Ökonomie hat hohen Stellenwert - Berufsverband der ...
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THEMEN DER ZEIT Foto: Andrey Popov/stock.adobe.com Thema Bewerbungsgespräche von Chefärzten Ökonomie hat hohen Stellenwert Schon im Bewerbungsgespräch werden künftigen Chefärzten die wirtschaftlichen Ziele vermittelt, die sie erreichen sollen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage aus der Chirurgie. Viele sehen im Bewerbungsgespräch aber auch die Chance, das Ausmaß des ökonomischen Drucks zu begrenzen. Arne Christian Siewert, Karl-Heinz Wehkamp, Carsten Johannes Krones, Werner Vogd, Erik Allemeyer D er wachsende Stellenwert arzt. In Zusammenarbeit mit Klini- Für die Umfrage wurden 1 890 ökonomischer Zielsetzungen kern, Ökonomen, Soziologen und beim BDC registrierte chirurgische im Gesundheitswesen wird Medizinethikern hat der Berufsver- Chefärzte und Oberärzte ange- derzeit sowohl in den Fachmedien band der Deutschen Chirurgen schrieben. 455 Ärzte beteiligten Pricewaterhouse- als auch in der Laienpresse kritisch (BDC) eine Umfrage unter Chef- sich an der Umfrage. 114 von ihnen Coopers WPG, Risk & Regulatory, Forensic diskutiert (1–4). Hingewiesen wird ärzten aus allen chirurgischen Fä- waren zwischen 2016 und 2019 in Services: Siewert dabei insbesondere auf den Interes- chern durchgeführt, die zwischen eine Chefarztposition gewechselt Universität Bremen, senkonflikt zwischen originären 2016 und 2019 eine Führungsposi- und erfüllten damit die Vorausset- Socium Forschungs- zentrum Ungleichheit ärztlichen Aufgaben für das Patien- tion übernommen haben. Dabei zung für eine Teilnahme. Sieben und Sozialpolitik: Prof. tenwohl und den Vorgaben zur Ge- sollte untersucht werden, ob und Chefärzte wurden zudem in qualifi- Dr. rer. pol. Dr. med. winnmaximierung. wie ökonomischer Druck die Aus- zierten Interviews befragt. Wehkamp Berufsverband der Bereits im Bewerbungsverfahren wahl und den Berufsstart des leiten- Der Umfrage vorangestellt wur- Deutschen Chirurgen: für eine Leitungsfunktion in der den Arztes in der Chirurgie prägt de eine Analyse aller 91 Stellenan- Prof. Dr. med. Krones Chirurgie als auch zum Berufsstart und ob von den Befragten die Mög- zeigen, mit denen in den Jahren Universität Witten/Her- definieren die Bewerber in Verbin- lichkeit gesehen wird, schon ganz 2017 und 2018 Chefärztinnen und decke, Fakultät für Ge- sundheit: Univ.-Prof. dung mit der kaufmännischen Füh- am Anfang ihres Engagements Ein- Chefärzte in einem chirurgischen Dr. phil. Vogd rung die Rahmenbedingungen des fluss auf die zukünftige Gewich- Fachgebiet im Deutschen Ärzte- Niels-Stensen-Kliniken, Zusammenspiels aus Ethik und tung von originär ärztlichen Zielset- blatt gesucht wurden. Die Inhalte Franziskus-Hospital Harderberg: Dr. med. Ökonomie im Krankenhaus – und zungen oder aber ökonomischen der Stellenanzeigen lassen sich auf Allemeyer damit ihre spätere Rolle als Chef- Maximen zu nehmen. der Anforderungsseite in vier Kate- A 180 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 118 | Heft 4 | 29. Januar 2021
