Gemeinschaftsverpflegung - Vegan - Potenziale und Herausforderungen - Schwerpunktthema Gesund ...
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210 SCHWERPUNKT Gemeinschaftsverpfle- Foto: © Eléonore H/Fotolia.com gung – Vegan Potenziale und Herausforderungen ANNE BOHL • ANDREAS GRABOLLE • SILJA KALLSEN-MACKENZIE Vegan ist sprichwörtlich in aller Munde: Immer mehr Angebote laden Stillzeit, Säuglingsalter, Kindheit, Jugend und Alter dazu ein, rein pflanzliche Gerichte und Lebensmittel auszuprobieren. sowie für Athletinnen und Athleten (A.N.D. 2016). Die Vielfalt wächst – auch in der Gemeinschaftsverpflegung. Was aber Eine vegetarische Ernährung empfiehlt die Deutsche gilt es zu beachten, wenn die Ernährung pflanzlich und gesund sein Gesellschaft für Ernährung (DGE) uneingeschränkt soll? Welche Potenziale und Herausforderungen ergeben sich? Und (DGE 2011). Zur veganen Kostform hat sie ein Positi- nicht zuletzt: Welchen Beitrag können vegane Gerichte zu Nachhaltig- onspapier verfasst (Richter et al. 2016). Darin sind zahl- keit und Klimaschutz leisten? reiche Informationen und Handlungsempfehlungen für vegan lebende Menschen enthalten, die sie bei der Auswahl von Lebensmitteln und der Versorgung mit Vegan – gesund machbar Nährstoffen unterstützen. Die DGE empfiehlt in ihren „10 Regeln“ ausdrücklich, Bei einer veganen Ernährung fallen sämtliche Tier- überwiegend (zu zwei Dritteln) pflanzliche Produk- produkte weg, also Fleisch, Fisch, Milchprodukte, te zu verzehren (DGE 2013). Gesunde pflanzliche Ge- Eier sowie Lebensmittel, in denen diese enthal- richte tragen so dazu bei, die DGE-Vorgaben für eine ten sind. Eine abwechslungsreiche Lebensmittel- ausgewogene Ernährung zu erfüllen. Das trifft eben- auswahl ist daher wichtig, um eine ausreichende falls auf die Gemeinschaftsverpflegung zu, wie Holger Nährstoffversorgung sicherzustellen. So weist auch Pfefferle vom Referat Gemeinschaftsverpflegung und die amerikanische Association of Nutrition and Diete- Qualitätssicherung (DGE) betont: „Wer unsere Qua- tics (A.N.D.) in ihrem Positionspapier zu vegetarischer litätsstandards beachtet, kann (…) zwei bis dreimal Ernährung darauf hin, „dass gut geplante vegetarische [pro Woche] ein veganes Gericht auf den Tisch brin- Ernährungsformen – inklusive der veganen – gesund gen. Das entspricht unseren Empfehlungen von Misch- und ernährungsphysiologisch angemessen sind kost mit viel Gemüse und wenig Fleisch“ (Ökolandbau sowie gesundheitliche Vorteile bei der Prävention und 2016). Das macht vegane Speisen auch für Menschen Behandlung bestimmter Krankheiten haben können.“ interessant, die nur ab und zu auf Tierprodukte Sie hält diese Ernährungsformen außerdem für alle verzichten möchten. Lebensabschnitte geeignet, inklusive Schwangerschaft, ERNÄHRUNG IM FOKUS 07–08 2017
SCHWERPUNKT 211 Sowohl in der Öffentlichkeit als auch in Ernährungsfachkrei- gen: In einem Übersichtsartikel (Ströhle 2015) wird deutlich, sen scheint ein Paradigmenwechsel stattzufinden: Von der dass die Höhe des Darmkrebsrisikos durch Fleischverzehr von vorurteilsbehafteten Mangelernährung wandelt sich der Ruf zahlreichen Faktoren abhängt. Dazu gehören auch die Verar- der veganen Ernährung zu einer gesunden, vollwertigen Er- beitung und Zubereitung: Gegrilltes und geräuchertes rotes nährungsweise, die bei der Beachtung bestimmter Grundsät- Fleisch sind schädlicher als naturbelassenes. Letzteres zog in ze viele positive Gesundheitseffekte haben kann. einer Studie bei einem Verzehr von unter 80 Gramm pro Tag kein höheres Darmkrebsrisiko nach sich. Der generelle Le- bens- und