6 Fankultur. Fußball, Sport, Jugend und Ultras. Die AWO ist die größte Trägerin sozialpädagogischer Fanprojekte in Deutschland.
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6 Fankultur. Fußball, Sport, Jugend und Ultras. Die AWO ist die größte Trägerin sozialpädagogischer Fanprojekte in Deutschland.
AWO ANSICHT Liebe Leserin, lieber Leser Wer hätte das gedacht? Die AWO ist die größte Trägerin von Fanprojekten im Fußball. In gemeinsamer Finanzierung aus Mitteln der jeweiligen kommunalen Jugendhilfe und der Deutschen Fußball Liga findet an zwölf Standorten eine engagierte Jugend- und Fanarbeit statt, für die sozial- pädagogische Kompetenz ebenso erforderlich ist wie fußballerischer Enthusiasmus, denn die Spieltage sind Arbeitstage, ob zu Hause oder auswärts. Auf einer jährlich stattfindenden »Träger-Verbundtagung« der AWO-Fanprojekte werden Erfahrungen ausgetauscht und Konzepte entwickelt. Der AWO Bundesverband hat die erste dreiteilige Fortbildung für Fachkräfte aus dem Bereich erfolgreich abgeschlossen, eine zweite ist aufgrund der positiven Resonanz in Planung. Auf der nächsten Tagung in Kiel im Juni sollen die Überlegungen zu einer Vereinsgründung abge- schlossen werden, um dem Verbund eine organisatorische Klammer zu verleihen und Entwicklungen gezielter vorantreiben zu können. Aber nicht nur das! Seit September 2014 existiert das »Zentrum für Sehbehin- derten- und Blindenreportage« (ZSBR) des AWO Bundesverbandes. Das von der Aktion Mensch und der Bundesliga-Stiftung finanzierte Projekt hat zum Ziel, in allen Stadien des Profifußballs die Infrastruktur zu schaffen, um sehbehinderten bzw. blinden Menschen per Audioreportage die Möglichkeit zu geben, unmittelbar am Stadionerlebnis Fußball teil- haben zu können. Auf der Homepage www.fussball-blinden-reportage.de werden die Audioreportagen der wichtigsten Spiele eingestellt. Mit der Verbindung von Sport und gesellschaftlichem Engagement betritt der AWO Bundesverband neue Betätigungsfelder mit spannenden Themen und neuen Kooperationspartnern. Erkennbar ist bereits jetzt, dass die gemeinsamen Aktivitäten einen konkreten und wichtigen Beitrag zu Integration und Inklusion leisten. Gleichzeitig ist insbesondere der Fußball Gegenstand innenpolitischer Auseinandersetzungen. Hier muss mit viel Augenmaß agiert und der Jugendhilfeaspekt betont werden. Dazu hat sich die AWO bereits in einem Positionspapier geäußert und wird es weiter- hin tun. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine ertragreiche Lektüre. Wolfgang Stadler Vorsitzender des Vorstands I M P RESSU M Herausgeber Konzept und Gestaltung Stephanie Roderer, Anzeigen TAG Agentur & Verlag AWO Bundesverband e. V. Tel 06431/2121241 Fax 06431/2121244 Blücherstraße 62 / 63 10961 Berlin Gestalterische Mitarbeit Maria Grimm Agentur@Tag-Verlag.de www.Tag-Verlag.de Tel 030 / 26309-0 Fax 030 / 26309-32599 Fotografie Druck info@awo.org www.awo.org Redaktion AWO Ansicht Der Standort hat ein geprüftes Umwelt- Tel 030 / 26309 -4553 Fax 030 / 26309 -324553 management nach EMAS D-155-00126 awo-ansicht@awo.org G ® Redaktion Brigitte Döcker Mona Finder Berit Gründler (v.i.S.d.P.) Peter Kuleßa Es gil (privat) Jörg Rodenbüsch Wolfgang Stadler liche Schreibform für beide Geschlechter.
AWO AK T UELL G EG E N R A SS I SM US Internationaler Tag gegen Rassismus am 21. März Die AWO beteiligte sich auch in diesem Jahr an den Aktionen rund um den Internationalen Tag gegen Rassismus am 21. März. Gliederungen und Einrichtungen der AWO waren aufgerufen, mit kreativen Aktionen ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen und sich zu beteiligen. Rassismus ist in den vergangenen Monaten im Diskurs um ansteigende Flüchtlingszahlen öffent- lich sichtbar geworden. Vor allem im virtuellen Raum ist ein sprunghaftes Ansteigen hasserfüllter und beleidigender Kom- mentare zu verzeichnen gewesen. Daher hat die AWO den Fokus ihrer Aktivitäten in diesem Jahr ins Netz verlegt. Alle in Hier die Broschüre über unsere der AWO waren aufgerufen, Bilder von sich unter dem Motto bundesweiten Aktionen 2015 »Ich bin gegen Rassismus» in den sozialen Netzwerken einzu- zum Bestellen. Einfach per Mail an: stellen und damit klare Kante gegen Rassismus zu zeigen. werbung@awo.org (kostenfrei Die Aktion stieß auf breite Unterstützung im Verband, zahl- zzgl. Versandkosten 3,20 €). reiche Personen und Einrichtungen haben sich beteiligt. Resa Memarnia Tel 030/26309467 resa.memarnia@awo.org Einige Eindrücke sind abrufbar auf http://kampagnen.awo.org/awo-gegen-rassismus. RENTENP OLITIK Aktuelle Entwicklungen H I S TORI SCH E S P ORT R ÄT Am 1. Juli sollen die Renten um 4,25 % in den alten und 5,95 % Herta Gotthelf 1902-1963 in den neuen Bundesländern steigen. Dies ist das Ergebnis eines Verordnungsentwurfs, den die AWO auf Einladung des Bundesarbeitsministeriums geprüft und kommentiert hat. In ihrer Stellungnahme an das Ministerium stellt die AWO fest, Nach dem Studium an der Akademie der Arbeit in Frankfurt (Main) zog Herta Gotthelf nach Berlin und arbeitete als dass die Renten so hoch steigen werden wie seit den Neunziger- Volontärin in der Redaktion der SPD-Organe »Die Genossin«, jahren nicht mehr. Zentrale Ursachen seien die gute Lohnent- »Frauenwelt« und »Die Gleichheit«. Ab 1926 war sie wicklung im Jahr 2015, die Einführung des Mindestlohns und Sekretärin für Marie Juchacz, die zu der Zeit als SPD-Politi- ein statistischer Jojo-Effekt im Zusammenhang mit der Renten- kerin im Parteivorstand, als Frauenrechtlerin und Leiterin anpassung 2015. Für Rentnerinnen und Rentner bedeute die des Hauptausschusses der Arbeiterwohlfahrt tätig war. 1933 diesjährige Rentenerhöhung einen deutlichen Kaufkraftgewinn. ging Herta Gotthelf ins Exil nach London und engagierte Sie dürfe aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die sich dort in diversen Organisationen wie z.B. der AWO jährlichen Rentenanpassungen künftig wieder erheblich London. 1946 kehrte sie nach Deutschland zurück. Zeitlebens niedriger ausfallen würden und dann wieder Kaufkraftverluste engagierte sie sich für die Rechte der Frauen und das Thema drohten. Die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung Gleichstellung. werden jedes Jahr am 1. Juli nach einer im Gesetz festgeleg- ten Formel angepasst. Weitere Informationen zur Historie der AWO finden Sie im Historischen Archiv der AWO Ragnar Hoenig Tel 030/26309201 www.awo-historie.org ragnar.hoenig@awo.org 4 AWO 16