THEMEN DER ZEIT gorien zusammenfassen: Ökono- GRAFIK 1 Ob durch Zielvereinbarungsge- mie, Ethik, Management und Orga- spräche der ökonomische Druck auf nisation. Gefordert wurden dabei Inwieweit treffen die folgenden Aussagen auf Ihre die Chefärzte erhöht werde, wird zum Beispiel eine „hohe ökonomi- Einstellungsgespräche der aktuellen Stelle zu? von den Befragten unterschiedlich sche Kompetenz“, eine „werte- 50 wahrgenommen. In einigen Fällen orientierte Führung“, „Dienstleis- 45,63 seien nur moderate Anreize zu ei- 45 Trifft vollkommen zu tungsorientiertheit“ und eine „hohe 40 nem ökonomischeren Handeln ge- 36,89 Trifft begrenzt zu Flexibilität“ und „Belastbarkeit“. setzt worden, hieß es. Andere Inter- 35 Trifft gar nicht zu Den Bewerbern wurde eine „Dotie- viewpartner sahen sich aufgefor- 30 in Prozent rung mit festen und variablen An- dert, in einer Form Personaleinspa- 25 teilen“ angeboten sowie eine „leis- rungen und Arbeitsverdichtungen 20 17,48 tungsorientierte Vergütung“ und vorzunehmen, die vom ärztlichen ein „attraktives Bonussystem“. 15 Personal nur durch eine deutliche Auffällig ist, dass sich nur eine ein- 10 Überschreitung gesetzlich vorgege- zige Aussage auf nicht monetäre 5 bener Höchstarbeitszeit bewältigt Vorzüge der Arbeit bezog: „Die 0 werden konnte. Mehrere Chefärzte Geschäftsführung steht Ihnen als Wirtschaftliche Ziele hatten einen hohen Stellenwert gaben an, dass ihre variablen Ge- Ansprechpartner auf Augenhöhe haltsanteile an Personaleinsparung bei der Weiterentwicklung der Kli- und Optimierung der Arbeitsorgani- nik zur Verfügung.“ sation gekoppelt seien. Bei den qualifizierten Interviews sei. Eine Steigerung der Leistungs- Die Teilnehmer der qualitativen gaben die Chefärzte weitgehend bilanz seiner Abteilung in Höhe von Studie empfanden die regelmäßigen übereinstimmend an, dass der Öko- fünf Prozent sei zur unmittelbaren Ergebnisreporte als das stärkste nomie in der Medizin eine immer Auflage gemacht worden, wobei Druckinstrument. Hier werden bei- größere Rolle zuteil geworden sei. dies unter anderem auch durch Un- spielsweise Leistungsvergleiche Mehrere Teilnehmer erklärten, dass terlassen unrentabler medizinischer (Benchmarks) zu Abteilungen ande- mit der Ökonomisierung negative Versorgung zugunsten der Einfüh- rer Kliniken vorgelegt, wodurch Begleiterscheinungen wie ethische rung lukrativer Operationsmetho- auch „außerhalb der Zielvereinba- Konflikte durch Verweildauer-, den ermöglicht werden sollte. Ein rungsgespräche“ ein „ständiger öko- Fallzahlanreize und Patientenselek- weiterer Befragter wurde durch die nomischer Druck“ erzeugt werde, tion einhergingen. Zugleich de- Klinikleitung angewiesen, durch etwa indem beispielsweise „online monstrierte der überwiegende Teil Maßnahmen wie „mehr Patienten mitgeteilte Abteilungsergebnisse un- der Befragten Verständnis für öko- operieren, schneller entlassen und ter Bezug auf Benchmarks zu prak- nomische Belange und signalisierte optimaler kodieren“ eine Steigerung tisch ständig aktualisierten Zielvor- Bereitschaft, wirtschaftliche Ziel- des Gewinns zu ermöglichen. Ange- gaben“ würden, wie einer der Teil- setzungen und Erfordernisse des Ar- sprochen auf eine Beeinflussung der nehmer erklärte. Ein anderer gab an, beitgebers mit zu unterstützen. Ein zu stellenden