In Balance - mit mir und anderen - Themenschwerpunkt - connexia
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Zeitschrift für Betreuung und Pflege Themenschwerpunkt In Balance – mit mir und anderen 1 | 2021 22. Jahrgang
Inhaltsverzeichnis Editorial | 3 Zwischen den Stühlen | 4 Über Demenz muss geredet werden | 5 Das Beste aus einer schwierigen Situation machen | 6 Zeit für guten Kontakt | 8 Wann ist Gewalt, Gewalt? | 10 Veranstaltungen | 12 Erholungsurlaube für pflegende Angehörige – Hilfe für Helfende | 15 Eskalation – Deeskalation | 16 Validation | 18 Warum sich Resilienz lohnt | 20 „Bewusst gemacht“ – Balance zwischen Jungen und Alten. Was die Jungen von den Alten bekommen. | 22 Impressum und Vorschau | 23
Liebe Leserin, lieber Leser! Um eine Betreuungs- und Pflegesituation zu Hause im Gleichgewicht zu halten, so, dass es allen Beteiligten gut geht, ist wahrlich ein Balanceakt. Jeder sieht seine Lebenssituation und seine Umwelt anders und deshalb ist jedem von uns etwas anderes wichtig. Herauszufinden, was für jeden Einzelnen Lebensqualität bedeutet, benötigt viel Fingerspitzengefühl, Verständnis und gute Kommunikationskompetenz. Wer seine Unabhängigkeit aufgrund von gesund- heitlichen Einschränkungen aufgeben und plötzlich Hilfe annehmen muss, ist mit vielen Emotionen konfrontiert: von Frust über Zorn bis hin zu Aggression. Mit diesen Emotionen müssen auch die betreuenden und pflegenden Angehörigen lernen, umzugehen. Mit dieser Ausgabe des „daSeins“ möchten wir Möglich- keiten aufzeigen, wie wir es auch in schwierigen Situationen schaffen, in Balance zu bleiben. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen. Herzlichst, Ihr „daSein“ Redaktionsteam 3
Zwischen den Stühlen Seit zwölf Jahren ist Dagmar R. (66) in studieren können, deshalb war es für mich die Österreich als 24-Stunden-Betreuerin tätig. richtige Entscheidung. Früher sind im Krieg die Im Mai war sie nach elf Wochen Betreu- Männer gegangen. Jetzt sind es die Frauen, die ungsarbeit dabei, ihre Koffer zu packen und den Mut haben, die Familien zu verlassen und für zwei Monate nach Hause zu fahren. Geld zu verdienen. Man braucht Tapferkeit für diesen Job, das kann ich Ihnen sagen. Die häus- Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass liche Pflege, wie ich sie jetzt mache, ist sicher Sie so lange geblieben sind. Wie geht es Ihnen? die schönste Form für alle Beteiligten, sofern Mir geht es gut, ich kann nur sagen, wir haben man zusammenpasst. alles, was wir brauchen, ein Dach über dem Kopf, Essen, Kleidung und Heizung. In vielen Ländern Wie sieht der Alltag aus? ist die Situation ungleich schlimmer. Wir sitzen Bei Frau E. bin ich schon seit vier Jahren, wir täglich im Garten in dem kleinen Gartenhaus teilen vieles miteinander. Wir spazieren täglich, und nehmen die ganze Situation mit Gelassen- kochen gemeinsam, wir stricken viel, sehen fern heit und Humor. Trotzdem ist es gut, jetzt nach und reden über das, was uns beschäftigt. Letztes Hause zu fahren. Ich möchte meine Kinder und Jahr haben wir noch im Wohnzimmer getanzt. meine Enkel sehen. In diesen Wochen bin ich aber allein einkaufen gegangen oder die Tochter hat uns Essen vor die Werden Sie in Quarantäne müssen? Türe gestellt, damit wir nichts riskieren. Ich muss mich einen Tag vor Abreise testen lassen und dann sollte ich, sofern der Test negativ ist, War es leicht zu entscheiden, trotz der einfach einreisen können. Die Familie übernimmt Pandemie nach Österreich zu kommen? die Kosten für den Test, was sehr nett ist. Es wäre Nein, das war nicht leicht, ich hatte großen Re- schrecklich, wenn ich in eines dieser Zentren spekt vor der Infektion, aber Angst ist keine gute müsste, ich kenne Frauen in der Slowakei, die zu Ratgeberin. Ich war hin- und hergerissen. Aber viert in einem Zimmer bleiben mussten, teilweise so ist das ganze Berufsleben einer 24-Stunden- mit wildfremden Frauen in einem Doppelbett. Betreuerin. Wir sitzen immer zwischen zwei Vor der Tür patrouillierten Polizisten, ihnen wurde Stühlen, die ganze Zeit. Deshalb wollte ich auch kaltes Essen vor die Tür gestellt. Ich glaube, die Kollegin nicht hängen lassen, sie war bereits das Gefängnis bietet mehr Komfort. Häusliche sieben Wochen da und schon sehr erschöpft. Quarantäne wäre noch erträglich, aber das … Wann werden Sie zurückkommen? Was hat Sie bewogen, beruflich nach Das hängt stark von den Reisebestimmungen ab, Österreich zu wechseln? wenn wir zu lange bleiben, kann die Steuernach- Bei uns sind die Lebenshaltungskosten leider sehr zahlung empfindlich werden. Es ist schon alles stark gestiegen, die Löhne aber nicht. Außer- ungewiss, aber die Arbeit wird uns in Österreich dem herrscht große Arbeitslosigkeit, auch beim nicht ausgehen. Schon jetzt wartet in Altenstadt Pflegepersonal. Ich wollte, dass meine Kinder eine 90-Jährige auf mich, dass ich komme. Daniela Egger, Aktion Demenz, Projektmanagement 4
Über Demenz muss geredet werden Das Land Vorarlberg unterstützt Initiativen und Projekte zum Thema Demenz Demenz – Wir müssen reden! – unter diesem Motto stand der vergangene Welt- Alzheimertag. „Das sollten wir tatsächlich tun, denn gerade in der Zeit der globalen Krise zeigt sich wie unter einem Vergröße- rungsglas, wo es genau hinzuschauen gilt. Je mehr die breite Bevölkerung über die Thematik Demenz versteht und sich beginnt darüber auszutauschen, umso leichter kön- nen demenzfreundliche Gemeinden Realität werden“, sagt Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker. Gemeinsam mit der Aktion Demenz engagiert sie bedruckte Stofftaschen ausgegeben, um auf die sich dafür, dass über diese Krankheit öffentlich wichtige Rolle, die eine gute Nachbarschaft spe- geredet wird. „Das gilt für Betroffene, Angehörige, ziell für pflegende Angehörige und für Menschen Fachpersonal wie auch unbeteiligte Menschen – mit Demenz spielt, hinzuweisen. Die große Zahl wir brauchen ein breites Verständnis für die an Ehrenamtlichen zeigt den Erfolg der Sensibili- unterschiedlichen Verläufe und Stadien der sierungsarbeit. „Die Corona-Zeit macht deutlich, Erkrankung, die noch vorhandenen Ressourcen dass Gemeinschaft an vielen Orten tatsächlich und die Bedeutung des sozialen Zusammenhalts“, gelebt wird“, sagt Landesrätin Wiesflecker. so Wiesflecker. Am 6. Oktober 2020 eröffnete im Atrium des In Vorarlberg wurde bei etwa 6.000 Menschen vorarlberg museums in Bregenz die Ausstellung eine demenzielle Entwicklung diagnostiziert, „Shutdown. Vorarlberg und Corona“. In diesem die Prognosen gehen – gleich wie in anderen Filmprojekt der Aktion Demenz erzählen Men- Regionen – bis zum Jahr 2050 von einer Ver- schen mit Demenz