Corona-Nothilfe - Deutsch-Indische Zusammenarbeit

Die Seite wird erstellt Stefan-Nikolai Gross
 
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Corona-Nothilfe - Deutsch-Indische Zusammenarbeit
Kostenlos, wir freuen uns über Spenden!            Nr. 85 • 3. Quartal 2020 • www.diz-ev.de

              Das Magazin der Deutsch-Indischen Zusammenarbeit e. V.

                          Corona-Nothilfe

              Wie unsere Partner überall in Indien den Menschen in der Corona-
Foto: IRCDS

              Krise zur Seite stehen: Soforthilfen für die Ärmsten der Armen,
              Essensverteilungen und Aufklärung zur Pandemie (ab Seite 4)
Corona-Nothilfe - Deutsch-Indische Zusammenarbeit
2                                                  DIZ aktuell • Nr. 85 • 3. Quartal 2020

Liebe Mitglieder der DIZ, liebe Freundinnen und Freunde der Indien-Arbeit,

im Editorial des vergangenen Heftes, der         troffen werden möge. Diese Hoffnung
DIZ aktuell Nr. 84, hatte ich noch der           hat sich leider weitestgehend zerschla-
Hoffnung Ausdruck verliehen, dass Indi-          gen. Durch tägliche Telefonate mit Part-
en nicht so stark von der Pandemie be-           nerorganisationen und Familie in Indi-
                                                 en und durch Verfolgung der Zahlen der
                                                 Johns Hopkins Universität müssen wir

                                                                                                Foto: Caroline Link
Impressum
                                                 zur Kenntnis nehmen, dass Indien keines-
Herausgeber:
Deutsch-Indische Zusammenarbeit e. V.            wegs milder getroffen oder gar vom Virus
VR 11141, AG Frankfurt am Main                   verschont wurde, sondern dass vielmehr
Vorstand i. S. d. § 26 BGB:                      die Zahl der an COVID-19 Erkrankten
Dr. Jona A. Dohrmann, Danielle Berg,                                                                                  Dr. Jona A. Dohrmann
Dr. Thilo Elsässer, Nikolaus Ell,                auf aktuell zweithöchstem Niveau welt-
Monika Scherf                                    weit liegt.
Odrellstraße 43, 60486 Frankfurt am Main             Relativiert wird dies durch die Tatsa-                           rechtzuerhalten, die gerade in Corona-
Tel.: 069 7940 3920
E-Mail: info@diz-ev.de
                                                 che, dass Indien auch die zweithöchste                               Zeiten auch mit Aufklärung zum neuarti-
www.diz-ev.de                                    Bevölkerungszahl weltweit hinter China                               gen Virus einhergehen.
Redaktion: Dr. Jona Aravind Dohrmann,            hat und die Genesungsrate laut indischer                                 Wir freuen uns und sind sehr dank-
Sybille Franck (V. i. S. d. P.), Caroline Link   Behörden überdurchschnittlich hoch ist.                              bar, dass IHR euch so SOLIDARISCH mit
Grafisches Gesamtkonzept: Stefan Berndt,         Belastbare Zahlen dazu sind dort wie                                 den Menschen in den Arbeitsgebieten un-
www.fototypo.de.                                 hier mit Vorsicht zu genießen. Was aber                              serer indischen Partner gezeigt habt. Auf-
Layout: Wolfgang Polkowski, www.kgwp.de          sehr klar ist: dass Millionen von Menschen                           grund unseres Spendenaufrufs kamen ca.
Titelbild: Besonders bedürftige Familien er-     durch den Wegfall von Einkommensmög-                                 30.000 Euro an Spenden für die Coro-
halten von der Organisation IRCDS Reis,
                                                 lichkeiten betroffen sind und kein wie                               na-Soforthilfe zusammen. Dafür DAN-
Weizen und Öl.
                                                 auch immer geartetes Kurzarbeitergeld                                KEN wir EUCH ganz herzlich! Gerade in
Alle Rechte vorbehalten von Deutsch-
Indische Zusammenarbeit e. V., 2020
                                                 sie auffängt, wovon sehr viele Menschen                              den auch für viele Menschen in Deutsch-
                                                 in Deutschland gerade profitieren. Daher                             land schwierigen Zeiten ist das ein nicht
Spendenkonten:                                   wird Deutschland verschiedentlich auch                               selbstverständliches Zeichen der Solidari-
Hauptverein:
                                                 als „Corona-Paradies“ bezeichnet, wo es                              tät mit den Menschen in Indien. Denn vor
Evangelische Bank
IBAN: DE84520604100004004108                     einen echten Lockdown nicht gegeben                                  dem Virus sind nicht alle gleich!
BIC: GENODEF1EK1                                 hat, die Kontaktbeschränkungen moderat                                   Dank Eurer großzügigen Unterstüt-
DIZ Baden-Württemberg e. V.:                     sind, die Krankenhäuser zu keinem Zeit-                              zung konnten wir die Spenden durch zu-
Evangelische Bank                                punkt überlastet waren und viele Men-                                sätzliche Mittel des Bundesministeriums
IBAN: DE50 5206 0410 0003 6904 40
                                                 schen sogar trotz der Pandemie Urlaub                                für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
BIC: GENODEF1EK1
                                                 machen konnten.                                                      Entwicklung (BMZ) sogar bei zwei Part-
DIZ Berlin e. V.:
Evangelische Bank
                                                     Indien stand und steht vor dem Di-                               nern um das zehnfache hebeln. Aber dazu
IBAN: DE88 5206 0410 0004 0042 30                lemma, weiterhin strenge Lockdown-                                   mehr in den nachfolgenden Berichten. Da
BIC: GENODEF1EK1                                 Maßnahmen zu verhängen, durch die                                    ich leider noch keine Entwarnung in Sa-
Gyan Shenbakkam – Deutsch-Indische Zu-           jedoch viele Menschen in die absolute Ar-                            chen Corona geben kann, bitte ich alle
sammenarbeit e. V.                               mut fallen und wortwörtlich nichts mehr                              weiterhin, die DIZ mit Spenden für die
Evangelische Bank
IBAN: DE88 5206 0410 0008 0066 44                zu essen haben. Oder man verzichtet da-                              Corona-Hilfe zu unterstützen, damit un-
BIC: GENODEF1EK1                                 rauf mit der Folge, dass sich das Virus epi-                         sere indischen Partner weiterhin ihrer
Der Herausgeber ist für den Inhalt allein        demisch ausbreitet und ebenfalls die am                              aufopferungsvollen Aufgabe im Dienste
verantwortlich                                   meisten benachteiligten Menschen mit                                 der Ärmsten nachgehen können.
                                                 voller Wucht trifft. Umso wichtiger ist                                  Seid weiterhin achtsam, unterschätzt
                                                 es, dass die DIZ verlässliche Partner in                             das Virus nicht! Nehmt die Gefahr wei-
                                                 Indien hat, die sich um die Belange der                              terhin auch im eigenen Interesse ernst!
                                                 Ärmsten kümmern und Familien Nah-                                    Wir und unsere indischen Partner tun
                                                 rungsmittelpakete, Gesichtsmasken und                                dies auch,
                                                 Hygiene-Artikel zur Verfügung stellen.
                                                 Darüber hinaus versuchen die indischen
                                                 Partner die gesundheitlichen Dienste auf-
Corona-Nothilfe - Deutsch-Indische Zusammenarbeit
— Das Magazin der Deutsch-Indischen Zusammenarbeit e. V. —                                 3

Schauplätze in Indien
Betul                                   Phagi
Aus dem Dorf Padhar bei                 In Phagi nahe der Stadt Jaipur war unsere
Betul stammt unsere Süd-                weltwärts-Freiwillige Tamara Petrovic im
Nord-Freiwillige Arshia Chou-           Einsatz – bis die Corona-Pandemie sie
drie, die mit »The Indigo               innerhalb von Stunden aus ihrem Leben
Connection« einen englisch-             in Indien warf (Seite 10).
sprachigen Blog ins Leben
gerufen hat (Seite 18).

