Die konsequente Nutzung von Daten zur effektiven Bekämpfung der Pandemie - Florian Dorn, Denise Feldner, Michael Herter, Andreas Peichl und ...
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11 2021 12. Mai 2021 DIGITAL Florian Dorn, Denise Feldner, Michael Herter, Andreas Peichl und Barbara Wawrzyniak Die konsequente Nutzung von Daten zur effektiven Bekämpfung der Pandemie
ifo Schnelldienst digital ISSN 2700-8371 Herausgeber: ifo Institut, Poschingerstraße 5, 81679 München, Telefon +49(89)9224-0, Telefax +49(89)985369, E-Mail: ifo@ifo.de Redaktion: Dr. Marga Jennewein, Dr. Cornelia Geißler. Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest, Dr. Yvonne Giesing, Dr. Christa Hainz, Prof. Dr. Chang Woon Nam. Vertrieb: ifo Institut Erscheinungsweise: unregelmäßig Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise): Nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars. Kommerzielle Verwertung der Daten, auch über elektronische Medien, nur mit Genehmigung des ifo Instituts. im Internet: https://www.ifo.de
DATENNUTZUNG ZUR BEKÄMPFUNG DER PANDEMIE Florian Dorn*, Denise Feldner**, Michael Herter***, Andreas Peichl* und Barbara Wawrzyniak*** Die konsequente Nutzung von Daten zur effektiven Bekämpfung der Pandemie Die Corona-Pandemie hat erhebliche Schwächen im IN KÜRZE staatlichen Krisenmanagement offengelegt. Ein gro- ßes Problem in der Bekämpfung und Bewältigung der Pandemie liegt darin, dass prinzipiell verfügbare Die Corona-Pandemie hat viele Schwächen des öffentlichen Daten entweder gar nicht oder in minderer Quali- Sektors in Deutschland offengelegt. Dazu gehört auch der tät erhoben werden. Trotz vorhandener und auch Rückstand in der Digitalisierung und die mangelnde Erhebung dem deutschen Datenschutzrecht entsprechender und Verfügbarkeit von Daten. Statt in der Krise datengestützt Technologien betreiben wir daher Gesundheits- und zu agieren, bewegen sich Politik und Entscheidungsträger des Wirtschaftspolitik im Blindflug. Dabei bewegt sich die öffentlichen Sektors weiterhin in einer Datenwüste, die eine Politik meist in einer »Datenwüste« (Greive 2020; Zeit effektive Krisenbekämpfung erschwert. Die Situation hat sich online 2021; Endt und Müller-Hansen 2021). So bleibt selbst über einem Jahr nach Beginn der Pandemie kaum ver- ihr oft nicht anderes übrig, als auf flächendeckende Lockdowns zurückzugreifen, statt durch fokussierte ändert. Durch eine verbesserte Datenerhebung und ein daten- und datenschonende Datenerhebung sowie ein da- basiertes Monitoring könnten zielgerichtete und effektive Maß- tenbasiertes Monitoring zielgerichtete und effektive nahmen aktiv und lokal ergriffen werden, statt primär auf flä- Maßnahmen proaktiv zu ergreifen (DAGStat 2021). chendeckende und teure Lockdowns zurückgreifen zu müssen. Auch nach einem Jahr Pandemie fehlt die digitale Insbesondere eine verbesserte Übermittlung der Testdaten mit Architektur für das Leben mit der Pandemie. Hinge- zusätzlichen Informationen zu Grund und Ergebnis der Tests gen wurde von wissenschaftlicher Seite seit Beginn sowie geocodierten Informationen zu den Testpersonen sind der Pandemie eine umfangreiche und systematische dringend erforderlich. Dies ermöglicht dezentrale und lokale Erfassung und Analyse der Daten, z.B. durch regelmä- Öffnungs- und Eindämmungsstrategien, die Evaluation von ßige stichprobenartige Tests, gefordert. Bereits vor Teststrategien sowie ein sicheres Auffinden mutmaßlicher In- Beginn der zweiten Welle wurde auch die Bedeutung fektionsorte und soziodemografischer Zusammenhänge. Damit der besseren Erhebung der Testdaten angemahnt, können Gegenmaßnahmen, z.B. angeordnete Betriebsschlie- um mit gezielteren Maßnahmen dezentral rechtzeitig gegensteuern zu können.1 Im Gegenteil, bei der Ände- ßungen und lokales Ausbruchsmanagement, evidenzbasiert rung des Infektionsschutzgesetzes im November 2020 begründet und zielgerichtet umgesetzt werden. Durch eine di- wurden einige Paragrafen so geändert, dass noch we- gitale und schnelle Datenübermittlung können zudem Infekti- niger Daten erhoben werden und sich die Datenlage onen und Kontaktpersonen schneller identifiziert, von Ärzten noch weiter verschlechtert hat.2 und von den sozialen Diensten unterstützt und zu ihrem Schutz Hieran haben auch die vom Bundesministerium isoliert werden. Mit einer konsequenten und datenschonen- für Gesundheit während der Pandemie eingeführte di- den Erhebung und Nutzung von Daten könnten die Pandemie gitalen App-Systeme, die Krankheitsverläufe außerhalb und ihre Folgen effektiv und aktiv bekämpft werden. Ein da- des Krankenhauses monitoren, nicht viel geändert.3 tenbasiertes Krisenmanagement ermöglicht zusätzlich eine Dass parallel dazu nationale Dateninfrastrukturen in nachvollziehbare Kommunikation politischer Entscheidungen. * ifo Institut, München. Der verantwortungsvolle und ethisch geprägte Umgang mit ** Bridgehead//Advisors, Berlin. den Daten obliegt dabei den demokratisch legitimierten Ver- *** infas 360, Bonn. 1 Vgl. u.a. Dorn et al. im Oktober 2020: »Leider gibt es zum gegen- tretern. Hier gilt es auch, die richtigen Lehren und Vorberei- wärtigen Zeitpunkt jedoch keine vergleichbaren Informationen zu den durchgeführten Tests und der Positivrate auf Bundesländerebe- tungen für die Zukunft zu treffen. Es geht darum, gewonnene ne oder gar Regionen. (…) Angesichts der Bedeutung dieser Informa- Erkenntnisse zu sichern und die Digitalisierung im öffentlichen tionen für Entscheidungsträger und möglichen Auswirkungen von Lockdown-Entscheidungen, ist hier ein Umdenken (…) erforderlich.