Gemeinschaftsverpflegung - Vegan - Potenziale und Herausforderungen - Schwerpunktthema Gesund ...

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Gemeinschaftsverpfle-

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gung – Vegan
Potenziale und Herausforderungen
ANNE BOHL • ANDREAS GRABOLLE • SILJA KALLSEN-MACKENZIE

Vegan ist sprichwörtlich in aller Munde: Immer mehr Angebote laden                 Stillzeit, Säuglingsalter, Kindheit, Jugend und Alter
dazu ein, rein pflanzliche Gerichte und Lebensmittel auszuprobieren.               sowie für Athletinnen und Athleten (A.N.D. 2016).
Die Vielfalt wächst – auch in der Gemeinschaftsverpflegung. Was aber               Eine vegetarische Ernährung empfiehlt die Deutsche
gilt es zu beachten, wenn die Ernährung pflanzlich und gesund sein                 Gesellschaft für Ernährung (DGE) uneingeschränkt
soll? Welche Potenziale und Herausforderungen ergeben sich? Und                    (DGE 2011). Zur veganen Kostform hat sie ein Positi-
nicht zuletzt: Welchen Beitrag können vegane Gerichte zu Nachhaltig-               onspapier verfasst (Richter et al. 2016). Darin sind zahl-
keit und Klimaschutz leisten?                                                      reiche Informationen und Handlungsempfehlungen
                                                                                   für vegan lebende Menschen enthalten, die sie bei der
                                                                                   Auswahl von Lebensmitteln und der Versorgung mit
                         Vegan – gesund machbar                                    Nährstoffen unterstützen.
                                                                                   Die DGE empfiehlt in ihren „10 Regeln“ ausdrücklich,
                         Bei einer veganen Ernährung fallen sämtliche Tier-        überwiegend (zu zwei Dritteln) pflanzliche Produk-
                         produkte weg, also Fleisch, Fisch, Milchprodukte,­ te zu verzehren (DGE 2013). Gesunde pflanzliche Ge-
                         Eier sowie Lebensmittel, in denen diese enthal- richte tragen so dazu bei, die DGE-Vorgaben für eine
                         ten sind. Eine abwechslungsreiche Lebensmittel-           ausgewogene Ernährung zu erfüllen. Das trifft eben-
                         auswahl ist daher wichtig, um eine ausreichende           falls auf die Gemeinschaftsverpflegung zu, wie Holger
                         Nährstoffversorgung sicherzustellen. So weist auch        Pfefferle vom Referat Gemeinschaftsverpflegung und
                         die amerikanische Association of Nutrition and Diete-     Qualitätssicherung (DGE) betont: „Wer unsere Qua-
                         tics (A.N.D.) in ihrem Positionspapier zu vegetarischer   litätsstandards beachtet, kann (…) zwei bis dreimal
                         Ernährung darauf hin, „dass gut geplante vegetarische     [pro Woche] ein veganes Gericht auf den Tisch brin-
                         Ernährungsformen – inklusive der veganen – gesund         gen. Das entspricht unseren Empfehlungen von Misch-
                         und   ernährungsphysiologisch      angemessen     sind    kost mit viel Gemüse und wenig Fleisch“ (Ökolandbau
                         sowie gesundheitliche Vorteile bei der Prävention und     2016). Das macht vegane Speisen auch für Menschen
                         Behandlung bestimmter Krankheiten haben können.“          interessant, die nur ab und zu auf Tierprodukte
                         Sie hält diese Ernährungsformen außerdem für alle         verzichten möchten.
                         Lebensabschnitte geeignet, inklusive Schwangerschaft,

                                                                                                      ERNÄHRUNG IM FOKUS 07–08 2017
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SCHWERPUNKT            211

