Geld & Börse - b e - LLB Vorsorgestiftung
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Inhalt Überblick 3 Editorial Marktbeurteilung 4 Marktbeurteilung 5 USA 6 Eurozone 7 Schweiz / Österreich 8 Asien 9 Zentral- und Osteuropa / Lateinamerika 10 Golfstaaten 11 Sonderthema: Die Zentralbanken haben ihre Spielräume ausgereizt 12 Sonderthema: «Commitment is an act, not a word.» 13 Obligationenmärkte 14 Inflation Linked Bonds / Hochzinsanleihen Aktienmärkte 15 Sonderthema: Vielseitigkeit ist Trumpf – Ein Mehrkampf für Aktien 16 Aktienmärkte im Überblick 17 Globale Sektoren im Überblick 18 Sonderthema: Warum alle Energie Solarenergie ist 19 Schweiz / Österreich 20 Europa / Nordamerika 21 Pazifik / Schwellenländer Weitere Anlageklassen 22 Wandelanleihen / Immobilienaktien 23 Sonderthema: «Drum prüfe, wer sich ewig bindet» 24 Immobilien 25 Listed Private Equity / Rohstoffe und Gold 26 Alternative Anlagen: Hedge Funds / Cat Bonds Anlagestrategien 27 Anlagestrategien und taktische Asset Allocation Anlagelösungen 28 LLB Comfort – Unsere Vermögensverwaltung Weitere Informationen 29 Zinssätze und Konditionen 30 Rechtlicher Hinweis 31 Impressum Geld & Börse · Dezember 2019
Editorial 2 – 3 Geschätzte Leserinnen, geschätzte Leser Mit der Dezember-Ausgabe von «Geld & Börse» halten Sie eine deutlich umfangreichere Publikation für einen Ausblick ins Jahr 2020 in den Händen. Im Konjunkturteil haben wir die USA, die Eurozone und die Schwellenländer regional aufgeteilt und unsere «Heimmärkte» Schweiz und Österreich sepa- rat beleuchtet. Bei den zahlreichen Hiobsbotschaften zur Lage in der Indust- rie mag es erstaunen, dass wir eine leichte Beschleunigung der globalen Kon- junktur für wahrscheinlich halten. Wegen der im November 2020 anstehen- den Wahl dürfte Präsident Trump stark motiviert sein, den Handelsstreit mit China zumindest teilweise beizulegen. Das sollte zu einer Stabilisierung im Industriesektor führen. Das, gepaart mit hoher Beschäftigung, steigenden Realeinkommen und deutlichen Zinssenkungen – insbesondere in den Schwellenländern – dürfte die Konjunktur unterstützen. Den Aktienteil haben wir mit Artikeln zu den globalen Sektoren und zu Aktien Schwellenländer angereichert. Insgesamt sind wir bei Aktien leicht unterge- wichtet. 2019 sind die Aktienkurse bei stagnierenden Gewinnen um circa 25 % gestiegen, was die Bewertung entsprechend in die Höhe getrieben hat. Gleichzeitig erscheinen uns die Gewinnerwartungen für 2020 zu optimis- tisch. Bei festverzinslichen Anlagen berichten wir über Obligationen guter Bonität, inflationsgeschützte Obligationen sowie Hochzinsanleihen. Darüber hinaus beleuchten wir Wandelanleihen, direkte Immobilienanlagen und Immobi- lienaktien, Listed Private Equity, Rohstoffe inklusive Gold, Hedge Funds und Cat Bonds. In zahlreichen Sonderthemen behandeln wir den aktuellen Zustand der Geldpolitik, die Nachhaltigkeit, die faktorielle Aktienselektion, die Zukunft der Energie und privat handelbare Kapitalanlagen. Wir hoffen, Ihr Interesse geweckt zu haben, wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und freuen uns, wenn Sie auch 2020 zu unseren Kunden gehören. Freundliche Grüsse Markus Wiedemann Chief Investment Officer Geld & Börse · Dezember 2019
Marktbeurteilung Obligationenmärkte – Seite 5 bis 14 Alternative Anlagen – Seite 22 bis 26 ◆ Nachdem das Wachstum der Weltwirtschaft heuer auf den ◆ Mit einem etwa 3-%-igen Wachstum der Nettogewinne der tiefsten Stand seit der Finanzkrise 2008/9 gefallen ist, wird US-REITs ist deren operative Entwicklung erfreulich. Die es sich im nächsten Jahr vermutlich leicht erholen. In den tiefen Leerstände und das unterdurchschnittliche Angebot Industrieländern stützt die solide Inlandsnachfrage die sind ein weiterer Pluspunkt für US-Immobilienaktien. Konjunktur, die durch die Schwäche im Welthandel und im globalen Industriesektor belastet wird. ◆ Die Anzahl an grossen Stürmen in den USA, die geringer war als erwartet, hat zu einem Repricing der dortigen Cat ◆ Trotz anständigem Wirtschaftswachstum ist die Inflation Bonds geführt. in den letzten Jahren nicht markant angestiegen. Selbst ein Lohnwachstum, das in einigen Ländern über dem Produk- ◆ Die Bedeutung des Long-Short-Equity-Segments für das tivitätsfortschritt liegt, zeigte keine Wirkung. Deshalb und Hedge-Funds-Universum und deren direktionale Eigen- weil die Abschwächung der Konjunktur den Teuerungs- schaften unterstützen die Performance des globalen druck reduziert hat, ist vorerst nicht von steigenden Inflati- Hedge-Funds-Index. onsraten auszugehen. ◆ Zyklische Rohstoffe wie Energie und Industriemetalle pro- ◆ Leitzinserhöhung sind in den USA vorläufig kein Thema fitieren von einem Nachlassen der Unsicherheit, während mehr. Ob die Zinssenkung um 75 Basispunkte im Laufe der Edelmetalle nur noch bedingt attraktiv sind. weiteren Quartale wieder rückgängig gemacht wird, ist mehr als fraglich. Der Höhepunkt in diesem Zyklus dürfte darum hinter uns sein. Die grösste Herausforderung der CHF-Wechselkurse EUR, USD, JPY Europäischen Zentralbank (EZB) ist nicht die konstant tiefe Inflationsrate. Sie liegt darin, zu verhindern, dass die EZB 160 (indexiert) über Jahre oder sogar Jahrzehnte in der ultralockeren Geld- 150 politik gefangen bleibt – so wie die japanische Zentralbank. 140 130 ◆ Im November wurden die umstrittenen EZB-Anleihekäufe mit einem Nettovolumen von monatlich EUR 20 Mia. er- 120 neut gestartet. Der Umfang ist jedoch deutlich geringer als 110 in der Vergangenheit. Deshalb erwarten wir keine signifi- 100 kante Kompression der Risikoaufschläge. 90 Aktienmärkte – Seite 15 bis 21 80 ◆ 2019 wird als sehr guter Aktienjahrgang in Erinnerung blei- 70 ben. Der Aktienmarkt hat im vergangenen Jahr negative 60 ASM / Datastream Ereignisse erfolgreich überwunden. Höhere Aktienpreise 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 und sinkende Unternehmensgewinne führen allerdings zu CHF/EUR CHF/USD CHF/JPY einer höheren Bewertung. Weltwirtschaft im Überblick BIP-Wachstum Verbraucherpreise Leistungsbilanzsaldo in % BIP 2020 2021 2020 2021 2020 2021 USA 1.6 1.9 1.9 2.0 –2.6 –2.5 Eurozone 1.0 1.3 1.2 1.5 2.7 2.7 Japan 0.5 0.8 1.2 0.8 3.3 3.2 Schweiz 1.2 1.4 0.4 0.7 9.6 9.8 Österreich 1.3 1.6 1.6 1.7 2.1 1.9 UK 1.0 1.5 1.9 2.0 –4.1 –4.2 China 5.9 5.7 2.4 2.2 0.5 0.4 Indien 6.0 6.7 3.6 3.9 –1.9 –2.0 Russland 1.6 1.9 3.6 4.0 3.8 3.2 Brasilien 2.0 2.5 3.6 3.7 –1.9 –2.3 Quellen: ASM, Bloomberg-Konsensus, November 2019 Geld & Börse · Dezember 2019