« Sektor (u.a. im Gesundheitswesen) insbesondere für neue Kri- (Dorn et al. 2020, S. 5). 2 So wurde u.a. geändert, dass negative Tests nicht mehr gemeldet senzeiten zu etablieren. Ganz besonders wichtig ist dies für (Streichen von §7 (4) IfSG) und auch die Meldung regionaler Informa- schnell verfügbare datengestützte Entscheidungsgrundlagen. tionen eingeschränkt werden (§10 (3) Nr. 4 IfSG). 3 Beispielsweise bietet das britische Unternehmen HUMA in deut- schen Krankenhäusern eine App-Lösung für Remote Patient Monito- ifo Schnelldienst digital 11/2020, 12. Mai 2021 1
DATENNUTZUNG ZUR BEKÄMPFUNG DER PANDEMIE der evidenzbasierten Medizin aufgebaut werden, ist gativen) Testungen sowie die Erfassung des Grunds hervorragend.4 Dies hilft allerdings noch nicht in der für die Testung (z.B. auf Verdacht, freiwillige Testung aktuellen Krisenlage, und die neuen Strukturen erfas- oder Reisende und Reiserückkehrer) können zudem sen nicht alle Handlungsfelder, die für das dynamische veränderte oder regional variierende Teststrategien Krisenmanagement einer Pandemie adressiert werden schwer erkannt und deren Erfolg kaum gemessen wer- müssen. Als ein komplexes Geschehen ist eine Pan- den. Dabei bedeutet die geocodierte Datenerhebung demie von diversen Blickwinkeln aus zu betrachten, keine per se flächendeckende Erhebung mit zentraler u.a. aus der Sicht der Sozialwissenschaften. Dazu ge- Datenspeicherung. Auch hier kann mit vorhandenen hören bei einem Krankheitsgeschehen, das sich über Technologien datenschonend und cybersicher gear- die Bewegungsmuster und die Kontakte der Menschen beitet werden. entfaltet, auch die Bewegungsfelder. Es kann an dieser Durch mehr Tests, auch durch Antigentests, kön- Stelle festgestellt werden, dass das Pandemiemanage- nen mehr Infektionen identifiziert und die Dunkelziffer ment bislang in keiner Form auf die Mobilitätskompo- an Infektionen reduziert werden. Ohne die Erfassung nente des gesellschaftlichen Lebens ausgerichtet ist. der zugrunde liegenden Testzahlen und -informatio- Dementsprechend sind alle Wirtschaftssektoren und nen sind Inzidenzwerte auf Basis von positiven Tests gesellschaftlichen Aktionsfelder, die den menschlichen jedoch nicht vollständig zur Steuerung der Maßnahmen Austausch ermöglichen, seit Monaten eingeschränkt nach festgelegten Grenzwerten geeignet. Sie stellen oder einfach komplett geschlossen. eher politische Schwellenwerte dar. Der entscheidende Vor allem fehlende oder nicht vernetzte Informati- Indikator zur Steuerung von Eindämmungs- und Öff- onen zum Testgeschehen verhindern hier die effektive nungsmaßnahmen sollte in diesem Zusammenhang und dezentrale Strategie der Pandemiebekämpfung. vielmehr die sogenannte »Risikoinzidenz« sein (vgl. Im gegenwärtig geltenden Infektionsschutzgesetz ist Baumann et al. 2021).6 Zur Berechnung dieser Risi- nur die Meldung der positiven PCR-Testergebnisse zum koinzidenz werden nur Übertragungen unbekannten Nachweis einer Infektion mit Covid-19 an die zuständi- Ursprungs berücksichtigt. Dies setzt eine Sichtbarma- gen lokalen Gesundheitsämter vorgesehen. Insgesamt chung des Infektionsgeschehens voraus. Das aktuelle durchgeführte PCR-Tests an Personen eines Bundes- Modell der Kontaktnachverfolgung ermöglicht jedoch lands oder einer (geocodierten) Region werden hin- nur bei einem geringen Teil der erfassten Infektionen gegen nicht systematisch erfasst und ausgewertet. die Erfassung des Infektionsumfeldes. Abbildung 1 Testzahlen und Positivraten können weiterhin nur auf zeigt, dass dem Robert Koch-Institut (RKI) während Bundesebene systematisch kontrolliert und verlässlich der zweiten und dritten Infektionswelle in Deutschland ausgewertet werden (vgl. Dorn et al. 2020).5 Eine regi- nur bei etwa 75–90% der übermittelten Covid-19-Infek- onal differenzierte Bewertung des Infektionsgesche- tionen der mutmaßliche Infektionsort bekannt waren. hens und Ermittlung regionaler Positivraten werden Dieser Prozentsatz hat sich im Verlauf der Pandemie so jedoch nicht ermöglicht. Die Effektivität der Steue- nicht entscheidend verbessert (RKI 2020). Erschwerend rung von (sozialwissenschaftlich relevanten) Eindäm- nimmt der Anteil an Infektionen mit nicht erfasstem mungs- bzw. Lockerungsmaßnahmen nach lokalen Infektionsumfeld bei steigenden Infektionszahlen zu. Inzidenzwerten kann auf dieser mangelnden Datenba- Ein Grund dafür ist die Ausstattung der Ressourcen zur sis in Frage gestellt werden. Denn für ein spezifisches Kontaktnachverfolgung. Sie kann ab einer kritischen Testen, Tracen und Isolieren ist ein prozessgenaues Infektionsdynamik mit unterkritischer Ausstattung Monitoring notwendig, das die Zeitabläufe zwischen schlicht nicht mehr gewährleistet werden. Eine wei- Infektion und wirksamer Isolierung reduzieren