Sowohl in der Öffentlichkeit als auch in Ernährungsfachkrei-      gen: In einem Übersichtsartikel (Ströhle 2015) wird deutlich,
sen scheint ein Paradigmenwechsel stattzufinden: Von der          dass die Höhe des Darmkrebsrisikos durch Fleischverzehr von
vorurteilsbehafteten Mangelernährung wandelt sich der Ruf         zahlreichen Faktoren abhängt. Dazu gehören auch die Verar-
der veganen Ernährung zu einer gesunden, vollwertigen Er-         beitung und Zubereitung: Gegrilltes und geräuchertes rotes
nährungsweise, die bei der Beachtung bestimmter Grundsät-         Fleisch sind schädlicher als naturbelassenes. Letzteres zog in
ze viele positive Gesundheitseffekte haben kann.                  einer Studie bei einem Verzehr von unter 80 Gramm pro Tag
                                                                  kein höheres Darmkrebsrisiko nach sich. Der generelle Le-
                                                                  bens- und Ernährungsstil spielt ebenfalls eine Rolle. Ein hoher
Gesundheitsvorteile veganer                                       Fleischkonsum erhöhte in einer Studie das Risiko zum Beispiel
­Ernährung                                                        nur, wenn insgesamt wenig Ballaststoffe verzehrt wurden.

Herz und Gefäße
                                                                  Kritische Nährstoffe bei veganer
Eine aktuelle Übersichtsstudie zu pflanzenbetonter Ernäh-         ­Ernährung
rung schloss Studien zu veganer, vegetarischer und fleisch-
reduzierter Ernährung ein (Harland, Garton 2016). Die darin       Da Vitamin B12 nicht in ausreichender Menge in pflanzlichen
zitierten Metaanalysen weisen auf ein um 20 bis 25 Prozent        Lebensmitteln vorkommt, sollte es bei dauerhafter veganer
reduziertes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen sowie          Ernährung über geeignete Präparate zugeführt werden. Le-
Typ-2-Diabetes bei Ernährungsstilen mit hohem pflanzlichen        bensmittel wie Bier, Sauerkraut oder andere fermentierte
Anteil hin. Die Ernährungsorganisation A.N.D. beurteilt die ve-   Produkte enthalten – wenn überhaupt – nur Spuren und kön-
gane Ernährung in ihrem Positionspapier deshalb auch als die      nen keine ausreichende Versorgung sicherstellen (Keller, Gät-
Ernährungsweise, die sich zur Verbesserung von Risikofakto-       jen 2017). Deshalb bieten sich Supplemente als Kautabletten,
ren für Herzkrankheiten am besten eignet (A.N.D. 2016).           Kapseln, Tropfen, Zahnpasta oder – bei akutem Mangel – als
Das geringere Risiko für Typ-2-Diabetes beruht vor allem auf      ärztliche Injektion an (DGE o. J.).
der signifikant geringeren Blutkonzentration an Gesamt-Cho-       Weitere kritische Nährstoffe bei rein pflanzlicher Kost sind
lesterin bei sich fleischlos ernährenden Personen im Vergleich    Eisen, Zink, Vitamin B2, Omega-3-Fettsäuren, Calcium, Vita-
                                                                  ­
zu Menschen, die sich omnivor ernähren. Fettarme vega-            min D und Jod (Keller, Gätjen 2017). Eisen und Zink lassen sich
ne Diäten können den Blutzucker besser regulieren als kon-        gut über Vollkornprodukte, Hirse und Saaten wie Kürbiskerne
ventionelle Diabetes-Diäten. Obwohl dieser Effekt größten-        aufnehmen, am besten kombiniert mit Vitamin C. Vitamin B2
teils durch einen höheren Gewichtsverlust erklärbar ist, spie-    findet sich ebenfalls in Vollkornprodukten, Kürbiskernen und
len auch eine geringere Aufnahme von gesättigten Fettsäuren       Mandeln. Omega-3-Fettsäuren können etwa über Lein- und
und hoch-glykämischen Lebensmitteln sowie ein höherer Ver-        Hanfsamen sowie deren Öle aufgenommen werden. Ob die
zehr von Ballaststoffen und pflanzlichem Protein eine wichti-     körpereigene Umwandlung effektiv genug ist, um Menschen
ge Rolle (Barnard et al. 2009).                                   mit höherem Bedarf zu versorgen, ist unklar. Deshalb sollten
                                                                  zum Beispiel Schwangere und Stillende die Fettsäuren Do-
                                                                  cosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) über
Gewicht                                                           Supplemente aufnehmen. Calcium ist vor allem in grünem
Die britische EPIC-Oxford-Studie mit rund 65.000 Teilnehmern      Blattgemüse, calciumreichem Mineralwasser sowie Sesam-
konnte nicht nur zeigen, dass vegan lebende Menschen die          mus und Mandeln enthalten. Vitamin D wird bei Sonnenein-
besten Cholesterinwerte, sondern auch das gesündeste Kör-         strahlung über die Haut gebildet. In den sonnenarmen Mona-
pergewicht hatten. Sie verzehrten den höchsten Anteil an Bal-     ten Oktober bis März sind Nahrungsergänzungsmittel emp-
laststoffen und den geringsten Anteil an Gesamtfett und ge-       fehlenswert. Als Jodquelle bietet sich ein moderater Verzehr
sättigten Fettsäuren im Vergleich zu anderen Ernährungsfor-       von Jodsalz sowie Nori-Algen an. Bei anderen Algenarten ist
men (Bradbury et al. 2014).                                       aufgrund des oft hohen Jodgehalts Vorsicht geboten.