DI E AWO-AK TION SWOCH E 2 01 6 Neun Tage kompakte Informationen Hasan Othman ist vor zwei Jahren mit seiner Familie aus Syrien geflüchtet. Sarah Pöhlmann betreut Kinder mit geistigen Einschränkungen bundesweit in einer Förderschule in Niedersachsen. Beide leisten ihren Bundesfreiwilligendienst bei der AWO. Sarah und Hasan. Nur zwei von vielen Tausend, die sich bei der AWO für andere Menschen starkmachen. Lernen Sie uns näher kennen. Auf der AWO-Aktionswoche. Was ursprünglich nur als ein Aktionstag geplant war, wuchs 2015 zu neun abwechslungsreichen Tagen voller spannender Aktionen und schöner Feste an. Mit über 1.000 Veranstaltungen haben sich alle Regionen und die unterschiedlichsten Einrich- tungen der AWO an der Aktionswoche beteiligt und für andere da sind. Hasan Othman ist einer der damit dem Kampagnenmotto »Echtes Engagement. Botschafter. Er kam als Flüchtling aus Syrien nach Echte Vielfalt. Echt AWO.« Leben eingehaucht. Deutschland, inzwischen ist er »Bufdi« bei der AWO Aachen-Land. Othman: »Ich als Syrer, der Mit großem Einsatz und viel Herzblut wiederholen auch eine Fluchterfahrung gemacht hat und heute wir unsere Aktionswoche unter dem Motto »Echtes in Deutschland integriert ist, gelte für geflüchtete Engagement. Echte Vielfalt. Echt AWO.« Sie findet Menschen als Vorbild. Den Menschen Hoffnung zu in diesem Jahr vom 11. bis 19. Juni statt. Während der geben und für sie da zu sein, wenn sie mich brau- Aktionswoche möchten die AWO und ihre Jugend- chen, das macht mir Freude.« werke auf ihre vielfältigen Angebote aufmerksam machen. Kommen Sie uns besuchen. Wo Veranstal- Die AWO-Aktionswoche ist Teil des AWO-Themen- tungen vor Ort durchgeführt werden, kann dem jahres »Für Menschen nach der Flucht. Gemein- Veranstaltungskalender unter www.echt-awo.org sam in Würde leben.« entnommen werden. Jennifer Rotter / Berit Gründler Tel 030/26309218 Für die öffentlichkeitswirksame Bekanntmachung kommunikation@awo.org der Woche konnten zehn Botschafterinnen und Botschafter der AWO gewonnen werden – echte Mehr Informationen und ein Interview mit AWO-Engagierte, die beruflich oder ehrenamtlich Hasan Othman gibt es unter www.kampagnen.awo.org 2 16 AWO 5
AWO AK T UELL JETZT A US DE M V E R BA ND BEWERBEN! Aktiv vor Ort P RE I SA USSCHR EI BEN Fanprojekt Seit Herbst 2015 begleitet der AWO Bundesverband 13 Ortsver- eine, die sich für neue Aktivitäten und mehr sozialen Zusam- Kaiserslautern startet menhalt im Quartier einsetzen. Das zweijährige Modellprojekt »AWO aktiv vor Ort« wird unterstützt vom Institut für Sozial- »Tribüne ohne Grenzen« arbeit und Sozialpädagogik und ist Teil des Aktionsprogramms, mit dem ein aktiver Beitrag zur Verbandsentwicklung, Mitglie- dergewinnung und Engagementförderung in der AWO geleistet 2016 wird das AWO-Fanprojekt Kaiserslautern erstmals den wird. Im April 2016 kamen Vertreterinnen und Vertreter der »Tribüne ohne Grenzen«-Preis verleihen. Der Preis wird Ortsvereine zum Austausch zusammen. Durch fachliche Impulse an Projekte, Gruppen und Initiativen vergeben, die sich zu den Themen Quartiersentwicklung, Sozialraum und Bürger- entweder bereits in der Antidiskriminierungsarbeit enga- schaftliches Engagement wurde die Veranstaltung mit wich- gieren, mit ihrer Arbeit einen Beitrag zum Abbau von tigen Inhalten angereichert. Dies unterstützt die Vernetzung Barrieren und Grenzen leisten oder mit einem Projekt in im Quartier und kommt der Projektarbeit vor Ort zugute. Ziel den Startlöchern stehen. Das AWO-Fanprojekt vergibt bis des Projektes ist es, den Mitgliederverband zu stärken und an zu drei Preise mit jeweils 750 Euro Preisgeld. Die Bewer- die traditionell starke Rolle der Ortsvereine als Anlaufpunkte bungsfrist läuft bis zum 15. September 2016. im Gemeinwesen anzuknüpfen. Das soziale Miteinander in einem inklusiven Gemeinwesen zu fördern, gehört zu den wichtigen Anliegen der AWO. Nähere Informationen zu den Bewerbungsvoraussetzungen sowie die dazugehörigen Bewerbungsformulare sind auf der Homepage des Projektes unter http://www.tribuene-ohne-grenzen.de oder Jenny Weber Tel 030 / 26309352 jenny.weber@awo.org der Fanprojekthomepage http://www.fanprojekt-kl.de/ abrufbar. G RU NDSAT ZPR OGR A MM 7. Sozialkonferenz Gewagt war die Konzeption der Konferenz. Die Herausfor- derung lag auf der Hand: Wie gelingt es, mehr als 250 Gästen die Chance zu bieten, über ausgewählte Kapitel des neuen Grundsatzprogramms zu diskutieren? Die einleitenden Worte von Wilhelm Schmidt sowie das Grußwort von Ministerpräsidentin Malu Dreyer stimmten die Gäste auf I N N OVATI V E P R O JE K T E die übergeordneten gesellschaftlichen Themen ein. Anschließend war es Prof. Dr. Wolfgang Schroeder, der in seiner Grundsatzrede die AWO als gesellschaftlichen Akteur verortete und Chancen aufzeigte. Seine Aussage, dass ein Globales Lernen Grundsatzprogramm ein »Geländer für die Zukunft« sei, AWO International nimmt im Rahmen des Projektes unterstrich die Bedeutung der anschließenden Diskus- »Globales Lernen« die Herausforderungen und Chancen der sionen. Hier wurde über die »Grundwerte der AWO« genauso Globalisierung in den Blick. Im Rahmen des Projektes werden wie über die »Zukunft des Verbandes« oder unsere »Vision Methodenboxen angeboten, die ab sofort zur Durchfüh- für eine Gesellschaft in Vielfalt« debattiert. In der Zusam- rung eigener Seminare ausgeliehen werden können. Mit menschau der acht Gruppendiskussionen wurde vor allem diesem Bildungsangebot soll erreicht werden, dass Menschen eines deutlich: In diesen unruhigen Zeiten tut es not, auch (ab 14) mehr über die ausbeuterischen und menschenrechts- die bisher als unerschütterlich vermuteten demokratischen verletzenden Arbeitsbedingungen im Baumwollanbau und in der Textilindustrie und die Umweltbelastungen durch Grundwerte unserer Gesellschaft neu auszutarieren und die Textilproduktion erfahren, kritisch über ihren eigenen zu betonen. Kleiderkonsum nachdenken und Aktionsmöglichkeiten wie die Kampagne für Saubere Kleidung kennenlernen. Marius Mühlhausen Tel 030 / 26309347 marius.muehlhausen@awo.org Weitere Informationen Weitere Informationen http://grundsatzprogramm.awo.org www.awointernational.de/globales-lernen.html 6 AWO 16
Die Mädchen-Fußballmannschaft aus dem Cantón El Tigre. AWO I NT E R N ATIO N AL Der Ball rollt Zehn Mädchen warten auf die gegnerische Mannschaft. Sie haben sich warm gespielt, jetzt fehlt nur noch der Gegner. Als in der Ferne eine Staubwolke zu sehen ist, springen sie auf. In vielen Ländern Mittelamerikas ist das Leben der Jugendlichen geprägt von Ausgrenzung HEL FEN S IE ! und Gewalt. So auch in der Gemeinde Ahuachapán in El Salvador. Insbesondere gegenüber Frauen und Mädchen Helfen auch Sie mit Ihrer Spende. ist familiäre und sexuelle Gewalt dort weitverbreitet. Vielen Dank ! Junge Mütter sind fast ausnahmslos alleinerziehend. Mit einem Fußball-Projekt stärkt AWO International das Selbst- Spendenkonto AWO International bewusstsein von Mädchen und jungen Frauen. Sie spielen Stichwort »Fonds für Kinder und Jugendliche« auch gegen Jungenmannschaften sowie in gemischten IBAN: DE83 1002 0500 0003 2211 00 Teams. Fußball ist hier ein wirksames Instrument für BIC: BFSWDE33BER mehr Toleranz, Respekt und Gleichberechtigung. Ingrid Lebherz Tel 030 / 25292772 ingrid.lebherz@awointernational.de www.awointernational.de 2 16 AWO 7