und pflegende Angehörige dreifachung aus. Die meisten Menschen mit einer über ihre Erfahrungen in der Zeit des Lockdowns. kognitiven Veränderung werden zu Hause von Angehörigen betreut und gepflegt. „Die Wert- Das Demenz-Angebot TANDEM, das seit 13 schätzung für diese Arbeit kann gar nicht hoch Jahren vom Bildungshaus Batschuns organisiert genug sein. Pflegende Angehörige schenken den wird, bietet Unterstützung für Angehörige von Betreuten mehr Lebensqualität und entlasten Menschen mit Demenz. Neben Treffen in Fami- dabei das Sozial- und Gesundheitssystem ganz lien- und gemischten Kleingruppen gibt es enorm“, bedankt sich Landesrätin Wiesflecker. auch die Möglichkeit, Einzelberatungen oder Telefonberatungen in Anspruch zu nehmen. Mit einer ganz besonderen Aktion rückt die Ak- „Die positiven Rückmeldungen bestätigen den tion Demenz das Thema „Nachbarschaft“ in den Erfolg und damit die Notwendigkeit dieses Mittelpunkt. In den 44 Modellgemeinden wurden Angebots“, so Wiesflecker abschließend. Landesrätin Katharina Wiesflecker 5
Das Beste aus einer schwierigen Situation machen Angehörige pflegen Menschen mit Demenz Zumeist sucht man es sich nicht aus, Pflege Gefangen in einer Rolle ergibt sich, weil man die Partnerin, der Pflegende Angehörige erleben sich im ungüns- Partner ist, in der Nähe wohnt oder weil tigen Fall gefangen in einer Rolle, die als unent- die Familie es so verfügt. Man hofft, die rinnbar wahrgenommen wird. Der entscheidende Krise geht vorbei, aber mitnichten, sie Punkt dabei: die Überzeugung, niemand an- vertieft sich. Und ist man einmal in diese derer kann dies übernehmen oder gut genug Rolle „hineingerutscht“, gibt es in der Regel machen. Wenn diese Überzeugung wie eine Falle keinen Weg zurück. zuschnappt, dann bestimmt die Rolle als Pflege- person zunehmend alles Fühlen, Denken, Handeln Je größer die Nähe, desto schwieriger kann und dann auch die eigene Identität. Nur der es werden, besonders für pflegende Ehefrauen. Tod der zu pflegenden Person verspricht dann Ehemänner verstehen die Pflege eher „beruf- noch eine Befreiung. Oft werden Karriere, Be- lich“, sie entscheiden sich für die Pflege, von sitz, Vermögen, auch Freunde, Urlaub, Erholung Partnerinnen wird es selbstverständlich erwartet. aufgeopfert, bis vom Pflegenden im wahrsten Eheleute sind häufig schon älter, gesundheitlich Sinne nichts mehr übrigbleibt. Zusammenfassend belastet und manchmal mit einem Paket „offe- kann man behaupten: ein Familienmitglied mit ner Lebensrechnungen“ belastet. Je neurotischer Demenz zu pflegen ist ein gravierendes gesund- die Beziehung (heimliche Wut, Angst, nie ge- heitliches Risiko und viele Pflegende gehen aus äußerter Ekel), je geringer die eigene pflegeri- dieser Zeit mit einem bleibenden Schaden hervor. sche Kompetenz, je höher die Stressbelastung, je mehr man das Gegenüber als fremd erlebt, Wichtige Faktoren, die beachtet werden sollten desto eher werden die Pflegenden physisch und Die Pflege eines Menschen mit Demenz kann, psychisch krank, meist mit deutlich depressiven wenn folgende wichtige Faktoren beachtet wer- Symptomen. den, auch zu einer guten Erfahrung mit Gewinn für alle Beteiligten werden: Es ist nicht gut, ohne Töchter haben oft eine eigene Familie oder einen Überlegung und Beratung diese Rolle zu über- Beruf und können daher mehr Distanz aufbauen. nehmen. Die Zeit nach der Diagnose ist meist Ihre zentrale Motivation ist die Wiedergutma- die beste Zeit, um sich informieren und beraten chung, eine subjektiv schuldhafte Einschätzung zu lassen. Der pflegerische und begleitende Auf- der pflegenden Aufgabe, insbesondere der eige- wand ist noch überschaubar, sodass Pflegekurse nen Mutter gegenüber. Auch das Bedürfnis nach besucht, Beratungsstellen genutzt und das Hilfe- Anerkennung spielt eine Rolle: Pflege als „letzte system erkundet werden kann. Alles hängt davon Gelegenheit“, damit es mit der Mutter gut wird. ab, die Krankheit und ihre mögliche Entwicklung Pflege der Mutter hat mit „Tochtersein“ zu tun, zu verstehen, die eigene Rolle als pflegender nicht mit Pflege. Dennoch: Je freiwilliger sie es Angehöriger bewusst anzunehmen und das Leben tut, je mehr sie ein erwachsenes Verhältnis zu an beides, die Krankheit und die neue Verant- ihren Eltern entwickelt hat, je mehr die eigene wortung anzupassen. Eine bislang gut gelungene Familie sie unterstützt, je weniger sie mit den Beziehung, in der viele Lebensprobleme gemein- Eltern in einer Wohnung zusammenlebt, desto sam gut bewältigt werden konnten, ist dafür eine besser kann es gehen. wichtige Voraussetzung. Ist das nicht der Fall, Dipl.-Theol., BPhil Christian Müller-Hergl 6
sollte man von der häuslichen Pflege Abstand kognitiven Fähigkeiten, Apraxie (wie man Dinge nehmen. Die Pflege eines Menschen mit Demenz plant, durchführt, abschließt, z.B. sich anziehen, gleicht einem Marathonlauf und nur die „Fitten“ zur Toilette gehen) nehmen zu, viele Aufgaben stehen das durch. Je höher die eigene pflegeri- und Funktionen müssen die Pflegeperson oder die sche Kompetenz und je mehr man sich mit der erwachsenen Kinder übernehmen und allein be- Pflegerolle identifiziert, desto weniger leiden wältigen. Die Probleme sind nicht mehr „lösbar“ Angehörige unter depressiven Symptomen. Dies und vieles muss ausgehalten werden. Dies erfor- bedeutet auch, sich pflegerisch fit zu machen, dert erhebliche Anpassungsleistungen seitens der die eigenen physischen und psychischen Grenzen Pflegeperson. Hierzu gehören auch Trauer, der auszuloten, die Familie miteinzubeziehen und Umgang mit eigener Depressivität, Auseinander- von Beginn an eine breite Palette von externen setzung mit dem Verlust von Lebensplänen und Hilfsangeboten zu nutzen – und nicht erst, wenn -zielen. Auch die Entwicklung und der Erhalt der die Stabilität der häuslichen Pflege gefährdet ist. eigenen Gesundheit (man darf jetzt nicht mehr Auch von der Person mit Demenz – so dies ir- ausfallen!) spielen eine wichtige Rolle. Es ist gendwie noch geht – ist ein Mitmachen und An- nicht gut, dies mit sich selbst auszumachen oder nehmen solcher Angebote klar einzufordern. Erst – besonders ungünstig – sich zunehmend über diese Akzeptanz ermöglicht, sich Freiräume zu den zu Pflegenden zu ärgern. Selbsthilfegruppen, schaffen, Entlastungen einzuplanen, gemeinsam regelmäßige Beratung oder sogar psychothera- mit dem anderen positiv tätig zu werden, Struk- peutische Hilfe sind angeraten. Zunehmend ent- turen und Routinen zu entwickeln, mit denen lässt man sich aus der Rolle der Partnerin, des beide Seiten leben können. Partners, des erwachsenen Kindes und wird zum Pflegenden: Je länger man pflegt, desto mehr