Krebsrisiko
                                                                  Ernährung und Klimaschutz
Aufsehen erregte 2015 eine Risikoeinstufung der WHO (IARC
2015a): Verarbeitetes Fleisch (gesalzen, fermentiert, geräu-      Die Ernährung hat wesentlichen Anteil an den von Menschen
chert, z. B. Wurstwaren) teilte sie der Kategorie „krebserre-     verursachten Treibhausgasen. Sie ist schätzungsweise für 40
gend für den Menschen“ zu. Das Darmkrebsrisiko erhöht sich        Prozent aller klimarelevanten Emissionen innerhalb der EU
um 18 Prozent, wenn täglich 50 Gramm verarbeitetes Fleisch        und weltweit verantwortlich (Europäische Kommission 2006).
verzehrt werden. Die International Agency for Research on         Vor allem die Landwirtschaft trägt maßgeblich dazu bei: Der
Cancer (IARC) weist zudem darauf hin, wie wichtig es für das      Weltklimarat IPCC führt 31 Prozent der Treibhausgasemis-
Gesundheitswesen sei, sich des Einflusses dieser Konsumge-        sionen auf die Landwirtschaft und damit verbundene Land-
wohnheiten für die Entstehung von Krebs bewusst zu sein:          nutzungsänderungen wie Entwaldung, das Trockenlegen von
Das Global Burden of Disease Project geht laut IARC von welt-     Mooren oder den Umbruch von Grünland zurück (Zukunftsstif-
weit rund 34.000 Todesfällen pro Jahr aus, die auf eine Ernäh-    tung Landwirtschaft o. J.). In Deutschland ist die Landwirtschaft
rung mit viel verarbeitetem Fleisch zurückgehen (IARC 2015b).     mit fast 80 Prozent die größte Emissionsquelle für Lachgas
Generell ist die Studienlage hierzu allerdings recht hetero-      und mit fast 60 Prozent für Methan (Umweltbundesamt 2016).

