In Balance - mit mir und anderen - Themenschwerpunkt - connexia

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In Balance - mit mir und anderen - Themenschwerpunkt - connexia
Zeitschrift
für Betreuung
und Pflege

                                  Themenschwerpunkt

                In Balance –
                mit mir und anderen
                1 | 2021 22. Jahrgang
In Balance - mit mir und anderen - Themenschwerpunkt - connexia
Inhaltsverzeichnis

Editorial | 3
Zwischen den Stühlen | 4
Über Demenz muss geredet werden | 5
Das Beste aus einer schwierigen Situation machen | 6
Zeit für guten Kontakt | 8
Wann ist Gewalt, Gewalt? | 10
Veranstaltungen | 12
Erholungsurlaube für pflegende Angehörige – Hilfe für Helfende | 15
Eskalation – Deeskalation | 16
Validation | 18
Warum sich Resilienz lohnt | 20
„Bewusst gemacht“ – Balance zwischen Jungen und Alten.
Was die Jungen von den Alten bekommen. | 22
Impressum und Vorschau | 23
In Balance - mit mir und anderen - Themenschwerpunkt - connexia
Liebe Leserin,
lieber Leser!
Um eine Betreuungs- und Pflegesituation zu
Hause im Gleichgewicht zu halten, so, dass
es allen Beteiligten gut geht, ist wahrlich ein
Balanceakt. Jeder sieht seine Lebenssituation und
seine Umwelt anders und deshalb ist jedem von
uns etwas anderes wichtig. Herauszufinden, was
für jeden Einzelnen Lebensqualität bedeutet,
benötigt viel Fingerspitzengefühl, Verständnis
und gute Kommunikationskompetenz.

Wer seine Unabhängigkeit aufgrund von gesund-
heitlichen Einschränkungen aufgeben und
plötzlich Hilfe annehmen muss, ist mit vielen
Emotionen konfrontiert: von Frust über Zorn
bis hin zu Aggression. Mit diesen Emotionen
müssen auch die betreuenden und pflegenden
Angehörigen lernen, umzugehen. Mit dieser
Ausgabe des „daSeins“ möchten wir Möglich-
keiten aufzeigen, wie wir es auch in schwierigen
Situationen schaffen, in Balance zu bleiben.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen.

Herzlichst,
Ihr „daSein“ Redaktionsteam

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Zwischen den Stühlen

       Seit zwölf Jahren ist Dagmar R. (66) in              studieren können, deshalb war es für mich die
       Österreich als 24-Stunden-Betreuerin tätig.          richtige Entscheidung. Früher sind im Krieg die
       Im Mai war sie nach elf Wochen Betreu-               Männer gegangen. Jetzt sind es die Frauen, die
       ungsarbeit dabei, ihre Koffer zu packen und          den Mut haben, die Familien zu verlassen und
       für zwei Monate nach Hause zu fahren.                Geld zu verdienen. Man braucht Tapferkeit für
                                                            diesen Job, das kann ich Ihnen sagen. Die häus-
    Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass             liche Pflege, wie ich sie jetzt mache, ist sicher
    Sie so lange geblieben sind. Wie geht es Ihnen?         die schönste Form für alle Beteiligten, sofern
    Mir geht es gut, ich kann nur sagen, wir haben          man zusammenpasst.
    alles, was wir brauchen, ein Dach über dem Kopf,
    Essen, Kleidung und Heizung. In vielen Ländern          Wie sieht der Alltag aus?
    ist die Situation ungleich schlimmer. Wir sitzen        Bei Frau E. bin ich schon seit vier Jahren, wir
    täglich im Garten in dem kleinen Gartenhaus             teilen vieles miteinander. Wir spazieren täglich,
    und nehmen die ganze Situation mit Gelassen-            kochen gemeinsam, wir stricken viel, sehen fern
    heit und Humor. Trotzdem ist es gut, jetzt nach         und reden über das, was uns beschäftigt. Letztes
    Hause zu fahren. Ich möchte meine Kinder und            Jahr haben wir noch im Wohnzimmer getanzt.
    meine Enkel sehen.                                      In diesen Wochen bin ich aber allein einkaufen
                                                            gegangen oder die Tochter hat uns Essen vor die
    Werden Sie in Quarantäne müssen?                        Türe gestellt, damit wir nichts riskieren.
    Ich muss mich einen Tag vor Abreise testen lassen
    und dann sollte ich, sofern der Test negativ ist,       War es leicht zu entscheiden, trotz der
    einfach einreisen können. Die Familie übernimmt         Pandemie nach Österreich zu kommen?
    die Kosten für den Test, was sehr nett ist. Es wäre     Nein, das war nicht leicht, ich hatte großen Re-
    schrecklich, wenn ich in eines dieser Zentren           spekt vor der Infektion, aber Angst ist keine gute
    müsste, ich kenne Frauen in der Slowakei, die zu        Ratgeberin. Ich war hin- und hergerissen. Aber
    viert in einem Zimmer bleiben mussten, teilweise        so ist das ganze Berufsleben einer 24-Stunden-
    mit wildfremden Frauen in einem Doppelbett.             Betreuerin. Wir sitzen immer zwischen zwei
    Vor der Tür patrouillierten Polizisten, ihnen wurde     Stühlen, die ganze Zeit. Deshalb wollte ich auch
    kaltes Essen vor die Tür gestellt. Ich glaube,          die Kollegin nicht hängen lassen, sie war bereits
    das Gefängnis bietet mehr Komfort. Häusliche            sieben Wochen da und schon sehr erschöpft.
    Quarantäne wäre noch erträglich, aber das …
                                                            Wann werden Sie zurückkommen?
    Was hat Sie bewogen, beruflich nach                Das hängt stark von den Reisebestimmungen ab,
    Österreich zu wechseln?                           wenn wir zu lange bleiben, kann die Steuernach-
    Bei uns sind die Lebenshaltungskosten leider sehr zahlung empfindlich werden. Es ist schon alles
    stark gestiegen, die Löhne aber nicht. Außer-     ungewiss, aber die Arbeit wird uns in Österreich
    dem herrscht große Arbeitslosigkeit, auch beim    nicht ausgehen. Schon jetzt wartet in Altenstadt
    Pflegepersonal. Ich wollte, dass meine Kinder     eine 90-Jährige auf mich, dass ich komme.

                                   Daniela Egger, Aktion Demenz, Projektmanagement
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Über Demenz muss geredet werden
           Das Land Vorarlberg unterstützt Initiativen und
           Projekte zum Thema Demenz

   Demenz – Wir müssen reden! – unter
   diesem Motto stand der vergangene Welt-
   Alzheimertag. „Das sollten wir tatsächlich
   tun, denn gerade in der Zeit der globalen
   Krise zeigt sich wie unter einem Vergröße-
   rungsglas, wo es genau hinzuschauen gilt.
   Je mehr die breite Bevölkerung über die
   Thematik Demenz versteht und sich beginnt
   darüber auszutauschen, umso leichter kön-
   nen demenzfreundliche Gemeinden Realität
   werden“, sagt Soziallandesrätin Katharina
   Wiesflecker.

Gemeinsam mit der Aktion Demenz engagiert sie           bedruckte Stofftaschen ausgegeben, um auf die
sich dafür, dass über diese Krankheit öffentlich        wichtige Rolle, die eine gute Nachbarschaft spe-
geredet wird. „Das gilt für Betroffene, Angehörige,     ziell für pflegende Angehörige und für Menschen
Fachpersonal wie auch unbeteiligte Menschen –           mit Demenz spielt, hinzuweisen. Die große Zahl
wir brauchen ein breites Verständnis für die            an Ehrenamtlichen zeigt den Erfolg der Sensibili-
unterschiedlichen Verläufe und Stadien der              sierungsarbeit. „Die Corona-Zeit macht deutlich,
Erkrankung, die noch vorhandenen Ressourcen             dass Gemeinschaft an vielen Orten tatsächlich
und die Bedeutung des sozialen Zusammenhalts“,          gelebt wird“, sagt Landesrätin Wiesflecker.
so Wiesflecker.
                                                Am 6. Oktober 2020 eröffnete im Atrium des
In Vorarlberg wurde bei etwa 6.000 Menschen     vorarlberg museums in Bregenz die Ausstellung
eine demenzielle Entwicklung diagnostiziert,    „Shutdown. Vorarlberg und Corona“. In diesem
die Prognosen gehen – gleich wie in anderen     Filmprojekt der Aktion Demenz erzählen Men-
Regionen – bis zum Jahr 2050 von einer Ver-     schen mit Demenz und pflegende Angehörige
dreifachung aus. Die meisten Menschen mit einer über ihre Erfahrungen in der Zeit des Lockdowns.
kognitiven Veränderung werden zu Hause von
Angehörigen betreut und gepflegt. „Die Wert-    Das Demenz-Angebot TANDEM, das seit 13
schätzung für diese Arbeit kann gar nicht hoch  Jahren vom Bildungshaus Batschuns organisiert
genug sein. Pflegende Angehörige schenken den wird, bietet Unterstützung für Angehörige von
Betreuten mehr Lebensqualität und entlasten     Menschen mit Demenz. Neben Treffen in Fami-
dabei das Sozial- und Gesundheitssystem ganz    lien- und gemischten Kleingruppen gibt es
enorm“, bedankt sich Landesrätin Wiesflecker.   auch die Möglichkeit, Einzelberatungen oder
                                                Telefonberatungen in Anspruch zu nehmen.
Mit einer ganz besonderen Aktion rückt die Ak-  „Die positiven Rückmeldungen bestätigen den
tion Demenz das Thema „Nachbarschaft“ in den    Erfolg und damit die Notwendigkeit dieses
Mittelpunkt. In den 44 Modellgemeinden wurden Angebots“, so Wiesflecker abschließend.