Ernährungsstil spielt ebenfalls eine Rolle. Ein hoher Gesundheitsvorteile veganer Fleischkonsum erhöhte in einer Studie das Risiko zum Beispiel Ernährung nur, wenn insgesamt wenig Ballaststoffe verzehrt wurden. Herz und Gefäße Kritische Nährstoffe bei veganer Eine aktuelle Übersichtsstudie zu pflanzenbetonter Ernäh- Ernährung rung schloss Studien zu veganer, vegetarischer und fleisch- reduzierter Ernährung ein (Harland, Garton 2016). Die darin Da Vitamin B12 nicht in ausreichender Menge in pflanzlichen zitierten Metaanalysen weisen auf ein um 20 bis 25 Prozent Lebensmitteln vorkommt, sollte es bei dauerhafter veganer reduziertes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen sowie Ernährung über geeignete Präparate zugeführt werden. Le- Typ-2-Diabetes bei Ernährungsstilen mit hohem pflanzlichen bensmittel wie Bier, Sauerkraut oder andere fermentierte Anteil hin. Die Ernährungsorganisation A.N.D. beurteilt die ve- Produkte enthalten – wenn überhaupt – nur Spuren und kön- gane Ernährung in ihrem Positionspapier deshalb auch als die nen keine ausreichende Versorgung sicherstellen (Keller, Gät- Ernährungsweise, die sich zur Verbesserung von Risikofakto- jen 2017). Deshalb bieten sich Supplemente als Kautabletten, ren für Herzkrankheiten am besten eignet (A.N.D. 2016). Kapseln, Tropfen, Zahnpasta oder – bei akutem Mangel – als Das geringere Risiko für Typ-2-Diabetes beruht vor allem auf ärztliche Injektion an (DGE o. J.). der signifikant geringeren Blutkonzentration an Gesamt-Cho- Weitere kritische Nährstoffe bei rein pflanzlicher Kost sind lesterin bei sich fleischlos ernährenden Personen im Vergleich Eisen, Zink, Vitamin B2, Omega-3-Fettsäuren, Calcium, Vita- zu Menschen, die sich omnivor ernähren. Fettarme vega- min D und Jod (Keller, Gätjen 2017). Eisen und Zink lassen sich ne Diäten können den Blutzucker besser regulieren als kon- gut über Vollkornprodukte, Hirse und Saaten wie Kürbiskerne ventionelle Diabetes-Diäten. Obwohl dieser Effekt größten- aufnehmen, am besten kombiniert mit Vitamin C. Vitamin B2 teils durch einen höheren Gewichtsverlust erklärbar ist, spie- findet sich ebenfalls in Vollkornprodukten, Kürbiskernen und len auch eine geringere Aufnahme von gesättigten Fettsäuren Mandeln. Omega-3-Fettsäuren können etwa über Lein- und und hoch-glykämischen Lebensmitteln sowie ein höherer Ver- Hanfsamen sowie deren Öle aufgenommen werden. Ob die zehr von Ballaststoffen und pflanzlichem Protein eine wichti- körpereigene Umwandlung effektiv genug ist, um Menschen ge Rolle (Barnard et al. 2009). mit höherem Bedarf zu versorgen, ist unklar. Deshalb sollten zum Beispiel Schwangere und Stillende die Fettsäuren Do- cosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) über Gewicht Supplemente aufnehmen. Calcium ist vor allem in grünem Die britische EPIC-Oxford-Studie mit rund 65.000 Teilnehmern Blattgemüse, calciumreichem Mineralwasser sowie Sesam- konnte nicht nur zeigen, dass vegan lebende Menschen die mus und Mandeln enthalten. Vitamin D wird bei Sonnenein- besten Cholesterinwerte, sondern auch das gesündeste Kör- strahlung über die Haut gebildet. In den sonnenarmen Mona- pergewicht hatten. Sie verzehrten den höchsten Anteil an Bal- ten Oktober bis März sind Nahrungsergänzungsmittel emp- laststoffen und den geringsten Anteil an Gesamtfett und ge- fehlenswert. Als Jodquelle bietet sich ein moderater Verzehr sättigten Fettsäuren im Vergleich zu anderen Ernährungsfor- von Jodsalz sowie Nori-Algen an. Bei anderen Algenarten ist men (Bradbury et al. 2014). aufgrund des oft hohen Jodgehalts Vorsicht geboten. Krebsrisiko