ERNÄHRUNG IM FOKUS 07–08 2017
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                                   Nutztierhaltung                                                                 Sojaanbau
                                   Die Erzeugung tierischer Lebensmittel ist per se inef-                          Über 90 Prozent der in Südamerika angebauten So-
                                   fizienter als die Produktion pflanzlicher Nahrungsmit-                          japflanzen sind gentechnisch verändert und liefern
                                   tel. Für die Produktion von Fleisch gehen 80 Prozent                            Futtermittel für Nutztiere, auch in deutschen Ställen.
                                   der im Futter vorhandenen Kohlenhydrate verloren                                Die in Deutschland erhältlichen Sojaprodukte sind da-
                                   (Umweltbundesamt 2017). Für die Erzeugung einer tie-                            gegen nahezu völlig frei von Gentechnik. Das Soja da-
                                   rischen Kalorie sind deutlich mehr pflanzliche Kalori-                          für stammt überwiegend aus der EU, Kanada und Chi-
                                   en notwendig: Sechsmal mehr sind es bei Schweine-                               na und ist oft aus biologischem Anbau.
                                   fleisch, bei Milch achtmal, bei Hühnerfleisch zehnmal
                                   und bei Rindfleisch 20-mal so viele Pflanzenkalorien
                                   (Leitzmann, Keller 2013). Der Futtermittelanbau ist res-
                                                                                                                   Lebensmitteltransporte
                                   sourcenintensiv und belegt große Flächen, die in der                            Die Klimawirkung des Transports von Lebensmitteln
                                   Folge nicht für die Erzeugung von pflanzlichen Nah-                             wird häufig überschätzt. In Deutschland machen Le-
                                   rungsmitteln zur Verfügung stehen. Fast die Hälfte                              bensmitteltransporte nur einen kleinen Anteil von un-
                                   aller weltweiten Ackerflächen dient der Futtermittel-                           ter zehn Prozent an den Emissionen im Bereich Ernäh-
                                   produktion (Carus et al. 2014). In Deutschland sind es                          rung aus. Über 90 Prozent entfallen auf die Produktion
                                   60 Prozent (Umweltbundesamt 2017).                                              und Verarbeitung von vor allem tierischen Lebensmit-
                                   Der Flächenbedarf für die Produktion von Futter-                                teln.
                                   mitteln (z. B. Soja) und für Weideflächen ist eine der
                                   Haupt­ursachen für die Entwaldung und die Zerstörung
                                                                                                                    Klimabilanz
                                   anderer natürlicher Landschaften (Noleppa 2012), ins-
                                                                                                                    Die Klimabilanz von Lebensmitteln (CO2-Fußabdruck) gibt
                                   besondere in Südamerika.
                                                                                                                    an, wie viel Treibhausgase durch den gesamten Herstel-
                                   Außerdem ist ein Teil der in der Landwirtschaft entste-
                                                                                                                    lungsprozess (teilweise einschließlich Verarbeitung und
                                   henden Treibhausgase der Nutztierhaltung geschul-                                Entsorgung) entstehen. Die Einheit ist üblicherweise CO2
                                   det. Weltweit verursacht sie 37 Prozent der Methane-                             pro Kilogramm Lebensmittel.
                                   missionen (Umweltbundesamt 2014). Letztere stammen
                                   überwiegend aus der Verdauung von Wiederkäuern
                                   und aus dem Lagern und Ausbringen von Gülle und
                                   Mist. Den größten Anteil an den Methanemissionen                                Klimabilanz
                                   in Deutschland hat die Haltung von Milchkühen (Flach-
                                                                                                                   Betrachtet man Lebensmittelgruppen hinsichtlich ih-
                                   mann, Mayer 2012). Die Lachgasemissionen gehen
                                                                                                                   rer Klimabilanz, ist erkennbar, dass Fleisch sowie
                                   zu einem wesentlichen Teil auf den Einsatz von tieri-
                                                                                                                   Milchprodukte mit hohem Fettgehalt für vergleichs-
                                   schem Dünger zurück.
                                                                                                                   weise große Mengen Treibhausgase verantwortlich
                                                                                                                   sind. Ihr CO2-Fußabdruck liegt im Bereich von einigen
                                                                                                                   Kilogramm. Pflanzliche Produkte wie Kartoffeln, Ge-
                                                                                                                   müse und Teigwaren belasten das Klima in der Regel
                                                                                 Foto: © iStock.com/DragonImages

                                                                                                                   weniger. Auch Fleischalternativen wie Seitan, Tofu und
                                                                                                                   Sojagranulat haben eine deutlich günstigere Klimabi-
                                                                                                                   lanz als Fleisch. Je Kilogramm Lebensmittel verursa-
                                                                                                                   chen sie meist deutlich unter einem Kilogramm CO2.
                                                                                                                   In Deutschland macht der Konsum tierischer Produkte
                                                                                                                   mehr als zwei Drittel der ernährungsbedingten Treib-
                                                                                                                   hausgas-Emissionen aus. In der Gesamtbilanz hat
                                                                                                                   Fleisch mit einem Anteil von etwa 40 Prozent die größ-
                                                                                                                   te Bedeutung. Milchprodukte fallen mit über 20 Pro-
                                                                                                                   zent ebenfalls ins Gewicht (Noleppa 2012).

