Gesundheit älterer Frauen - RKI
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Gesundheit älterer Frauen KAPITEL 5
▶▶ Fast die Hälfte der Frauen ab 65 Jahren bewertet ihre Gesundheit als gut oder sehr gut. Im Zeit- verlauf zeichnet sich ein Trend hin zu besserer subjektiver Gesundheit ab. ▶▶ Im Alter sind deutlich mehr Frauen als Männer alleinlebend, dennoch sind sie nicht häufiger einsam als Männer. ▶▶ Die im Alter am meisten verbreiteten psychischen Erkrankungen sind Demenz und Depression; sie betreffen jedoch meist erst Frauen im hohen Alter ab 85 Jahren. ▶▶ Ab einem Alter von 75 Jahren ist bei älteren Frauen die Angst vor Stürzen weiter verbreitet als Sturzerfahrungen. ▶▶ Rund die Hälfte der älteren Frauen ab 65 Jahren hat eine Patientenverfügung bzw. Vorsorgevoll- macht, mehr als jede Dritte eine Betreuungs- verfügung.
Gesundheit älterer Frauen | Kapitel 5 221 5 Gesundheit älterer Frauen 5.1 Einleitung Daten der Sterbetafeln 2016/2018 des Statis- älterer Frauen eingegangen. Themen wie Ernäh- tischen Bundesamtes zufolge liegt die Lebens- rung (siehe Kapitel 2.2.2), Über- und Untergewicht erwartung neugeborener Mädchen bei 83,3 Jahren, (siehe Kapitel 2.2.3) sowie Pflege (siehe Kapitel jene der Jungen bei nahezu fünf Jahren weniger 2.3.6) sind nur Beispiele für eine Reihe weiterer (78,5 Jahre). Dieser Unterschied in der Lebens wichtiger Themen zur Gesundheit älterer Frauen. erwartung ist bei älteren Menschen etwas gerin ger als bei Geburt – die fernere Lebenserwartung von 65-jährigen Frauen liegt bei 21,1 Jahren, jene 5.2 Lebenssituation älterer Frauen gleichaltriger Männer nur 3,2 Jahre geringer bei 17,9 Jahren [1]. Dennoch erreichen, bedingt durch Im Jahr 2018 war in Deutschland rund jede fünfte die unterschiedliche Lebenserwartung, deutlich Person (21,1 %) 65 Jahre oder älter [2]. Während in mehr Frauen als Männer ein hohes Lebensalter. der Gesamtbevölkerung der Anteil von Frauen und Frauen werden nicht nur älter, sie haben oftmals Männern weitgehend ausgeglichen ist – 50,5 % der auch spezifische Risikofaktoren, die sie von Män- Bevölkerung sind weiblich, 49,5 % sind männlich nern unterscheiden. Hierzu zählen soziale Her- – liegt bei der Altersgruppe der 65-Jährigen und ausforderungen, insbesondere ein höheres Risiko Älteren der Anteil von Frauen mit 55,2 % deutlich für Armut sowie eine höhere Wahrscheinlichkeit, höher als in der Gesamtbevölkerung. im Alter alleine zu leben. Hinzu kommen eine Durch die höhere Lebenserwartung von Frauen Reihe gesundheitlicher Herausforderungen, die steigt diese Geschlechterdifferenz über die älteren größer sind als bei gleichaltrigen Männern. Altersgruppen hinweg noch an. Die Gruppe der Das Kapitel zeigt zentrale gesundheitliche älteren Frauen ist vielfältig hinsichtlich Familien- Unterschiede auf und diskutiert spezifische Risi- stand, sozialer Einbindung, Einkommen und Alter. ken älterer Frauen ab 65 Jahren vor dem Hinter- Alle diese Faktoren beeinflussen den Gesundheits- grund nationaler und internationaler Befunde. zustand der Frauen, der weiter unten beschrieben Dabei wird neben geschlechtsbezogenen Risiken wird (siehe Kapitel 5.3). das Augenmerk auf zeitliche Trends sowie Prä- Zur Lebenssituation älterer Frauen gehört ventionspotenziale bei älteren Frauen gelegt. Als auch, dass sie sich in vielfältiger Weise engagie- Datenquellen werden bevölkerungsbezogene Stu- ren, sowohl innerhalb der Familie, z. B. durch die dien des Robert Koch-Institutes (RKI) herangezo- Betreuung von Enkelkindern oder pflegebedürfti- gen, vor allem die Studie Gesundheit in Deutsch- gen Angehörigen, als auch im Rahmen des ehren- land aktuell (GEDA 2014/2015-EHIS) und der amtlichen Engagements. Nach Daten der Studie Deutsche Alterssurvey (DEAS) 2014 des Deutschen GEDA 2014/2015-EHIS liegt z. B. in der Alters- Zentrums für Altersfragen. Darüber hinaus wer- gruppe der 70-Jährigen und Älteren der Anteil der den amtliche Daten genutzt, wie der Mikrozensus Frauen, die Angehörige im eigenen Haushalt pfle- des Statistischen Bundesamtes und weitere Daten- gen mit 8,2 % deutlich höher als der Anteil der Män- quellen und Studien. ner mit 4,9 % [3] (siehe auch Kapitel 2.3.6). Diese Das Kapitel betrachtet vordringlich gesundheit- Befunde werden durch den Deutschen Alterssurvey liche Problemlagen älterer Frauen, weniger hin- gestützt [4]. Mit Blick auf das ehrenamtliche Enga- gegen ihre gesundheitlichen Ressourcen. Dieser gement ist erkennbar, dass sich der Anteil ehren- stärker defizitorientierte Blick auf die Gesundheit amtlich engagierter Frauen im Alter zwischen 70 älterer Frauen dient primär dazu, mögliche Ansatz- und 85 Jahren in den letzten rund zwei Jahrzehnten punkte zur Verbesserung von Prävention und Inter- nahezu vervierfachte – von 3,8 % im Jahr 1996 auf vention aufzuzeigen, spiegelt dabei aber nur einen 14,1 % im Jahr 2014 [5]. Teil der Lebenssituationen älterer Frauen wider. Aus Gründen des Umfangs wird im Kapitel nur auf ausgewählte gesundheitliche Problemlagen
222 Kapitel 5 | Gesundheit älterer Frauen 5.2.1 Familienstand und wirtschaftliche Gesundheit bei Frauen). Durch die unterschied Situation liche Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern, die heute im Rentenalter sind, unterscheiden sich Die Mehrheit der älteren Bevölkerung ist verhei- deren Einkommensquellen und auch die Höhe der ratet und lebt mit der Ehepartnerin bzw. dem Ehe- Renteneinkommen. Im Jahr 2014 bezog nur jede partner zusammen (59,3 %) [2]. Ältere Frauen sind vierte alleinlebende Frau ab 65 Jahren ausschließ- dabei deutlich seltener verheiratet und zusammen- lich eine eigene Rente, unter den alleinlebenden lebend als ältere Männer. Drei Viertel der älteren älteren Männern war dieser Anteil mit 71 % fast Männer ab 65 Jahren (73,5 %), aber nur knapp die dreimal so hoch [8]. 