                                                                 Nagpur
                                                                 Sitz unseres Ankerpartners Ecumenical Sangam, der
                                                                 sich aktuell – wie unsere anderen indischen Partner-
                                                                 organisationen auch – vor allem in der Corona-Sofort-
                                                                 hilfe engagiert (Seiten 4 und 16). Im benachbarten Dorf
                                                Delhi            Bamhani betreibt der Sangam eine nachhaltige Land-
                                                                 wirtschaft, die vom Land Hessen und nun auch von der
Chittoor                                    Phagi                Erbacher Stiftung und dem Hand in Hand-Fonds geför-
In dieser südindischen                                           dert wird (Seite 17).
Stadt erlebten meh-
rere unserer welt-
wärts-Freiwilligen das
pandemiebedingte
Ende ihres Freiwil-
                                        Betul       Nagpur             Kolkata        Kolkata
ligendienstes. Arne                                                                   Im Dorf Khardah, etwa 50 Kilo-
Tanger erwischte es                                                                   meter entfernt von Kolkata im
                                            Bamhani
am Ende seines Auf-                                                                   Bundesstaat Westbengalen, hat
enthaltes in Indien.              Mumbai                                              Nastasia Filimonow einen welt-
Er schildert das zer-                                                                 wärts-Freiwilligendienst bei
mürbende Warten                                                                       KPCWA absolviert. Was sie dort
auf den Rückholflug.                                                                  erlebte, bis die Corona-Pandemie
Konstantin Graf von                                                                   ihren Einsatz vorzeitig beendete,
Pfeil kam bereits kurz                                                                schildert sie ab Seite 12.
nach seiner Ankunft                Chittoor Tiruvallur
in Indien in Quaran-
täne (Seite 10).                        Bangalore

                                                                                      Tiruvallur
                                                                                      Sitz unserer Partnerorganisation
Bangalore                                                                             IRCDS, die Bildungslotsen ausbil-
                                                                                      det. Für das vom BMZ geförderte
Sitz unserer Partnerorganisation Dream School Founda-
                                                                                      Projekt gibt es jetzt weitere
tion (DSF), die mit Online-Kursen dafür sorgt, dass die
                                                                                      Unterstützung für die Corona-
pandemiebedingte Bildungslücke nicht zu groß wird. Und
                                                                                      Nothilfe (Seite 16).
wenn die Schule hoffentlich bald wieder startet, stattet die
DSF Lernende und Schulen mit Seife und Desinfektions-
mitteln aus (Seite 7).

Lesen Sie außerdem in dieser Ausgabe…
…wie es mit dem weltwärts-Programm in Zeiten von Corona weitergeht (Seite 15) und wie sich die Pandemie auf die
Arbeit der DIZ ausgewirkt hat (Seite 8). Den neuen DIZ-Postkartenkalender für 2021 präsentieren wir Ihnen auf Seite
19. Und die Termine finden Sie wie gewohnt am Ende des Magazins auf Seite 20.
Corona-Nothilfe - Deutsch-Indische Zusammenarbeit
4
Foto: SGUS
                                                 DIZ aktuell • Nr. 85 • 3. Quartal 2020

Hilfe während der Ausgangssperre: Kartoffeln, Zwiebeln, Kekse, Speiseöl, Reis, Dal und Seife erhalten bedürftige Menschen von unserer
Partnerorganisation SGUS in West-Bengalen.

»Hunger ist die größte
Bedrohung«
Corona-Krise: Wie sich unsere Partner in Indien für die Ärmsten der Armen engagieren

Von Caroline Link                             haben kein Einkommen mehr, und stärker             Helfen, wo es am nötigsten ist: Das
und Sybille Franck                            als das Virus fürchten viele Menschen in       war und ist das Gebot in der Pandemie
                                              Indien den Hunger.                             für unsere indischen Partnerorganisatio-
Die weltweite Corona-Pandemie hat auch            Schon vor der Pandemie hatten viele        nen. Es bedeutet insbesondere die Vertei-
das Leben nahezu aller Inderinnen und In-     Inderinnen und Inder nicht genug zu essen.     lung von Lebensmitteln an die Hungern-
der schlagartig verändert: Die Regierung      Indien befindet sich im Welthunger-Index       den. Im Fokus der Arbeit stehen zudem
verhängte eine Ausgangssperre, die Polizei    (WHI) in der WHI-Schwere­gradkategorie         finanzielle Soforthilfen für die Ärmsten
kontrolliert diese strikt. Tagelöhnerinnen    »ernst«. »Kein Hunger«, das zweite glo-        der Armen, aber auch Aufklärung zur Pan-
und Tagelöhner, die auf Baustellen oder in    bale Ziel für nachhaltige Entwicklung, ist     demie, die Erläuterung von Hygieneregeln
der Landwirtschaft arbeiten, können nicht     durch Corona in noch weitere Ferne ge-         und nicht zuletzt das Mut machen in einer
mehr zu ihren Arbeitsstellen gelangen. Sie    rückt – nicht nur in Indien.                   schier aussichtslosen Situation.
Corona-Nothilfe - Deutsch-Indische Zusammenarbeit
— Das Magazin der Deutsch-Indischen Zusammenarbeit e. V. —                                                    5

    »Für Tagelöhner, die aufgrund der Co-
rona-Krise keine Arbeit mehr finden, ist
Hunger jetzt die größte Bedrohung«, sagt
Stephen Paul Cruz, Leiter unserer süd-
indischen Partnerorganisation IRCDS in
Tiruvallur. »Schulen und Kindergärten
sind geschlossen, die Kinder erhalten
dort kein Mittagessen mehr, aber die Fa-
milien haben nicht genug Lebensmittel«,
beschreibt er die Situation vieler Men-
                                              Foto: IRCDS

schen aus den besonders marginalisier-
ten Gruppen der Dalits und der Adivasi.
Ihnen hilft IRCDS: Freiwillige aus den ver-
schiedenen Dörfern, die die Arbeit von                      Kinder und Jugendliche werden von IRCDS betreut, um ihnen Abwechlsung im bedrohli-
                                                            chen Alltag der Corona-Pandemie zu geben.
IRCDS unterstützen, geben eine Mahlzeit
am Tag an Kinder aus, damit diese über-
haupt etwas zu essen bekommen. Beson-                       men Inderinnen und Inder Anspruch auf        nable Development (CFSD) in Nagpur.
ders bedürftige Familien erhalten zudem                     staatliche Unterstützung. Die sogenann-      Diese Menschen, häufig Dalits und Adi-
Reis, Weizen und Öl.                                        te »Ration Card« berechtigt sie jeder-       vasi, bekommen daher auch keine staat-
    »Gleich zu Beginn der Ausgangssper-                     zeit, nicht nur jetzt in der Corona-Krise,   lichen Corona-Hilfen. Eine Lücke, die die
re starben hier in der Nachbarschaft zwei                   staatlich subventionierte Lebensmittel in    Nichtregierungsorganisationen nun aus-
Menschen an Hunger«, erinnert sich Ruby                                                                  füllen müssen, die mit Spenden Lebens-
Nakka, Leiter des Hope Houses in Vello-                                                                  mittel einkaufen und diese unter großen
re. Das war der Auslöser: »Unser Team                         »Viele Menschen arbeiten als               behördlichen Auflagen verteilen.
beschloss, den Bedürftigen Mahlzeiten zu                      ­Tagelöhnerinnen und Tagelöhner in             Einer ebenfalls besonders gefährde-
kochen«, berichtet er. 130 Mahlzeiten am                       weit entfernten Städten. Manche keh-      ten Gruppe widmet sich die Organisati-
                                                               ren nun ohne Arbeit nach Hause zu-
Tag werden gekocht und verteilt, hygie-                                                                  on GRAVIS: »In Indien gibt es eine große
                                                               rück, andere können den Familien
nisch verpackt, die Köche und Köchin-                                                                    Zahl älterer Menschen, und viele von ih-
                                                               kein Geld mehr s­ chicken.«
nen tragen Mundschutz.Tag für Tag berei-                                                                 nen leben in abgelegenen ländlichen Ge-
                                                              Biswajit Ghoroi, Leiter von SGUS
ten sie seitdem Dal und Reis zu, um vor                                                                  bieten mit großer Armut und mangeln-
allem Kinder vor dem Hungertod zu be-                                                                    der Gesundheits- und Sozialversorgung.
wahren. Darüber hinaus verteilen sie –                      bestimmten Geschäften zu kaufen. »Viele      Sie sind zudem bezüglich der Mortalität
wie viele andere unserer Partner – Pa-                      Menschen haben jedoch keine Berechti-        die am stärksten von COVID-19 betrof-
kete mit trockenen Lebensmitteln, aber                      gungskarte erhalten, obwohl sie bitterarm    fene Gruppe«, erklärt GRAVIS-Direktor
auch Seife.                                                 sind«, kritisiert Leena Buddhe, Leite-       Dr. Prakash Tyagi. Doch ihr Schutz habe
    Eigentlich haben die besonders ar-                      rin der Organisation Centre for Sustai-      bei den Maßnahmen der Regierung kei-
                                                                                                         nerlei Priorität. »Ältere Frauen und älte-
                                                                                                         re Menschen mit Behinderungen sind in
  Corona-Soforthilfe                                                                                     Indien einem noch größeren Risiko aus-
  Wir sind überwältigt von der großen Resonanz auf den Katastrophenfonds der                             gesetzt, da sie noch schlechter ernährt
  DIZ für die Corona-Soforthilfe in Indien! Bislang sind bereits rund 30.000 Euro                        sind und öfter erkrankt waren«, erklärt
  an Spenden eingegangen, mit denen Sie die in diesem Text beschriebenen Hilfen                          Tyagi. Daher hat sich GRAVIS entschlos-
  unterstützt haben. Wir danken allen Spenderinnen und Spendern ganz herzlich!                           sen, vor allem den älteren Menschen in
      Da die Corona-Krise noch auf unbestimmte Zeit andauert, wird jedoch wei-
                                                                                                         den Dörfern der Thar-Wüste in Rajasthan
  terhin Hilfe benötigt. Wir würden uns daher sehr freuen, wenn Sie auch künftig
                                                                                                         zu helfen.
  die Corona-Soforthilfe unserer Partner unterstützen! Für viele Menschen ist sie
  überlebenswichtig und derzeit ihre einzige Chance, diese Krise zu überstehen.                              »In vielen ländlichen Gebieten sind äl-
                                                                                                         tere Menschen isoliert, sie sind sich der
  Evangelische Bank eG
  IBAN: DE84 5206 0410 0004 0041 08                                                                      Bedrohung durch das Corona-Virus nicht
  Stichwort: Corona-Soforthilfe                                                                          voll bewusst«, so Tyagi. Daher nutzt auch
                                                                                                         GRAVIS die Hausbesuche zur Verteilung
Corona-Nothilfe - Deutsch-Indische Zusammenarbeit
6                                                DIZ aktuell • Nr. 85 • 3. Quartal 2020

