Gemeinsam die Zukunft gestalten: Das Projekt Swiss Library Service Platform (SLSP) - und ...

 
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Gemeinsam die Zukunft gestalten: Das Projekt Swiss Library Service Platform (SLSP) - und ...
ABI Technik 2017; 37(3): 197–207

Fachbeitrag

Iris Capatt und Wolfram Neubauer

Gemeinsam die Zukunft gestalten: Das Projekt
Swiss Library Service Platform (SLSP)
https://doi.org/10.1515/abitech-2017-0043
                                                                1 Einführung
Zusammenfassung: Vor etwa drei Jahrzehnten wurde der
erste Bibliotheksverbund der Schweiz gegründet. Seither         Vergleichbar zu den Randbedingungen in anderen Län­
hat sich im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken         dern, stellt sich auch die Situation der wissenschaftlichen
eine stark diversifizierte Verbundlandschaft entwickelt,        Bibliotheken in der Schweiz als ein einigermaßen kom­
deren Sinn und deren Zukunftsfähigkeit seit einigen Jah­        plexes Gebilde dar. Obwohl das Hochschulwesen des Lan­
ren intensiv diskutiert wird. Mit dem im Jahr 2015 initiier­    des mehr oder weniger ausschließlich aus öffentlichen Ein­
ten nationalen Bibliotheksprojekt Swiss Library Service         richtungen besteht, bedeutet dies nicht, dass sich hier ein
Platform (SLSP) haben sich Bibliotheken und Hochschul­          einheitliches Bild hinsichtlich Trägerschaft und/oder Fi­
einrichtungen des ganzen Landes erstmals gemeinsam              nanzierungs- und Governmentstrukturen ergeben würde.
zum Ziel gesetzt, der wissenschaftlichen Community ein               Insofern unterscheidet sich die Situation in der
breites Spektrum an Dienstleistungen zu vermitteln, zu          Schweiz nicht wesentlich von der in anderen Ländern.
unterstützen und selbst anzubieten. Der vorliegende Bei­        Ein grundsätzlicher Unterschied zu den Nachbarländern
trag blickt zunächst auf die Ausgangslage des Projekts          ergibt sich jedoch aus der Kleinteiligkeit der politischen
zurück, beschreibt dann die Randbedingungen und die             Strukturen, aus der relativ geringen Größe des Landes
erreichten Ziele der ersten beiden Projektphasen und gibt       als Ganzes sowie aus der Mehrsprachigkeit mit ihren drei
anschließend einen Ausblick auf die Realisierung, die für       bzw. vier Sprachregionen. Diese wenigen Punkte verdeut­
die Jahre 2018–2020 vorgesehen ist.                             lichen somit bereits die komplexen Randbedingungen,
                                                                unter denen in der Schweiz Hochschulen, wissenschaft­
Schlüsselwörter: Integriertes Bibliothekssystem (ILS),
                                                                liche Forschungsinstitutionen und die entsprechenden
Service Plattform, Bibliothekskooperation
                                                                Informationseinrichtungen zu agieren haben.
                                                                     Trotz dieser Ausgangslage hat sich allgemein die Er­
Abstract: About three decades ago, the first library net­       kenntnis durchgesetzt, dass die Entwicklung und das
work within Switzerland has been founded. Since then a          Wohlergehen eines kleinen Landes mit nur wenigen na­
much diversified network landscape has been developed           türlichen Ressourcen ganz entscheidend von seiner In­
within the domain of scientific libraries. Within the last      novationsfähigkeit abhängen. Dies hat im Lauf der Jahre
years the relevance and the sustainability of this situation    dazu geführt, dass Bildung und Wissenschaft, Forschung
has been intensively discussed. In 2015 libraries and other     und Entwicklung einen besonderen Stellenwert einneh­
academic institutions from all over the country initiated       men. So liegen beispielsweise die Forschungs- und Ent­
the national library project Swiss Library Service Platform     wicklungsaufwendungen der Schweiz mit etwa 3,4 % des
(SLSP), which intends to communicate, to support and to         Bruttosozialproduktes (im Jahr 2015) mit Ländern wie Is­
offer a broad package of information services to the scien­     rael und Japan an der Weltspitze, wobei etwa zwei Drittel
ce community. The present article looks back to the star­       dieser Aufwendungen von der Privatwirtschaft erbracht
ting position of the project, followed by a description of      werden; dies ist ebenfalls sehr bemerkenswert. Zu erwäh­
the basic conditions and the achieved goals of the first two    nen ist an dieser Stelle auch, dass die meisten Forschungs­
project phases. Finally there is an outlook to the realizati­   institutionen der Schweiz stark international ausgerichtet
on, which is intended for the years 2018–2020.                  sind, was ebenfalls entscheidend zu ihrer hohen Innova­
                                                                tionskraft beigetragen hat.
Keywords: Integrated Library System (ILS), Service Plat­
                                                                     Wir stellen also an dieser Stelle fest, dass Forschung
form, Library Co-operation
                                                                und Entwicklung in der Schweiz einerseits stark internati­
                                                                onal ausgerichtet sind und sich dem internationalen Wett­

                                                                                   Bereitgestellt von | ETH-Bibliothek Zürich
                                                                                                                 Angemeldet
                                                                                      Heruntergeladen am | 23.01.18 09:05
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198         Fachbeitrag I. Capatt und W. Neubauer, Gemeinsam die Zukunft gestalten

bewerb stellen, dass jedoch andererseits die staatlichen              Studien- und Bildungsbibliotheken, unterschiedlichste
Wissenschaftsinstitutionen nach wie vor vom Föderalis­                Typen von Spezialbibliotheken, Behördenbibliotheken
mus und den damit verbundenen politischen Randbedin­                  usw. Die Hochschulbibliotheken versorgen die jeweilige
gungen entscheidend geprägt werden. Diese wiederum                    Trägerinstitution bzw. deren Mitglieder mit relevanten
sind wesentlich von breiter Diskussion und kooperativen               Informationen, haben jedoch in der Schweiz nicht selten
Entscheidungsprozessen bestimmt.                                      noch weitere Funktionen zu erfüllen.4 Die von der Biblio­
                                                                      thek der ETH Zürich5 ausgeübte Doppelfunktion geht noch
                                                                      einmal in eine etwas andere Richtung, da sie einmal als