Den Alltag gemeinsam gestalten Stabilität gewinnt man in der Rolle. Wenn dies Zur Anpassung an diese Art von Leben gehört es, gelingt, passt man sich dem Verlauf der Erkran- möglichst viele Dinge gemeinsam zu machen, die kung gut an und erlebt diese Zeit möglicherweise Person mit Demenz fähigkeitsabhängig zu betei- sogar als Gewinn. ligen und eine stabile Tages- und Wochenroutine einzuführen. Gemeinsame Wege einüben (die die Häusliche Pflege ist keine kurze Episode Person so lange wie möglich alleine bewältigen Insgesamt muss man sich darauf einstellen, dass kann, später mit GPS-Tracker), zusammen einkau- es lange dauert. Pflegen wird zu einer „Lebens- fen und Mahlzeiten kochen und den Garten be- form“, die alles bestimmen wird, kein Randphä- stellen. Je mehr es gelingt, den Alltag gemeinsam nomen des Lebens. Die Hauptpflegeperson bildet zu gestalten, desto besser geht es beiden Seiten. die Voraussetzung ergänzender professioneller Zudem gilt es, die Wohnung anzupassen: Teppi- Pflege, letztere kann erstere nicht ersetzen, be- che entfernen, helle Möbel, helles Licht, ein eher sonders nicht bei Demenz! Bislang wird die Vor- einfach und übersichtlich gestaltetes Interieur, das bereitung von Familienmitgliedern auf die Pflege Badezimmer anpassen. Auch dies ist eher zu Be- noch nicht als gesellschaftliche und kommunale ginn des gemeinsamen Demenz-Weges möglich. Aufgabe, sondern als Privatangelegenheit ver- standen: sie begünstigt grenzwertige, häusliche Neben dieser bewusst gestaltenden Aufgabe tritt Pflegesituationen (Gewalt, Alkohol). Dringend die seelische Auseinandersetzung mit dem fort- bedarf es einer Strategie, die häusliche Pflege schreitenden Niedergang: Verhaltensprobleme als öffentliche Angelegenheit zu betrachten und (z.B. Teilnahmslosigkeit, krankhafte Unruhe), Anreize für neue Pflegearrangements (ambulantes Persönlichkeitsveränderungen und Störungen der CareMix) zu schaffen. 7
Zeit für guten Kontakt Die Betreuung und Pflege von Angehörigen „aufmerksam warten“ und „der Initiative folgen“. zu übernehmen, bedeutet Herausforderun- Das bedeutet, dass mit Interesse und voller Auf- gen auf vielen Ebenen gegenüberzustehen. merksamkeit Raum und Zeit gegeben wird, um Eine der größten Herausforderungen ist die Initiative der anderen Person wahrzunehmen die Kommunikation mit pflegebedürftigen und ihr in angemessenem Tempo zu folgen. Ini- Menschen. tiativen können dabei verbale und nonverbale Aktionen sein. Im konkreten Fall hätte das be- deutet, dass sich die beiden Angehörigen mehr Zeit hätten nehmen müssen, damit die (Schwie- ger-)Mutter die Chance gehabt hätte, am Ge- spräch teilzunehmen. Die Rolle der Scham Ein Faktor, der bei jeder Person unterschiedlich ausgeprägt zur Geltung kommt, ist die Scham. Man stelle sich vor, dass man ein Leben lang selbstbestimmt gelebt hat. Viele unserer Eltern haben in den Nachkriegsjahren schier Unglaub- liches geleistet, um sich selbst eine Existenz Als ich eingeladen wurde, diesen Artikel zu aufzubauen und ihren Familien ein warmes Nest schreiben, fiel mir eine Situation ein, die ich zu bieten. Die Anerkennung dieser Leistungen ist letztes Jahr miterleben durfte. Ich veranstaltete genauso wichtig wie die Erkenntnis darüber, dass mit meinem Team von PINA einen Kongress in es in der damaligen Gesellschaft (wie auch heute Feldkirch. Anschließend luden wir eine unserer noch oft) verpönt war, Hilfe in Anspruch nehmen Vortragenden, die Holländerin Maria Aarts, zu zu müssen. einem Ausflug durchs Ländle ein. Beim Mittag- essen saß am Nachbartisch ein Paar mit der Nun finden sich diese Menschen in alltäglichen offensichtlich demenzkranken (Schwieger-)Mutter. Situationen wieder, die sie nicht ohne Unter- stützung bewältigen können. Mitunter kann Der Faktor Zeit es schnell gehen, dass auch intime Situationen Maria Aarts, die Begründerin der Marte-Meo-Me- davon betroffen sind: sich nicht mehr allein wa- thode, ist darauf spezialisiert, die Interaktionen schen zu können, Unterstützung beim Gang aufs von Menschen zu beobachten. Beim Verlassen Klo zu benötigen, u.a.m. des Restaurants sagte sie: „Schade, sie verpassen sich die ganze Zeit.“ Sie hatte beobachtet, dass Es ist wichtig anzuerkennen, dass das Annehmen die „Kinder“ etwas sagten – bis die (Schwieger-) solcher Unterstützung mit Scham besetzt ist. Das Mutter darauf aber reagieren konnte, waren sie können wir nicht ändern, da helfen weder gutes schon wieder beim nächsten Thema. Zureden noch Aufforderungen, sich nicht so an- zustellen. Die entscheidende Frage ist, was wir Aus dieser Beobachtung heraus formulierte Maria tun können, damit die hilfsbedürftige Person gut Aarts eines ihrer Grundprinzipien: Sie nennt es mit der Scham umgehen kann. Die erste goldene Martin A. Fellacher, MA 8
Regel dazu ist, sich dafür zu entschuldigen, dass Erstens, keine Fragen zu stellen, wenn man man nun etwas macht, das schwierig anzuneh- möchte, dass etwas passiert. Und zweitens, keine men ist. Das mag im ersten Moment etwas selt- „Befehle“ zu geben, sondern zu sagen, was man sam klingen, denn schließlich bin ich es ja, der möchte. Also statt: „Wärst du bereit, jetzt deine etwas für den anderen macht; wofür also ent- Medikamente zu nehmen?“ oder „Nimm jetzt schuldigen? Dadurch, dass wir es ansprechen und deine Medikamente“ einfach: „Ich möchte, dass sagen: „Ich weiß, das ist dir jetzt vielleicht un- du jetzt deine Medikamente nimmst“ oder „Du angenehm, das tut mir leid“, ermöglichen wir der weißt, jetzt ist wieder die Zeit für Medikamente.“ anderen Person, ihre Scham besser zu regulieren. Kontakt vor Kommunikation Übrigens: Wenn Sie die Erfahrung machen, dass Zu guter Letzt kann es wichtig und wesentlich die hilfsbedürftige Person undankbar, vielleicht sein, dass man darauf achtet, vor jeder Auffor- sogar aggressiv reagiert, dann kann auch das derung Kontakt herzustellen. Dies kann dadurch ein Aspekt davon sein, dass es nicht gelingt, passieren, dass man zur Person geht, ihr die einen guten Umgang mit der Scham zu finden. Hand auf die Schulter legt und/oder in die Au- Denn eine weit verbreitete Strategie, seine eigene gen schaut. Wenn der Kontakt hergestellt ist, Scham abzuwehren, liegt im Angriff gegenüber kann damit begonnen werden, die beabsichtigte jener Person, die mich beschämt hat. Sollten Sie Botschaft zu übermitteln. Vielleicht möchten Sie, sich solchen Angriffen gegenübersehen, dann zusammengefasst, in nächster Zeit folgende Din- hilft auch da eine Entschuldigung: „Oje, ich ge ausprobieren, sollten Sie die Kommunikation glaube, ich habe etwas getan, das dir unange- mit ihrem hilfsbedürftigen Angehörigen heraus- nehm war. Das tut mir leid.