der Lebensmittel für die Aufklärung über      in dem Distrikt leben davon, Echthaarpe-       nestandards einzuhalten. Eine besonde-
Corona. Mittlerweile hat die Organisati-      rücken anzufertigen – dieses Geschäft ist      re Bedeutung bei der Aufklärung kommt
on eine breite Palette an Bildungsmateri-     vollkommen zum Erliegen gekommen, da           den Trained Birth Attendants zu, da sie
alien zu COVID-19 entwickelt, aufberei-       die Perücken nach China exportiert wur-        aus in ihrem jeweiligen Dorf mit behörd-
tet für ihre ältere Zielgruppe.               den. Auch diese Familien stehen nun voll-      licher Erlaubnis nun von Haus zu Haus
    Eine Versorgungskette für lebensnot-      kommen ohne Einkommen da.                      gehen und darüber informieren, wie sich
wendige Güter für die arme Bevölkerung                                                       die Krankheit ausbreitet, woran man sie
hat die Organisation Youth for Change                                                        erkennt und wie man selbst Masken her-
(YFC) installiert. Das ehrgeizige Ziel: Je-      »Für die Menschen aus unserem               stellen kann.
der Haushalt in Rurka Kalan soll mit Des-        ­CLATS-Projekt, die an Tuberkulose               Stephen Paul Cruz von IRCDS weist
infektionsmitteln, Masken, Medikamenten           erkrankt sind oder an Lepra leiden,        noch auf eine weitere Gefahr in der Pan-
und genügend Lebensmitteln ausgestattet           ist das Virus eine g­ roße Gefahr.«        demie hin, die ebenfalls eine sehr verletz-
sein. »Wir haben bereits mehrere Tausend         Karen D’Souza, Leiterin des                 liche Gruppe betrifft: »Viele Kinder brau-
Masken unter den Dorfbewohnerinnen               Ecumenical Sangam                           chen psychologische Unterstützung. Sie
und -bewohnern sowie Gesundheitshel-                                                         sind verängstigt, weil ihr Leben bedroht
ferinnen und -helfern in Rurka Kalan ver-                                                    ist, wenn die Eltern die Arbeit verlieren
teilt«, sagt YFC-Direktor Gurmangal Dass.         Mit einer sehr vulnerablen Gruppe          und es nichts mehr zu essen gibt«. Da-
400 bis 500 Atemmasken produzieren die        arbeitet unser Ankerpartner in Nagpur:         her versucht IRCDS, den Kindern und
40 ehrenamtlichen Näherinnen derzeit          »Für die Menschen aus unserem CLATS-           Jugendlichen auch Gespräche anzubieten
täglich. Davon sollen auch die umliegen-      Projekt, die an Tuberkulose erkrankt sind      und ihnen so zu ermöglichen, ihre Sor-
den Dörfer profitieren.                       oder an Lepra leiden, ist das Virus eine       gen zu teilen.
    Auch die Organisation Sarbik Gram         große Gefahr«, erklärt Karen D’Souza,               Die Organisation bietet den Kindern
Unnayan Sangha (SGUS) in West-Ben-            Leiterin des Ecumenical Sangam. Daher          zudem trotz der angespannten Situati-
galen verteilt neben Lebensmitteln auch       müssen auch deren Familien besonde-            on Abwechslung im Alltag: Wenigstens
Masken. »Viele Menschen aus der Gegend        re Vorsicht walten lassen. Naresh Kolhe,       für ein oder zwei Stunden am Tag sollen
arbeiten als Tagelöhnerinnen und Tagelöh-     Saarika Jangle und die anderen Mitarbei-       sie der Enge zu Hause entfliehen können,
ner in weit entfernten Städten. Manche        tenden aus dem Gesundheitsteam klären          Geschichten hören, Origami falten lernen,
kehren nun ohne Arbeit nach Hause zu-         insbesondere die Menschen in den Slums         Schmuck herstellen oder gemeinsam sin-
rück, andere können den Familien kein         über Corona und die nötigen Verhaltens-        gen – alles natürlich mit dem notwendigen
Geld mehr schicken«, berichtet Biswajit       weisen auf. Aber in den Slums ist es sehr      Sicherheitsabstand, der bei diesen Frei-
Ghoroi, Leiter von SGUS.Viele Menschen        schwer, die Abstandsregeln und Hygie-          zeitaktivitäten spielerisch praktiziert wird.

Viele Partnerorganisationen engagieren sich in der Corona-Nothilfe und verteilen Lebensmittel an Bedürftige.
Foto: IRCDS
Corona-Nothilfe - Deutsch-Indische Zusammenarbeit
— Das Magazin der Deutsch-Indischen Zusammenarbeit e. V. —                                           7

Online-Unterricht gegen die Corona-Bildungslücke
Die Dream School Foundation bietet Online-Kurse an – Förderung durch die Stiftung
Entwicklungszusammenarbeit des Landes Baden-Württemberg

cl/sf. Pandemiebedingt keine Schule mehr      Pandemie hilft. In einer Soforthilfe-Akti-           Mitarbeitende der DSF schulen alle
– das hat die jungen Menschen weltweit        on hatte sie zahlreiche bedürftige Fami- Lehrerinnen und Lehrer dieser Schulen,
wohl nur kurze Zeit erfreut. In Indien sind   lien ihrer Schülerinnen und Schüler un- damit sie ihre Klassen über das richtige
mehr als 285 Millionen junge Lernende         terstützt. Diese bekamen eine einmalige Verhalten in den meist übervollen Klas-
von den Schul- und Universitätsschließun-     Spende in Höhe von 2.500 Rupien (rund senzimmern und auch zu Hause in den
gen betroffen. Und Online-Lernen schei-       33 Euro) pro Familie. Alle Studierenden Slums der Stadt Bangalore informieren
tert gerade in einkommensschwachen            in Indien müssen ein Bankkonto mit ei- können. Denn Abstandsgebote sind dort
Familien oft daran, dass die Schülerinnen     ner Debitkartenmöglichkeit haben – ein viel schwieriger umzusetzen als andern-
und Schüler keinen Zugang zu E-Learning-      Segen in dieser Situation, denn so konnte orts. »Parallel dazu erstellen wir Flyer, die
Ressourcen haben.                             das Geld für die Soforthilfe direkt trans- in den verschiedenen Muttersprachen der
    Damit die pandemiebedingte Bildungs-      feriert werden. Kumar befürchtet jedoch, Kinder die richtigen Verhaltensweisen er-
lücke nicht zu groß wird, hat unsere Part-    dass die Probleme der Schülerinnen und klären«, berichtet Kumar. Diese Informati-
nerorganisation Dream School Founda-          Schüler und ihrer Familien unter anderem onen sollen die Schülerinnen und Schüler
tion (DSF) Online-Unterricht für die          aufgrund von steigender Arbeitslosigkeit an ihre Familien und die Nachbarschaften
von ihr unterstützten Schülerinnen und        nicht so schnell enden werden.                 weitergeben.
Schüler initiiert. Doch um diese Angebo-           Doch Maitreyee Kumar denkt auch                 Für dieses weiterführende Projekt
te nutzen zu können, benötigen die Schü-      schon an die Zeit nach dem Home- konnte die DIZ Baden-Württemberg
lerinnen und Schüler Zugang zu einem          schooling, wenn es hoffentlich im Herbst 9.900 Euro von der Stiftung Entwicklungs-
Smartphone, Tablet oder Laptop – und          oder Winter für alle Kinder und Jugend- zusammenarbeit generieren, die Landes-
auch eine gute Verbindung zum Internet.       lichen wieder zurück in die Schulen geht. mittel für einen Corona-Soforthilfe-Fonds
»Zwar verfügen inzwischen fast 60 Pro-        Wenn es soweit ist, sollen Schülerinnen zur Verfügung stellt. Wir freuen uns sehr,
zent von ihnen über ein Endgerät, das teil-   und Schüler von zwölf staatlichen Schu- die wichtige Arbeit der Dream School
weise auch gemeinsam genutzt wird«, so        len, mit denen die DSF eng zusammenar- Foundation damit unterstützen zu können!
Maitreyee Kumar, Leiterin der DSF. »Aber      beitet, mit Seife, Desinfektionsmitteln und
es gibt immer noch einige, die die Online-    zwei wiederverwendbaren Masken ausge-
Lernangebote mangels Ressourcen nicht         stattet sein. »Ehemalige Schülerinnen von
nutzen können.«                               uns nähen nicht nur die Masken, sondern
    Mit einer Spendenkampagne will die        auch kleine Umhängebeutel, so dass die
DSF gebrauchte Smartphones, Tablets           Kinder alles stets bei sich tragen können«, Mit finanzieller Unterstützung des
                                                                                             ­Staatsministeriums Baden-Württemberg über die
oder Laptops sammeln. Noch immer feh-         erklärt Maitreyee Kumar.                        Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-
len jedoch Endgeräte.                              Darüber hinaus sollen die zwölf Württemberg (SEZ).
    Der Online-Unterricht ist bereits der     Schulen mit Stati-
zweite Schritt, mit dem die DSF in der        onen zur Hände-
                                              desinfektion aus-
                                              gestattet werden,
  Spenden                                     so dass auch das
  Bitte helfen Sie durch eine Spende          gesamte Perso-
  an die DIZ BaWü mit, dass alle Kin-         nal Zugang dazu
  der Zugang zu Lernressourcen ha-            hat. Denn Hygiene
                                                                   Foto: Maitreyee Kumar