69 % der alleinlebenden älteren Hälfte der gleichaltrigen Frauen (47,8 %) leben Frauen bezogen neben der Altersrente auch eine verheiratet mit ihren Ehepartnern zusammen. Ein Hinterbliebenenrente [8]. Daten der europäischen wesentlicher Grund für diesen Unterschied liegt Studie Leben in Europa (EU-SILC) zufolge lag in in der höheren Lebenserwartung älterer Frauen. Deutschland im Jahr 2018 das durchschnittliche Sie bleiben oftmals alleine zurück, wenn der jährliche Personeneinkommen (Median) aufgrund Partner verstirbt. Männer haben hingegen häufi- von Rente oder Pension bei Frauen ab 65 Jahren ger eine etwas jüngere Ehepartnerin (der durch- bei 13.050 Euro, bei Männern bei 21.000 Euro [9]. schnittliche Altersabstand liegt bei etwa drei bis Aktuellen Daten des Mikrozensus zufolge waren vier Jahren [6]) und schließen auch im späteren im Jahr 2018 16,4 % der Frauen und 12,7 % der Män- Lebensalter häufiger eine neue Ehe nach dem ner ab 65 Jahren armutsgefährdet [2]. Sie mussten Verlust ihrer Ehepartnerin als Frauen [7]. Diese mit weniger als 60 % des mittleren Einkommens Unterschiede im Familienstand spiegeln sich im (Median) der Gesamtbevölkerung auskommen. Bei höheren Anteil alleinlebender älterer Frauen als dieser Berechnung wird das Einkommen des Haus- Männer in Privathaushalten wider, wie in Abbil- halts zugrunde gelegt und an der Zahl der Haus- dung 5.2.1.1 zu sehen ist. haltsmitglieder relativiert. Innerhalb der Gruppe Das Einkommen, wie auch ggf. Immobilien- älterer Frauen zeigten sich deutliche Unterschiede vermögen, Geld- und Sachvermögen sind wich- zwischen Frauen, die in Ein- oder Mehrpersonen- tige Ressourcen, da sie in vielfältiger Weise über haushalten leben. Während fast jede vierte allein- die Möglichkeiten der persönlichen Lebensgestal- lebende Frau (23,5 %) durch Armut gefährdet war, tung und gesellschaftlichen Teilhabe mitbestim- betraf dies nur rund jede sechste Frau (16,4 %) in men (siehe auch Exkurs Soziale Ungleichheit und einem Mehrpersonenhaushalt [10]. Auch wenn die Abbildung 5.2.1.1 Anteil alleinlebender älterer Frauen und Männer nach Alter Datenbasis: Mikrozensus 2018 [2] Anteil (%) 80 70 60 50 40 30 20 10 65 − 69 70 −74 75−79 80 − 84 ≥ 85 Altersgruppe (Jahre) Frauen Männer
Gesundheit älterer Frauen | Kapitel 5 223 Armutsgefährdungsquote der älteren Bevölkerung Eine Reihe von Längsschnittstudien weist dar- mit einem Risiko von durchschnittlich 14,7 % unter auf hin, dass Einsamkeit mit einer schlechteren dem Risiko der jüngeren Bevölkerung bis 65 Jahren Gesundheit, erhöhter depressiver Symptomatik, liegt (15,7 %) steigt sie seit einigen Jahren wieder – einer höheren Inanspruchnahme von Ärztinnen zwischen 2007 und 2018 von 12,9 % auf 16,4 % für und Ärzten sowie einer höheren Wahrscheinlich- Frauen ab 65 Jahren [10]. Als wesentlicher Grund keit, vorzeitig zu versterben einhergeht [14–19]. In werden unterbrochene und unstetige Erwerbsver- einer Metaanalyse fiel der Effekt von Einsamkeit läufe in den geburtenstarken Jahrgängen (Baby auf die Sterblichkeit ähnlich groß aus wie jener von boomer) angeführt, die zunehmend ins Rentenalter sozialer Isolation oder Alleinleben [20]. kommen [11]. Ein Vergleich von älteren Frauen und Männern verdeutlicht, dass Frauen zwar häufiger alleine leben, aber nicht häufiger einsam sind als Männer. 5.2.2 Einsamkeitserleben Dass sich ältere Frauen und Männer im Einsam- keitserleben nicht unterscheiden, liegt jedoch nicht Vor dem Hintergrund der höheren Zahl allein daran, dass ältere Frauen größere soziale Netz- lebender Frauen stellt sich die Frage, ob es ent- werke hätten als Männer. Während sich im mittle- sprechend mehr ältere Frauen als Männer gibt, die ren Erwachsenenalter tatsächlich ein Geschlechter Einsamkeit erleben. Einsamkeit bezeichnet das unterschied in der Netzwerkgröße zeigt, findet sich negative subjektive Erleben und Bewerten einer bei Frauen und Männern im Alter zwischen 70 und Diskrepanz zwischen gewünschten und tatsäch 85 Jahren kein Unterschied in der Anzahl von Per- lichen sozialen Beziehungen [12]. Diese Diskre- sonen im engen Netzwerk [21]. panz kann sich auf die Zahl der Beziehungs Die Daten des DEAS verweisen darauf, dass personen wie auch auf die Beziehungsqualität innerhalb der Gruppe der älteren Frauen die beziehen [13]. Einsamkeit hängt oftmals mit sozia Alleinlebenden über ein höheres Einsamkeitserle- ler Isolation zusammen, d. h. mit einem objekti- ben berichten als jene, die mit anderen Personen ven Mangel an sozialen Beziehungen, ist damit – meist ihrem Ehepartner – zusammenleben (Abb. aber nicht gleichzusetzen. Menschen können sich 5.2.2.1). Demnach ist mehr als jede zehnte ältere, trotz großer sozialer Netzwerke einsam fühlen alleinlebende Frau einsam, bei den Zusammenle- und umgekehrt, sich auch mit wenigen sozialen benden sind es nur etwa halb so viele. Im Vergleich Kontakten als zufrieden und sozial eingebunden zu Frauen im mittleren Erwachsenenalter (40 bis 54 empfinden. Jahre: 8,8 %, 55 bis 69 Jahre: 8,5 % mit Einsamkeits- erleben) berichten Frauen zwischen 70 und 85 Jah- Abbildung 5.2.2.1 ren jedoch nicht häufiger von Einsamkeit (8,0 %) Anteil älterer Frauen mit Einsamkeitserleben nach Alter und Lebensform [22]. Allerdings hat sich in dieser Studie gegenüber Datenbasis: Deutscher Alterssurvey 2014 dem Erhebungsjahr 1996 ein Wandel vollzogen. Im Jahr 1996 gab es noch Unterschiede im Einsam- 14 Anteil (%) keitserleben zuungunsten älterer Frauen: Damals berichteten noch 12,5 % der Frauen zwischen 70 12 und 85 Jahren über Einsamkeit, jedoch nur 8,8 % 10 der Frauen zwischen 40 und 54 Jahren [22]. Dieser Rückgang könnte darauf zurückzuführen sein, dass 8 heutzutage mehr Frauen gemeinsam mit ihrem 6 Ehepartner alt werden als noch vor rund 20 Jahren. Die berichteten bevölkerungsrepräsentativen 4 Angaben basierend auf dem DEAS beziehen sich 2 ausschließlich auf die Bevölkerung in Privathaus- halten, während rund 4 % der Menschen ab 65 Jah- 65− 69 70 −74 75 −79 80 − 84 ren vollstationär in Heimen leben [23]. Dadurch Altersgruppe (Jahre) könnte der Anteil einsamer Frauen im Alter Alleinlebend Zusammenlebend etwas unterschätzt werden. Dennoch machen die
224 Kapitel 5 | Gesundheit älterer Frauen Ergebnisse insgesamt deutlich, dass nur ein kleiner Diabetes [30]. Die Angaben zur Prävalenz von Teil älterer Frauen im Alter einsam ist. Aber auch Harninkontinenz schwanken stark, auch weil für jene, die davon betroffen sind, ist Einsamkeit das Thema schambesetzt ist. Etwa ein Drittel der kein unabwendbares Schicksal. Neben den Kon- Frauen ab 80 Jahren ist vermutlich betroffen [28]. takten in der Nachbarschaft, zu Freundinnen und Freunden sowie Bekannten können auch gezielte Interventionsangebote wie soziale und bildungs 5.3.1 Subjektive Gesundheit bezogene Gruppenaktivitäten zur Verringerung von Einsamkeit im Alter beitragen [24]. Als subjektive Gesundheit wird der selbstein- geschätzte Gesundheitszustand einer Person bezeichnet. Dieser kann deutlich vom medizinisch 5.3 Gesundheitliche Lage älterer Frauen diagnostizierten Gesundheitszustand abweichen [31]. Diese Abweichung ist insbesondere im höhe- Seit vielen Jahrzehnten kommen Studien immer ren Lebensalter zu beobachten: Während sich die wieder zu dem Schluss, dass Frauen