Geschichten für die Zukunft - BUGA 2029
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Die Mitglieder der ZIRP: AOK Rheinland-Pfalz/ Saarland • Architektenkammer Rheinland-Pfalz • AREND Prozess- automation GmbH • Barmherzige Brüder Trier gGmbH • BASF SE • Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd e.V. • Bauwirtschaft Rheinland- Pfalz e.V. • Bernd Hummel Holding GmbH • Bitburger Braugruppe GmbH • Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG • Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Rheinland-Pfalz- Saarland • Caritasverband für die Diözese Speyer e.V. • Continental Teves AG & Co. oHG • DB Cargo AG • Debeka Versicherungsgruppe • Deutsche Bank AG • Deutsche Bundesbank, Hauptverwaltung in Rheinland-Pfalz und dem Saarland • Deutsche Fertighausholding AG • Deutsche Telekom AG • Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaf- ten Speyer • DGB Rheinland-Pfalz/Saarland • Digital Devotion Group GmbH • Duale Hochschule Rheinland-Pfalz • Eckes-Granini Deutschland GmbH • ECREF European Center for Refractories gGmbH • Empolis Information Management GmbH • ENTEGA PLUS GmbH • Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz e.V. • Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungs- gesellschaft • Evangelische Kirche der Pfalz • Fachingen Heil- und Mineralbrunnen GmbH • Gerolsteiner Brunnen GmbH & Geschichten Co. KG • Gienanth GmbH • Globus SB-Warenhaus Holding GmbH & Co. KG • Handwerkskammern Rheinland-Pfalz • Heberger GmbH • Hochschule Kaiserslautern • Hochschule Koblenz • Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft für die Zukunft Ludwigshafen • Hochschule Mainz • Hochschule Trier • Hochschule Worms • IKK Südwest • Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz • Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) • ITK Engineering GmbH • iTSM Consulting GmbH • Johannes Gutenberg-Universität Mainz • Joseph Vögele AG • juwi AG • Karl Gemünden GmbH & Co. KG • Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz • Kassenzahnärzt- liche Vereinigung Rheinland-Pfalz • Katholische Hochschule Mainz • KPMG AG Wirtschaftsprü- fungsgesellschaft • KSB AG • Landesärztekammer Rheinland-Pfalz • Landesbank Baden-Würt- temberg • Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz • Landkreistag Rheinland-Pfalz • LOTTO Rheinland-Pfalz GmbH • LÖWEN ENTERTAINMENT GmbH • L∙Q∙M Marktforschung GmbH • Mainzer Stadtwerke AG • Michelin Reifenwerke AG & Co. KGaA • Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau • PFAFF Industriesysteme und Maschinen GmbH • Pfalzwerke AG • Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar • Pricewaterhouse-Coopers GmbH • Provinzial Rheinland Versicherungen • RPR.1 • SCHOTT AG • Schuler Service GmbH & Co. KG • SIMONA AG • Sparkassenverband Rheiland-Pfalz • Staats- kanzlei des Landes Rheinland-Pfalz • Städtetag Rheinland-Pfalz • Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz • SWR – Südwestrund- funk • Techniker Krankenkasse • Technische Hochschule Bingen • Technische Universität Kaiserslautern • Technologie-Initiative SmartFactoryKL e.V. • Thinking Circular, Sustainability and Circu- lar Economy Consulting • Transdev SE & Co. KG • TÜV Pfalz GmbH • TÜV Rheinland-Berlin-Brandenburg-Pfalz e.V. • Universität Koblenz-Landau • Universität Trier • Vereinigte VR Bank Kur- und Rheinpfalz eG • vero – Verband der Bau- und Rohstoffindustrie e.V. • Villa Musica Rheinland-Pfalz • Westenergie AG • WHU – Otto Beisheim School of Management • Wilhelm Faber GmbH • ZDF – Zweites Deutsches Fernsehen (Stand: Juni 2021)
Eine Kooperation von: Zukunftsinitiative Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz Netzwerk, Impulsgeber, Standortinitiative Die Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (ZIRP) e. V. ist das Die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz e. V. (EA) wurde Netzwerk aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur in im Jahre 2003 vom Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz. Wir stärken das Land als internationalen Rheinland-Pfalz und der Technischen Universität Kaisers- Wirtschaftsstandort, attraktiven Ort zum Leben und Arbei- lautern gegründet. Die Mitglieder arbeiten in Wissenschaft, ten und als lebendigen Ort europäischer Kultur. Wir fördern Verwaltung, Landes- und Kommunalpolitik oder in der Pla- den Dialog unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen nungspraxis. Die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz e. V. und geben Impulse für zukunftsweisende Themen und Pro- befasst sich mit den Wirkungen von gesellschaftlichen, jekte. technologischen oder wirtschaftlichen Veränderungen auf Kommunen. Die ZIRP besteht seit 1992. Unsere Arbeit wird ermöglicht durch einen Trägerverein: Rund 95 Persönlichkeiten, Unter- Sie arbeitet mit zahlreichen Partnern aus Verwaltungen, For- nehmen und Institutionen aus Wirtschaft, Politik, Wissen- schung, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Zu schaft, Kultur und Kirche tragen diese bundesweit einmali- ihren wichtigsten Zielen gehören praktische, übertragbare ge Form der öffentlich-privaten Zusammenarbeit. Lösungsansätze: Die neuen Lösungsansätze sollen innova- tiv und finanziell für Kommunen in Eigenregie umsetzbar Unseren Mitgliedern liegt die Zukunft des Landes Rhein- sein und in bestehenden Strukturen funktionieren. land-Pfalz besonders am Herzen. Sie setzen auf ein ge- meinsames, langfristig orientiertes Handeln in den Kernfra- Aus den theoretischen Überlegungen und den Erkenntnis- gen der wirtschaftlichen Entwicklung und bringen sich mit sen der praktischen Modellprojekte entwickelt die EA über- ihren Erfahrungen und ihrer Expertise in die Denkfabrik tragbare, d. h. ortsunabhängige und für andere nutzbare, ZIRP ein. Handlungsempfehlungen, u. a. für Kommunen oder die Landesverwaltung. Diese Publikation wird ermöglicht durch unsere Mitglieder. 2 Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz 3
Generaldirektion Kulturelles Unser Begriff von Erbe Rheinland-Pfalz Kulturregion Viele landeseigene Kulturgüter in Rheinland-Pfalz werden Kulturregion wird von den Projektpartnern verstanden als durch die Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) betreut. die Gesamtheit regionaler Identifikationsfaktoren, mit dem Unter dem Dach der GDKE finden sich neben der Direktion materiellen und immateriellen kulturellen Erbe als Basis, Burgen, Schlösser, Altertümer auch die drei bedeutenden mit Einflüssen und Akteuren aus Gesellschaft, Wirtschaft, Landesmuseen in Koblenz, Mainz und Trier sowie die Direk- Medien, Kultur, Politik und Verwaltung, ihren gemeinsamen tionen Landesdenkmalpflege und Landesarchäologie. Da- Zukunftsvorstellungen und der -gestaltung. zu gehören auch das Zentrum der Antike in Trier und das Kulturzentrum Festung Ehrenbreitstein in Koblenz. Zahlrei- che Ausstellungen, Veranstaltungen und Vermittlungsange- bote der GDKE machen Geschichte lebendig. Im Vorder- grund steht dabei immer das Ziel, allen interessierten Bürgerinnen und Bürger sowie den Besucherinnen und Be- suchern aus aller Welt das große kulturelle Erbe des Landes zu öffnen und erlebbar zu machen. 4 Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz 5