hilft. tere Ursache liegt darin, dass systematisch erhobene Ohne die geocodierte Anzahl der (positiven und ne- Testdaten nur unzureichend genutzt werden, um das mutmaßliche Infektionsumfeld besser und schneller Fortsetzung Fußnote 3: ring an (vgl. COVID-19 RPM solution (huma.com)). Aber hier werden zu ermitteln. Durch eine systematische Erfassung die Datenwelten nicht verknüpft. Zunächst findet der Zugang zu dem und Auswertung von ergänzenden Informationen wie Monitoring-Tool nur über die Krankenhäuser statt. Weiterhin ist das Medical Device, das den Sauerstoffgehalt des Covid-19-Patienten Wohnort, Beruf oder Freizeit- und Verkehrsverhalten überwachen soll, nicht online. So müssen die Patienten alle Daten in der Testpersonen könnte diese Quote hingegen deut- ein Webinterface eintragen. Hier stellt sich die Frage, wie das sinn- voll vonstattengeht, wenn ein Patient beispielsweise so einge- lich erhöht und die Risikoinzidenz verringert werden. schränkt ist, dass dies nicht mehr geht oder es sich um Personen Auf dieser Basis werden effektive und grundrechte- handelt, die nicht mit digitalen Geräten umgehen können. Darüber hinaus können die erhobenen Daten nicht für das übergeordnete schonendere Entscheidungen über Schließungen und Pandemiemanagement eingesetzt werden. Öffnungen erst möglich. 4 Siehe im Nationalen Netzwerk Universitätsmedizin die Projekte egePan – Entwicklung, Testung und Implementierung von regional Ein strukturiertes Monitoring mit schnell verfüg- adaptiven Versorgungsstrukturen und Prozessen für ein evidenzge- baren, umfassenden und informativen feinräumigen leitetes Pandemiemanagement koordiniert durch die Universitäts- medizin und BE-FAST, Bundesweites Forschungsnetz Angewandte Daten ist unabdingbar, um bei einer (regionalisierten) Surveillance und Testung (https://www.netzwerk-universitaetsmedi- Öffnungsstrategie evidenzbasiert und zielgerichtet zin.de/projekte). 5 6 Teils werden die Testzahlen und Positivraten für einzelne Bundes- Daneben gilt es auch immer, die Reproduktionszahl bzw. Wachs- länder ausgewiesen (vgl. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und tumsrate der Infektionen sowie die Hospitalisierungsrate bzw. Zu- Lebensmittelsicherheit 2021). Dabei handelt es sich jedoch lediglich gangsrate auf Intensivstationen zu beobachten und bei Lockerungs- um die Laboruntersuchungen im Bundesland und nicht um den und Eindämmungsschritten zu berücksichtigen (vgl. Wälde 2020; Wohnort der getesteten Personen. Dorn et al. 2021; Küchenhoff et al. 2021). 2 ifo Schnelldienst digital 11/2020, 12. Mai 2021
DATENNUTZUNG ZUR BEKÄMPFUNG DER PANDEMIE agieren zu können.7 Hierzu machen wir im Folgenden Abb. 1 konkrete Vorschläge. Bestätigte Covid-19-Infektionen und Infektionsumfeld Wöchentliche Neuinfektionen DIGITALE ERFASSUNG UND ÜBERMITTLUNG VON Bestätigte Infektionen Infektionsumfeld nicht erfasst Anteil an unbekanntem Infektionsumfeld Neuinfektionen pro Woche Anteil TESTDATEN 200 000 100% 180 000 90 Neben der Ausweitung umfassender und intelligenter 160 000 80 140 000 70 Testkonzepte sollten auch qualitativ hochwertigere (re- 120 000 60 gionalisierte) Daten erhoben werden. Testdaten müs- 100 000 50 sen sofort beim Test digitalisiert (z.B. durch QR-Code, 80 000 40 Hub-Systeme, Token, Dashboards (vgl. Martinez et al. 60 000 30 2020; Hela et al. 2020) und App-Lösung) und für alle 40 000 20 20 000 10 Arten von Tests erhoben werden. Hierzu sollten u.a. 0 0 zwischen der begleitenden digitalen Architektur von 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 1 3 5 7 9 11 13 15 Antigenschnelltests, Location-Tracing Apps, Dashboard Daten: RKI, ECDPC; Berechnungen des ifo Instituts. © ifo Institut und Tokensystemen und SORMAS dringend Schnittstel- len geschaffen bzw. die bestehenden Lücken geschlos- Dies ermöglicht eine bessere Schätzung von lokalen sen werden (Tagesschau 2021). Dies verkürzt einerseits Dunkelziffern sowie die wissenschaftliche Begleitung die Zeit zwischen Infektion und Isolierung und stei- und Evaluierung von unterschiedlichen Teststrategien. gert die Effektivität der Kontaktnachverfolgung. Dieses Durch die systematische Erfassung vergleichbarer, geo- System kann effektiv zur Reduktion von Infektionen codierter Testdaten können Schlussfolgerungen zur beitragen. Andererseits können diese Daten auch für Wirkung von konkreten Maßnahmen, Öffnungskonzep- die Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden. Test- ten und spezifischen Teststrategien gezogen werden. und NPI-Strategien8 können dann schnell evaluiert Daher sind diese Testdaten auch für die Evaluation und und neue Infektionsmuster sowie lokale Infektions- überregionalen Vergleich von Modellprojekten zur nach- dynamiken schneller identifiziert werden. Darüber haltigen Öffnung von Bereichen während der Pandemie hinaus sollte auch die Möglichkeit der Datennutzung von hoher Bedeutung (Dorn et al. 2021). bei Location-Tracing Apps wie der Corona-Warn-App9 ausgeweitet werden (z.B. durch freiwillige Einwilligung Notwendige Daten pro Test-ID für das Monitoring sind für wissenschaftliche Zwecke). Die vorhandenen da- (idealerweise Abfrage über App): tenschonenden und cybersichereren technologischen Möglichkeiten werden hier weiterhin bei Weitem nicht 1. Alterskohorte und Geschlecht (wie bisher), ausgeschöpft. 