2 D
   as Hochschulsystem der                                            Universitätsbibliothek fungiert und gleichzeitig als nati­
                                                                      onales Zentrum für naturwissenschaftlich-technische In­
  Schweiz und seine Bibliotheken                                      formation als faktisch landesweite Einrichtung wirkt. Die
                                                                      Bibliotheken der Fachhochschulen bzw. Pädagogischen
Die Hochschulen der Schweiz sind, wie bereits erwähnt,                Hochschulen sind, wie die Trägereinrichtungen selbst,
mehr oder weniger ausschließlich in öffentlicher Hand.1               sehr heterogen. Hier gibt es größere, gut organisierte In­
So existieren gegenwärtig 10 kantonale, teilweise fach­               formationseinrichtungen mit umfangreichen und wissen­
lich fokussierte Universitäten, 2 Technische Universitäten            schaftlich relevanten Beständen, ebenso wie kleine und
als Einrichtungen der Schweizer Eidgenossenschaft (des                kleinste Bibliotheken, die nicht immer die kritische Masse
„Bundes“), 8 kantonale bzw. interkantonale Fachhoch­                  einer professionell strukturierten wissenschaftlichen Bi­
schulen sowie 14 Pädagogische Hochschulen.2                           bliothek erreichen.
     An dieser Stelle besonders zu erwähnen ist die seit                   Die im Jahr 1895 gegründete Schweizerische National­
dem Jahr 2015 auf Basis eines Bundesgesetzes eingerich­               bibliothek6 ist als die nationale Gedächtnisinstitution für
tete neue Rektorenkonferenz („swissuniversities“) der                 das Sammeln, das Aufbewahren und die Bereitstellung
Schweizer Hochschulen, deren Aufgabe u. a. in der Inte­               aller Publikationen mit Bezug zur Schweiz zuständig und
ressensvertretung auf nationaler und internationaler Ebe­             hat ihren Sitz in Bern.
ne besteht. Darüber hinaus nimmt swissuniversities auch                    Neben den eigentlichen wissenschaftlichen Biblio­
subsidiäre Aufgaben im Rahmen von Förderprojekten und                 theken existieren eine Reihe von Koordinationsorganen
-programmen des Bundes wahr.                                          und Serviceinstitutionen für diese Einrichtungen, die
     Forschungsförderung findet in der Schweiz auf unter­             allerdings keiner zentral organisierten Leitungsstruktur
schiedlichsten Ebenen statt, doch ist der Schweizerische              folgen. Es gibt Einrichtungen, die auf Basis formaler in­
Nationalfonds (SNF)3 der bedeutendste Akteur zur Unter­               terkantonaler Verträge zusammenarbeiten,7 es gibt biblio­
stützung von Wissenschaft, Forschung und Lehre. In die­               thekarische Vereine,8 es gibt national geförderte Projekte,9
sem Kontext ist allerdings die Information wichtig, dass              und es gibt alle Arten von halboffiziellen bzw. informellen,
wissenschaftliche Bibliotheken und Informationseinrich­               andererseits jedoch auch verbindlichen Kooperations­
tungen durch die Programme des SNF im Regelfall nicht                 strukturen.10
gefördert werden können, da Infrastrukturförderung nicht
zum Förderportfolio gehört.
                                                                      4 Als Beispiele sind hier zu erwähnen: Die Bibliothek der Universi­
     Alle Schweizer Hochschulen betreiben naturgemäß
                                                                      tät Lausanne (Bibliothèque Cantonale et Universitaire, https://www.
auch entsprechende Informationseinrichtungen, die von                 bcu-lausanne.ch) oder die Zentralbibliothek Zürich (Kantons-, Stadt-
One-Person-Libraries bis hin zu großen Universalbibli­                und Universitätsbibliothek Zürich, https://www.zb.uzh.ch).
otheken mit mehreren Hundert Mitarbeitenden reichen.                  5 Vgl. hierzu: https://www.library.ethz.ch.
Daneben gibt es eine größere Zahl anderer Bibliotheks­                6 Vgl. hierzu: https://www.nb.admin.ch.
typen, wie (wissenschaftliche) Kantonsbibliotheken, sog.              7 Hierzu gehört beispielsweise der Westschweizer Bibliotheksver­
                                                                      bund RERO (https://www.rero.ch).
                                                                      8 Zu erwähnen ist hier der sog. Informationsverbund Deutsch­
1 Detailangaben zur Situation der Hochschulen der Schweiz finden      schweiz; eine koordinierte Zusammenarbeit von vier autonomen Bi­
sich bei Benitz, S., W. Neubauer. „Die Hochschulbibliotheken in der   bliotheksverbünden (https://www.informationsverbund.ch).
Schweiz.“ In Bibliothek, Forschung und Praxis 33,3 (2009): 315–327,   9 Das vermutlich umfassendste Bibliotheksprojekt der Schweiz bis
hier 317–318. Die dort skizzierten Angaben sind mit geringen Ände­    zur Initiierung von SLSP war das Förderprogramm E-lib.ch, unter
rungen nach wie vor relevant.                                         dessen Dach eine Reihe von bibliothekarisch bedeutsamen Teilpro­
2 Detailangaben zum übergeordneten Koordinationsorgan „swiss­         jekten abgewickelt wurden. Das Projekt ist mittlerweile abgeschlos­
universities“ sowie zu den dort vertretenen Hochschulen finden sich   sen (https://www.e-lib.ch).
unter: https://www.swissuniversities.ch.                              10 Hierunter lässt sich etwa das Konsortium Schweizer Hochschul­
3 Vgl. hierzu: https://www.snf.ch.                                    bibliotheken subsumieren. Die operativen Aufgaben dieses Projektes

                                                                                        Bereitgestellt von | ETH-Bibliothek Zürich
                                                                                                                      Angemeldet
                                                                                           Heruntergeladen am | 23.01.18 09:05
Gemeinsam die Zukunft gestalten: Das Projekt Swiss Library Service Platform (SLSP) - und ...
I. Capatt und W. Neubauer, Gemeinsam die Zukunft gestalten Fachbeitrag             199