“ fordernd empfinden: • Versuchen Sie sich bewusst Zeit zu nehmen. Ich kann dich nicht zwingen, ich will dich Dazu ist es notwendig, dass Sie für Situationen nicht überreden sorgen, in denen Sie diese Zeit zur Verfügung „Mein Vater sollte regelmäßig Medikamente neh- haben. men, der Arzt hat uns einen genauen Zeitplan • Wenn Sie merken, dass Ihr Gegenüber är- gegeben. Aber er weigert sich. Was kann ich ma- gerlich reagiert, oder Sie Tätigkeiten machen chen, damit er sie nimmt?“ Solche Fragen stellen müssen, die Intimitätsgrenzen überschreiten, sich viele Angehörige, nicht nur wenn es um Me- dann sprechen Sie das an und sagen, dass es dikamente geht. Bekomme ich diese Frage gestellt, Ihnen leidtut. habe ich jedoch nur eine ehrliche Antwort darauf: • Versuchen Sie zu sagen, was Sie möchten, aber Ich habe keine Ahnung, was man machen kann, keine Fragen zu stellen oder „Befehle“ auszu- damit jemand etwas macht, das er nicht will. sprechen. • Achten Sie darauf, dass Sie mit der Person Doch bevor wir resignieren, müssen wir uns etwas Kontakt herstellen, bevor Sie sie ansprechen. anderes bewusstmachen: Wir haben keine Möglich- keit, das Verhalten einer anderen Person zu kon- Vielleicht ist nur einer dieser Punkte hilfreich für trollieren. Aber wir können uns überlegen, wie wir Sie, und vielleicht schaffen Sie es nicht immer, da- uns verhalten können. Ich rate deshalb in solchen nach zu handeln. Lassen Sie sich davon nicht ab- Situationen Angehörigen zwei wesentliche Dinge: halten und seien Sie tolerant sich selbst gegenüber! 9
Wann ist Gewalt, Gewalt? Interview zum Thema: „Gewalt in Betreuungs- und Pflegesituationen“ Wo liegen die Grenzen zwischen konstruktivem aus Böswilligkeit. Krankheitssymptome, ständige Streit und Gewalt? Überforderung sowie Beziehungskonflikte können Zwischen „konstruktivem Streit“ und „Gewalt“ gewalttätige Übergriffe auslösen. Die dauernde besteht ein fundamentaler Unterschied. Beim Streit Überlastung in der Pflegesituation kann ein Grund prallen unterschiedliche Vorstellungen aufeinan- für problematisches, aggressives Verhalten sein. der, eine Lösung scheint auf den ersten Blick oft Innere Unruhe, schnelles Gereizt-Sein, Müdigkeit, unmöglich. Streiten bedeutet sich auf „Augen- Schlaflosigkeit, aber auch ständige Kopf- und höhe“ zu begegnen und gemeinsam nach einer Magenschmerzen können erste Anzeichen einer Lösung des Konfliktes zu suchen. Streit gehört in Überforderung sein. Um Gewalthandlungen ent- jeder Art von Beziehung zu einem „gesunden Mit- gegenzuwirken, müssen vor allem Überforde- einander“. Wichtig ist, dass beim Streiten ein ge- rungsanzeichen ernst genommen und auch aktiv wisser Grad an Respekt, Toleranz, Akzeptanz und gegen diese vorgegangen werden. Die Eskalation Regeln eingehalten wird. Bei „Gewalt“ handelt es droht, wenn die Ursachen des Konfliktes nicht sich um ein ungleiches Macht- und Abhängig- bewusst sind und keine gemeinsame Lösung keitsverhältnis. Daher findet Gewalt häufig an gefunden wird. Wichtig ist, dass das Konflikt- jenen Menschen statt, die sich – aus unterschied- Geschehen anerkannt wird. Konflikte beginnen lichen Gründen – nicht wehren können. immer mit einer gewissen „Spannung“. Demnach gilt es bereits schon hier, diese bewusst wahr- Wie wird Gewalt definiert? Gibt es verschiedene zunehmen und ein Ventil zu finden, durch das Ebenen bzw. Stufen von Gewalt? ein Spannungsabbau erfolgen kann. Gewalt in Betreuungs- und Pflegebeziehungen hat viele Gesichter und ist oft nicht leicht er- Was können wir in so einer Situation tun, kennbar. Bei „Gewalt gegen pflegebedürftige Per- um Gewalt zu verhindern? sonen“ sprechen wir von einmaligen, aber auch Es braucht sehr viel Verständnis und Einfühlungs- wiederholten Handlungen, beziehungsweise vom vermögen, um Gewalt in der Pflege zu verhindern. Unterlassen von Handlungen im Zuge einer Ver- Ein allgemeingültiges Rezept dafür gibt es nicht, trauensbeziehung, wodurch der pflegebedürftigen sondern es gilt, die individuellen Ursachen zu Person Leid zugefügt wird. Gewalt beginnt nicht verstehen und gezielt nach Lösungen zu suchen. erst bei körperlichen Übergriffen, auch respekt- Es kann hilfreich sein, wenn starke Anspannung lose Kommunikation, Anschreien, Drohungen, und Aggression gegenüber der pflegebedürftigen aggressives Verhalten und das Unterlassen von Person auftauchen, den Raum für einige Minuten Hilfestellungen sind Formen der Gewalt. zu verlassen, sich Auszeiten zu verschaffen oder auch die Bewegung an der frischen Luft lässt Wie kann man erkennen, wann ein Konflikt sich als förderlich anführen. Regeln und klare sich in Richtung Gewalt entwickelt? Absprachen mit Familienmitgliedern schaffen Die Betreuung von pflegebedürftigen Menschen gerade in Konfliktsituationen Entlastung und kann Angehörige, aber auch professionelle Fach- Orientierung. Überforderungen entstehen oft kräfte an körperliche und psychische Grenzen auch aus unzureichendem Wissen hinsichtlich bringen. Die Ursachen von Gewalt in der Pflege des Krankheitsbildes oder gewisser Pflegeprakti- sind vielfältig und nicht immer geschieht Gewalt ken. Deshalb ist es wichtig, sich die Unter- Dipl.-Soz. Ulrike Furtenbach Lisa-Maria Metzler, BA 10 ifs Gewaltschutzstelle ifs Gewaltschutzstelle
stützung von Fachkräften zu holen. Sehr hilf- Ängsten verbunden. Eine Trennung bedeutet in reich ist es auch, sich mit anderen Menschen vielen Fällen die soziale Isolation oder die oft- über die Situation auszutauschen. mals unerwünschte Übersiedlung in eine Pflege- einrichtung. Melden sich bei Ihnen Personen, denen Gewalt widerfährt? Psychischen Druck auf jemanden auszuüben, Bei der ifs Gewaltschutzstelle melden sich Men- wird auch der Gewalt zugeordnet. Wie können schen, die von jeglicher Form von Gewalt im wir uns dessen bewusst werden und psychische familiären Umfeld betroffen sind, auch ältere, Gewalt vermeiden? pflegebedürftige Menschen, die Gewalt erleben. Psychischen Druck auf jemanden auszuüben, Wir informieren oder bieten die Möglichkeit, die bedeutet immer, dass Personen dauerhaft gegen jeweilige Situation zu besprechen. Zudem zeigen ihren Willen zu einer Handlung oder Unter- wir rechtliche Schritte und andere Möglichkeiten lassung gezwungen werden. Deshalb ist es auch auf, die zu einer Veränderung in der jeweiligen bei psychischer Gewalt wichtig, dass diese in Lebenssituation beitragen können. der Öffentlichkeit thematisiert wird und nicht als „Kavaliersdelikt“ oder als Begleiterscheinung Gibt es Erfahrungen bzw. Studien über die anderer Gewaltformen betrachtet wird. Häufigkeit von Gewalt an älteren Personen? Die Weltgesundheitsorganisation zeigt