Gute Bildung für Neuzugewanderte - Bereich der beruflichen Ausbildung Dokumentation der Fachtagung 2018

Die Seite wird erstellt Thorsten Krebs
 
WEITER LESEN
Gute Bildung für Neuzugewanderte - Bereich der beruflichen Ausbildung Dokumentation der Fachtagung 2018
Gewerkschaft
                                                          Erziehung und Wissenschaft
                                                                      Hauptvorstand

             // Berufliche Bildung und Weiterbildung //

   Gute Bildung für Neuzugewanderte.
  Bereich der beruflichen Ausbildung

Dokumentation der Fachtagung 2018
Gute Bildung für Neuzugewanderte - Bereich der beruflichen Ausbildung Dokumentation der Fachtagung 2018
Veranstalter
   Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hauptvorstand,
   OB Berufliche Bildung und Weiterbildung

Zeit:
   Donnerstag, 23. November 2018, 11:00 Uhr bis 16 Uhr

Ort:
   Intercity-Hotel, Bahnhofsallee 1a, 37081 Göttingen

Impressum:
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Hauptvorstand
Verantwortlich: Ansgar Klinger (V.i.S.d.P.)
Reifenberger Str. 21
60489 Frankfurt am Main
Telefon: 069/78973-0
Fax: 069/78973-202
E-Mail: info@gew.de
www.gew.de

Redaktion und Gestaltung: Arnfried Gläser
Fotos: GEW (falls nicht am Bild anders angegeben)

Januar 2019
Gute Bildung für Neuzugewanderte - Bereich der beruflichen Ausbildung Dokumentation der Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                                                                        1

  Inhalt

  Programm .....................................................................................................................................    2
  Bericht (Ansgar Klinger) .................................................................................................................        3

  Hauptvortrag

  Berufswahl und Erfolg beruflicher Ausbildungen Neuzugewanderter
  (Prof. Dr. Ulrich Walwei) ......................................................................................................                  6

  Forenbeiträge

  FORUM 1: Chancen und Risiken für Geflüchtete am Übergang von der Schule in den Beruf
  Netzwerke zur Förderung der beruflichen Integration
  (Maren Gag, Christiane Götze) .............................................................................................                      18

  FORUM 3: Gelingensbedingungen für die berufliche Ausbildung – Erkenntnisse aus der
  BA/BIBB-Migrationsstudie
  (Prof. Dr. Elisabeth Krekel) PowerPoint .................................................................................                        23

  FORUM 4: Ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge in den Bundesländern
   (Petra Jendrich) PowerPoint ..................................................................................................                  41

  Anhang

  GEW: „Deutschsprachförderkonzept reformieren und das Potenzial der Migranten nutzen“
  (Presseinformation des Hauptvorstandes der GEW, 23. November 2018) ..............................                                                45

  Forderungen der GEW zu einer Reform der Deutschsprachförderung des Bundes und der
  Länder für erwachsene Migranten/innen und Geflüchtete
  (Beschluss des Geschäftsführenden Vorstands vom 13.11.2018) ............................................                                         46

  3.6. Bildung in der Migrationsgesellschaft. Weiter denken!
  (Beschluss des 28. Gewerkschaftstages der GEW vom 6. bis 10. Mai 2017 in Freiburg) .............                                                 52

  3.7. Bildung in der Migrationsgesellschaft – Forderungen zum Bereich berufliche Bildung
  und berufsbildende Schulen
  (Beschluss des 28. Gewerkschaftstages der GEW vom 6. bis 10. Mai 2017 in Freiburg) .............                                                 57

  Bilder der Tagung .........................................................................................................................      59

                                                                                                               Dokumentation Fachtagung 2018
Gute Bildung für Neuzugewanderte - Bereich der beruflichen Ausbildung Dokumentation der Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                             2

  Programm

  Freitag, 23. November 2018

  11:00 - 11:15 Uhr    Begrüßung
                       -  Holger Westphal, stellvertretender Vorsitzender der GEW Niedersachsen,
                          Hannover
                       -  Ansgar Klinger, GEW-Hauptvorstand, Frankfurt am Main