USA: Häusermarkt erholt sich Die Aussichten für die US-Wirt- USA: BIP-Wachstum und Wachstumsbeiträge schaft werden an den Finanzmärk- 6 ten inzwischen wieder etwas opti- (in % bzw. Prozentpunkten) mistischer beurteilt. Der private 5 Verbrauch bleibt vorerst die Stütze 4 der US-Konjunktur. Ein Ende der lockeren Geldpolitik ist nicht vor 3 Mitte 2020 zu erwarten. 2 1 Die US-Wirtschaft hat in den vergangenen Quartalen an Schwung verloren. Der Rückgang des Welthandelsvolumens 0 und die damit zusammenhängende Flaute der globalen –1 Industriekonjunktur sowie das Auslaufen der Steuersenkun- gen von Ende 2017 haben insbesondere die Unternehmens- –2 ASM / Macrobond 4 investitionen belastet. Der private Konsum hat sich bisher als –3 – 5 Stütze der amerikanischen Konjunktur erwiesen. Er profitiert Q3 18 Q4 18 Q1 19 Q2 19 Q3 19 von der anhaltend positiven Beschäftigungsentwicklung und Pr. Verbrauch Staat Investitionen Wohnbau Lager Nettoexporte BIP (% qoq, AR) steigenden Realeinkommen. Die Reduktion des Leitzinses um 75 Basispunkte seit Juli hat zudem zu einer Erholung des Häusermarktes beigetragen. Die Anlegerinnen und Anleger an den Finanzmärkten scheinen inzwischen ebenfalls von USA: Beschäftigungsentwicklung einem geringeren Rezessionsrisiko auszugehen, wie der Rückgang der Risikoaufschläge bei den Unternehmensanlei- 160'000 2'500 hen und die etwas steilere Zinsstrukturkurve zeigen. 150'000 2'000 Die empirische Evidenz für eine Erholung der Industriekon- 140'000 1'500 junktur ist aber nach wie vor schwach. Der ISM-Index hat sich 130'000 1'000 im Oktober nur geringfügig auf 48.3 Punkte erholt. Er liegt damit noch immer unter der Expansionsschwelle von 120'000 500 50 Punkten. Mit einer Trendwende im gütererzeugenden 110'000 0 Sektor rechnen wir erst im Verlauf des ersten Quartals 2020. Der private Verbrauch wird in den nächsten Quartalen eben- 100'000 –500 falls der Wachstumsmotor der US-Wirtschaft bleiben. Das Federal Reserve dürfte im Dezember eine Pause im Zinssen- 90'000 –1'000 kungszyklus einlegen. Eine weitere Zinssenkung im ersten ASM / Macrobond 80'000 –1'500 Quartal ist unseres Erachtens aber nach wie vor wahrschein- 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 lich. Die Spannungen der vergangenen Monate auf dem Beschäftigung in Tsd. Beschäftigungsentwicklung in Tsd. (rechte Skala) Interbankenmarkt sind in diesem Zusammenhang kritisch zu sehen. Dieser Markt ist ein Indiz dafür, dass die Notenbank keine volle Kontrolle über die Zinsen hat. Der Anstieg der Ver- braucherpreise wird auch im kommenden Jahr moderat aus- fallen. Der für viele Finanzmarktteilnehmer überraschende USA: Produktivität und Reallohn Rückgang des Produktivitätsfortschritts im dritten Quartal 7 (in %) um 0.3 % ändert daran nichts. Solange die Reallöhne im Rah- 6 men des Produktivitätsfortschritts steigen, gibt es keinen erhöhten Lohnstückkostendruck. 5 4 Die längerfristigen Performancepotenziale amerikanischer 3 Staatsanleihen sind aufgrund der tiefen Renditen beschei- 2 den. Da die laufend veröffentlichten Wirtschaftsdaten wei- terhin widersprüchliche Konjunktursignale geben werden, 1 wird es bis Mitte 2020 immer wieder zu Kurserholungen 0 kommen. Die Lockerung der Geldpolitik in den USA, die Han- –1 delspolitik der Trump-Administration und die beginnende –2 konjunkturelle Erholung der Schwellenländer schmälern die ASM / Macrobond Attraktivität des US-Dollar. –3 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Peter Goller Produktivität (Output pro Stunde) Reallohn Leiter Fixed Income Management Geld & Börse · Dezember 2019
Eurozone: Konjunktur weiterhin ohne Schwung Die Eurozone wird derzeit durch Wirtschaftswachstum (mit IWF-Prognose ab 2019) externe Faktoren belastet. Vor allem 3.0 Deutschland steht unter Druck. Die (in %) solide Inlandsnachfrage vermag bis- 2.5 her die Konjunktur zu stützen. 2.0 Solange der Arbeitsmarkt robust genug ist, wird das auch weiterhin 1.5 so bleiben. 1.0 0.5 Der Rückgang des Welthandels und der globalen Industrie- produktion begann im Frühjahr 2018 und war nicht nur das 0.0 Ergebnis des Handelsstreits zwischen den USA und China. –0.5 Die nachlassende Investitionstätigkeit in Asien und eine schleppende Produktion im Auto- und Technologiesektor –1.0 ASM / Macrobond waren genauso dafür verantwortlich. Das hat die Eurozone –1.5 belastet, die stark vom Welthandel abhängig ist. Das Wirt- 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 schaftswachstum wird dieses Jahr auf den tiefsten Stand seit der Eurokrise fallen. Deutschland mit seinem überdurch- schnittlich grossen Industriesektor trifft es besonders stark. Laut den Prognosen der Europäischen Kommission wird die deutsche Wirtschaft sowohl dieses als auch nächstes Jahr das Stimmungsindikatoren der Europäischen Kommission zweitkleinste Wachstum der Eurozone aufweisen. Nur in Ita- lien wird es noch geringer sein, was aber strukturelle Gründe 30 (in %) hat. Frankreich und Spanien, die zwei anderen grossen Volks- 20 wirtschaften der Währungsunion, sind mit ihrem geringen Exportanteil relativ geschlossene Ökonomien und dadurch 10 besser vor der Schwäche im Welthandel geschützt als Deutschland. 0 Die Stimmungsindikatoren zeigen derzeit ein geteiltes Bild. –10 Die Umfragen aus der Industrie weisen noch nicht auf eine Stabilisierung oder Wende hin, während sich die Werte bei –20 den Dienstleistern zwar verschlechtern, aber noch immer –30 positiv sind. Gerade in Deutschland scheinen sie unverändert in guter Verfassung zu sein. Da die beiden Bereiche aber nicht ASM / Macrobond –40 vollkommen unabhängig sind, besteht die Gefahr, dass die 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Dienstleister umso mehr in Mitleidenschaft gezogen werden, Konsumenten Industriesektor Dienstleister je länger die Schwäche in der Industrie andauert. Die Wirtschaft wird derzeit vor allem vom privaten Konsum gestützt, der von dem robusten Arbeitsmarkt und den stei- genden Löhnen profitiert. In mehreren Ländern wachsen die Beschäftigungswachstum Löhne schneller als die Produktivität, was eigentlich die Infla- 3 tion anheben sollte. Das passiert jedoch nicht. Auch wenn (in %) man den Grund nicht genau kennt, kann man davon ausge- 2 hen, dass die Inflation weiterhin tief bleiben wird. Die Geld- politik hat darum keinen Anlass für einen Richtungswechsel. 1 Sie kann locker bleiben und die Konjunktur stützen. Einige Staaten haben zudem etwas Spielraum bei der Fiskalpolitik. 0 Frankreich und vor allem Spanien können die Schwäche Deutschlands ausgleichen, sodass in der Eurozone eine –1 Rezession vermieden werden kann – auch wenn die eingangs beschriebenen Faktoren für den gedrückten Welthandel anhalten. Der Internationale Währungsfonds geht davon –2 aus, dass das Wirtschaftswachstum der Eurozone nächstes ASM / Macrobond Jahr leicht höher ausfallen wird als dieses Jahr. –3 00 02 04 06 08 10 12 14 16 18 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Roger Wohlwend Im Jahresvergleich Im Quartalsvergleich Anlageklassen-Researcher Fixed Income Geld & Börse · Dezember 2019