in entwi- objektive, d. h. diagnosebasierte Gesundheit mit ckelten Ländern wie Deutschland länger leben steigendem Alter oft merklich verschlechtert, als Männer, aber mehr Krankheiten haben [25]. nimmt das subjektive Gesundheitserleben nicht Im Folgenden wird dargestellt, für welche Gesund- unbedingt im gleichen Maße ab [32]. Zahlreiche heitsaspekte Geschlechterunterschiede im Alter zu Studien konnten zudem zeigen, dass die subjek- finden sind, inwieweit bestimmte Gruppen von tive Gesundheit besser vorhersagen kann, wie Frauen besonders betroffen sind und welche Erklä- lange Menschen leben, als dies mithilfe objekti- rungs- und Präventionsansätze bestehen. Darge- ver Informationen über den Gesundheitszustand stellt werden Gesundheitsaspekte, die gerade im möglich ist [33–36]. Während frühere Studien Alter eine besondere Bedeutung erfahren. Hierzu darauf hinwiesen, dass der Effekt der subjekti- zählen u. a. subjektive Gesundheit, Depression ven Gesundheit auf die Sterblichkeit bei Männern und Demenz, körperliche Gebrechlichkeit und größer ist als bei Frauen [35], zeigen aktuellere Stürze. Damit umfasst das folgende Kapitel nicht Studien keine bedeutsamen Geschlechterunter- allein Gesundheitsaspekte, die körperliche Erkran- schiede [37, 38]. kungen widerspiegeln, sondern auch solche zu Zur Messung der subjektiven Gesundheit wurde gesundheitsbezogener Lebensqualität, psychi- im Rahmen der Studie GEDA 2014/2015-EHIS des schen Erkrankungen sowie Risikofaktoren für den RKI das international etablierte Minimum Euro- Verlust von Selbstständigkeit im Alter. pean Health Module (MEHM) eingesetzt. Dabei Für das folgende Kapitel musste eine Auswahl zeigen sich für die Altersgruppe der 65-jährigen von Gesundheitsaspekten getroffen werden. Dane- und älteren Menschen in Deutschland keine Unter- ben gibt es weitere wichtige Gesundheitsprobleme schiede in der subjektiven Gesundheit von Frauen im Alter, z. B. Schmerzen sowie Inkontinenz. Auch und Männern. Dies entspricht vergleichbaren sie können deutliche Einschränkungen in den All- Befunden des DEAS [39, 40]. tagsaktivitäten nach sich ziehen. In Studien zeigt In der Gruppe der 65-jährigen und älteren sich übereinstimmend, dass Frauen über mehr Frauen bewerten insgesamt 45,7 % ihre Gesund- Schmerzen berichten als Männer [26, 27]. Als heit als gut oder sehr gut. Eine nähere Betrachtung Ursachen für das erhöhte Schmerzrisiko bei älte- zeigt, dass sich innerhalb dieser Gruppe die sub- ren Frauen im Vergleich zu Männern werden ein jektive Gesundheit je nach Alter deutlich unter- schlechterer Allgemeinzustand, mehr chronische scheidet: Bewertet in der Altersgruppe der 65- bis Erkrankungen, psychische Belastungen und ver- 74-Jährigen noch mehr als jede zweite Frau ihre ringerte körperliche Aktivität angeführt [26]. Von Gesundheit als gut oder sehr gut (54,9 %), berich- Harninkontinenz sind in jüngeren Jahren mehr ten nur noch 39,7 % der 75- bis 84-jährigen Frauen Frauen als Männer betroffen, im Alter verringern von einer guten oder sehr guten Gesundheit, in der sich die Geschlechterunterschiede deutlich [28, Altersgruppe der 85-Jährigen und Älteren noch 29]. Risikofaktoren bei Frauen sind u. a. Schwan- jede vierte Frau (24,7 %). Entsprechend nimmt gerschaften, vaginale Entbindung, Adipositas und der Anteil jener Frauen über die Altersgruppen
Gesundheit älterer Frauen | Kapitel 5 225 hinweg zu, die eine mittelmäßige bis sehr schlechte SOEP und in der GEDA-Studie wurde die subjek- Gesundheit berichten. tive Gesundheit unterschiedlich erfragt, die Ergeb- Alleinlebende Frauen unterscheiden sich laut nisse lassen sich daher nicht direkt mit den oben GEDA-Daten in ihrer subjektiven Gesundheit nicht berichteten GEDA-Befunden vergleichen. von Frauen, die in Mehrpersonenhaushalten leben. Da die subjektive Gesundheit nicht allein den Es zeigen sich Bildungsunterschiede, allerdings nur objektiven Gesundheitszustand widerspiegelt, son- in der Gruppe der 65- bis 74-Jährigen. In dieser dern gerade bei älteren Menschen weitere Aspekte Altersgruppe bewerten nur 46,1 % der Frauen aus wie Lebenszufriedenheit, positive Stimmung und der unteren Bildungsgruppe ihre Gesundheit als körperliche Aktivität mit einschließt, gibt es meh- gut oder sehr gut, während dieser Anteil bei jenen rere mögliche Gründe für den positiven Trend [43]. aus der mittleren bzw. oberen Bildungsgruppe deut- Aufgrund der großen Bedeutung von subjektiver lich höher liegt (58,5 % bzw. 63,5 %). Dass sich die- Gesundheit für die Sterblichkeit, aber auch für die ser auch aus anderen Studien bekannte Bildungs- objektive Gesundheit [44], ist die insgesamt gute unterschied [39, 41] in der subjektiven Gesundheit und im zeitlichen Verlauf besser gewordene sub- nicht für 75-Jährige und Ältere zeigt, könnte teil- jektive Gesundheit älterer Frauen ein bedeutsamer weise darauf zurückzuführen sein, dass besonders Befund. in unteren Bildungsgruppen ein fortgeschrittenes Alter vor allem dann erreicht wird, wenn eine gute Gesundheit besteht. 5.3.2 Depression Eine ergänzende Betrachtung der subjektiven Gesundheit im Zeitverlauf weist darauf hin, dass Zu den Hauptmerkmalen einer depressiven Stö- sich bei älteren Frauen ein Trend zu besserer sub- rung gehören eine gedrückte Stimmung, vermin- jektiver Gesundheit abzeichnet [42]. Dies machen derter Antrieb und Aktivität sowie der Verlust von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) Freude und Interesse. Oftmals kommen Konzentra- deutlich (Abb. 5.3.1.1). Demnach haben heutzutage tionsschwierigkeiten, Müdigkeit, Schlafstörungen ältere Frauen ab 60 Jahren eine bessere subjek- und verminderter Appetit hinzu. Ebenso sind Pro- tive Gesundheit als jene, die diese Lebensphase bleme beim Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen vor rund 20 Jahren erreicht haben. Der Anteil von verbreitet. Depressive Störungen unterscheiden Frauen mit guter bis sehr guter subjektiver Gesund- sich nach Schweregrad. Während die Dysthymie heit liegt insgesamt niedriger als in GEDA. Im eine eher milde, jedoch langandauernde depressive Abbildung 5.3.1.1 Anteil älterer Frauen mit guter oder sehr guter subjektiver Gesundheit im Zeitverlauf nach Alter Datenbasis: Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) Anteil (%) 40 35 30 25 20 15 10 5 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 Jahr 60 − 69 Jahre 70 Jahre und älter