AWO S OZI ALBA ROME T ER Ist inklusives Lernen in Schulen möglich? Trotz föderaler Strukturen muss sich die Bundes- kräfte und zur Sicherstellung des Rechtsanspruchs politik der von ihr unterzeichneten Behinderten- auf einen inklusiven Zugang zur Regelschule beitra- rechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) gen und muss daher fachlich aufgewertet werden. stärker verpflichtet fühlen und deutliche Signale Seit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechts- setzen, denn Regelschulen können nicht per konvention im März 2009 ist besonders das System Beschluss zu inklusiven Schulen umgestaltet werden. Schule in Bewegung gekommen. Im Zuge der Umset- Dies bestätigen die aktuellen Umfrageergebnisse zung der UN-BRK sollen Schülerinnen und Schüler des AWO-Sozialbarometers. mit und ohne Behinderungen vermehrt gemeinsam Die Politik ist gefragt, inklusionsförderliche Struk- beschult werden. Im Rahmen der UN-BRK stehen turen zu schaffen und Mittel zur Verfügung zu stellen, die Bundesländer aufgrund ihrer Kulturhoheit in der damit alle Kinder und Jugendlichen – unabhängig von Pflicht, ein inklusives Schulsystem umzusetzen. Behinderungen – von inklusiven Regelschulen profi- Auf schulgesetzlicher Ebene sind hier alle Bundes- tieren können. Die Regelschulen müssen zu einem länder aktiv geworden und haben entsprechende Bildungsort weiterentwickelt werden, an dem Per- Erweiterungen des schulischen Bildungsauftrags sonen verschiedener Professionen gemeinsam die vorgenommen, um das System Schule für alle Kinder Inklusion der Schülerinnen und Schüler gewährleis- und Jugendlichen zugänglicher zu machen. Besonders ten. Hierbei sieht die AWO das Berufsfeld der Schul- in dieser sensiblen Zeit von Umbruch und Neuorien- begleitung als eine sinnvolle Unterstützung der tierung zeichnet sich ab, dass Regelschulen mit der Lehrkräfte an Regelschulen. Dieser sich neu entwi- Forderung nach Inklusion vor große Herausforde- ckelnde Berufszweig kann zur Entlastung der Lehr- rungen gestellt werden. Inklusive Schulen haben zum Ziel, Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung das gemeinsame Lernen zu ermöglichen. Glauben Sie, dass die Regelschulen in Deutschland darauf vorberei- tet sind, Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen hinreichend in den Schulalltag zu integrieren? 72 % 89 % 78 % 75 % 78 % 18-34 Jahre 35-49 Jahre 50-64 Jahre 65+ Jahre alle Bürgerinnen und Bürger Nein! Regelschulen sind nicht darauf vorbereitet, Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen hinreichend in den Schulalltag zu integrieren. 8 AWO 16
Welche zwei der folgenden Maßnahmen finden Sie am besten geeignet, um das gemeinsame Lernen von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung an Schulen zu verbessern? (Max. 2 Nennungen möglich) 28 % finden mehr finanzielle Mittel 75 % am besten geeignet. finden eine Unterstützung der Lehrkräfte durch zusätzliches Personal mit entsprechenden Kenntnissen am besten geeignet. 26 % finden barrierefreie Schulgebäude am besten geeignet. 57 % finden kleinere Klassen am besten geeignet. Das AWO-Sozialbarometer fragt einmal im Quartal nach sozialpolitisch relevanten Themen in Deutschland. Es erfolgt in Kooperation mit dem Institut TNS Infratest. Vertiefende Informationen unter www.awo-sozialbarometer.org. Alle Angaben in Prozent. 2 16 AWO 9
Fanprojekte Die Arbeiterwohlfahrt ist Jugendhilfeträgerin von zwölf von rund sechzig sozialpäda- gogischen Fanprojekten und damit die größte Trägerin sozialpädago- gischer Fanprojektarbeit in Deutschland. Daraus ergeben sich besondere Anforderungen und Möglichkeiten und auch Herausforderungen.
AWO FANPTROJ H EMA EK T E Soziale Arbeit mit Fußballfans Angebote der offenen Kinder-und Jugendarbeit Niedrigschwelliger Zugang finden sich in vielfältiger Form und unterschied- Fanprojekte sind sozialpädagogische Angebote der Jugendhilfe im Umfeld von Fußballvereinen. Als eine besondere Form licher Schwerpunktsetzung bei vielen AWO Kreis- der »Fanbetreuung im Rahmen von Sozialarbeit« (Nationales verbänden. In Jugendtreffs, Jugendclubs oder Konzept Sport und Sicherheit, NKSS) zeichnen Fanprojekte Kinder- und Jugendzentren werden niedrig- sich durch einen niedrigschwelligen sozialpädagogischen schwellige und offene Angebote für unterschied- Zugang zu den Mitgliedern aktiver Fanszenen aus. liche Zielgruppen junger Menschen entwickelt Fanprojekte sind eigenständige Einrichtungen der Jugendhilfe, und durchgeführt. Hierbei spielen Angebote für die zur Erhöhung ihrer Wirksamkeit eng mit den kommunalen Fußball begeisterte Jugendliche im Rahmen Jugendhilfestrukturen vernetzt sind und unabhängig von den der Fußball-Fanprojektarbeit eine zunehmend jeweiligen Fußballvereinen bei einem anerkannten Träger wichtigere Rolle, um über das Medium Fußball der Jugendhilfe, der Kommune oder einem eigenen Träger- persönlichkeitsfördernde Entwicklungen in der verein eingerichtet werden. Zielgruppe sind alle Fußballfans zwischen 12 und 27 Jahren. Gruppe Gleichgesinnter anzustoßen. AUTOR Fanprojektarbeit wirkt präventiv und leistet Reflexionsarbeit mit jugendlichen Fußballanhängern. Ihr niedrigschwelliger und zugleich ganzheitlicher Handlungsansatz trägt dazu bei, das Selbstwertgefühl und die Verhaltenssicherheit von Jugend- lichen zu stärken. Ziele sind u.a. der Abbau von extremisti- schen Orientierungen, von Vorurteilen und Feindbildern und von delinquentem Verhalten. In der Fanprojektarbeit werden gewaltfreie Konfliktlösungen entwickelt und Selbstregulierungs- mechanismen der jugendlichen Fußballfans mit dem Ziel des Abbaus von Gewalt aktiviert. Die Unterstützung der jugendli- chen Fans bei der Bewältigung ihrer Lebensaufgaben und die Stärkung ihrer Persönlichkeitsentwicklung stehen im Mittel- punkt der Arbeit. Grundlagen für eine erfolgreiche Fanprojekt- arbeit sind die intensive Beziehungsarbeit zu den jungen Menschen und das hierdurch entstehende Vertrauensverhält- nis. Sie wird verstärkt durch eine sportnahe Arbeitsweise, die sich an den unterschiedlichen regionalen Strukturen und Ressourcen orientiert. Die hauptamtlichen Mitarbeitenden der Fanprojekte sind als Streetworkerinnen und Streetworker in der Lebenswelt der Jugendlichen aktiv. Dabei ist die Begleitung der jugendlichen Fußballfans zu sämtlichen Heim- und Auswärtsspielen eine wichtige Voraussetzung zum Aufbau einer belastbaren Bezie- hungsstruktur. Diese erst ermöglicht es den Fachkräften, als kontinuierliche Ansprechpartner und Vermittler den Jugend- lichen zur Seite zu stehen und Beratungs- und Konfrontations- gespräche zielgerichtet zu führen. 12 AWO 16