                                   Landesrätin Katharina Wiesflecker
                                                                                                            5
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Das Beste aus einer schwierigen
    Situation machen                                                  Angehörige pflegen Menschen mit Demenz

       Zumeist sucht man es sich nicht aus, Pflege             Gefangen in einer Rolle
       ergibt sich, weil man die Partnerin, der       Pflegende Angehörige erleben sich im ungüns-
       Partner ist, in der Nähe wohnt oder weil       tigen Fall gefangen in einer Rolle, die als unent-
       die Familie es so verfügt. Man hofft, die      rinnbar wahrgenommen wird. Der entscheidende
       Krise geht vorbei, aber mitnichten, sie        Punkt dabei: die Überzeugung, niemand an-
       vertieft sich. Und ist man einmal in diese     derer kann dies übernehmen oder gut genug
       Rolle „hineingerutscht“, gibt es in der Regel  machen. Wenn diese Überzeugung wie eine Falle
       keinen Weg zurück.                             zuschnappt, dann bestimmt die Rolle als Pflege-
                                                      person zunehmend alles Fühlen, Denken, Handeln
    Je größer die Nähe, desto schwieriger kann        und dann auch die eigene Identität. Nur der
    es werden, besonders für pflegende Ehefrauen.     Tod der zu pflegenden Person verspricht dann
    Ehemänner verstehen die Pflege eher „beruf-       noch eine Befreiung. Oft werden Karriere, Be-
    lich“, sie entscheiden sich für die Pflege, von   sitz, Vermögen, auch Freunde, Urlaub, Erholung
    Partnerinnen wird es selbstverständlich erwartet. aufgeopfert, bis vom Pflegenden im wahrsten
    Eheleute sind häufig schon älter, gesundheitlich Sinne nichts mehr übrigbleibt. Zusammenfassend
    belastet und manchmal mit einem Paket „offe-      kann man behaupten: ein Familienmitglied mit
    ner Lebensrechnungen“ belastet. Je neurotischer Demenz zu pflegen ist ein gravierendes gesund-
    die Beziehung (heimliche Wut, Angst, nie ge-      heitliches Risiko und viele Pflegende gehen aus
    äußerter Ekel), je geringer die eigene pflegeri-  dieser Zeit mit einem bleibenden Schaden hervor.
    sche Kompetenz, je höher die Stressbelastung,
    je mehr man das Gegenüber als fremd erlebt,       Wichtige Faktoren, die beachtet werden sollten
    desto eher werden die Pflegenden physisch und Die Pflege eines Menschen mit Demenz kann,
    psychisch krank, meist mit deutlich depressiven wenn folgende wichtige Faktoren beachtet wer-
    Symptomen.                                        den, auch zu einer guten Erfahrung mit Gewinn
                                                      für alle Beteiligten werden: Es ist nicht gut, ohne
    Töchter haben oft eine eigene Familie oder einen Überlegung und Beratung diese Rolle zu über-
    Beruf und können daher mehr Distanz aufbauen. nehmen. Die Zeit nach der Diagnose ist meist
    Ihre zentrale Motivation ist die Wiedergutma-     die beste Zeit, um sich informieren und beraten
    chung, eine subjektiv schuldhafte Einschätzung    zu lassen. Der pflegerische und begleitende Auf-
    der pflegenden Aufgabe, insbesondere der eige-    wand ist noch überschaubar, sodass Pflegekurse
    nen Mutter gegenüber. Auch das Bedürfnis nach     besucht, Beratungsstellen genutzt und das Hilfe-
    Anerkennung spielt eine Rolle: Pflege als „letzte system erkundet werden kann. Alles hängt davon
    Gelegenheit“, damit es mit der Mutter gut wird.   ab, die Krankheit und ihre mögliche Entwicklung
    Pflege der Mutter hat mit „Tochtersein“ zu tun,   zu verstehen, die eigene Rolle als pflegender
    nicht mit Pflege. Dennoch: Je freiwilliger sie es Angehöriger bewusst anzunehmen und das Leben
    tut, je mehr sie ein erwachsenes Verhältnis zu    an beides, die Krankheit und die neue Verant-
    ihren Eltern entwickelt hat, je mehr die eigene   wortung anzupassen. Eine bislang gut gelungene
    Familie sie unterstützt, je weniger sie mit den   Beziehung, in der viele Lebensprobleme gemein-
    Eltern in einer Wohnung zusammenlebt, desto       sam gut bewältigt werden konnten, ist dafür eine
    besser kann es gehen.                             wichtige Voraussetzung. Ist das nicht der Fall,

                                 Dipl.-Theol., BPhil Christian Müller-Hergl

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sollte man von der häuslichen Pflege Abstand           kognitiven Fähigkeiten, Apraxie (wie man Dinge
nehmen. Die Pflege eines Menschen mit Demenz           plant, durchführt, abschließt, z.B. sich anziehen,
gleicht einem Marathonlauf und nur die „Fitten“        zur Toilette gehen) nehmen zu, viele Aufgaben
stehen das durch. Je höher die eigene pflegeri-        und Funktionen müssen die Pflegeperson oder die
sche Kompetenz und je mehr man sich mit der            erwachsenen Kinder übernehmen und allein be-
Pflegerolle identifiziert, desto weniger leiden        wältigen. Die Probleme sind nicht mehr „lösbar“
Angehörige unter depressiven Symptomen. Dies           und vieles muss ausgehalten werden. Dies erfor-
bedeutet auch, sich pflegerisch fit zu machen,         dert erhebliche Anpassungsleistungen seitens der
die eigenen physischen und psychischen Grenzen         Pflegeperson. Hierzu gehören auch Trauer, der
auszuloten, die Familie miteinzubeziehen und           Umgang mit eigener Depressivität, Auseinander-
von Beginn an eine breite Palette von externen         setzung mit dem Verlust von Lebensplänen und
Hilfsangeboten zu nutzen – und nicht erst, wenn        -zielen. Auch die Entwicklung und der Erhalt der
die Stabilität der häuslichen Pflege gefährdet ist.    eigenen Gesundheit (man darf jetzt nicht mehr
Auch von der Person mit Demenz – so dies ir-           ausfallen!) spielen eine wichtige Rolle. Es ist
gendwie noch geht – ist ein Mitmachen und An-          nicht gut, dies mit sich selbst auszumachen oder
nehmen solcher Angebote klar einzufordern. Erst        – besonders ungünstig – sich zunehmend über
diese Akzeptanz ermöglicht, sich Freiräume zu          den zu Pflegenden zu ärgern. Selbsthilfegruppen,
schaffen, Entlastungen einzuplanen, gemeinsam          regelmäßige Beratung oder sogar psychothera-
mit dem anderen positiv tätig zu werden, Struk-        peutische Hilfe sind angeraten. Zunehmend ent-
turen und Routinen zu entwickeln, mit denen            lässt man sich aus der Rolle der Partnerin, des
beide Seiten leben können.                             Partners, des erwachsenen Kindes und wird zum
                                                       Pflegenden: Je länger man pflegt, desto mehr
Den Alltag gemeinsam gestalten                         Stabilität gewinnt man in der Rolle. Wenn dies
Zur Anpassung an diese Art von Leben gehört es,        gelingt, passt man sich dem Verlauf der Erkran-
möglichst viele Dinge gemeinsam zu machen, die         kung gut an und erlebt diese Zeit möglicherweise
Person mit Demenz fähigkeitsabhängig zu betei-         sogar als Gewinn.
ligen und eine stabile Tages- und Wochenroutine
einzuführen. Gemeinsame Wege einüben (die die          Häusliche Pflege ist keine kurze Episode
Person so lange wie möglich alleine bewältigen         Insgesamt muss man sich darauf einstellen, dass
kann, später mit GPS-Tracker), zusammen einkau-        es lange dauert. Pflegen wird zu einer „Lebens-
fen und Mahlzeiten kochen und den Garten be-           form“, die alles bestimmen wird, kein Randphä-
stellen. Je mehr es gelingt, den Alltag gemeinsam      nomen des Lebens. Die Hauptpflegeperson bildet
zu gestalten, desto besser geht es beiden Seiten.      die Voraussetzung ergänzender professioneller
Zudem gilt es, die Wohnung anzupassen: Teppi-          Pflege, letztere kann erstere nicht ersetzen, be-
che entfernen, helle Möbel, helles Licht, ein eher     sonders nicht bei Demenz! Bislang wird die Vor-
einfach und übersichtlich gestaltetes Interieur, das   bereitung von Familienmitgliedern auf die Pflege
Badezimmer anpassen. Auch dies ist eher zu Be-         noch nicht als gesellschaftliche und kommunale
ginn des gemeinsamen Demenz-Weges möglich.             Aufgabe, sondern als Privatangelegenheit ver-
                                                       standen: sie begünstigt grenzwertige, häusliche
Neben dieser bewusst gestaltenden Aufgabe tritt        Pflegesituationen (Gewalt, Alkohol). Dringend
die seelische Auseinandersetzung mit dem fort-         bedarf es einer Strategie, die häusliche Pflege
schreitenden Niedergang: Verhaltensprobleme            als öffentliche Angelegenheit zu betrachten und
(z.B. Teilnahmslosigkeit, krankhafte Unruhe),          Anreize für neue Pflegearrangements (ambulantes
Persönlichkeitsveränderungen und Störungen der         CareMix) zu schaffen.