  ben und ihr Recht auf Bildung – auch        fällt schwer, wenn
  verankert im nachhaltigen Entwick-          fließendes Was-
  lungsziel Nr. 4 – Wirklichkeit wird.        ser keine Selbst-
                                              verständlichkeit zu
  Evangelische Bank eG
                                              Hause und Seife
  IBAN: DE50 5206 0410 0003 6904 40
                                              ein teures Luxus- Das Näh-Team der DSF – Schülerinnen sowie Ehemalige – näht
  Stichwort: Corona-Soforthilfe
                                              gut ist.                 Masken für 1.500 Kinder und Jugendliche.
Corona-Nothilfe - Deutsch-Indische Zusammenarbeit
8                                                DIZ aktuell • Nr. 85 • 3. Quartal 2020
Foto: Jona A. Dohrmann

                         Auch die entwicklungspolitische Bildungsarbeit der DIZ wurde pandemiebedingt auf virtuelle Formate umgestellt – so wie der Vortrag von
                         Rainer Hörig Ende August zum Thema Nachhaltigkeit in Indien.

                         Die DIZ in der
                         Corona-Krise
                         Rückholung von Freiwilligen aus Indien – Große Spendenbereitschaft für den Katastrophenfonds

                         Von Sybille Franck                             Gebieten, sehr viel besser aufgehoben        sieren, weil Indien inzwischen eine strik-
                                                                        als in Deutschland, das zu der Zeit schon    te Ausgangssperre angeordnet hatte.
                         Als im März die Corona-Krise in Deutsch-       Kontaktsperren angeordnet hatte.             Nicht wenige Freiwillige mussten zudem
                         land begann, sah es zunächst so aus, als           Kaum hatte das DIZ-Team die ersten       eine Odyssee über mehrere indische und
                         bliebe Indien verschont. Viele dachten         Rückflüge gebucht, mussten wir sie teil-     deutsche Flughäfen in Kauf nehmen, weil
                         optimistisch, dass die Pandemie sich ein-      weise umgehend stornieren, da plötzlich      es keine direkten Verbindungen mehr gab.
                         dämmen ließe, dass sie sich unmöglich auf      der gesamte Flugverkehr zwischen Indien      Besonders hart traf es die Freiwilligen, die
                         der ganzen Welt verbreiten könne. Ent-         und Deutschland eingestellt wurde. Einige    aufgrund der gebotenen Eile nicht mehr
                         sprechend fassungslos reagierten Part-         Tage verbrachte das gesamte DIZ-Team         die Chance bekamen, sich von den Mitar-
                         ner, Freiwillige, aber auch Eltern, als es     von morgens bis abends in Warteschlei-       beitenden oder den Zielgruppen in ihren
                         plötzlich seitens des Bundesministeriums       fen von Fluggesellschaften, in Telefonaten   Organisationen zu verabschieden.
                         für wirtschaftliche Zusammenarbeit und         mit Partnerorganisationen und Freiwil-           Für die Freiwilligen eine erschüttern-
                         Entwicklung (BMZ) hieß, dass alle welt-        ligen, und nicht zuletzt auch in Gesprä-     de Erfahrung, wie wir in der Nachbe-
                         wärts-Freiwilligen von jetzt auf gleich nach   chen mit den Konsulaten, um alle noch        treuung erfuhren: Helena Bartsch und
                         Deutschland zurückkehren müssten. Zu           rechtzeitig zurück nach Hause holen zu       Melina Schmidt, die bei der DIZ die Frei-
                         diesem Zeitpunkt gab es kaum Infektio-         können.                                      willigen betreuen, boten allen Rückkeh-
                         nen in Indien. Viele dachten, sie seien in         Für einige Partner war allein die An-    renden Gesprächsrunden über mehre-
                         Indien, gerade in abgelegenen ländlichen       reise zum Flughafen schwierig zu organi-     re Wochen hinweg an, um die Erlebnisse
Corona-Nothilfe - Deutsch-Indische Zusammenarbeit
— Das Magazin der Deutsch-Indischen Zusammenarbeit e. V. —                                      9

zu verarbeiten. Die Freiwilligen sprachen     delte sich mit Beginn der Pandemie radi-     nicht allein zu lassen. So berieten wir uns
aber nicht nur über ihre abrupte Abreise      kal (siehe Bericht ab Seite 4). Und sofort   mit unseren Partnern Ecumenical Sangam,
und die Auswirkungen der Corona-Kri-          war dem DIZ-Team klar, dass wir unsere       IRCDS und Dream School Foundation
se in Indien, sondern auch über andere        Partner bei ihren Bemühungen unterstüt-      und stellten gemeinsam mit ihnen För-
Themen, die sie bewegten. Die Gesprä-         zen wollten, Menschen mit Lebensmitteln      deranträge beim BMZ und bei der Stif-
che fanden natürlich als Videokonferen-       zu versorgen und die Ausbreitung des Vi-     tung Entwicklungszusammenarbeit, die al-
zen statt – ein Werkzeug, das in unserem      rus einzudämmen. Bereits seit vielen Jah-    lesamt in voller Höhe bewilligt wurden
Arbeitsalltag nun ganz selbstverständlich     ren hat die DIZ einen Katastrophenfonds,     (siehe Seite 7 und 16).
Einzug gehalten hat.                          den wir wegen des verheerenden Tsuna-

23     weltwärts-Freiwillige
       mussten ihren Dienst
                                              mis im Jahr 2004 ins Leben gerufen hat-
                                              ten. Nun etablierten wir ihn also wieder:    1 weltwärts-Freiwillige reiste
                                                                                             nachträglich im Schweizer
                                                                                           Rückholprogramm aus
                                              Wir telefonierten mit den Partnern und
­vorzeitig beenden                            veröffentlichten nach und nach, wie sie
                                              der Krise begegnen, was sie tun, um ih-          Auch die dritte Säule der DIZ, die ent-
    Ganz anders hingegen geht es – noch       ren Zielgruppen gerade in dieser schwe-      wicklungspolitische Bildungsarbeit, muss-
immer – den indischen Süd-Nord-Frei-          ren Zeit zur Seite zu stehen, wie sie Men-   ten wir umstellen – und versuchen, das
willigen, die ihren weltwärts-Freiwilligen-   schen vor dem Hungertod bewahren. Es         Beste daraus zu machen: Statt zu Präsenz-
dienst in Deutschland leisten. Sie wur-       waren aufwühlende und bewegende Ge-          veranstaltungen treffen wir uns nun virtu-
den nicht mit Beginn der Pandemie             spräche, die wir mit den Mitarbeitenden      ell zu Vorträgen und Diskussionsrunden.
nach ­Indien zurückgeschickt – ganz im        vor Ort führten.                             So schade es ist, auf das persönliche Ge-
Gegenteil: Einige von ihnen mussten ih-           Wir sind überwältigt von der großen      spräch zu verzichten, so schön ist es, nun
ren Aufenthalt unfreiwillig verlängern.       Spendenbereitschaft! Rund 30.000 Euro        indische Referentinnen und Referenten
Denn noch immer ist es innerhalb In-          habt Ihr / haben Sie gegeben, um den be-     direkt zuschalten zu können und die neu-
diens vielerorts nicht möglich, von ei-       troffenen Menschen in Indiens Slums und      en Veranstaltungsformate viel mehr dazu
ner Stadt in die nächste zu reisen, viele     Dörfern zu helfen! Nicht nur wir, son-       zu nutzen, indische Stimmen zu Wort
kämen vom Flughafen also gar nicht bis        dern vor allem unsere indischen Partner      kommen zu lassen. Im September wer-
zu ihren Familien. Auch sie mussten Zu-                                                    den wir noch die Gelegenheit haben, mit
kunftspläne verwerfen und sich neu ori-
entieren. Zudem treibt sie die Sorge um       5  weltwärts-Freiwillige im
                                                 Rückholprogramm der
                                              ­Bundesrepublik Deutschland
                                                                                           Vertreterinnen und Vertretern des Ecu-
                                                                                           menical Sangam in Nagpur und der Dre-
ihre Familien in Indien um. Auch für die                                                   am School Foundation in Bangalore zu
indischen Freiwilligen keine einfache Si-                                                  sprechen und Informationen direkt aus
tuation, die wir ebenfalls mit regelmä-       sind dankbar für diese großzügige Unter-     erster Hand zu bekommen. Sollte Coro-
ßigen Videokonferenzen versuchten auf-        stützung, mit Hilfe derer unzähligen Fami-   na irgendwann Geschichte sein, möchten
zufangen. Erschwerend kam hinzu, dass         lien über die erste Not hinweggeholfen       wir uns dies unbedingt erhalten und das
die Freiwilligen aus ihren Einsatzstellen     werden konnte. Regelmäßig telefonieren       in der Krise erworbene Wissen weiter-
ins Home­office geschickt wurden und          wir noch immer mit unseren Partnern.         hin nutzen.
sie keinen persönlichen Kontakt mehr          Sie berichten uns von ihrer täglichen Ar-        So begleitet uns die Corona-Pandemie
zu den Kolleginnen und Kollegen hatten.       beit, aber vor allem auch von den großen     weiterhin in unserem Alltag. Wir warten
    Doch nicht nur im weltwärts-Freiwilli-    Sorgen der Menschen.                         ab, wie es mit dem weltwärts-Programm
gendienst gab es gravierende Veränderun-          Erfreulicherweise sahen auch Geldge-     weitergeht (siehe Bericht auf Seite 15)
gen für unsere tägliche Arbeit. Vor allem     ber die Notwendigkeit, Partner im Glo-       und wir tun, was wir können, um unsere
die Arbeit unserer indischen Partner wan-     balen Süden in dieser weltweiten Krise       Partner bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

