GELUNGENE PFLANZENVIELFALT-KONVENTIONELL UND NATURNAH - WIBINIHI
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GÄRTNERN IN DER STADT Gelungene Pflanzenvielfalt – konventionell und naturnah Am Oberrhein, in Wörth bei Karlsruhe, liegt im ältesten Teil des Ortes ein besonderer Garten, dessen Reiz im scheinbaren Widerspruch seiner Anlage liegt: Er verbindet die Vorliebe der Haus- herrin für Exoten unerwartet harmonisch mit dem Anspruch des Hausherrn, heimischen Wild- pflanzen einen Lebensraum zu geben. Vom aparten Ergebnis profitieren alle. 24 NATÜRLICH GÄRTNERN & ANDERS LEBEN 1/2020
REPORTAGE Eine Farbenpracht im der Einfahrt am Haus. Letztere hatte Hochsommer das Paar als Blickfang im Garten von Bekannten und in einem Park im Tes- sin gesehen. „Als wir feststellten, dass auf Madeira die Baumfarne wirklich so groß wie Bäume wachsen, war es um uns geschehen. Sie sahen so tropisch aus. Das fanden wir toll.“ Die Pflanzen brauchen jedoch behutsame Pflege: In der kalten Jahreszeit müssen sie zusam- men mit den vielen weiteren überall im Garten verteilten Exoten im Win- tergarten ausharren, denn die meis- ten der sensiblen Gewächse kämen trotz des hier vorherrschenden milden Weinbauklimas nicht zurecht. Direkt daneben verdeutlicht ein Zierapfelbaum, dass zwei Gestaltungs- vorlieben und -schwerpunkte in die- sem grünen Wohnzimmer miteinan- der in Einklang gebracht werden: Der kleine ´Red Sentinel´ an der Haustür ist in deutschen Gärten häufig anzu- treffen. Und dieses Wechselspiel zwi- schen fremdländischer Exotik und hei- mischen beziehungsweise seit Langem eingebürgerten Wildpflanzen und Stauden setzt sich im gesamten Gar- ten auf ansehnliche Weise fort. Auch zu Füßen der Zitrusbäumchen und aus sämtlichen Fugen sprießen Wildpflan- zen – das ist ausdrücklich erwünscht. Recycling für den Garten Reinhard Molke ist ebenso wie seine Frau Garten- und Landschaftsarchitekt. Zusammen retteten sie viele Materiali- A en aus Abrissmaßnahmen vor der Ver- nichtung und ließen sie stattdessen in n der holzverkleideten hard Molke, denn die Blüten werden Haus und Garten einfließen. Gehweg- Hausfassade lehnt ein gern von Insekten besucht. platten, Holzelemente, zu ungewöhn- mächtiger Strauch. Die Im Beet unterm Losbaum wachsen lichen Dekorationen umgewidmete auf den ersten Blick verschiedene wilde Schönheiten, etwa Metallteile: Sie alle trugen dazu bei, aus vermeintliche Kletter- die in Deutschland selten geworde- Haus, Wintergarten und Grundstück hortensie entpuppt ne Schaben-Königskerze (Verbascum allmählich ein ganz besonderes Unikat sich bei näherer Betrachtung als Ja- blattaria), deren hübscher Fruchtstand entstehen zu lassen; Baumarkt-Allerlei auch im Winter die Beete schmückt. fände hier keinen Zugang. panischer Losbaum (Clerodendrum FOTOS: REINHARD MOLKE, GABY INGWERSEN Zumindest in diesem Hausgarten ist ihr Das eingespielte Team verfügt al- trichotomum). Das ansprechende asi- lerdings auch über eine gehörige Por- Überleben gesichert, denn sie hat sich atische Gehölz punktet mit attrakti- tion handwerkliches Geschick und bereits willig überall versamt. vem, nach Erdnussbutter riechendem ein geübtes Auge, das mögliches Po- Laub, nach Vanille duftenden weißen tenzial sofort entdeckt und umsetzt: Blüten und einem ungewöhnlichen Vorliebe für Exoten etwa bei der Konstruktion von zwei Fruchtstand im Herbst, wenn blaue „Meine Frau mag gern Zitrusgewächse, mobilen „Rolltoren“ an der Einfahrt, Beeren inmitten der roten Kelchblät- Kamelien, Yuccas, Agaven, Palmen und einfach und zweckmäßig aus Zaunele- ter aufleuchten. Der Losbaum über- Baumfarne ...“, kommentiert Reinhard menten, Pflanzkisten und stabilen Rol- zeugt auch den Naturgärtner Rein- Molke die lange Reihe von Kübeln an len zusammengebaut. Seit 20 Jahren NATÜRLICH GÄRTNERN & ANDERS LEBEN 1/2020 25