3 Die Verbundlandschaft innerhalb                                  ist Virtua der Firma Innovative Interfaces in Betrieb. Im

   der Schweiz                                                      Jahr 2015 gab allerdings der Kanton Waadt seinen Ausstieg
                                                                    aus dem RERO-Verbund bekannt, und die Bibliothek der
                                                                    Universität Lausanne betreibt seit diesem Jahr für alle Bi­
So diversifiziert die Bibliothekstypen innerhalb der
                                                                    bliotheken des Kantons Waadt den Verbund Renouvaud.14
Schweiz sind, so unterschiedlich sind auch die vorhan­
                                                                         Eine weitere Einzellösung wird gegenwärtig an der
denen Kooperationsstrukturen. Betrachtet man die heu­
                                                                    Nationalbibliothek in Bern entwickelt, die sich nach
tige Verbundlandschaft der wissenschaftlichen Biblio­
                                                                    einem entsprechenden Auswahlverfahren ebenfalls für
theken in der Schweiz, so fällt auf, dass diese keinem
                                                                    das Produkt Alma der Firma Ex Libris entschieden hat.
erkennbaren Muster folgt: Die jeweiligen Bibliotheks­
                                                                         Bereits mit dem Aufkommen der mehr oder weniger
verbünde sind weder eindeutig nach Sprachregion oder
                                                                    integrierten Bibliothekssysteme ab Mitte bis Ende der
nach Bibliothekstypus differenziert. Vielmehr besteht ein
                                                                    1990er Jahre entwickelte sich vor allem in der deutsch­
Nebeneinander unterschiedlich strukturierter Verbünde,
                                                                    sprachigen Schweiz eine rege Diskussion dahingehend,
die teilweise ähnliche Dienstleistungsportfolios bieten,
                                                                    ob und wie weit die Zusammenarbeit der einzelnen Bi­
andererseits jedoch organisatorisch ganz unterschiedlich
                                                                    bliotheken etwa beim Betrieb eines Bibliothekssystems
aufgebaut sind.
                                                                    oder im Bereich Medienkatalogisierung reichen sollte. Die
     Die Diskussion über den Sinn und die Zukunftsfä­
                                                                    bereits eingangs erwähnten föderalen politischen Struk­
higkeit dieser Netzwerk- bzw. Verbundstrukturen ist al­
                                                                    turen und die unterschiedlichen Interessen der einzelnen
lerdings vermutlich so alt wie die regionalen Verbünde
                                                                    Hochschulen bzw. Bibliotheken haben jedoch dazu ge­
selbst, im Falle des Bibliotheksverbundes NEBIS also etwa
                                                                    führt, dass sich die Verbundlandschaft der Schweiz heute
30 Jahre. Dieser Verbund ist gegenwärtig der größte in der
                                                                    als sehr heterogen darstellt. Abbildung 1 verdeutlicht die
Schweiz und ist organisatorisch in die ETH-Bibliothek in
                                                                    gegenwärtige Situation, die dadurch charakterisiert ist,
Zürich eingebunden: Das Netzwerk von Bibliotheken und
                                                                    dass neben den beiden großen Verbünden NEBIS und
Informationsstellen in der Schweiz (NEBIS)11 ist der einzig
                                                                    RERO im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken
mehrsprachige Verbund der Schweiz und umfasst gegen­
                                                                    mindestens noch drei oder vier weitere Verbundstruk­
wärtig etwa 150 Bibliotheken aus allen Landesteilen.
                                                                    turen existieren.15 Das Faktum, dass daneben auch unter­
     Der NEBIS-Verbund wiederum ist Teil des überge­
                                                                    schiedliche Softwareprodukte zum Einsatz kommen, hat
ordneten Informationsverbundes Deutschschweiz IDS,12
                                                                    ebenfalls nicht zu einer engeren Kooperation der einzel­
der als Verein konstituiert ist. Diesem gehören noch drei
                                                                    nen Verbundstrukturen beigetragen.
weitere universitäre Verbünde aus der deutschsprachigen
                                                                         Trotz dieser, aus gesamtschweizerischer Sicht eher
Schweiz an (Basel-Bern, Luzern und St. Gallen), wobei
                                                                    unbefriedigenden Situation, konnte zumindest am Bi­
alle vier Teilverbünde auf lokaler Ebene autonom agieren.
                                                                    bliotheksstandort Zürich in den letzten Jahren eine be­
Zum Einsatz kommt in allen Fällen das Softwareprodukt
                                                                    merkenswerte Integration zweier Bibliotheksverbünde
Aleph der Firma Ex Libris.
                                                                    realisiert werden. Mit dem im Jahr 2013 abgeschlossenen
     In der französischsprachigen Schweiz haben sich bis­
                                                                    Projekt INUIT16 wurden die Bibliotheksverbünde NEBIS
her die meisten Bibliotheken dem Réseau Romand RERO
                                                                    und der „Informationsverbund der Universität Zürich“
(Réseau des bibliothèques de Suisse occidentale)13 ange­
                                                                    zum grössten Bibliotheksverbund der Schweiz zusam­
schlossen. In diesem Kontext ist zu beachten, dass dieser
                                                                    mengeführt. Im Verlauf der Realisierung dieses Projektes
Bibliotheksverbund nicht nur wissenschaftliche, sondern
                                                                    konnten einmal wertvolle Erkenntnisse bei der Migration
auch allgemein öffentliche und Schulbibliotheken um­
                                                                    und Dedublierung großer Datenmengen gewonnen wer­
fasst. RERO wird von den Kantonen Genf, Freiburg, Neuen­
                                                                    den. Eine ebenfalls wichtige Erfahrung war darüber hi­
burg, Jura, Wallis und Waadt als Träger der beteiligten Bi­
                                                                    naus, wie die Zusammenarbeit einer größeren Anzahl von
bliotheken getragen und finanziert. Als Softwareprodukt

                                                                    14 Vgl. hierzu: http://www.bcu-lausanne.ch/renouvaud. Zum Ein­
werden von der Bibliothek der ETH Zürich durchgeführt, alle an­     satz kommt das Bibliothekssystem ALMA der Firma Ex Libris.
deren Hochschulbibliotheken der Schweiz sind jedoch durch un­       15 An dieser Stelle sollte ergänzend darauf hingewiesen werden,
terschiedliche Gremien und Entscheidungsprozesse eingebunden.       dass auch auf der Ebene von Kantons- und Gemeindebibliotheken
Eine rechtsverbindliche Organisationsstruktur im klassischen Sinn   entsprechende Verbundstrukturen existieren, wodurch das Gesamt­
existiert nicht (vgl. hierzu: https://www.consortium.ch).           bild weiter verkompliziert wird. Vgl. hierzu beispielsweise : https://
11 https://www.nebis.ch.                                            www.bvsga.ch/VerbundSG/default.aspx#Start1 und http://www.bi­
12 Vgl. hierzu Anm. 8.                                              bliotheken-gr.ch/VerbundGR/default.aspx#Start1.
13 https://www.rero.ch.                                             16 Vgl. hierzu: http://blogs.ethz.ch/inuit/.