Inhalt Inhalt 8 Grußwort Profil und Narrativ Regionale Vernetzung und Finanzierung und Förderung Kultur als Bewegerin Die Modellregionen: Heike Arend/ Organisation regionaler Kultur Oberes Mittelrheintal und Rainer Zeimentz/ Rheinhessen Dr. Heike Otto 33 Mittelrheiner entdecken 47 Kultur als lernendes System 67 Kultur-Mehr-Wert 89 Kultur ist nicht die Kür 112 Kulturregion Oberes Mittel- 10 Editorial sich neu Roderick Haas Bartel Meyer Harald Pitzer rheintal. Kulturelle Identität Heike Arend Berthold Stückle als Generationenprojekt Geschäftsführerin der ZIRP 48 Über das Netzwerk zur 68 Regionale Kulturförderung 90 Sag’s deinen Freunden Andreas Jöckel 34 REGIOBRANDING – KREATIVVITTI in Rheinland-Pfalz Jasmin Koch 13 Sehnsucht nach Berührung Werte-Check für die Heimat Dr. Swantje Grotheer/ Volker Gallé 115 Netzwerkanalyse der Kultur und Reflexion Birgit Böhm Dr. Kirsten Mangels/ 93 Genuss mit allen Sinnen im Oberen Mittelrheintal Im Gespräch mit Mark D. Schlick 71 Kultur ohne Grenze Rudolf Felgner Univ.-Prof. Dr. habil. Dr. Patrick S. Föhl 38 Kultur als Gemeingut. Dieter Müller Gabi Troeger-Weiß Plädoyer für einen neuen 51 Postulat und Programm der 96 Gestaltungswille, Mut, 16 Was uns zusammen- Ansatz Partnerschaft 74 Heimat der Wander- Entschlossenheit 121 Gemeinsam Heimat schmiedet Davide Brocchi Robert Montoto musikanten Dorine Wolf gestalten Antje Hinz Im Gespräch mit Frank Puchtler 41 „Wir sind Rheinhessen.“ 54 Organisation und Landrat Ralf Leßmeister/ 100 Skulpturen für das 20 Kakteenzucht im Zugänge zu regionalen Eigeninitiative in der Landrat Otto Rubly Wir-Gefühl 123 Kulturregion Rheinhessen: ländlichen Raum Narrativen über Oral History Kulturregion Westpfalz Im Gespräch mit Botschafter des guten Prof. Dr. Oliver Scheytt Dr. Sarah Scholl-Schneider Im Gespräch mit 77 Attraktiv, alternativ Carlo Schuff/ Geschmacks Dr. Hans-Günther Clev/ und anders Simon Geib Tamina Müller/ 25 TRAFO: Neue Wege Dr. Christoph Dammann Dr. Karin Drda-Kühn Lina Stroh regionaler Kulturarbeit 103 Verantwortung und Harriet Völker 58 Die Seele der Marke 81 Miteinander erleben, Verständigung 125 Horsch emmo: Landrätin Dorothea Schäfer gestalten, sprechen Rainald Kauer Trullo on Tour Staatssekretär Bernadette B. Boos/ 62 Virtuelle Hausgemeinschaft Prof. Dr. Jürgen Hardeck 106 Gestern und heute aus Tobias Boos der Kultur einem Guss Dr. Margit Theis-Scholz 84 Digital und zukunftsfähig Steffi Zurmühlen 128 Vielfalt als Herausforderung Christian Kleinhanß Dr. Herrad Krenkel 130 Stationen des Projekts 132 Auf dem Weg zur Kultur- region 134 Impressum 135 Bild- und Fotonachweise 6 Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz 7
Grußwort Grußwort Grußwort Rheinland-Pfalz ist reich an kulturellen Zeugnis- Landesweite Fachtagungen definierten die Idee Ein besonderer Dank gilt auch Antje Hinz, Massiv- Der Weg zur Kulturregion ist ein langer Prozess sen und Überlieferungen aus über zwei Jahrtau- der „Kulturregion“ für Rheinland-Pfalz mit Vertre- Kreativ, die als Projektbegleitung erheblich zur mit nachhaltiger Wirkung. Wo sich Kulturregionen senden bis in die Gegenwart. Kultur trägt zur Iden- terinnen und Vertretern aus Kultur, Wirtschaft, Umsetzung und Mitgestaltung des Projekts beige- erfolgreich entwickelt haben, entfalten sie neue tifikation der Menschen mit der Region bei, in der Wissenschaft, Verwaltung und Tourismus unter tragen hat. gesellschaftliche und wirtschaftliche Dynamiken, sie aufwachsen und leben. Kultur ist nicht statisch, wechselnden inhaltlichen und organisatorischen bauen Verbundenheit und Identität auf. Die Frage sie entwickelt und verändert sich. Kulturelle Güter Blickwinkeln. In den für das Projekt gewählten Mit dieser Publikation wollen wir Verantwortli- nach Kulturregionen ist – gerade bedingt durch verschwinden und prägen gleichwohl die Nach- Modellregionen „Oberes Mittelrheintal“ und chen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Touris- die Corona-Pandemie und die mit ihr einherge- welt. Neben manifesten Zeugnissen der Kunst „Rheinhessen“ wurden praktische Themen auf mus und Kultur Impulse geben, wie sich Regionen henden Einschränkungen, die eine besondere He- und Kultur sind auch immaterielle Kulturgüter wie dem Weg zur Kulturregion behandelt. Beide Regi- aus eigener Kraft auf den Weg zu einer Kulturre- rausforderung für die Kultur und das kulturelle Sprache, Gebräuche und Traditionen wichtiger onen zeichneten sich dadurch aus, dass sie sich gion machen und wie bereits begonnene Prozes- Leben in ländlichen Regionen darstellen – eine Bezug für die kulturelle Verortung und Heimat durch bewusste Entscheidungen das Ziel gesetzt se weitergeführt werden können. Die Publikation Zukunftsfrage. von Menschen. Sie sind zugleich ein enormer haben, sich als Kulturregion zu definieren und zu ist über die Dokumentation des Projektgesche- Schatz, um die Region für die Bewohnerinnen profilieren: Das Obere Mittelrheintal ist UNESCO- hens hinaus als Handreichung zu verstehen, die und Bewohner, für Touristen und Gäste im wahrs- Welterbe und 2029 Ausrichter der Bundesgarten- Ideen gibt, was für den Entwicklungsprozess zu ten Sinn wertzuschätzen – mit wirtschaftlichen schau (Buga). Welterbestatus und Buga, zudem einer Kulturregion wichtig ist und wie man mit Werten zu hinterlegen. Regionale kulturelle Profi- der Rhein als verbindendes Element, sind eine Kultur das Profil einer Region schärfen kann. le können einen Beitrag zur Standortentwicklung gute Voraussetzung, um das Profil einer Kulturre- leisten, die touristische Attraktivität erhöhen und gion zu entwickeln. Besonders der Buga-Prozess einen Identifikations- und Orientierungsrahmen schafft Gemeinsamkeiten für die Region und für Einwohnerinnen und Einwohner bieten. Das kann für eine nachhaltige kulturelle Entwicklung gemeinsame Projekt „Kulturregionen in Rhein- genutzt werden. Rheinhessen rückte durch die land-Pfalz“ der Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz Feierlichkeiten zum 200-jährigen Bestehen der (ZIRP) e. V., der Entwicklungsagentur Rheinland- Region erneut enger zusammen. Elf Verbandsge- Pfalz (EA) und der Generaldirektion Kulturelles