                                                                                                            7
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Zeit für guten Kontakt
       Die Betreuung und Pflege von Angehörigen             „aufmerksam warten“ und „der Initiative folgen“.
       zu übernehmen, bedeutet Herausforderun-             Das bedeutet, dass mit Interesse und voller Auf-
       gen auf vielen Ebenen gegenüberzustehen.            merksamkeit Raum und Zeit gegeben wird, um
       Eine der größten Herausforderungen ist              die Initiative der anderen Person wahrzunehmen
       die Kommunikation mit pflegebedürftigen              und ihr in angemessenem Tempo zu folgen. Ini-
       Menschen.                                           tiativen können dabei verbale und nonverbale
                                                           Aktionen sein. Im konkreten Fall hätte das be-
                                                           deutet, dass sich die beiden Angehörigen mehr
                                                           Zeit hätten nehmen müssen, damit die (Schwie-
                                                           ger-)Mutter die Chance gehabt hätte, am Ge-
                                                           spräch teilzunehmen.

                                                           Die Rolle der Scham
                                                           Ein Faktor, der bei jeder Person unterschiedlich
                                                           ausgeprägt zur Geltung kommt, ist die Scham.
                                                           Man stelle sich vor, dass man ein Leben lang
                                                           selbstbestimmt gelebt hat. Viele unserer Eltern
                                                           haben in den Nachkriegsjahren schier Unglaub-
                                                           liches geleistet, um sich selbst eine Existenz
    Als ich eingeladen wurde, diesen Artikel zu            aufzubauen und ihren Familien ein warmes Nest
    schreiben, fiel mir eine Situation ein, die ich        zu bieten. Die Anerkennung dieser Leistungen ist
    letztes Jahr miterleben durfte. Ich veranstaltete      genauso wichtig wie die Erkenntnis darüber, dass
    mit meinem Team von PINA einen Kongress in             es in der damaligen Gesellschaft (wie auch heute
    Feldkirch. Anschließend luden wir eine unserer         noch oft) verpönt war, Hilfe in Anspruch nehmen
    Vortragenden, die Holländerin Maria Aarts, zu          zu müssen.
    einem Ausflug durchs Ländle ein. Beim Mittag-
    essen saß am Nachbartisch ein Paar mit der         Nun finden sich diese Menschen in alltäglichen
    offensichtlich demenzkranken (Schwieger-)Mutter.   Situationen wieder, die sie nicht ohne Unter-
                                                       stützung bewältigen können. Mitunter kann
    Der Faktor Zeit                                    es schnell gehen, dass auch intime Situationen
    Maria Aarts, die Begründerin der Marte-Meo-Me- davon betroffen sind: sich nicht mehr allein wa-
    thode, ist darauf spezialisiert, die Interaktionen schen zu können, Unterstützung beim Gang aufs
    von Menschen zu beobachten. Beim Verlassen         Klo zu benötigen, u.a.m.
    des Restaurants sagte sie: „Schade, sie verpassen
    sich die ganze Zeit.“ Sie hatte beobachtet, dass   Es ist wichtig anzuerkennen, dass das Annehmen
    die „Kinder“ etwas sagten – bis die (Schwieger-)   solcher Unterstützung mit Scham besetzt ist. Das
    Mutter darauf aber reagieren konnte, waren sie     können wir nicht ändern, da helfen weder gutes
    schon wieder beim nächsten Thema.                  Zureden noch Aufforderungen, sich nicht so an-
                                                       zustellen. Die entscheidende Frage ist, was wir
    Aus dieser Beobachtung heraus formulierte Maria tun können, damit die hilfsbedürftige Person gut
    Aarts eines ihrer Grundprinzipien: Sie nennt es    mit der Scham umgehen kann. Die erste goldene

                                 Martin A. Fellacher, MA

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Regel dazu ist, sich dafür zu entschuldigen, dass    Erstens, keine Fragen zu stellen, wenn man
man nun etwas macht, das schwierig anzuneh-          möchte, dass etwas passiert. Und zweitens, keine
men ist. Das mag im ersten Moment etwas selt-        „Befehle“ zu geben, sondern zu sagen, was man
sam klingen, denn schließlich bin ich es ja, der     möchte. Also statt: „Wärst du bereit, jetzt deine
etwas für den anderen macht; wofür also ent-         Medikamente zu nehmen?“ oder „Nimm jetzt
schuldigen? Dadurch, dass wir es ansprechen und      deine Medikamente“ einfach: „Ich möchte, dass
sagen: „Ich weiß, das ist dir jetzt vielleicht un-   du jetzt deine Medikamente nimmst“ oder „Du
angenehm, das tut mir leid“, ermöglichen wir der     weißt, jetzt ist wieder die Zeit für Medikamente.“
anderen Person, ihre Scham besser zu regulieren.
                                                     Kontakt vor Kommunikation
Übrigens: Wenn Sie die Erfahrung machen, dass        Zu guter Letzt kann es wichtig und wesentlich
die hilfsbedürftige Person undankbar, vielleicht     sein, dass man darauf achtet, vor jeder Auffor-
sogar aggressiv reagiert, dann kann auch das         derung Kontakt herzustellen. Dies kann dadurch
ein Aspekt davon sein, dass es nicht gelingt,        passieren, dass man zur Person geht, ihr die
einen guten Umgang mit der Scham zu finden.          Hand auf die Schulter legt und/oder in die Au-
Denn eine weit verbreitete Strategie, seine eigene   gen schaut. Wenn der Kontakt hergestellt ist,
Scham abzuwehren, liegt im Angriff gegenüber         kann damit begonnen werden, die beabsichtigte
jener Person, die mich beschämt hat. Sollten Sie     Botschaft zu übermitteln. Vielleicht möchten Sie,
sich solchen Angriffen gegenübersehen, dann          zusammengefasst, in nächster Zeit folgende Din-
hilft auch da eine Entschuldigung: „Oje, ich         ge ausprobieren, sollten Sie die Kommunikation
glaube, ich habe etwas getan, das dir unange-        mit ihrem hilfsbedürftigen Angehörigen heraus-
nehm war. Das tut mir leid.“                         fordernd empfinden:
                                                     • Versuchen Sie sich bewusst Zeit zu nehmen.
Ich kann dich nicht zwingen, ich will dich              Dazu ist es notwendig, dass Sie für Situationen
nicht überreden                                         sorgen, in denen Sie diese Zeit zur Verfügung
„Mein Vater sollte regelmäßig Medikamente neh-          haben.
men, der Arzt hat uns einen genauen Zeitplan         • Wenn Sie merken, dass Ihr Gegenüber är-
gegeben. Aber er weigert sich. Was kann ich ma-         gerlich reagiert, oder Sie Tätigkeiten machen
chen, damit er sie nimmt?“ Solche Fragen stellen        müssen, die Intimitätsgrenzen überschreiten,
sich viele Angehörige, nicht nur wenn es um Me-         dann sprechen Sie das an und sagen, dass es
dikamente geht. Bekomme ich diese Frage gestellt,       Ihnen leidtut.
habe ich jedoch nur eine ehrliche Antwort darauf:    • Versuchen Sie zu sagen, was Sie möchten, aber
Ich habe keine Ahnung, was man machen kann,             keine Fragen zu stellen oder „Befehle“ auszu-
damit jemand etwas macht, das er nicht will.            sprechen.
                                                     • Achten Sie darauf, dass Sie mit der Person
Doch bevor wir resignieren, müssen wir uns etwas        Kontakt herstellen, bevor Sie sie ansprechen.
anderes bewusstmachen: Wir haben keine Möglich-
keit, das Verhalten einer anderen Person zu kon-     Vielleicht ist nur einer dieser Punkte hilfreich für
trollieren. Aber wir können uns überlegen, wie wir   Sie, und vielleicht schaffen Sie es nicht immer, da-
uns verhalten können. Ich rate deshalb in solchen    nach zu handeln. Lassen Sie sich davon nicht ab-
Situationen Angehörigen zwei wesentliche Dinge:      halten und seien Sie tolerant sich selbst gegenüber!