226 Kapitel 5 | Gesundheit älterer Frauen Verstimmung ist, zeichnet sich eine schwere Abbildung 5.3.2.1 Depression durch einen entsprechend höheren Anteil älterer Frauen und Männer mit selbstberichteter ärztlich diagnostizierter Depression in den letzten Schweregrad der genannten Symptomatik aus. 12 Monaten nach Alter Eine Depression ist diagnostisch abgrenzbar Datenbasis: GEDA 2014/2015-EHIS [49] von Gefühlen wie Traurigkeit, Stress oder Furcht, die alle Menschen hin und wieder erleben [45]. Bei 16 Anteil (%) älteren Menschen äußert sich eine Depression teil- weise anders als bei Jüngeren. Neben körperlichen 14 Beschwerden treten psychische Komponenten wie 12 Hoffnungslosigkeit, subjektive Gedächtnispro- bleme und kognitive Defizite häufiger auf als bei 10 Jüngeren [46]. Es wird vermutet, dass eine Depres- 8 sion bei älteren Menschen häufiger unterdiagnos- 6 tiziert bleibt, nicht allein wegen einer teilweise anderen Symptomatik, sondern auch weil ältere 4 Menschen wie ihre behandelnden Ärztinnen und 2 Ärzte solche Symptome eher dem Altern als solches oder einer körperlichen Erkrankung zuschreiben. Bezüglich der Krankheitskosten von Depression im 65−74 75− 84 ≥ 85 Altersgruppe (Jahre) Alter kommt eine systematische Analyse verschie- Frauen Männer dener internationaler Studien zum Ergebnis, dass die ambulanten und stationären Kosten ebenso Der deutliche Anstieg von Depression bei wie die Gesamtkosten für die Gesundheitsversor- Frauen ab dem Alter von 85 Jahren zeigt sich auch gung bei älteren Menschen mit Depression um ein in internationalen Studien [46]. Ebenso ist die ins- Drittel höher liegen als bei jenen ohne Depression gesamt im Vergleich zu Männern deutlich höhere [47]. Internationalen Studien zur Häufigkeit von Prävalenz von Depression bei Frauen – national wie depressiven Störungen im Lebensalter ab 75 Jahren international – aus zahlreichen Studien bekannt. zufolge sind rund 7,1 % dieser Bevölkerungsgruppe Einer aktuellen Metaanalyse zufolge, die jüngere von einer schweren Depression betroffen, die Prä- wie ältere Altersgruppen einbezog, sind rund dop- valenz für leichtere Formen depressiver Störungen pelt so viele Frauen wie Männer an einer Depres- liegt bei 17,1 % [46]. sion erkrankt [50]. Es werden mehrere Gründe für Im Rahmen der Studie GEDA 2014/15-EHIS diesen Geschlechterunterschied diskutiert. Biologi- wurde Depression anhand der selbstberichte- sche Unterschiede wie hormonelle Veränderungen, ten ärztlichen Diagnose in den letzten 12 Mona- z. B. in der Adoleszenz und in der Menopause, wer- ten erfasst [48]. In der Altersgruppe der 65-jähri- den als eine Erklärung herangezogen [51], teilweise gen und älteren Personen zeigt sich, dass 8 % der jedoch auch in Frage gestellt [52]. Soziale Unter- Frauen und 5 % der Männer über eine Depressi- schiede wie Einkommensungleichheit, Diskrimi- onsdiagnose berichten. Für ältere Frauen ist ein nierung von Frauen oder geschlechtsbezogene deutlicher Anstieg der Prävalenzraten über die drei Arbeitsteilung sind weniger umstrittene Gründe betrachteten Altersgruppen hinweg festzustellen für den Geschlechterunterschied. Auch gesundheit- (Abb. 5.3.2.1). Unterschiede zwischen Frauen, die liche Unterschiede wie die höhere Prävalenz von alleine oder in einem Mehrpersonenhaushalt leben, Krankheiten und Funktionseinbußen bei Frauen zeigen sich dabei nicht. Im Gegensatz zu älteren tragen zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Frauen zeigt sich bei gleichaltrigen Männern kein Depression bei. Schließlich werden geschlechter bedeutsamer Anstieg von Depression im Alters- stereotype Vorstellungen auf Seiten der Patientin- gruppenvergleich. Allerdings ist einschränkend zu nen und Patienten, aber auch auf Seiten der Ärztin- berücksichtigen, dass aufgrund geringer Fallzahlen nen und Ärzte als weitere Erklärung herangezogen. besonders in der Gruppe der 85-jährigen und älte- Eine Depression wird eher als typisch weibliche ren Männer dieser Befund in zukünftigen Studien Krankheit angesehen, was dazu beitragen könnte, näher untersucht werden sollte. dass sie bei Frauen häufiger diagnostiziert wird.
Gesundheit älterer Frauen | Kapitel 5 227 Darüber hinaus sind Geschlechterunterschiede im sind Gedächtnisstörungen, Beeinträchtigungen in Hilfesuchverhalten belegt. Frauen nehmen häufi- Aufmerksamkeit, Sprache, Denkvermögen, Orien- ger und früher medizinische Hilfe in Anspruch tierungssinn und Urteilsvermögen sowie Apathie als Männer, auch erwähnen sie in der ärztlichen [57]. Schätzungen gehen davon aus, dass bei zwei Konsultation häufiger psychische und psychosoma- von drei Menschen mit Demenz die Ursache eine tische Beschwerden als Männer [53]. Bei Männern Alzheimer-Krankheit ist [58]. Demenzerkrankun- äußert sich eine Depression zudem oftmals weni- gen gehen mit erheblichen persönlichen, gesell- ger anhand klassischer Depressionssymptome, son- schaftlichen und ökonomischen Konsequenzen dern über erhöhte Feindseligkeit, Agitiertheit und einher, insbesondere aufgrund des hohen Versor- Alkoholkonsum (siehe Kapitel 2.1.7) [50, 54]. Die im gungs- und Pflegebedarfs der Betroffenen [59]. Vergleich zu Frauen deutlich höheren Suizidraten In Deutschland lebten Ende des Jahres 2016 von Männern, die im Alter besonders ausgeprägt rund 1,6 Millionen Menschen mit Demenz [58]. sind, verweisen ebenfalls darauf, dass bei Männern Über 98 % der Demenzerkrankungen betreffen eine Depression häufiger unerkannt und dadurch Menschen ab 65 Jahren, Frauen sind dabei deutlich unbehandelt bleibt als bei Frauen [55], da Depressi- häufiger von Demenz betroffen als Männer. Bei onen als Hauptursache für Suizide gelten. den 65-jährigen und älteren Frauen liegt die Präva- Die in Abbildung 5.3.2.1 dargestellten Prävalen- lenzrate bei rund 11 %, bei Männern bei 7,2 %; zwei zen machen deutlich, dass Depression besonders Drittel der Erkrankten sind Frauen [58]. im hohen Alter verbreitet ist. Da die Zahl hochaltri- In den höheren Altersgruppen steigen die Präva- ger Menschen ab 85 Jahren in Deutschland in den lenzraten steil an, für Frauen stärker als für Männer kommenden Jahren steigen wird, könnte auch die (Abb. 5.3.3.1). Zwei Drittel aller Demenzerkrankten Zahl von depressiv erkrankten älteren Frauen deut- sind mindestens 80 Jahre alt, im Alter ab 90 Jah- lich zunehmen. Die dargestellten Prävalenzraten ren sind 44,2 % der Frauen (und 29,0 % der Män- beziehen sich nur auf Frauen in Privathaushalten, ner) an einer Demenz erkrankt. Anhand von Kran- während Schätzungen davon ausgehen, dass die kenkassendaten der Gmünder Ersatzkasse wurde Prävalenz bei Heimbewohnerinnen und -bewoh- ergänzend betrachtet, wie hoch die Prävalenz von nern