meinden aus drei Landkreisen (Alzey-Worms, Heike Arend Rainer Zeimentz Dr. Heike Otto Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) hatte daher das Ziel, Mainz-Bingen, Bad Kreuznach) sowie der Stadt die Regionen in Rheinland-Pfalz bei der Profilie- Alzey haben sich unter dem Leitbild „Zukunftsre- rung über kulturelle Prägungen, Besonderheiten gion Rheinhessen – authentisch, genussvoll, nach- GENERALDIREKTION KULTURELLES ERBE und Alleinstellungsmerkmale zu unterstützen haltig“ für die Profilierung als Kulturregion Rhein- und einen Beitrag zu leisten zu ihrer Inwertset- hessen entschieden. Während der knapp zweijäh- zung für Tourismus, Wohn- und Lebensqualität rigen Projektlaufzeit haben wir – ZIRP, EA und sowie Wirtschaftsförderung. GDKE – die beiden Modellregionen auf dem Weg zur Kulturregion begleitet. In Schwerpunkt-Work- Kulturregion ist nicht zwingend eine Verwaltungs- shops wurden im Dialog aller relevanter Akteure einheit, noch ist die heutige politische Gliederung gemeinsame Themen, tragfähige Strukturen von Bedeutung; vielmehr sind es bewusste oder sowie Aktivitäten und Alleinstellungsmerkmale unbewusste Zugehörigkeiten und Gemeinsam- entwickelt. Dies wurde ergänzt durch jeweils zur keiten. Eine Kulturregion wird im Projekt daher Region passende Aktivitäten wie eine Netzwerk- verstanden als die Gesamtheit regionaler Identifi- analyse für das Obere Mittelrheintal oder eine kationsfaktoren, mit dem materiellen und imma- Kultur-Aktion für Rheinhessen. Wir sind stolz, dass teriellen kulturellen Erbe als Basis, mit Einflüssen wir in den Modellregionen Impulse setzen konn- und Akteuren aus Gesellschaft, Wirtschaft, Medi- ten. Dies wäre ohne die Bereitschaft der vielen lo- en, Kultur, Tourismus, Politik und Verwaltung, kalen Akteurinnen und Akteure nicht möglich ge- ihren gemeinsamen Zukunftsvorstellungen und wesen. Wir danken deshalb allen Beteiligten für der -gestaltung. die Offenheit und konstruktive Zusammenarbeit. 8 Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz 9
Editorial Editorial Editorial Die große „Völkermühle“ am Rhein – jedes Jahr Auch andere Regionen in Rheinland-Pfalz fügen Inmitten der Corona-Pandemie war das Projekt- am 18. Januar, dem Todestag von Carl Zuckmayer, dem Bild von Wirtschaftsregion, von prägender geschehen mit einem Mal digital, aber nicht min- begegnet uns dieses Bild, das er über die Figur Landschaft und politischer Einheit das Profil als der interaktiv. Den zahlreichen aktiven Begleitern des General Harras in „Des Teufels General“ von Kulturregion hinzu: die Westpfalz, die mit dem des Projekts bei Fachkonferenzen, Workshops Rheinhessen überliefert hat. Es skizziert das be- Verein Zukunftsregion Westpfalz den organisato- und regional fokussierten Treffen gebührt ein rie- wegte Geschehen in dieser Region: wechselnde rischen Rahmen für das kulturelle Geschehen hat; siger Dank. Den Ertrag der Impulse und des Aus- Herrschaften, durchziehende Truppen, Handel- die Pfalz, die mit dem Regionalverband Pfalz über tauschs bilden wir in dieser Publikation ab. Klar treibende, Zuflucht suchende Migranten. Die „Kel- bedeutende Kultureinrichtungen verfügt; oder der ist, dass auch das Kulturgeschehen in Rheinland- ter Europas“ ist heute der Stolz der Rheinhessin- Westerwald, der über die Initiative „Wir Wester- Pfalz in der Post-Corona-Zeit nicht den Status quo nen und Rheinhessen – auf ihren berühmten wälder“ eine emotionale Verbindung mit der Re- ante einnehmen kann. Da fügt es sich gut, dass Sohn aus Nackenheim und auf die Vieldeutigkeit gion aufbauen will. Viele weitere Beispiele gibt es die Ideen und Konzepte für regionalisierte Kultur- seiner Worte: Ja, hier ist seit jeher Vielfalt zuhause, in Rheinland-Pfalz. entwicklung und –förderung schon auf dem der beste Wein auf Erden, Gastfreundschaft, Leut- Schirm vieler Verantwortlicher sind und in den re- Heike Arend seligkeit und Kulturreichtum. Zuckmayer hat Mit dem Projekt „Kulturregionen in Rheinland- gional aktiven Kulturmanagerinnen und –Mana- Geschäftsführerin Rheinhessen wohl ungewollt ein „Narrativ“ ge- Pfalz“ setzt die ZIRP die regionale Perspektive auf gern bereits personell verankert ist. Der Dank geht der ZIRP schenkt – wie der Schlüsselbegriff für das sinnstif- das Kulturgeschehen in Rheinland-Pfalz fort, die auch an das für Kultur zuständige Ministerium, tende Erzählen von sich selbst lautet. Es ist eine für das Land prägend ist. Nach „Kultur prägt. Re- das dieses Projekt sehr aufmerksam begleitet hat. Geschichte für die Zukunft aus dem Jahr 1946 gion und Identität in Rheinland-Pfalz“ 2017 und und sie wird weiterwirken. „fünf. Kreative Städte in Rheinland-Pfalz“ 2019 Wir erhoffen uns, dass die Regionen in Rheinland- befördert dieses Projekt das Selbstbewusstsein Pfalz durch die vorliegende Publikation und die „Erzähl mir Deine Geschichte von Rheinhessen.“ und die Selbst-Vermarktung der Regionen des ganz praktischen Beispiele und Hinweise inspi- Das haben die Geschwister Bernadette und Tobias Landes als kulturreiche, attraktive, markante Er- riert werden, ihren Weg zur Kulturregion weiterzu- Boos im Rahmen unseres Projektes „Kulturregio- lebnishorizonte, in denen Menschen eine emotio- gehen. In der Nach-Corona-Zeit kann dies ein ge- nen in Rheinland-Pfalz“, Menschen im Herbst nale und lebendige Heimat finden, die attraktive eignetes Vorhaben sein, um Kulturschaffende, 2019 gebeten. Es kamen Geschichten: von der Wirtschaftsstandorte sind und die Touristinnen Touristiker, Wirtschaft und Gesellschaft in einem Offenheit der Menschen und von Freiheit, vom und Touristen gewinnen. In GDKE und EA haben gemeinsamen Zukunftsprojekt zu versammeln. Gebabbel und der Multikultur, vom Rhein und den wir Projektpartner, die mit uns die Begeisterung Ein besonderer Dank geht an Tamina Müller, die sanften Hügeln, vom Wingertshäuschen und dem für das Kulturland Rheinland-Pfalz teilen und für die ZIRP dieses Projekt zu einem guten Ende Geschmack von Erdbeeren. ebenso die Gewissheit, dass das regionale Be- geführt und in bewundernswerter Sorgfalt, Be- wusstsein für das eigene kulturelle Profil von Be- harrlichkeit und Begeisterung die Redaktion die- Ist das eine Kulturregion? Lassen Sie es uns prü- deutung ist. Besonders in der Modellregion „Obe- ser Publikation übernommen hat. fen anhand der Definition, auf die sich ZIRP, GDKE res Mittelrheintal“ und mit Blick auf die und EA zu Beginn des Projekts verständigt haben: Bundesgartenschau 2029 vereint sich unsere „die Gesamtheit regionaler Identifikationsfakto- Überzeugung, dass eine Kulturregion nicht per se ren, mit dem materiellen und immateriellen kul- „ist“, sondern dass sie entschieden und langfristig turellen Erbe als Basis, mit Einflüssen und Akteu- gestaltet werden muss. ren aus Gesellschaft, Wirtschaft, Medien, Kultur, Tourismus, Politik und Verwaltung, ihren gemein- samen Zukunftsvorstellungen und der -gestal- tung“. Rheinhessen hat spätestens seit dem Jubilä- umsjahr 2016 all dies – vor allem aber den entschiedenen Willen zur gemeinsamen Zukunfts- vorstellung und -gestaltung als Kulturregion. 10 Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz 11