Schweiz Österreich Das schwierige aussenwirtschaftli- Die globale Konjunkturabkühlung, che Umfeld hat die Aussichten für die vor allem den Industriesektor die schweizerische Wirtschaft deut- erfasst hat, führte auch in Öster- lich eingetrübt. Im nächsten Jahr reich zu niedrigem Wachstum. könnte die Wirtschaft jedoch von Obwohl die Konjunkturschwäche den Olympischen Spielen in Japan noch nicht vorbei ist, dürfte die profitieren. Gesamtwirtschaft knapp an einer Rezession vorbeischrammen. Der US-Protektionismus hat die Wachstumsaussichten für Im zweiten und dritten Quartal ist die österreichische Wirt- die Schweiz deutlich eingetrübt: Für 2019 wird laut KOF mit schaft nur mehr um 0.1 % gegenüber den jeweiligen Vorquar- einem Wachstum von nur 0.9 % gerechnet. Das BIP-Wachs- talen gewachsen. Die BIP-Daten zeigen deutlich die Symp- tum wird 2020 jedoch auf 1.9 % anziehen. Diesen Umstand tome einer ausgeprägten Schwäche der Industrie, die unter verdankt die Schweiz den Olympischen Sommerspielen 2020 den globalen Handelskonflikten und der Brexit-Unsicherheit 6 in Japan. Auf das BIP wirken sich die Erlöse positiv aus, die im Allgemeinen sowie der schwierigen Lage im Automobil- – 7 von den in der Schweiz ansässigen internationalen Sportver- sektor im Besonderen leidet. Es ist deshalb wenig verwunder- bänden erzielt werden – ohne Grosssportereignisse würde lich, dass die früher noch stark wachsenden Investitionen das BIP-Wachstum 2020 mit 1.5 % niedriger ausfallen. Dabei fast zum Stillstand gekommen sind. Der schon seit 2018 wird der Konsum die tragende Säule der Konjunktur bleiben. schwächelnde Aussenhandel hat sich immerhin stabilisiert. Er wird von der günstigen Arbeitsmarktlage profitieren, die Die Konjunktur wird derzeit vor allem vom privaten Konsum mit moderat anziehenden Löhnen einhergehen wird. Laut getragen, der von der bislang noch guten Lage am Arbeits- Analysten werden vor allem die Pharmaindustrie, der Handel markt profitiert. Im Oktober lag die Arbeitslosenrate bei und die Finanzdienstleistungen Wachstumsbeiträge liefern. 4.5 %, allerdings mahnt der zuletzt vermeldete Anstieg der Im Bau wird die Dynamik weiter nachlassen. Die Schweiz Arbeitslosigkeit im Industriebereich zur Vorsicht. Das im steht Abwärtsrisiken gegenüber. Handelskonflikte, ein unge- Oktober einsetzende Tauwetter bei den Risikofaktoren Han- regelter EU-Austritt Grossbritanniens und die politischen delskonflikte und Brexit macht aber Hoffnung, dass die kon- Spannungen in Nahost könnten die Wirtschaft beeinträchti- junkturelle Talsohle bald durchschritten ist. Der Einkaufsma- gen. Markante Bewegungen an den Kapitalmärkten sind nagerindex für den Industriebereich stabilisierte sich auf möglich und ein Aufflammen der Unsicherheit würde dem tiefem Niveau, zudem vermeldeten die Unternehmen keinen Schweizer Franken zugutekommen. Der Aufwertungsdruck weiteren Rückgang ihrer Auftragseingänge. Dennoch wird wird anhalten. Zinssenkungen der SNB sind 2020 nicht aus- das konjunkturell schwierige Umfeld vorerst noch andauern, geschlossen, die höheren Freibeträge haben dafür den Spiel- wir erwarten für 2020 ein BIP-Wachstum von unter 1 %. raum leicht vergrössert. Die Zinspolitik wird vom Wechsel- Angesichts des verhaltenen Konjunkturausblicks lässt die kurs zum Euro abhängen. Unserer Meinung nach ist eine Inflation weiter nach. Während sie 2019 bei rund 1.5 % liegen Senkung des SNB-Leitzinses jedoch erst bei einem Unter- dürfte, erwarten wir für 2020 einen nochmaligen leichten schreiten der Marke von CHF 1.05 je Euro zu erwarten. Inflationsrückgang. Waldemar Lukas Ronald Plasser Anlageklassen-Researcher Fixed Income Fondsmanager Obligationen Wachstumsprognosen für die Schweiz BIP-Wachstum und Vorlaufindikator 2.0 6.0 64 (in %, yoy) (in %, yoy) (in Pkte) 4.5 60 1.6 3.0 56 1.5 52 1.2 0.0 48 Prognose 0.8 44 –1.5 –3.0 40 0.4 –4.5 36 ASM / Konjunkturforschungsstelle (KOF) ASM / Bloomberg mberg 0.0 –6.0 32 2019 2020 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Inklusive Sportanlässe Ohne Sportanlässe Österreich BIP real Österreich Einkaufsmanagerindex Industrie (rechte Skala) Geld & Börse · Dezember 2019
Asien In China und Indien hat die Wirt- China: Konjunktur- und Bevölkerungsentwicklung schaft an Dynamik verloren. Wäh- 12 74 rend in China strukturelle Faktoren (in %, yoy) (in %) für eine weitere Wachstumsverlang- 11 73 samung sprechen, ist in Indien angesichts der lockeren Fiskal- und 10 72 Geldpolitik mit einer konjunkturel- len Erholung zu rechnen. 9 71 Chinas Wirtschaft hat im Jahresverlauf von 2019 an Dynamik 8 70 eingebüsst. Dafür ist einerseits der anhaltende und sich Prognosen 7 69 immer wieder verschärfende Handelskonflikt zwischen den USA und China verantwortlich. Andererseits sind strukturelle 6 68 Faktoren Gründe für die Wachstumsverlangsamung. Die Ver- ASM / Bloomberg / Macrobond schuldung, die zur Bewältigung der Finanzkrise von 2008/09 5 67 zugelassen wurde, spiegelt sich zunehmend in der fehlerhaf- 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 ten Kapitalallokation wider. Zudem nimmt die Rolle des Staa- BIP Erwerbsbevölkerungsanteil (rechte Skala) tes in der Wirtschaft zu. Überdies wird der Rückgang der Erwerbsbevölkerung das BIP-Wachstum dämpfen. Vor die- sem Hintergrund hat die Regierung ihren Reformkurs fortge- setzt und der Zugang zum chinesischen Markt wurde für China: Zinssätze und Mindestreservesatz ausländische Unternehmen erleichtert. Bei der Zinsreform kommt den Marktkräften eine grössere Rolle zu. Die erfolg- 7 23 (in %) (in %) ten Massnahmen gehen zwar in die richtige Richtung, aber die Umsetzung verläuft schleppend. Angesichts des Handels- 6 21 streits mit den USA wird sich daran wenig ändern. Im Fokus der Wirtschaftspolitik wird nach wie vor die Drosselung der 5 19 Wachstumsabschwächung stehen. Es ist deshalb mit einer expansiven Finanz- und Geldpolitik in China zu rechnen, die 4 17 durch vorsichtiges Vorgehen gekennzeichnet sein wird. Unserer Ansicht nach wird die Expansionsrate der chinesi- 3 15 schen Wirtschaft 2020 unter 6 % rutschen. Eine mögliche Einigung mit den USA wird China nur vorübergehend zugu- 2 13 tekommen. ASM / Bloomberg 1 11 Entgegen den Erwartungen hat Indiens Wirtschaft im laufen- 2009 2011 2013 2015 2017 2019 den Jahr deutlich an Tempo verloren, und zwar von 8 % Mitte Kreditzins Loan Prime Zins Mindestreservesatz (rechte Skala) 2018 auf 5 % Mitte 2019. Dieser Umstand veranlasste die Regierung, zahlreiche Vorhaben zur Konjunkturunterstüt- zung anzustossen. Einen signifikanten Wachstumsbeitrag wird dabei die umfassende Reform der Unternehmensbe- steuerung liefern, bei der der effektive Körperschaftsteuer- Unternehmenssteuern im Vergleich satz von 35 % auf 25 % reduziert wird. Mittelfristig verbessern 30 die tieferen Unternehmenssteuern die Wettbewerbsfähig- (in %) keit Indiens. Kurzfristig werden insbesondere die grösseren 25 Staatsausgaben zur Förderung des Export- und Immobilien- sektors die Wirtschaft antreiben. Unserer Ansicht nach wer- 20 den die Bemühungen der Regierung erst im zweiten Quartal 2020 sichtbar. Angesichts der moderaten Inflation wird die 15 indische Notenbank ihren expansiven Kurs fortsetzen. Zusammen mit der lockeren Fiskalpolitik dürfte das BIP- 10 Wachstum auf über 6 % in der zweiten Jahreshälfte 2020 anziehen. Unserer Meinung nach sind keine grösseren Bewe- gungen der indischen Rupie zu erwarten. Eine Abwertung 5 über INR 73 je US-Dollar hinaus ist in den nächsten Monaten ASM / OECD unwahrscheinlich. 0 JP IN CN ID KR TH SG Waldemar Lukas Anlageklassen-Researcher Fixed Income Geld & Börse · Dezember 2019