Ernährung und Klimaschutz Aufsehen erregte 2015 eine Risikoeinstufung der WHO (IARC 2015a): Verarbeitetes Fleisch (gesalzen, fermentiert, geräu- Die Ernährung hat wesentlichen Anteil an den von Menschen chert, z. B. Wurstwaren) teilte sie der Kategorie „krebserre- verursachten Treibhausgasen. Sie ist schätzungsweise für 40 gend für den Menschen“ zu. Das Darmkrebsrisiko erhöht sich Prozent aller klimarelevanten Emissionen innerhalb der EU um 18 Prozent, wenn täglich 50 Gramm verarbeitetes Fleisch und weltweit verantwortlich (Europäische Kommission 2006). verzehrt werden. Die International Agency for Research on Vor allem die Landwirtschaft trägt maßgeblich dazu bei: Der Cancer (IARC) weist zudem darauf hin, wie wichtig es für das Weltklimarat IPCC führt 31 Prozent der Treibhausgasemis- Gesundheitswesen sei, sich des Einflusses dieser Konsumge- sionen auf die Landwirtschaft und damit verbundene Land- wohnheiten für die Entstehung von Krebs bewusst zu sein: nutzungsänderungen wie Entwaldung, das Trockenlegen von Das Global Burden of Disease Project geht laut IARC von welt- Mooren oder den Umbruch von Grünland zurück (Zukunftsstif- weit rund 34.000 Todesfällen pro Jahr aus, die auf eine Ernäh- tung Landwirtschaft o. J.). In Deutschland ist die Landwirtschaft rung mit viel verarbeitetem Fleisch zurückgehen (IARC 2015b). mit fast 80 Prozent die größte Emissionsquelle für Lachgas Generell ist die Studienlage hierzu allerdings recht hetero- und mit fast 60 Prozent für Methan (Umweltbundesamt 2016). ERNÄHRUNG IM FOKUS 07–08 2017
212 SCHWERPUNKT Nutztierhaltung Sojaanbau Die Erzeugung tierischer Lebensmittel ist per se inef- Über 90 Prozent der in Südamerika angebauten So- fizienter als die Produktion pflanzlicher Nahrungsmit- japflanzen sind gentechnisch verändert und liefern tel. Für die Produktion von Fleisch gehen 80 Prozent Futtermittel für Nutztiere, auch in deutschen Ställen. der im Futter vorhandenen Kohlenhydrate verloren Die in Deutschland erhältlichen Sojaprodukte sind da- (Umweltbundesamt 2017). Für die Erzeugung einer tie- gegen nahezu völlig frei von Gentechnik. Das Soja da- rischen Kalorie sind deutlich mehr pflanzliche Kalori- für stammt überwiegend aus der EU, Kanada und Chi- en notwendig: Sechsmal mehr sind es bei Schweine- na und ist oft aus biologischem Anbau. fleisch, bei Milch achtmal, bei Hühnerfleisch zehnmal und bei Rindfleisch 20-mal so viele Pflanzenkalorien (Leitzmann, Keller 2013). Der Futtermittelanbau ist res- Lebensmitteltransporte sourcenintensiv und belegt große Flächen, die in der Die Klimawirkung des Transports von Lebensmitteln Folge nicht für die Erzeugung von pflanzlichen Nah- wird häufig überschätzt. In Deutschland machen Le- rungsmitteln zur Verfügung stehen. Fast die Hälfte bensmitteltransporte nur einen kleinen Anteil von un- aller weltweiten Ackerflächen dient der Futtermittel- ter zehn Prozent an den Emissionen im Bereich Ernäh- produktion (Carus et al. 2014). In Deutschland sind es rung aus. Über 90 Prozent entfallen auf die Produktion 60 Prozent (Umweltbundesamt 2017). und Verarbeitung von vor allem tierischen Lebensmit- Der Flächenbedarf für die Produktion von Futter- teln. mitteln (z. B. Soja) und für Weideflächen ist eine der Hauptursachen für die Entwaldung und die Zerstörung Klimabilanz anderer natürlicher Landschaften (Noleppa 2012), ins- Die Klimabilanz von Lebensmitteln (CO2-Fußabdruck) gibt besondere in Südamerika. an, wie viel Treibhausgase durch den gesamten Herstel- Außerdem ist ein Teil der in der Landwirtschaft entste- lungsprozess (teilweise einschließlich Verarbeitung und