Lokal und doch überregional »Die Arbeiterwohlfahrt fordert die Eine Besonderheit dieser Jugendhilfeeinrichtungen ist es, Jugend- und Sozialministerkonferenz auf, dass sie, wie es auch in anderen Einrichtungen der Fall ist, in sich dem Themenfeld der Fanprojektarbeit lokalen Netzwerk- und Förderstrukturen verankert sind. Der Einsatz der Pädagogen beschränkt sich jedoch nicht auf die intensiver zuzuwenden und sie nicht der lokale Ebene. Diese sind überregional, bundesweit, zum Teil alleinigen Deutungshoheit der Innen- und auch im europäischen Kontext unterwegs und bewegen sich, Sportministerkonferenz zu überlassen.« wie es der Arbeitsauftrag ergibt, mit den Jugendlichen auf deren Reisewegen. Dort wirken sie als verlässliche Ansprech- partner, »Übersetzer«, letztendlich als Vermittler zwischen nalen Konzept Sport und Sicherheit« beschrieben sind. In den den Jugendgruppen und Erwachseneninstitutionen. Die föde- Bundesinnenministerkonferenzen ist der Umgang mit Fanver- ralen Strukturen bedingen unterschiedliche Sicherheitskon- halten und Fanreisen ein stets behandeltes Thema. Daher ist zepte, verhindern Verhaltenssicherheit und fördern Konflikt- es zu begrüßen, dass der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt felder. Zudem ist die mediale Aufmerksamkeit für Belange mit sich dem Themenfeld angenommen hat. Denn damit wird der und rund um den Fußball äußerst hoch. Junge Fußballanhänger Brückenschlag geschaffen, dass die lokal verorteten Träger stehen unter vielfältiger und stets öffentlicher Beobachtung. sich bundesweit positionieren können. Im Zusammenwirken Dies mag eine besondere Attraktivität für die stets wachsende mit dem Trägerverbund der Fanprojekte gibt der Bundesverband Ultrakultur sein, führt jedoch zugleich zu sehr starken Stigmati- entscheidende Impulse in die Politik und stellt die Gewähr- sierungen. Fanprojekte sind Jugendhilfeeinrichtungen, deren leistung von fachlichen Qualitätsstandards und die Weiterent- konzeptionelle Grundlagen, bundesweit einmalig, im »Natio- wicklung der Sozialen Arbeit mit Fußballfans sicher. Die besondere öffentliche Aufmerksamkeit für diesen Teilaspekt der Jugendhilfearbeit erhöht zudem auch die Wahrnehmung der Vielfalt an Kinder- und Jugendhilfearbeit, die die AWO bundes- weit mit hoher Professionalität umsetzt. Eine der zentralen T RÄ GE RV ERBUN D D ER AWO -FAN PR O JE K TE Anforderungen der AWO ist es, dass Jugendliche, und hier insbesondere junge Fußballanhänger, nicht vorrangig als Sicher- Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) ist die größte Trägerin von sozialpä- heitsproblem gesehen werden, sondern dass diese sowohl in dagogischen Fanprojekten in Deutschland. Derzeit sind zwölf ihren Möglichkeiten wie auch in ihrem Bedarf der Kompetenz- Projekte im Trägerverbund der AWO-Fanprojekte organisiert förderung sowie -unterstützung ernst genommen werden. (Saarbrücken, Kaiserslautern, Hoffenheim, München (FC Bayern), München (1860), Chemnitz, Braunschweig, Rostock, Kiel, Neustrelitz, Aachen und Babelsberg). Der Trägerverbund der AWO-Fanprojekte ist ein Zusammenschluss der Trägerverantwortlichen von Fanprojekten joerg.rodenbuesch@awosuedwest.de unter dem Dach der AWO. Er hat sich zum Ziel gesetzt, innerhalb Das Positionspapier der Fanprojekte finden Sie unter der AWO Strukturen dafür zu schaffen, dass ein fachlicher Austausch http://www.awo-informationsservice.org/ für Trägerverantwortliche und hauptamtliche Mitarbeitende gewährleistet wird. Ebenso sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass eine Beratung in den Phasen des Aufbaus und der Durchführung einer Trägerschaft durch die AWO für Fanprojekte qualifiziert erfolgen kann. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit werden in Abstimmung mit den jeweiligen AWO-Strukturen gesell- schaftspolitische Themen trennscharf benannt und kommuniziert. Diesbezüglich findet ein enger Austausch mit den Fachabteilungen des AWO Bundesverbandes statt. Sprecher des Verbundes sind: Jörg Rodenbüsch (AWO Südwest gGmbH) und Sven Klüsener (AWO-Sozialdienst Rostock gGmbH). 2 16 AWO 13
AWO FANPTROJ H EMA EK T E Was sind Ultras? Und wofür stehen sie? Ultras – das sind die Fans eines Fußball- folgung von Fußballfans oder auch das Die Ultras des in die Amateurliga vereins, für die Fußball mehr ist als die Engagement für soziale Projekte inner- abgerutschten 1. FC Saarbrücken schönste Nebensache der Welt. Fußball halb der eigenen Stadt. stehen in der von ihnen so bestimmt das Leben der Ultras. Die Unter- benannten »Virage Est« und stützung der eigenen Mannschaft, immer Soziales Engagement geben dadurch eine Reminiszenz und überall, ist das oberste Credo dieser Um diese Punkte zu konkretisieren, an die wechselvolle Geschichte Subkultur. So die sinngemäße Überset- möchte ich zum 1. FC Saarbrücken kom- zung der gängigen Definition der Ultras. men, dem Verein, den ich seit Kindesta- des Saarlandes. Mit ihnen im gen unterstütze. Ein Club, der von seiner Austausch zu sein, ist zentral in Widerstand gegen Kommerzialisierung ruhmreichen Vergangenheit lebt und der Jugendhilfearbeit. Hier geben Außer Acht gelassen wird, dass eine heute leider nur noch in der vierten Liga sie selbst einen Einblick in die Subkultur immer vielschichtig veranlagt rumdümpelt. Es dürfte 1996 gewesen sein, Lebenswelt der am stärksten ist, eine allgemeingültige Definition kann als mich mein Vater zum ersten Mal mit es deshalb nicht geben. Schon die in den Ludwigspark nahm. Schon früh anwachsenden jugendlichen Ursprünge der Ultrabewegung zeigen, erkannte ich, dass mein Platz in der Fan- Subkultur. dass die Verankerung von Werten und kurve sein würde. Heute bin ich seit knapp AUTOR MATHIAS MEES Idealen einen hohen Stellenwert ein- über zehn Jahren Teil der Ultrabewegung nimmt und vielseitig ausgelebt wird. An in Saarbrücken. Auch für mich spielt die den Studentenrevolten in Italien in den akustische und optische Unterstützung Fünfzigerjahren nahmen beispielsweise meines Vereins eine entscheidende Rolle. Ultras aus Turin und Genua teil, die Gleichzeitig fokussieren sich die Ultras Städte, in denen 1951 die ersten Ultra- aus Saarbrücken auch auf die Vernetzung gruppen gegründet wurden. Der Einfluss in der eigenen Stadt. Gemeinsame Veran- unserer Bewegung spiegelt sich auch staltungen mit Graffitimalern und Musi- heute noch in politischen Ereignissen kern aus der Stadt sind beispielsweise wider. Während des Arabischen Frühlings keine Seltenheit. Sammelte man in den und bei den Protesten in der Türkei vergangenen Jahren immer vor Weih- 2013 nahmen Ultras eine führende Rolle nachten Kleidung für Obdachlose, stand ein. Bedingt durch die vergleichsweise im letzten Jahr eine Sammelaktion für ruhige politische Lage hierzulande hat Flüchtlinge auf dem Programm. Soziales die Kultur der Ultras in Deutschland na- Engagement ist ein wichtiger Punkt, dem türlich keine derartigen Ausmaße. Ultras wir im Rahmen unserer Möglichkeiten einzig auf die stimmliche Unterstützung gerecht werden wollen. ihres Vereins zu reduzieren, ist aber auch in Deutschland zu kurz gegriffen. Für Frankophiler Touch Ultras spielt neben der Begeisterung für Großen Einfluss auf die Ultrabewegung die sportliche Seite und dem Auftritt der in Saarbrücken hat definitiv die Historie eigenen Fankurve auch eine Vielzahl unserer Region. Uns erfüllt insbesondere anderer Facetten eine entscheidende die autonome Zeit des Saarlandes mit Rolle. Zu nennen ist hier der Kampf Stolz, weshalb »Sarre«-Fahnen in der gegen die immer weiter vorangetriebene Kurve stark verbreitet sind. Der franko- Kommerzialisierung des Fußballs, der phile Touch, der glücklicherweise noch in Protest gegen eine übertriebene Strafver- vielen Teilen Saarbrückens zu spüren ist, 14 AWO 16