                                                                                          Bereitgestellt von | ETH-Bibliothek Zürich
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Gemeinsam die Zukunft gestalten: Das Projekt Swiss Library Service Platform (SLSP) - und ...
200         Fachbeitrag I. Capatt und W. Neubauer, Gemeinsam die Zukunft gestalten

Abb. 1: Die gegenwärtige Verbundlandschaft der Schweiz

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verschiedener Institu­           dest deutschschweizerische) Hochschulbibliotheken bil­
tionen sinnvoll und zielorientiert gestaltet werden kann.          det. So gab es bereits kurz nach Abschluss des Projektes
     Ein nicht vorhersehbares Ergebnis des Projektes               INUIT erste konkrete Interessensbekundungen von Hoch­
­INUIT war zudem der sich während der Realisierungspha­            schulbibliotheken hinsichtlich einer Aufnahme in NEBIS.
 se entwickelnde Ansatz, die dort gemachten Erfahrungen            Parallel hierzu erfolgte der erwähnte Austritt der BCU
 in eine neue, weit größere Projektidee zu überführen. So          Lausanne aus dem Bibliotheksverbund RERO, was auch
 wurde an dieser Stelle der Gedanke entwickelt, ob es nicht        dort der Diskussion über die weitere Zukunft dieses Netz­
 möglich und sinnvoll sein könnte, ein Integrationsprojekt         werkes erheblichen Schwung verlieh.
 für alle Bibliotheksverbünde der Schweiz zu entwickeln                Neben diesen regionalen und/oder nationalen Rand­
 und damit das Konstrukt NEBIS bzw. ein weiterentwi­               bedingungen gibt es naturgemäß auch eine Reihe wei­
 ckeltes NEBIS auf die nationale Ebene zu übertragen.              terer, ganz grundsätzlicher Aspekte, die vor allem die
                                                                   zukünftigen Aufgaben und Möglichkeiten wissenschaft­
                                                                   licher Hochschulbibliotheken betreffen. Zu erwähnen

4 S
   wiss Library Service Platform                                  sind hier in erster Linie die rasanten Entwicklungen des
                                                                   Informations- und Wissensmanagements, wo in rascher
  (SLSP): Die Idee                                                 Folge neue Handlungsfelder entstehen, auf denen Hoch­
                                                                   schulbibliotheken Innovationangebote machen müssen.17
Das Projekt SLSP ist das umfassendste Bibliotheksprojekt,          Hierzu sind natürlich entsprechende professionelle Kom­
das bisher in der Bibliotheksgeschichte der Schweiz ini­
tiiert werden konnte. In seinen Grundüberlegungen geht
SLSP einmal zurück auf die erfolgreiche Integration des
                                                                   17 Vgl. hierzu: Oesterheld, Ch. Von dezentralen Bibliotheksverbün-
Informationsverbundes der Universität Zürich mit dem Bi­           den zur nationalen Dienstleistungsplattform. – Vortrag, gehalten auf
bliotheksverbund NEBIS, die letztlich den Ausgangspunkt            dem 106. Deutschen Bibliothekartag in Frankfurt a. Main. Frankfurt
für eine Ausweitung dieses Ansatzes auf weitere (zumin­            a. M. 2017, Folie 3.

                                                                                     Bereitgestellt von | ETH-Bibliothek Zürich
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Gemeinsam die Zukunft gestalten: Das Projekt Swiss Library Service Platform (SLSP) - und ...
I. Capatt und W. Neubauer, Gemeinsam die Zukunft gestalten Fachbeitrag         201

petenzen ebenso notwendig, wie die Entwicklung sinn­
                                                                         Serviceportfolio von SLSP
voller technischer und organisatorischer Lösungen.
                                                                         Basic/immediate Services:
     Ergänzend zu diesen Punkten müssen darüber hinaus
                                                                         Hierzu gehören Services, die zum Zeitpunkt der Betrieb­
Wege gefunden werden, wie die Bibliotheken in ihren Rou­
                                                                         saufnahme von SLSP implementiert sein müssen. Zu
tineprozessen dauerhaft entlastet werden können, um auf
                                                                         dieser Gruppe gehören all diejenigen Dienstleistungen,
diese Weise diejenigen Personalressourcen freizuspielen,
                                                                         die für Bibliotheken der primären Zielgruppe von Be­
die für die Erarbeitung neuer, zielgruppenspezifischer
                                                                         ginn an notwendig sind und somit das Basispaket bil­
Serviceangebote unabdingbar sind. Hier rückt dann die
                                                                         den. Die Mehrzahl dieser Services ist mit dem zentralen
Frage in den Vordergrund, wie dieser Transformations­
                                                                         Bibliotheksverwaltungssystem verbunden.
prozess durch den Einsatz von Bibliothekssystemen der
neuen Generation unterstützt werden kann.                                Optional/immediate Services:
     Für die spezifische Situation in der Schweiz lässt sich             In diese Gruppe gehören modular angebotene Services,
also festhalten, dass ab dem Jahr 2013 mehr oder weniger                 die zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme von SLSP im­
allen Stakeholdern klar wurde, dass jetzt eine günstige                  plementiert sein müssen. Diese Dienstleistungen wer­
Gelegenheit sein könnte, über die heterogene Verbund­                    den nicht von allen Kunden bezogen, sind jedoch für
landschaft des Landes nachzudenken und eine gemein­                      einige von Beginn an notwendig.
same Anstrengung hinsichtlich einer sehr viel stärkeren
                                                                         Basic/future Services:
Integration zu unternehmen. Hierzu setzten sich Bibli­
                                                                         Hier handelt es sich um für die Zukunft wünschens­
othekarinnen und Bibliothekare von 10 Institutionen18
                                                                         werte Services, die jedoch für die Aufbauphase von
zusammen und erarbeiteten unter Federführung der
                                                                         SLSP keine Priorität haben. Diese Dienstleistungen
ETH-Bibliothek einen Förderantrag zur Einreichung beim
                                                                         werden zu einem späteren Zeitpunkt ins Basispaket der
nationalen Förderprogramm SUK P-2.19 Generelles Ziel
                                                                         SLSP aufgenommen.
des Antrages war der Aufbau einer zentralen Serviceplatt­
form für die ganze Schweiz, allerdings mit klarem Fokus                  Optional/future Serivces:
auf die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Entwick­                    Bei diesen Dienstleistungen handelt es sich um in der
lung. Bereits von Beginn an war allen Beteiligten klar,                  Zukunft denkbare Services, die modular angeboten
dass der Schwerpunkt aller Bemühungen auf den beiden                     und nicht von allen Kunden bezogen werden.
Elementen Kundenorientierung (Wer sind die Kunden
                                                                         Verwaltungsservices:
und was erwarten sie?) und Dienstleistungsorientierung
                                                                         Diese Gruppe von Services ist für die Administration
(Welches Serviceportfolio sollte angeboten werden?) lie­
                                                                         und den Betrieb von SLSP notwendig und wird von al­
gen sollte.
                                                                         len Zielgruppen/Kunden automatisch bezogen.
     Ebenfalls bereits in der Frühphase stimmten alle
Stakeholder dahingehend überein, dass der erste Schritt
beim konkreten Aufbau einer Serviceplattform, praktisch
das Grundelement aller weiteren Aktivitäten, die Einfüh­
rung eines Bibliothekssystems der neuen Generation sein
                                                                        5 D
                                                                           ie Vision für SLSP und die
sollte, wodurch die heterogene Verbundlandschaft einen                    Konzeptionsphase
beträchtlichen Integrationsschub erhalten würde.
                                                                        Im Verlauf der zweiten Hälfte des Jahres 2014 wurden
18 Hierbei handelte es sich um folgende Institutionen: ETH-Bibli­       alle Ideen, Vorschläge und Diskussionsbeiträge aus den
othek, Bibliothèque Cantonale et Universitaire de Fribourg, Haupt­      genannten Einrichtungen zusammengefasst und mün­
bibliothek der Universität Zürich, Haute Ecole de Gestion Genève        deten schließlich im Februar 2015 in einen Förderantrag
(HES-SO), Informationsverbund Deutschschweiz e. V., Réseau des
                                                                        bei swissuniversities, der die Vision einer nationalen
bibliothèques de Suisse occidentale (RERO), Universitätsbibliothek
Basel, Universitätsbibliothek Bern und Zentralbibliothek Zürich.        Dienstleistungsplattform für wissenschaftliche Infor­
19 Das Förderprogramm SUK P-2 (Wissenschaftliche Information:           mationen formulierte und die für die Erreichung dieser
Zugang, Verarbeitung und Speicherung) von swissuniversities (vgl.       Vision notwendigen Prozesse, personellen und finanzi­
Anm. 2) sollte einen wesentlichen Beitrag zur Bündelung der An­         ellen Ressourcen und technischen Randbedingungen vor-
strengungen der Hochschulen bei der Bereitstellung und Verarbei­
                                                                        stellte.
tung von wissenschaftlich relevanten Informationen leisten. Durch
die Vergabe von Fördermitteln für einschlägige Projektvorschläge
                                                                             Der gesamte Projektablauf sollte sich in drei wesent­
und Projektrealisierungen sollte hier ein Aufbruch in eine optimierte   liche Teilabschnitte gliedern (vgl. Abb. 2): Konzeptions­
Landschaft für wissenschaftliche Information erreicht werden.           phase (August 2015 bis Februar 2017), Aufbauphase (März