Oben: Herbstliches Blütenmeer – das runde Beet im „neuen“ Garten. Mitte: Reinhard Molke konzentriert beim Wildbie- nennisthilfe-Bau. Unten: Die kreative Planerin – Danièle Bastian. -bepflanzungen, unterschiedlichen Be- grenzungen aus Zaunelementen, Ge- hölzen, Mauern, Hecken oder offe- nen Rankgerüsten verschwimmen die Grenzen – ein wirkungsvoller Trick, der den Garten optisch wesentlich größer wirken lässt, als er es tatsächlich ist. Riesige Vielfalt Beim Rundgang verweist der Pflanzen- kenner Molke auf die große Vielfalt in den Beeten, auf Bäume, Sträucher, Kletterpflanzen an den Mauern und auf eine Dachbegrünung. Zwischen den ursprünglich sorgfältig zusam- wohnen Reinhard Molke und Danièle mengestellten Staudenkombinationen Bastian im Haus, zu dem ursprünglich dürfen sich mittlerweile auch allerlei lediglich ein 360 Quadratmeter kleines Pflanzen versamen. Ein Ansatz, der vor Grundstück gehörte – inklusive Gebäu- allem an schwierigen Standorten über- defläche. Später kamen weitere 310 zeugt – zum Beispiel im tiefen Schatten Quadratmeter hinzu, sodass der Gar- unter einer Fichte. Einer der vielen Rei- ten das Haus inzwischen auf drei Seiten ze dieses Gartens liegt dabei im drei- umgibt. Ebenfalls auf allen drei Seiten: dimensionalen Konzept: Überall win- Nachbargärten. Doch dank schmaler det und rankt etwas; überall lädt der Pfade, wechselnden Beetflächen und geschwungene Verlauf des Weges ein, weitere versteckte Winkel zu erkunden. Auch etliche Rosen tragen zum „Dornröschen“-Charakter bei, etwa der wüchsige Rambler ´Mermaid´, der mit seinem hellen Gelb im Sommer an einer Mauer leuchtet und längst auch schon die darüberliegenden Dachzie- geln erobert hat. Das Gartenarchitektenpaar hat auch noch etliche weitere, zumeist alte Rosenschätze ins grüne Wohnzimmer geholt, unter anderem die wärme- bedürftige, aber robuste cremeweiße Noisetterose ´Madame Alfred Carriè- re´; die nostalgische, starkwüchsige ´Albertine´, die bereits erfolgreich ei- nen Schuppen erobert hat, sowie die historische ´Senegal´, eine dunkelrote, wunderbar duftende Kletterrose. Seltenheiten und Schätze Eine seltene Iris (Iris foetidissima) ge- hört zu den weiteren gesammelten 26 NATÜRLICH GÄRTNERN & ANDERS LEBEN 1/2020
REPORTAGE Schätzen. „Sie hat orange- FOTOS: REINHARD MOLKE, GABY INGWERSEN rote Früchte wie Perlen“, erklärt Molke erfreut und zeigt, inzwischen schon bei der nächsten Rarität ange- kommen, auf die ebenfalls geliebten Strauch-Pfingstro- sen und eine im Dezember blühende Duftfleischbee- re (Sarcococca humilis). In der Nähe bewegt sich das Wasser in einem schmalen, nur 40 Zentimeter tiefen Wasserbecken aus Stahl im leichten Wind. „Die Idee entstand bei einem Aus- flug in die Schweiz. Den Stein daneben haben wir in Grindelwald aus einem Bach gefischt“, erinnert sich der Hobbygärtner. An sei- ner Unterseite bearbeitet, schmiegt sich das gemaserte