mit rund 15 % bis 20 % deutlich höher liegt Demenz bei älteren, in Privathaushalten bzw. Hei- [56]. Um zukünftige Bedarfe von älteren und ins- men lebenden Menschen ist. Dabei zeigte sich, dass besondere hochaltrigen Frauen mit Blick auf Prä- mehr als die Hälfte der Menschen in Pflegeheimen vention und Behandlung einer Depression besser eine Demenz haben und damit die Prävalenz rund abschätzen zu können, ist es erforderlich, anhand 19-mal so hoch liegt wie bei Menschen in Privat- von größeren Bevölkerungsstichproben die Verbrei- haushalten [60]. Hierbei ist jedoch zu beachten, tung und Ursachen von Depressionen im hohen dass Menschen häufig aufgrund ihrer Demenz in Alter zu untersuchen. Ein wichtiger Schritt in diese Pflegeheimen versorgt werden und nicht erst im Richtung ist ein Projekt zum Einschluss von hoch- Pflegeheim an Demenz erkranken. altrigen und gesundheitlich eingeschränkten älte- International wird diskutiert, inwieweit die in ren Menschen im Rahmen des RKI-Gesundheits- vielen Studien gefundenen Geschlechterunter- monitorings. schiede vor allem darauf zurückzuführen sind, dass mehr Frauen als Männer ein hohes Alter erreichen [61]. Diskutiert wird auch die Rolle von Bildung 5.3.3 Demenz als Schutzfaktor vor Demenz [62]. Die geringeren Bildungsunterschiede zwischen Frauen und Män- Neben einer Depression zählt Demenz zu den nern in den nachwachsenden Jahrgängen könnten beiden am häufigsten vorkommenden psychi- ebenso wie die sich angleichende Lebenserwartung schen Erkrankungen bei Frauen im Alter. Unter dazu beitragen, dass in Zukunft die geschlechtsbe- Demenz wird eine erworbene und fortschreitende zogenen Unterschiede geringer werden. Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähig- Mehrere internationale Studien geben Grund keit verstanden. Demenz tritt vor allem im Alter zur Annahme, dass die Zahl von Neuerkrankungen auf, ist aber keine normale Begleiterscheinung des (Inzidenz) an Demenz weniger stark ansteigen wird Alters. Kennzeichen demenzieller Erkrankungen als dies bisher aufgrund von Vorausberechnungen
228 Kapitel 5 | Gesundheit älterer Frauen Abbildung 5.3.3.1 Anteil älterer Frauen und Männer mit Demenz nach Alter Datenbasis: Alzheimer Europe [57] Anteil (%) 45 40 35 30 25 20 15 10 5 65 − 69 70 −74 75 −79 80 −84 85 – 89 ≥ 90 Altersgruppe (Jahre) Frauen Männer erwartet wurde [63, 64]. Wie sich die Verbreitung mehrerer Medikamente (Polypharmazie, siehe von Demenz in Zukunft entwickeln wird, hängt u. a. Kapitel 2.3.7) sowie regelmäßig notwendige Arzt davon ab, wie erfolgreich Public-Health- und andere besuche und Behandlungen. Multimorbidität ist Maßnahmen dazu beitragen, potenziell beeinfluss- oftmals begleitet von funktionalen Einschränkun- bare Risiken für Demenz wie körperliche Inaktivi- gen, verringerter Lebensqualität und einem deut- tät, Rauchen, missbräuchlicher Alkoholkonsum, lich erhöhten Risiko einer Depression [70–72]. Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck, Depression Durch die vermehrte Inanspruchnahme von und geringe Bildung zu vermeiden [65, 66]. Hoch- Gesundheitsleistungen ist Multimorbidität zudem rechnungen zufolge können allein in Deutschland oftmals mit hohen Kosten verbunden, sowohl für 30,5 % der aktuellen Fälle von Alzheimer-Demenz die Betroffenen (z. B. aufgrund von Zuzahlungen auf die genannten Risikofaktoren zurückgeführt für Medikamente) als auch für das Gesundheits- werden [58]. Weitere beeinflussbare Risikofakto- system [73]. ren umfassen soziale Isolation und Gehörverlust Im Rahmen des DEAS wurden die Befragten [67]. Vor dem Hintergrund der weltweiten Alterung gebeten, anhand einer Liste von elf Krankheits der Bevölkerung und dem damit zu erwartenden gruppen (u. a. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs- Anstieg der Zahl von Menschen mit Demenz, wird erkrankungen) anzugeben, welche der genannten die Bedeutung dieser Krankheit für die Gesund- Erkrankungen bei ihnen vorliegen. Basierend auf heitssysteme in den kommenden Jahren weiter diesen Angaben wurde ein Multimorbiditätsin- zunehmen. dex gebildet, der die Zahl der genannten Erkran- kungen enthält. Die Daten des DEAS zeigen für ältere Erwachsene deutliche Alters-, Geschlechts- 5.3.4 Multimorbidität und Bildungsunterschiede: Frauen sind häufiger von Multimorbidität betroffen, ein höheres Alter Treten bei einer Person mehrere (mindestens und geringere Bildung erhöhen unabhängig vom zwei) chronische Erkrankungen gleichzeitig auf, Geschlecht das Risiko für Multimorbidität. Diese wird von Multimorbidität gesprochen [68, 69]. Mit Ergebnisse stehen im Einklang mit Befunden ande- zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlich- rer Studien [74]. Zwar leiden Menschen auch schon keit von Multimorbidität erheblich an. Für viele im mittleren Erwachsenenalter an Krankheiten, Erkrankte erfordert dies zugleich eine Einnahme beispielsweise ist fast jede zweite Frau (48,7 %) in
Gesundheit älterer Frauen | Kapitel 5 229 Deutschland im Alter zwischen 40 und 54 Jahren den Daten des DEAS zufolge bei den älteren Frauen von zwei und mehr Erkrankungen betroffen [75]. ab 65 Jahren Gelenk-, Knochen-, Bandscheiben oder Mit steigendem Alter kommt es jedoch oft zu einer Rückenleiden (53,6 %), Augenleiden (35,8 %) sowie weiteren Kumulation von Erkrankungen. Gründe Herz-Kreislauf-Erkrankungen (32,2 %). Dabei zeigen dafür sind neben altersphysiologischen Prozessen sich innerhalb dieser Gruppe keine Unterschiede in (z. B. Veränderungen der Muskelmasse oder Kno- Abhängigkeit vom Bildungsstand oder der Lebens- chendichte, hormonelle Veränderungen), auch über form, d. h. allein- oder zusammenlebend. viele Jahre hinweg andauernde Risikofaktoren (z. B. Eine Reihe von internationalen Quer- und Inaktivität, Rauchen, Übergewicht) sowie Erkran- Längsschnittstudien verweist darauf, dass die Mehr- kungen, die in der Folge einer anderen Erkran- zahl der älteren Bevölkerung von Multimorbidität kung auftreten (z. B. Veränderungen an Blutgefä- betroffen ist [76–78]. In den letzten Jahren gibt ßen infolge einer Diabetes-Erkrankung). Frauen es zunehmend Bestrebungen, Leitlinien für die sind häufiger von Multimorbidität betroffen, da Diagnose und Behandlung von Multimorbidität sie aufgrund der längeren Lebenszeit eine höhere aufzustellen [79]. Im Fokus steht dabei die Verbes- Wahrscheinlichkeit für die Entstehung (weiterer) serung der Lebensqualität der Betroffenen. Erkrankungen haben und zudem häufiger von Krankheiten betroffen sind, die nicht tödlich enden. Innerhalb der Gruppe der