Zentral- und Osteuropa Lateinamerika Der Konjunkturmotor dieser Welt- Aufgrund der politischen Unsicherheit und des schwä- region ist nach Osten gewandert. cheren Welthandels ist Lateinamerika das wirtschaftli- Kräftige Zinssenkungen in Russland che Schlusslicht unter den grossen Weltregionen. Eine und in der Türkei werden dort für Lockerung der Geldpolitik sorgt aber 2020 für eine deutlich mehr Wirtschaftswachs- Beschleunigung des BIP-Wachstums. tum sorgen, während das schwache Konjunkturumfeld der Eurozone belastend wirkt. Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Rumänien Die Wirtschaft Lateinamerikas dürfte 2019 im Durchschnitt und Bulgarien verzeichneten 2018 noch sehr hohe BIP- nur um 0.6 % gewachsen sein. In zahlreichen Ländern hat die Wachstumsraten zwischen 3 % und 5 %. Das führte in diesen Konjunkturschwäche politische Ursachen. Argentinien erlitt Ländern zu rekordtiefen Arbeitslosenraten und erhöhtem durch die Abwahl der wirtschaftsfreundlichen Regierung und Inflationsdruck. 2019 hat sich die Konjunktur dort aber spür- wegen der Rückkehr der Peronisten einen schweren Vertrau- 8 bar abgekühlt, da diese Länder relativ starke Handelsbezie- ensverlust auf den Finanzmärkten, der den Peso erneut – 9 hungen mit der mittlerweile wirtschaftlich stagnierenden abstürzen liess, die Inflation hochtrieb und die Rezession ver- Eurozone aufweisen. So tragen die früher noch stark wach- tiefte. Die stagnierende mexikanische Wirtschaft leidet vor senden Exporte und Investitionen weniger zum Wirtschafts- allem unter der Benzinverknappung vom Beginn des Jahres, wachstum bei, während sich der private Konsum aufgrund die den Diebstahl von Benzin aus Pipelines eindämmen der noch immer sehr guten Lage auf dem Arbeitsmarkt ver- sollte. In Chile, Bolivien und Ecuador kam es nach sozialen gleichsweise gut hält. Der leicht nachlassende Inflations- Unruhen zu einer Eintrübung der Konjunktur, Venezuela druck macht in diesen Ländern keine weiteren Zinsanhebun- bleibt weiterhin im Ausnahmezustand. Brasilien als wichti- gen mehr notwendig. ger Rohstofflieferant spürt wiederum die Auswirkungen der globalen Konjunktureintrübung, die von den Handelskonflik- Weiter östlich, in Russland, der Ukraine und der Türkei, fallen ten ausgeht. Wegen der Konjunkturschwäche ist aber die Inflationsraten sehr deutlich. Die aufgrund früherer Kri- immerhin die Inflation in den meisten Ländern (mit Aus- sen restriktive Geldpolitik kann nun gelockert werden, was nahme von Argentinien und Venezuela) deutlich zurückge- sich in kräftigen Zinssenkungen zeigt. In den letzten Mona- gangen. Dadurch können zahlreiche Notenbanken ihre Leit- ten wurde der Leitzins in der Türkei von 24 % auf 14 % gesenkt zinsen senken und so die schwache Wirtschaft ankurbeln. In und in Russland von 7.75 % auf 6.5 %. In Russland kann der Brasilien erreichte der Leitzins Ende Oktober ein neues All- Zinssenkungszyklus bei Inflationsraten von unter 4 % weiter- zeit-Tief von 5 % und weitere Zinssenkungen werden folgen. gehen. Damit sollte sich das BIP-Wachstum im kommenden Die brasilianischen Einkaufsmanagerindizes haben sich seit Jahr auf 2 % beinahe verdoppeln, und die Türkei dürfte mit Jahresmitte bereits verbessert. In Summe hellten sich die einem noch stärkeren BIP-Wachstum die Rezession endgül- Konjunkturperspektiven für ganz Lateinamerika etwas auf, tig hinter sich lassen. Für die osteuropäischen Nachbarländer sodass für 2020 ein leichtes Wirtschaftswachstum absehbar ist das ein Konjunkturimpuls, der einen kleinen Teil der ist. Abschwächung der Eurozone abfedern kann. Ronald Plasser Fondsmanager Obligationen BIP-Wachstumsprognosen des IWF Schwellenländer: Leitzinsen 8 25 (in %, yoy) (in %) 6 20 4 15 2 10 0 5 –2 ASM / IWF ASM / Bloomberg –4 0 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Türkei Russland Mexiko Rumänien Ungarn Argentinien Brasilien Polen Russland Türkei Brasilien Mexiko 2017 2018 2019 2020 2021–24 Geld & Börse · Dezember 2019
Golfstaaten Tiefe Ölpreise und politische Unsi- Wachstumsprognosen cherheit haben das BIP-Wachstum 4.0 in den Golfstaaten gebremst. Zwar (in %, yoy) werden einige Länder von Sonder- 3.5 faktoren profitieren, eine markant 3.0 höhere Wirtschaftsdynamik ist jedoch aufgrund des schwierigen 2.5 Umfelds unwahrscheinlich. 2.0 Die Wirtschaftsaktivität liess in den Golfstaaten (GCC) 2019 1.5 nach. Dieser Umstand ist hauptsächlich auf die Vereinbarun- gen zur Reduktion der Ölproduktion im Rahmen der OPEC+ 1.0 (OPEC und Russland) zurückzuführen. Zudem wurden die 0.5 Ölpreise von der anhaltenden Unsicherheit belastet, die aus ASM / Weltbank der protektionistischen US-Handelspolitik und den politi- 0.0 schen Spannungen zwischen Saudi-Arabien und den USA GCC BH KW OM QA SA AE gegenüber dem Iran resultiert. Darüber hinaus ringen die 2019 2020 meisten Golfstaaten noch immer um die Konsolidierung der Staatsfinanzen, die nach dem abrupten Ölpreisverfall 2014 erforderlich wurde. Im kommenden Jahr wird mit anziehen- dem Wirtschaftswachstum gerechnet. Dabei profitieren Preisentwicklung und US-Geldpolitik einige Staaten von Sonderfaktoren. In den Vereinigten Arabi- 6.0 3.0 schen Emiraten wird die Weltausstellung (EXPO) dem Touris- (in %, yoy) (in %) mussektor zugutekommen. Katar bereitet sich auf die Fuss- 4.5 2.5 ballweltmeisterschaft von 2022 vor; mit den damit einher- gehenden Investitionen in die Infrastruktur stemmt sich das Land der schwachen Wirtschaftsdynamik entgegen. In 3.0 2.0 Oman wird die Aufnahme der Förderung im neuen Erdgas- feld Khazzan einen Anstieg der Wirtschaftsleistung nach sich 1.5 1.5 ziehen. In Saudi-Arabien wird die für 2020 anvisierte Inbe- triebnahme einer neuen Raffinerie in Jizan der Industrie 0.0 1.0 einen Schub verleihen. –1.5 0.5 Zwar kommen die Zinssenkungen des Fed der Region zugute, aber die Geldpolitik ist im Durchschnitt zu restriktiv ange- ASM / Bloomberg / Macrobond –3.0 0.0 sichts der Bindung der Lokalwährungen an den US-Dollar. 2015 2016 2017 2018 2019 Die Region ist Risiken ausgesetzt. Die Vereinbarung der BH KW OM QA SA AE US-Leitzins (rechte Skala) OPEC mit Russland zur Drosselung der Ölproduktion läuft im März 2020 aus und eine Verlängerung ist aufgrund des ver- haltenen Expansionstempos in Russland nicht sicher. Zudem weisen Bahrain und Oman hohe Leistungsbilanzdefizite auf, Leistungsbilanz und Währungsreserven (2019) die die Bindung an den US-Dollar infrage stellen könnten. Überdies könnten die politischen Spannungen die regionale 10 180 (in % des BIP) (in Mia. USD) Wirtschaft beeinträchtigen. Die Blockade Katars durch die 8 160 Nachbarländer setzt dem Land nach wie vor zu. Neue Anschläge auf Ölanlagen stellen eine Gefahr für Saudi-Ara- 6 140 bien dar. Zwar haben die Golfstaaten Fortschritte bei der 4 120 Diversifizierung ihrer Volkswirtschaften in den letzten Jahren erzielt, sie bleiben jedoch weiterhin von der Entwicklung der 2 100 Ölpreise abhängig. Die schwache Weltkonjunktur lässt einen 0 80 moderaten Verlauf der Ölpreise erwarten. Trotz der Sonder- –2 60 faktoren wird das BIP-Wachstum in den Golfstaaten unter- durchschnittlich bleiben, mit rund 2.5 % prognostiziert für –4 40 2020. Eine ausgeprägte Beschleunigung des Wirtschafts- –6 20 wachstums ist in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. ASM / Bloomberg / Weltbank –8 0 BH KW OM QA SA AE Waldemar Lukas Leistungsbilanzsaldo Währungsreserven (rechte Skala) Anlageklassen-Researcher Fixed Income Geld & Börse · Dezember 2019