                                               Herzlichen Dank
                    Wir danken allen Spenderinnen und Spendern für die großzügige ­
                            Unterstützung für den Katastrophenfonds!
Corona-Nothilfe - Deutsch-Indische Zusammenarbeit
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Foto: Konstantin Graf von Pfeil
                                                     DIZ aktuell • Nr. 85 • 3. Quartal 2020

Ein Quarantänestempel bindet Konstantin Graf von Pfeil ans Haus.

Von Ausgangssperren
und Rückholflügen
Wie die weltwärts-Freiwilligen der DIZ die Corona-Pandemie in Indien und das unfreiwillige Ende
ihres Einsatzes erlebt haben

Zwischen Wut und Dankbarkeit                       selber entscheiden? Andererseits emp-      alle Menschen. Ich denke an die, die nicht
Tamara Petrovic, Freiwillige bei der Society for   fand ich Dankbarkeit dafür, dass ich zu-   in Sicherheit sind. Wie geht es meinen
Indian Institute of Rural Management (SIIRM)       rückgeholt wurde, denn übertrieben war     Freunden in Indien?«
in Phagi                                           das nicht.
                                                       Meine Partnerorganisation hat wegen    Zermürbendes Warten
»Ich erinnere mich noch an den Dezem-              der Corona-Pandemie die Bildungsstät-      auf den Rückholflug
ber 2019. Meine Mitfreiwillige und ich hö-         te geschlossen. Lokale Ausnahmezustände    Arne Tanger, Freiwilliger bei der Society for
ren in den Nachrichten zum ersten Mal              wurden ausgerufen. Auch in Deutschland     Community Action Network-India (SCAN-In-
von Corona in China und den Warn-                  hatte ich weniger Freiheiten als zuvor.    dia) in Chittoor
schildern am Flughafen. Wir waren uns              Doch wir werden das überleben! Wir
einig: Übertrieben. Dieses ›Übertriebe-            müssen nicht um unser Leben fürchten,      »Mitte März freue ich mich nach fast
ne‹ warf mich einige Wochen später in-             sondern können in einer warmen Woh-        sechs Monaten auf die beiden letzten Wo-
nerhalb von Stunden aus meinem Leben               nung mit genügend Nahrung und vielen       chen in meiner Einsatzstelle als Freiwilli-
in Indien. Meine Gefühle? Chaos! Da war            digitalen Vernetzungsmöglichkeiten die     ger der DIZ im südindischen Bundesstaat
einerseits Wut. Wieso darf ich das nicht           Quarantäne genießen. Das können nicht      Andhra Pradesch. Noch gibt es in Indien
— Das Magazin der Deutsch-Indischen Zusammenarbeit e. V. —                                                                                    11

kaum Corona-Fälle und für mich ist die                                     leer. Unheimlich, als hätte man nur für uns                      weltwärts-Freiwilligen wegen der Pande-
Lage in Europa weit weg. Die DIZ bucht                                     geöffnet. Nach einer Kontrolle durch Mit-                        mie nach Deutschland zurückgeholt wer-
mir einen Rückflug für den kommenden                                       arbeiter in weißen Overalls und mit Mas-                         den. Ich hatte noch etwa eine Woche, um
Montag, Anordnung von weltwärts. Nur                                       ken darf ich hinein. Am frühen Morgen                            mich zu verabschieden. Da zu diesem
ein paar Tage später ist mein Flug annul-                                                                                                   Zeitpunkt auch die Schulen geschlossen
liert, alle internationalen Flüge in Indien                                                                                                 wurden, musste ich mich direkt von den
untersagt und eine Ausgangssperre ist zur                                                                                                   Kindern verabschieden. Als Abschluss ge-
strengen Pflicht geworden.                                                                                                                  stalteten wir noch eine Deutschstunde.
    Nach Tagen gibt es eine Zusage vom                                                                                                          Dann wurde bekannt, das Indien ab
                                              Foto: Justus Gstettenbauer

deutschen Konsulat für einen Rückholflug.                                                                                                   dem 22. März alle internationalen Flüge
Im Lockdown und den strengen Strafan-                                                                                                       streicht. Ich war jedoch bis zum 26. März
drohungen der Polizei erscheint die An-                                                                                                     in häuslicher Quarantäne und somit in In-
reise zum rund 185 Kilometer entfernten                                                                                                     dien ›gefangen‹. Deshalb trug ich mich in
Flughafen in Bangalore aber als unmöglich.                                                                                                  die Liste des Auswärtigen Amtes für die
Mein Gastvater vollbringt die Herkules-
aufgabe und organisiert nur dank persön-                                   Arne Tanger
licher Kontakte die nötige Sondergeneh-
migung von der Polizei. Ein Fahrer fährt                                   dürfen wir dann müde aber froh in eine
uns in der Mittagshitze über leere High-                                   Maschine von Air India steigen. An Board
ways für eine horrende Summe bis zum                                       keine Sicherheitseinweisungen und etwas
Treffpunkt des Konsulats, einem Hotel in                                   kaltes Essen. Die vermummte Crew sagt,
der Großstadt Bangalore.                                                   sie solle keinen Kontakt zu den Passagie-
    An einem Checkpoint auf dem Weg                                        ren haben. Einige Stunden später laufe ich
sehen wir vielleicht 300 Menschen am                                       nach der Landung durch das erstaunlich
                                                                                                                             Foto: privat