Einführung Sehnsucht nach Berührung und Reflexion. Regionale kulturelle Zusammenarbeit Im Gespräch mit Dr. Patrick S. Föhl, Gründer und Leiter des „Netzwerks Kulturberatung“ in Berlin sowie Autor, Trainer und Dozent für Kulturmanagement und Kulturpolitik Dr. Patrick S. Föhl ist Spezialist für Veränderungs- Großstädte haben differenziertere Kulturland- prozesse und hat zahlreiche Städte und Regionen schaften als ländliche Regionen, zum Beispiel in Deutschland, aber auch international, bei Kul- eine breite Freie Szene oder andere künstlerische turentwicklungsplanungen beraten und begleitet. Ansätze. Mit ihm haben wir darüber gesprochen, was eine Region zur Kulturregion macht. Welchen Stellenwert hat die Kultur einer Region? Welchen sollte sie haben? Einführung Was zeichnet Ihren Ansatz als Kulturentwick- lungsplaner und Kulturmanagement-Trainer aus? Die Kultur ist in vielen Regionen geprägt durch die Geschichte, Sprache, Lebensformen und Traditio- nen und wird durch diese Merkmale definiert. Dr. Patrick S. Föhl Ich bin seit 2004 selbstständig. Mein Fokus liegt Diese spezifischen Kulturräume zeichnen sich Gründer und Leiter auf Kooperationen, denn viele Veränderungen, entsprechend durch kulturelle Angebote und Akti- des „Netzwerks Kultur- wie etwa bei der kulturellen Teilhabe oder Sicht- vitäten aus. beratung“ in Berlin sowie barkeit, sind in der Regel nur durch Kooperatio- Autor, Trainer und Dozent nen umsetzbar. Die Kulturregion ist der entschei Es gibt aber auch künstlich geschaffene Räume, für Kulturmanagement dende Raum, um Akteure zusammenbringen, sie die ursprünglich als Wirtschaftsraum entstanden und Kulturpolitik untereinander zu vernetzen und das Potenzial der sind und sich jetzt durch die Kultur profilieren anderen kennenzulernen. Darüber hinaus setze (wollen). Kultur und Region verbinden jedoch ich auf stichhaltige Analysen und auf Partizipati- nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern auch on, um die kulturellen Akteure mit der Politik zu gemeinsame kulturelle Traditionen oder Anforde- verbinden. Mit dem Ansatz „Meister*innen der rungen an die Infrastruktur. Der Stellenwert, den Zwischenräume“ werden Vermittlerinnen und die Kultur in einer Region hat, ist vielerorts gestie- Vermittler tätig. Sie koordinieren die Kooperati- gen, da sie hilft, die Identität einer Region zu bil- onsprozesse und vermitteln unter den Beteiligten. den und damit auch die Verbundenheit der Bevöl- kerung mit ihrer Region zu stärken. So nimmt die Sie haben in vielen, sehr verschiedenen Sichtbarkeit potenziell nach innen und nach Projekten zur regionalen Kulturentwicklung außen zu. mitgewirkt. Wie unterscheiden sich kulturelle Szenen und Akteure je nach Region? Gerade in ländlichen Regionen ist es wichtig, der Kultur einen noch höheren Stellenwert beizumes- In Deutschland gibt es eine starke dezentralisierte sen. Sie kann helfen, Veränderungs- und Kommu- Kulturlandschaft mit festen und häufig ganz ähn- nikationsprozesse zu begleiten, zu beschleunigen, lichen Strukturen. Daher findet man in fast jeder sie sichtbar zu machen. Dadurch werden auch Be- Region ein gewisses Grundsetting an kultureller rührungspunkte und Orte zum gemeinsamen Er- Infrastruktur, Projekten und Förderverfahren. Mu- leben geschaffen. sikschulen und Theatereinrichtungen gibt es zum Beispiel meist auch in ländlichen Regionen. Die großen Themen kultureller Entwicklung, wie die Teilhabe, sind auf dem Land und in der Stadt oft sehr ähnlich. Unterschiede finden sich jedoch im Detail. 12 Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz 13
Einführung Einführung Nach der Corona-Krise wird das Verlangen der Auch für Bürgerinnen und Bürger gilt: Wenn das Was definiert eine Kulturregion? Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Menschen nach Treffen und gemeinsamen Aktivi- kulturelle Angebot das Thema „Region“ auf eine Kulturentwicklung? täten groß sein. Kultur kann zum zwischen- geschickte Art und Weise thematisiert, trägt es Kulturregionen sind grundsätzlich Gegenden mit menschlichen Kontakt beitragen. Daher ist es dazu bei, die Identifikation mit ihrem Lebensraum gemeinsamer Geschichte, Sprache und Tradition Ich wünsche mir eine aufrichtige Auseinanderset- wichtig, Kultur auch als Raum des Austauschs, des zu erhöhen. sowie Räume mit spezifischen Mentalitäten und zung mit der gegenwärtigen Situation. Man muss Treffens und der Reflexion zu verstehen. Man Lebensformen. Die einer spezifischen Kultur ver- jetzt offen über die Herausforderungen in der Kul- spricht hier auch von sogenannten „Dritten Orten“. Sind regionale identitätsbildende Faktoren pflichtete Region als Kulturraum ist häufig Grund- tur sprechen und den Mut haben, auch neue Wege Die Corona-Pandemie ist ein Katalysator, der Desi- durch Kulturpolitik und Kulturförderung lage anderer Aspekte des Regionenverständnis- einzuschlagen. Wir müssen jetzt viele Punkte neu derate noch deutlicher zutage treten lässt und be- beeinflussbar? ses, zum Beispiel politischer oder wirtschaftlicher denken und bisherige Strukturen sowie Verfahren stimmte Prozesse, wie etwa neue Formen des Art. Zum Teil werden auch neue Kulturregionen umbauen und dazu braucht es ein klares Bild Austauschs, der Digitalisierung oder der Teilhabe, Es gibt Kulturförderungen, die einen regionalen kreiert. Die Formen, in denen eine Kulturregion davon, was Kunst und Kultur bewegen können, ge- beschleunigt und zudem hilft, wo sinnvoll und Bezug verlangen. Kulturpolitik kann durch Förde- organisiert sein kann, sind sehr unterschiedlich, rade in den Bereichen Kommunikation, Teilhabe nötig, sich neu zu erfinden. rung oder das Aufrufen bestimmter Themen ge- abhängig von den Zielen und Aufgaben. Beispiels- und Diversität. Dazu braucht es aber eine starke zielt einen regionalen Bezug herstellen und damit weise haben die vom Land NRW unterstützten Haltung in der Politik und eine starke, konstruktive Wie definieren Sie „Kultur“ bezogen auf die Wechselwirkungen auslösen. Hierbei besteht aber Kulturregionen fest definierte Aufgaben, Struktu- Haltung seitens der Akteure, die über das klassi- Region? Und: Worin äußert sich regionale die Gefahr, dass Kooperationen nur geschlossen ren und