Die Zentralbanken haben ihre Spielräume ausgereizt Die Nominalzinsuntergrenze Leit- bzw. Einlagezinsen der Zentralbanken schränkt den Handlungsspielraum 3.0 der Zentralbanken ein. Eine Norma- (in %) lisierung des Zinsniveaus ist noch 2.5 nicht absehbar. In der nächsten 2.0 Rezession zeichnet sich eine Kombi- nation aus expansiver Fiskal- und 1.5 Geldpolitik ab. 1.0 Seit der Finanzkrise operieren die Notenbanken in den entwi- 0.5 ckelten Volkswirtschaften mehr oder weniger an der Nomi- nalzinsuntergrenze. Ihr klassisches Instrument, die Zinspoli- 0.0 tik, ist stumpf geworden. Die Zinsen können nämlich nicht –0.5 beliebig weit in den negativen Bereich gedrückt werden, ASM / Macrobond 10 solange es die Alternative der kostenlosen Bargeldhaltung –1.0 – 11 gibt. Die Zentralbanken haben deshalb auf ausserordentliche 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 geldpolitische Massnahmen wie beispielsweise Forward USA Fed Funds Rate EZB Einlagezins Japan Einlagezins Schweiz Einlagezins Guidance und Wertpapierkäufe zurückgegriffen, um die Wir- kung der Geldpolitik auf Nachfrage und Inflationserwartun- gen zu erhöhen. Die angelsächsischen Notenbanken sind bisher vor der Einführung negativer Zinsen zurückgeschreckt. OECD: Produktionslücke in % des Potenzialwachstums In Teilen Europas und in Japan sind sie zur Realität geworden. 8 (in %) Die Notenbanken rechtfertigen die Fortsetzung der expansi- 6 ven Geldpolitik mit dem schwachen Wachstum und der Teu- erungsrate, die unter der Zielvorgabe liegt. Nach den Schät- 4 zungen der Produktionslücke von OECD und Internationalem Währungsfonds sind die Produktionsfaktoren nicht mehr 2 unterausgelastet. Auch die Arbeitsmärkte scheinen weitge- hend geräumt zu sein. Die realwirtschaftlichen Vorausset- 0 zungen für die Fortsetzung der extrem lockeren Geldpolitik sind somit nicht mehr gegeben. Die Europäische Zentralbank –2 wird nach Aussagen ihres Chefvolkswirts Philip Lane die –4 expansive Geldpolitik trotzdem so lange fortsetzen, bis das Inflationsziel von 2 % erreicht ist. Die anhaltend lockere Geld- –6 ASM / Macrobond politik gefährdet die finanzielle Stabilität, wie die teilweise 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009 2012 2015 2018 überhitzten Immobilienmärkte und die hohe Bewertung risi- USA Eurozone Japan Schweiz kobehafteter Anlagen zeigen. Sie hat zudem erhebliche Ver- teilungswirkungen und führt zu einer ineffizienten Kapitalal- lokation. Mit negativen Nominalzinsen lassen sich Investitionsprojekte nicht mehr sinnvoll bewerten. Die Dis- kontierung zukünftiger Cashflows mit negativen Zinsen Abweichung der Arbeitslosenrate von der NAIRU* führt nämlich zu ökonomisch widersinnigen Ergebnissen. 6 (in Prozentpunkten) 5 Wie begrenzt die Spielräume der Zentralbanken mittlerweile sind, zeigten die Beiträge einer Konferenz, die von der Federal 4 Reserve Bank of Chicago im Juni dieses Jahres veranstaltet 3 wurde. Die Forderung von Christine Lagarde, der Präsidentin der Europäischen Zentralbank, nach einer expansiven Finanz- 2 politik gibt Aufschluss darüber, dass sich Anlegerinnen und 1 Anleger in der nächsten Rezession auf eine Kombination aus 0 expansiver Fiskal- und expansiver Geldpolitik einstellen müs- sen. In dem Aufschwung, der auf die Rezession folgen wird, –1 ist dann höchstwahrscheinlich mit höheren Inflationsrisiken –2 zu rechnen. ASM / Macrobond –3 1990 1994 1998 2002 2006 2010 2014 2018 Peter Goller USA Eurozone Japan Leiter Fixed Income Management *NAIRU: Arbeitslosenrate bei konstanter Inflation Geld & Börse · Dezember 2019
«Commitment is an act, not a word» Dieses Zitat stammt vom Vordenker Das neue «magische» Viereck des Existenzialismus: Jean-Paul Sar- tre. Es verdichtet sämtliche Frage- Nach- stellungen der Nachhaltigkeit auf haltigkeit die Bedeutung des Handelns. Die Existenzialisten sehen den Men- schen als Vernunftwesen, das Ver- Rendite antwortung in seinem Tun trägt. Der überlebenswichtige Wille in Richtung Nachhaltigkeit in den verschiedensten Aspekten des täglichen Lebens und Wirtschaftens gründet nicht zuletzt im Pariser Klimaabkom- men aus dem Jahr 2016. In diesem haben sich die Unterzeich- Risiko Liquidität ner verpflichtet, die menschengemachte globale Erderwär- mung auf unter 2 Grad Celsius gegenüber den vorindustriellen Werten zu begrenzen. Die dafür notwendigen finanziellen ASM / eigene Darstellung Mittel sollen zudem die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen unterstützen. Das hat die EU 2018 zur Lancierung des Aktionsplans für nachhaltige Investitionen und für die nachhaltige Ausgestaltung von Finanzflüssen ver- anlasst. Bereits seit Längerem avisiert die EU die schriftliche Suchdynamik des Begriffs «ESG» bei Google Niederlegung aller detaillierten Punkte zu nachhaltigem Investieren an – aus diesen Worten sollen dann wieder Taten 120 folgen, die das «Commitment» zum nachhaltigen Handeln widerspiegeln. 100 Die bisherige Entwicklung und besonders der angestrebte 80 Zielzustand führen allen Beteiligten klar vor Augen, dass die aktuelle Position jedes Einzelnen im Kontinuum zwischen 60 nicht nachhaltig und sehr nachhaltig nur die eine Seite der Medaille ist. Auf der anderen Seite geht es um Bewegung, 40 Momentum und Veränderung, um die ambitiösen Ziele zu erreichen. Sich und andere auf diesem Entwicklungspfad 20 weiterzubringen, ist daher auch im fünften Prinzip der UN Principles for Responsible Investments beschrieben: «Wir 0 ASM / Google Search Trends werden zusammenarbeiten, um unsere Wirksamkeit bei der 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Umsetzung der Prinzipien zu steigern.» Relative Google-Search-Volumen nach dem Begriff «ESG» & Finance (ESG: Environment, Social and Governance) Die LLB hat sich bereits lange vor dem EU-Aktionsplan mit dem Angebot nachhaltiger Anlageberatungs- und Vermö- gensverwaltungsmandate auf diesen Weg gemacht. Die For- mulierung klarer und nachvollziehbarer Nachhaltigkeitskri- Mobilitätsdaten für die Stadt Wien terien in der Vermögensanlage wie auch die Nachhaltig- 410 50 keitsberichterstattung auf Gruppenebene stellen für uns die konsequenten Schritte im Einklang mit diesem Aktionsplan 405 45 dar. Durch die Erweiterung des «magischen Dreiecks» der 400 Geldanlage hin zu einem Viereck aus Rendite, Risiko, Liquidi- 40 tät und Nachhaltigkeit ermöglicht er aber auch, mit dem 395 Kunden neue und inspirierende Gespräche über diese Aspekte 390 35 seiner Geldanlage zu führen. Die beiden Grafiken (Interesse am Thema ESG oder Auto vs. Bike) belegen, dass der Weg zu 385 30 mehr Nachhaltigkeit einen längeren Atem und Ausdauer benötigt. Das sollte ebenfalls der Vermögensanlage zugute- 380 kommen und die Langfristigkeit der Beratungsqualität und 25 375 der Kundenbeziehung in den Mittelpunkt stellen. ASM / Stadt Wien, Statista 370 20 Bernhard Schmitt 2004 2007 2010 2013 2016 2019e Leiter Equity & Multi Manager Management Pkw-Dichte (pro 1'000 Einw.) Anzahl Fahrradstellplätze (in Tsd., r. Sk.) Geld & Börse · Dezember 2019
