. und postnatale Erfahrungen, inwie- weit wir im Leben mit positivem, Anzeige 22. Jahrg., Heft 3/2021, S. 28–32, Elsevier GmbH, www.elsevier.com/locate/ostmed 31
Osteopathische Medizin ORIGINALIA Der Verstandesprozess besitzt unserer Klinisch relevante Wenn sich das dysfunktionelle Muster Ansicht nach zwei Möglichkeiten, das Konklusion in einer zeitlich und räumlich begrenz- Körpergeschehen zu beeinflussen. ten Geist-Körper-Interaktion in dem*r • Erstens, indem der Körper aktiv am Das eigene innere Gewahrsein, gekop- Patient*in ändert, kann sich das Ver- Verstandesprozess teilnimmt, in- pelt mit der Fähigkeit der Koregulation hältnis des Ganzen sowie die Kontext- dem er die unterstützenden Hin- („co-regulation“), ist aufs Engste mit dynamiken verändern. Das wiederum weise für alle kognitiven und phy- der Wahrnehmung, dem Verstehen, der kann potenziell zu weiteren Änderun- siologischen Ebenen anbietet, die Auseinandersetzung, dem Akzeptieren gen im Organismus führen. Dieser Pro- für einen scharfen Ausdruck des und dem Integrieren dieser Bewusst- zess beginnt während der therapeuti- „freien Willens“ des Verstandes seinsinhalte, Erlebnisse und somato- schen Interaktion, findet aber vor allem notwendig sind. energetisch-psychischen Dysfunkti- auch nach der Konsultation, im behand- • Zweitens der unterbewusste Unter- onsmuster verknüpft, ebenso wie mit lungsfreien Intervall statt. strom – inkl. der Informationsspei- der Kompetenz, Patient*innen in An- cherung durch das zelluläre System, sätzen der psychosomatischen Osteo- das u. a. als Tensegrity-Struktur fun- pathie zu unterstützen. Dies umfasst Zusatzinfos giert –, durch den unbewusste Teile die Wahrnehmung multipler dynami- Van Den Heede P. The emotional landscape des Denkens das vegetative und scher Wechselwirkungen von Gewebe- in the osteopathic field. (voraussichtliches neuroendokrine Gleichgewicht des mustern, Körperempfindungen, neu- Erscheinen Anfang 2022) Liem T. Psychosomatische Osteopathie. Körpers beeinflussen. rovegetativer Erregung, endokrinem, München: Elsevier; im Druck (voraussicht- metabolem und immunitärem Wirken, liches Erscheinen Anfang 2022) Emotionen, Mentalisierungen und Glau- bensmustern im konkreten Alltag un- Gerade diese Beeinflussung ist es, serer zahlreichen Lebensbezüge [3]. So Interessenkonflikt die das Gleichgewicht des Körpers könnte mittels osteopathischer Be- und seine homöostatische Anpas- Torsten Liem bietet eine Kursreihe zur handlung ein Gleichgewichtszustand, Psychosomatischen Osteopathie an. sungsfähigkeit beeinträchtigt. eine Lösung der gebundenen Kräfte Informationen sind zu erhalten unter: in somato-energetischen-psychischen www.osteopathie-schule.de. Spannungsmustern begünstigt werden, Patrick Van Den Heede gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen. In diesem Sinne gehen somato-ener- indem es dem „Geist-Körper-Zeug“ er- getisch-psychische Dysfunktionen mit möglicht wird, seine Beziehung zuein- physiologischen Veränderungen, ener- ander zu klären [3]. Korrespondenzadressen getischen Erscheinungen, körperlichem Erleben inkl. neurovegetativen Zeichen Torsten Liem Osteopathie Schule Deutschland sowie emotionalen Regungen und Mexikoring 19 mentalen Deutungen einher. So kann 22297 Hamburg beispielsweise emotionaler Stress in Indem die mit der Dysfunktion tliem@torstenliem.de assoziierten Aspekte, Kräfte und der Kindheit, insbesondere in der frü- Erlebniswelten auf gewisse Arten Patrick Van Den Heede hen Kindheit (beispielsweise in Form Rue Deflière, 26 und Weisen quasi „eingeladen“ von Missbrauch, Vernachlässigung, 7750 Orroir werden – die vorher ein von der Verletzung oder grenzverletzenden Er- Belgien Ganzheit relativ getrenntes Eigen- patrick.van.den.heede@skynet.be eignissen), zu bestimmten Strategien leben geführt haben bzw. unbe- führen, wodurch Loyalitätsgesetze zur rücksichtigt, unterdrückt, verdrängt Anwendung kommen, um das Überle- oder nur fragmentiert und unvoll- Literatur ben sicherzustellen und die unbe- ständig integriert wurden –, kann [1] Jantsch E. Die Selbstorganisation des Universums. dingte Liebe der Eltern weiterhin emp- ein osteopathischer Zugang ge- München: Hanser; 1992 [2] Liem T. Paradigms of healing. In: Liem T. Van den fangen zu können, wobei gleichzeitig nutzt werden, um tiefere Resonanz- Heede P (eds) Foundations of morphodynamics in osteopathy: an integrative approach to cranium, Körperbedürfnisse untergeordnet wer- und Heilungsräume entstehen zu nervous system, and emotions; 1. Aufl.Pencaitland: den (= Überleben auf Kosten relativer lassen. Handspring Publishing Limited; 2017 [3] Liem T. Psychosomatische Osteopathie. München: Geist-Körper-Synchronisierung). Elsevier; im Druck (voraussichtlich Anfang 2022) 32 22. Jahrg., Heft 3/2021, S. 28–32, Elsevier GmbH, www.elsevier.com/locate/ostmed
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