2. Art des Tests: z.B. PCR, Pool, LAMP-PCR oder Antigenschnelltest, SYSTEMATISCHE UND VERGLEICHBARE 3. Ergebnis des Tests: positiv und negativ; beides DATENERFASSUNG BEIM TESTEN muss dringend dokumentiert werden; optional mit ct-Wert des Testergebnisses, Es ist notwendig, dass u. a. Individualdaten wie Al- 4. geokodierte Informationen der Getesteten: Wohn- terskohorte, und Testergebnis, geocodierte Informa- ort (PLZ, so kleinräumig wie möglich) sowie Ar- tionen wie PLZ (Wohn- und Arbeitsort), Beruf bzw. beitsort (PLZ, s.o.) und Branche und Art und Grund des Tests jeweils einer 5. Angabe des Grundes für den Test: Test-ID zuzuordnen sind, z.B. direkt per Token, Blue ‒ symptomatisches Testen, Tooth Tag oder QR-Code beim Test mit digitaler Ab- ‒ freiwilliges/asymptomatisches Testen (inkl. frage der weiteren Informationen. Die Test-ID muss Entry-Screening), anonymisiert und wiederverwendbar für wiederkeh- ‒ Kontaktperson, rende Tests einer Testperson sein. Die Kommunikation ‒ PCR-Test zur Bestätigung eines Schnelltest- der Daten muss unidirektional vonstattengehen und ergebnisses, cybersicher gestaltet sein. ‒ Reisende, Reiserückkehrer, Grenzgänger, Außerdem sollten weitere Informationen zu wis- Pendler, senschaftlichen Zwecken (§ 27 BDSG) in einer nur der ‒ beruflich veranlasst (mit Angabe der Branche), Forschung zugänglichen Datenbank verarbeitet werden, ‒ bei Positivtest: wiederholter Test oder Neu die notwendig sind, um Verzerrungen beim räumlichen infektion und und zeitlichen Vergleich von Infektionszahlen und dyna- ‒ weiterer, und zwar… miken zu kontrollieren (Dorn et al. 2020; Wälde 2020). Optionale Abfrage (z.B. durch freiwillige Einwilligung 7 Allgemeinere Informationen zur Verbesserung der Datenlage fin- den sich auch in der Stellungnahme der DAGStat (2021). der Testpersonen): 8 NPI = Non Pharmaceutical Interventions. 9 Mit dem neuesten Update kann die Corona-Warn-App seit Mai 2021 immerhin per QR-Code Testresultate von Schnelltests übermit- 6. Wirtschaftsbereich bzw. Branche der beruflichen teln und anzeigen. Tätigkeit, ifo Schnelldienst digital 11/2020, 12. Mai 2021 3
DATENNUTZUNG ZUR BEKÄMPFUNG DER PANDEMIE 7. Arbeitsplatzsituation (Risikoberuf), kodiert zugeordnet werden, damit sich auch die 8. häusliche Situation, bundesweit negativen Tests lokalisieren lassen. 9. Häufigkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmit- ‒ Um unterschiedliche Teststrategien evaluieren tel (täglich, mehrmals pro Woche, mehrmals pro und die Entwicklung der Positivrate einordnen zu Monat, seltener), können, ist neben der Anzahl der Tests auch die 10. Freizeitverhalten, Erfassung des Grunds für den Test bedeutend. So 11. Impfstatus, wurde zeitweise in manchen Bundesländern ein 12. falls vorhanden: (mutmaßlicher) Infektionsort und Testangebot kostenlos für alle zu Verfügung ge- 13. Teilnahme an Tests pro Woche bzw. Monat. stellt oder alle Reiserückkehrer wurden getestet, während in anderen Bundesländern nur die sym- Gegebenenfalls Ergänzungen zu weiteren Alltagstätig- ptomatischen Fälle oder direkte Kontaktpersonen keiten und Kommentarfeld, damit die Getesteten selbst getestet wurden. Wenn nur die Verdachtsfälle ge- weitere relevante Informationen mitteilen können. prüft werden, wird die Positivrate eher steigen als bei einer flächendeckenden Teststrategie. Da Warum die schnelle und umfassende Verfügbarkeit bei einer flächendeckenden Teststrategie mehr dieser Daten in der Pandemie bedeutend ist: asymptomatische Fälle identifiziert werden, ist bei einer solchen Strategie die Dunkelziffer ge- ‒ Nur wenn die Anzahl der Tests sowie der Anteil ringer einzuschätzen. Leider wurde bisher ver- der positiven und negativen Ergebnisse geoco- säumt, die entsprechenden Daten zu erheben, so diert (z.B. auf PLZ-Ebene oder tiefer gegliedert) dass unterschiedliche Teststrategien bisher nicht werden, kann verlässlich und regional spezifiziert systematisch evaluiert werden konnten. Ebenso berechnet werden, wie das lokale Infektionsge- wichtig ist es zu erfassen, ob ein PCR-Test zur schehen ist und wie hoch z.B. regionale Positiv- Bestätigung eines positiven Schnelltestergebnis- raten tatsächlich sind. Dies ist bspw. bedeutend ses durchgeführt wird. Durch Schnelltests kön- zur Einordnung von möglichen Dunkelziffern nen inzwischen im Alltag eine große Anzahl an und lokalen Inzidenzwerten sowie zur Evaluie- Menschen getestet und asymptomatische Fälle rung der Wirkung von unterschiedlichen Teststra- entdeckt werden. Positive Schnelltestergebnisse tegien. »Wer mehr testet findet mehr« – daher müssen gegenwärtig durch einen PCR-Test bestä- muss dezentral erfasst werden, wie viel und wa- tigt werden, um in der Statistik der gemeldeten rum getestet wird, um dies in der Evaluation zu Covid-19-Infektionen aufgenommen zu werden. berücksichtigen. Durch die gezielte Bestätigung der Tests steigt ‒ Das reine (und automatisierte) Steuern lokaler auch die Positivrate der PCR-Tests, da die Mehr- und regionaler Maßnahmen nach Inzidenzwer- heit der Schnelltestergebnisse