                                                                                                                   Fazit
                                                                                                                   Eine rein pflanzliche Ernährung verursacht nicht nur
                                                                                                                   die geringsten Mengen an Treibhausgasen. Bei wich-
                                                                                                                   tigen Ressourcen wie Fläche, Energie und Phosphat
                                                                                                                   sowie dem Ausstoß an Ammoniak schneidet sie eben-
                                                                                                                   falls besser ab als andere Ernährungsstile. Gegenüber
                                                                                                                   einer üblichen mitteleuropäischen Ernährung verur-
                                                                                                                   sacht sie weniger als die Hälfte (Meier, Christen 2012)
                                                                                                                   bis zu weniger als einem Drittel (Bryngelsson 2015) der
                                                                                                                   Treibhausgase. Lediglich der Wasserverbrauch der ve-
Pflanzliche Lebensmittel belasten das Klima weniger als tierische.                                                 getarischen und veganen Ernährung kann über allen

                                                                                                                                      ERNÄHRUNG IM FOKUS 07–08 2017
Gemeinschaftsverpflegung - Vegan - Potenziale und Herausforderungen - Schwerpunktthema Gesund ...
SCHWERPUNKT   213

                                                                                                                               Foto: © iStock.com/Fullerene
Schön arrangierte Speisen
und das Meiden der Begriffe
„vegan“ oder „vegetarisch“
auf der Speisekarte tragen zur
Attraktivität entsprechender
Angebote bei.

anderen Kostformen liegen, sofern die vermutlich ver-       •   Gerichte mit Hülsenfrüchten, Sojaprodukten oder
mehrt konsumierten Mengen an Obst, Nüssen und Sa-               anderen    Fleischalternativen   unterstützen      die
men vorwiegend aus wasserarmen Regionen wie Süd-                pflanzliche Proteinversorgung. Sie sind meist deftig
europa, China, den Vereinigten Staaten, Türkei und              und beliebt, etwa Kichererbsencurry oder Seitan-
Iran stammen (Meier 2013).                                      Gyros.
                                                            •   Eine einfache, aber wirksame Aufwertung von Spei-
                                                                sen lässt sich durch ein Angebot an losen Körnern
Vegan in der Gemeinschafts­                                     und Saaten erreichen, die sich Gäste selbst anstel-
verpflegung                                                     le von Croutons oder Parmesan über ihre Gerichte
                                                                streuen können.
Eine rein oder überwiegend pflanzliche Ernährung            •   In der Großküche und am Tisch sollte außerdem
kann einen großen Beitrag zum Klimaschutz und zur               auf jodiertes Speisesalz zurückgegriffen werden.
Nachhaltigkeit leisten. Damit die Umsetzung leicht          Die Kantinenmahlzeit macht bei den meisten Gästen
fällt, ist es wichtig, dass vegane Lebensmittel und Spei-   nur einen Teil der Ernährung aus. Eine Anreicherung
sen gut verfügbar sind. Bei rund 18 Millionen Men-          pflanzlicher Gerichte mit Nährstoffen wie Vitamin B12
schen, die in Deutschland täglich Gerichte aus System-      muss daher nicht im Rahmen der Gemeinschaftsver-
küchen in Mensen, Cafeterien, Imbissen oder Betriebs-       pflegung erfolgen, sondern liegt in der Eigenverant-
kantinen verzehren, spielt das Angebot in der Gemein-       wortung der Gäste. Dennoch sollte das Angebot in
schaftsverpflegung eine wichtige Rolle (Dowideit 2013).     Kantinen, Mensen und Cafeterien generell eine gesun-
                                                            de Speisenauswahl ermöglichen und fördern.

Gesunde pflanzliche Vielfalt
Bei pflanzlichen Angeboten in der Gemeinschaftsver-
                                                            Wege zur Nachhaltigkeit
pflegung kann sich eine gesunde Speisengestaltung an        In der Gemeinschaftsverpflegung bieten sich grund-
den wichtigen und teilweise kritischen Nährstoffen ori-     sätzlich zwei Möglichkeiten an, die Nachhaltigkeit mit-
entieren.                                                   tels pflanzlicher Lebensmittel zu steigern: Zum einen
•   Zur Gewährleistung einer guten Versorgung mit           durch das Angebot veganer Gerichte, zum anderen
    Zink und Vitamin B2 können Kantinen und Mensen          durch geringere Mengen an tierischen Produkten in
    vermehrt auf Vollkornprodukte wie Vollkornnudeln        „normalen“ Speisen.
    oder -reis setzen. Hier ist jedoch die Akzeptanz der
    Gäste zu bedenken: Sehr gesunde pflanzliche Ge-
    richte können in Kantinen Probleme bereiten, in de-
                                                            Vegane Angebote
    nen die Gäste bislang eher Fast Food nachgefragt        Immer mehr Verpflegungseinrichtungen bieten regel-
    haben. Hier könnte zunächst eine Mischung aus           mäßig oder gelegentlich rein vegane Hauptgerichte an.
    Vollkorn- und weißem Reis eine der Zielgruppe an-       Dabei reicht die Auswahl von einmal pro Woche über
    gepasste Alternative sein.                              ein tägliches veganes Stammessen bis hin zur Einfüh-