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Wann ist Gewalt, Gewalt?
                   Interview zum Thema: „Gewalt in Betreuungs- und Pflegesituationen“

 Wo liegen die Grenzen zwischen konstruktivem aus Böswilligkeit. Krankheitssymptome, ständige
 Streit und Gewalt?                           Überforderung sowie Beziehungskonflikte können
 Zwischen „konstruktivem Streit“ und „Gewalt“                gewalttätige Übergriffe auslösen. Die dauernde
 besteht ein fundamentaler Unterschied. Beim Streit          Überlastung in der Pflegesituation kann ein Grund
 prallen unterschiedliche Vorstellungen aufeinan-            für problematisches, aggressives Verhalten sein.
 der, eine Lösung scheint auf den ersten Blick oft           Innere Unruhe, schnelles Gereizt-Sein, Müdigkeit,
 unmöglich. Streiten bedeutet sich auf „Augen-               Schlaflosigkeit, aber auch ständige Kopf- und
 höhe“ zu begegnen und gemeinsam nach einer                  Magenschmerzen können erste Anzeichen einer
 Lösung des Konfliktes zu suchen. Streit gehört in           Überforderung sein. Um Gewalthandlungen ent-
 jeder Art von Beziehung zu einem „gesunden Mit-             gegenzuwirken, müssen vor allem Überforde-
 einander“. Wichtig ist, dass beim Streiten ein ge-          rungsanzeichen ernst genommen und auch aktiv
 wisser Grad an Respekt, Toleranz, Akzeptanz und             gegen diese vorgegangen werden. Die Eskalation
 Regeln eingehalten wird. Bei „Gewalt“ handelt es            droht, wenn die Ursachen des Konfliktes nicht
 sich um ein ungleiches Macht- und Abhängig-                 bewusst sind und keine gemeinsame Lösung
 keitsverhältnis. Daher findet Gewalt häufig an              gefunden wird. Wichtig ist, dass das Konflikt-
 jenen Menschen statt, die sich – aus unterschied-           Geschehen anerkannt wird. Konflikte beginnen
 lichen Gründen – nicht wehren können.                       immer mit einer gewissen „Spannung“. Demnach
                                                             gilt es bereits schon hier, diese bewusst wahr-
 Wie wird Gewalt definiert? Gibt es verschiedene              zunehmen und ein Ventil zu finden, durch das
 Ebenen bzw. Stufen von Gewalt?                              ein Spannungsabbau erfolgen kann.
 Gewalt in Betreuungs- und Pflegebeziehungen
 hat viele Gesichter und ist oft nicht leicht er-            Was können wir in so einer Situation tun,
 kennbar. Bei „Gewalt gegen pflegebedürftige Per-            um Gewalt zu verhindern?
 sonen“ sprechen wir von einmaligen, aber auch               Es braucht sehr viel Verständnis und Einfühlungs-
 wiederholten Handlungen, beziehungsweise vom                vermögen, um Gewalt in der Pflege zu verhindern.
 Unterlassen von Handlungen im Zuge einer Ver-               Ein allgemeingültiges Rezept dafür gibt es nicht,
 trauensbeziehung, wodurch der pflegebedürftigen             sondern es gilt, die individuellen Ursachen zu
 Person Leid zugefügt wird. Gewalt beginnt nicht             verstehen und gezielt nach Lösungen zu suchen.
 erst bei körperlichen Übergriffen, auch respekt-            Es kann hilfreich sein, wenn starke Anspannung
 lose Kommunikation, Anschreien, Drohungen,                  und Aggression gegenüber der pflegebedürftigen
 aggressives Verhalten und das Unterlassen von               Person auftauchen, den Raum für einige Minuten
 Hilfestellungen sind Formen der Gewalt.                     zu verlassen, sich Auszeiten zu verschaffen oder
                                                             auch die Bewegung an der frischen Luft lässt
 Wie kann man erkennen, wann ein Konflikt                     sich als förderlich anführen. Regeln und klare
 sich in Richtung Gewalt entwickelt?                         Absprachen mit Familienmitgliedern schaffen
 Die Betreuung von pflegebedürftigen Menschen                gerade in Konfliktsituationen Entlastung und
 kann Angehörige, aber auch professionelle Fach-             Orientierung. Überforderungen entstehen oft
 kräfte an körperliche und psychische Grenzen                auch aus unzureichendem Wissen hinsichtlich
 bringen. Die Ursachen von Gewalt in der Pflege              des Krankheitsbildes oder gewisser Pflegeprakti-
 sind vielfältig und nicht immer geschieht Gewalt            ken. Deshalb ist es wichtig, sich die Unter-

                              Dipl.-Soz. Ulrike Furtenbach                     Lisa-Maria Metzler, BA
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                              ifs Gewaltschutzstelle                           ifs Gewaltschutzstelle
stützung von Fachkräften zu holen. Sehr hilf-       Ängsten verbunden. Eine Trennung bedeutet in
reich ist es auch, sich mit anderen Menschen        vielen Fällen die soziale Isolation oder die oft-
über die Situation auszutauschen.                   mals unerwünschte Übersiedlung in eine Pflege-
                                                    einrichtung.
Melden sich bei Ihnen Personen,
denen Gewalt widerfährt?                            Psychischen Druck auf jemanden auszuüben,
Bei der ifs Gewaltschutzstelle melden sich Men-     wird auch der Gewalt zugeordnet. Wie können
schen, die von jeglicher Form von Gewalt im         wir uns dessen bewusst werden und psychische
familiären Umfeld betroffen sind, auch ältere,      Gewalt vermeiden?
pflegebedürftige Menschen, die Gewalt erleben.      Psychischen Druck auf jemanden auszuüben,
Wir informieren oder bieten die Möglichkeit, die    bedeutet immer, dass Personen dauerhaft gegen
jeweilige Situation zu besprechen. Zudem zeigen     ihren Willen zu einer Handlung oder Unter-
wir rechtliche Schritte und andere Möglichkeiten    lassung gezwungen werden. Deshalb ist es auch
auf, die zu einer Veränderung in der jeweiligen     bei psychischer Gewalt wichtig, dass diese in
Lebenssituation beitragen können.                   der Öffentlichkeit thematisiert wird und nicht
                                                    als „Kavaliersdelikt“ oder als Begleiterscheinung
Gibt es Erfahrungen bzw. Studien über die           anderer Gewaltformen betrachtet wird.
Häufigkeit von Gewalt an älteren Personen?
Die Weltgesundheitsorganisation zeigt auf, dass     Was können wir in Sachen
ungefähr 1 bis 10 Prozent aller älteren Menschen    „Gewaltprävention“ tun?
in den westlichen Ländern Opfer häuslicher          Wichtig ist vor allem die psychische, physische
Gewalt sind. Auch in diesem Bereich kann von        und zeitliche Entlastung der Fachkräfte und der
einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden.        betreuenden und pflegenden Angehörigen. Nicht
Vorwiegend wird in den Studien ersichtlich,         zuletzt können Gewalthandlungen durch ausrei-
dass diese Gewalt innerhalb der Familie und         chende Auszeiten und Rückzugsmöglichkeiten
im eigenen Wohnbereich ausgeübt wird.               verhindert werden. Vor allem das Entwickeln be-
Charakteristisch sind eine enge emotionale          stimmter Entlastungsstrategien ist ein wichtiger
Bindung und ein enges familiäres Verhältnis.        Beitrag zur Gewaltprävention. Auch professionelle
                                                    Unterstützungsangebote, wie Beratungseinrich-
Ist bei älteren Menschen die Toleranz               tungen und Selbsthilfegruppen sind ein wichtiger
gegenüber Gewalt höher als bei jüngeren?            Beitrag für die Gewaltprävention.
Gewalt öffentlich zu machen, fällt nahezu allen
Menschen aus Scham und Angst vor den Folgen         Gibt es eine Haltung, die wir zum Thema
sehr schwer. Ältere Gewaltopfer und ihre Ange-      „Gewalt“ einnehmen können – Stichwort
hörigen stehen auch unter einem gesellschaftli-     „Gelassenheit, Selbstpflege und Abgrenzung“,
chen Tabuisierungsdruck. Ich würde nicht davon      die uns hilft, Konflikte besser lösen zu können?
sprechen, dass ältere Menschen Gewalt eher to-      Gewalt auszuüben ist immer eine Option, wobei
lerieren, sondern ältere und gerade pflegebedürf-   sich Menschen dafür oder dagegen entscheiden
tige Menschen sind aufgrund ihres Hilfebedarfs      können. Für den Alltag von betreuenden und
besonders abhängig und verletzlich und berich-      pflegenden Angehörigen lassen sich die drei „A“s
ten deshalb weniger über ihre Gewalterfahrun-       anführen: „Achtsamkeit, Auszeit, Austausch“.
gen. Gewalt durch eine Trennung zu beenden, ist
für viele betroffene, ältere Menschen mit großen    Das Interview führte Claudia Längle, connexia.