eigene Förderverfahren. Lose Zusam- sche Fordern hinausgeht. Mein Ziel ist es, weiter- Kultur? werden, um die Förderungskriterien zu erfüllen – menschlüsse von Kulturräumen haben dagegen hin an einer möglichst offenen Kommunikation und dass daraus dann kein gutes Projekt entsteht, oft nicht mehr als „nur“ ein Netzwerk von Akteu- mitzuarbeiten und neue Lösungsansätze zu fin- Ich habe dabei ganz unterschiedliche Assoziatio- weil es nicht nachhaltig oder wahrhaftig gedacht ren. Dann gibt es noch Modellregionen, die Teile den gemeinsam mit den Potenzialen einer Region nen: Einerseits verbinde ich den Begriff mit be- wurde. Ich plädiere eher für gezielte und durch- eines Kulturraums sind und den Startpunkt neuer – sodass langfristig Netzwerke entstehen, die in stimmten großen Institutionen wie Museen, aber dachte Kriterien, die auch wirklich zu wirkungsvol- Entwicklungsprozesse bilden. der Lage sind, diese Prozesse umzusetzen. auch mit Brauchtumspflege, mit lokalen Identitä- len Projekten führen. ten und regionalen Besonderheiten. Andererseits Kann jede Region zur Kulturregion werden? mit mittleren Institutionen, die eigene Kulturarbeit Welche Chancen aber auch Verpflichtungen Eine vollständige Bibliographie sowie weitere leisten und kulturelle Produktionen voranbringen. geht eine Region ein, wenn sie sich als Grundsächlich ja! Aber das Wie ist entscheidend. thematisch relevante Texte zum Download Außerdem verbinde ich damit Begriffe wie Labor Kulturregion definiert? Finanzielle Mittel alleine reichen nicht aus. Man sind auf der Webseite von Dr. Patrick S. Föhl oder Modell, da sich mehr und mehr Kulturschaf- muss in Entwicklungen und Prozesse investieren zu finden: https://www.netzwerk-kulturbera- fende in ländlichen Räumen mit neuen Ansätzen Der Regionen-Begriff ist sehr vielfältig. Viele Regi- und sie mit den regionalen Besonderheiten und tung.de/ueber/dr-patrick-s-foehl/publikatio- ausprobieren und interessante Angebote schaf- onen versuchen sich im Feld der Kultur zu positio- Themen verknüpfen. Außerdem ist ein Netzwerk nen. fen. nieren, um dadurch beispielsweise im touristi- aus Akteuren wichtig, die sich kümmern und ko- schen Bereich sichtbarer zu werden oder um ordinieren. Oft sind Ehrenamtliche am aktivsten, Führt die Identifizierung mit der Region zu Kultur und Natur zu verbinden. Außerdem stehen stehen jedoch mitten im Leben und haben andere höherem Engagement in und für die Kultur- einige Kulturräume vor der Herausforderung, die Prioritäten in Beruf oder Familie. Es ist wichtig, ein szene? Und: Verstärkt ein gutes Kulturangebot kulturelle Infrastruktur aufrecht zu erhalten und Bewusstsein zu erzeugen, dass ihre Arbeit wichtig wirklich die Identifikation mit einer Region? versuchen gemeinsam mit den Kommunen, ihre und sinnvoll ist. kulturelleren Bildungsangebote zu fördern und Wenn ein Kulturakteur oder eine -akteurin in einer neue kooperative Strukturen zu etablieren, um Kulturregion erlebt, dass diese Region eine Hilfe in eine zeitgemäße Kulturarbeit dauerhaft zu ermög- der kulturellen Produktion und Vernetzung ist, lichen. Definierte Kulturregionen betreiben Kul- sind sie auch interessiert, sich mit der Region zu turförderung und versuchen zum Beispiel mittels identifizierten. Es gibt aber auch Menschen, die „Kulturknotenpunkten“, also regionalen Koordina- sich mit der Region verbunden fühlen und deswe- tionsstellen, Kulturentwicklungsprozesse zu unter- gen die regionale Entwicklung unterstützen möch- stützen. Man sieht: Kulturregion kann vieles sein. ten. Wenn die Angebote und Aktivitäten der Regi- on Kulturschaffenden einen Mehrwert bringen, steigen auch die Identifikation und das Engage- ment. 14 Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz 15
Einführung Einführung Was uns zusammenschmiedet: Identität und Bewusstsein „Ein Image und ein Mensch sind zweierlei Dinge. Der kulturellen Identität Kopfarbeiter und digitale Nomaden. Mit kreativen Im Auftaktworkshop trafen sich die Projektpartner Es ist sehr schwer, einem Image gerecht zu werden.“ Elvis Presley1 auf der Spur Ideen und im Austausch mit alteingesessenen Be- wohnerinnen und Bewohnern geben sie dem tra- im Sommer 2019 mit wichtigen Akteuren der bei- den Modellregionen auf der Festung Ehrenbreit- ditionellen Handwerk neue technologische Hilfs- stein in Koblenz. In einem konstruktiven Aus- Wie sehen wir uns selbst? Wie sehen uns andere? 2019 hat die Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz mittel (z. B. Smart Farming im Weinanbau) und tausch ging es unter anderem um Erwartungen Vor dieser Frage steht die Regionalentwicklung im (ZIRP) das Projekt „Kulturregionen in Rheinland- eine stärkere überregionale Sichtbarkeit (z. B. sowie Bedarfe der Projektpartner: Wie und unter Spannungsfeld zwischen Eigen- und Fremdbild, Pfalz“ gestartet und die Frage gestellt, inwiefern Bloggen, Online-Marketing/-Vertrieb). Kultur- welchen Rahmenbedingungen arbeiten die Part- zwischen Identität und Image. Ein Image wird kulturelle Identitäten die regionale Entwicklung schaffende entfalten sich innovativ, indem sie ner aktuell? Welche organisatorischen Strukturen künstlich geschaffen, bedient nicht selten Stereo- vorantreiben können. Eine Kulturregion als Motor leerstehende Flächen und Gebäude „bespielen“ nutzen sie? Wie können Kooperationen und Syn- type und leistet Schubladendenken Vorschub. Es zu nutzen, setzt voraus, dass man sie gut kennt. und ihnen einen neuen Sinn geben. Diese Aktivi- ergien entstehen? Wie könnten gemeinsame Inte- weckt Erwartungen, die nicht erfüllt werden kön- Nachdem von 2014 bis 2017 die kulturelle Prä- täten besitzen reizvolle Strahlkraft und sorgen re- ressen und Projektziele gebündelt werden? Wel- nen oder nur unter Einsatz wertvoller Energie, die gung von Rheinland-Pfalz insgesamt unter die gional und überregional für Aufmerksamkeit. che weiteren Interessierten sollten angesprochen an anderer Stelle besser investiert wäre. Über Lupe genommen wurde und die Ergebnisse in der Diese Impulse sollten identitätsstiftend nach werden? Wie kann das Projekt publik gemacht Antje Hinz Werbekampagnen nach außen getragen mag Publikation „Kultur prägt“ veröffentlicht wurden, innen und öffentlichkeitswirksam nach außen ge- werden? Im Sinne der Vielfalt gelang es der ZIRP, MassivKreativ – Labor Imagebildung kurzzeitig für Widerhall sorgen, folgte bis 2019 die Bestandsanalyse kreativer tragen werden. viele Akteure und Institutionen frühzeitig einzu- für gesellschaftliche Wert- nachhaltig wirkt sie selten. Städte in Rheinland-Pfalz („Medienstadt Mainz“, binden. schöpfung; Beratung und „Stadtlandschaft Koblenz“, „Digitale Stadt Kaisers- Begleitung im