ERNÄHRUNG IM FOKUS 07–08 2017
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Foto: © Gerhard Seybert/Fotolia.com

                                                                                                                                      Bei der Umstellung auf ein
                                                                                                                                      nachhaltiges Angebot lassen
                                                                                                                                      sich peu à peu die Anteile tie-
                                                                                                                                      rischer Lebensmittel an den
                                                                                                                                      Speisen reduzieren.

                                              rung komplett veganer Menülinien. Besonders hervor-        fleisch-Burger in Cafeterien von 250 amerikanischen
                                              zuheben sind hier die Studierendenwerke: Sie nehmen        Schulbezirken durch gemischte Pilz-Rindfleisch-Bur-
                                              seit Jahren eine Vorreiterrolle bei der Einführung und     ger. Der Fokus lag dort vor allem auf dem Gesund-
                                              Erweiterung rein pflanzlicher Speisen ein. Laut Deut-      heitsaspekt, da der gemischte Burger weniger Kalo-
                                              schem Studentenwerk sind inzwischen 50 Prozent al-         rien, weniger gesättigte Fettsäuren und weniger Salz
                                              ler Mensa-Essen vegetarisch oder vegan (Meyer auf der      enthält als das reine Fleischprodukt. Die Kommunikati-
                                              Heyde 2016).                                               on über die Zutatenänderung verlief transparent. Laut
                                              Neben den Studierendenwerken engagieren sich vor           Sodexo bemerkten die Gäste die veränderte Rezeptur
                                              allem Unternehmen im Bereich pflanzenbetonter Ge-          geschmacklich gar nicht oder waren weiterhin mit dem
                                              meinschaftsverpflegung. Sie erkennen und bedienen          Produkt zufrieden.
                                              die Nachfrage, vor allem in Betriebskantinen. Die größ-    Außerdem lassen sich bestimmte tierische Zutaten
                                              ten Caterer in Deutschland haben in den vergange-          vollständig durch pflanzliche ersetzen. So eignet sich
                                              nen Jahren eigene vegetarisch-vegane Menülinien ent-       etwa Öl statt Butter zum Backen und Braten. Ei-Alter-
                                              wickelt oder vegane Speisen integriert: Aramark zum        nativen (z. B. auf Basis von Stärke und verschiedenen
                                              Beispiel hat die vegetarisch-vegane Foodlinie „V-Like“     pflanzlichen Proteinquellen), pflanzliche Sahne und
                                              eingeführt, Compass Deutschland hat vegane Gerichte        Pflanzenmilch können Eier und Milchprodukte (zu-
                                              in die Menülinie „Vitalien“ integriert und Sodexo erwei-   mindest teilweise) ersetzen. Compass USA konnte bei-
                                              tert sein Angebot mit der vegetarisch-veganen Menüli-      spielsweise bereits im ersten Halbjahr seiner Koope-
                                              nie „Peter+Silie“. Die Herangehensweise dieser Unter-      ration mit dem Vegan-Pionier Hampton Creek Foods
                                              nehmen beruht auf dem gleichen Prinzip: Im Vorder-         1,2 Millionen Eier einsparen. Das für seine vegane Ma-
                                              grund stehen der kulinarische Genuss und die Freu-         yonnaise bekannte Unternehmen versorgt Compass
                                              de am guten Essen. Das Angebot richtet sich an Gäste,      exklusiv unter anderem mit veganen Backmischungen,
                                              die sich vegan-vegetarisch ernähren, aber vor allem an     Keksen und Salatdressings.
                                              Menschen, die nur wenig Fleisch essen.