henden Treibhausgase der Nutztierhaltung geschul- Entsorgung) entstehen. Die Einheit ist üblicherweise CO2 det. Weltweit verursacht sie 37 Prozent der Methane- pro Kilogramm Lebensmittel. missionen (Umweltbundesamt 2014). Letztere stammen überwiegend aus der Verdauung von Wiederkäuern und aus dem Lagern und Ausbringen von Gülle und Mist. Den größten Anteil an den Methanemissionen Klimabilanz in Deutschland hat die Haltung von Milchkühen (Flach- Betrachtet man Lebensmittelgruppen hinsichtlich ih- mann, Mayer 2012). Die Lachgasemissionen gehen rer Klimabilanz, ist erkennbar, dass Fleisch sowie zu einem wesentlichen Teil auf den Einsatz von tieri- Milchprodukte mit hohem Fettgehalt für vergleichs- schem Dünger zurück. weise große Mengen Treibhausgase verantwortlich sind. Ihr CO2-Fußabdruck liegt im Bereich von einigen Kilogramm. Pflanzliche Produkte wie Kartoffeln, Ge- müse und Teigwaren belasten das Klima in der Regel Foto: © iStock.com/DragonImages weniger. Auch Fleischalternativen wie Seitan, Tofu und Sojagranulat haben eine deutlich günstigere Klimabi- lanz als Fleisch. Je Kilogramm Lebensmittel verursa- chen sie meist deutlich unter einem Kilogramm CO2. In Deutschland macht der Konsum tierischer Produkte mehr als zwei Drittel der ernährungsbedingten Treib- hausgas-Emissionen aus. In der Gesamtbilanz hat Fleisch mit einem Anteil von etwa 40 Prozent die größ- te Bedeutung. Milchprodukte fallen mit über 20 Pro- zent ebenfalls ins Gewicht (Noleppa 2012). Fazit Eine rein pflanzliche Ernährung verursacht nicht nur die geringsten Mengen an Treibhausgasen. Bei wich- tigen Ressourcen wie Fläche, Energie und Phosphat sowie dem Ausstoß an Ammoniak schneidet sie eben- falls besser ab als andere Ernährungsstile. Gegenüber einer üblichen mitteleuropäischen Ernährung verur- sacht sie weniger als die Hälfte (Meier, Christen 2012) bis zu weniger als einem Drittel (Bryngelsson 2015) der Treibhausgase. Lediglich der Wasserverbrauch der ve- Pflanzliche Lebensmittel belasten das Klima weniger als tierische. getarischen und veganen Ernährung kann über allen ERNÄHRUNG IM FOKUS 07–08 2017
SCHWERPUNKT 213 Foto: © iStock.com/Fullerene Schön arrangierte Speisen und das Meiden der Begriffe „vegan“ oder „vegetarisch“ auf der Speisekarte tragen zur Attraktivität entsprechender Angebote bei. anderen Kostformen liegen, sofern die vermutlich ver- • Gerichte mit Hülsenfrüchten, Sojaprodukten oder mehrt konsumierten Mengen an Obst, Nüssen und Sa- anderen Fleischalternativen unterstützen die men vorwiegend aus wasserarmen Regionen wie Süd- pflanzliche Proteinversorgung. Sie sind meist deftig europa, China, den Vereinigten Staaten, Türkei und und beliebt, etwa Kichererbsencurry oder Seitan- Iran stammen (Meier 2013). Gyros. • Eine einfache, aber wirksame Aufwertung von Spei- sen lässt sich durch ein Angebot an losen Körnern Vegan in der Gemeinschafts und Saaten erreichen, die sich Gäste selbst anstel- verpflegung le von Croutons oder Parmesan über ihre Gerichte streuen können. Eine rein oder überwiegend pflanzliche Ernährung • In der Großküche und am Tisch sollte außerdem kann einen großen Beitrag zum Klimaschutz und zur auf jodiertes Speisesalz zurückgegriffen werden. Nachhaltigkeit leisten. Damit die Umsetzung leicht Die Kantinenmahlzeit macht bei den meisten Gästen fällt, ist es wichtig, dass vegane Lebensmittel und Spei- nur einen Teil der Ernährung aus. Eine Anreicherung sen gut verfügbar sind. Bei rund 18 Millionen Men- pflanzlicher Gerichte mit Nährstoffen wie Vitamin B12 schen, die in Deutschland täglich Gerichte aus System- muss daher nicht im Rahmen der