  11:15 - 12:30 Uhr    Berufswahl und Erfolg beruflicher Ausbildungen Neuzugewanderter
                       Referent: Prof. Dr. Ulrich Walwei, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung -
                       IAB, Nürnberg
                       Umsetzung des Koalitionsvertrags „Zuwanderung steuern – Integration fördern
                       und unterstützen“
                       Referent: Thomas Hildebrandt, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS),
                       Berlin

  12:30 - 13:30 Uhr    Imbiss

  13:30 - 15:00 Uhr    Foren
                       1. Netzwerke zur Förderung der beruflichen Integration von Geflüchteten als
                       regionale Unterstützungssysteme an der Nahtstelle am Übergang Schule – Beruf
                       Referentinnen: Maren Gag, Hamburg / Christina Götze, Integration von Asylbe-
                       werbern/innen und Flüchtlingen – IvAF Netzwerk, Erfurt

                       2. Sprache, Spracherwerb – ein berufsspezifisches Sprachkonzept
                       Referent: Dr. Jan Boland, LAKI, Dortmund / Erik Schneider, GBBK, Duisburg

                       3. Gelingensbedingungen für die berufliche Ausbildung – Erkenntnisse aus der
                       BA/BIBB-Migrationsstudie
                       Referentin: Prof. Dr. Elisabeth Krekel, Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB),
                       Bonn

                       4. Ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge in den Bundesländern
                       Referentin: Petra Jendrich, Ausschuss Berufliche Bildung der Kultusministerkonfe-
                       renz (KMK), Bremen

  15:15 - 16:00 Uhr    Zusammenfassung aus den Foren: Moderatoren
                       Ausblick: Ansgar Klinger, GEW-Hauptvorstand, Frankfurt am Main

                                                                         Dokumentation Fachtagung 2018
Gute Bildung für Neuzugewanderte - Bereich der beruflichen Ausbildung Dokumentation der Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                          3

  Bericht
  GEW Fachtagung „Gute Bildung für Neuzugewanderte“ vom 23.11.2018

  Knapp 70 Personen, überwiegend Berufsbildner*innen aus dem Organisationsbereich der GEW sowie
  der Jugendsozialarbeit, haben an der von den Bundesfachgruppenausschüssen Gewerbliche und
  Kaufmännische Schulen und dem Vorstandsbereich Berufliche Bildung und Weiterbildung in Göttin-
  gen organisierten Fachtagung teilgenommen. Die Tagung verfolgt den Anspruch, zum einen eine
  Bestandsaufnahme der beruflichen Ausbildung Neuzugewanderter in den Bundesländern zu leisten
  und zum anderen Gelingensbedingungen bzw. Mindeststandards hierfür aufzuzeigen.

  Im Anschluss an die Grußworte des stellvertretenden Vorsitzenden der GEW Niedersachsen Holger
  Westphal und des Berufs- und Weiterbildungsvorstands der GEW Ansgar Klinger stellt der Referent
  aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales Thomas Hildebrandt mit dem Vortrag zur Umset-
  zung des Koalitionsvertrags auf Bundesebene „Zuwanderung steuern – Integration fördern und un-
  terstützen“ zentrale Aspekte des Entwurfs der Bundesregierung für ein Fachkräfteeinwanderungsge-
  setz einschließlich der Regelungen zur Ausbildungs- und Beschäftigungs-duldung vor: Neu sei die
  Definition der „Fachkraft“, die entweder als Fachkraft mit Berufsausbildung eine inländische Berufs-
  ausbildung oder eine mit ihr gleichwertige ausländische Berufsausbildung oder als Fachkraft mit aka-
  demischer Ausbildung einen deutschen, einen anerkannten ausländischen oder einen einem deut-
  schen Hochschulabschluss vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitze. Einer Fachkraft
  ist nach zwei bis vier Jahren eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn sie u.a. einen Arbeits-
  platz mit entsprechenden Sozialversicherungsbeiträgen innehat und über ausreichende Kenntnisse
  der deutschen Sprache verfügt. Die Prüfung der Bundesagentur für Arbeit der gleichen Arbeitsbedin-
  gungen wie bei inländischen Arbeitnehmern*innen bleibe bestehen, während die sogenannte Vor-
  rangprüfung entfalle, diese könne jedoch kurzfristig wieder eingeführt werden. Die Ausbildungsdul-
  dung könne durch eine Vorduldung um bis zu sechs Monate zum Anbahnen einer Ausbildung, z.B. in
  Form einer Einstiegsqualifizierung, erweitert werden. Der Aufenthalt wird ermöglicht, sofern eine
  Person mindestens 12 Monate geduldet und 18 Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist
  und den eigenen Lebensunterhalt bestreiten kann. Die anschließenden Fachfragen aus dem Publikum
  verdeutlichen den Regelungsbedarf zu den Fragen der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung.