bestätigt werden. ten ist ohne die gleichzeitige Erfassung der dafür Durch eine umfangreiche Schnellteststrategie notwendigen Testinformationen nicht effektiv. werden mehr asymptotische Fälle entdeckt, und Beispielsweise kann die Anzahl der durchgeführ- die gemeldete Inzidenz steigt.10 Es steigt jedoch ten Tests regional oder über die Zeit variieren. nicht das Infektionsgeschehen, sondern die Dun- Verringertes Testen oder eine verzögerte Daten- kelziffer wird geringer. Diese Fälle wären womög- übermittlung kann dazu führen, dass Grenzwerte lich ohne die Schnelltests nie oder erst viel später eines inzidenzgesteuerten Pandemiemanage- entdeckt und isoliert worden. Ohne Erfassung der ments unterschritten werden, obwohl dies nicht zugrunde liegenden Testinformationen bei den das Infektionsgeschehen widerspiegelt (Göttler PCR-Tests kann dies zu irreführenden Schluss- 2021). Ohne die zugrunde liegenden Informati- folgerungen führen. onen zu den Testdaten lassen sich zudem Inzi- ‒ Wie Abbildung 1 veranschaulicht, kann weiter- denzwerte zwischen Regionen nicht verlässlich hin nur bei einem geringen Teil der erfassten vergleichen und somit auch unterschiedliche Öff- Infektionen das Infektionsumfeld ermittelt wer- nungsgeschwindigkeiten nicht evidenzbasiert be- den. Die bisherige Strategie der Datenerfassung gründen oder evaluieren. Vor allem verhindert der ist nicht ausreichend. Durch die Erhebung des aktuelle Status die Möglichkeit einer nachhaltigen Berufs, der Branche, der Verkehrsnutzung und Öffnung. des Freizeitverhaltens etc. bei den Tests könnten ‒ Bisher gibt es keine systematische Erfassung, voraussichtlich weitere wichtige Muster ermittelt wie viele Personen im zuständigen Bereich der werden (z.B. wo bisher unerkannte Infektionsorte Gesundheitsämter (z.B. nach Wohnort, PLZ) ge- 10 Vgl. Fallbeispiel aus Bonn: Laut Bonner Gesundheitsamt wurden testet wurden. Dies ist nach wie vor noch nicht zwischen 15.–30. März 2021 insgesamt 22 942 Schnelltests in Bonner einmal auf Ebene der Bundesländer verfügbar. Testzentren durchgeführt. Davon seien 82 positiv gewesen. In 72 Fäl- len (87,8%) wurden sie durch einen PCR-Test bestätigt. Die 72 bestä- Es werden lediglich die positiven Tests den zu- tigten Schnelltests machen somit einen Anteil von etwa 11% von den ständigen Ämtern mitgeteilt. Durch digitalisierte insgesamt 641 bestätigten Fällen im betrachteten Zeitraum in der Stadt Bonn aus. Die durch Schnelltests erfassten Fälle treiben somit Datenübertragung sollte automatisiert beides auch den statistischen Inzidenzwert nach oben, weil mehr Infektio- erfolgen, d.h. positive und negative Tests geo- nen bekannt werden (vgl. General-Anzeiger 2021). 4 ifo Schnelldienst digital 11/2020, 12. Mai 2021
DATENNUTZUNG ZUR BEKÄMPFUNG DER PANDEMIE und Infektionscluster sein könnten). Weitere mut- Abb. 2 maßliche Infektionsorte können auch durch die Innerstädtische Inzidenz-Ampeln am Beispiel der Kölner Stadtteile unten beschriebene Anreicherung geocodierter Daten mit weiteren Regionaldaten erfasst werden. 7-Tage-Inzidenz Diese Daten könnten gemeinsam dazu beitragen, Worringen (28.04.2021, Stadt Köln) lokale Einschränkungen von wirtschaftlicher und 200 gen geschaffen werden. Datenschutzgründe soll- Stammheim Bocklemünd/ Weidenpesch Höhenhaus ten hier kein vordergründiges Hindernis sein, da Mengenich Ossendorf Mauen- heim Mülheim Dellbrück die Daten bei wissenschaftlicher Begleitung aus- Widders- Bilder- stöckchen Holweide dorf Vogel- Nippes Riehl reichend und ausschließlich zur Auswertung für sang Bicken- dorf Neuehren- feld Neustadt/ Lövenich Nord Merheim wissenschaftliche Zwecke anonymisiert werden. Müngersdorf Ehrenfeld Buchforst Brück Altstadt/ Höhenberg Kalk Für die umfangreichere Abfrage und Übermittlung Weiden Braunsfeld Nord Deutz Vingst Neubrück Altstadt/ der personenbezogenen Daten für wissenschaft- Junkers- Lindenthal Süd Humboldt/ Gremberg Ostheim Rath/ Heumar Neustadt/ dorf liche Zwecke kann auch auf die Einwilligung der Sülz Süd Rader- Bayen- Poll berg thal Gremberg- Testpersonen (Art. 6 Abs. 1 lit. a. DSGVO) oder den Klettenberg Westhoven hoven Eil Marien- Tatbestand des überwiegenden wissenschaftli- Zollstock burg Ensen Finken- berg Raderthal chen Interesses (z.B. Art. 6 Abs. 1 lit. e. EUDSGVO Rodenkirchen Porz Urbach Weiß Rondorf i.V.m. § 13 NDSG) gesetzt werden. Hahnwald Elsdorf Grengel ‒ Schließlich sollten positive Tests systematisch se- Mesche- Godorf Sürth Zündorf Wahn- Wahn heide nich Immen- quenziert werden, um ein exponentielles Wachs- dorf Langel Lind tum und die Ausbreitung von Varianten (lokal) Libur besser und frühzeitig zu erfassen.12 Quelle: Stadt Köln/infas 360. © ifo Institut DIE NOTWENDIGKEIT EINES EINHEITLICHEN DATENMODELLS Data-Science-Sicht sind damit die wichtigsten Da- tenelemente Ort (z.B. xy-Koordinate) und Zeitpunkt Die Übertragung des Virus erfolgt immer an einem (z.B. Tag). Die Bedeutung von Infektionsorten unter- (lokalen) Ort zu einem bestimmen Zeitpunkt. Aus streichen die wöchentlich gemeldeten Infektionen, deren Infektionsumfeld durch die bisherige Strategie 11 Evidenzbasierte Begründung von Schließungen: Um die Zielge- der Kontaktnachverfolgung