ULT R A S Ultras sind fanatische Fans einer Fuß- ballmannschaft und fühlen sich als Kern der Fanschaft. Dabei zeichnen sie sich durch ein erhöhtes Kritikverhalten und eine distanzierte sowie differenzierte Wahr- nehmung bezüglich der offiziellen und aktuell handelnden und entscheidungs- berechtigten Personen in ihrem Bezugs- verein aus. Ein wichtiges Element ihrer Selbstdefinition ist ihre »Unabhängigkeit« in ihrer Wechselbeziehung zu »ihrem« Verein. Dies zeichnet sich etwa durch eigene Fankollektionen, durch die Gestaltung eigener Fahnen, Choreografien und Lieder aus. Ultras unterstützen vorrangig ihren Verein, nicht die Spieler auf dem Rasen, die aus ihrer Sicht die Pflicht haben, ihren Verein zum Erfolg zu führen. Tun sie es, so sind sie »Fußballgötter«; tun sie es nicht, ist es ein »Söldnerpack«. Ultras definieren sich als die tatsächlichen Bewahrer des Vereins und überhöhen damit ihre Rolle in der Die Ultraszene in Saarbrücken versammelt gen Kampf gegen eine dilettantische Wichtigkeit für den Verein deutlich. Dabei sich in der »Virage Est« im Ludwigspark. Vereinsführung. »Alles für den Verein zu sind der Gruppenzusammenhalt und das Neben Gesängen und Vereinsengagement geben«, bedeutet unserer Ansicht nach Gruppenerleben von immenser Bedeutung. wird »ihr Team« mit einem bunten Fahnen- nämlich auch, Sorge dafür zu tragen, Dies geht mitunter so weit, dass sich unab- meer unterstützt. dass die Geschicke zum Wohle des Ver- hängig vom Spielgeschehen am eigenen eins geführt werden. Diesen Eindruck Tun ergötzt wird beziehungsweise Teile der spiegelt sich auch in unserem Kurven- kann man aktuell in Saarbrücken nicht Gruppierung (Vorsänger) das eigentliche namen wider: Virage Est Sarrebruck (zu dt. gewinnen. Proteste im und außerhalb Spielgeschehen nicht mitbekommen. Mit dem »Ostkurve«). Die Trikolore wird im Übrigen des Stadions und »eigene« Leute für den Auftauchen der Ultras hat sich zugleich ein auch in der Kurve geschwenkt, selbst- Aufsichtsrat aufzustellen, sind deshalb Umstand der Attraktivität und Anziehungs- verständlich, um unsere Freundschaft die Mittel, mit denen wir versuchen, kraft für neue junge Stadiongängerinnen und zu den Anhängern der AS Nancy Lorraine einen Wechsel herbeizuführen. Ausgang -gänger verändert: Sind früher die Jugendli- zu symbolisieren, aber auch, um unsere ungewiss. Aufgeben undenkbar. chen ob der Bekanntheit des Vereins oder frankophile Lebensart herauszustellen. der Spieler ins Stadion gekommen, so ist Wie sich die Ultrabewegung in den heute vermehrt das »Zu-den-Ultras-dazu- Alles für den Verein nächsten Jahren entwickeln wird, ist gehören-Wollen« die primäre Motivation, um In Zeiten einer immer weiter ausufernden schwer zu prognostizieren. Die geräusch- den Weg zum Stadion zu wählen. Die Ultra- Vermarktung des Volkssports Fußball lose Vermarktung des Fußballs ist das bewegung ist seit Jahren die am stärksten anwachsende jugendliche Subkultur. können wir groteskerweise fast noch einzige Ziel der Verbände, Ultras und glücklich sein, unterklassig zu spielen. laute Proteste passen nicht ins Bild der Eine Umwandlung unseres Vereins in Funktionäre. Inwieweit wir diese Ent- eine Gesellschaft und die Aufgabe des wicklung des Sports noch mit unseren traditionellen eingetragenen Vereins (e.V.) Idealen vereinen können, wird die exis- ging bisher an uns vorbei. Trotzdem befin- tenzielle Frage für die Ultrabewegung den wir uns seit Jahren in einem steti- in den nächsten Jahren sein. 2 16 AWO 15
AWO FANPTROJ H EMA EK T E Der Stadion- AWO I NT E RVI E W besuch ist sicher Thomas Schneider, Leiter Fanangelegenheiten der DFL, ist ein ausgewiesener Kenner der Arbeit für und mit Fußballfans. Ein Interview zu Stadionsicherheit, Gewalt im Fußball und der Bedeutung sozialpädagogischer Jugendarbeit im Fußball. INTERVIEW ßA Herr Schneider, Fußball hat inzwischen eine riesige machen will, dann kriege ich die im Moment bei Bedeutung für beinahe alle Bereiche von Staat, PEGIDA-Versammlungen am Montagabend in Wirtschaft und Gesellschaft. Was sind die Gründe? Dresden, aber viel wahrscheinlicher, wenn ich am SCHNEIDER Das hat zum einen natürlich mit der Rande oder bei einem Fußballspiel etwas veran- Präsentation des Fußballs als wahnsinniger Event stalte. Es gibt viele Journalisten, die vor Ort sind zu tun; quasi mit Versatzstücken von Populärkultur. und dann den Eindruck mitnehmen und darüber Von großer Bedeutung sind sicher auch die Bedeu- entsprechend berichten. Jedes Pyrogefackel, jede tung des Mediums Fernsehen und die enormen Leuchtspurmunition, die abgeschossen wird, ist Summen, die für die Übertragungsrechte an die definitiv in der Zeitung, auch just in time. Das ist Bundesligisten fließen. Zudem hat sich vieles im ein gewaltiger Unterschied; es ist eine große Auf- Stadion und im Umfeld gewandelt, sodass wir auch merksamkeit da. ein ganz anderes Publikum bekommen haben. Es gibt schlicht eine andere Publikumsstruktur. Welche Rolle spielen Fanangelegenheiten bei der DFL? SCHNEIDER Für Fanangelegenheiten gibt es inzwi- Das Stadion ist tatsächlich ein Spiegelbild der schen eine sechsköpfige Abteilung. Wir kümmern aktuellen Gesellschaft geworden, insbesondere uns generell darum, dass jeder Interessierte einen auch mit einem hohen Anteil junger Menschen. guten Stadionbesuch haben kann. Im Mittelpunkt In England etwa sind die Dauerkartenpreise so unserer Anstrengungen steht die Arbeit mit Fanbe- exorbitant hoch, dass ein Vater seinen Sohn nicht auftragten und den sozialpädagogischen Fanpro- mehr mit ins Stadion nehmen kann. Insgesamt jekten an den Bundesligastandorten. Wir haben seit kann man heute, würde ich behaupten, so ent- ein paar Jahren die Hauptamtlichkeit der Fanbetreu- spannt zum Stadion gehen wie niemals zuvor. ung in den Klubs vorgeschrieben. Die Qualifikation Anders etwa als zu Hochzeiten des Hooliganismus in der Leute ist dabei ebenso unser Job. den 1980er-Jahren. Fanbeauftragter ist aber etwas anderes als Fanpro- »Wir kümmern uns generell darum, jekte, oder? SCHNEIDER Ja, aber es sind zwei Seiten derselben dass jeder Interessierte einen guten Medaille. Im Nationalen Konzept Sport und Sicher- Stadionbesuch haben kann.« heit (NKSS) waren Fanbeauftragte vorgeschrieben als Fanbetreuung der Klubs. Mehr aber auch nicht. Warum gibt es dann trotzdem immer wieder den Die DFL hat gesagt, dass es einer zeitgemäßen und Zusammenhang zwischen Fußball und Gewalt oder professionellen Fanarbeit der Klubs bedarf. Deshalb auch Fußball und Rechtsextremismus? haben wir 2011 den ersten Hauptamtlichen und SCHNEIDER Das ganze mediale Spektakel um ein für die Bundesligisten 2013 den zweiten Hauptamt- Spiel herum ist immens. Es hat ja teilweise boulevar- lichen als Vollzeitstelle vorgeschrieben. In der 2. Liga deske Züge angenommen. Und wenn etwas populär ist es momentan noch der eine Vollzeithauptamt- ist, bietet es immer auch eine gute Plattform. liche, aber wir überlegen bereits über die nächsten Sprich, wenn ich als rechte Gruppierung Schlagzeilen Schritte. Die Vereine mögen zunächst gestöhnt 16 AWO 16