Gemeinschaftsver- küchen in Mensen, Cafeterien, Imbissen oder Betriebs- pflegung erfolgen, sondern liegt in der Eigenverant- kantinen verzehren, spielt das Angebot in der Gemein- wortung der Gäste. Dennoch sollte das Angebot in schaftsverpflegung eine wichtige Rolle (Dowideit 2013). Kantinen, Mensen und Cafeterien generell eine gesun- de Speisenauswahl ermöglichen und fördern. Gesunde pflanzliche Vielfalt Bei pflanzlichen Angeboten in der Gemeinschaftsver- Wege zur Nachhaltigkeit pflegung kann sich eine gesunde Speisengestaltung an In der Gemeinschaftsverpflegung bieten sich grund- den wichtigen und teilweise kritischen Nährstoffen ori- sätzlich zwei Möglichkeiten an, die Nachhaltigkeit mit- entieren. tels pflanzlicher Lebensmittel zu steigern: Zum einen • Zur Gewährleistung einer guten Versorgung mit durch das Angebot veganer Gerichte, zum anderen Zink und Vitamin B2 können Kantinen und Mensen durch geringere Mengen an tierischen Produkten in vermehrt auf Vollkornprodukte wie Vollkornnudeln „normalen“ Speisen. oder -reis setzen. Hier ist jedoch die Akzeptanz der Gäste zu bedenken: Sehr gesunde pflanzliche Ge- richte können in Kantinen Probleme bereiten, in de- Vegane Angebote nen die Gäste bislang eher Fast Food nachgefragt Immer mehr Verpflegungseinrichtungen bieten regel- haben. Hier könnte zunächst eine Mischung aus mäßig oder gelegentlich rein vegane Hauptgerichte an. Vollkorn- und weißem Reis eine der Zielgruppe an- Dabei reicht die Auswahl von einmal pro Woche über gepasste Alternative sein. ein tägliches veganes Stammessen bis hin zur Einfüh- ERNÄHRUNG IM FOKUS 07–08 2017
214 SCHWERPUNKT Foto: © Gerhard Seybert/Fotolia.com Bei der Umstellung auf ein nachhaltiges Angebot lassen sich peu à peu die Anteile tie- rischer Lebensmittel an den Speisen reduzieren. rung komplett veganer Menülinien. Besonders hervor- fleisch-Burger in Cafeterien von 250 amerikanischen zuheben sind hier die Studierendenwerke: Sie nehmen Schulbezirken durch gemischte Pilz-Rindfleisch-Bur- seit Jahren eine Vorreiterrolle bei der Einführung und ger. Der Fokus lag dort vor allem auf dem Gesund- Erweiterung rein pflanzlicher Speisen ein. Laut Deut- heitsaspekt, da der gemischte Burger weniger Kalo- schem Studentenwerk sind inzwischen 50 Prozent al- rien, weniger gesättigte Fettsäuren und weniger Salz ler Mensa-Essen vegetarisch oder vegan (Meyer auf der enthält als das reine Fleischprodukt. Die Kommunikati- Heyde 2016). on über die Zutatenänderung verlief transparent. Laut Neben den Studierendenwerken engagieren sich vor Sodexo bemerkten die Gäste die veränderte Rezeptur allem Unternehmen im Bereich pflanzenbetonter Ge- geschmacklich gar nicht oder waren weiterhin mit dem meinschaftsverpflegung. Sie erkennen und bedienen Produkt zufrieden. die Nachfrage, vor allem in Betriebskantinen. Die größ- Außerdem lassen sich bestimmte tierische Zutaten ten Caterer in Deutschland haben in den vergange- vollständig durch pflanzliche ersetzen. So eignet sich nen Jahren eigene vegetarisch-vegane Menülinien ent- etwa Öl statt Butter zum Backen und Braten. Ei-Alter- wickelt oder vegane Speisen integriert: Aramark zum nativen (z. B. auf Basis von Stärke und verschiedenen Beispiel hat die vegetarisch-vegane Foodlinie „V-Like“ pflanzlichen Proteinquellen), pflanzliche Sahne und eingeführt, Compass Deutschland hat vegane Gerichte Pflanzenmilch können Eier und Milchprodukte (zu- in die Menülinie „Vitalien“ integriert und Sodexo erwei- mindest teilweise) ersetzen. Compass USA konnte bei- tert sein Angebot mit der vegetarisch-veganen Menüli- spielsweise bereits im ersten