älteren Frauen gibt es 5.3.5 Körperliche Funktionsfähigkeit deutliche Unterschiede: Mit steigendem Alter sind Frauen häufiger von Multimorbidität betroffen. Wäh- Die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Funk- rend in der Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen tionsfähigkeit wird von der Weltgesundheitsorgani- rund zwei von drei Frauen angeben, mindestens sation (WHO) als Hauptkriterium gesunden Alterns zwei Erkrankungen zu haben, steigt der Anteil bis herangezogen [80]. Je nach Definition umfasst der zur Altersgruppe der 80- bis 84-Jährigen auf fast Begriff der Funktionsfähigkeit neben körperlichen 90 % an (Abb. 5.3.4.1). Besonders stark steigt dabei auch kognitive Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten sind der Anteil an Frauen mit fünf oder mehr Erkrankun- eine wichtige Grundlage für das tägliche Leben und gen. Zu den häufigsten Krankheitsgruppen zählen ermöglichen Selbstständigkeit und gesellschaftliche Teilhabe [81]. Einschränkungen der Funktionsfähig- Abbildung 5.3.4.1 Anzahl selbstberichteter Erkrankungen bei älteren Frauen keit beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität, nach Alter sondern tragen auch dazu bei, dass ältere Menschen Datenbasis: Deutscher Alterssurvey 2014 stürzen, in ein Heim umziehen oder vorzeitig ver- sterben [82]. Im Folgenden steht die körperliche Anteil (%) 100 Funktionsfähigkeit im Zentrum der Betrachtung, 90 während in Kapitel 5.3.3 auf Demenz und damit auf eine vergleichsweise häufige Form kognitiver 80 Einschränkung eingegangen wurde. 70 Im höheren Lebensalter verschlechtert sich oft- mals die körperliche Funktionsfähigkeit. Eine Reihe 60 von nationalen und internationalen Studien weist 50 darauf hin, dass Frauen dabei häufiger als Män- ner von Einschränkungen der körperlichen Funk- 40 tionsfähigkeit betroffen sind [83–86]. Dies zeigt 30 sich auch anhand der Daten des DEAS, im Rah- men dessen die körperliche Funktionsfähigkeit 20 anhand der Subskala „Körperliche Funktionsfähig- 10 keit (Mobilität/Aktivitäten des täglichen Lebens)“ des SF-36-Fragebogens [87] gemessen wurde. Dabei 65 − 69 70 −74 75−79 80 − 84 wird körperliche Funktionsfähigkeit mit insge- Altersgruppe (Jahre) samt zehn Fragen erfasst, auf deren Grundlage ein 0 bis 1 2 bis 4 5 und mehr Gesamtmaß zur körperlichen Funktionsfähigkeit
230 Kapitel 5 | Gesundheit älterer Frauen gebildet werden kann. Die zehn Fragen decken Abbildung 5.3.5.1 verschiedene Aktivitätsbereiche ab, von basalen Körperliche Funktionsfähigkeit (Mittelwerte auf einer Skala zwischen 0 und 100 Punkten) der gesundheits Aktivitäten des täglichen Lebens, wie sich baden bezogenen Lebensqualität (SF-36-Fragebogen) bei oder anziehen, bis zu anstrengenden Tätigkeiten, älteren Frauen und Männern nach Alter wie z. B. schnell laufen oder schwere Gegenstände Datenbasis: Deutscher Alterssurvey 2014 heben. Der Wert null bedeutet dabei, dass eine Per- Mittelwert son hinsichtlich aller erfragten Aspekte der körper- 100 lichen Funktionsfähigkeit sehr eingeschränkt ist, 90 der Wert 100 gibt an, dass eine Person über keiner- 80 lei Einschränkungen berichtet. In der Altersgruppe der 65- bis 84-jährigen Frauen liegt der mittlere 70 Wert bei 71,4, bei gleichaltrigen Männern beträgt 60 er 79,3. Hier zeigt sich – wie in anderen Studien – ein bedeutsamer Unterschied zuungunsten der 50 Frauen. Dieser Geschlechterunterschied wird auch 40 in Abbildung 5.3.5.1 deutlich. In der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen zeigen sich keine bedeut- 30 samen Geschlechterunterschiede in der körper- 20 lichen Funktionsfähigkeit, in der Altersgruppe der 75- bis 79-Jährigen sowie der 80- bis 84-Jäh- 10 rigen sind die Werte der körperlichen Funktions- fähigkeit bei Frauen jedoch deutlich geringer. Für 65 − 69 70 − 74 75 − 79 80 − 84 alle in Abbildung 5.3.5.1 dargestellten Altersgruppen Altersgruppe (Jahre) zeigen sich zusätzlich Bildungsunterschiede. Ältere Frauen Männer Frauen aus der unteren Bildungsgruppe haben eine deutlich schlechtere körperliche Funktionsfä- Funktionsfähigkeit verschlechtert sich im höheren higkeit als solche mit mittlerer Bildung, während Lebensalter auch stärker als bei Männern [83]. Stu- diese Frauen wiederum eine schlechtere körper dien, die untersucht haben, warum ältere Frauen liche Funktionsfähigkeit haben als Frauen aus der eine schlechtere körperliche Funktionsfähigkeit oberen Bildungsgruppe (gleiches gilt auch für die haben als gleichaltrige Männer, weisen darauf hin, Gruppe der Männer). In der Gruppe der 80- bis dass insbesondere das Vorliegen muskuloskeletta- 84-jährigen Frauen finden sich zusätzlich Unter- ler, neurodegenerativer und psychischer Erkran- schiede zwischen jenen, die alleine oder mit ande- kungen, aber auch Multimorbidität (siehe Kapitel ren – meist ihrem Ehepartner – zusammenleben. 5.3.4) die größeren funktionalen Einschränkungen Alleinlebende Frauen dieser Altersgruppe haben von Frauen erklären können, da Frauen von diesen eine schlechtere körperliche Funktionsfähigkeit. Erkrankungen häufiger betroffen sind als Männer Die im Rahmen des DEAS gewonnenen Aussagen [81, 85]. beziehen sich auf ältere Menschen in Privathaus- Im Trend zeigt sich, dass bei den 65-Jährigen halten. Für Aussagen zur körperlichen Funktions und Älteren der Anteil von Personen mit guter fähigkeit von älteren Menschen, die in Heimen funktionaler Gesundheit zwischen 2002 und 2014 leben, werden oftmals die sogenannten ADLs und angestiegen ist [75]. Eine positive Entwicklung IADLs genutzt (basal and instrumental activities wird insbesondere für 70- bis 85-jährige Frauen of daily living) [88–91]. Die Möglichkeiten zur Aus- im Vergleich der Jahre 2002 und 2008 beobachtet, führung basaler und erweiterter Aktivitäten des während zwischen 2008 und 2014 kein weiterer täglichen Lebens können damit abgebildet werden. Anstieg der funktionalen Gesundheit festzustel- Entsprechende Altersunterschiede in der kör- len ist [92]. perlichen Funktionsfähigkeit zeigen sich auch Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass anhand individueller Verlaufsdaten. Ältere Frauen gerade bei älteren Menschen regelmäßiger kör- haben demnach nicht nur eine schlechtere körper- perlicher Aktivität eine wichtige Rolle zukommt, liche Funktionsfähigkeit als Männer, sondern ihre um Einbußen der körperlichen Funktionsfähigkeit