»Wir können von Glück reden, dass wir mit der AWO eine Trägerin von vielen Fanprojekten haben, inzwischen geht der Trend jedoch in die haben, sodass eine Botschaft von uns sehr viel Richtung, sich – wie in der DFL – eine ganze Abtei- schneller nach unten durchdringen und entsprechend lung für Fanangelegenheiten einzurichten. Man hat erkannt: Fanarbeit bringt dem Fußball etwas, schneller umgesetzt werden kann.« sowohl als Kundenpflege wie auch als Möglichkeit, sich in der Gesellschaft stärker zu verankern. selbst das Durchschnittseinkommen liegt nur etwa 300 Euro auseinander. Kurzum: Es hat sich Welche Rolle sehen Sie da bei den Fanprojekten jetzt? ein kleiner soziodemografischer Wandel in der SCHNEIDER Eine wichtige. Aber hier brauchen wir Fankurve ereignet, und wir müssen unsere Ange- neue Ansätze. Wir sind gerade dabei – gemeinsam bote, unsere Arbeit darauf abstellen. Ebenso haben mit der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) das Internet und die sozialen Medien eine enorme und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanpro- Bedeutung gewonnen – sowohl für die Fanarbeit jekte –, das Arbeitsfeld neu aufzustellen; um eine der Vereine als auch die Fanarbeit der sozialpäda- zeitgemäße Auffassung von Arbeitsfeldern zu ent- gogischen Fanprojekte. wickeln. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Was heißt das, zeitgemäße Auffassung? »Pool zur Förderung innovativer Fußball- und SCHNEIDER Die Fanszene hat sich gewandelt. Darauf Fankultur« (PFiFF)? müssen wir reagieren. Es sind doppelt so viele SCHNEIDER PFiFF soll Netzwerkgründungen organi- Jugendliche geworden; es sind andere Jugendliche sieren. Wir sehen große Probleme, dass die kom- als früher. Waren sie früher zumeist überwiegend munalen Netzwerke von Jugend- und Sozialarbeit von proletarischer Herkunft, haben wir gegenwär- oftmals nur neidisch zum Fanprojekt blicken oder tig das bildungsnaheste Fußballjugendpublikum dessen Arbeit gar nicht kennen. Deshalb haben aller Zeiten. Wir haben einen ganz anderen Anteil wir gesagt, gründet Netzwerke, lasst euch Ideen von Akademikern in der Fankurve, die dort auch abseits des Mainstreams der Arbeit einfallen, und tonangebend sind. Das ist ein deutlicher Unter- dann fördern wir das. 500.000 Euro fließen dafür schied zu dem, was wir in den 1980er- und 1990er- jedes Jahr. Jahren als Hooliganmilieu ausgemacht hatten. In unserer letzten Untersuchung konnten wir feststel- Wie wichtig ist die AWO als große Fanprojekteträgerin len, dass das Kurvenpublikum sich von der Gegen- im skizzierten Kontext? gerade mit Sitzplatz kaum noch unterscheidet; SCHNEIDER Das ist enorm wichtig. Ich glaube, alle Beteiligten sind froh und dankbar, dass es die AWO gewesen ist, die für gewisse Standards gesorgt hat und weiter sorgt. THOMAS SCHNEIDER Thomas Schneider ist Dipl.Pädagoge und Zum Beispiel? seit August 2006 Leiter Fanangelegenhei- SCHNEIDER Dass etwa die Leute für eine sehr ten der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH. schwierige Arbeit nicht unter Tarif bezahlt werden Von 1993 bis 2006 war er Leiter der und entsprechende Feiertags- und sonstige Koordinationsstelle Fanprojekte bei der Zuschläge einfach erhalten. Da haben wir – auch Deutschen Sportjugend, Mitglied im dank der AWO – klare Bedingungen. Ebenso können Nationalen Ausschuss Sport und Sicher- wir von Glück reden, dass wir mit der AWO eine heit sowie in zahlreichen nationalen Trägerin von vielen Fanprojekten haben, sodass und internationalen Gremien mit eine Botschaft von uns sehr viel schneller nach Bezug zum Thema Jugend, Gewalt unten durchdringen und entsprechend schneller und Fußball. umgesetzt werden kann. thomas.schneider@bundesliga.de 2 16 AWO 17
AWO FANPTROJ H EMA EK T E Pädagogik, die Spaß macht Die klassischen Angebote der Fanprojektarbeit gehen weit über den Spieltag hinaus: Besondere Aktivitäten sind in München zum einen erlebnispädagogische Angebote, wie etwa Rafting, sowie zum anderen bildungspolitische Veranstaltungen, die den Fans zur Nutzung und Teilnahme zur Verfügung stehen. AUTOR Rafting auf der Isar Aufgrund der kontinuierlichen Anfra- Rafting ist eine Wassersportart, bei der gen an das Fanprojekt München sind mit einem Schlauchboot ein Fluss oder mittlerweile drei Mitarbeitende durch See befahren wird. Die Isar, die an eini- einen sogenannten Bootsleiterlehrgang gen Stellen als Wildwassergebiet zählt, dazu befähigt, die Touren anzubieten. bietet sich für diese Outdoor-Aktivität Inhalte des Lehrganges sind die Vor- besonders gut an. Aufgrund der notwen- bereitung, Planung und Durchführung digen Zusammenarbeit als Team in einer Bootstour unter Aufsicht, der einem Boot sowie der körperlichen Selbst- Erwerb von Kenntnissen zu Wasserkunde »Ziel dieser Veranstaltungen erfahrung ist Rafting besonders gut und Sicherheit im Umgang mit Schlauch- ist es, jugendliche Fußballfans geeignet als erlebnispädagogisches booten sowie die Erprobung unterschied- aus ganz Deutschland für Angebot. Hinzu kommen Wasserschlach- licher Fahrtechniken. die Themen ›Rassismus‹, ten, Wildwasserschwimmen und ver- ›Diskriminierung‹ und ›Antise- schiedene Kooperationsübungen, sodass Letztes Jahr waren wir zum Beispiel ein- auch der gemeinsame Spaß nicht zu mal mit ca. 20 Jugendlichen der Bayern- mitismus‹ zu sensibilisieren. kurz kommt. München-Fanszene auf der Isar unter- Die Jugendlichen sollen lernen, wegs. Die Anreise erfolgte in diesem Fall wie wichtig es ist, für Frieden, Die übliche Strecke des Fanprojekts um 9 Uhr ab München mit einem Zug Freiheit und Demokratie auf der Isar führt von Lenggries über der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) einzustehen.