Dekorationsobjekt anmutig des Hausherrn, der ganz zufällig über Planer und Bauleiter zugleich viel über an den Rand des Beckens; ein weite- seine Arbeit zum Naturgärtner wurde: seltene Wildbienen. Angesichts der ho- rer Beweis für den ästhetischen Blick „Ich war im Gartenbauamt der Stadt hen Attraktivität solcher damals noch unter anderem zuständig für die Pla- ungewöhnlichen Gestaltungs- und nung von Spielplätzen“, erklärt er. Auf Bepflanzungsideen für Schulhöfe und Oben: Hingucker – die prachtvolle Iris- einem Lehrgang wurde ein anderes, Spielplätze war die Entscheidung, auch blüte Ende Mai naturnahes Konzept für Kinderspiel- zu Hause einen naturnahen Garten an- plätze vorgestellt. Dabei erfuhr der zulegen, ein logischer nächster Schritt: Unten: Grundstücksgrenzen verschwim- „Für Tiere wollte ich immer schon et- men hinter üppiger Bepflanzung. was machen“, sagt er. Wildbienennisthilfen Im Beet in der Nähe der Haustür steht noch immer die erste gebaute „WiBi- NiHi“, ein längst nicht mehr nur beim Hausherrn und seiner Frau gängiger Begriff für „WildBienenNistHilfe“. Als Reinhard Molke auf dem hinzugekauf- ten Nachbargrundstück das vorhande- ne, aber baufällige Fachwerkhaus als Werkstatt restaurierte, musste er un- zählige Nägel aus alten Eichenbalken entfernen. Es entstand die Idee, die Löcher in den Balken durch zusätzliche weitere Bohrungen in unterschiedli- chen Durchmessern für ameisenkleine bis hummelgroße Wildbienen attraktiv zu machen. Der Insektenfreund hatte schon lange Mauerbienen am Haus be- obachtet, bevor er wusste, dass es sich um eine von in Deutschland rund 550 vorkommenden Wildbienenarten han- delte. Links vom Wasserbecken ragt eine hohe Fichte in den Himmel, raum- NATÜRLICH GÄRTNERN & ANDERS LEBEN 1/2020 27
Oben: Ein wunderschöner Staudengarten. Mitte: Eine Farbenpracht im Hochsommer – das runde Beet im „neuen“ Garten. Unten: Sinn für Ästhetik – Aparte Einzelstücke dekorieren Beete und Kübel. greifend und dunkel. „Koniferen sind für uns Gartenarchitekten eigentlich ein No-Go. Aber der Baum spendet im Sommer willkommenen Schatten und wir beobachten zahlreiche Vögel dar- in – unter anderem Wintergoldhähn- chen“, erklärt Molke. Immerhin dient der eher düster wirkende Nadelbaum als Klettergerüst für einen weiteren historischen Rambler: ´Alberic Barbier´ hat mittelgroße weiße Blüten mit gel- bem Anflug. Darunter lädt einer von insgesamt vier Sitzbereichen zum Verweilen ein. „Wir sind fast immer draußen, frühstü- cken gern im Garten und haben für jede Jahreszeit geeignete Sitzplätze an- gelegt“, sagt der Naturfreund. „Alter“ und „neuer“ Garten Der schmale Pfad führt nun weiter am Haus entlang um die Ecke und gibt den Blick frei auf die nächste Blickachse; auch auf einen Eichensockel mit einer kleinen Frauenbüste: „Die Statue be- kam ich von meiner Gattin geschenkt – ´Cydonia´ bekommt immer eine Op- fergabe“, schmunzelt der Hausherr und verweist auf die darunterliegende Quitte. Die Arbeit an diesem Teil des Gar- tens war mühsam: Alles war voller Beton, Bauschutt und Glas, das beim Graben zutage gefördert wurde. Die üppige Staudenvielfalt in den Beeten lässt längst nichts mehr davon erahnen. Am Durchgang zum „neuen“ Gar- ten vor uns bietet ein alter Efeu reich- lich Insektennahrung. Er wird jedes Jahr im Herbst noch lange von Bie- nen und Hornissen umschwärmt. Ein rotblättriger Holunder versorgt Vögel mit zahlreichen Beeren und eine Cle- matis ´Hagley Hybrid´ verwischt auch hier die Grundstücksgrenze zum Nach- barn. Die Mauerreste zwischen dem „alten“ und „neuen“ Garten wurden bewusst verschont; sie verbinden und 28 NATÜRLICH GÄRTNERN & ANDERS LEBEN 1/2020