Obligationenmärkte Im November wurden die umstrit- Volumen der EZB-Ankaufprogramme tenen EZB-Anleihekäufe mit einem 3'000 Nettovolumen von monatlich (in Mia. EUR) ASM / Bloomberg EUR 20 Mia. erneut gestartet. Der 2'500 Umfang ist jedoch deutlich geringer als in der Vergangenheit. Deshalb erwarten wir keine signifikante 2'000 Kompression der Risikoaufschläge. 1'500 Bei der EZB-Sitzung im September wurde die Wiederauf- nahme der Ende 2018 eingestellten Netto-Anleihekäufe per 1'000 Anfang November angekündigt. Obwohl das monatliche Ankaufvolumen mit EUR 20 Mia. unter den Erwartungen lag, 500 überraschte die Formulierung, die Ankäufe so lange fortzu- 12 setzen, bis das Inflationsziel erreicht werde. Eine längerfris- 0 – 13 tige Umsetzung wird allerdings erschwert, indem unter 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Berücksichtigung des EZB-Kapitalschlüssels nach etwa ein- Public Sector PP Covered Bond PP1 Covered Bond PP2 einhalb Jahren die ISIN-Obergrenze von 33 % bei deutschen Covered Bond PP3 ABSPP Corporate Sector PP Bundesanleihen erreicht sein dürfte. Als im März 2015 die EZB mit monatlich EUR 60 Mia. begann, am Staatsanleihen- markt zu intervenieren, wurde stets ein Deflationsszenario Bund-Renditen u. langfristige Inflationserwartungen bemüht, das es abzuwehren galt. Ein Jahr später wurde das Volumen auf EUR 80 Mia. erhöht und das Ankaufprogramm 2.0 2.50 (in %) auf Unternehmensanleihen ausgedehnt. Die zusätzliche Nachfrage durch die EZB führte zu einer massiven Rendite- 1.5 2.25 kompression, von der Risikoaktiva wie Peripherie-Staatsan- leihen und BBB-Unternehmensanleihen stark profitierten. 1.0 2.00 Dem Abwärtstrend bei den langfristigen Inflationserwartun- gen konnte durch diese unkonventionellen Massnahmen 0.5 1.75 dennoch nicht entgegengewirkt werden. Im Sommer 2019 bewertete der Markt ein Inflationsniveau von weniger als 0.0 1.50 1.2 %. –0.5 1.25 Unseres Erachtens dürften die erneuten EZB-Ankäufe dem Anleihemarkt kaum Rückenwind geben, weil das Volumen ASM / Bloomberg –1.0 1.00 vergleichsweise gering ist und sogar seitens der französi- 2014 2015 2016 2017 2018 2019 schen Notenbankvertreter als unnötig angesehen wurde. Rendite DE 10Y EUR Inflation Swap Forward 5Y5Y (rechte Skala) Um ein signifikantes Ankaufpotenzial zu schaffen, wäre eine Aufweichung der Restriktionen beim Erwerb von Staatsan- leihen erforderlich. Infolge der jüngsten Meinungsdivergen- zen im EZB-Rat müsste jedoch ein handfestes Krisenszenario vorliegen, um diese Widerstände abzubauen. Wahrscheinlich Risikoaufschläge zu deutschen Staatsanleihen dürften allerdings fiskalpolitische Impulse im Mittelpunkt 400 (in Bp.) ASM / Bloomberg stehen. Mithin verdeutlicht die Korrektur am Rentenmarkt seit September, dass das geldpolitische Instrumentarium der 350 EZB vorerst ausgereizt sein dürfte. Am Markt sind derzeit 300 keine weiteren Senkungen des Einlagezinssatzes von –0.5 % eskomptiert. Demnach erwarten wir kaum Auswirkungen 250 auf die Risikoaufschläge bei Staatstiteln. Am ehesten dürfte 200 ein stabilisierender Effekt bei Unternehmensanleihen eintre- ten, auf die etwa 15 bis 20 % der Nettoankäufe entfallen dürf- 150 ten. Wir empfehlen weiterhin, auf solide Emittenten mit einem gut abgesicherten Investment-Grade-Rating zu set- 100 zen. Schliesslich können Anleihen unterhalb dieses Rating- 50 niveaus nicht durch die Zentralbanken angekauft werden. 0 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Stefan Rösch Fondsmanager Obligationen Frankreich 10y Italien 10y Spanien 10y Portugal 10y Geld & Börse · Dezember 2019
Inflation Linked Bonds Hochzinsanleihen Das rückläufige Wirtschaftswachs- Trotz einer tiefen Ausfallrate und tum in der Eurozone hat die Inflati- einer relativ hohen Verfallsrendite onserwartungen weiter gebremst, von 6 % haben Hochzinsanleihen während in den USA die Geldpolitik einen schweren Stand bei den Anle- und der Zollstreit im Zentrum des gern. Damit sich das ändert, sind Interesses stehen. vor allem bessere Konjunkturdaten und weniger Unsicherheit notwen- dig. Die Inflationsrate lag in der Eurozone im Oktober bei 0.7 % Nachdem die Hochzinsanleihen das vergangene Jahr mit gegenüber 1.5 % Ende 2018. Die sogenannte Break-Even- einem Verlust beendet haben, kam es in diesem Jahr zur Inflation (BEI), berechnet aus der Differenz von Nominal- und Gegenbewegung. Der Ertrag ist mit mehr als 10 % zwar ein- Realrendite gleicher Laufzeiten, notiert für die zehnjährigen drücklich, aber nicht aussergewöhnlich im Vergleich zu den deutschen Linker bei 0.6 % und für Frankreich bei 1 %. Damit letzten Jahren. Bemerkenswert ist allerdings, dass innerhalb sind sie weit vom EZB-Ziel von 2 % entfernt. Dieses hat sie zu- der Hochzinsanleihen vor allem die Titel mit der relativ bes- sätzlich zu einem symmetrischen Zielband geändert. Sie wird ten Bonität (Rating BB) gefragt waren und weniger die Anlei- also künftig ein Überschiessen im gleichen Ausmass akzep- hen der niedrigsten Bonität (Rating CCC und schlechter). tieren wie das aktuelle Unterschiessen. Folgen die Staaten Bisher wurde stets das umgekehrte Szenario beobachtet, der Empfehlung einer expansiveren Fiskalpolitik, würde das wenn der Markt derart stark war. Diese Reaktionen dürften die Inflationsrisiken steigen lassen. Damit sprechen drei vor allem auf die politische Unsicherheit und die Angst vor gewichtige Argumente für die Attraktivität der Euro-Linker. einer Rezession zurückzuführen sein, die die Anleger vorsich- tig werden liess. Die Ausfallrate ist historisch tief und gibt an In den USA sind die Verbraucherpreise um 1.8 % angestiegen, und für sich keinen Anlass für die Bevorzugung der «besten» was etwa dem Wert vom Jahresende 2018 (1.9 %) entspricht. Bonität. Damit haben sie die leichte Abkühlung der US-Konjunktur nicht nachvollzogen. Wir führen das auf den Anstieg des Der hohe Ertrag entstand im ersten Halbjahr, vor allem im Ölpreises gegenüber Jahresanfang und die Importzölle Januar und im Juni. Im zweiten Halbjahr wurden die monat- zurück. Die Arbeitslosenrate war weiter rückläufig. Der lichen Erträge deutlich kleiner. Ein ähnliches Muster weist Anstieg der durchschnittlichen Stundenlöhne hat sich jedoch der US-amerikanische Aktienmarkt auf, der mit den Hoch- wieder abgeschwächt, mit zuletzt 3.0 % liegt er aber noch zinsanleihen eine hohe Korrelation (0.77) aufweist. Es scheint immer deutlich über der Inflation. Wir gehen davon aus, dass also, dass es einen gemeinsamen Faktor gibt, der beide das Fed ein Überschiessen der Inflation ebenfalls tolerieren Märkte bewegt und die Risikobereitschaft der Anleger wider- wird. Der zehnjährige Inflationsswap liegt bei 1.9 %. Die spiegelt. Das bedeutet, dass für einen anständigen Ertrag im zehnjährigen BEI notieren hingegen bei 1.5 %. Damit liegen nächsten Jahr ein Umfeld vonnöten ist, in dem auch die US- sie sowohl unter der aktuellen Inflation und den Swaps als Aktien eine gute Performance erzielen. Das wird dann der auch unter dem Inflationsziel des Fed. Aus dieser Perspektive Fall sein, wenn sich die globale Konjunktur von ihrer derzeiti- erscheinen uns die US-Linker attraktiv. gen Schwäche erholt. Mirko Mattasch Roger Wohlwend Fondsmanager Obligationen Anlageklassen-Researcher Fixed Income 10-jährige BEI von EUR- und USD-Linkern Risikoprämie der globalen Hochzinsanleihen 2.50 900 (in %) (in Bp.) 800 2.00 700 1.50 600 1.00 500 0.50 400 ASM / Bloomberg ASM / Bloomberg 0.00 300 8 19 9 9 9 9 9 9 9 19 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 01 01 01 01 01 01 01 01 01 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 .2 2 2 2 2 2 .2 .2 .2 1. 