                                                                                           Bereitgestellt von | ETH-Bibliothek Zürich
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Gemeinsam die Zukunft gestalten: Das Projekt Swiss Library Service Platform (SLSP) - und ...
202        Fachbeitrag I. Capatt und W. Neubauer, Gemeinsam die Zukunft gestalten

Abb. 2: Roadmap für den Gesamtprojektzeitraum

2017 bis Februar 2018) und Realisierungsphase (März 2018          folio das mehrsprachige Umfeld adäquat berücksichtigen
bis Dezember 2020).                                               müssen, da dies einen entscheidenden Erfolgsfaktor für
     Wie bereits erwähnt, geht die Vision von SLSP als            das gesamte Projekt darstellt.
Serviceplattform von einem grundsätzlich zentralen An­                 Die konkreten Ziele der ersten Phase des Projektes
satz aus, was jedoch dezentrale Elemente (wie etwa Lo­            SLSP lassen sich folgendermaßen skizzieren:
kalredaktionen für Normdaten) nicht grundsätzlich aus­            –– Entwicklung eines Serviceportfolios, das sich deut­
schließt. Auch ist beispielsweise denkbar, dass SLSP von               lich an den Bedürfnissen der relevanten Kunden bzw.
dezentraler Seite betriebene Serviceapplikationen (wie                 Kundengruppen orientiert,
etwa bisher dezentral betriebene Datenserver) auf natio­          –– Entwicklung einer sinnvollen Organisationsstruktur
naler Ebene „vermarktet“.                                              für die Plattform, einschließlich einer Konzeption hin­
     Ebenfalls bereits angesprochen wurde im Antrag                    sichtlich Governance, Führung und Betrieb,
die grundsätzliche Möglichkeit, durch den Betrieb einer           –– Erarbeitung einer technischen Machbarkeitsstudie
gemeinsamen, einheitlichen IT-Lösung für die gesamte                   und Konzeption der informationstechnischen Archi­
Schweiz Synergien freizusetzen. Arbeiten, die gegenwärtig              tektur der zukünftigen IT-Lösung,
redundant an vielen Stellen mehr oder weniger gleich ge­          –– Entwicklung von Vorstellungen hinsichtlich der Fi­
leistet werden, können nun zentral an einer Stelle erledigt            nanzierung der Plattform und ihre Darstellung in
werden. Hierdurch besteht zumindest die Möglichkeit,                   Form eines Businessplanes,
vor Ort die dadurch eingesparten Ressourcen anderweitig           –– Detaillierte Planung der weiteren Phasen des Pro­
einzusetzen und auf lokaler Ebene das Angebot an inno­                 jektes, Erarbeitung von Plänen zur angemessenen
vativen und stärker kundenorientierten Dienstleistungen                Kommunikation und zum Stakeholdermanagement.
auszubauen.
     Naturgemäß war darüber hinaus von Anfang klar,               Die konkrete Realisierung des Projektes SLSP orientiert
dass sowohl die technische Realisierung, als auch ent­            sich prinzipiell an den im Projektführungssystem Her­
sprechende Lösungen für Governance und Serviceport­

                                                                                    Bereitgestellt von | ETH-Bibliothek Zürich
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I. Capatt und W. Neubauer, Gemeinsam die Zukunft gestalten Fachbeitrag           203

Abb. 3: Übersicht über die relevanten Arbeitspakete der Konzeptionsphase von SLSP