Indikationen gab ein sich als Chefarzt nicht mehr „auto- Befragter gab an, dass im Bewer- Chefarzt an, dass er Behandlungs- nom“ gemäß einer Leitungsposition bungsgespräch noch kein wirt- verfahren nicht nur primär nach me- zu empfinden, sondern sich nur schaftlicher Druck geherrscht habe, dizinischer Indikation, sondern auch noch als weisungsgebundener Ange- aber nach relativ kurzer Anstel- mit Blick auf das ökonomische Er- stellter der Kaufleute zu sehen. lungszeit sofort stetig angewachsen gebnis ausgewählt habe. Wirtschaftliche Ziele Von den Chefärzten, die sich an der GRAFIK 2 schriftlichen Umfrage beteiligten, Wirtschaftliche Ziele, die von Ihnen übernommen werden sollten, bezogen waren 91 Prozent männlich, neun sich auf (Mehrfachnennung möglich) Prozent weiblich. 42 Prozent arbei- Entwicklung des Unternehmens ten an einem kommunalen Kran- Steigerung der Patientenzahlen kenhaus sowie jeweils 29 Prozent 90 Stärkung der Wettbewerbsposition an einem freigemeinnützigen und 80 74,76 76,70 75,73 gegenüber anderen Häusern Knappe Personalbemessung einem privaten. 52 Prozent der Teil- 70 Sonstiges (bitte angeben) nehmer haben ihre erste Leitungs- 60 funktion inne, 35 Prozent ihre zwei- in Prozent 50 42,72 te und 13 Prozent bereits ihre dritte. 40 Ein Großteil der Befragten wurde 30 über Personalvermittler und Head- 20 hunter auf die Stelle aufmerksam. 10 5,83 46 Prozent der Chefärzte erklär- 0 ten, es treffe vollkommen zu, dass wirtschaftliche Ziele einen hohen A 182 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 118 | Heft 4 | 29. Januar 2021
THEMEN DER ZEIT Stellenwert in dem Einstellungsge- GRAFIK 3 acht Prozent mit „ja“ und sechs spräch hatten (siehe Grafik 1). 22 Prozent wollten keine Angabe ma- Prozent erklärten, es treffe vollkom- Werden Zielvereinbarungsgespräche geführt? chen (siehe Grafik 6). Ein Kandidat men zu, dass sie sich bei dem Ein- 80 meinte, dass nach seinem Dafürhal- stellungsgespräch unter Druck ge- 66,99 ten alle Teilnehmer der Umfrage 70 Regelmäßig setzt fühlten, ökonomische Zielset- die mutmaßlich ehrliche Antwort 60 Unregelmäßig zungen in der angestrebten Stellung Nie „ja“ hätten geben müssen. 50 in Prozent zu erreichen. 46 Prozent erklärten, Sonstiges (bitte angeben) Insgesamt ergeben die zentralen 40 dies treffe begrenzt zu, 32 Prozent Fragen nach dem Stellenwert der gaben an, es treffe gar nicht zu. Dass 30 Ökonomie beziehungsweise dem medizinethische Werte als wichtige 20 15,53 hieraus entstehenden Druck auf Be- 8,74 8,74 Zielsetzung in dem Bewerbungsge- 10 werbungskandidaten für Chefarzt- spräch einen hohen Stellenwert hat- 0 positionen ein gemischtes Bild: ten, sahen 32 Prozent als vollkom- Während 22 Prozent der Befragten men zutreffend an. Bei 42 Prozent angaben, sie fühlten sich unter traf dies begrenzt zu, bei 25 Prozent im Einstellungsgespräch kann be- Druck gesetzt, wirtschaftliche Ziele gar nicht. Jeweils etwa drei Viertel einflussen, ob bei der späteren Tä- in der angestrebten Stellung zu er- der Befragten gaben an, dass sich tigkeit medizinethische Zielsetzun- reichen, erklärten 32 Prozent, dies die wirtschaftlichen Ziele, die sie er- gen höher gewichtet werden als sei nicht der Fall. Ähnlich verhält es reichen sollten, auf die Entwicklung ökonomische Zielsetzungen“. Für sich bei der Frage nach medizin- des Unternehmens bezog, auf die 22 Prozent der Befragten trifft die- ethischen Werten. Dabei war die Steigerung von Patientenzahlen und ser Satz vollkommen zu, für 48 Ausgestaltung der ökonomischen die Stärkung des Wettbewerbs (sie- Prozent begrenzt (siehe Grafik 5). Zielvorgaben in den Bewerbungsge- he Grafik 2). 