2. 3. 4. 5. 6. . 12 07 08 09 10 Aktueller Wert .0 Historische Entwicklung .0 .0 .0 .0 .0 . . . . . 31 31 28 31 30 31 30 31 31 30 31 BEI (FR) BEI (DE) CPI (EU) BEI (US) CPI (US) Geld & Börse · Dezember 2019
Vielseitigkeit ist Trumpf – Ein Mehrkampf für Aktien Faktoren erlauben, Überrenditen zu während Momentum-Aktien sich durch eine überdurch- generieren. Sie durchlaufen aber schnittlich positive Rendite im vergangenen Jahr auszeich- auch Phasen unterdurchschnittli- nen. Tabelle 1 zeigt die Backtesting-Ergebnisse der entspre- cher Performancebeiträge. Faktor- chenden Value- und Momentum-Strategien, beispielhaft diversifikation durch Integration anhand der Daten grosskapitalisierter europäischer Aktien mehrerer Faktoren schafft Abhilfe zwischen 1999 und 2018. Für diese Zeitperiode werden und verbessert das Rendite-Risiko- monatlich Value- und Momentum-Aktien identifiziert und Profil. die durchschnittliche Rendite im folgenden Monat wird ermittelt. Die in Tabelle 1 dargestellten Durchschnittsrendi- Höhere risikoadjustierte Renditen durch die Ausnutzung von ten, Standardabweichungen und Sharpe Ratios beziehen Faktorprämien sind in der akademischen Literatur schon sich jeweils auf die Differenz zum breiten europäischen Akti- lange etabliert. Seit vielen Jahren dokumentiert die Fachlite- enindex. ratur eine stetig wachsende Anzahl von robusten Mustern, sogenannten Faktoren, die Aufschlüsse über zukünftige Akti- Man erkennt an den Ergebnissen in Tabelle 1, dass die bereits 14 enrenditen erlauben sollten. Diese Faktoren liefern Investo- vereinfachten reinen Value- sowie Momentum-Strategien in – 15 ren zusätzliche Prämien, die nicht durch traditionelle Kapital- den vergangenen Jahren in Europa eine Überrendite über die marktmodelle erklärt werden. Das ökonomisch signifikante Benchmark lieferten (positive durchschnittliche Überren- Ausmass sowie die persistenten Beobachtungen in unter- dite). Übertroffen wird die Performance der reinen Einzelfak- schiedlichen Ländern und über verschiedene Zeitperioden toren aber durch die Kombination von Value und Momen- hinweg haben dazu geführt, dass diese Ansätze an den tum, wie in der letzten Spalte in Tabelle 1 erkennbar ist. Aktienmärkten immer mehr Anhänger finden und stetig stei- Durch die Kombination beider Faktoren werden möglichst gende Mittelzuflüsse verzeichnen. Bekannt sind solche Stra- günstige Titel mit einer überdurchschnittlichen Rendite in tegien unter den verschiedensten Begriffen wie «Faktor- den vergangenen Monaten ausgewählt. Attraktive Aktien Investing», «Smart Beta» oder «Style-Investing». Die zugrun- müssen hinsichtlich der beiden Dimensionen gut abschnei- deliegende Idee ist aber immer dieselbe. Es geht in erster den. Analog zum Mehrkampf im Sport geht es also darum, Linie um das Abschöpfen von Faktorprämien mit dem Ziel, Aktien zu identifizieren, die nicht nur in einer einzelnen Dis- die Rendite-Risiko-Eigenschaften von Anlagen systematisch ziplin herausragend sind. Vielmehr setzt man bei der Aus- zu verbessern. wahl der Aktie auf ihre Vielseitigkeit und die Integration meh- rerer Faktoren, die möglichst gut in allen relevanten Dimen- Einzelfaktorstrategien, wie beispielsweise reine Value- oder sionen abschneiden. Momentum-Ansätze, bieten zwar langfristig positive durch- schnittliche Renditen, leiden aber unter dem Schönheitsfeh- In der Praxis, wie beim quantitativen Multi-Faktoren-Modell ler, dass diese Prämien teils erheblicher Zyklizität unterliegen der LLB, werden in der Regel mehrere wissenschaftlich etab- und deshalb auch über längere Phasen hinweg für den Anle- lierte Faktoren integriert, die durch eine Vielzahl von Kenn- ger keinen Mehrwert generieren können. Multi-Faktor-Stra- zahlen und statistischen Modellen messbar gemacht wer- tegien können diesen Nachteil lindern, indem ein diversifi- den. Durch die Integration multipler Faktoren können somit ziertes Exposure gegenüber mehreren Faktoren aufgebaut Value-Fallen umgangen und die Zyklizität einzelner Faktor- wird. Im Folgenden wird mit einem stilisierten Beispiel prämien abgeschwächt werden. Zusätzlich kann ein Schutz anhand der beiden bekannten Faktoren Value und Momen- vor vergänglichen Faktorprämien und statistischen Artefak- tum dargelegt, welche Vorteile die Integration mehrerer Fak- ten erreicht werden. toren bringt. Georg Peter Wir unterstellen für das vereinfachte Beispiel, dass Value- Quantitatives Research Aktien ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis aufweisen, Tabelle 1: Backtesting Value, Momentum sowie die Kombination von Value und Momentum Reiner Reiner Value und Momentum Value-Ansatz Momentum-Ansatz Kombination Durchschnittliche monatliche Überrendite p. a. 5.14 % 4.93 % 5.79 % Standardabweichung monatliche Überrendite p. a. 8.55 % 9.90 % 8.26 % Sharpe Ratio 0.60 0.50 0.70 Geld & Börse · Dezember 2019
Aktienmärkte im Überblick 2019 wird als sehr guter Aktienjahr- Aktienmärkte in Lokalwährung (über 1 Jahr) gang in Erinnerung bleiben. Der 170 Aktienmarkt hat im vergangenen (indexiert, Total Return) Jahr negative Ereignisse erfolgreich 160 überwunden. Höhere Aktienpreise 150 und sinkende Unternehmensge- 140 winne führen allerdings zu einer 130 höheren Bewertung. 120 Der MSCI Welt legte bis Mitte November 21.5 % an Wert zu 110 und erreichte gleichzeitig einen Jahreshöchststand. Weder 100 der Handelskonflikt noch andere Ereignisse vermochten die 90 Aktienkurse in den Hauptmärkten nachhaltig zu stoppen. Wie man immer wieder hört, sei der Kauf von Aktien in einem 80 Tiefzinsumfeld historischen Ausmasses «alternativlos». Das ASM / Bloomberg 70 mag zutreffen, solange die Unternehmen ihre Gewinne 04 5 07 5 10 5 01 5 04 6 07 6 10 6 01 6 04 7 07 7 10 7 01 7 04 8 07 8 10 8 01 8 04 9 07 9 10 9 9 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 moderat steigern oder zumindest halten können. Der Blick 01 auf die Entwicklung in den letzten fünf Jahren zeigt, dass sich MSCI USA MSCI Europe MSCI Pacific MSCI GEM SPI der US-Markt mithilfe der (nicht wiederholbaren) Steuersen- kungen ab 2017 und der entsprechenden Gewinnsteigerun- gen markant absetzen konnte. Für 2019 allein wird der Entwicklung Welthandel Schweizer Aktienmarkt (+26 %) bis zum Jahreswechsel die Nase wohl vorne behalten. 