Halbjahr seiner Koope- nie „Peter+Silie“. Die Herangehensweise dieser Unter- ration mit dem Vegan-Pionier Hampton Creek Foods nehmen beruht auf dem gleichen Prinzip: Im Vorder- 1,2 Millionen Eier einsparen. Das für seine vegane Ma- grund stehen der kulinarische Genuss und die Freu- yonnaise bekannte Unternehmen versorgt Compass de am guten Essen. Das Angebot richtet sich an Gäste, exklusiv unter anderem mit veganen Backmischungen, die sich vegan-vegetarisch ernähren, aber vor allem an Keksen und Salatdressings. Menschen, die nur wenig Fleisch essen. Vegane Basisgerichte Weniger Tierprodukte Als weitere Möglichkeit zur Reduktion tierischer Zuta- In nichtveganen Speisen lassen sich die Anteile tieri- ten bieten sich vegan zubereitete Basisgerichte an, die scher Zutaten verringern und gegebenenfalls durch sich über Beilagen ergänzen lassen. So kann beispiels- pflanzliche Alternativen ersetzen. Gerichte können weise zu einem veganen Erbseneintopf eine vegane zum Beispiel kleinere Fleisch- und größere Gemüse- oder fleischhaltige Wursteinlage angeboten werden. portionen enthalten. Entsprechende Reduktionsziele sind für eine außenwirksame Kommunikation geeig- net (z. B. „Bis 2018 verringern wir unseren Fleischver- Einführung veganer Kost in der brauch um 20 Prozent“). Gemeinschaftsverpflegung Auch innerhalb einzelner Komponenten der Gerich- te lassen sich diese Anteile verändern. Das zeigt der Das Küchenteam gewinnen „Meat Mushroom Burger“ des Caterers Sodexo in den Für die erfolgreiche Einführung veganer Gerichte ist USA, ein sogenanntes „Blend-“ oder Mischprodukt (So- entscheidend, das Küchenteam frühzeitig zu beteili- dexo Insights 2016). Das Unternehmen ersetzte Rind- gen. Vegane Kochschulungen eignen sich dazu, sich ERNÄHRUNG IM FOKUS 07–08 2017
SCHWERPUNKT 215 konzentriert der Thematik zu widmen und Kompeten- tig, wenn positive Aspekte auf ungezwungene Art im zen aufzubauen. Umsichtiges Vorgehen ist dabei gebo- Mittelpunkt stehen. Veganes Essen soll kein „Schuld- ten. Im Idealfall gelingt es, das Team für die vegane Kü- gefühlessen“ sein, sondern den Gast mit gutem Ge- che zu begeistern (Albert Schweitzer Stiftung für unsere schmack überzeugen. Die Kennzeichnung ist am bes- Mitwelt 2015). Ein Mitarbeiter aus einem Studierenden- ten an Standort und Zielgruppe anzupassen. Generell werk rät: kann eine unauffällige Kennzeichnung hilfreich sein, um skeptische Gäste nicht von vornherein abzuschre- cken. Interessierten sollte die Kennzeichnung aber we- „Köchen sollte die Schulung nicht von oben sentliche Informationen geben, etwa durch ein kleines auferlegt werden, sondern sie sollten von Beginn an V oder ein anderes Symbol, das auf das vegane Ange- miteinbezogen werden, damit sie auch teilnehmen bot hinweist. Die Benennung der Speisen kann krea- möchten. Die Schulungen sollen Spaß machen, die tiv sein: Im Zweifel ist es günstiger, auf geschmackliche Mitarbeiter müssen sich am Ende mit den Gerich- Komponenten statt auf die vegane Eigenschaft ten identifizieren können. Gemeinsames Kochen aufmerksam zu machen, etwa „Pfannengemüse mit und Probieren sind dabei sehr hilfreich.