auf, dass Was können wir in Sachen ungefähr 1 bis 10 Prozent aller älteren Menschen „Gewaltprävention“ tun? in den westlichen Ländern Opfer häuslicher Wichtig ist vor allem die psychische, physische Gewalt sind. Auch in diesem Bereich kann von und zeitliche Entlastung der Fachkräfte und der einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. betreuenden und pflegenden Angehörigen. Nicht Vorwiegend wird in den Studien ersichtlich, zuletzt können Gewalthandlungen durch ausrei- dass diese Gewalt innerhalb der Familie und chende Auszeiten und Rückzugsmöglichkeiten im eigenen Wohnbereich ausgeübt wird. verhindert werden. Vor allem das Entwickeln be- Charakteristisch sind eine enge emotionale stimmter Entlastungsstrategien ist ein wichtiger Bindung und ein enges familiäres Verhältnis. Beitrag zur Gewaltprävention. Auch professionelle Unterstützungsangebote, wie Beratungseinrich- Ist bei älteren Menschen die Toleranz tungen und Selbsthilfegruppen sind ein wichtiger gegenüber Gewalt höher als bei jüngeren? Beitrag für die Gewaltprävention. Gewalt öffentlich zu machen, fällt nahezu allen Menschen aus Scham und Angst vor den Folgen Gibt es eine Haltung, die wir zum Thema sehr schwer. Ältere Gewaltopfer und ihre Ange- „Gewalt“ einnehmen können – Stichwort hörigen stehen auch unter einem gesellschaftli- „Gelassenheit, Selbstpflege und Abgrenzung“, chen Tabuisierungsdruck. Ich würde nicht davon die uns hilft, Konflikte besser lösen zu können? sprechen, dass ältere Menschen Gewalt eher to- Gewalt auszuüben ist immer eine Option, wobei lerieren, sondern ältere und gerade pflegebedürf- sich Menschen dafür oder dagegen entscheiden tige Menschen sind aufgrund ihres Hilfebedarfs können. Für den Alltag von betreuenden und besonders abhängig und verletzlich und berich- pflegenden Angehörigen lassen sich die drei „A“s ten deshalb weniger über ihre Gewalterfahrun- anführen: „Achtsamkeit, Auszeit, Austausch“. gen. Gewalt durch eine Trennung zu beenden, ist für viele betroffene, ältere Menschen mit großen Das Interview führte Claudia Längle, connexia. 11
Veranstaltungen Di 19. Januar, 2. und 23. Februar, Mo 1. Februar 2021 9. und 23. März 2021 Resilienz – das Geheimnis innerer Stärke Demenz verstehen – als Angehörige Dr.in Elisabeth Gaus | 19 Uhr | Seniorenheim im Lot bleiben Wolfurt, Gartenstraße 1 | Freiwillige Spende | Seminarreihe für An- und Zugehörige von Anmeldung: E anita.spiegel@sozialdienste- Menschen mit Demenz mit Christiane Massimo | wolfurt.at oder T +43 (0)5574 71326 | Jeweils Dienstag 13.30 bis 17 Uhr | Kurs: 80 Euro | Veranstalter: connexia In Kooperation mit: Rund um die Pflege daheim, Bundeskanzleramt für Familie und Jugend, Fr 5. Februar 2021 Plattform Gewalt | Anmeldung, Ort und Just sing – einfach singen! Heilsame Lieder, Veranstalter: Bildungshaus Batschuns leicht zu erlernen Jamila M. Pape | 19 bis 21 Uhr | Kurs: 15 Euro | Sa 23. Januar 2021 Anmeldung, Ort und Veranstalter: Bildungshaus Kreativität und Weisheit der Träume Batschuns Gerhard M. Walch | 10 bis 17.30 Uhr | Kurs: 90 Euro | Mittagessen: 14 Euro | Anmeldung, Ort Do 25. Februar 2021 und Veranstalter: Bildungshaus Batschuns Reihe für pflegende An- und Zugehörige Bewegen statt heben – bleib aktiv! Mo 25. Januar 2021 Modul 2 – einzeln buchbar | Edith Bechter, „Wenn das Sprechen schwerfällt“ – wie bleibe DGKPin | 13.30 bis 17 Uhr | Kurs: 15 Euro inkl. ich mit Schwerkranken, Sterbenden im Gespräch Kaffee und Kuchen | Anmeldung, Ort und Melitta Walser | 18.30 Uhr | Rathaus Lauterach, Veranstalter: Bildungshaus Batschuns Hofsteigstraße 2a | Eintritt: 5 Euro | Anmeldung: E annette.king@lauterach.at oder Do 25. Februar 2021 T +43 (0)5574 4802-16 | Veranstalter: connexia Der aufrechte, schmerzfreie Gang Judith Gómez-Miranda Rakebrand | 19.30 Uhr | Mi 27. Januar 2021 Sozialzentrum Bezau-Mellau-Reuthe, Pelzrain Reihe für pflegende An- und Zugehörige 610 | Eintritt: 5 Euro | Anmeldung: E anneliese. Basiswissen für die Pflege daheim natter@sozialzentrum-bmr.at oder Modul 1 – einzeln buchbar | Beate Weber | T +43 (0)664 1864500 | Veranstalter: connexia 13.30 bis 17 Uhr | Kurs: 15 Euro inkl. Kaffee und Kuchen | Anmeldung, Ort und Veranstalter: Di 2. März 2021 Bildungshaus Batschuns Erben, schenken und vorsorgen Mag. Christoph Winsauer | 18.30 Uhr | Anmel- Sa 30. Januar 2021 dung: Amt der Stadt Dornbirn – Soziales, Pflege Ein Neujahrsempfang für Körper, und Senioren, E isabel.benzer@dornbirn.at | Geist und Seele Ort: Treffpunkt an der Ach | Freier Eintritt | Daniela Niedermayr-Mathies | 9 bis 17 Uhr | Veranstalter: Bildungshaus Batschuns Kurs: 80 Euro, Mittagessen: 14 Euro | Anmeldung, Ort und Veranstalter: Bildungshaus Batschuns Im Rahmen der aktuellen COVID-19 Hygiene- und Schutz- Informationen erhalten Sie beim jeweiligen Veranstalter. maßnahmen weisen wir Sie darauf hin, dass es zu Wir bitten Sie, die ausgewiesenen COVID-19 Hygiene- und Veranstaltungsabsagen kommen kann. Entsprechende Schutzmaßnahmen einzuhalten. Danke für Ihr Verständnis. 12
Sa 6. März 2021 Mo 22. März 2021 Atem – Bewegung – Stimme Innehalten – vom Wert der Langsamkeit Heilende Energiequellen aktivieren und der Pausen Dr.in Lisa Malin | 9 bis 17 Uhr | Kurs: 90 Euro, Dr. Franz Josef Köb | 19 Uhr | Sozialsprengel Mittagessen: 14 Euro | Anmeldung, Ort und Rheindelta, Franz-Reiter-Str. 12, Höchst | Freier Veranstalter: Bildungshaus Batschuns Eintritt | Anmeldung: E info@sozialsprengel. rheindelta.at oder T +43 (0)5578 22797 | So 14. März 2021 Veranstalter: connexia Sonntagnachmittag in Arbogast „Drüben am Walde kängt ein Guruh“ - vom See- Di 23. März 2021 mann, Dichter und reisenden Artisten Joachim Das Leben ist nicht immer schön Ringelnatz | Es erzählt, liest und spielt Gotthard Sepp Gröfler | 18.30 Uhr | Rathaus Bludenz, Bilgeri in Kooperation mit „Musik in der Pforte“ | Werdenbergerstraße 42 | Freier Eintritt | ab 14 Uhr Kaffee und Kuchen im Café | 16 Uhr Anmeldung: E gesundheit@bludenz.at oder Konzert und Lesung | Kosten: 19 Euro für das T +43 (0)5552 63621 | Veranstalter: connexia Konzert (+ Speisen und Getränke) | Veranstalter: Bildungshaus St. Arbogast Di 30. März 2021 Stolpersteine auf dem Weg zum Glück Mi 17. März 2021 Dr. Franz Josef Köb | 18 Uhr | Lebensraum Reihe für pflegende An- und Zugehörige Bregenz, Clemens-Holzmeister-Gasse 2, Was tun, wenn alles getan ist? Stadtteilzentrum Mariahilf, Bregenz | Modul 3 – einzeln buchbar | Christine Oberhauser, T +43 (0)5574 52700 | Freier Eintritt | Dipl. Sozialbetreuerin für Altenarbeit | 13.30 bis Veranstalter: Bildungshaus Batschuns 17 Uhr | Kurs: 15 Euro inkl. Kaffee und Kuchen | Anmeldung, Ort und Veranstalter: Bildungshaus Batschuns 13