Projekt Die deutlich bessere Wahl ist die Erkundung der lautern“, „Multimediastadt Trier“, „Stadt der freien Das partizipative „Kulturregionen in eigenen regionalen Identität. Sie entsteht aus sich Räume Ludwigshafen“) und die ZIRP gab den Gemeinschaftsprojekt Ikonografisch für Rheinland-Pfalz“ sowie Medienproduzentin und selbst, speist sich aus der Gesamtheit historischer Prägungen, aus politischen sowie wirtschaftlichen Sammelband „fünf“ heraus. Das auf zwei Jahre angelegte Projekt „Kulturregionen“ hat nun noch- Rheinessen: der Trullo Wissensdesignerin (Texte, Gegebenheiten, Alltagsgeschichten und Men- mals zwei Regionen modellhaft herausgegriffen: Enge Partner der ZIRP im Kulturregionen-Projekt Audioguides, Podcasts, schen, ihren Werten und Mentalitäten. Identität ist Rheinhessen und das Obere Mittelrheintal, wo sind die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rhein- Wie regional passende und identitätsstiftende Hörbücher, Film-Inter- lebendig und flexibel, sie verändert sich durch äu- 2029 die Bundesgartenschau stattfinden und ein land-Pfalz (GDKE) und die Entwicklungsagentur Bürgerbeteiligung aussehen kann, zeigt das krea- views, Dokumentationen, ßere Umstände, durch neue Bewohnerinnen und Konjunkturprogramm für die gesamte Region an- Rheinland-Pfalz (EA). Sie stehen für das materielle tive Ausstellungs- und Begegnungsvorhaben „Trul- Ausstellungen), Modera- Bewohner, durch Interaktion zwischen Alteingeses- stoßen soll. und immaterielle Erbe und ihre zeitgemäße Wahr- lo on Tour“. Eine von der ZIRP einberufene Jury torin, Workshopleiterin, senen und Neubürgern, durch den Umgang mitein- nehmung sowie für Kommunal- und Regionalent- hatte es im Rahmen einer öffentlichen Ausschrei- Prozessbegleiterin ander und in Reaktion auf Neues. Regionale Identi- Identitätsstiftende Merkmale in Rheinland-Pfalz wicklung. Sie agieren als Magnet und Impulsge- bung unter Kunst- und Kulturschaffenden als Ge- tät ist agil und authentisch. sind vielfältig: naturgegeben durch die Flüsse ber, die viele weitere Kulturträger und Institutionen winnerprojekt ausgewählt. Ein Trullo ist in Rhein- Mosel und Rhein, kulinarisch durch den Wein, his- aus beiden Modellregionen co-kreativ und auf hessen einerseits ein Symbol für Tradition, Identitätsfindung ist ein kommunikativer Prozess. torisch gewachsen durch Burgen, Schlösser, Fes- Augenhöhe ansprechen und integrieren. So luden andererseits ein authentischer Ort des Austauschs. Er ist aufwändig, aber zugleich lohnenswert. Wenn tungen und Militärgeschichte, narrativ durch die die drei Hauptpartner zwischen 2019 und 2021 zu In Anlehnung an die runden steinernen Weinberg- Bewohner zu ihren Wurzeln befragt werden, füh- Mundart, durch Legenden, Sagen und Märchen, vier Fachtagungen ein. Dabei ging es um den häuschen konzipierte das Künstlerduo Bernadette len sie sich ernst genommen und wertgeschätzt. kulturell durch ein vielfältiges Angebot an Festi- Mehrwert von Kultur für die Regionalentwicklung, Boos (Theatermacherin) und Tobias Boos (Kom- Wem „Be-Achtung“ gegeben wird, der gibt gerne vals und Veranstaltungen. Die ursprüngliche Iden- um regionale Netzwerkbildung, um die Finanzie- munikationsdesigner) einen mobilen Trullo-Pavil- etwas zurück. Dies sorgt für Akzeptanz und Unter- tität kann durch Neues bereichert werden, z. B. rung von Kulturregionen und um Kultur als Bewe- lon. Damit zogen sie 2019 über öffentliche Plätze stützung im Verfahren regionaler Profilbildung – durch interkulturelle und innovative Impulse. So ger in Kooperation mit Tourismus, Wirtschaft und auf der Suche nach typischen, realen und erfun- zunächst nach innen und später nach außen. wie sich Kaiserslautern als „Digitale Stadt“ bzw. Kommunen. Parallel dazu unterstützten partizipa- denen Geschichten über Rheinhessen, nach Nar- Identität beruht auf Unterscheidung und Ver- „Smart City“ etabliert, kann sich auch der ländli- tive Workshops die Profilbildung. Auch sie dienten rativen über die Region: Was liegt den Bewohne- 1 Elvis Presley: Presse- gleich. Was haben andere Menschen oder Orte, che Raum positionieren. Durch neue agile Arbeits- der Netzwerkbildung, dem Informationstransfer, rinnen und Bewohnern am Herzen? Was verbindet konferenz 1972 (ab Minu- was gibt es nur bei uns? Bewusstwerdung und Be- formen wie Coworking oder FabLabs entstehen in dem Wissens- und Erfahrungsaustausch, der Pro- sie mit ihrer Region, was bewegt sie? Das Künstler- te 1:00 https://youtu.be/ wusstseinsbildung sollten daher der Profilbildung ländlich geprägten Regionen „Digitale Dörfer“ für fessionalisierung und Selbstermächtigung, der duo fragte nach Erinnerungen, Lebenswelten und BsGgf WCfw6w), zitiert in und Inwertsetzung regionaler Identität vorausge- gegenseitigen Ermutigung und Motivation aller Zugehörigkeiten, nach Gemeinsamkeiten und Lee Doss, Erika (1999): hen. Wer sich der eigenen Werte und Stärken, aber Akteure. Prägungen, nach materiellem und immateriellem Elvis Culture. Fans, Faith & auch seiner Schwächen bewusst ist, kann sich Kulturerbe sowie nach Möglichkeiten bzw. For- Image. University Press of weiterentwickeln und an sich selbst wachsen. Kansas, S. 218. 16 Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz 17
Einführung Einführung men ihrer Weitergabe, womit im Trullo-Projekt ativen Verfahren wie Worldcafé, Fishbowl, Brain- Menschen ziehen Eine gute Mischung aus analog und digital, aus beispielhaft Nachhaltigkeit gesichert werden konnte. Die gesammelten Geschichten werden als writing, Kopfstandmethode und Comiczeichnen ermittelten wir Alleinstellungsmerkmale und Be- Menschen an kulturellen und touristischen Vor-Ort-Aktivitäten, medialer Präsenz und Empfehlungsmarketing si- Audiobeiträge ausgewertet, gehen in der Region sonderheiten zu Landschaft und Natur, Orten und chert den „Kulturregionen in Rheinland-Pfalz“ Öf- auf Reisen, werden für andere Bewohnerinnen Kultur, Märchen, Sprache und Dialekten sowie zu Eine Kulturregion sollte sich die Frage stellen, was fentlichkeit und Sichtbarkeit. Die Erkenntnis und Bewohner hör- und erlebbar und mit sympa- Lieblingsorten. Zusätzlich führten wir individuelle die Menschen vor Ort zusammenschmiedet. In „Menschen ziehen Menschen an“ beflügelt die thischer Medienberichterstattung begleitet. Die Audio-Interviews und waren über die „Wurzelspit- Rheinhessen war es 2016 die Planung des Jubilä- Netzwerkbildung und das Storytelling: Geschich- Geschichten flossen auch in einen Storytelling- zen-Intelligenz“2 der Bürgerinnen und Bürger be- ums „200 Jahre Rheinhessen“. Im Wendland ist es ten über charismatische und charmante Protago- Workshop in Rheinhessen im Frühjahr 2021 ein. eindruckt. Im Redaktionsteam