mes20 definierten Projektschritten. Hierbei wird das Ge­                beitet, so dass an dieser Stelle nur die wichtigsten genannt
samtprojekt in einzelne Arbeitsschritte, die Arbeitspakete,             werden sollen:23
unterteilt, die dann teils sequentiell, teils parallel abge­            –– Identifikation von Kunden und Kundengruppen,
arbeitet werden. Jedes Arbeitspaket wiederum gliedert                   –– Lancierung und Bewertung eine Umfrage bei allen re­
sich in einzelne Sub-Arbeitspakete, die sog. Lieferobjekte.                 levanten Stakeholdern hinsichtlich der Serviceanfor­
In der Konzeptionsphase wurden insgesamt 46 dieser                          derungen an SLSP,
Lieferobjekte schwerpunktmässig in den Arbeitspaketen                   –– Entwicklung einer Servicematrix,
„Dienstleistungen und Geschäftsmodell“, „Organisation                   –– Definition von Varianten für eine sinnvolle Governan­
und Governance“ sowie „Prozesse und IT-Anforderungen“                       ce-Struktur,
(vgl. hierzu Abb. 3) bearbeitet.21                                      –– Übersicht über den Markt für relevante Bibliothekssy­
     Während der etwa 18 Monate dauernden Konzeptpha­                       steme,
  22
se wurde eine Vielzahl von einzelnen Ergebnissen erar­                  –– Entwicklung erster Varianten für eine mögliche Syste­
                                                                            marchitektur,
                                                                        –– Planung der weiteren Teilphasen des Gesamtpro­
                                                                            jektes SLSP,
                                                                        –– erste Varianten eines Businessplanes,
20 Bei Hermes handelt es sich um ein Projektführungsinstrument,         –– Ausarbeitung und Einreichung eines weiteren För­
das etwa seit 1975 in immer wieder neuen Versionen in der Bundes­           derantrags (für Phase 2).
verwaltung der Schweiz im Einsatz und für IT-Projekte verbindlich
ist. Vgl. hierzu: http://www.hermes.admin.ch/onlinepublikation/         Zu all diesen Themen wurden umfangreiche Abklärungen
index.xhtml.
                                                                        und Ausarbeiten erstellt und in ihren wesentlichen As­
21 Jede Arbeitsgruppe umfasste etwa 8–12 Mitglieder aus allen Tei­
len des Landes sowie aus unterschiedlichen Bibliothekstypen. Ins­
                                                                        pekten dem zuständigen Entscheidungsgremium von
gesamt waren etwa 60 Bibliothekarinnen und Bibliothekare an der         SLSP (in diesem Falle ist dies das sog. Steuerungsgremi­
Konzeptionsphase beteiligt, die zusammengenommen etwa 1 700             um; vgl. hierzu Abb. 4) zur Diskussion bzw. zur Entschei­
Personentage einbrachten. Der größte Teil der in den entsendenden       dung vorgelegt.
Institutionen anfallenden Kosten wurde von diesen übernommen;               Wie bereits erwähnt, standen die beiden Aspekte Kun­
lediglich ein geringer Anteil wurde den Institutionen aus dem Pro­
                                                                        den- bzw. Dienstleistungsorientierung von Anfang an im
jekt zurückerstattet. Jeder einzelne Service wurde in einem eigenen
Lieferobjekt detailliert beschrieben, was vor allem auch für eine Ko­   Mittelpunkt des Projektes, so dass hier noch eine etwas
stenzuweisung sehr hilfreich sein wird.
22 An dieser Stelle sollte man berücksichtigen, dass sich die ein­
zelnen Projektphasen in der Realität natürlich nicht eindeutig von­     23 Die wichtigsten Ergebnisse finden sich unter folgender Adresse:
einander abgrenzen lassen. Die monatsscharfe Abgrenzung dient           https://blogs.ethz.ch/slsp/a-propos-du-projet/. Der dort genannte
primär der Antragstellung.                                              Zwischenbericht ist nicht veröffentlicht.

                                                                                             Bereitgestellt von | ETH-Bibliothek Zürich
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204          Fachbeitrag I. Capatt und W. Neubauer, Gemeinsam die Zukunft gestalten

Abb. 4: Organigramm

weitergehende Diskussion angezeigt ist. Alle über die               hinaus selbst anbietet (Marketingfunktion).25 Um über­
Serviceplattform angebotenen Dienstleistungen wurden                haupt kundenspezifische Dienstleistungen bestimmen zu
letztlich durch eine umfangreiche Bedarfserhebung bei               können, ist eine Definition der Kundengruppen notwen­
den bibliothekarischen Stakeholdern (vgl. hierzu Abb. 5)            dig, die natürlich nicht zu detailliert ausfallen sollte. Im
innerhalb der Schweiz ermittelt. Alle Services sollen               Fall von SLSP wurden in einem Beteiligungsmodell drei
grundsätzlich allen Kundengruppen angeboten werden,                 Kundengruppen definiert: Dies sind einmal die „Besitzer“
wobei die optionalen Angebote einen ausreichend groß­               der Plattform, die in den Aufbau der Plattform investiert
en Kundenkreis abdecken müssen. Alle Dienstleistungen               haben, über die strategische Ausrichtung entscheiden
müssen finanziell selbsttragend sein, Quersubventionen              und selbstverständlich gleichzeitig Servicenehmer, also
sollen möglichst ausgeschlossen sein. Auf diese Weise               Kunden sind. Die zweite Gruppe umfasst diejenigen In­
bleibt die Modularität des Angebotes flexibel, und die              stitutionen, die das sog. Basispaket beziehen (vgl. Abb. 4)
Kostentransparenz auf Produktebene bleibt erhalten. Das             und hierfür jährliche Grundbeiträge leisten. Zusätzliche
Gesamtpaket des Serviceportfolios lässt sich so auf die In­         Services werden gesondert bezahlt. Die dritte Gruppe sind
teressen und finanziellen Möglichkeiten der unterschied­            Institutionen, die lediglich optionale Services in Anspruch
lichen Kundengruppen ausrichten.24                                  nehmen und hierfür auf Produktbasis bezahlen.
     Zur Frage, warum der Dienstleistungsaspekt eindeutig
im Vordergrund steht, ist an dieser Stelle der Hinweis an­
gebracht, dass SLSP mehr sein wird als ein klassischer Bi­
bliotheksverbund. Es geht in diesem Fall also nicht „nur“
                                                                    6 Die Aufbauphase
um den Betrieb eines Bibliothekssystems, sondern es
                                                                    Seit März 2017 läuft die zweite Phase des Projektes SLSP,
geht um eine umfassend angelegte Serviceplattform, die
                                                                    die sog. Aufbauphase, in der wiederum einige für den
ein breites Spektrum an Dienstleistungen vermittelt (Bro­
                                                                    Projekterfolg wesentliche Arbeitspakete zur Bearbeitung
kerfunktion), unterstützt (Supportfunktion) und darüber
                                                                    anstehen. Zur Finanzierung dieses Projektschrittes wurde
                                                                    im Kontext der Konzeptionsphase wiederum ein entspre­

24 Vgl. hierzu Oesterheld 2017, Folien 6 und 7.                     25 Vgl. hierzu Oesterheld 2017, Folie 7.

                                                                                       Bereitgestellt von | ETH-Bibliothek Zürich
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I. Capatt und W. Neubauer, Gemeinsam die Zukunft gestalten Fachbeitrag          205