Gesundheit älterer Frauen | Kapitel 5 231 zu vermeiden oder zu reduzieren [93]. Diese Erfolge in Deutschland (DEGS1, 2008 – 2011). In DEGS1 regelmäßiger Bewegung zeigen sich auch bei älte- war die Prävalenz von körperlicher Gebrechlichkeit ren Menschen mit chronischen Erkrankungen [94]. insgesamt gering und es zeigten sich keine Unter- Dennoch erreichen viele ältere Menschen und dabei schiede zwischen Frauen und Männern: Dieser Stu- insbesondere ältere Frauen nicht das empfohlene die zufolge haben 3,8 % der Frauen und 2,6 % der Maß körperlicher Aktivität, wie in Kapitel 5.4.1 Männer zwischen 70 und 79 Jahren körperliche näher erläutert wird. Gebrechen. 40,1 % der Frauen wurden der Vorstufe „pre-frailty“ zugeordnet (39,6 % der Männer) [105]. Damit ist die Prävalenzrate geringer als dies aus 5.3.6 Körperliche Gebrechlichkeit anderen Studien bekannt ist [103]. Auch im Rah- men von großen deutschen, regionalen Studien Körperliche Gebrechlichkeit, auch als frailty zeigen sich höhere Prävalenzraten von Gebrech- bezeichnet, beschreibt eine Kombination verschie- lichkeit und pre-frailty [106]. Aufgrund regionaler dener Krankheitszeichen (geriatrisches Syndrom), Stichprobencharakteristika, anderer Altersgrup- wie verminderte Kraft, Ausdauer und Funktions pen-Aufteilungen (meist > 65 Jahre) und teilweise fähigkeit und betrifft vor allem Menschen im anderer Kriterien für Gebrechlichkeit, lassen sich hohen Alter. Gebrechlichkeit erhöht u. a. deutlich die verschiedenen Daten allerdings nur bedingt das Risiko für Stürze, Krankenhauseinweisungen, miteinander vergleichen. Die eher geringen Zah- Behinderungen, kognitive Beeinträchtigungen, len in DEGS1 zur Verbreitung von Gebrechlichkeit Wechsel in eine Heimversorgung und Sterblich- sind vor allem darauf zurückzuführen, dass in der keit [95–100]. Studie keine Personen ab 80 Jahren berücksichtigt Aussagen dazu, wie verbreitet körperliche werden konnten. Gebrechlichkeit im Alter ist, variieren stark zwi- schen verschiedenen Studien. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass es keinen einheitlich verwen- 5.3.7 Stürze und Sturzangst deten Standard für die Messung von Gebrechlich- keit gibt [101]. Trotz variierender Befunde ist über Mit zunehmendem Alter kommt es häufiger zu viele Studien hinweg übereinstimmend zu finden, Stürzen und auch die Konsequenzen werden dass Frauen deutlich häufiger von Gebrechlichkeit schwerwiegender. Stürze können schwere Verlet- betroffen sind als Männer [102]. Im Rahmen einer zungen, Krankenhausaufenthalte und langwierige internationalen systematischen Übersichtsstudie Heilungsprozesse nach sich ziehen oder sogar töd- konnte beispielsweise aufgezeigt werden, dass die lich enden [107]. Insbesondere Hüftfrakturen sind Verbreitung von Gebrechlichkeit bei in Privathaus- eine häufige Folge schwerer Sturzereignisse, die halten lebenden Frauen ab 65 Jahren durchschnitt- für längere Zeit die Mobilität und somit die Unab- lich bei 9,6 % liegt und damit fast doppelt so hoch hängigkeit einschränken und vorübergehend oder ist wie bei gleichaltrigen Männern (5,2 %) [103]. auch dauerhaft zu Pflegebedürftigkeit und Kran- Die SHARE-Studie untersuchte Gebrechlichkeit in kenhaus- oder Heimaufenthalten führen können. zehn europäischen Ländern (u. a. Deutschland) und Stürze können nicht nur körperliche Verletzun- weist ebenfalls auf eine fast doppelt so hohe Ver- gen verursachen, sondern auch zu einer Angst vor breitung von Gebrechlichkeit bei älteren Frauen im weiteren Stürzen (sog. Post-Fall-Syndrom) und in Vergleich zu Männern hin. Dieser Studie zufolge der Folge zur Einschränkung von Alltagsaktivitäten sind 21,0 % der Frauen ab 65 Jahren, aber nur 11,9 % führen [108]. Schränkt eine Person ihre Aktivitä- der Männer gleichen Alters gebrechlich [104]. Die ten im Alltag über einen längeren Zeitraum ein, Daten für Deutschland werden dabei nicht getrennt lassen in der Folge oftmals Beweglichkeit, Kraft ausgewiesen. oder auch Gleichgewicht nach, was die Angst vor Zur Untersuchung der Prävalenz von Gebrech- Stürzen und das Sturzrisiko verstärkt. Dadurch ent- lichkeit in Deutschland wurden die Daten von 1.110 steht eine Abwärtsspirale, die bis zum teilweise Personen (556 Frauen und 554 Männer) im Alter oder vollständigen Verlust der Selbstständigkeit zwischen 70 und 79 Jahren berücksichtigt. Sie ent- und zur Pflegebedürftigkeit führen kann, insbeson- stammen der Studie zur Gesundheit Erwachsener dere bei älteren Frauen [109]. Zu Faktoren, die die
232 Kapitel 5 | Gesundheit älterer Frauen Wahrscheinlichkeit für einen Sturz erhöhen, zählen die Altersgruppen hinweg. In den Altersgruppen neben Stürzen in der Vergangenheit auch Beein- ab 75 Jahren berichten deutlich mehr Frauen von trächtigungen in Gang und Gleichgewicht, Poly- Sturzangst als von Sturzerfahrungen. Zugleich pharmazie, Sehbeeinträchtigungen sowie schlechte steigt der Anteil von Frauen an, die aufgrund von Lichtverhältnisse und unebene Böden [107]. Sturzangst Aktivitäten einschränken. Bei den 65- Im DEAS wurden Personen danach gefragt, ob bis 74-Jährigen liegt dieser Anteil noch deutlich sie in den letzten zwölf Monaten gefallen sind. Hier- unter 10 %, er vervierfacht sich bei den 80-Jähri- bei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen gen und Älteren (29,3 %). Es zeigen sich jedoch Frauen und Männern: Die Frage nach einem Sturz keine Bildungsunterschiede oder Unterschiede ereignis im letzten Jahr bejahte rund jede vierte zwischen Frauen, die alleine oder mit jemandem Frau (25,8 %), aber nur jeder siebte Mann (15,2 %) zusammenleben. im Alter zwischen 65 und 84 Jahren. Neben diesen Der Großteil der publizierten Studien verweist Geschlechterunterschieden zeigen sich Altersun- auf eine Sturzprävalenz bei Frauen ab 65 Jahren terschiede innerhalb der Gruppe der Frauen: Mit von mindestens 20 % [110]. Übereinstimmend mit steigendem Alter ist bei den Frauen eine Zunahme der Literatur [z. B. 106, 111, 112] zeigen die dargestell- von Stürzen zu verzeichnen. Während in der Alters- ten Befunde aus dem DEAS, dass höheres Alter gruppe der 65- bis 69-Jährigen 18 % der Frauen sowie weibliches Geschlecht wichtige Risikofak- angaben, im letzten Jahr gefallen zu sein, berichtete toren für Stürze sind. Neben den genannten all- bei den 75-Jährigen und Älteren fast jede dritte Frau gemeinen Risikofaktoren für Stürze, die mit dem über ein Sturzereignis (Abb. 5.3.7.1). Alter zunehmen, spielen nachlassende Reflexe Neben Sturzerfahrungen ist auch die Angst vor eine Rolle, wodurch das rechtzeitige Abfangen des Stürzen bei älteren Frauen verbreitet. Rund jede Körpers mit den Armen oder Beinen verzögert ist. dritte Frau (32,1 %) im Alter zwischen 65 und 84 Frauen sind