Straßenrand warten. Sie sind gestrandet.                                   belebte Terminal in Frankfurt am Main.
Später auf seiner nächtlichen Rückfahrt                                    Niemand interessiert sich für uns. Noch
weigert sich die Polizei, die Papiere mei-                                 ungläubig löse ich ein Ticket und mache
nes Gastvaters auch nur zu sichten. Sie                                    mich auf den Heimweg.«                                           Tamara Petrovic
müssen aufwändig über Umwege zurück-
kehren. In dem großen noblen Hotel fin-                                    Häusliche Quarantäne                                             Rückholflüge ein. Die Tage in Quarantäne
det jetzt nur noch ein minimaler Not-                                      statt Freiwilligendienst                                         verliefen sehr eintönig, mangels Beschäf-
betrieb statt. Die wenigen europäischen                                    Konstantin Graf von Pfeil, Freiwilliger bei der                  tigung habe ich viele Netflix-Filme gese-
Gäste verteilen sich weitläufig und mit                                    Health Education Adoption Rehabilitation De-                     hen. Am Abend des 24. März gab die in-
Decken hat sich das Konsulat einen Teil                                    velopment Society (HEARDS) in Chittoor                           dische Regierung bekannt, dass sich ganz
des Foyers abgetrennt.                                                                                                                      Indien ab dem nächsten Tag im Lockdown
    Am Morgen finde ich einen Brief vor                                    »Kaum war ich in Indien bei meiner Part-                         befindet. Meine Quarantäne wurde ver-
meiner Tür. Die Polizei isoliert das Ge-                                   nerorganisation HEARDS angekommen,                               längert, doch Ende März bekam ich die
bäude. Wer rausgeht kommt in staatliche                                    wurde ich auch schon vom lokalen Health                          Nachricht der deutschen Botschaft, dass
Quarantäne. Der Termin des Fluges ver-                                     Department gebeten, mich nur noch in                             ich am 3.April ab Chennai nach Deutsch-
zögert sich auch – organisatorische Pro-                                   unmittelbarer Umgebung des Hauses auf-                           land fliegen könne.
bleme. Es dauert drei Tage, in denen mir                                   zuhalten. Diese Anordnung beeinträchtig-                             Meine indischen Kontaktpersonen
mein Warten im Einzelzimmer auf das                                        te meine ersten Tage nur geringfügig, da                         besorgten mir einen Vehikelpass, um die
Gemüt schlägt.                                                             sich die von HEARDS betriebene Schu-                             Grenze zwischen Andhra Pradesh und Ta-
    Dann, am 31. März, geht es kurz nach                                   le gleich neben der Wohnung befand. So                           mil Nadu passieren zu können. Die Fahrt
Mitternacht endlich los. Ich kann gerade                                   konnte ich dem Unterricht trotzdem bei-                          nach Chennai und die Ausreise verliefen
noch so mit meinem restlichen Geld die                                     wohnen.                                                          mit vielen Kontrollen, Fiebermessungen
Übernachtungen zahlen.                                                         Doch nach einigen Tagen kam das                              und Maskentragen ohne große Probleme.
    In sieben Bussen und mit viel Poli-                                    Health Department vorbei und ordne-                              So bin ich dann, ohne viel von Indien ge-
zei werden die etwa 250 Reisenden zum                                      te eine häusliche Quarantäne an. Mittler-                        sehen zu haben, wieder in Deutschland
Flughafen gefahren. Das Terminal ist völlig                                weile war bereits beschlossen, dass alle                         angekommen.«
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Foto: Nastasia Filimonow
                                                  DIZ aktuell • Nr. 85 • 3. Quartal 2020

Der Schneiderkurs von KPCWA eröffent Frauen neue finanzielle und berufliche Perspektiven.

Damit Frauen die gleichen
Chancen haben
Ein weltwärts-Freiwilligendienst im Bereich Projektkoordination bei der DIZ-Partnerorganisation
KPCWA in Westbengalen

Von Nastasia Filimonow                          lem an Frauen und Kinder richten. In mei-   neue berufliche und finanzielle Perspek-
                                                nem Freiwilligendienst habe ich KPCWA       tiven eröffnen. Da die ländliche Bevölke-
Schmale Wege schlängeln sich von einem          bei der Projektkoordination und Adminis-    rung häufig kein oder nur wenig Englisch
Teich zum nächsten, umgeben von tiefgrü-        tration unterstützt. Zu meinen Hauptauf-    beherrscht, habe ich beim Ausfüllen der
nen Bäumen wie in einem Dschungel so-           gaben zählten die Schneider- und Stick­     Anmeldeformulare für die Kurse gehol-
wie herumlaufenden Kühen, Ziegen, Hüh-          kurse unter der Paschim Banga Society       fen. Anschließend wurden die Teilnehme-
nern und Hunden. Inmitten dieser Idylle         for Skill Development (PBSSD) der Re-       rinnen im PBSSD-Onlineportal registriert,
befindet sich die Nichtregierungsorgani-        gierung von Westbengalen. Frauen in In-     indem ihre persönlichen Daten eingetra-
sation Khardah Public Cultural & Welfa-         dien haben heute zwar theoretisch die-      gen und ihre Fingerabdrücke genommen
re Association (KPCWA), die Einsatzstel-        selben Chancen auf Bildung wie Männer,      wurden.
le meines weltwärts-Freiwilligendienstes.       aber viele Frauen der ländlichen Umge-          Die Trainingsprogramme fanden von
Das Dorf Khardah liegt fast 50 Kilome-          bung heiraten nach dem Schul- oder Uni-     Montag bis Samstag in einem Seminar-
ter entfernt von Kolkata im Bundesstaat         versitätsabschluss und gehen dann aus-      raum unseres Büros statt. Zu Beginn und
Westbengalen.                                   schließlich häuslichen Tätigkeiten nach.    am Ende jeder Sitzung habe ich die Anwe-
    Die Arbeit von KPCWA leistet einen              Die Trainingsprogramme haben das        senheit der Teilnehmerinnen durch einen
Beitrag für die ländliche Bevölkerung, die      Ziel, die Fähigkeiten der Teilnehmerinnen   Scan ihrer Fingerabdrücke geprüft. Häufig
durch Minderheitsgruppen wie Muslime            weiterzuentwickeln. Die Frauen können       war ich auch in dem Kurs anwesend und
gekennzeichnet ist. Die Organisation bie-       sich zum Beispiel zuhause als Schneiderin   habe Fotos zur Dokumentation gemacht.
tet vielfältige Projekte an, die sich vor al-   selbstständig machen, wodurch sich ihnen        Mein Freiwilligendienst war sehr ab-
— Das Magazin der Deutsch-Indischen Zusammenarbeit e. V. —                                                                                13

                                                                                           Foto: Mosharof Hossain
Foto: Marika Schönherr

                                                                                                                    International Mother Language Day: Nastasia (l.) und ihre Mitfreiwil-
                         Nastasia Filimonow mit Teilnehmerinnen des Schneiderkurses.                                lige Marika Schönherr halten eine Rede über ihre Muttersprache.

                         wechslungsreich, da KPCWA ein breites        beitskolleginnen und -kollegen waren
                         Angebot an Projekten hat und ich in un-      sehr hilfsbereit und wir haben viel au-
                                                                                                                                                                KPCWA
                         terschiedliche Bereiche reinschnuppern       ßerhalb der Arbeitszeiten unternommen.                                                    Die im Jahr 1990 gegründete Organisa-
                         durfte. Ein weiteres Projekt ist das Kin-    Marika und ich hatten jeweils ein eigenes                                                 tion Khardah Public Cultural & Welfare
                         derheim für Jungen, die tagsüber auf der     Zimmer in dem Gebäude der Organisa-                                                       Association (KPCWA) hat ihren Sitz in
                         Straße sind oder betteln. Die Kinder be-     tion, wo auch weitere Arbeitskolleginnen                                                  der Nähe von Kolkata im Bundesstaat
                                                                                                                                                                Westbengalen. Sie verfolgt das Ziel, die
                         kommen neben Verpflegung und regel-          und -kollegen untergebracht waren. Die
                                                                                                                                                                Lebensumstände der ärmeren und un-
                         mäßigen medizinischen Untersuchungen         Köchinnen von KPCWA versorgen uns
                                                                                                                                                                terprivilegierteren ländlichen Bevölke-
                         auch die Möglichkeit, sich kreativ oder      mit drei Mahlzeiten am Tag und stellen si-                                                rung zu verbessern. Die Projekte von
                         sportlich auszutoben. Bei einem Malwett-     cher, dass wir immer eine Tasse Tee haben.                                                KPCWA richten sich überwiegend an
                         bewerb durfte ich am Ende die Preise an      Dank dieser Wohnsituation habe ich viel                                                   Frauen und Kinder. Zu den Schwer-
                         die Gewinner und Trostpreise an alle Kin-    über die Lebensweise, das Essen und die                                                   punkten der Organisation zählen Skill
                         der verteilen.                               Sprache in Westbengalen gelernt.                                                          Development, die Stärkung von Frauen
                             Eines der größten Ereignisse während          Wegen des sich ausbreitenden Coro-                                                   z.B. durch Leadership Development-
                                                                                                                                                                Programme und die Gesundheitsför-
                         meines Freiwilligendienstes war die Fei-     navirus wurde das Büro von KPCWA ab
                                                                                                                                                                derung. So betreibt KPCWA unter an-
                         er zum International Mother Language         dem 23. März geschlossen; der Schnei-
                                                                                                                                                                derem ein Kinderheim für Jungen und
                         Day am 21. Februar 2020. Dieser Tag ist      derkurs wurde schon einige Tage früher                                                    ein Yoga-Zentrum für Kinder. Ein wei-
                         in Westbengalen von großer Bedeutung         stillgelegt. Meine Organisation gab mir                                                   teres Projekt ist die Unterstützung
                         und emotionalem Wert, da er auf die ben-     die Anweisung, das Haus sicherheitshal-                                                   von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern
                         galische Sprachbewegung zurückgeht, die      ber nicht mehr alleine zu verlassen. CO-                                                  durch Schulungen zu Unternehmens-
                         sich für die Anerkennung von Bengalisch      VID-19 stellte den Alltag in Indien, wie ich                                              führung und Bio-Landwirtschaft.
                         als offizielle Staatssprache im heutigen     ihn kannte, auf den Kopf                                                                  www.kpcwa.org/
                         Bangladesch einsetzte. Die Veranstaltung          Wie alle weltwärts-Freiwilligen muss-
                         von KPCWA zelebrierte die bengalische        te ich meinen Freiwil-
                         Sprache mit Musik und Tanz und zeich-        ligendienst wegen der
                         nete zahlreiche Personen für ihr sozia-      Pandemie leider vor-
                         les Engagement aus. Meine Mitfreiwillige     zeitig beenden und
                         Marika und ich hatten die Aufgabe, den       nach Deutschland
                         Ehrengästen auf der Bühne Blumen und         zurückkehren. Doch
                         eine Brosche zu überreichen. Außerdem        die vier Monate, die
                                                                                                                    Foto: Nastasia Filimonow