« die berühmte »Burg« nach Bad Tölz. Die zum Bahnhof Lenggries, von wo aus es Touren werden sowohl mit Jugendlichen mit einem anschließenden kurzen Fuß- der Fanszenen unserer Bezugsvereine marsch zur Einstiegsstelle an der Isar findet an einer anderen Wildwasserstelle TSV 1860 München und FC Bayern ging. Hier wurde der jeweiligen Körper- meistens eine schwimmende Durch- München als auch mit Gruppen von größe entsprechend das Material an die querung der Isar statt. Die Fahrt dauerte auswärtigen Fanprojekten sowie Jugend- Fans verteilt. Nach einer kurzen Unter- ca. vier Stunden, und nach dem Auf- hilfeeinrichtungen des Netzwerkes weisung in Wildwasserschwimmen wurde räumen und Verstauen des gesamten durchgeführt. Das Equipment für diese schließlich in zwei Raftingbooten Rich- Materials an der Anlegestelle in Bad Fahrten, also Neoprenanzüge und tung Bad Tölz losgepaddelt. Highlight Tölz wurden die körperlichen Kräfte in -schuhe, Helme, Rettungswesten und dieser Fahrten ist zum einen immer die einer Bad Tölzer Gaststätte aufgefrischt. vor allem die Raftingboote, wird in der Durchquerung der sogenannten »Burg«, Anschließend wurde die Heimfahrt Regel über die erlebnispädagogische welche bei entsprechendem Wasser- zurück nach München mit der BOB Einrichtung »Tchaka« des KJR München stand richtige und hohe Wildwasser- angetreten, wo der Ausflug um 18 Uhr Stadt bezogen. walzen/-wellen aufweist. Zum anderen sein Ende fand. 18 AWO 16
Mit dem Schlauchboot auf der Isar (Bild links). Ein erlebnispädagogisches Angebot, das die Persönlichkeitsent- wicklung von Jugendlichen stützt und fördert. Ein Besuch mit einem kostenlos geführten Rundgang durch die KZ-Gedenkstätte Dachau (Bild unten). Die Fans setzen damit ein wichtiges Signal, dass rassistisches und antisemiti- sches Verhalten keinen Platz auf unseren Fußballplätzen und im Stadion hat. KZ-Gedenkstätte Dachau Aufgrund der vielen Anfragen an die Als besonderes bildungspolitisches wenigen noch lebenden Überlebenden Angebot können wir in Zusammenarbeit ist dies jedoch nicht immer möglich. mit der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau vor allem Ziel dieser Angebote ist es, bestehende für auswärtige Fanprojekte Führungen Kontakte aufrechtzuerhalten, neue Leute in der Gedenkstätte anbieten. Ziel dieser kennenzulernen, einen Austausch zu Veranstaltungen ist es, jugendliche Fuß- fördern und das niedrigschwellige Ange- ballfans aus ganz Deutschland für die bot so zu gestalten, dass möglichst viele Themen »Rassismus«, »Diskriminierung« unterschiedliche Personen aus den jewei- und »Antisemitismus« zu sensibilisie- ligen Fanszenen angesprochen werden. ren. Die Jugendlichen sollen lernen, wie Dies führt zudem dazu, dass der Bekannt- wichtig es ist, für Frieden, Freiheit und heitsgrad des Fanprojekts und seiner Demokratie einzustehen. Unsere Tour- Angebote gesteigert wird. Daneben sollen guides stellen dabei meistens einen die Jugendlichen auch für Projekte und Bezug zu dem jeweiligen Verein der Aktivitäten begeistert werden, die abseits jugendlichen Teilnehmenden her, um vom Spieltag stattfinden. Die Angebote die meist geschichtslastigen Informatio- werden finanziell immer durch das Fan- nen zu ergänzen und die Schilderungen projekt München unterstützt, sodass gleichzeitig begreifbarer zu machen. In die Teilnahme für alle Jugendlichen manchen Fällen gelingt es zudem, ein möglich ist. Gespräch mit einem Zeitzeugen zu orga- nisieren, welcher über die schrecklichen Erlebnisse und Ereignisse aus einer per- fanprojektmuenchen@awo-muenchen.de sönlichen Perspektive berichten kann. 2 16 AWO 19
AWO FANPTROJ H EMA EK T E Fan Gerhard Stoll (rechts) verfolgt dank Blindenreporter Björn Naß (links) ein Fußballspiel. Hören, wie Pizarro trifft. AUTORIN Am Samstag ist das Wochenende in ein in Europa einzigartiges Kompetenz- weiteres Merkmal der Reportage, um vollem Gange und die Bundesliga bittet zentrum für Sehbehinderten- und Blin- das Spieltempo abzubilden. zum Spieltag. Hunderttausende strömen denreportage (ZSBR) gegründet. Das in die Arenen der ganzen Republik, um Zentrum dient den Vereinen, Verbänden, Die Nutzung der Blindenreportage die Spiele zu sehen. Reportern und Fans als Anlaufstation erfreut sich großer Beliebtheit. Über 250 für all ihre Fragen rund um die Blinden- blinde bzw. sehgeschädigte Menschen Aber nicht alle »Zuschauer« können reportage. besuchen Woche für Woche die Spiele wirklich zuschauen, denn sie sind blind ihrer »Lieblingsmannschaft« und können oder sehbehindert. Häufig wird die Frage Eines der Ziele des Zentrums ist, dass mit Unterstützung der ehrenamtlichen gestellt, wieso blinde oder sehbehinderte die Reporter zukünftig nach einheitlichen Reporter die ganze Palette an Emotionen Menschen ins Stadion gehen. Die Ant- Standards ausgebildet werden sollen. erleben. Kurzum – diese Besucher unter- wort ist ganz einfach: »Wegen der Atmos- Denn anders als bei einer Radioübertra- scheidet fast nichts vom sehenden Fuß- phäre, der anderen Fans und der Stadion- gung beschreiben die Reporter nicht nur ballfan im Stadion. wurst mit Bier.« Diese Fans möchten Teil die packenden Spielszenen, sondern den des Ganzen sein und ihre Freizeit mit kompletten Spielverlauf, sodass blinde Dieser Service soll zukünftig allen der »schönsten Nebensache der Welt« und sehbehinderte Fans die Begegnung Fußballfans angeboten werden, welche verbringen. besser einschätzen und verfolgen können. nicht ins Stadion kommen können. Es wird sehr viel beschrieben und mög- Von ausgewählten Spielen wird es auf Damit diese Fans bei Fußballspielen lichst wenig kommentiert. So wird mit- www.fussball-blinden-reportage.de live mitfiebern können, engagieren sich tels neutraler Beschreibung jeder Pass online abrufbare Blindenreportagen in vielen Clubs der ersten und zweiten abgebildet. Das bedeutet, dass selbst die geben. Dieser Service ist kostenfrei und Bundesliga rund 100 ehrenamtliche Blin- »langweiligsten« Pässe über mehrere nicht nur für blinde und sehbehinderte denreporter. Um diese Ehrenamtlichen Minuten geschildert werden, um somit Menschen ein Gewinn. auszubilden und flächendeckend weiter den blinden und sehbehinderten Fans zu qualifizieren, hat die Arbeiterwohl- die Möglichkeit zu geben, auf »Ballhöhe« fahrt zusammen mit der Aktion Mensch zu bleiben. Das Sprechtempo und die bjoern.nass@awo.org und der Deutschen Fußball Liga (DFL) Modulation der Stimme sind hier ein 20 AWO 16