“ sonnengetrockneten Tomaten und Walnüssen“ und nicht „veganes Pfannengemüse“. Wie sich mit einfachen Mitteln und ohne große Zu- Eine weitere Empfehlung lautet, eine Person aus dem satzkosten Anreize für eine gesundheitsförderliche Team als festen Ansprechpartner für den veganen Pro- Speisenauswahl schaffen lassen, zeigt die Broschüre duktbereich in den Betrieben zu benennen. Als Multi- „Smarter Lunchrooms – Impulse für die Essenswahl“ plikator kann er außerdem Wissen an das Team wei- (KErn 2016). Die Handlungsempfehlungen enthalten tergeben sowie neue Produkte und Rezepte auspro- beispielsweise Tipps zur Gestaltung der Umgebung bieren. Ein Mitarbeiter bringt es auf den Punkt: sowie zur Präsentation, Verfügbarkeit und Kennzeich- nung. Diese eignen sich sowohl für gesunde Speisen als auch für die Kommunikation und Bewerbung eines „Das Wichtigste sind die Köpfe der Köche (…), veganen Angebots. wenn diese mit ins Boot genommen werden und sie es selbst gut finden, ist die Rennbahn danach frei – der Kreativität der Köche sind Fazit keine Grenzen gesetzt!“ Eine vegane Ernährungsweise lässt sich mit etwas Hin- tergrundwissen leicht umsetzen. Im Vergleich zu einer Ernährung, die reich an Tierprodukten ist, hat sie deut- Die Gäste gewinnen liche Gesundheitsvorteile. Darüber hinaus schont sie Vegane Gerichte an den Gast bringen – das funktio- Klima und Ressourcen – ein zentraler Aspekt in Zeiten, niert am besten über Freiwilligkeit. Gespräche mit Stu- in denen „Nachhaltigkeit“ zunehmend wichtiger wird. dierendenwerken zeigen, dass Aktionstage in Form Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der Gemein- von kompletten Veggie-Days das Risiko bergen, als Be- schaftsverpflegung auf die Ernährungsgewohnheiten vormundung wahrgenommen zu werden. Das führt im ihrer Gäste. Mit wenig Aufwand kann das Unterneh- ungünstigsten Fall zum Widerstand der Gäste. Bei ein- men nicht nur die eigene Klimabilanz verbessern, son- maligen oder regelmäßigen Aktionstagen eignen sich dern auch eine gesundheitlich und ökologisch günsti- Konzepte, bei denen geschmacklich herausragende ge Speisenwahl der Gäste fördern. ❚ vegane Optionen erhältlich sind, Gerichte mit Fleisch FÜR DAS AUTORENTEAM aber nicht ganz im Speiseplan fehlen. Die Studieren- Anne Bohl hat klinische und denwerke raten dazu, das Fleischangebot an veganen Um Großverpflegern die Einführung oder den Ausbau Gesundheitspsychologie studiert. Aktionstagen mit Bedacht zu wählen: eines veganen Angebots kostengünstig zu ermöglichen, Sie ist Referentin für Ernährung und Gesundheit im Wissen- entstand aus dem intensiven Austausch mit 40 Studie schaftsressort der Albert Schweit- rendenwerken ein Leitfaden. Dieser bietet wichtige Er- zer Stiftung für unsere Mitwelt in Berlin. Bei ihrer Arbeit für die „Wenn man am Veggietag als einziges Fleisch- kenntnisse zur Angebotsgestaltung sowie 80 vegane Re- gemeinnützige Tierschutzor gericht Currywurst anbietet, braucht man sich zepte für Großküchen. Die frisch überarbeitete Version ist ganisation setzt sie sich u. a. mit nicht wundern, wenn sich die anderen (fleischlosen) bei der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt gegen Textbeiträgen und auf Veranstal- tungen für die Verbreitung G erichte weniger gut verkaufen.“ eine geringe Schutzgebühr als Druckfassung sowie als kos- der veganen Ernährung ein. tenlose PDF erhältlich: Mitarbeit: http://albert-schweitzer-stiftung.de/leitfaden/eif Andreas Grabolle, Silja Kallsen-MacKenzie Generell ist eine breite Auswahl an fleischlosen Gerich- Kontakt: ten, die im täglichen Sortiment fest etabliert ist, wün- Anne Bohl schenswert. Denn auch Menschen, die sich nicht rein Albert Schweitzer Stiftung vegetarisch oder vegan ernähren, können gesundheit- für unsere Mitwelt Dircksenstr. 47, 10178 Berlin lich von pflanzlichen Speisen profitieren. >> Die Literaturliste finden Sie im Internet unter „Litera- ab@albert-schweitzer-stiftung.de Bei der Kommunikation des Angebots ist es güns- turverzeichnisse“ als kostenfreie pdf-Datei.
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