  Anschließend führt der Vizedirektor und kommissarische Leiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und
  Berufsforschung Professor Ulrich Walwei mit dem Vortrag „Berufswahl und Erfolg beruflicher Ausbil-
  dungen Neuzugewanderter“ die Teilnehmenden in medias res: Ausgehend von der Überlegung, dass
  Qualifizierung ein wesentliches Element der längerfristigen Fachkräftesicherung sei, dass Bildung und
  Berufswahl zu den zentralen Faktoren des individuellen Arbeitsmarkterfolgs zählen und die länger-
  fristige Beschäftigungsfähigkeit Neuzugewanderter damit in den Focus des Interesses gelange, zeigt
  Professor Walwei, gestützt auf jüngere Befunde der Arbeitsmarktforschung, u.a. auf, dass Neuzuge-
  wanderte noch stärker für Ausbildung zu gewinnen seien und Perspektiven für die Absolven-
  ten*innen beruflicher Ausbildung - seien sie neuzugewandert oder alteingesessen - generell zu ver-
  bessern sind.

  Die Tagungsteilnehmer*innen gehen anschließend in vier in der folgenden Tabelle dargestellten Fo-
  ren der Frage nach, welche Problemlagen und Lösungsmöglichkeiten in ausgewählten Feldern der
  beruflichen Ausbildung und Integration Neuzugewanderter bestehen. Anschließend tragen die Mo-
  deratoren*innen im Plenum die zentralen Aussagen bzw. Arbeitsergebnisse ihrer Foren vor:

                                                                           Dokumentation Fachtagung 2018
Gute Bildung für Neuzugewanderte - Bereich der beruflichen Ausbildung Dokumentation der Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                            4

  Forum             Referent*         Moderation        Zentrale Aussagen bzw. Arbeitsergebnisse
  Netzwerke zur     Maren Gag,        Amrey Depenau        Erforderlich ist neben einer durchgehenden
  Förderung der     Christina Götze                         Betreuung zur beruflichen Integration aus ei-
  beruflichen                                               ner Hand die Institutionalisierung von Netz-
  Integration                                               werken.
  Geflüchteter                                             Auch in diesem Ehrenamt sind Qualitätsstan-
                                                            dards durch entsprechende Fortbildungen zu
                                                            realisieren.
                                                           Wünschenswert ist eine digitale Plattform, in
                                                            der sich schlagwortgesteuert geeignete Maß-
                                                            nahmen finden lassen.

  Sprache,          Dr. Jan Boland,   Dr. Doris Weber      Der Spracherwerb in der (hauptsächlich münd-
  Spracherwerb      Erik Schneider                          lichen) Alltagssprache dauert ca. 1 Jahr, der
  – ein berufs-                                             Erwerb der Schriftsprache baut darauf auf und
  spezifisches                                              erfordert 5-7 Jahre.
  Sprachkonzept                                            Daraus ergibt sich: sprachliche und fachliche
                                                            Bildung können nicht voneinander getrennt
                                                            werden.
                                                           Im Sprachunterricht (Alltagssprache) gibt es für
                                                            die Schüler*innen Lernerfolge, sie sind moti-
                                                            viert. Beim Übergang ins Regelsystem (Schrift-
                                                            und Bildungssprache) kommt es zu einem
                                                            Bruch mit Leistungs- und Motivationseinbrü-
                                                            chen.
                                                           Forderung: Entwicklung einer umfassenden
                                                            sprachsensiblen Unterrichts- und Aufgabenkul-
                                                            tur.