Mi 7. April 2021 Regelmäßige Veranstaltungen Das Leben ist nicht immer schön Sepp Gröfler | 20 Uhr | Neue Mittelschule Egg, Gesprächsgruppen für betreuende Pfister 780 | Eintritt: 5 Euro | Anmeldung: und pflegende Angehörige E theresia.handler@gmx.at oder T +43 (0)660 Die Gesprächsgruppen finden an mehreren Orten 3108488 | Veranstalter: connexia Vorarlbergs statt. Nähere Informationen finden Sie auf der Homepage: www.bildungshaus- Di 13. April 2021 batschuns.at oder unter T +43 (0)5522 44290-23 Das Leben ist nicht immer schön Sepp Gröfler | 19 Uhr | Lebensraum Vorderland, Demenz – TANDEM Rautenastraße 44, Röthis | Freier Eintritt | An- Begleitung und Beratung für Angehörige und meldung: E claudia.wagner@vorderlandhus.at oder Zugehörige. Wir bieten Demenz-TANDEM- T +43 (0)5522 43661-15 | Veranstalter: connexia Gespräche in der Nähe des Wohnortes an. Die Termine finden zum individuell gewählten Mi 14. April 2021 Zeitpunkt statt und sind kostenlos. Information: Reihe für pflegende An- und Zugehörige Christiane Massimo, DGKPin, M +43 (0)664 Demenz – eine Herausforderung 3813047, E christiane.massimo@bhba.at, Modul 4 – einzeln buchbar | Mag.a Michaela Veranstalter: Bildungshaus Batschuns Mayrhofer | 13.30 bis 17 Uhr | Kurs: 15 Euro inkl. Kaffee und Kuchen | Anmeldung, Ort und Trauercafés Veranstalter: Bildungshaus Batschuns Hospiz Vorarlberg berät und begleitet Trauernde. Trauercafés finden regelmäßig in Lochau, Dorn- Mo 19. April 2021 birn, Rankweil und Krumbach statt – in Bludenz Ganz Mensch sein bis zuletzt – der Weg werden Einzelbegleitungen angeboten. Zusätzlich des Abschiednehmens bieten unsere Hospizteams in den Regionen Melitta Walser | 19 Uhr | Seniorenheim Wolfurt, individuelle Beratung und Begleitung für Gartenstraße 1 | Freiwillige Spende |Anmeldung: Trauernde an. Information und Veranstalter: E anita.spiegel@sozialdienste-wolfurt.at oder Hospiz Vorarlberg T (0)5574 71326 | Veranstalter: connexia Mi 21. April 2021 Mit Resilienz erfolgreich durchs Leben Veranstalter | Kontaktdaten Christian Singer | 19.30 Uhr | Häuser der Gene- Bildungshaus Batschuns rationen, Schulgasse 5, Götzis | Freier Eintritt | 6835 Zwischenwasser, Kapf 1 Anmeldung: E buero@zaemmaleaba.goetzis.at, T +43 (0)5522 44290, www.bildungshaus-batschuns.at T +43 (0)5522 43661-15 | Veranstalter: connexia Bildungshaus St. Arbogast Di 27. April 2021 6840 Götzis, Montfortstraße 88 5 leichte Strategien, um schwierige T +43 (0)5523 62501, www.arbogast.at Probleme zu lösen Clemens Maria Mohr | 20 Uhr | Dorfsaal Mellau, connexia – Gesellschaft für Platz 292 | Eintritt: 5 € | Anmeldung: Gesundheit und Pflege E anneliese.natter@sozialzentrum-bmr.at oder 6900 Bregenz, Quellenstraße 16 T +43 (0)664 1864500 | Veranstalter: connexia T +43 (0)5574 48787-0, www.connexia.at 14
Erholungsurlaube für pflegende Angehörige – Hilfe für Helfende Arbeiterkammer Vorarlberg Gesundheitsaktion „Nach der Pflege“ Die Arbeiterkammer bietet pflegenden Die intensive Pflege eines Familienmitglieds Angehörigen die Möglichkeit, sich wird oft zum Mittelpunkt des Lebens. Meist seelisch und körperlich zu regenerieren. werden die eigenen Bedürfnisse hintangestellt. Seit Juli 2020 findet die Erholungswoche in Was geschieht allerdings, wenn der Pflegling ver- Bad Reuthe statt. Den Teilnehmenden stehen stirbt? Die Lebenssituation verändert sich und es neben dem Aufenthalt in Vollpension die braucht Zeit, um sich selbst wieder zu finden und Inanspruchnahme von verschiedenen Gesund- sich neu zu orientieren. Eine große Unterstützung heitsanwendungen sowie ein Wellnessbereich bietet dabei die 15-tägige Gesundheitsaktion mit Schwimmbad und Sauna zur Verfügung. „Nach der Pflege“ für Selbständige sowie für Ein psychosozialer Gruppenabend mit vielen Bäuerinnen und Bauern. Diese Auszeit vom Alltag Informationen rund um die Pflege daheim gibt neue Kraft und Energie und hilft, die körper- rundet das Angebot ab. liche und seelische Gesundheit zu stärken, um neue Perspektiven und Ressourcen zu entdecken. 11.04. bis 17.04.2021; 02.05. bis 08.05.2021 Das Angebot umfasst ein abwechslungsreiches Be- 30.05. bis 05.06.2021; 06.06. bis 12.06.2021 wegungs- und Entspannungsprogramm, Gespräche 27.06. bis 03.07.2021; 04.07. bis 10.07.2021 mit psychosozialen Fachkräften und die Möglich- 11.07. bis 17.07.2021; 18.07. bis 24.07.2021 keit des Erfahrungsaustausches. Ein Wellnessan- 05.09. bis 11.09.2021; 12.09. bis 18.09.2021 gebot und Ausflüge runden das Programm ab. Nähere Informationen zu Voraussetzungen und Nähere Informationen zu Terminen und Anmel- Selbstbehalt erhalten Sie bei: Andrea Giglmaier, dung: erhalten Sie bei der Sozialversicherungs- Arbeiterkammer Vorarlberg, Hilfe für Helfende anstalt der Selbständigen, Dienstleistungszentrum T +43 (0)50 258-2214 (Mo-Do 13 bis 16 Uhr), Sicherheit und Gesundheit, T +43 (0)50 808 808, E: hfh@ak-vorarlberg.at E dlz.sg@svs.at 15
Eskalation – Deeskalation Eine Herausforderung im Gesundheitswesen „Die Hoffnung, dass sich die Gewaltbereit- Davon lässt sich ableiten, dass es offensichtlich schaft des Menschen als ein urtümliches Sinn macht, sich zuerst differenziert mit dem Phänomen durch evolutionäre oder „Innenleben“ und der Dynamik eines Konfliktes zivilisatorische Entwicklungen im Laufe auseinanderzusetzen. Die Begleiter von Aggressi- der Zeit verflüchtigen würde, verbleibt ein vität sind oft Ohnmacht, Leid und Verzweiflung. Wunschgedanke.“ (Robert Hirsch, 2010) Das macht die Situation nicht einfacher. Aggres- sivität bzw. Gewalt zu erleben, bedeutet Gefahr Ergänzend zu diesem Zitat bestätigen diverse zu laufen, selbst aggressiv zu werden bzw. zu Studien und Erhebungen, dass die Tendenz zu resignieren und in Verbitterung, in eine Trau- Gewalt und Aggression im Gesundheitswesen matisierung oder in ein Burn-out zu gleiten. Der leider sogar zunehmend ist. Aggressives Verhalten Prozess kann schleichend verlaufen. So können ist nicht nur in Akutkrankenhäusern, sondern „harmloses“ Fluchen oder „vermeintlich banale“ auch in Pflegeheimen oder Hausarztpraxen ein Beschimpfungen anfangs mit einem gewissen Thema. Sogar in der vermeintlich „friedlichen“ Humor zur Kenntnis genommen werden. Doch häuslichen Betreuung von Angehörigen wird so wie steter Tropfen den Stein höhlt, kann auch ein gewisser Anteil an Übergriffen verzeichnet. unsere Seele mit der Zeit Schaden nehmen. Der Dazu zählen grundsätzlich nicht „nur“ Aggres- Humor verschwindet und mittel- bis langfristig sionen von Seiten der betreuten Person, sondern nehmen Frustration, Resignation und Zorn den auch aggressive Handlungen ausgehend vom Platz ein. Die Psychiater William J. Walsh und