                         haben wir eine kleine Rede über unse-        ich in Indien verbrin-
                         re Muttersprache Deutsch gehalten und        gen konnte, haben
                         wurden von der Lokalzeitung interviewt.      mir einen einzigarti-
                             Abgesehen von dem abwechslungsrei-       gen Einblick in diese
                         chen Arbeitsalltag war die familiäre Atmo-   spannende Kultur er-
                         sphäre bei KPCWA eine Besonderheit           möglicht!
                         meines Freiwilligendienstes. Meine Ar-                                                                                Gebäude von KPCWA.
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Ideen zum virtuellen
Freiwilligendienst
weltwärts-Partnerworkshop findet online statt – 38 Teilnehmende treffen sich per Videokonferenz

sf. Die Zukunft des Freiwilligendienstes     der deutsche Frei-
stand im Mittelpunkt des ersten Teils des    willige willkommen
16. weltwärts-Partnerworkshops, den die      heißen zu können.
DIZ für ihre indischen Partner anbietet.          Die ­S ituation
Normalerweise reisen dazu DIZ-Mitar-          der        indischen
beitende ebenso wie Vertreterinnen und        Wa n d e r a r b e i t e r­
Vertreter aus den verschiedenen indi-         innen und Wan­der­­­
schen Regionen nach Nagpur, um sich           arbeiter war zu Be-
für vier Tage zu treffen, sich auszutau-     ginn der strik­         ten
                                                                     Foto: IIYW

                                             Ausgangs­sperre in
                                             ­Indien auch Thema in
                                              den deutschen Medi­
                                              en. Da d­ iverse Part-      Shilpa Mirashi, Direktorin der Partnerorganisation IIYW, zele-
                                                                          brierte feierlich das traditionelle Entzünden der Kerze, um den
                                              nerorganisationen in
                                                                          Partnerworkshop zu eröffnen.
                                              der Nothilfe für die-
schen und zu diskutieren. Doch die Co-        se Menschen aktiv sind oder Kinder, die                Der zweite Teil des virtuellen Work-
rona-Pandemie hat auch diese Pläne zu-        wegen der Schulschließungen keine Mit- shops richtete sich an die noch neuen
nichte gemacht – und stattdessen findet       tagsmahlzeit mehr bekommen und hun- Partnerorganisationen, die bislang nur ei-
der diesjährige Partnerworkshop nun vir-      gern, oder Tagelöhner und -löhnerinnen, nen oder gar keinen Freiwilligen empfan-
tuell in mehreren Etappen statt.              die keiner Arbeit mehr nachgehen durf-
                                                                                                 gen konnten. Das nächste virtuelle Tref-
    Wie also kann es nun in Pandemie-         ten, unterstützen, tauschten sich die Or-
                                                                                                 fen ist auch bereits geplant – in einem
Zeiten weitergehen mit dem weltwärts-         ganisationen auch darüber aus, wie sie die
                                                                                                 aber sind sich die Teilnehmenden einig: So
Programm? Die indischen Partner ent-          Pandemiesituation erlebt haben. Ein gro-
wickelten im Workshop dazu zahlreiche         ßes Dankeschön richtet sich an die Spen- sinnvoll und praktisch es ist, sich virtu-
Ideen, wie Freiwillige schon vor einer        derinnen und Spender – darunter zahlrei- ell zu treffen – die Gastfreundschaft des
möglichen Ausreise von Deutschland aus        che ehemalige weltwärts-Freiwillige –, die Rainbow Gästehauses kann nicht ersetzt
ihren Freiwilligendienst starten können:      die Nothilfe großzügig unterstützten!              werden!
Soziale Medien sind eine Kernkompetenz
der jungen Generation, hier könnten die
Freiwilligen auch aus der Ferne unterstüt-
zen, sie könnten Kurzvideos über ihre
Heimat drehen oder auch indischen Kin-
dern und Jugendlichen Musik oder Kunst
virtuell nahebringen. Auch für Freiwillige
übliche Aktivitäten, etwa Berichte oder
Fallstudien zu schreiben, wären auf die
Entfernung hin denkbar. Da die Zahl der
Neuinfektionen in Indien immer weiter
steigt und mit dem Höhepunkt der Er-
krankungen erst im November gerechnet
wird, geht im Kreis der Partnerorganisa-     Die Teilnehmenden diskutierten online über die aktuelle Situation in der Corona-Pandemie
                                             und die Auswirkungen auf den weltwärts-Freiwilligendienst.
tionen niemand davon aus, sehr bald wie-
— Das Magazin der Deutsch-Indischen Zusammenarbeit e. V. —                                                     15

weltwärts – quo vadis?
Von Jona Aravind Dohrmann                                  arbeit und Entwicklung (BMZ) eine Über-        gangsweise nur unter Vorlage eines sol-
                                                           gangsregelung bis in den Sommer 2021           chen Konzepts möglich sein werden.
Viele von uns können sich noch Jahre spä-                  geschaffen hat, die es den Entsendeorga-          Wie die für das weltwärts-Programm
ter an markante Daten erinnern. Zu »nine                   nisationen erlaubt, weiterhin einen Groß-      zuständige Referatsleiterin Annette
eleven« weiß wohl jeder und jede, wo er                    teil der Kosten für die Geschäftsstellen       Chammas zum Ausdruck brachte, hat nie-
oder sie damals waren. Unser diesjähri-                    (Gehalt, laufende Kosten etc.) zu zahlen.      mand im BMZ ein Interesse daran, das
ges »nine eleven« lautet »three eleven«.                   Dieses Entgegenkommen schätzen wir             Programm zu beenden. Das gibt uns die
Am Vormittag des 11. März sind noch zwei                   sehr, ermöglicht es uns doch, die seit über    Hoffnung, nach dieser für alle schwierigen
weltwärts-Freiwillige voller Vorfreude nach                zwölf Jahren gewachsene Struktur mit un-       Zeit die weiterhin vorhandenen »Syste-
Erledigung umfangreicher Visa-Formalitä-
ten endlich nach Indien ausgereist. Am
Abend desselben Tages erhielt ich am spä-
ten Abend einen Anruf meiner Kollegin, in
dem es darum ging, dass eine weitere Frei-
willige, für die ein Abendflug nach Indien
gebucht war, nicht mehr ausreisen durfte,
weil die Indische Botschaft die Corona-In-
fektionszahlen in Deutschland als besorg-
niserregend einstufte und Indien abschot-
tete (siehe auch Bericht auf Seite 8).
    Zum heutigen Zeitpunkt sind seit
sechs Monaten weder Entsendungen nach
Indien noch Aufnahmen von Freiwilligen
aus Indien erfolgt. Die Folgen des Still-
                                               Foto: CMM

stands waren vielfältig. Viele weltwärts-In-
teressierte (nicht nur der DIZ und der
DIZ Baden-Württemberg) fragen sich,
wann Entsendungen wieder möglich sein                      Hoffentlich bald wieder möglich: Freiwilligendienst in Indien. Das Foto zeigt Chiara Wize-
werden. Im Herbst soll der kommerzi-                       mann bei unserem Partner CMM.
elle Flugverkehr zwischen Deutschland
und Indien wieder aufgenommen wer-                         seren ca. 30 indischen Partnern aufrecht-      me« wieder hochfahren zu können. Vor-
den. Aber Indien ist weiterhin als Risi-                   zuerhalten. In jedem Fall nehmen wir           sichtig optimistisch hoffen wir – gemein-
kogebiet eingestuft und wird es voraus-                    schon jetzt Bewerbungen für den welt-          sam mit unseren Partnerorganisationen
sichtlich noch einige Zeit bleiben. Damit                  wärts-Freiwilligendienst im kommenden          – auf erste Entsendungen im späten Früh-
sind Entsendungen natürlich derzeit aus-                   Jahr entgegen!                                 jahr 2021.Vielleicht sind Aufnahmen indi-
geschlossen.                                                                                              scher Freiwilliger nach Deutschland auch
    Da sich die DIZ-Geschäftsstelle (und                                                                  schon früher wieder möglich. In jedem
die der DIZ Baden-Württemberg) zum                                                                        Fall nehmen wir schon jetzt Bewerbun-
großen Teil aus Fördermitteln aus dem                                                                     gen für den weltwärts-Freiwilligendienst
weltwärts-Programm finanziert, stellte sich                    Momentan können wir uns nur virtu-         im kommenden Jahr entgegen!
die für uns existentielle Frage nach dem                   ell über die einschlägigen Plattformen se-         Sowohl die indischen Partner als auch
Fortbestand der Geschäftsstelle, wie wir                   hen, arbeiten aber auch auf diese Weise        wir gehen fest von der Wiederaufnahme
sie kennen.                                                an der Weiterentwicklung des weltwärts-        des weltwärts-Programms aus und arbei-
    Ein unmittelbares Aus konnte dadurch                   Programms. Dazu gehört auch die For-           ten hart für diesen Tag, an dem die oder
abgewendet werden, dass das Bundesmi-                      mulierung eines Hygiene-Konzepts, da wir       der erste Freiwillige wieder einen Flieger
nisterium für wirtschaftliche Zusammen-                    davon ausgehen, dass Entsendungen über-        nach Indien oder Deutschland besteigt.
16                                               DIZ aktuell • Nr. 85 • 3. Quartal 2020
Foto: Amit Kalaskar

                      Mitarbeitende des Sangam verteilten Desinfektionsmittel und Masken an die Panchayats in 80 Dörfern.