nicht ermittelt werden nauigkeit und Effektivität angeordneter betrieblicher Schließungen zu verbessern und deren evidenzbasierte Begründung zu ermögli- konnte (vgl. RKI 2020 sowie Abb. 1). chen, muss eine bessere Datengrundlage geschaffen werden. Ein vereinfachtes, einheitliches und kurzfristig 12 Darüber hinaus wären Zugangsdaten für Hospitalisierung und Intensivmedizinische Behandlung für ein verbessertes Monitoring umsetzbares Datenmodell ist die konsequente Un- wünschenswert. terscheidung zwischen Wohnort, Arbeitsort und »Un- ANWENDUNGSBEISPIEL In einer Analyse für die Stadt Köln hat infas360 Zonen denz je Stadtteil (Gesamtanzahl der Covid-19-Fälle je inzidenzen aufbereitet und mit weiteren bundesweit 100 000 Einwohner) berechnet. Es zeigten sich positive zur Verfügung stehenden adressgenauen soziode- Korrelationen der Inzidenz unter anderem mit der Ar- mografischen, ökonomischen und infrastrukturel- beitslosenquote, Ausländeranteil, Zweitstimmenanteil len Informationen angereichert. Für den Datensatz sonstige Parteien (inkl. AfD) bei der Bundestagswahl wurden dazu rund 100 Merkmale (Variablen) ausge- 2017, Einwohnerdichte, Anteil Schüler, ÖPNV-Verfüg- wählt und auf Stadtteilebene aggregiert: Einwohner- barkeit und negativ mit Kaufkraft je Einwohner, An- dichte, Kaufkraft, Wirtschaftsbranchen, Zentralität, teil Hochschulabschlüsse. Abbildung 3 zeigt beispiel- ÖPNV-Verbindung, Shop-Dichte, Wahleinstellungen, haft die dazugehörigen Streudiagramme der aktiven Migrationsanteil, Miet- und Kaufpreisspiegel, Gebäu- Fälle je Stadtteil mit den Variablen (a) Arbeitslosen- destruktur, Altersstruktur, Schul- und Gesundheitsein- quote, (b) Ausländeranteil, (c) Schulabs chluss und richtungen u.v.m. Anschließend wurden Korrelationen (d) Kaufkraft. zwischen der jeweiligen Variablen und der Gesamtinzi- ifo Schnelldienst digital 11/2020, 12. Mai 2021 5
DATENNUTZUNG ZUR BEKÄMPFUNG DER PANDEMIE Abb. 3 genannter POI-Ortsangabe. Ein Point-Of-Interest (POI; Sozioökonomische Charakteristika und Gesamtanzahl der Covid-19-Fälle z.B. Museum, Restaurant usw.) bildet die Grundlage je 100 000 Einwohner nach Stadtteilen in Köln für die Abbildung des Erlebnisraums zwischen Arbeit, Arbeitslosenquote Stadtteile Köln Freizeit, Kultur und Mobilität (BMVI 2021; infas et al. Aktive Fälle je 100 000 Einwohner Regression 600 2018). Aber nicht nur die Vollständigkeit bei der Erfas- Meschenich sung für spätere Auswertung ist von entscheidender 500 Bedeutung. Auch die Qualität der einzupflegenden Godorf 400 Volkhoven/ Weiler Roggendorf/ Orte (i.d.R. postalische Adressen) sind elementar, da Pesch Thenhoven Seeberg Neubrück es ansonsten zu Auswertefehlern führt (Garbage in Vingst 300 Sürth Mauenheim Porz Buchforst – Garbage out) (Hilberth 2021). Die standardisierte, Buchheim Merkenich Niehl Bickendorf Höhenberg Finkenberg Kalk 200 Heimersdorf Immendorf Stammheim Urbach Mülheim postalisch-administrativ korrekte Eingabe einer Ad- Rondorf Marienburg Bilderstöckchen Gremberghoven Chorweiler Klettenberg Grengel Lindweiler Ostheim resse kann über Geocodierungssoftware wie z.B. ei- 100 Hahnwald Sülz Vogelsang Bocklemünd/ Dünnwald Mengenich nem PAGS-Coder erfolgen. 0 Libur Elsdorf Eil Ossendorf Ob Testdaten, Positivfälle oder Kontakte. Sie 0 5 10 15 20 25 alle verfügen schon heute oder unter Nutzung des Arbeitslosenquote in % o.g. Datenmodells zukünftig alle über Adressdaten, Ausländeranteil Aktive Fälle je 100 000 Einwohner POIs (z.B. Museum) oder Koordinaten (z.B. durch Han- 600 Meschenich dy-Lokalisierung). Voraussetzung dafür ist der Einsatz 500 einer professionellen Geocodierungssoftware. Sie er- Volkhoven/ Weiler Godorf möglicht ein umfassendes Adressmanagement sowie 400 Roggendorf/ Neubrück deren automatische Lokalisierung und Zuordnung in Pesch Buchforst Seeberg 300 Thenhoven die amtlichen Strukturhierarchie, die sich vom Kreis Sürth Merkenich RaderbergPorz Buchheim Vingst Finkenberg Heimersdorf Zollstock Niehl Kalk (AGS5) über Gemeinde (AGS8) und deren Stadt-/Orts- 200 Westhoven Bickendorf Mülheim Weiß Rondorf Marienburg Lindweiler Bilderstöckchen Humboldt/ Chorweiler Gremberghoven teile (AGS11/16) über den amtlichen Siedlungsblock Klettenberg Ostheim Gremberg 100 Sülz Bocklemünd/ (AGS20) bis auf Ebene des amtlichen Katastergebäu- Mengenich Fühlingen Libur Hahnwald Elsdorf Eil Ossendorf des (AGS24) und der darin befindlichen Adressen 0 0 10 20 30 40 50 (AGS27) erstreckt (infas 360 2020). Ausländeranteil in % Personen mit Fachhoschulreife/Abitur Aktive Fälle je 100 000 Einwohner KLEINRÄUMIGE RISIKOBEWERTUNG DURCH 600 Meschenich ANREICHERUNG DER GEOCODIERTEN DATEN MIT 500 WEITEREN REGIONALDATEN13 Godorf 400 Volkhoven/ Weiler Roggendorf/ Thenhoven Durch räumliche Lokalisierung vorhandener Falldaten Neubrück Pesch 300 Seeberg Buchforst Merkenich Sürth können selbst innerstädtische Zonen nach Inzidenz Vingst Finkenberg Porz Höhenberg Kalk Niehl Heimersdorf Raderberg und Risikofaktoren bewertet und klassifiziert werden. Zollstock 200 Mülheim Gremberghoven Chorweiler Poll Rondorf Weiß Rodenkirchen Marienburg Im höchsten Maße zweckdienlich bei der räumlichen Urbach Neustadt/ Süd 100 Grengel Brück Weiden Altstadt/ Süd Unterteilung der Gemeinde in geografische Zonen Wahnheide Dellbrück Lindenthal Eil Libur Fühlingen Ossendorf Lövenich Hahnwald Sülz ist die Nutzung der vorhandenen, intrakommunalen 0 10 20 30 40 50 60 70 Gliederung auf Basis der flächendeckenden, amtli- Anteil von Personen mit Fachhoschulreife/Abitur in % chen Siedlungsblöcke und Stadtviertel bzw. Orts- Kaufkraft Aktive Fälle je 100 000 Einwohner teile. Auf dieser Basis kann jede Wohnadresse ein- 600 deutig einem amtlichen Siedlungsblock und damit Meschenich 500 einer Zone zugeordnet werden. Dieses bundesweit Godorf vorhandene Adressregister nach intrakommunalen 400 Volkhoven/ Weiler Strukturen nennt sich auch postalisch-amtliches Glie- Neubrück Pesch Roggendorf/ 300 Buchheim Thenhoven derungssystem, kurz PAGS, wozu auch die notwen- Sürth Vingst Kalk Raderberg digen aktuellen Einwohnerzahlen sowie zahlreiche Mülheim 200 Westhoven Chorweiler Rondorf Weiß Rodenkirchen Strukturdaten vorliegen. Bocklemünd/ Klettenberg Marienburg 100 Mengenich Sülz Müngersdorf Junkersdorf Durch eine DSGVO-konforme Verknüpfung, der Blumenberg Hahnwald Eil Elsdorf Libur Fühlingen Neustadt/ Nord Lindenthal sogenannten Geocodierung der Falldaten über die 0 Adressen, können die Infektionsdaten sofort den 15 000 20 000 25 000 30 000 35 000 40 000 45 000 Kaufkraft je Einwohner in Euro entsprechenden Zonen zugeordnet werden. Im Er- Quelle: Stadt Köln/infas360, Stand: 16. März 2021. © ifo Institut gebnis liegen so unmittelbar feinräumige, deutlich genauere Inzidenzwerte vor, nach denen die Zonen terwegs«. Schon bei der Datenerfassung kann und bewertet und klassifiziert werden können. Infektions- muss gewährleistet werden, dass diese Angaben zu cluster werden so sofort sichtbar. Abbildung 2 zeigt Wohnen und Arbeiten vollständig erfasst werden. Die beispielhaft eine Anwendung dieser Methodik für die Erfassung der Kategorie »Unterwegs« erfolgt entweder digital (z.B. per Geotracking, Geofencing) oder per so- 13 Siehe hierzu auch infas 360 (2021). 6 ifo Schnelldienst digital 11/2020, 12. Mai 2021
DATENNUTZUNG ZUR BEKÄMPFUNG DER PANDEMIE Stadt Köln, in der eine starke Streuung der Inzidenz LITERATUR werte zwischen den Stadtteilen festgestellt werden Baumann, M., M. Brinkmann, D. Brockmann, V. Brunsch, H. Bude, kann.14 C. Fuest, D. Feldner, M. Hallek, I. Kickbusch, M. Mayer, M. Meyer- Hermann, A. Peichl, E. Rosert und M. Schneider (2021), Risikoinzidenz: Neben tagesaktueller und wöchentlicher Zonenin- Einfach anfangen. Eine neue proaktive Zielsetzung für Deutschland zur zidenzen können durch Nutzung weiterer mikrogeo- Bekämpfung von SARS-CoV-2, No-Covid-Strategie, 5. Teil, 25. März. grafischer Daten wie Gebäudetyp, -nutzung, Haus- Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (2021), »Übersicht der Fallzahlen von Coronavirusinfektionen in Bayern«, haltsgrößen, Migrationsanteile usw. geostatistisch verfügbar unter: https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/ Prognosewerte (Predicitve Risk Analytics) ermittelt infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/index.htm. werden. Diese dienen der zukünftigen Risikoeinschät- BMVI – Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2021), »Konzeption einer öffentlichen Point-of-Interest-Infrastruktur für multi- zung und können auch außerhalb des Krisenstabs modale Mobilitätsanwendungen am Beispiel des digitalen Erlebnisraums kommuniziert werden. Rhein-Neckar Xpress«, verfügbar unter: https://www.bmvi.de/Shared- Docs/DE/Artikel/DG/mfund-projekte/konzeption-einer-poi-infrastruk- Im Ergebnis entsteht eine neuartige, intrakom- tur-xpress.html. munale Transparenz des aktuellen sowie zukünftigen DAGStat (2021b, Daten und Statistik als Grundlage für Entscheidungen: Infektionsgeschehens auch für die Bürger, was die Eine Diskussion am Beispiel der Corona-Pandemie, Stellungnahme der DAGStat: 23. März, verfügbar unter: https://www.dagstat.de/fileadmin/ Chance zum antizipativen Verhalten und persönlichen dagstat/documents/DAGStat_Covid_Stellungnahme.pdf. Change- und Motivationsmanagement bietet. Dorn, F., C. Fuest, D. Gstrein, A. Peichl und M. Stöckli (2020). Corona-In- fektionen und die Dunkelziffer: Vergleichen wir Äpfel mit Birnen?, ifo Schnelldienst Digital 1(12), 12.10.2020. FAZIT Dorn, F., V. Jäger, H. Jahn, A. Karch, J. König, B. Kreuels, R. Krumkamp, B. Lange, T. Lehr, V. Priesemann, S. Scheithauer, C. O. Schmidt, und Eine deutlich stärker datenbasierte Politik würde es H. Zeeb (2021), Rahmenbedingungen für Modellprojekte zur Öffnung von Bereichen während der SARS-Cov-2 Pandemie, Stellungnahme der GMDS, den Entscheidungsträgern im öffentlichen Sektor er- DGEpi, und B-FAST, 1. April, verfügbar unter: https://www.gmds.de/ möglichen, anders und deutlich besser in der Pan- fileadmin/user_upload/Publikationen/Stellungnahmen/20210401_Stel- lungnahme_Rahmenbedingungen_fuer_Modellprojekte_SARSCOV2.pdf. demie zu agieren, als primär auf flächendeckende Endt, C. und S. Müller-Hansen 2021), »Coronavirus: Deutschland steuert Lockdowns zurückzugreifen. Verbesserte Datenerhe- im Blindflug durch die Pandemie«, Süddeutsche Zeitung, sz.de, 28. März, bung und datenbasiertes Monitoring ermöglichen