Betreuungspersonal. Entsprechend dem alten David H. Clark ergänzen dazu, dass häufige ver- Vorarlberger Sprichwort „Ein Balken gibt kein bale Attacken auf Dauer dieselben Auswirkungen Kreuz“ lässt sich erahnen, dass es immer zwei zeigen, wie gewalttätige Übergriffe. zum Streiten braucht. Formen von Gewalt und Aggression Dieser Artikel soll keinesfalls Angst und Panik Das Spektrum der verschiedenen Formen, in schüren, sondern soll ein kleiner Beitrag denen uns Gewalt und Aggressivität im Ge- dazu sein, sich konstruktiv mit der Thematik sundheitswesen begegnen, ist sehr weit. In der „Eskalation – Deeskalation“ zu beschäftigen. Literatur finden sich mehrere Modelle, wie die unterschiedlichen Formen kategorisiert werden Was bedeutet „Deeskalation“? können. So würde Marianne Arndt (Kranken- Dafür gibt es verschiedenste Definitionen. schwester und habilitierte Pflegewissenschaftlerin Deeskalation kann als Überbegriff für alle Inter- in Deutschland) die oben genannten Beschimp- ventionen verwendet werden, die der Verhinde- fungen in ihrer Aufzählung als eine Form der rung, Reduktion oder Auflösung von Konflikten psychischen Gewalt bezeichnen. In die Kategorie dienen. In eskalierenden Situationen kommen „psychische Gewalt“ können ebenso verbale Be- oft verschiedenste Aspekte zusammen, die das drohungen, Hohn oder auch „Stress zu vermit- Geschehen bzw. die Dynamik beeinflussen. teln“ eingeordnet werden. Entsprechend komplex ist auch der Begriff der Deeskalation zu verstehen, es gibt also nicht nur In die Kategorie physische, also körperliche den „einen“ Weg, eine Situation zu entschärfen. Gewalt fallen unter anderem Schlagen, Kratzen, Christof Fuchs, MSc, Pflegepädagoge ProDeMa Deeskalationstrainer, connexia 16
Beißen, aber auch das Verwenden von zu kaltem So haben z.B. in der häuslichen Betreuung und bzw. zu warmem Badewasser. Eine weitere Pflege Resignation, Frustration und auch Ohn- Kategorie, die nicht so naheliegend ist, ist die machtsgefühle wesentlich Anteil daran, dass es sogenannte soziologische Gewalt. Darunter zu Übergriffen kommt. versteht Marianne Arndt z.B. alleine gelassen, von der „Außenwelt“ abgeschirmt zu werden Wie funktioniert Deeskalation? oder das Ignorieren der Privatsphäre. Die gute Nachricht: Es gibt Möglichkeiten, dem „Teufelskreis der Eskalation“ zu entrinnen. Die Die letzte Form, die in dieser exemplarischen Thematik „Gewalt und Aggression“ wird seit Aufzählung erwähnt wird, ist die sexuelle Ge- Jahrzehnten wissenschaftlich untersucht und so walt, dazu zählen das „Begrapschen“, der Klaps stehen uns heute umfangreiche Erkenntnisse zur auf den Po oder auch sexistische Äußerungen. Verfügung. Auf deren Basis wurden unterschied- An sexueller Gewalt kann eindrücklich aufge- liche Strategien der Deeskalation entwickelt, die zeigt werden, dass die Intensität der jeweiligen in diversen Fortbildungen angeboten werden. Die Form der Gewalt maßgeblich das subjektive Prinzipien sind dabei oft annähernd dieselben Erleben der betroffenen Person beeinflusst. So und können folgendermaßen gegliedert werden: wird der sogenannte „lüsterne Blick“ als eine • Enttabuisierung: Den Mut aufbringen, das subtile Form der sexuellen Gewalt definiert, die Thema anzusprechen. Vergewaltigung als eine der schwersten. So kann • Identifikation bzw. Analyse: Das Problem mög- bei jeder Form der Gewalt das entsprechende lichst frühzeitig erfassen, auslösende Aspekte Spektrum nach unten und oben einigermaßen identifizieren, die Dynamik durchleuchten. eingegrenzt werden. Die Bandbreite dazwischen • Ausarbeiten einer Strategie, deren Durchfüh- ist allerdings ein sehr weites Feld und es wäre rung und Überprüfung: Das konkrete Anwen- eine große Herausforderung, das Repertoire an den deeskalierender Maßnahmen, für Sicher- möglichen aggressiven Handlungen gesamthaft heit sorgen, den Konflikt konstruktiv lösen. aufzuzählen. • Nachsorge: Aus dem geschehenen Lernen Strategien für die Zukunft entwickeln – „Die Aspekte, die Aggression auslösen können beste Aggression ist die, die gar nicht entsteht.“ Ebenso umfassend wie die verschiedenen Formen der Gewalt sind auch die Aspekte, die aggressions- Zusammenfassend sei erwähnt, dass Konflikte auslösend wirken können. So ist beschrieben, zum Menschsein dazugehören und wenn sie dass Drogen oder Medikamente einen Einfluss konstruktiv gelöst werden, auch eine positive auf das Reaktionsmuster eines Menschen haben Seite haben: können. Neben vielem anderen werden auch psychische Erkrankungen oder auch demenzielle „In der Partnerschaft muss man sich manchmal Entwicklungen als Auslöser von Eskalationen streiten, denn dadurch erfährt man etwas mehr beschrieben. Als maßgeblicher Faktor wird auch voneinander.“ Johann Wolfgang von Goethe das aktuelle Befinden der beteiligten Personen beschrieben. So ist naheliegend, dass ein Mensch, Wünschenswert wäre, wenn professionelle der sich in innerer Harmonie und Balance deeskalierende Maßnahmen bis in die letzte befindet, weniger empfänglich für Aggressivität Verästelung des Gesundheitswesens vordringen, ist wie ein Mensch, der selber bereits an seiner damit könnte so manches Leid verhindert Belastbarkeitsgrenze angekommen ist. werden. Es gibt also noch viel zu tun. 17
ValidationVom hilfreichen Umgang mit demenzerkrankten Menschen Was ist Validation? Wer profitiert davon? unterteilen lassen. Sie entwickelte ein Vier-Phasen- Welche Ergebnisse kann man erzielen? Modell. Validation (engl. valid = jmd. gelten lassen) • Phase 1: Kommunizieren gut, sind meist wurde ab den 1960er-Jahren von Naomi orientiert, verleugnen, konfabulieren, halten Feil entwickelt und ist eine speziell auf energisch und ängstlich an dem fest, was sie alte und verwirrte Menschen abgestimmte noch nicht verloren haben, ziehen sich mit Kommunikationstechnik. Insbesondere für ihren Bedürfnissen und Gefühlen in ihr Menschen mit der Diagnose „Alzheimer- Inneres zurück. Demenz später Beginn“, um mit ihnen in • Phase 2: Kommunizieren, leben meist in ihrer eine wertschätzende Beziehung zu treten. eigenen Realität, Gefühle und Bedürfnisse Darüber hinaus gelten meines Erachtens die werden ungefiltert geäußert. Grundsätze und Leitlinien der Validation • Phase 3: Kommunizieren noch, sind meist nicht nur für Menschen mit einer Demenz in sich gekehrt, der Ausdruck von Gefühlen vom Typus Alzheimer, sondern für jede und Bedürfnissen erfolgt vorwiegend über zwischenmenschliche Begegnung und Bewegungen und Laute. Beziehung. • Phase 4: Kommunizieren kaum, sind in sich gekehrt. Alle Menschen bedürfen in der Begegnung mit anderen einer Grundhaltung, die man empa- Das theoretische Fundament der Validation