Abb. 5: Servicematrix von SLSP

chender Förderantrag gestellt, der abermals genehmigt              Benutzung), die für die Aufbauphase ebenfalls neu zu­
wurde und der den Zeitraum bis einschließlich Febru­               sammengestellt wurden. Mitglieder dieser Arbeitsgruppen
ar 2018 abdecken wird. Die wesentlichen inhaltlichen               sind einschlägige Spezialisten aus den beteiligten Institu­
Schwerpunkte sind jetzt die Definition einer sinnvollen            tionen (vgl. hierzu Abb. 6).
Governancestruktur, die Ausschreibung für ein Biblio­
thekssystem der neuen Generation und die Entwicklung
eines definitiven Businessplanes, der die realen Kosten für
die Realisierungsphase festlegt. Darüber hinaus müssen
bereits in diesem Zeitraum wesentliche Vorarbeiten für die
Implementierung des neuen Bibliothekssystems und für
die Migration der „Altdaten“ aus den laufenden Verbund­
systemen in die neue Applikation erledigt werden. Von
ganz besonderer Bedeutung ist in diesem Kontext die Fra­
ge von gemeinsamen, landesweit geltenden Normen und
Standards, da hier in einem mehrsprachigen Land nahelie­
genderweise eine Vielzahl von Einzelfragen zu klären sind.
     Um diese Aufgaben auch problemgerecht lösen zu
können, wurde die für die Konzeptionsphase relevante               Abb. 6: Bibliothekarische Arbeitsgruppen der Aufbauphase von SLSP
Projektstruktur leicht abgewandelt. Die bisher tätigen
Teilprojekte wurden aufgegeben,26 und es wurde ein sog.            Im laufenden Projektzeitraum (Aufbauphase) wurden
Kernteam ins Leben gerufen, in dem alle beteiligten Insti­         bisher folgende für den Projektfortgang wesentliche Ent­
tutionen durch ihre Bibliotheksdirektorinnen oder -direk­          scheidungen getroffen:
toren vertreten sind. In diesem Gremium finden alle für            –– Für die konkrete Realisierungsphase sowie für den
den Projekterfolg notwendigen bibliothekarischen Diskus­               Routinebetrieb der Serviceplattform nach dem Jahr
sionen statt, vor allem auch die Abnahme der Ergebnisse                2021 wurde eine SLSP AG gegründet, deren Aktionäre
von drei Arbeitsgruppen (Metadaten, Datenmigration und                 15 Hochschulen27 der Schweiz sind.

26 Die dort angesiedelten Arbeitspakete waren weitgehend erfolg­   27 Berner Fachhochschule, ETH Zürich, Fachhochschule Ost­
reich abgearbeitet.                                                schweiz, Haute Ecole Spécialisée de Suisse occidentale Genève, Uni­

                                                                                        Bereitgestellt von | ETH-Bibliothek Zürich
                                                                                                                      Angemeldet
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206          Fachbeitrag I. Capatt und W. Neubauer, Gemeinsam die Zukunft gestalten

–– Das Gründungskapital der AG beträgt 520 000 Schwei­                  7 Projektrealisierung und Betrieb
   zer Franken, wobei sich die Gesamtsumme auf elf sog.
   große (= 40 000 Schweizer Franken) und vier sog.
                                                                           der Plattform
   kleine (= 20 000 Schweizer Franken) Aktienpakete
                                                                        Die konkrete Realisierung des Projektes SLSP ist naturge­
   verteilt. Das Führungsgremium der SLSP AG, der Ver­
                                                                        mäß von zwei wesentlichen Faktoren bestimmt. Dies ist
   waltungsrat,28 besteht aus acht Mitgliedern, die von
                                                                        einmal die Bereitstellung der notwendigen finanziellen
   der Versammlung der Aktionäre gewählt werden.
                                                                        Ressourcen, die auf zwei Quellen beruhen. Die Planungen
–– Der Anforderungskatalog für die Ausschreibung eines
                                                                        gehen einmal von einem erheblichen Beitrag des bereits
   neuen Bibliothekssystems wurde durch mehrere bi­
                                                                        genannten Förderprogramms P-5 aus und basieren des
   bliothekarische Arbeitsgruppen unter Mithilfe ein­
                                                                        Weiteren auf einem ebenfalls beträchtlichen Finanzpa­
   schlägiger Spezialisten in den ersten Monaten dieses
                                                                        ket der Aktionäre, also der beteiligten Hochschulen. Über
   Jahres erarbeitet und in Form einer WTO-Ausschrei­
                                                                        die gesamte Realisierungsphase betrachtet entfallen die
   bung29 lanciert. Die konkrete Bewertung und Auswahl
                                                                        notwendigen Aufwendungen im Wesentlichen auf das in
   wird aller Voraussicht nach im August dieses Jahres
                                                                        Ausschreibung befindliche Softwareprodukt auf der einen
   erfolgen; die zu erwartenden Vertragsverhandlungen
                                                                        und auf die für den Plattformaufbau notwendigen Spezia­
   werden dann voraussichtlich im Herbst 2017 stattfin­
                                                                        listen aus dem Bibliotheks- bzw. IT-Bereich auf der ande­
   den.
                                                                        ren Seite. Diese Situation bedeutet, dass zum gegenwär­
–– Die drei genannten Arbeitsgruppen, deren Ergebnisse
                                                                        tigen Zeitpunkt hinsichtlich des Gesamtbudgets für die
   im Lauf dieses Jahres vorliegen müssen, wurden ein­
                                                                        Realisierung der weiteren Planungen noch keine exakten
   gesetzt, damit diese in die Arbeiten der Realisierungs­
                                                                        Aussagen möglich sind, also von Annahmen ausgegangen
   phase einfließen können.
                                                                        werden muss.
                                                                             In jedem Fall wird der auf die Aktionäre entfallende
Ebenfalls im laufenden Jahr wird ein Businessplan für die
                                                                        Kostenanteil in Form von rückzahlbaren Darlehen gelei­
Projektrealisierung in den Jahren 2018–2020 vorliegen,
                                                                        stet werden, deren Höhe in Abhängigkeit vom jeweiligen
sowie eine konkrete Planung hinsichtlich der ab dem Jahr
                                                                        Aktienpaket berechnet wird. Die Details dieser Berech­
2021 zu erwartenden Betriebsphase. Der hierfür notwen­
                                                                        nungen werden im Herbst dieses Jahres vorliegen.
dige Förderantrag ist ebenfalls ein wichtiges Element der
                                                                             Ein in diesem Zusammenhang nicht triviales Problem
Arbeiten im Jahr 2017. Darüber hinaus ist es notwendig,
                                                                        ist auch die Rekrutierung der für den Plattformaufbau
erste konkrete Schritte für den Aufbau der Geschäftsstelle
                                                                        notwendigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die na­
von SLSP zu unternehmen, die ja möglichst reibungslos
                                                                        heliegenderweise weitgehend aus den bestehenden Bi­
in den ersten Monaten des Jahres 2018 in Betrieb gehen
                                                                        bliotheksverbünden kommen müssen. Hier ist darüber
soll. Zu erwähnen sind an dieser Stelle Fragen nach dem
                                                                        hinaus zu berücksichtigen, dass die Frage nach der Dau­
Gehaltssystem, der rechtlichen Stellung der zukünftigen
                                                                        er des Weiterbetriebes der bestehenden Anwendungen,
Mitarbeitenden, Fragen der Altersversorgung, oder die
                                                                        möglicherweise auch des Parallelbetriebes, eine zusätz­
wichtige Frage nach dem Standort der Serviceeinrichtung.
                                                                        liche Schwierigkeit für die Übergangsphase darstellt. Ent­
                                                                        sprechende Lösungsvorschläge werden in der angespro­
                                                                        chenen AG Migration erarbeitet.
versità della Svizzera italiana, Universitäten Basel, Bern, Freiburg,        Über den eigentlichen Betrieb der Plattform SLSP ab
Genf, St. Gallen und Zürich, Zentralbibliothek Zürich, Zentral- und
                                                                        dem Jahr 2021 sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt naturge­
Hochschulbibliothek Luzern, Zürcher Hochschule der Angewandten
Wissenschaften, Zürcher Hochschule der Künste.
                                                                        mäß nur wenig verbindliche Aussagen möglich. In jedem
28 Es wurde bewusst eine Rechtsform aus der Geschäftswelt ge­           Fall werden die Betriebskosten für den Routinebetrieb zu
wählt, um auf diese Weise für den Geschäftsbetrieb der Plattform        100 Prozent von den Nutzern erbracht werden müssen, da
möglichst große Flexibilität zu haben. Der Verwaltungsrat einer AG in   von einer Weiterförderung über ein nationales Förderpro­
der Schweiz ist im Gegensatz zur Situation in Deutschland nicht nur     gramm nicht auszugehen ist. Hinsichtlich der Höhe der
als Aufsichtsorgan tätig, sondern übernimmt auch die Oberleitung
                                                                        Betriebsaufwendungen gehen die Planungen etwa von
der Gesellschaft. Für die Wahl eines Mitgliedes des Verwaltungsrates
ist ein Aktienkapital von 80 000 Schweizer Franken notwendig.           der Summe aus, die heute für den Betrieb der unterschied­
29 Die Ausschreibung erfolgte unter der Bezeichnung „EvaLIS.            lichen Verbünde in der Schweiz aufgebracht werden muss.
Evaluation of a New Library System“ über die entsprechende Platt­       Die Realkosten für die heutigen Verbünde sind allerdings
form für das öffentliche Beschaffungswesen der Schweiz Anfang           nur schwer zu ermitteln, da man davon ausgehen muss,
Juni 2017. Vgl. hierzu: https://www.simap.ch/shabforms/COMMON/
                                                                        dass in erheblichem Umfang versteckte Overheadkosten
search/searchresult.jsf.