  Gelingens-       Prof. Dr. Elisa-   Klemens Lüchte-      Bei den Befragungen sollten neben den Men-
  bedingungen      beth Krekel        feld                  tor*innen / Paten*innen auch Lehrkräfte als
  für die berufli-                                          wichtige Bezugspersonen explizit erfragt wer-
  che Ausbildung                                            den.
  – Erkenntnisse                                           Die Ausbildungsquote der Zugewanderten
  aus der                                                   steigt; individuelle Begleitung und praktische
  BA-/BIBB-                                                 Erfahrungen sind unterstützend; Spracherwerb
  Migrations-                                               gilt als wichtigste Voraussetzung.
  studie                                                   Diskussion: große Probleme der Geflüchteten
                                                            im Fachunterricht der Berufsschule; Lösung
                                                            durch Ressourcenerhöhung, Nachteilsausgleich
                                                            und Vernetzung der Akteure
  Ausbildungs-      Petra Jendrich    Michael Graf         Das bisherige Instrumentarium reicht für die
  vorbereitende                       Jahnke                gegebene Aufgabe nicht aus. Erforderlich sind ei-
  Bildungsgänge                                             ne Anhebung der Berufsausbildungsbeihilfe, das
  in den Bundes-                                            Erlernen der Fachsprache in der ausbildungs-
  ländern                                                   begleitenden Hilfe und eine Stärkung der Berufs-
                                                            bildenden Schulen mit handlungsorientierten und
                                                            berufsbezogenen Angeboten in Verbindung mit

                                                                         Dokumentation Fachtagung 2018
Gute Bildung für Neuzugewanderte - Bereich der beruflichen Ausbildung Dokumentation der Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                             5

                                                              Praktikums- und Ausbildungsstellen in Unter-
                                                              nehmen.
                                                           Die Betriebe müssen in ihrem aktiven Ausbil-
                                                              dungspart unterstützt werden; das Fordern einer
                                                              Ausbildungsreife ist hinderlich, wenn erst in der
                                                              Lernortkooperation eine Entwicklung und Rei-
                                                              fung zu erwarten sind.
                                                           Die Gruppe der Neuzugewanderten ist nicht als
                                                              homogen, sondern in ihrer jeweiligen Lebens-
                                                              wirklichkeit zu betrachten. Die Sprache ist ein
                                                              Schlüssel, um einer Ghettoisierung entgegen zu
                                                              wirken.
                                                          Insgesamt bedarf es eines gegebenenfalls zu schulen-
                                                          den „Kümmerers“ (Coach, Schulpate*in, Betreu-
                                                          er*in).

  Abschließend gibt Ansgar Klinger, verbunden mit einem Dank an alle an der Vorbereitung und Durch-
  führung der Tagung Beteiligten, einen Ausblick auf die weitere Arbeit. Mit der Tagung haben die Be-
  rufsbildner*innen den mit den Gewerkschaftstagsbeschlüssen „Bildung in der Migrationsgesellschaft.
  Weiter denken!“ sowie „Bildung in der Migrationsgesellschaft – Forderungen zum Bereich berufliche
  Bildung und berufsbildende Schulen“ verbundenen Auftrag angenommen und auf den von den Wei-
  terbildnern*innen vorbereiteten Forderungen der GEW zu einer Reform der Deutschsprachförderung
  des Bundes und der Länder für erwachsene Migranten*innen und Geflüchtete aufgebaut. Der veröf-
  fentlichte ´Weltbildungsbericht 2019 Migration, Flucht und Bildung´ zeige in seinen den o.g. Be-
  schlüssen entsprechenden Empfehlungen die Weiterarbeit der Bildungsgewerkschaft auf, Migran-
  ten*innen und deren Bedürfnisse in die nationalen Bildungssysteme einzubinden, die Lehrkräfte auf
  die Vielfalt vorzubereiten und sie zu unterstützen und das Potenzial der Migranten*innen zu nutzen.