insbesondere betroffen, da der Mus- Jahren hat Angst vor Stürzen. Bei den Männern kelabbau mit zunehmendem Alter im Vergleich zu in dieser Altersgruppe sind es nur halb so viele Männern schneller voranschreitet. Außerdem zählt (14,7 %). Dementsprechend schränken auch doppelt auch körperliche Gebrechlichkeit zu den Risikofak- so viele Frauen (14,7 %) wie Männer (7,7 %) aus die- toren für Stürze [96], insbesondere bei Frauen [113] sem Grund ihre Aktivitäten innerhalb oder außer- (siehe Kapitel 5.3.6). halb des Hauses ein. Abbildung 5.3.7.1 zeigt den Studien zur Häufigkeit von Stürzen in Pfle- deutlichen Anstieg der Sturzangst und der damit geheimen zeigen im Gegensatz zu jenen in Pri- verbundenen Einschränkung von Aktivitäten über vathaushalten allerdings einen gegenläufigen Befund. Einer bayerischen Studie in 528 Pfle- Abbildung 5.3.7.1 Anteil älterer Frauen mit Sturzerfahrungen oder Sturz geheimen zufolge stürzen Männer häufiger als angst nach Alter Frauen [114], ein Befund, der vergleichbare Studien Datenbasis: Deutscher Alterssurvey 2014 anderer Länder stützt [vgl. 115]. Die Gründe für die höhere Sturzhäufigkeit von Männern in Pflege- Anteil (%) 60 heimen sind bisher nicht klar, da sich die höhere 50 Sturzhäufigkeit bei Männern auch dann zeigt, wenn Frauen und Männer innerhalb einer Pfle- 40 gestufe miteinander verglichen werden. Disku- 30 tiert wird, dass die Gründe für den Heimübergang zwischen Frauen und Männern variieren könnten, 20 da Frauen ihre Partner länger zu Hause pflegen. 10 Entsprechende Unterschiede in der Funktions- fähigkeit zwischen Frauen und Männer werden möglicherweise nicht ausreichend über die Pfle- 65 − 69 70 − 74 75 − 79 80 − 84 Altersgruppe (Jahre) gestufe abgebildet, so die Autorinnen und Auto- In den letzten 12 Monaten hingefallen ren der bayerischen Studie (durchgeführt wurde In den letzten 12 Monaten Angst gehabt hinzufallen Aufgrund von Angst Aktivitäten im Haus oder draußen die Studie vor der Einführung der Pflegegrade im eingeschränkt Jahr 2018) [114].
Gesundheit älterer Frauen | Kapitel 5 233 Um Stürze und deren negative Konsequenzen im Rahmen von Vorsorgevollmacht, Betreuungs- zu vermeiden, werden mittlerweile in vielen Pfle- und Patientenverfügung zu formulieren, damit die geheimen und Begegnungsstätten für ältere Men- Versorgung tatsächlich nach ihrem Willen erfolgt. schen Maßnahmen zur Sturzprophylaxe angebo- ten. Viele Sturzpräventionsprogramme wie das „Otago Übungsprogramm“ oder das Programm 5.4.1 Körperliche Aktivität „Standfest und Stabil“ zielen vor allem darauf ab, das Muskel- und Skelettsystem zu stärken, um Unter dem Oberbegriff körperliche Aktivität wer- zukünftigen Stürzen vorzubeugen [116, 117]. Die den verschiedene Formen von Bewegung zusam- hier dargestellten Befunde zeigen, dass insbe- mengefasst. Gerade bei älteren Menschen liegt sondere bei Frauen auch die Angst vor Stürzen dabei der Fokus nicht auf sportlichen Aktivitäten, berücksichtigt werden sollte. Die Vermittlung von da diese je nach Gesundheitszustand nicht oder Geh- und Trittsicherheit und das Aufzeigen, wie nur eingeschränkt ausgeübt werden können. Ein- Gefahrenquellen in der Umwelt beseitigt werden bezogen werden vielmehr auch Alltagsaktivitäten können (Vermeidung von Stolperfallen in der wie Treppensteigen oder Zufußgehen. eigenen Häuslichkeit, Anbringen von Haltegrif- Ein körperlich aktiver Lebensstil verbessert die fen, Tragen von festem Schuhwerk) sind deshalb Gesundheit von Menschen, insbesondere im Alter. wichtige ergänzende Bestandteile für Angebote Zahlreiche Studien konnten den gesundheitsförder- zur Sturzprophylaxe, um eine Abwärtsspirale von lichen Effekt von körperlicher Aktivität für eine bes- Stürzen und Sturzangst zu vermeiden. sere körperliche und kognitive Funktionsfähigkeit, für die Reduktion des Sturzrisikos, höheres Wohlbe- finden und Lebensqualität sowie geringere Depres- 5.4 Gesundheits und Vorsorge sivität bei älteren Menschen nachweisen [118–123]. verhalten älterer Frauen Bewegungsmangel erhöht nachweislich das Risiko für viele chronische Erkrankungen, die im Wie gesund ältere Frauen sind, hängt nicht allein Alter vermehrt auftreten (siehe Kapitel 5.3.4), wie von genetischen, biologischen oder psychosozialen Diabetes mellitus Typ 2, Koronare Herzkrankheit, Faktoren ab, sondern auch von ihrem Gesundheits- Brust- oder Darmkrebs und erhöht zudem das Risiko verhalten. Besonders die gesundheitsförderliche vorzeitiger Sterblichkeit [124]. Basierend auf wissen- Wirkung regelmäßiger körperlicher Aktivität ist bis schaftlichen Erkenntnissen der gesundheitlichen ins hohe Alter gut belegt und zwar auch dann, wenn Wirkung von Bewegung gibt es deshalb Empfeh- Erkrankungen bestehen. Aus diesem Grund wird lungen für ein Mindestmaß von Aktivitäten. Die nachfolgend betrachtet, wie verbreitet körperliche WHO empfiehlt Erwachsenen ab 65 Jahren min- Aktivität bei älteren Frauen ist. Andere Aspekte destens 150 Minuten pro Woche mindestens mäßig des Gesundheitsverhaltens, wie z. B. Tabak- und anstrengende Ausdaueraktivitäten auszuüben, die Alkoholkonsum, haben im jungen und mittleren eine erhöhte Atem- und Herzfrequenz erzeugen und Lebensalter eine größere Bedeutung als im Alter. über einen Zeitraum von wenigstens zehn Minuten In den Kapiteln 2.2.4 und 2.2.5 werden der Tabak- ohne Unterbrechung ausgeübt werden [125]. Unter und Alkoholkonsum von Frauen dargestellt, dort Ausdaueraktivitäten werden körperliche Aktivitäten gibt es auch kurze Ausführungen zum Konsum zusammengefasst, die einen gesundheitsförder älterer Frauen. Ebenso sei auf die Berichtskapitel lichen Effekt auf das Herz-Kreislauf- und Stoff- zur Ernährung (2.2.2) und Körpergewicht (2.2.3) wechselsystem haben, wie Radfahren, Wandern oder verwiesen, auch hier werden Daten für alle Alters- Schwimmen. Außerdem empfiehlt die WHO, an gruppen dargestellt. mindestens zwei Tagen in der Woche Aktivitäten zur Neben gesundheitsförderlichen Verhaltenswei- Stärkung und Kräftigung des Muskel-Skelett-Appara- sen ist zudem bedeutsam, inwieweit Menschen tes auszuüben. Hierzu zählt gezieltes Krafttraining, Vorsorge treffen für den Fall schwerer Erkrankun- aber auch Treppensteigen. Bestehen Mobilitätsein- gen sowie für die Versorgung am Lebensende. Da schränkungen, werden zusätzlich Gleichgewichts- Frauen häufiger als Männer im Alter alleine leben, übungen an mindestens drei Tagen pro Woche zur kann es für sie noch wichtiger sein, ihre Wünsche Sturzprävention empfohlen [125].
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