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Veranstaltungen
 Di 19. Januar, 2. und 23. Februar,                          Mo 1. Februar 2021
 9. und 23. März 2021                                        Resilienz – das Geheimnis innerer Stärke
 Demenz verstehen – als Angehörige                           Dr.in Elisabeth Gaus | 19 Uhr | Seniorenheim
 im Lot bleiben                                              Wolfurt, Gartenstraße 1 | Freiwillige Spende |
 Seminarreihe für An- und Zugehörige von                     Anmeldung: E anita.spiegel@sozialdienste-
 Menschen mit Demenz mit Christiane Massimo |                wolfurt.at oder T +43 (0)5574 71326 |
 Jeweils Dienstag 13.30 bis 17 Uhr | Kurs: 80 Euro |         Veranstalter: connexia
 In Kooperation mit: Rund um die Pflege daheim,
 Bundeskanzleramt für Familie und Jugend,                    Fr 5. Februar 2021
 Plattform Gewalt | Anmeldung, Ort und                       Just sing – einfach singen! Heilsame Lieder,
 Veranstalter: Bildungshaus Batschuns                        leicht zu erlernen
                                                             Jamila M. Pape | 19 bis 21 Uhr | Kurs: 15 Euro |
 Sa 23. Januar 2021                                          Anmeldung, Ort und Veranstalter: Bildungshaus
 Kreativität und Weisheit der Träume                         Batschuns
 Gerhard M. Walch | 10 bis 17.30 Uhr | Kurs:
 90 Euro | Mittagessen: 14 Euro | Anmeldung, Ort             Do 25. Februar 2021
 und Veranstalter: Bildungshaus Batschuns                    Reihe für pflegende An- und Zugehörige
                                                             Bewegen statt heben – bleib aktiv!
 Mo 25. Januar 2021                                          Modul 2 – einzeln buchbar | Edith Bechter,
 „Wenn das Sprechen schwerfällt“ – wie bleibe                DGKPin | 13.30 bis 17 Uhr | Kurs: 15 Euro inkl.
 ich mit Schwerkranken, Sterbenden im Gespräch               Kaffee und Kuchen | Anmeldung, Ort und
 Melitta Walser | 18.30 Uhr | Rathaus Lauterach,             Veranstalter: Bildungshaus Batschuns
 Hofsteigstraße 2a | Eintritt: 5 Euro |
 Anmeldung: E annette.king@lauterach.at oder                 Do 25. Februar 2021
 T +43 (0)5574 4802-16 | Veranstalter: connexia              Der aufrechte, schmerzfreie Gang
                                                             Judith Gómez-Miranda Rakebrand | 19.30 Uhr |
 Mi 27. Januar 2021                                          Sozialzentrum Bezau-Mellau-Reuthe, Pelzrain
 Reihe für pflegende An- und Zugehörige                       610 | Eintritt: 5 Euro | Anmeldung: E anneliese.
 Basiswissen für die Pflege daheim                            natter@sozialzentrum-bmr.at oder
 Modul 1 – einzeln buchbar | Beate Weber |                   T +43 (0)664 1864500 | Veranstalter: connexia
 13.30 bis 17 Uhr | Kurs: 15 Euro inkl. Kaffee und
 Kuchen | Anmeldung, Ort und Veranstalter:                   Di 2. März 2021
 Bildungshaus Batschuns                                      Erben, schenken und vorsorgen
                                                             Mag. Christoph Winsauer | 18.30 Uhr | Anmel-
 Sa 30. Januar 2021                                          dung: Amt der Stadt Dornbirn – Soziales, Pflege
 Ein Neujahrsempfang für Körper,                             und Senioren, E isabel.benzer@dornbirn.at |
 Geist und Seele                                             Ort: Treffpunkt an der Ach | Freier Eintritt |
 Daniela Niedermayr-Mathies | 9 bis 17 Uhr |                 Veranstalter: Bildungshaus Batschuns
 Kurs: 80 Euro, Mittagessen: 14 Euro | Anmeldung,
 Ort und Veranstalter: Bildungshaus Batschuns

          Im Rahmen der aktuellen COVID-19 Hygiene- und Schutz-   Informationen erhalten Sie beim jeweiligen Veranstalter.
          maßnahmen weisen wir Sie darauf hin, dass es zu         Wir bitten Sie, die ausgewiesenen COVID-19 Hygiene- und
          Veranstaltungsabsagen kommen kann. Entsprechende        Schutzmaßnahmen einzuhalten. Danke für Ihr Verständnis.
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Sa 6. März 2021                                      Mo 22. März 2021
Atem – Bewegung – Stimme                             Innehalten – vom Wert der Langsamkeit
Heilende Energiequellen aktivieren                   und der Pausen
Dr.in Lisa Malin | 9 bis 17 Uhr | Kurs: 90 Euro,     Dr. Franz Josef Köb | 19 Uhr | Sozialsprengel
Mittagessen: 14 Euro | Anmeldung, Ort und            Rheindelta, Franz-Reiter-Str. 12, Höchst | Freier
Veranstalter: Bildungshaus Batschuns                 Eintritt | Anmeldung: E info@sozialsprengel.
                                                     rheindelta.at oder T +43 (0)5578 22797 |
So 14. März 2021                                     Veranstalter: connexia
Sonntagnachmittag in Arbogast
„Drüben am Walde kängt ein Guruh“ - vom See-         Di 23. März 2021
mann, Dichter und reisenden Artisten Joachim         Das Leben ist nicht immer schön
Ringelnatz | Es erzählt, liest und spielt Gotthard   Sepp Gröfler | 18.30 Uhr | Rathaus Bludenz,
Bilgeri in Kooperation mit „Musik in der Pforte“ |   Werdenbergerstraße 42 | Freier Eintritt |
ab 14 Uhr Kaffee und Kuchen im Café | 16 Uhr         Anmeldung: E gesundheit@bludenz.at oder
Konzert und Lesung | Kosten: 19 Euro für das         T +43 (0)5552 63621 | Veranstalter: connexia
Konzert (+ Speisen und Getränke) | Veranstalter:
Bildungshaus St. Arbogast                            Di 30. März 2021
                                                     Stolpersteine auf dem Weg zum Glück
Mi 17. März 2021                                     Dr. Franz Josef Köb | 18 Uhr | Lebensraum
Reihe für pflegende An- und Zugehörige                Bregenz, Clemens-Holzmeister-Gasse 2,
Was tun, wenn alles getan ist?                       Stadtteilzentrum Mariahilf, Bregenz |
Modul 3 – einzeln buchbar | Christine Oberhauser,    T +43 (0)5574 52700 | Freier Eintritt |
Dipl. Sozialbetreuerin für Altenarbeit | 13.30 bis   Veranstalter: Bildungshaus Batschuns
17 Uhr | Kurs: 15 Euro inkl. Kaffee und Kuchen |
Anmeldung, Ort und Veranstalter: Bildungshaus
Batschuns