                      Massive Aufstockung
                      BMZ stellt in der Corona-Pandemie zusätzliche Mittel für Projekte des Ecumenical Sangam und von
                      IRCDS zur Verfügung

                      Von Jona Aravind Dohrmann                          Zum Glück sind Mobiltelefone in Indi-        Diese Engpässe haben wir auch mit
                                                                     en – auch in den Dörfern – mittlerweile      dem BMZ besprochen. Relativ unbüro-
                      Schon sehr früh zu Beginn der Corona-          recht weit verbreitet. Dies machten sich     kratisch konnten wir aufgrund der von
                      Krise war klar, dass die laufenden vom         die Gesundheits – und Sozialteams bei-       den indischen Partnern zur Verfügung
                      BMZ (Bundesministerium für wirtschaft-         der Organisationen zunutze, und berieten     gestellten Informationen und geäußerten
                      liche Zusammenarbeit und Entwicklung)          die Zielgruppen durch engmaschige Tele-      Bedarfe Aufstockungsanträge an das Ent-
                      geförderten Projekte nicht wie geplant         fonate mit den Menschen, mit denen sie       wicklungshilfeministerium stellen, die be-
                      weiterlaufen könnten.                          eben noch persönlich bei Dorfbesuchen        reits Ende Juni 2020 bewilligt wurden. Die
                          Neben der Verzögerung des Projekt-         in Kontakt gestanden hatten.                 Aufstockung durfte rund die Hälfte des
                      ablaufs aufgrund der sehr strengen Aus-            Darüber hinaus nahmen sowohl der         bisher bewilligten Projektvolumens betra-
                      gangsbeschränkungen in Indien waren die        Sangam als auch IRCDS wahr, dass vielen
                      Mitarbeitenden des Ecumenical Sangam           Menschen der Zugang zu Information über
                      (Nagpur, Zentralindien) und IRCDS (Ti-         das neuartige Virus sowie die entsprechen-
                      ruvallur, Südindien) gezwungen, ihre Arbeit    den Schutz- und Hygieneartikel fehlten.
                      im Bereich der Lepra – und Tuberkulose-        Zusätzlich mangelte es vielen Menschen
                      aufklärung (Ecumenical Sangam) sowie der       schlicht an ausreichend Geld, um die not-
                      Bildungsförderung (IRCDS) anzupassen.          wendigsten Nahrungsmittel zu besorgen.
                                                                                                                  gen. Ausnahmsweise betrug der Finanzie-
                           Zwei große Projekte profitieren                                                        rungsanteil des BMZ für die Corona-Auf-
                                                                                                                  stockung 90 Prozent (sonst 75 Prozent).
                           Bei dem Bildungsprojekt von IRCDS (siehe DIZ aktuell Nr. 84, Seite 12 f.) beträgt
                                                                                                                  Damit konnten Ihre Spenden, die zuguns-
                           die Aufstockung des Projektvolumens 21.009 Euro, wovon das BMZ 90 Prozent,
                                                                                                                  ten des Sangam und von IRCDS einge-
                           also 18.908 Euro, übernimmt. Die verbleibenden 2.101 Euro konnten wir durch
                           Ihre Spenden abdecken.                                                                 setzt wurden, um das Zehnfache aufge-
                                                                                                                  stockt werden! Das zeigt nochmals ganz
                           Beim Lepra- und Tuberkulose-Aufklärungsprojekt des Sangam (siehe DIZ aktuell
                           Nr. 83, Seite 7 ff.) beträgt die Aufstockung des Projektvolumens gar 96.207 Euro,      deutlich, wie wichtig jede auch noch so
                           wovon das BMZ ebenfalls 90 Prozent oder 86.586 Euro übernimmt. Dank Ihrer              kleine Spende für die Arbeit unserer in-
                           Spenden können wir gut die verbleibenden 9.621 Euro schultern.                         dischen Partner ist, wenn wir diese durch
                                                                                                                  unsere Anträge aufstocken können!
— Das Magazin der Deutsch-Indischen Zusammenarbeit e. V. —                                                         17

                       Foto: Awadhut Kukadkar

Corona beeinträchtigt
Projekt zur nachhaltigen
Landwirtschaft
Förderung durch Land Hessen,
Erbacher Stiftung und Hand in
Hand-Fonds                                                        Die Bewässerungssysteme sind auf den Feldern angelegt, bald gedeihen hier Koriander und
                                                                  Tomaten.
sf. Eigentlich sollten momentan zahlrei-
che Schulungen des Ecumenical Sangam
für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern                                                                             len Äckern installiert, so dass die jungen
stattfinden, um sie über den ökologi-                                                                           Pflanzen schonend bewässert und mit or-
schen Landbau und die Umstellung dar-                                                                           ganischem Dünger versorgt werden.
auf zu informieren. Doch auch den Vor-                                                                               Andere Vorhaben, etwa die Erweite-
haben des Projektes zur nachhaltigen                                                                            rung des Kuhstalls für mehr Kühe oder
Landwirtschaft hat die Corona-Pande-                                                                            den geplanten Ausbau der Kompostie-
mie einen Strich durch die Rechnung ge-                                                                         rungsanlage, musste das Team ebenfalls
                                            Foto: Amit Kalaskar

macht: Über viele Monate hinweg verbot                                                                          verschieben. All diese Pläne können hof-
die strikte Ausgangssperre jegliche Be-                                                                         fentlich bald umgesetzt werden. Ermög-
suche bei den Bäuerinnen und Bauern,                                                                            licht werden sie durch die Zuschüsse
Veranstaltungen mit mehr als fünf Per-                                                                          von drei Institutionen: Das Land Hessen
sonen waren bis Ende August nicht er-                                                                           unterstützt das Projekt zur nachhalti-
laubt. Der September bringt vorsichtige                           Awadhut Kukadkar hält telefonisch Kontakt     gen Landwirtschaft ebenso wie die Er-
                                                                  zu den Landwirtinnen und Landwirten, da       bacher Stiftung. Außerdem wird es von
                                                                  pandemiebedingt keine Fortbildungen statt-
                                                                  finden dürfen.                                der Deutschen Umwelthilfe e.V. und der
Das Projekt zur nachhaltigen Landwirt-
                                                                                                                ­Rapunzel Naturkost GmbH aus Mitteln
schaft wird gefördert von:
                                                                  Lockerungen mit sich, so dass auch das         des Hand in Hand-Fonds gefördert.
                                                                  Team um Awadhut Kukadkar nun opti-                 Nicht zuletzt sind es aber Ihre und
                                                                  mistisch in die Zukunft blickt, bald weite-    Eure Spenden, die es uns überhaupt er-
                                                                  re Programme anbieten zu dürfen. Doch          lauben, Anträge bei Geldgebern zu stel-
                                                                  liegt dies nicht in der Hand des Ecume-        len, denn dies funktioniert nur, wenn der
                                                                  nical Sangam, sondern die politische Ent-      Eigenanteil gewährleistet ist.
                                                                  scheidung darüber wird vom Infektions-
                                                                  geschehen in Indien bestimmt.
                                                                                                                  Der Ausbau der nachhaltigen Land-
                                                                      Die Felder auf der Farm in Bamhani          wirtschaft benötigt weiterhin Ihre
                                                                  bewirtschaftet Awadhut Kukadkar selbst-         Unterstützung! Bitte fördern Sie
                                                                  verständlich weiter; Tomaten, Koriander,        das gemeinsame Engagement der
                                                                  Bohnen und vieles andere wächst und ge-         DIZ und des Ecumenical Sangam
                                                                  deiht dort nun. Glücklicherweise fiel der       für die Kleinbäuerinnen und Klein-
                                                                  diesjährige Monsun einigermaßen reichhal-       bauern durch Ihre Spende!
                                                                  tig aus, so dass die Familien in den Dör-       Evangelische Bank eG
                                                                                                                  IBAN: DE84 5206 0410 0004 0041 08
                                                                  fern wenigstens eine Sorge weniger haben.
                                                                                                                  Stichwort: Nachhaltige Landwirt-
                                                                  Auch die Tröpfchenbewässerung haben die         schaft
                                                                  Mitarbeitenden auf der Farm nun auf al-
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