Brücken- und D R EI Scharnierfunktion F R AG EN Ein Interview mit Andreas Klose über professionalisiert. Hier öffnet sich für Fanprojekte die Soziale Arbeit mit Fußballfans. die Chance, sich als Einrichtungen der kommunalen INTERVIEW Jugendarbeit zu profilieren, um damit auch ein innovativer Teil kommunaler Netzwerke von Kinder- und Jugendarbeit zu werden. 1 Wofür steht Soziale Arbeit mit Fußballfans? 3 Welche Rolle kommt den Trägern und hier Die Geschichte der Sozialen Arbeit mit Fußballfans insbesondere der AWO zu? ist unmittelbar verbunden mit der Entwicklung der Grundsätzlich benötigen die Praktiker der Fanprojekt- Fanprojekte. Von der Gründung des ersten Fanprojek- arbeit starke Träger, die ihnen »den Rücken frei tes in Bremen (1981) bis zur heutigen Zeit liegt eine halten«, ihnen in schwierigen Situationen beistehen, lange Wegstrecke, in der die Fanprojekte ihre spezi- insbesondere dann, wenn Fanprojekte sich kritisch fischen Handlungsansätze im Feld stets weiterentwi- gegenüber dem Umgang von Erwachseneninstitutio- ckelten. Auf der Grundlage eines lebensweltorien- nen mit jugendlichen Fans äußern. Eine lebenswelt- tierten Ansatzes leisten Fanprojekte im weitesten orientierte Arbeit mit dem Ansatz einer kritischen Sinne eine aufsuchende Jugend- und Jugendsozial- Parteilichkeit für die eigene Zielgruppe wird immer arbeit und bilden eine Brücken- und Scharnierfunk- wieder »anecken« und sich damit im Diskurs posi- tion zwischen Fans und Erwachseneninstitutionen. tionieren. Fanprojekte übernehmen Beratungs-, Begleitungs- Die Träger müssen zudem der Entwicklung im Feld und Vermittlungsaufgaben. Die Stadien, der Fußball gerecht werden und den Mitarbeitenden entspre- sind dabei »nur« wiederkehrende Orte zur Kontakt- chende Qualifizierungen ermöglichen. Fanarbeit ist aufnahme und -stabilisierung, die grundlegende verbunden mit spezifischen Feldzugängen, gekoppelt Beziehungsarbeit findet innerhalb der Woche statt. an schwierige methodische Settings vor Ort und muss systematisch gelernt und weiterentwickelt werden. Der AWO, als größter Einzelträgerin von Fanprojek- 2 Vor welchen Anforderungen stehen Fanprojekte ten, kommt dabei sicherlich eine besondere Bedeu- in den kommenden Jahren? tung zu: sowohl im Sinne einer Vorbildfunktion für Fanprojekte werden sich in den nächsten Jahren andere Träger als auch im Sinne einer »Lokomotive«, mindestens zwei großen Herausforderungen stellen die den »Zug der Fanprojekte« in einem entscheiden- müssen. Mit der Einführung des Nationalen Kon- den Maße zukunftsträchtig voranbringen kann, zeptes Sport und Sicherheit (NKSS) 1991 und dessen indem sie genau auf den Bereich der Qualifizierung Reform (2012) fand sich die Fanprojektarbeit in einem der Fachkräfte und eine Orientierung der Ausrich- ordnungspolitischen Kontrolldiskurs wieder, der tung von Fanprojekten auf die kommunale einerseits der finanziellen Grundausstattung von Jugendhilfe achtet. Fanprojekten förderlich war, andererseits jedoch dem lebensweltorientierten, parteilichen Handlungsan- satz gegenüberstand. Dieser Spagat zwischen Hilfe A N D R E A S KLOS E und Kontrolle wird auch in Zukunft die Arbeit der Fanprojekte stark beeinflussen. Der Erfolg der Fan- Andreas Klose, Soziologe, Lehrender an projekte wird davon abhängen, inwieweit es gelingt, der FH Potsdam. U.a. Gründer des Berliner das sozialpädagogische Profil der Fanarbeit heraus- Fanprojektes (1985), langj. Sprecher BAG zuarbeiten und nicht zu einem bloßen sozialen Fanprojekte (bis 1994), Initiator und Mit- »Feigenblatt« zu werden. arbeiter von Forschungsarbeiten (aktuell Die zweite Herausforderung besteht im Umgang im Rahmen der Dt. Fußballfan-Studie mit der Fanarbeit der Vereine, die sich in einem »Gemeinsame Prävention im Netzwerk von der Ersten bis zur Dritten Liga« (2016)). enormen Tempo durch hauptamtliche Fanbetreuer 2 16 AWO 21
AWO AUßE N A NS I CH T Fankurven sind keine Orte rassistischer Ausgrenzung! CH RI S TO P H RUF Christoph Ruf über Ultras, deren elitären Dünkel, Freier Journalist, u.a. Spiegel, Spiegel Online, SZ, taz, und ihren Verdienst und ihre Möglichkeiten. Autor u.a. der Bücher »Was ist AUTOR links?« und »Kurvenrebellen«. Ultras gibt es in Deutschland seit gut 20 Jahren – und trotzdem werden über sie noch häufig unbedarfte Fragen gestellt, als ginge es um eine bizarre Pop-Band, die von heute auf morgen die internationalen Charts erobert hat. Und das, wo dort doch gerade erst die Hooligan-Szene (»Hooligans gegen Salafisten«) unter- Beatles triumphiert haben ... nommenen Versuchen, eine deutschnationale und xeno- Allerdings kann man den Ultras dabei nicht den Vor- phobe Stimmung in den Kurven zu implementieren. wurf ersparen, dass sie mit ihrem Tunnelblick, ihrem Doch diese Zeiten sind vorbei. Und das vor allem dank elitären Dünkel und ihrer Geheimnistuerei auch selbst der Ultras, die ein wenig mehr Respekt verdient hätten, schuld sind an all den Missverständnissen und all den weil die Fankurven auch dank ihnen keine Orte rassis- Negativurteilen, die über sie kursieren. Auch deshalb tischer Ausgrenzung mehr sind. Umso dankbarer muss können sie von Polizei und Justiz zuweilen deutlich man den Fanprojekten sein, in denen die Ultras als schlechter behandelt werden als andere Bürger, ohne junge Menschen gesehen werden, die häufig ein ganz dass das einen Aufschrei der liberalen bürgerlichen anderes Potenzial haben als viele ihrer Altersgenossen. Gesellschaft hervorrufen würde. Bei der sorgt man Die Arbeiterwohlfahrt, als die Trägerin mit den meisten dafür interessanterweise bereits für Aha-Erlebnisse, Fanprojektstandorten, hat dabei als fachliches »Sprach- wenn man berichtet, dass Ultragruppen viele gute Wer- rohr« eine bedeutende Funktion. ke tun. Dass sie für Obdachlose sammeln, für Kinder- Der englischen Premier League hat ein neuer TV-Vertrag heime. Oder für Flüchtlinge. schier unerschöpfliche Finanzmittel beschert, in einer Bizarrerweise ist es gerade der letztgenannte Punkt, globalisierten Welt wird das schon bald Auswirkungen der immer wieder für Nachfragen sorgt. Denn dass auf den hiesigen Fußball haben, der schon jetzt vor besonders fanatische Fußballanhänger auch rechtsra- einer entscheidenden Frage steht: Soll der Fußball als dikal sein müssen, scheint offenbar vielen Menschen Volkssport erhalten bleiben oder wird er zum elitären ein logischer Zirkelschluss zu sein. In Wahrheit ist das Vergnügen für Begüterte? Es gibt ein paar Tausend Gegenteil der Fall. Der Anteil rechtsoffener oder gar junge Menschen, die in dieser Frage eine klare Meinung neonazistischer Einstellungsmuster dürfte bei den haben und ihre Kampagnenfähigkeit unter dem Motto Ultras deutlich unter dem im Bevölkerungsdurch- »Gegen den modernen Fußball« seit vielen Jahren schnitt liegen. Erfreulicherweise haben sich die Ultras unter Beweis gestellt haben. sogar völlig immun gezeigt gegenüber den von der Wenn die Ultras aus ihren Szene-Biotopen rauskämen und sich einmal wirklich vernetzten, hätten sie das Zeug zu einem echten Machtfaktor. Weil sie diesmal etwas ver- fechten würden, was fast alle Fußballfans richtig finden. I M NÄCH STE N HE F T Daran, ob die Ultras das als Chance oder als Bedrohung sehen, könnte sich entscheiden, ob es in Deutschland Sucht ist eine Krankheit. bald wie in der Premier League zugeht. Dort kostet das billigste Ticket vielerorts schon 100 Euro. Informationen, Hilfs- und Beratungsangebote rund um diese vielschichtige Krankheit. 22 AWO 16
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