                                                                                                         Vegane Basisgerichte
                                              Weniger Tierprodukte                                       Als weitere Möglichkeit zur Reduktion tierischer Zuta-
                                              In nichtveganen Speisen lassen sich die Anteile tieri-     ten bieten sich vegan zubereitete Basisgerichte an, die
                                              scher Zutaten verringern und gegebenenfalls durch          sich über Beilagen ergänzen lassen. So kann beispiels-
                                              pflanzliche Alternativen ersetzen. Gerichte können         weise zu einem veganen Erbseneintopf eine vegane
                                              zum Beispiel kleinere Fleisch- und größere Gemüse-         oder fleischhaltige Wursteinlage angeboten werden.
                                              portionen enthalten. Entsprechende Reduktionsziele
                                              sind für eine außenwirksame Kommunikation geeig-
                                              net (z. B. „Bis 2018 verringern wir unseren Fleischver-
                                                                                                         Einführung veganer Kost in der
                                              brauch um 20 Prozent“).
                                                                                                         ­Gemeinschaftsverpflegung
                                              Auch innerhalb einzelner Komponenten der Gerich-
                                              te lassen sich diese Anteile verändern. Das zeigt der
                                                                                                         Das Küchenteam gewinnen
                                              „Meat Mushroom Burger“ des Caterers Sodexo in den          Für die erfolgreiche Einführung veganer Gerichte ist
                                              USA, ein sogenanntes „Blend-“ oder Mischprodukt (So-       entscheidend, das Küchenteam frühzeitig zu beteili-
                                              dexo Insights 2016). Das Unternehmen ersetzte Rind-        gen. Vegane Kochschulungen eignen sich dazu, sich