  Ansgar Klinger

                   Referent*innen und Moderatoren*innen der Tagung

                                                                           Dokumentation Fachtagung 2018
Gute Bildung für Neuzugewanderte - Bereich der beruflichen Ausbildung Dokumentation der Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                           6

  Hauptvortrag
  Berufswahl und Erfolg beruflicher Ausbildungen Neuzugewanderter
  Prof. Dr. Ulrich Walwei

  1. Einleitung

  Ein hohes Bildungs- und Ausbildungsniveau sowie eine gute Berufswahl sind für den Arbeitsmarkt
  von eminent hoher Bedeutung. Aus makroökonomischer Perspektive sind hierdurch Beiträge zu einer
  verbesserten Allokation und zur längerfristigen Fachkräftesicherung zu erwarten. Auf individueller
  Ebene steht der persönliche Arbeitsmarkterfolg im Vordergrund. Bildung und Berufswahl können
  Beschäftigungschancen, Arbeitslosigkeitsrisiken und das Lebenseinkommen positiv beeinflussen. Der
  Zusammenhang gilt grundsätzlich für alle Erwerbspersonen: Einheimische, Ausländer und zugewan-
  derte Menschen.
  Die Neuzuwanderung bewegte sich zuletzt auf einem sehr hohen Niveau, sowohl aufgrund der ge-
  wachsenen EU-Binnenmigration als auch wegen der starken Fluchtmigration. Der Neuzuwanderung
  wird auch zukünftig eine wichtige Rolle zukommen, weil sie angesichts des demografischen Wandels
  als eine der wesentlichen Einflussgrößen des verfügbaren Arbeitskräfteangebotes (Erwerbsperso-
  nenpotenzials) zu sehen ist.
  Vor diesem Hintergrund gerät die längerfristige Beschäftigungsfähigkeit der Neuzuwanderer in den
  Fokus des Interesses. Von Bedeutung sind dabei die Verwertbarkeit und Anerkennung ausländischer
  Bildungszertifikate, der Zugang und erfolgreiche Abschluss beruflicher Ausbildungen, die richtige
  Berufswahl und die Möglichkeiten einer Aufwärtsmobilität bereits Beschäftigter.
  Der vorliegende Beitrag legt zunächst Befunde dar, die den Zusammenhang von Bildung, Ausbildung
  und Berufswahl einerseits und individuellem Arbeitsmarkterfolg andererseits belegen. Im Anschluss
  daran geht es um das jüngere Wanderungsgeschehen und die längerfristige Bedeutung von Migrati-
  on für den Arbeitsmarkt. Schließlich erfolgt eine Bestandsaufnahme der Ausbildungs- und Beschäfti-
  gungssituation zugewanderter Menschen.

  2. (Aus-)Bildung, Berufswahl und individueller Arbeitsmarkterfolg

  Der individuelle Erfolg am Arbeitsmarkt steht in einem engen Zusammenhang zum Niveau von Bil-
  dung und Ausbildung einerseits sowie der Berufswahl andererseits. Arbeitslosenquoten unterschei-
  den sich nach formaler Qualifikation (vgl. Abbildung 1). So hatten Personen ohne formalen Berufsab-
  schluss in 2017 ein um knapp achtmal höheres Risiko, arbeitslos zu sein, als Akademiker (mit Hoch-
  schul- oder Fachhochschulabschluss). Im Vergleich zu Absolventen einer Lehre bzw. einer Fachschule
  wiesen nicht-formal Qualifizierte ein um vier- bis fünfmal höheres Arbeitslosigkeitsrisiko auf. Insbe-
  sondere nach der Wiedervereinigung ist die Arbeitslosenquote von nicht-formal Qualifizierten auf
  Werte von deutlich über 20% gestiegen. Zuletzt sank die Quote im Zuge des anhaltenden Arbeits-
  marktaufschwungs auf unter 18%.