es, verfügbar unter: https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/coronavi- rus-daten-krise-foederalismus-rki-behoerden-1.5248148?reduced=true. zielgerichtete und effektive Maßnahmen aktiv und General-Anzeiger (2021), »Diese Testregeln gelten ab sofort in Bonn für dezentral zu ergreifen. Eine verbesserte Verfügbarkeit Einzelhandel und Friseure«, 31. März, verfügbar unter: https://ga.de/ und schnelle Übermittlung von Daten mit zusätzlichen bonn/stadt-bonn/bonn-negativer-corona-test-ab-mittwoch-fuer-einzel- handel-und-friseure_aid-57100739. Informationen zu Art, Grund und Ergebnis der Tests Göttler , M. (2021), »Fragezeichen hinter Inzidenzwerten – Zahlen-Chaos sowie geocodierten Informationen zu den Testperso- in München über Ostern: Regionen in Bayern lockern – doch die aktuel- nen ist auch dringend notwendig, um len Inzidenzen trügen wohl«, Merkur.de, 8. April, verfügbar unter: https:// www.merkur.de/bayern/corona-bayern-muenchen-inzidenz-notbrem- se-zahlen-chaos-regeln-lockerungen-massnahmen-zr-90317474.html. 1. auf Basis vergleichbarer Daten dezentrale und Greive, M. (2020), »Datenwüste Deutschland: Wie die Krisenpoli- lokale Öffnungs- und Eindämmungsstrategien zu tik wirkt, kann niemand so genau sagen«, Handelsblatt, 30. Ok- tober, verfügbar unter: ttps://www.handelsblatt.com/politik/ ermöglichen, deutschland/wirtschaftspolitik-datenwueste-deutschland-wie-die-kri- 2. mutmaßliche Infektionsorte besser zu ermitteln, senpolitik-wirkt-kann-niemand-so-genau-sagen/26575950. html?ticket=ST-2119872-5gNoGtzhXM6z3pRcmsi5-ap1. 3. durch schnelle und digitale Datenübermittlung Hela S., M. Honary, V. Martinez, H. von Oertzen und T. Wlazlowski (2020), Infektionen und Kontaktpersonen schneller zu »Getting the Country Back to Work, Safely: A Digital Solution«, Digital identifizieren und isolieren und Government: Research and Practice 1(4), verfügbar unter: https://dl.acm. org/doi/10.1145/3416090, 4. um Gegenmaßnahmen, z.B. angeordnete betriebe Hilberth, I. (2021), »Coronavirus im Landkreis München: Datenpanne ver- Schließungen und lokales Ausbruchsmanagement, fälscht Corona-Lagebild«, Süddeutsche Zeitung, sz.de, 12. Januar, verfüg- evidenzbasiert zu begründen und zielgerichtet bar unter: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/ landkreis-muenchen-corona-zahlen-panne-demis-aeskulab-1.5172385. und effektiv umzusetzen. infas, DLR, IVT und infas 360 (2018), Mobilität in Deutschland – Studie im Auftrag des BMVI, Bonn, Berlin, verfügbar unter: http://www.mobili- Darüber hinaus könnte durch die Verknüpfung geo taet-in-deutschland.de/pdf/MiD2017_Methodenbericht.pdf. codierter Daten mit weiteren Regionaldaten eine Pro- infas 360 (2020), »Mikrogeographie auf amtlicher Basis; Die neue Di- gnose zur kleinräumigen Risikobewertung erfolgen mension statistischer Daten«, verfügbar unter: https://blog.infas360. de/2020/10/27/mikrogeographie-auf-amtlicher-basis-die-neue-dimensi- und so einer wahrscheinlichen lokalen Infektionsdy- on-statistischer-daten/. namik antizipativ und aktiv entgegenwirkt werden. infas 360 (2021, »Nutzung innerstädtischer Covid-19-Zonen für eine Schließlich gilt es, aus den Erkenntnissen die rich- nachhaltige Niedriginzidenz«, verfügbar unter: https://blog.infas360. de/2021/04/05/nutzung-innerstaedtischer-covid19-zonen-fuer-eine-nach- tigen Lehren und Vorbereitungen für die Zukunft zu haltige-niedriginzidenz/. treffen. Hierzu zählen unter anderem, die Digitalisie- Küchenhoff, H., F. Günther, G. Kauermann, W. Hartl und G. Krause rung im öffentlichen Sektor (z.B. im Gesundheitswe- (2021). Neuaufnahmen auf Intensivstationen als Alternative zu den Meldeinzidenzen als gesetzliche Grundlage für Maßnahmen zum Infekti- sen) voranzutreiben und insbesondere zur Prävention onsschutz, CODAG-Bericht Nr. 13, 16.04.2021. schon vor der nächsten Krise schnell verfügbare Da- Martinez et al. (2020). Test, Tag and Trace – A digital solution to get ten und evidenzbasierte Entscheidungsgrundlagen organisations back to work, safely, University of Cambridge, IfM, Ma- nagement Technology Policy, https://www.ifm.eng.cam.ac.uk/insights/ zu etablieren. manufacturing-a-better-world/webinar-test-tag-trace/. 14 Allerdings wird hierbei noch nicht auf die relative Anzahl an Tests pro Stadtteil kontrolliert. ifo Schnelldienst digital 11/2020, 12. Mai 2021 7
DATENNUTZUNG ZUR BEKÄMPFUNG DER PANDEMIE RKI – Robert Koch-Institut (2020), Infektionsumfeld von erfassten COVID-19 Ausbrüchen in Deutschland, Epidemiologisches Bulletin 38, Robert-Koch-Institut (RKI), 17.09.2020. Tagesschau (2021), »Daten müssen weiter abgetippt werden«, tages- schau.de, 18. März, verfügbar unter: https://www.tagesschau.de/investi- gativ/kontraste/gesundheitsaemter-sormas-software-101.html. Wälde, K. (2020). Bitte korrigiert die Testverzerrung in SARS-CoV-2 Infek- tionszahlen, Ökonomenstimme, 21.10.2020. Zeit online (2021), »ZEW-Chef: Mangelnde Digitalisierung im Gesundheits- wesen«, 7. März, verfügbar unter: https://www.zeit.de/news/2021-03/27/ zew-chef-mangelnde-digitalisierung-im-gesundheitswesen. 8 ifo Schnelldienst digital 11/2020, 12. Mai 2021
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