um- thisch, wertschätzend oder ganz einfach als fasst elf Prinzipien, die sich auf verschiedenste menschlich bezeichnen kann. Feil erkannte, dass psychologische, analytische und psychiatrische desorientierte, alte Menschen dieser Grundhal- Erkenntnisse stützen. Zum Beispiel: Es gibt einen tung besonders bedürfen und auf ein besonderes Grund hinter jedem Verhalten. Alte, verwirrte Verständnis ihres Gegenübers angewiesen sind. Menschen haben Bedürfnisse, die befriedigt sein Eine Konfrontation mit der Realität der Gesunden wollen. Symbole spielen eine emotionale Rolle wirkt sich negativ auf die Beziehung zum alten im Leben verwirrter Menschen und vieles mehr. Menschen und zu seiner Erkrankung aus – die Naomi Feil versteht Validation als eine Kombina- alten Menschen ziehen sich zurück, resignieren, tion aus einer empathischen, ehrlichen Grund- werden ungehalten usw. Daher entwickelte Feil haltung, theoretischen Leitlinien und spezifischen die Validation, welche dem Betreuenden Richtli- Techniken je nach Phase. nien und Erkenntnisse offenbart, die die Begeg- nung und Kommunikation mit verwirrten, alten Das Anwenden der entsprechenden Techniken Menschen erleichtern kann. und der empathische Umgang verhindern einen weiteren Rückzug und ermöglichen eine harmo- Vier-Phasen-Modell nische Beziehung, sodass der alte Mensch seine Feil erkannte auch in ihren Beobachtungen, dass Vergangenheit aufarbeiten und in Frieden alte und verwirrte Menschen unterschiedlich sterben kann. dominante Symptome und Eigenheiten aufweisen, welche man gruppieren kann, womit sich Oberstes Ziel einer Validations-Fortbildung ist es, (Schwere-)Grade der Desorientierung in Phasen desorientierte, alte Menschen besser zu verstehen Mag.a Iris Staffler Klinische und Gesundheitspsychologin, Validationslehrerin nach Naomi Feil 18
undd mit it der d Erkrankung Ek k vertrauter t t zu werden.d k f ti t – ältere konfrontiert ält Mitmenschen Mit h sind i d ein i Teil T il Nur, wenn man das Verhalten seines Gegenübers unserer Gesellschaft. Sie gehen zur Bank, sie versteht, kann man adäquat agieren und reagieren. gehen einkaufen, sie spazieren durch die Straßen Meiner Erfahrung nach führt es zu größten und Parks – sie nehmen angepasst an ihre Res- Spannungen, wenn Betreuende (egal ob profes- sourcen am sozialen Leben teil. Dabei kommt es sionelles Fachpersonal, Angehörige oder ehren- aufgrund der Andersartigkeit der Interpretation amtliche Mitarbeitende) immer wieder versuchen, von Wirklichkeit oft zu Missverständnissen und die zu Betreuenden in ihre Wirklichkeit – die zu herausfordernden Situationen für alle Betei- Realität der Gesunden – zurückzuholen. Da das ligten. Deshalb ist es mir ein Herzensanliegen, nicht mehr gelingt, raubt dieses Unterfangen nicht nur das Personal in Wohn- und Pflege- Energie und Motivation auf Seiten der Betreu- heimen zu sensibilisieren, sondern auch andere enden und führt zu einer Verschlechterung des Berufsgruppen, Angehörige und die interessierte Zustands bei den Betreuten. Öffentlichkeit. Konflikte vermeiden Validation als Prävention Meiner Meinung nach können wir Konflikte Zusammengefasst ist Validation einerseits für relativ leicht vermeiden, wenn wir den verwirrten mich eine Prävention. Durch den entsprechenden Menschen nicht anlügen, ihn nicht ablenken, Umgang fühlt sich der alte Mensch wahrge- ihm keine Wissensfragen stellen, die er auch nommen, wertgeschätzt und geachtet. Er erlangt nicht beantworten kann und nicht versuchen, ihn Würde. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass es auf rationaler Ebene durch Argumentationen zu zu einem sogenannten herausfordernden Verhalten überzeugen versuchen. kommt, minimiert. Andererseits erlernt man, wie man in Stresssituationen, bei herausforderndem In unserer Gesellschaft ist inzwischen beinahe Verhalten eines verwirrten Menschen, die Ruhe jeder mit den Problemen einer Demenzerkrankung bewahrt und adäquat darauf reagiert. 19
Warum sich Resilienz lohnt all dem fertig sind? Trotz diesem von Ihnen noch so mächtig ausgeübten Druck wird er sich wieder in die ursprüngliche Form zurückbewe- gen. Haben Sie sich in schwierigen Lebensmo- menten nicht auch schon gewünscht, ähnlich wie ein Schwamm oder wie das berühmte „Steh- aufmännchen“ reagieren zu können? Resilienz ist erlernbar Wenn ja, dann habe ich eine gute Nachricht: Resilienz ist erlernbar! Bei mir im Büro hängt ein Spruch: „Das Leben ist schön, von einfach war nie die Rede.“ Mit Resilienz, dieser psy- chischen Widerstandsfähigkeit, gelingt es uns, den Widerwärtigkeiten des Lebens wirksam zu trotzen. Sie ist für alle Menschen in allen Le- benslagen von Bedeutung und einsetzbar, vor allem dort, wo wir an unsere Grenzen stoßen Der Begriff „Resilienz“ leitet sich vom latei- und nicht mehr weiterwissen. Jeden Tag werden nischen „resilire“ ab, was „zurückspringen“ wir aufs Neue mit großen oder kleinen Ver- oder „abprallen“ bedeutet. Ursprünglich änderungen konfrontiert. Bei der Bewältigung wurde „Resilienz“ in der Materialwissen- dieser Momente kann Dauerstress entstehen. schaft verwendet. Der Begriff umschreibt Diesen gilt es möglichst positiv zu meistern und dort die Fähigkeit eines Materials, nach aus den „Fehlern“ der Vergangenheit zu lernen. mechanischer Einwirkung wieder in den Diese als Lerngeschenk anzunehmen, hilft hier Ursprungszustand zurückzukehren. immens. In der Psychologie bezeichnet er die Fähigkeit „Der Mensch ist nicht frei von etwas, sondern des Menschen, durch Rückgriff auf persönliche frei zu etwas ...“ (Viktor Frankl) und sozial vermittelte Ressourcen – wie bei- Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie spielsweise auf die eigene Widerstandsfähigkeit, und Existenzanalyse, hat vier Konzentrations- die Belastbarkeit, das Bewusstsein um den eige- lager überlebt und ist so ein Paradebeispiel für nen Selbstwert und die Flexibilität — Krisen und gelebte Resilienz. Er sagt, dass jeder Mensch große Herausforderungen zu bewältigen. potenziell willensfrei ist: Selbst, wenn dem Menschen vermeintlich alle Freiheit genommen Stellen Sie sich einen Schwamm vor, trocken wird, so bleibt ihm immer noch die Freiheit oder nass, völlig egal, in welchem Zustand. Die- zur Stellungnahme. Der Mensch ist zwar nicht sen drücken Sie in der Hand zusammen, werfen frei von sozialen Bedingtheiten, körperlichen ihn an die Wand, treten danach auf ihm herum. Gebrechen und so fort, aber er ist frei, wie er Was denken Sie, wird er machen, wenn Sie mit dazu Stellung beziehen will. Er ist nicht frei Christian Singer Psychologischer Berater, Resilienz-Motivationscoach 20
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