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Mi 7. April 2021                                     Regelmäßige Veranstaltungen
 Das Leben ist nicht immer schön
 Sepp Gröfler | 20 Uhr | Neue Mittelschule Egg,       Gesprächsgruppen für betreuende
 Pfister 780 | Eintritt: 5 Euro | Anmeldung:          und pflegende Angehörige
 E theresia.handler@gmx.at oder T +43 (0)660          Die Gesprächsgruppen finden an mehreren Orten
 3108488 | Veranstalter: connexia                     Vorarlbergs statt. Nähere Informationen finden
                                                      Sie auf der Homepage: www.bildungshaus-
 Di 13. April 2021                                    batschuns.at oder unter T +43 (0)5522 44290-23
 Das Leben ist nicht immer schön
 Sepp Gröfler | 19 Uhr | Lebensraum Vorderland,       Demenz – TANDEM
 Rautenastraße 44, Röthis | Freier Eintritt | An-     Begleitung und Beratung für Angehörige und
 meldung: E claudia.wagner@vorderlandhus.at oder      Zugehörige. Wir bieten Demenz-TANDEM-
 T +43 (0)5522 43661-15 | Veranstalter: connexia      Gespräche in der Nähe des Wohnortes an.
                                                      Die Termine finden zum individuell gewählten
 Mi 14. April 2021                                    Zeitpunkt statt und sind kostenlos. Information:
 Reihe für pflegende An- und Zugehörige                Christiane Massimo, DGKPin, M +43 (0)664
 Demenz – eine Herausforderung                        3813047, E christiane.massimo@bhba.at,
 Modul 4 – einzeln buchbar | Mag.a Michaela           Veranstalter: Bildungshaus Batschuns
 Mayrhofer | 13.30 bis 17 Uhr | Kurs: 15 Euro
 inkl. Kaffee und Kuchen | Anmeldung, Ort und         Trauercafés
 Veranstalter: Bildungshaus Batschuns                 Hospiz Vorarlberg berät und begleitet Trauernde.
                                                      Trauercafés finden regelmäßig in Lochau, Dorn-
 Mo 19. April 2021                                    birn, Rankweil und Krumbach statt – in Bludenz
 Ganz Mensch sein bis zuletzt – der Weg               werden Einzelbegleitungen angeboten. Zusätzlich
 des Abschiednehmens                                  bieten unsere Hospizteams in den Regionen
 Melitta Walser | 19 Uhr | Seniorenheim Wolfurt,      individuelle Beratung und Begleitung für
 Gartenstraße 1 | Freiwillige Spende |Anmeldung:      Trauernde an. Information und Veranstalter:
 E anita.spiegel@sozialdienste-wolfurt.at oder        Hospiz Vorarlberg
 T (0)5574 71326 | Veranstalter: connexia

 Mi 21. April 2021
 Mit Resilienz erfolgreich durchs Leben               Veranstalter | Kontaktdaten
 Christian Singer | 19.30 Uhr | Häuser der Gene-      Bildungshaus Batschuns
 rationen, Schulgasse 5, Götzis | Freier Eintritt |   6835 Zwischenwasser, Kapf 1
 Anmeldung: E buero@zaemmaleaba.goetzis.at,           T +43 (0)5522 44290, www.bildungshaus-batschuns.at
 T +43 (0)5522 43661-15 | Veranstalter: connexia
                                                      Bildungshaus St. Arbogast
 Di 27. April 2021                                    6840 Götzis, Montfortstraße 88
 5 leichte Strategien, um schwierige                  T +43 (0)5523 62501, www.arbogast.at
 Probleme zu lösen
 Clemens Maria Mohr | 20 Uhr | Dorfsaal Mellau,       connexia – Gesellschaft für
 Platz 292 | Eintritt: 5 € | Anmeldung:               Gesundheit und Pflege
 E anneliese.natter@sozialzentrum-bmr.at oder         6900 Bregenz, Quellenstraße 16
 T +43 (0)664 1864500 | Veranstalter: connexia        T +43 (0)5574 48787-0, www.connexia.at

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Erholungsurlaube
              für pflegende Angehörige – Hilfe für Helfende

   Arbeiterkammer Vorarlberg                       Gesundheitsaktion „Nach der Pflege“
   Die Arbeiterkammer bietet pflegenden             Die intensive Pflege eines Familienmitglieds
   Angehörigen die Möglichkeit, sich               wird oft zum Mittelpunkt des Lebens. Meist
   seelisch und körperlich zu regenerieren.        werden die eigenen Bedürfnisse hintangestellt.

Seit Juli 2020 findet die Erholungswoche in        Was geschieht allerdings, wenn der Pflegling ver-
Bad Reuthe statt. Den Teilnehmenden stehen         stirbt? Die Lebenssituation verändert sich und es
neben dem Aufenthalt in Vollpension die            braucht Zeit, um sich selbst wieder zu finden und
Inanspruchnahme von verschiedenen Gesund-          sich neu zu orientieren. Eine große Unterstützung
heitsanwendungen sowie ein Wellnessbereich         bietet dabei die 15-tägige Gesundheitsaktion
mit Schwimmbad und Sauna zur Verfügung.            „Nach der Pflege“ für Selbständige sowie für
Ein psychosozialer Gruppenabend mit vielen         Bäuerinnen und Bauern. Diese Auszeit vom Alltag
Informationen rund um die Pflege daheim            gibt neue Kraft und Energie und hilft, die körper-
rundet das Angebot ab.                             liche und seelische Gesundheit zu stärken, um
                                                   neue Perspektiven und Ressourcen zu entdecken.
11.04. bis 17.04.2021; 02.05. bis 08.05.2021       Das Angebot umfasst ein abwechslungsreiches Be-
30.05. bis 05.06.2021; 06.06. bis 12.06.2021       wegungs- und Entspannungsprogramm, Gespräche
27.06. bis 03.07.2021; 04.07. bis 10.07.2021       mit psychosozialen Fachkräften und die Möglich-
11.07. bis 17.07.2021; 18.07. bis 24.07.2021       keit des Erfahrungsaustausches. Ein Wellnessan-
05.09. bis 11.09.2021; 12.09. bis 18.09.2021       gebot und Ausflüge runden das Programm ab.

Nähere Informationen zu Voraussetzungen und        Nähere Informationen zu Terminen und Anmel-
Selbstbehalt erhalten Sie bei: Andrea Giglmaier,   dung: erhalten Sie bei der Sozialversicherungs-
Arbeiterkammer Vorarlberg, Hilfe für Helfende      anstalt der Selbständigen, Dienstleistungszentrum
T +43 (0)50 258-2214 (Mo-Do 13 bis 16 Uhr),        Sicherheit und Gesundheit, T +43 (0)50 808 808,
E: hfh@ak-vorarlberg.at                            E dlz.sg@svs.at