bereiteten wir das der Widerstand gegen das Atomendlager, der im nistinnen, innovative Vordenker, über kreative Ak- Akteure aus Tourismus und Kultur, Marketing und enorm vielfältige Wissen für das Online-Portal auf, überregional bekannten Festival „Kulturelle Land- tionen und Vorhaben. Die Bewohnerinnen und Wein, Ortsbürgermeister sowie Kultur- und Wein- gestalteten gemeinsam Blogartikel, Fotostrecken, partie“ Beachtung findet. Gerade entsteht mit Bewohner und ihr Lebensalltag sind authentisch botschafter suchten nach Helden, Geschichten Audios, Podcasts und Filme. „Elbe Valley“ ein neues gemeinsames Dachvorha- und wirken Türöffner zu den Herzen der Öffent- und gemeinsamen narrativen Schnittstellen. ben im Vierländereck der Elbe. Die BUGA 2029 ist lichkeit. Im Rahmen von Storytelling- und Medienwork- nun Anstoß für das Obere Mittelrheintal, gemein- shops an Schulen konnten wir auch jüngere Ziel- same Ziele und Botschaften zu verfolgen. Eine Blick nach Norden: Elbe505 gruppen erreichen. Schülerinnen und Schüler re- wichtige kommunikative und zugleich identitäts- cherchierten, führten Interviews, produzierten stiftende Rolle in diesem Prozess soll ein neues Welcher enorme Gewinn darin liegt, mit Bürgerin- Audio-Slideshows und Filme über Themen, die Online- und Printmagazin einnehmen. In zwei nen und Bürgern ins Gespräch zu kommen, sie bei mit ihrer eigenen Lebensrealität verbunden sind, praxisnahen Medien-Workshops entwickelten wir, der regionalen Profilbildung mitzunehmen und z. B. über Lieblingsorte, Freizeitaktivitäten, regio- im Zuge des Projektes „Kulturregionen in Rhein- einzubinden, zeigt ein Praxisprojekt aus dem Nor- nale Festivals, Geschichte und Vorfahren. Mit eige- land-Pfalz“, mit Akteuren aus Kultur und Touris- den. Mit den Bewohnerinnen, Grafikdesignern, nen Medienbeiträgen wurden die Schüler zum mus, Wirtschaft, Politik und Verwaltung, Wissen- Programmiererinnen und Comiczeichnern habe Sprachrohr und Botschafter ihrer Region. Sie kön- schaft und Zivilgesellschaft ein Kommunikations- ich das Bürgerwissensportal „Elbe505.de“ aufge- nen mitbestimmen und haben direkten Einfluss konzept, das Bedürfnisse und Wünsche konkreter baut, für Alteingesessene und Zugezogene, für darauf, welche Identität(en) nach außen getragen Nutzerinnen und Nutzer (Personas) unter die Neubürgerinnen und Rückkehrer, für Touristen werden. Über die mediale Reflexion erkennen sie, Lupe nahm. Wollen sie Information, Unterhaltung, und Gäste. Menschen vom östlichen und westli- was ihre Heimat einzigartig und unverwechselbar Überraschung? Was motiviert sie, sich mit dem chen Elbufer, das als ehemaliges Grenzgebiet macht. Wertschätzung für das eigene Umfeld ver- Oberen Mittelrheintal zu befassen? Welche Rubri- Leben und Alltag auf vielschichtige Weise geprägt stärkt ihre Bindung an die Region und die Motiva- ken und Themen sollen Erwähnung finden: Kunst hat, stellen ihre Regionen vor – das niedersächsi- tion, sich vor Ort einzubringen und das Alltagsle- und Kultur, Feste und Bräuche, Kulinarik und Life- sche Wendland und die mecklenburgische Griese ben aktiv mitzugestalten. style, Geschichte und Zukunft, Erbe und Innovati- Gegend. on? Welche interaktiven Formate eignen sich, um Schon nach kurzer Zeit wurde „Elbe505.de“ regio- die Öffentlichkeit zu erreichen und zu aktivieren: Zu Beginn des Projektes ging es darum, kenntnis- nal und überregional als wertvolles, authentisches kreative Wettbewerbe und Aufrufe? Die Diversität reiche und interessierte Wissensträger ausfindig Informationsmedium wahrgenommen. Sowohl der Workshop-Teilnehmenden in Interessen und zu machen, sie auf Augenhöhe eng an das Projekt Einheimische und Touristen als auch Tourismus- Hintergründe sorgte dafür, den Fokus auf vielfälti- zu binden und eine „Community“ aufzubauen. Wir und Reiseanbieter schätzen, wie kenntnisreich ge Zielgruppen zu richten. Mit Design-Thinking- starteten den Prozess mit Bürgerworkshops, die und leidenschaftlich die Bewohnerinnen und Be- Methoden entstanden Prototypen mit passenden über die regionale Presse, über Gemeindekästen wohner ihr Umfeld präsentieren; ein gutes Bei- journalistischen Formaten für Print, Online und und über kommunikationsstarke Multiplikatoren spiel für glaubwürdiges Empfehlungsmarketing. Social Media. Wir diskutierten über Botschaften angekündigt wurden. Ihre Mund-zu-Mund-Propa- und deren Wirkung bei den Zielgruppen – nach ganda erwies sich als besonders wertvoll. Mit kre- innen gegenüber Bewohnerinnen und Bewoh- nern, nach außen gegenüber Touristen. 2 Mancuso, Stefano/Viola, Alessandra (2015): Die Intelligenz der Pflanzen. Verlag Antje Kunstmann. 18 Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz 19
Einführung Einführung Kakteenzucht im ländlichen Raum. Wo Eigen- und Gemeinsinn zusammen erblühen Nachdem die Nachkriegszeit vom Begriff der „Kul- ten Fonds (wie z. B. Fonds Soziokultur, Fonds Dar- Neue Prozesse für den Verantwortung für turpflege“ geprägt war, wurde die Hauptvokabel der „Neuen Kulturpolitik“, die in den 1970er Jah- stellende Künste). So haben sich neue Akteurs- strukturen gebildet, zivilgesellschaftliche Organi- ländlichen Raum Identitätsstärkung ren proklamiert wurde, die „Kulturarbeit“ mit den sationen sind Faktoren des politischen Systems sie prägenden „Kulturarbeitern“ und „Kulturschaf- geworden und die Entscheidungsstrukturen der Selbstverständlich kann hier nur kurz angerissen Sowohl für die Kulturpolitik als auch das Kultur- fenden“. Diese gebräuchlichen Leitbegriffe sind öffentlichen Hand agieren und funktionieren im werden, welche gesellschaftlichen Entwicklungen management gibt es angesichts dieser Entwick- bis heute geblieben. Sie versinnbildlichen, dass an Sinne einer „Cultural Governance“.2 Kurzgefasst: bei der Kulturpolitik im ländlichen Raum zu be- lungen in der stetig komplexer werdenden (Um-) der, in der und für die Kultur „gearbeitet“ wird. Kul- Kulturpolitik ist vernetzter, aktiver, präsenter und rücksichtigen sind. Doch ein Thema ist uns in den Welt eine außerordentlich wichtige Aufgabe: Die tur wird somit nicht nur von „Künstlern“ geschaf- beteiligungsaktiver geworden. Zur Erarbeitung Zeiten der Pandemie besonders bewusst gewor- eigene Orientierung als Person und als Gemein- fen oder in Institutionen der „Kulturpflege“ gestal- zeitgemäßer Kulturkonzepte ist daher eine Netz- den: Die Digitalisierung verändert mit einer un- schaft in Form der Selbstvergewisserung. Dies tet, sondern auch in einem weiteren Kreis von werkanalyse angezeigt.3 Für eine sinnvolle Defini- aufhaltsamen Stärke und Rasanz unser Leben wird in dem von der UNESCO im Jahr 1982 defi- (arbeitenden) Menschen. Kulturpolitik