20 (in %) 15 Die verschiedenen Konflikte hinterlassen immer deutlichere Spuren im Welthandel. Auch wenn es zu einer zeitweiligen 10 Einigung kommt, so ist das Vertrauen in den grenzüber- 5 schreitenden Handel arg beschädigt und führt zu Wohl- standsverlusten. Die mittlere Grafik illustriert den Absturz 0 von einem Wachstum in der Höhe von 5 % in eine Schrump- –5 fung. Eine ähnliche Erholung wie nach 2016 ist nicht zu erwarten, da der Rückgang damals konjunkturell und nicht –10 strukturell bedingt war. Das Kräftemessen zwischen den USA und China könnte überhaupt zu einem dominierenden –15 Thema werden, auch ausserhalb der reinen Wirtschaft. ASM / Macrobond –20 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Das nächste Jahr wird vom US-Präsidentschaftswahlkampf 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 geprägt. Die amtierende Regierung wird darauf achten müs- 20 sen, dass die Wirtschaft nächstes Jahr die Wähler bei Laune hält (siehe untere Grafik). Noch ist es zu früh, sein Portfolio auf einen demokratischen Wahlsieger einzustellen. Wird Trump wiedergewählt, ergibt sich kein unmittelbarer Hand- US-Aktienmarkt mit Vorlaufindikatoren lungsbedarf. Sollte Elizabeth Warren als Gegenkandidatin 3'200 68 aufgestellt und dann auch noch gewählt werden (mit Sitzge- 66 winnen im Senat), so wäre das eine erhebliche Belastung für 3'000 64 die Large Caps, die stark von Steuerreduktionen profitierten. 62 Im Speziellen wären Finanz-, Gesundheits- und Technologie- 2'800 60 unternehmen von mehr Regulierung betroffen. Energieun- 2'600 58 ternehmen müssten sich wohl «warm anziehen». Das Thema 56 wird den Markt nächstes Jahr beschäftigen und mit Sicher- 2'400 54 heit auch Kauf- und Verkaufsgelegenheiten schaffen. 52 2'200 Die Ausgangslage mit einem erwarteten Gewinnplus von 50 10 % für den Gesamtmarkt nächstes Jahr scheint uns derzeit 2'000 48 noch zu ambitiös und wir erwarten Gewinnrevisionen. Über 46 ASM / Bloomberg den Jahreswechsel hinaus empfehlen wir deshalb ein mode- 1'800 44 rates Untergewicht der Aktienquote. 4 5 5 6 6 7 7 8 8 9 9 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 11 05 11 05 11 05 11 05 11 05 11 S&P 500 Index ISM Manufacturing New Orders (r. S.) Christian Zogg ISM Non-Manufacturing (r. S.) ISM Manufacturing Employment (r. S.) Leiter Equity und Fixed Income Management Geld & Börse · Dezember 2019
Globale Sektoren im Überblick Der IT-Sektor vermochte sich auch Performance globale Sektoren in diesem Jahr wieder markant vom 140 Rest des Marktes abzusetzen. Zwar (indexiert, in USD) musste man zwischendurch eine 135 erhöhte Volatilität «durchleiden», 130 letztendlich wurde der Anleger aber 125 mit Kursgewinnen belohnt. 120 115 Als Aktienanleger konnte man bis Mitte November mit sämt- 110 lichen Sektoren Geld verdienen. Die obere Grafik zeigt aber, 105 dass die Performance-Unterschiede erheblich waren. Blickt 100 man gar auf die letzten Jahre zurück, wird offensichtlich, dass ASM / Bloomberg 95 man, um eine gute Performance zu erreichen, am Gesamt- 16 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 sektor Technologie mit seinen Untergruppen Software, – .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 .1 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 17 Hardware und Halbleiter, nicht vorbeikam. Diese Subsekto- MSCI Technologie MSCI Industrie MSCI Zykl. Konsum ren sind im US-Aktienmarkt deutlich übervertreten und kön- MSCI Kommunikation MSCI Immobilien MSCI Finanz MSCI Basiskonsum MSCI Gesundheit MSCI Versorger nen in anderen geografischen Märkten teilweise gar nicht MSCI Grundstoffe MSCI Energie oder dann nur eingeschränkt erworben werden. Die Aktien sind in vielen Fällen nicht billig, die Erwartung eines Gewinn- Bewertung globale Sektoren wachstums von rund 10 % für den US-IT-Sektor zeigt aber keine euphorische Einschätzung der Zukunft, was positiv zu EPS-Wachstum Price / Dividend FCF werten ist. Wir gehen davon aus, dass in einem wirtschaftlich Earnings Yield Yield * schwierigen Umfeld die Unternehmen eher sparsam bei **FY19 FY20 FY19 FY20 FY19 FY19 Investitionsausgaben sind, das davon aber der Bereich IT Technologie –5.4 % 12.8 % 21.4x 19.0x 1.5 % 4.3 % deutlich weniger negativ betroffen ist und deshalb die IT- Finanz 8.4 % 5.5 % 11.3x 10.7x 3.5 % N/M Aktien weiterhin eine gute relative Performance erreichen sollten. Konkrete Aktienempfehlungen finden Sie in den Zykl. Konsum 3.3 % 12.0 % 19.4x 17.4x 1.7 % 4.4 % Empfehlungslisten der LLB. Gesundheit 6.1 % 9.0 % 17.4x 16.0x 2.0 % 4.9 % Industrie –0.9 % 13.2 % 17.5x 15.5x 2.2 % 3.7 % Das Ergebnis unserer Sektorempfehlungen des letzten Jahres Basiskonsum 4.5 % 8.6 % 20.6x 18.9x 2.7 % 4.4 % mit Automobil (Teil des Sektors zyklischer Konsum) und Energie war zweigeteilt. Automobilwerte erlebten zwar eine Energie –13.5 % 14.8 % 14.3x 12.5x 4.6 % 6.1 % wahre Achterbahnfahrt, per November war die Performance Grundstoffe –11.3 % 11.0 % 15.5x 14.0x 3.3 % 8.2 % für die von uns favorisierten europäischen Automobilherstel- Versorger 10.0 % 5.3 % 17.4x 16.6x 3.5 % –1.1 % ler (OEMs) jedoch deutlich positiv – das trotz mehrheitlich Immobilien –0.4 % 5.3 % 20.7x 19.7x 3.5 % –0.1 % negativer Berichterstattung in den Medien. Wir würden bei den OEMs weiterhin dabeibleiben beziehungsweise gar Komm. DL 2.6 % 10.5 % 18.8x 17.1x 1.9 % 5.1 % etwas zukaufen. Bei den Zulieferern wären wir weiterhin * Free-Cashflow-Rendite, ** FY = Fiskaljahr etwas vorsichtig und würden die negativen Einflüsse (weni- Quelle: ASM / Bloomberg / Citigroup ger Diesel, mehr Elektro) abwarten. Die Performance des Energiesektors war enttäuschend, aber weitgehend erklär- Performance Technologie inkl. Subsektoren bar. Einem kurzen Anstieg der Rohölpreise auf USD 75 für die 240 Qualität Brent bis Ende April folgte eine Preiserosion bis (Total Return, indexiert) unter USD 60. Wir gehen davon aus, dass hier eine Unter- 220 grenze erreicht ist. Zwar kann der Börsengang von Aramco 200 nochmals eine Belastung für die Bewertungskennzahlen des gesamten Energiesektors bedeuten, die Bewertungen sind 180 aber insgesamt sehr moderat und eine Dividendenrendite 160 von knapp unter 5 % für den Gesamtsektor ist im herrschen- den Tiefzinsumfeld einladend. 140 120 Als defensive, nach wie vor recht günstige Alternative wür- den wir dem Portfolio ein Übergewicht in Pharmatiteln bei- 100 mischen. Wir denken, dass die Ängste vor «staatlich befohle- ASM / Bloomberg nen» einschneidenden Preissenkungen zeitweise doch 80 übertrieben dargestellt werden. 16 16 16 16 17 17 17 17 18 18 18 18 19 19 19 19 . . . . . . . . . . . . . . . . 01 04 07 10 01 04 07 10 01 04 07 10 01 04 07 10 MSCI Welt IT MSCI Welt Software & Services Christian Zogg MSCI Welt Semis & Semi Equipment Leiter Equity und Fixed Income Management MSCI Welt IT Hardware & Equipment MSCI Welt Geld & Börse · Dezember 2019
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