67 Prozent der Teilneh- In der Summe sehen somit 70 Pro- sprächen offenbar sehr konkret, wie mer kennen regelmäßige Zielverein- zent der Teilnehmer zumindest eine etwa 75 Prozent der Befragten anga- barungsgespräche mit der kaufmän- eingeschränkte Möglichkeit, die ben. Dazu passt, dass in 86 Prozent nischen Führung. Bei 15 Prozent Gewichtung zwischen Ökonomie der Fälle Kaufleute (in 77 Prozent finden diese Treffen nur unregelmä- und Ethik in ihrer späteren Abtei- Geschäftsführer, in neun Prozent die ßig statt, bei neun Prozent nie (siehe lung durch das eigene Verhalten im kaufmännische Leitung) die führen- Grafik 3). Zur Darstellung der wirt- Zusammenhang mit dem Einstel- de Rolle im Bewerbungsgespräch schaftlichen Erwartungen an die lungsgespräch zu gestalten. innehatten. Zugleich empfanden je- Chefärzte dienen vor allem kontinu- Ebenfalls von großer Bedeutung doch 58 Prozent der Befragten die ierlich aktualisierte DRG-Berichte für die Untersuchung ist die Frage: Bewerbungsgespräche als ange- (siehe Grafik 4). „Haben Sie in konkreten Einzelfäl- nehm („trifft vollkommen zu“) und len bereits einmal OP-Indikationen 37 Prozent immerhin noch als rela- Gewichtung selbst gestalten gestellt, um ökonomische Ziele zu tiv angenehm („trifft begrenzt zu“). Besonders bedeutsam für die Ana- erreichen, obgleich diese medizi- Ein nicht unerheblicher Anteil lyse ist die Frage zur möglichen nisch nicht zwingend geboten wa- der Befragten kann sich durchaus Mitgestaltung der ethischen Balan- ren?“ 85 Prozent der Befragten be- auch mit den ökonomischen Zielset- ce: „Das Verhalten des Kandidaten antworteten diese Frage mit „nein“, zungen des Krankenhausbetriebs im Allgemeinen identifizieren. Eine angemessene Gewichtung von ärzt- GRAFIK 4 lichen und ökonomischen Ziel- Mit welchem Medium/in welcher Form werden wirtschaftliche Erwartungen setzungen scheint somit für einen an Sie gestellt? (Mehrfachnennungen möglich) relevanten Anteil der beteiligten Chefärzte erreichbar. Dieses Ergeb- 80 74,51 nis relativiert die oft in den Medien 70,59 70 diskutierte Auffassung, wonach die 60 ärztliche Führung im Krankenhaus 49,02 50 in der Ökonomisierung per se nur in Prozent 40 Nachteile sehe und sich ihrer blo- 30 ckierend verwehre (3–5). Von die- 20 sem Eindruck weichen wiederum 10,78 10 5,88 5,88 die zahlreichen freien Kommentare 0 ab, in denen ein überhöhter ökono- DRG-Bericht Andere Form/Präsentation mischer Druck beschrieben wird, Cockpitdarstellung ökonomischer Daten der Frustration auslöse. So erklärte Clinotel-Ampelsystem Sonstiges (bitte angeben) einer der Teilnehmer: „Die Ökono- Benchmarkdaten mie ist mittlerweile wesentlich wichtiger als die Medizin. Chefärzte Deutsches Ärzteblatt | Jg. 118 | Heft 4 | 29. Januar 2021 A 183