                                                                                                                           ERNÄHRUNG IM FOKUS 07–08 2017
SCHWERPUNKT                            215

konzentriert der Thematik zu widmen und Kompeten-           tig, wenn positive Aspekte auf ungezwungene Art im
zen aufzubauen. Umsichtiges Vorgehen ist dabei gebo-        Mittelpunkt stehen. Veganes Essen soll kein „Schuld-
ten. Im Idealfall gelingt es, das Team für die vegane Kü-   gefühlessen“ sein, sondern den Gast mit gutem Ge-
che zu begeistern (Albert Schweitzer Stiftung für unsere    schmack überzeugen. Die Kennzeichnung ist am bes-
Mitwelt 2015). Ein Mitarbeiter aus einem Studierenden-      ten an Standort und Zielgruppe anzupassen. Generell
werk rät:                                                   kann eine unauffällige Kennzeichnung hilfreich sein,
                                                            um skeptische Gäste nicht von vornherein abzuschre-
                                                            cken. Interessierten sollte die Kennzeichnung aber we-
       „Köchen sollte die Schulung nicht von oben           sentliche Informationen geben, etwa durch ein kleines
   auferlegt werden, sondern sie sollten von Beginn an      V oder ein anderes Symbol, das auf das vegane Ange-
   miteinbezogen werden, damit sie auch teilnehmen          bot hinweist. Die Benennung der Speisen kann krea-
   möchten. Die Schulungen sollen Spaß machen, die          tiv sein: Im Zweifel ist es günstiger, auf geschmackliche
    Mitarbeiter müssen sich am Ende mit den Gerich-         Komponenten statt auf die vegane Eigenschaft
     ten identifizieren können. Gemeinsames Kochen          aufmerksam zu machen, etwa „Pfannengemüse mit
        und  Probieren sind dabei sehr hilfreich.“          sonnengetrockneten Tomaten und Walnüssen“ und
                                                            nicht „veganes Pfannengemüse“.
                                                            Wie sich mit einfachen Mitteln und ohne große Zu-
Eine weitere Empfehlung lautet, eine Person aus dem         satzkosten Anreize für eine gesundheitsförderliche
Team als festen Ansprechpartner für den veganen Pro-        Speisenauswahl schaffen lassen, zeigt die Broschüre
duktbereich in den Betrieben zu benennen. Als Multi-        „Smarter Lunchrooms – Impulse für die Essenswahl“
plikator kann er außerdem Wissen an das Team wei-           (KErn 2016). Die Handlungsempfehlungen enthalten
tergeben sowie neue Produkte und Rezepte auspro-            beispielsweise Tipps zur Gestaltung der Umgebung
bieren. Ein Mitarbeiter bringt es auf den Punkt:            sowie zur Präsentation, Verfügbarkeit und Kennzeich-
                                                            nung. Diese eignen sich sowohl für gesunde Speisen
                                                            als auch für die Kommunikation und Bewerbung eines
      „Das Wichtigste sind die Köpfe der Köche (…),         veganen Angebots.
       wenn diese mit ins Boot genommen werden
      und sie es selbst gut finden, ist die Rennbahn
       danach frei – der Kreati­vität der Köche sind        Fazit
                 keine Grenzen gesetzt!“
                                                            Eine vegane Ernährungsweise lässt sich mit etwas Hin-
                                                            tergrundwissen leicht umsetzen. Im Vergleich zu einer
                                                            Ernährung, die reich an Tierprodukten ist, hat sie deut-
Die Gäste gewinnen                                          liche Gesundheitsvorteile. Darüber hinaus schont sie
Vegane Gerichte an den Gast bringen – das funktio-          Klima und Ressourcen – ein zentraler Aspekt in Zeiten,
niert am besten über Freiwilligkeit. Gespräche mit Stu-     in denen „Nachhaltigkeit“ zunehmend wichtiger wird.
dierendenwerken zeigen, dass Aktionstage in Form            Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der Gemein-
von kompletten Veggie-Days das Risiko bergen, als Be-       schaftsverpflegung auf die Ernährungsgewohnheiten
vormundung wahrgenommen zu werden. Das führt im             ihrer Gäste. Mit wenig Aufwand kann das Unterneh-
ungünstigsten Fall zum Widerstand der Gäste. Bei ein-       men nicht nur die eigene Klimabilanz verbessern, son-
maligen oder regelmäßigen Aktionstagen eignen sich          dern auch eine gesundheitlich und ökologisch günsti-
Konzepte, bei denen geschmacklich herausragende             ge Speisenwahl der Gäste fördern.                          ❚
vegane Optionen erhältlich sind, Gerichte mit Fleisch
                                                                                                                              FÜR DAS AUTORENTEAM
aber nicht ganz im Speiseplan fehlen. Die Studieren-
                                                                                                                                Anne Bohl hat klinische und
denwerke raten dazu, das Fleischangebot an veganen          Um Großverpflegern die Einführung oder den Ausbau              ­Gesundheitspsychologie studiert.
Aktionstagen mit Bedacht zu wählen:                         eines veganen Angebots kostengünstig zu ermöglichen,             Sie ist Referentin für Ernährung
                                                                                                                                und Gesundheit im Wissen-
                                                            entstand aus dem intensiven Austausch mit 40 Studie­
                                                                                                                           schaftsressort der Albert Schweit-
                                                            rendenwerken ein Leitfaden. Dieser bietet wichtige Er-            zer Stiftung für unsere Mitwelt
                                                                                                                             in Berlin. Bei ihrer Arbeit für die
      „Wenn man am Veggietag als einziges Fleisch-          kenntnisse zur Angebotsgestaltung sowie 80 vegane Re-
                                                                                                                               ­gemeinnützige Tierschutzor­
     ­gericht Currywurst anbietet, braucht man sich         zepte für Großküchen. Die frisch überarbeitete Version ist      ganisation setzt sie sich u. a. mit
   nicht wundern, wenn sich die anderen (fleischlosen)      bei der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt ­gegen    Textbeiträgen und auf Veranstal-
                                                                                                                                 tungen für die Verbreitung
            G
            ­ erichte weniger gut verkaufen.“               eine geringe Schutzgebühr als Druckfassung sowie als kos-           der veganen Ernährung ein.
                                                            tenlose PDF erhältlich:                                                    Mitarbeit:
                                                            http://albert-schweitzer-stiftung.de/leitfaden/eif                      Andreas Grabolle,
                                                                                                                                Silja Kallsen-MacKenzie
Generell ist eine breite Auswahl an fleischlosen Gerich-
                                                                                                                                       Kontakt:
ten, die im täglichen Sortiment fest etabliert ist, wün-
                                                                                                                                      Anne Bohl
schenswert. Denn auch Menschen, die sich nicht rein                                                                           Albert Schweitzer Stiftung
vegetarisch oder vegan ernähren, können gesundheit-                                                                               für unsere Mitwelt
                                                                                                                             Dircksenstr. 47, 10178 Berlin
lich von pflanzlichen Speisen profitieren.                  >> Die Literaturliste finden Sie im Internet unter „Litera-    ab@albert-schweitzer-stiftung.de
Bei der Kommunikation des Angebots ist es güns-             turverzeichnisse“ als kostenfreie pdf-Datei.
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