trennen zugleich auf reizvolle Art. Da- FOTOS: REINHARD MOLKE, GABY INGWERSEN hinter leuchtet ein kreisrundes buntes Blütenmeer aus Kosmeen, Sonnenblu- men, Zinnien und Astern. Der etwa 50 Zentimeter dicke nährstoffreiche Mutterboden auf dem darunter be- findlichen Sand und Kies der Rhein- ebene hat eine im Frühjahr ausgesäte Blumenmischung bis über zwei Meter hochschießen lassen; einige der Stiele sind daumendick. In einem weiteren Beet gedeihen echtes Labkraut, Färber- resede, Königskerze, Taubenkropfleim- kraut, Wiesensalbei, Pimpinelle ... die Handschrift des Naturgärtners offen- bart sich erneut. Auch Gräser kommen nicht zu kurz, unter anderem das Rote Straußgras (Agrostis capillaris), eine hen hier Mädesüß, Blutweiderich, Ku- deckel, die Reinhard Molke den WiBi- zarte heimische Art, die auch spät im ckuckslichtnelke, Sumpfdotterblumen, NiHis als Regenschutz aufsetzt. Sieben Jahr noch reizvoll ist. Pfeilkraut, Froschlöffel und Seerosen. Bohrmaschinen mit Bohrern unter- Auch auf dieser offenen, sonnigen schiedlicher Stärken liegen bereit, um Seite des Grundstücks blitzen Südlän- den Wildbienen Bohrungen von zwei Wechselfeuchter Sumpf der und Exoten hervor: Ein zierliches bis acht Millimeter Stärke anzubieten. Den Überlauf aus einer Dachrinne eines Pfirsichbäumchen trägt zahlreiche klei- Im Anschluss werden die Bohrlöcher seiner Nachbarn nutzte der 67-Jährige ne, süße Früchte, ein Feigenbaum eben- gesäubert, die Balken geschliffen und im „neuen“ Garten für ein Sumpfbeet. so. Ein Schlafbaum (Albizia julibrissin) – mit Befestigungsstangen versehen. Je In und an zwei hintereinander in den mit seinen nachts zusammengeklapp- nach Größe des Objekts kommen so Boden eingelassenen 70 mal 140 Zen- ten Blättern zur Familie der Mimo- schon einmal schnell mindestens 15 timeter großen Mörtelwannen gedei- sengewächse gehörend – stammt aus bis 30 Arbeitsstunden zusammen. Die Asien. Zu den heimischen Bewohnern nützlichen und zugleich dekorativen gehören wiederum Apfelbaum, Kor- Balken sind inzwischen gefragt: Die nelkirsche und Weißdorn. In der Werk- Bestellliste wird immer länger. Oben: „Dornröschen“-Charakter: Im Sommer erklimmen Rosen und andere statt im alten Fachwerkhaus stapeln Wir haben das Haus inzwischen Kletterkünstler Mauern und Dächer. sich Eichenbalken sowie ausrangierte umrundet und sind an der Straßenseite Zinkeimer, Kanister, Töpfe und Metall- angelangt. Ein letzter übrig gebliebe- Unten: Vier Sitzbereiche laden von früh ner grüner Streifen wartet noch auf die bis spät zum Verweilen ein. kreativen Ideen der 56-jährigen Haus- herrin. Kein Zweifel, dass das Paar die Gestaltung dieser letzten Beetflächen genauso apart und harmonisch voll- enden wird wie das restliche, sehr se- henswerte grüne Paradies. Gaby Ingwersen Tipp Besichtigung nach Absprache möglich: Danièle Bastian & Reinhard Molke Burenstraße 3 76744 Wörth am Rhein Telefon: 07271 42512 E-Mail: reinhard.molke@web.de dani.bastian@web.de NATÜRLICH GÄRTNERN & ANDERS LEBEN 1/2020 29
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