THEMEN DER ZEIT sind de facto entmachtet durch die GRAFIK 5 tungsspektrums, ungünstige Ver- kaufmännischen Leitungen.“ Ein tragsbedingungen und die Ver- anderer schrieb, es gehe kaum noch Das Verhalten des Kandidaten im Einstellungsgespräch pflichtung, mit knappen Personal- um Patienten, sondern um Liege- kann beeinflussen, ob bei der späteren Tätigkeit ressourcen zu arbeiten (14–16). medizinethische Zielsetzungen höher gewichtet werden dauer, Case-Mix-Punkte und Erlö- Wie kann der einzelne Chefarzt als ökonomische Zielsetzungen. se: „Die Unzufriedenheit unter Ärz- zu Beginn seiner Tätigkeit Ein- ten und Schwestern wächst.“ 50 48,51 Trifft vollkommen zu fluss auf den Stellenwert ökonomi- 45 Trifft begrenzt zu scher Zielsetzungen nehmen? Die Bruch ethischer Normen 40 Trifft gar nicht zu Kandidaten sollten sich entschei- Aus ethischer Sicht stellt die Anga- den, ob sie im Wettbewerb um die 35 be zur Überschreitung gesetzlicher 29,70 angebotene Stelle eine Unterord- 30 Arbeitszeiten durch das ärztliche in Prozent nung unter ökonomische Zielset- 25 21,78 Personal als Ergebnis ökonomi- zungen um jeden Preis signalisie- 20 schen Drucks eine weitere Beson- ren möchten oder aber eigene, ori- derheit dar. Ein erheblicher persön- 15 ginär ärztliche Zielsetzungen hö- licher Einsatz zum Wohle der 10 her gewichten. Es könnte sich als Patienten gehört traditionell zum 5 ein Beitrag zum Rückgewinn von ärztlichen Selbstverständnis in der 0 mehr Autonomie in der ärztlichen Chirurgie. Die Ausbeutung dieser Leitung entwickeln. Zugleich ist Opferbereitschaft zugunsten der aber auch von der kaufmännischen Gewinnmaximierung stellt dagegen GRAFIK 6 Seite zu fordern, dass die Voraus- einen Bruch ethischer Normen dar. setzungen zur Einhaltung ärztlich- Haben Sie in konkreten Einzelfällen bereits einmal OP- Entgegen einiger Einschätzun- Indikationen gestellt, um ökonomische Ziele zu erreichen, professioneller Standards gewähr- gen in der Literatur zeigten die obgleich diese medizinisch nicht zwingend geboten waren? leistet werden. Gruppenvergleiche nur geringe Un- terschiede bezüglich der Träger- 100 Langfristiger Erfolg 85,44 Ja schaft in den Antwortprofilen der Die Einhaltung einer ethischen Ba- 80 Nein zentralen Fragen zur Bewertung des Ich möchte dazu keine lance sollte obligater Konsens im in Prozent ökonomischen Druckes. Dieses Er- 60 Angaben machen Zusammenspiel aus ärztlicher und gebnis überrascht vor dem Hinter- 40 Sonstiges (bitte angeben) kaufmännischer Führung im Kran- grund, dass private Träger allge- kenhaus sein. Eine nicht-indizierte mein als eher an wirtschaftlichen 20 Leistungsausweitung verbietet sich 7,77 5,83 0,97 Zielen orientiert gelten als freige- 0 hierbei ausdrücklich. Diese Maxime meinnützige oder öffentliche (6). ist auch aus unternehmerischer Per- Hier muss allerdings einschränkend spektive bedeutsam: Es kann mittel- angeführt werden, dass die Teilneh- ordnung mindert die berufliche Zu- und langfristig nicht im kaufmänni- merzahlen in den Gruppenverglei- friedenheit (7, 12, 13). Dieser Trend schen Interesse der Krankenhaus- chen keine Signifikanzanalysen zu- provoziert langfristig einen Nach- führung liegen, die