schafft tion im kulturpolitischen Vokabular stehen in die- und eröffnet dem „mentalen Kapitalismus“ (Georg nierten Kulturbegriff sehr treffend wie folgt formu- dafür die Rahmenbedingungen in Form von sem Kontext die vier „K“ – Kooperation, Franck) ungeahnte Potenziale. Längst ist nicht liert: „Erst durch die Kultur werden wir zu mensch- Prof. Dr. Oliver Scheytt Rechtsetzung (vom Urheberrecht und Steuerrecht Koordination, Konsensfindung und Kommunikati- mehr der Tausch und Kauf materieller Produkte lichen, rational handelnden Wesen, die über ein Professor für Kulturpolitik bis zur Verabschiedung von Satzungen für die Kul- on – mit denen neue Steuerungsoptionen eines das alles bestimmende ökonomische Handelsob- kritisches Urteilsvermögen und ein Gefühl der an der Hochschule für turinstitutionen im ländlichen Raum) und der Be- „aktivierenden Kulturstaats“ verbunden sind. jekt, sondern der Tausch und Kauf geistiger Leis- moralischen Verpflichtung verfügen. Erst durch Musik und Theater reitstellung von Fördergeldern. Kulturpolitik setzt tungen, von Ideen und Kreativität. Internet und vor die Kultur erkennen wir Werte und treffen die Hamburg und Inhaber der dabei immer mehr auf Partizipation, auf die Be- Der Begriff des „Kulturmanagements“ hat sich erst allem virtuelle Vernetzungen ermöglichen es, die Wahl. Erst durch die Kultur drückt sich der Mensch KULTUREXPERTEN GmbH teiligung der unterschiedlichsten Institutionen in den 1980er Jahren etabliert und in der Folge den Ideen, Verhaltensmuster und Vorlieben eines aus, wird sich seiner selbst bewusst, erkennt seine und Personen, die das kulturelle Leben mitprägen Begriff der „Kulturverwaltung“ nahezu abgelöst. jeden Einzelnen nachzuverfolgen. Wer über diese Unvollkommenheit, stellt seine eigenen Errun- und -gestalten, ob in öffentlicher Trägerschaft, in Das Verhältnis von Kulturpolitik und Kulturma- in der gigantischen „Ökonomie der Aufmerksam- genschaften in Frage, sucht unermüdlich nach 3 Siehe dazu auch »Kul- der Kulturwirtschaft oder der Zivilgesellschaft. nagement lässt sich wie folgt auf den Punkt brin- keit“ (Franck) verfügt, kann nicht nur Bilder und neuen Sinngehalten und schafft Werke, durch die turentwicklungskonzepti- gen: In der Kulturpolitik geht es um die Steuerung Musik bedürfnisgerecht verkaufen (Amazon), sich er seine Begrenztheit überschreitet.“ Daraus lässt on für die Modellregion des Gemeinwesens, also die Entwicklung, Umset- mit seinen Vorlieben als Individuum anderen sich im Kern der öffentliche Kulturauftrag ablei- Landkreis Hildburghausen Kulturpolitik ist zung und das Monitoring kulturpolitischer Zielset- Menschen präsentieren (Facebook, Instagram, ten: Dieser zielt auf die Befähigung der Individu- und Landkreis Sonne- Gesellschaftspolitik zungen im Zusammenwirken von öffentlicher Hand und Akteuren in der Kulturwirtschaft sowie TikTok, etc.), Milliarden umsetzen oder mit dem Angebot zur Orientierung in den virtuellen Welten en, sich selbst als Persönlichkeit zu entwickeln, Gemeinsinn zu stiften und Verantwortung in der berg« (www.kulturkon- zept-hbn-son.de) sowie Zivilgesellschaft. Im Kulturmanagement geht es um zur teuersten Marke der Welt werden (Google). Die Gesellschaft wahrzunehmen. Zugleich wird deut- »Kulturentwicklungskon- Leitbegriffe für die Reflexion des Kontextes länd- die Steuerung der Kulturinstitutionen und die effi- Informationsnetzwerke können auch eingesetzt lich, dass dafür die Freiheit der künstlerischen und zeption für die Modellregi- licher Kulturpolitik sind heute: „Kulturelle Netz- ziente, ressourcenschonende sowie effektive, wir- werden, um Werthaltungen, Einstellungen und kulturellen Entfaltung unverzichtbar ist. Kulturpo- on Kyffhäuserkreis und werke“ und „Kulturakteure“ sowie „Cultural Gover- kungsvolle Umsetzung der von den jeweiligen Bedürfnisse von Menschen unabhängig von Her- litik im ländlichen Raum hat demzufolge eine Landkreis Nordhausen« nance“.1 Letztlich entscheiden in der Kulturpolitik Rechtsträgern und/oder Eigentümern verfolgten kunft und Nationalität, Wohnsitz und sprachlicher große Verantwortung für Selbstreflexion und (www.kulturkonzept-kyf- zwar Gemeinderäte, Stadt und Kreisräte, das Lan- Zielsetzungen. Prägung zu nutzen und sogar nachhaltig zu beein- Identitätsstärkung. Dies gilt für alle Handlungsfel- ndh.de) sowie Peper, Ro- desparlament von Rheinland-Pfalz sowie die von flussen. Umso wichtiger ist es, sich selbst zu ver- der, ob die Förderung der Kunst, die Aktivitäten in bert (2016): Die Netzwerk- ihnen gesteuerten/beauftragten Administratio- Wie indes lassen sich tragfähige Zielsetzungen orten und seiner eigenen Befindlichkeit und Befä- der Geschichtskultur oder die Angebote der kultu- analyse als neue Methode 1 Knoblich, Tobias J./ nen, Kulturinstitutionen etc. Doch die Forderung entwickeln? Ein Kernsatz für die Gestaltung und higung zu versichern. Dies gilt auch in Bezug auf rellen Bildung. in der Kulturpolitikfor- Scheytt, Oliver (2009): Zur nach Partizipation in der (Mit-)Gestaltung von Kul- Ausrichtung von Kulturpolitik lautet: Kulturpolitik die weiteren Megatrends: Globalisierung und Kli- schung. Grundbausteine Begründung von Cultural tur und Kulturpolitik hat in konkreten Organisati- ist Gesellschaftspolitik. Damit wird klar, dass eine mawandel. Der ländliche Raum kann sich einer- der sozialen Einbettung. Governance. In: Aus Politik ons- und Beteiligungsformen ihren Ausdruck ge- Reflexion von gesellschaftlichen Entwicklungen seits von diesen globalen Entwicklungen keines- In: Sievers, Norbert/Föhl, und Zeitgeschichte funden: Daher gibt es eine Fülle von Mitwirkenden und Rahmenbedingungen erforderlich ist, wenn wegs abkoppeln. Andererseits ist der „Rückzug auf Patrick S./Knoblich Tobias 8/2009, S. 34–40, Berlin: und Institutionen, die für die ländliche Kulturpoli- die Ausrichtung von Kulturpolitik zeitgemäß sein das Land“ gerade deshalb hier und da von dem J., Jahrbuch für Kulturpoli- Bundeszentrale für politi- tik relevant sind: Kulturverbände und -vereinigun- soll. Dabei geht es um mehr als nur die Frage, wel- Motiv geleitet, sich klimagerecht, nachhaltig und tik 2015/16, Bielefeld: sche Bildung. gen, Kulturbeiräte, Fördervereine oder auch die che Einzelziele ein Museum, ein Theater, eine Bib- naturnah zu versorgen und zu bewegen, Heimat transcript Verlag, S. 407– 2 Ebd. auf Bundesebene angesiedelten selbstverwalte- liothek, eine Musikschule oder ein Kulturfestival zu erleben und zu stiften. 415. verfolgt oder verfolgen sollte. 20 Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz Geschichten für die Zukunft Kulturregionen in Rheinland-Pfalz 21
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