                                                                                        Bereitgestellt von | ETH-Bibliothek Zürich
                                                                                                                      Angemeldet
                                                                                           Heruntergeladen am | 23.01.18 09:05
I. Capatt und W. Neubauer, Gemeinsam die Zukunft gestalten Fachbeitrag         207

anfallen. Somit kann man mit einem gewissen Optimis­                       Der konkrete Erfolg der Serviceplattform wird ganz
mus davon ausgehen, dass die Kosten für den Betrieb von                wesentlich von den Hochschulbibliotheken der Schweiz
SLSP niedriger sind, als die kumulierten Kosten heute.                 selbst abhängen und von deren Bereitschaft, aktiv an der
                                                                       Ausgestaltung des Serviceportfolios mitzuwirken. Der
                                                                       Start des Routinebetriebes zu Beginn des Jahres 2021 ist

8 SLSP: Ein Blick in die Zukunft                                       somit nur der erste Schritt in der Weiterentwicklung des
                                                                       wissenschaftlichen Bibliothekswesens der Schweiz.

Das Bibliotheksprojekt SLSP ist das erste Bibliothekspro­
jekt der Schweiz, in dessen Konzeption und Realisierung
alle Landesteile eingebunden sind. Auch in früheren                    Autoreninformationen
Jahren gab es landesweit konzipierte Kooperationsak­
tivitäten,30 doch basierten diese Projekte meist auf der                                    Iris Capatt
Initiative einer einzelnen Bibliothek, bei der weitere Ein­                                 Swiss Library Service Platform
richtungen eingeladen waren, mitzumachen. Insofern                                          c/o ETH Zürich, ETH-Bibliothek
                                                                                            Rämistrasse 101
ist SLSP für die Schweizer Bibliothekslandschaft eine
                                                                                            8092 Zürich, Schweiz
Besonderheit, und es wird sich weisen, ob die einzelnen                                     iris.capatt@library.ethz.ch
Institutionen über den gemeinsamen Betrieb eines Biblio­                                    orcid.org/0000-0001-5093-9831
thekssystems hinaus ihre Partikularinteressen zurückstel­
len können und werden. SLSP bietet jedoch erstmals eine
landesweite Plattform, um möglicherweise neue, eher                                         Dr. Wolfram Neubauer
forschungsnahe Services (etwa Forschungsinformations­                                       Swiss Library Service Platform
systeme, Data Curation, Forschungsdatenrepositories)                                        c/o ETH Zürich, ETH-Bibliothek
                                                                                            Rämistrasse 101
über eine zentrale Plattform anzubieten. Daneben bietet
                                                                                            8092 Zürich, Schweiz
eine zentrale bibliothekarische Serviceplattform selbst­                                    wolfram.neubauer@library.ethz.ch
verständlich die Gelegenheit, auch klassische bibliothe­                                    orcid.org/0000-0002-7999-3054
karische Arbeiten ebenfalls zentralisiert zu betreiben. Er­
wähnt werden sollen hier lediglich die Redaktion und die
Pflege national eingesetzter Normen und Standards, die
Möglichkeit der zentralen Medienerschließung, oder die
Einführung eines nationalen Identity Managements.

30 Ein gutes Beispiel für ein solches Projekt ist das Konsortium der
Schweizer Hochschulbibliotheken. Vgl. hierzu: http://www.consorti­
um.ch/.

                                                                                          Bereitgestellt von | ETH-Bibliothek Zürich
                                                                                                                        Angemeldet
                                                                                             Heruntergeladen am | 23.01.18 09:05
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