                                                                                                        15
Eskalation – Deeskalation
          Eine Herausforderung im Gesundheitswesen

     „Die Hoffnung, dass sich die Gewaltbereit-          Davon lässt sich ableiten, dass es offensichtlich
     schaft des Menschen als ein urtümliches             Sinn macht, sich zuerst differenziert mit dem
     Phänomen durch evolutionäre oder                    „Innenleben“ und der Dynamik eines Konfliktes
     zivilisatorische Entwicklungen im Laufe             auseinanderzusetzen. Die Begleiter von Aggressi-
     der Zeit verflüchtigen würde, verbleibt ein          vität sind oft Ohnmacht, Leid und Verzweiflung.
     Wunschgedanke.“ (Robert Hirsch, 2010)               Das macht die Situation nicht einfacher. Aggres-
                                                         sivität bzw. Gewalt zu erleben, bedeutet Gefahr
 Ergänzend zu diesem Zitat bestätigen diverse            zu laufen, selbst aggressiv zu werden bzw. zu
 Studien und Erhebungen, dass die Tendenz zu             resignieren und in Verbitterung, in eine Trau-
 Gewalt und Aggression im Gesundheitswesen               matisierung oder in ein Burn-out zu gleiten. Der
 leider sogar zunehmend ist. Aggressives Verhalten       Prozess kann schleichend verlaufen. So können
 ist nicht nur in Akutkrankenhäusern, sondern            „harmloses“ Fluchen oder „vermeintlich banale“
 auch in Pflegeheimen oder Hausarztpraxen ein            Beschimpfungen anfangs mit einem gewissen
 Thema. Sogar in der vermeintlich „friedlichen“          Humor zur Kenntnis genommen werden. Doch
 häuslichen Betreuung von Angehörigen wird               so wie steter Tropfen den Stein höhlt, kann auch
 ein gewisser Anteil an Übergriffen verzeichnet.         unsere Seele mit der Zeit Schaden nehmen. Der
 Dazu zählen grundsätzlich nicht „nur“ Aggres-           Humor verschwindet und mittel- bis langfristig
 sionen von Seiten der betreuten Person, sondern         nehmen Frustration, Resignation und Zorn den
 auch aggressive Handlungen ausgehend vom                Platz ein. Die Psychiater William J. Walsh und
 Betreuungspersonal. Entsprechend dem alten              David H. Clark ergänzen dazu, dass häufige ver-
 Vorarlberger Sprichwort „Ein Balken gibt kein           bale Attacken auf Dauer dieselben Auswirkungen
 Kreuz“ lässt sich erahnen, dass es immer zwei           zeigen, wie gewalttätige Übergriffe.
 zum Streiten braucht.
                                                         Formen von Gewalt und Aggression
 Dieser Artikel soll keinesfalls Angst und Panik         Das Spektrum der verschiedenen Formen, in
 schüren, sondern soll ein kleiner Beitrag               denen uns Gewalt und Aggressivität im Ge-
 dazu sein, sich konstruktiv mit der Thematik            sundheitswesen begegnen, ist sehr weit. In der
 „Eskalation – Deeskalation“ zu beschäftigen.            Literatur finden sich mehrere Modelle, wie die
                                                         unterschiedlichen Formen kategorisiert werden
 Was bedeutet „Deeskalation“?                            können. So würde Marianne Arndt (Kranken-
 Dafür gibt es verschiedenste Definitionen.              schwester und habilitierte Pflegewissenschaftlerin
 Deeskalation kann als Überbegriff für alle Inter-       in Deutschland) die oben genannten Beschimp-
 ventionen verwendet werden, die der Verhinde-           fungen in ihrer Aufzählung als eine Form der
 rung, Reduktion oder Auflösung von Konflikten           psychischen Gewalt bezeichnen. In die Kategorie
 dienen. In eskalierenden Situationen kommen             „psychische Gewalt“ können ebenso verbale Be-
 oft verschiedenste Aspekte zusammen, die das            drohungen, Hohn oder auch „Stress zu vermit-
 Geschehen bzw. die Dynamik beeinflussen.                teln“ eingeordnet werden.
 Entsprechend komplex ist auch der Begriff der
 Deeskalation zu verstehen, es gibt also nicht nur       In die Kategorie physische, also körperliche
 den „einen“ Weg, eine Situation zu entschärfen.         Gewalt fallen unter anderem Schlagen, Kratzen,

                              Christof Fuchs, MSc, Pflegepädagoge
                              ProDeMa Deeskalationstrainer, connexia
16
Beißen, aber auch das Verwenden von zu kaltem        So haben z.B. in der häuslichen Betreuung und
bzw. zu warmem Badewasser. Eine weitere              Pflege Resignation, Frustration und auch Ohn-
Kategorie, die nicht so naheliegend ist, ist die     machtsgefühle wesentlich Anteil daran, dass es
sogenannte soziologische Gewalt. Darunter            zu Übergriffen kommt.
versteht Marianne Arndt z.B. alleine gelassen,
von der „Außenwelt“ abgeschirmt zu werden            Wie funktioniert Deeskalation?
oder das Ignorieren der Privatsphäre.                Die gute Nachricht: Es gibt Möglichkeiten, dem
                                                     „Teufelskreis der Eskalation“ zu entrinnen. Die
Die letzte Form, die in dieser exemplarischen        Thematik „Gewalt und Aggression“ wird seit
Aufzählung erwähnt wird, ist die sexuelle Ge-        Jahrzehnten wissenschaftlich untersucht und so
walt, dazu zählen das „Begrapschen“, der Klaps       stehen uns heute umfangreiche Erkenntnisse zur
auf den Po oder auch sexistische Äußerungen.         Verfügung. Auf deren Basis wurden unterschied-
An sexueller Gewalt kann eindrücklich aufge-         liche Strategien der Deeskalation entwickelt, die
zeigt werden, dass die Intensität der jeweiligen     in diversen Fortbildungen angeboten werden. Die
Form der Gewalt maßgeblich das subjektive            Prinzipien sind dabei oft annähernd dieselben
Erleben der betroffenen Person beeinflusst. So       und können folgendermaßen gegliedert werden:
wird der sogenannte „lüsterne Blick“ als eine        • Enttabuisierung: Den Mut aufbringen, das
subtile Form der sexuellen Gewalt definiert, die        Thema anzusprechen.
Vergewaltigung als eine der schwersten. So kann      • Identifikation bzw. Analyse: Das Problem mög-
bei jeder Form der Gewalt das entsprechende             lichst frühzeitig erfassen, auslösende Aspekte
Spektrum nach unten und oben einigermaßen               identifizieren, die Dynamik durchleuchten.
eingegrenzt werden. Die Bandbreite dazwischen        • Ausarbeiten einer Strategie, deren Durchfüh-
ist allerdings ein sehr weites Feld und es wäre         rung und Überprüfung: Das konkrete Anwen-
eine große Herausforderung, das Repertoire an           den deeskalierender Maßnahmen, für Sicher-
möglichen aggressiven Handlungen gesamthaft             heit sorgen, den Konflikt konstruktiv lösen.
aufzuzählen.                                         • Nachsorge: Aus dem geschehenen Lernen
                                                        Strategien für die Zukunft entwickeln – „Die
Aspekte, die Aggression auslösen können                 beste Aggression ist die, die gar nicht entsteht.“
Ebenso umfassend wie die verschiedenen Formen
der Gewalt sind auch die Aspekte, die aggressions-   Zusammenfassend sei erwähnt, dass Konflikte
auslösend wirken können. So ist beschrieben,         zum Menschsein dazugehören und wenn sie
dass Drogen oder Medikamente einen Einfluss          konstruktiv gelöst werden, auch eine positive
auf das Reaktionsmuster eines Menschen haben         Seite haben:
können. Neben vielem anderen werden auch
psychische Erkrankungen oder auch demenzielle        „In der Partnerschaft muss man sich manchmal
Entwicklungen als Auslöser von Eskalationen          streiten, denn dadurch erfährt man etwas mehr
beschrieben. Als maßgeblicher Faktor wird auch       voneinander.“ Johann Wolfgang von Goethe
das aktuelle Befinden der beteiligten Personen
beschrieben. So ist naheliegend, dass ein Mensch,    Wünschenswert wäre, wenn professionelle
der sich in innerer Harmonie und Balance             deeskalierende Maßnahmen bis in die letzte
befindet, weniger empfänglich für Aggressivität      Verästelung des Gesundheitswesens vordringen,
ist wie ein Mensch, der selber bereits an seiner     damit könnte so manches Leid verhindert
Belastbarkeitsgrenze angekommen ist.                 werden. Es gibt also noch viel zu tun.