Reputation eines ließen. wuchsmangel auch auf der ärztli- Krankenhauses durch eine Priorisie- Die Antworten auf die Frage, ob chen Führungsebene. Zudem wer- rung der Gewinnmaximierung aufs in konkreten Einzelfällen OP-Indi- den Zielkonflikte im ärztlichen Spiel zu setzen. Es ist lange be- kationen ohne medizinische Indika- Handeln mitunter von der Füh- kannt, dass nicht nur Kennzahlen, tion gestellt wurden, um ökonomi- rungsebene an die nachgeordneten sondern auch Compliance, ethi- sche Ziele zu erreichen, lässt es als Mitarbeiter weitergereicht. Diese sches Verhalten und Corporate So- dringend notwendig erscheinen, die Druckkette verschärft bereits jetzt cial Responsibility elementare Säu- auslösenden Umstände in Fachkrei- den Nachwuchsmangel bei den As- len für den langfristigen Unterneh- sen und Öffentlichkeit intensiver zu sistenz- und Fachärzten. menserfolg bilden (17–19). diskutieren. Jegliche Entscheidung Dabei fällt auf, dass rund 35 Pro- zugunsten ökonomischer Zielsetzun- zent der Befragten ihre zweite █ Zitierweise dieses Beitrags: Dtsch Arztebl 2021; 118(4): A 180–4 gen entgegen dem Patientenwohl Chefarztstelle innehaben, 13 Pro- stellt einen schwerwiegenden Ver- zent ihre dritte. Die Gründe dafür Anschrift für die Verfasser: stoß gegen medizinethische Grund- müssen offenbleiben. Die freien Dr. med. Erik Allemeyer gebote dar (2, 7–10) und könnte da- Kommentare legen allerdings nahe, Proktologie, Kontinenz- und Beckenboden- chirurgie, Niels-Stensen-Kliniken rüber hinaus sogar tatbestandsmäßig dass der ökonomische Druck für Franziskus Hospital Harderberg strafrechtlich als ein Körperverlet- den Stellenwechsel eine Rolle ge- Alte Rothenfelder Str. 23 zungsdelikt verfolgt werden (11). spielt haben könnte. Eine Analyse 49124 Georgsmarienhütte erik.allemeyer@niels-stensen-kliniken.de Der von den ärztlichen Füh- aus dem Jahr 2010 zeigt weitere rungskräften erlebte Rollenkonflikt mögliche Ursachen für Entlassun- Literatur im Internet: zwischen ökonomischer Gewinn- gen von Chefärzten auf: zu hohe www.aerzteblatt.de/lit0421 maximierung und ärztlicher Werte- Erwartungen bezüglich des Leis- oder über QR-Code. A 184 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 118 | Heft 4 | 29. Januar 2021
THEMEN DER ZEIT Zusatzmaterial Heft 4/2021, zu Bewerbungsgespräche von Chefärzten Ökonomie hat hohen Stellenwert Schon im Bewerbungsgespräch werden künftigen Chefärzten die wirtschaftlichen Ziele vermittelt, die sie erreichen sollen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage aus der Chirurgie. Viele sehen im Bewerbungsgespräch aber auch die Chance, das Ausmaß des ökonomischen Drucks zu begrenzen. Arne Christian Siewert, Karl-Heinz Wehkamp, Carsten Johannes Krones, Werner Vogd, Erik Allemeyer Literatur von Eingriffen als vorsätzliche Körperverlet- 1. Thielscher C: Zur Pathogenese der Ökono- zung. LSG München, Urteil vom 10. Mai misierung. Dtsch Arztebl Int 2018; 115 (43): 2016 – L 15 VG 39/12. A-1946/B-1625/C-1610. 12. Kapitza T, Tonus C: Kooperation oder Kon- 2. Wehkamp KH, Naegler H: Ökonomisierung flikt – Die Zusammenarbeit zwischen leiten- patientenbezogener Entscheidungen im den Chirurgen und Klinik-Geschäftsführung. Krankenhaus – Eine qualitative Studie zu Passion Chirurgie 02/2012. den Wahrnehmungen von Ärzten und Ge- 13. Tonus, C: Die Zusammenarbeit zwischen schäftsführern. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: leitenden ChirurgInnen und Klinikgeschäfts- 797–804. leitungen – Was hat sich verändert? Passi- 3. Albrecht B: 215 Ärzte fordern im Stern: on Chirurgie 03/2020: 10 (03): Artikel Mensch vor Profit. Stern 2019: 37: 24 ff. 04_0X. 4. Albrecht B: Ärzte-Appell im „Stern“: Mensch 14. Arbogast, R: Anforderungsprofil an den chi- vor Profit. Hamburger Ärzteblatt 2019; 73: rurgischen Chefarzt – Aus Sicht eines er- 22. fahrenen Chirurgen. Der Chirurg 2010; 81: 691–3. 5. Naegler H, Wehkamp KH: Medizin zwi- schen Patientenwohl und Ökonomisierung. 15. Heberer J, Hüttl P: Ursachen für das Schei- Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsge- tern chirurgischer Chefärzte. Der Chirurg sellschaft 2018; 110 ff. 2010; 81: 715–8. 6. Wörtz M: Erlöse – Kosten – Qualität: Macht 16. Jähne J: Managementqualitäten des chirur- die Krankenhausträgerschaft einen Unter- gischen Chefarztes: überlebenswichtig! Der schied? Berlin, Wiesbaden: VS Verlag für Chirurg 2012; 83: 368–73. Sozialwissenschaften 2008; 23 ff. 17. Menzies C, Tüllner J, Martin, A: Compliance 7. Vogd W, Feist M, Ostermann A, Molzberger Management – Nachhaltige Umsetzung in K: Führungskräfte im Krankenhaus: Um- der Praxis. Zeitschrift Führung + Organisati- gang mit ökonomischem Druck. Dtsch on ZfO. Stuttgart. Schäffer-Poeschel Verlag Arztebl Int 2017; 114 (43): A-1972. 03/2008; 136. 8. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftli- 18. Fink O: Integration der CSR in die Praxis – chen Medizinischen Fachgesellschaften oder: Wie befähigen wir Menschen einer e.V. (AWMF): Medizin und Ökonomie – Organisation zu dauerhaftem sozialverant- Maßnahmen für eine wissenschaftlich be- wortlichem Denken und Handeln? CSR im gründete, patientenzentrierte und ressour- Gesundheitswesen – Dynamik im Span- cenbewusste Versorgung. AWMF 2018. nungsfeld von individuellem und organisa- tionalem Anspruch und deren Auswirkungen 9. Hartmannbund: Medizin vor Ökonomie, auf die Unternehmensstrategie. Köln. Sprin- www.hartmannbund.de/detailansichten/ ger-Gabler Verlag 2018: 105 ff. landesverbaende/nordrhein/presse/ meldung/medizin-vor-oekonomie-aerztliche- 19. Viebranz: Haufe Compliance. www.haufe. berufsordnung-durchsetzen-aerztlichen- de/compliance/management-praxis/ berufsethos-wahren-leitend/ (last accessed compliance-tone-fromthe-top_230130_ on 27 April 2020). 458568.html (last accessed 10 January 2020). 10. Bundesärztekammer: (Muster-)Berufsord- nung für die in Deutschland tätigen Ärztin- nen und Ärzte – MBO-Ä 1997 –*) in der Fassung der Beschlüsse des 121. Deut- schen Ärztetages 2018 in Erfurt – geändert durch Beschluss des Vorstandes der Bun- desärztekammer am 14. Dezember 2018. www. bundesaerztekammer.de/fileadmin/ user_upload/downloads/pdf-Ordner/MBO/ MBOAE.Pdf (last accessed on 27 April 2020). 11. Landessozialgericht Bayern: Strafbarkeit A5 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 118 | Heft 4 | 29. Januar 2021
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