                                                                                                             17
ValidationVom hilfreichen Umgang mit demenzerkrankten Menschen

     Was ist Validation? Wer profitiert davon?             unterteilen lassen. Sie entwickelte ein Vier-Phasen-
     Welche Ergebnisse kann man erzielen?                 Modell.
     Validation (engl. valid = jmd. gelten lassen)        • Phase 1: Kommunizieren gut, sind meist
     wurde ab den 1960er-Jahren von Naomi                   orientiert, verleugnen, konfabulieren, halten
     Feil entwickelt und ist eine speziell auf              energisch und ängstlich an dem fest, was sie
     alte und verwirrte Menschen abgestimmte                noch nicht verloren haben, ziehen sich mit
     Kommunikationstechnik. Insbesondere für                ihren Bedürfnissen und Gefühlen in ihr
     Menschen mit der Diagnose „Alzheimer-                  Inneres zurück.
     Demenz später Beginn“, um mit ihnen in               • Phase 2: Kommunizieren, leben meist in ihrer
     eine wertschätzende Beziehung zu treten.               eigenen Realität, Gefühle und Bedürfnisse
     Darüber hinaus gelten meines Erachtens die             werden ungefiltert geäußert.
     Grundsätze und Leitlinien der Validation             • Phase 3: Kommunizieren noch, sind meist
     nicht nur für Menschen mit einer Demenz                in sich gekehrt, der Ausdruck von Gefühlen
     vom Typus Alzheimer, sondern für jede                  und Bedürfnissen erfolgt vorwiegend über
     zwischenmenschliche Begegnung und                      Bewegungen und Laute.
     Beziehung.                                           • Phase 4: Kommunizieren kaum, sind in sich
                                                            gekehrt.
 Alle Menschen bedürfen in der Begegnung mit
 anderen einer Grundhaltung, die man empa-                Das theoretische Fundament der Validation um-
 thisch, wertschätzend oder ganz einfach als              fasst elf Prinzipien, die sich auf verschiedenste
 menschlich bezeichnen kann. Feil erkannte, dass          psychologische, analytische und psychiatrische
 desorientierte, alte Menschen dieser Grundhal-           Erkenntnisse stützen. Zum Beispiel: Es gibt einen
 tung besonders bedürfen und auf ein besonderes           Grund hinter jedem Verhalten. Alte, verwirrte
 Verständnis ihres Gegenübers angewiesen sind.            Menschen haben Bedürfnisse, die befriedigt sein
 Eine Konfrontation mit der Realität der Gesunden         wollen. Symbole spielen eine emotionale Rolle
 wirkt sich negativ auf die Beziehung zum alten           im Leben verwirrter Menschen und vieles mehr.
 Menschen und zu seiner Erkrankung aus – die              Naomi Feil versteht Validation als eine Kombina-
 alten Menschen ziehen sich zurück, resignieren,          tion aus einer empathischen, ehrlichen Grund-
 werden ungehalten usw. Daher entwickelte Feil            haltung, theoretischen Leitlinien und spezifischen
 die Validation, welche dem Betreuenden Richtli-          Techniken je nach Phase.
 nien und Erkenntnisse offenbart, die die Begeg-
 nung und Kommunikation mit verwirrten, alten             Das Anwenden der entsprechenden Techniken
 Menschen erleichtern kann.                               und der empathische Umgang verhindern einen
                                                          weiteren Rückzug und ermöglichen eine harmo-
 Vier-Phasen-Modell                                       nische Beziehung, sodass der alte Mensch seine
 Feil erkannte auch in ihren Beobachtungen, dass          Vergangenheit aufarbeiten und in Frieden
 alte und verwirrte Menschen unterschiedlich              sterben kann.
 dominante Symptome und Eigenheiten aufweisen,
 welche man gruppieren kann, womit sich                   Oberstes Ziel einer Validations-Fortbildung ist es,
 (Schwere-)Grade der Desorientierung in Phasen            desorientierte, alte Menschen besser zu verstehen

                              Mag.a Iris Staffler
                              Klinische und Gesundheitspsychologin, Validationslehrerin nach Naomi Feil
18
undd mit
       it der
          d Erkrankung
              Ek k       vertrauter
                            t t zu werden.d         k f ti t – ältere
                                                    konfrontiert    ält   Mitmenschen
                                                                          Mit       h sind
                                                                                         i d ein
                                                                                              i Teil
                                                                                                 T il
Nur, wenn man das Verhalten seines Gegenübers       unserer Gesellschaft. Sie gehen zur Bank, sie
versteht, kann man adäquat agieren und reagieren.   gehen einkaufen, sie spazieren durch die Straßen
Meiner Erfahrung nach führt es zu größten           und Parks – sie nehmen angepasst an ihre Res-
Spannungen, wenn Betreuende (egal ob profes-        sourcen am sozialen Leben teil. Dabei kommt es
sionelles Fachpersonal, Angehörige oder ehren-      aufgrund der Andersartigkeit der Interpretation
amtliche Mitarbeitende) immer wieder versuchen,     von Wirklichkeit oft zu Missverständnissen und
die zu Betreuenden in ihre Wirklichkeit – die       zu herausfordernden Situationen für alle Betei-
Realität der Gesunden – zurückzuholen. Da das       ligten. Deshalb ist es mir ein Herzensanliegen,
nicht mehr gelingt, raubt dieses Unterfangen        nicht nur das Personal in Wohn- und Pflege-
Energie und Motivation auf Seiten der Betreu-       heimen zu sensibilisieren, sondern auch andere
enden und führt zu einer Verschlechterung des       Berufsgruppen, Angehörige und die interessierte
Zustands bei den Betreuten.                         Öffentlichkeit.

Konflikte vermeiden                                  Validation als Prävention
Meiner Meinung nach können wir Konflikte            Zusammengefasst ist Validation einerseits für
relativ leicht vermeiden, wenn wir den verwirrten   mich eine Prävention. Durch den entsprechenden
Menschen nicht anlügen, ihn nicht ablenken,         Umgang fühlt sich der alte Mensch wahrge-
ihm keine Wissensfragen stellen, die er auch        nommen, wertgeschätzt und geachtet. Er erlangt
nicht beantworten kann und nicht versuchen, ihn     Würde. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass es
auf rationaler Ebene durch Argumentationen zu       zu einem sogenannten herausfordernden Verhalten
überzeugen versuchen.                               kommt, minimiert. Andererseits erlernt man, wie
                                                    man in Stresssituationen, bei herausforderndem
In unserer Gesellschaft ist inzwischen beinahe      Verhalten eines verwirrten Menschen, die Ruhe
jeder mit den Problemen einer Demenzerkrankung      bewahrt und adäquat darauf reagiert.

                                                                                                        19
Warum sich Resilienz lohnt
                                                         all dem fertig sind? Trotz diesem von Ihnen
                                                         noch so mächtig ausgeübten Druck wird er sich
                                                         wieder in die ursprüngliche Form zurückbewe-
                                                         gen. Haben Sie sich in schwierigen Lebensmo-
                                                         menten nicht auch schon gewünscht, ähnlich
                                                         wie ein Schwamm oder wie das berühmte „Steh-
                                                         aufmännchen“ reagieren zu können?

                                                         Resilienz ist erlernbar
                                                    Wenn ja, dann habe ich eine gute Nachricht:
                                                    Resilienz ist erlernbar! Bei mir im Büro hängt
                                                    ein Spruch: „Das Leben ist schön, von einfach
                                                    war nie die Rede.“ Mit Resilienz, dieser psy-
                                                    chischen Widerstandsfähigkeit, gelingt es uns,
                                                    den Widerwärtigkeiten des Lebens wirksam zu
                                                    trotzen. Sie ist für alle Menschen in allen Le-
                                                    benslagen von Bedeutung und einsetzbar, vor
                                                    allem dort, wo wir an unsere Grenzen stoßen
     Der Begriff „Resilienz“ leitet sich vom latei- und nicht mehr weiterwissen. Jeden Tag werden
     nischen „resilire“ ab, was „zurückspringen“ wir aufs Neue mit großen oder kleinen Ver-
     oder „abprallen“ bedeutet. Ursprünglich        änderungen konfrontiert. Bei der Bewältigung
     wurde „Resilienz“ in der Materialwissen-       dieser Momente kann Dauerstress entstehen.
     schaft verwendet. Der Begriff umschreibt       Diesen gilt es möglichst positiv zu meistern und
     dort die Fähigkeit eines Materials, nach       aus den „Fehlern“ der Vergangenheit zu lernen.
     mechanischer Einwirkung wieder in den          Diese als Lerngeschenk anzunehmen, hilft hier
     Ursprungszustand zurückzukehren.               immens.

 In der Psychologie bezeichnet er die Fähigkeit          „Der Mensch ist nicht frei von etwas, sondern
 des Menschen, durch Rückgriff auf persönliche           frei zu etwas ...“ (Viktor Frankl)
 und sozial vermittelte Ressourcen – wie bei-            Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie
 spielsweise auf die eigene Widerstandsfähigkeit,        und Existenzanalyse, hat vier Konzentrations-
 die Belastbarkeit, das Bewusstsein um den eige-         lager überlebt und ist so ein Paradebeispiel für
 nen Selbstwert und die Flexibilität — Krisen und        gelebte Resilienz. Er sagt, dass jeder Mensch
 große Herausforderungen zu bewältigen.                  potenziell willensfrei ist: Selbst, wenn dem
                                                         Menschen vermeintlich alle Freiheit genommen
 Stellen Sie sich einen Schwamm vor, trocken             wird, so bleibt ihm immer noch die Freiheit
 oder nass, völlig egal, in welchem Zustand. Die-        zur Stellungnahme. Der Mensch ist zwar nicht
 sen drücken Sie in der Hand zusammen, werfen            frei von sozialen Bedingtheiten, körperlichen
 ihn an die Wand, treten danach auf ihm herum.           Gebrechen und so fort, aber er ist frei, wie er
 Was denken Sie, wird er machen, wenn Sie mit            dazu Stellung beziehen will. Er ist nicht frei

                              Christian Singer
                              Psychologischer Berater, Resilienz-Motivationscoach
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