                                                                            Dokumentation Fachtagung 2018
Gute Bildung für Neuzugewanderte - Bereich der beruflichen Ausbildung Dokumentation der Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                                                                                                                             7

  Abbildung 1: Arbeitslosenquote nach formaler Qualifikation

  30
              Früheres Bundesgebiet                                                           Deutschland
  25

                                                                                                                                                                    [WERT]% ohne
  20                                                                                                                                                               Berufsausbildung

  15

  10
                                                                                                                                                                    [WERT]% insgesamt
                                                                                                                                                                        [WERT]%
   5                                                                                                                                                               Lehre/Fachschule1)
                                                                                                                                                                         [WERT]%
                                                                                                                                                                 Hochschule/Fachschule2)
   0
       1975
              1977
                     1979
                            1981
                                   1983
                                          1985
                                                 1987
                                                        1989
                                                               1991
                                                                      1993
                                                                             1995
                                                                                    1997
                                                                                           1999
                                                                                                  2001
                                                                                                         2003
                                                                                                                2005
                                                                                                                       2007
                                                                                                                              2009
                                                                                                                                     2011
                                                                                                                                            2013
                                                                                                                                                   2015
                                                                                                                                                          2017
                                                                                                                                                                  1) ohne Verwaltungsfachhochschulen
                                                                                                                                                                  2) einschl.   Verwaltungsfachhochschulen

    Anmerkung: Arbeitslose in Prozent aller zivilen Erwerbspersonen (ohne Auszubildende) gleicher Qualifikation; Erwerbstätige ohne
    Angabe zum Berufsabschluss nach Mikrozensus je Altersklasse proportional verteilt; bis 2004 Erwerbstätige im April;
    ab 2005 Erwerbstätige im Jahresdurchschnitt.

    Quelle: IAB Berechnungen auf Basis Mikrozensus und Strukturerhebungen der BA.                                                                                                                  ©IAB
  Quelle: IAB – Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten, 11. November 2018

  Der positive Einfluss der formalen Qualifikation auf den individuellen Arbeitsmarkterfolg zeigt sich
  auch beim Blick auf die Beschäftigungsquoten nach Anforderungsniveau. So fielen in 2015 die Be-
  schäftigungschancen geringqualifizierter Personen niedriger aus als diejenigen der Absolventen des
  Dualen Systems der Berufsausbildung und Techniker sowie von Akademikern (vgl. Walwei 2017).
  Schließlich verweist auch eine Analyse der Brutto-Lebensentgelte auf der Basis sogenannter „synthe-
  tischer Kohorten“ auf die beträchtliche Rendite formaler Qualifikation (Stüber 2016). Unterstellt man
  eine lebenslange Beschäftigung, erreichen Personen ohne Berufsausbildung ein durchschnittliches
  Brutto-Lebensentgelt von 1,29 Mio. Euro. Im Vergleich dazu erreichen Personen mit Berufsausbil-
  dung (1,51 Mio. Euro), mit Fortbildungsabschluss (1,94 Mio. Euro) und mit (Fach-)Hochschulabschluss
  (2,37 Mio. Euro) im Mittel durchweg höhere Brutto-Lebensentgelte.
  Dass auch der Berufswahl für den individuellen Arbeitsmarkterfolg eine wichtige Rolle im Erwerbs-
  verlauf zukommt, kann mit Hilfe der beträchtlichen Spannweiten durchschnittlicher Brutto-
  Lebensentgelte nach Berufshauptgruppen verdeutlicht werden. So können zum einen bestimmte
  Fachkräfte (z.B. in den Finanzdienstleistungen) ein höheres Brutto-Lebensentgelt als Akademiker
  anderer Berufshauptgruppen (z.B. im Hotel- und Gaststättengewerbe) erreichen. Zum anderen erzie-
  len Helfer in bestimmten Tätigkeiten (z.B. im Fahrzeugbau) ein höheres Lebenseinkommen als Fach-
  kräfte in anderen Berufsfeldern (z.B. im Hotel- und Gaststättengewerbe).

                                                                                                                                                                  Dokumentation Fachtagung 2018
Gute Bildung für Neuzugewanderte - Bereich der beruflichen Ausbildung Dokumentation der Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                             8

  3. Neuzuwanderung: Gesamtwirtschaftliche Bedeutung und jüngere Entwicklung

  Generell wird Migration durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst (Montero Lange 2015). Ungüns-
  tige Bedingungen im Herkunftsland (Druckfaktoren) wie Arbeitslosigkeit, niedriges Lohnniveau, Ar-
  mut, Krieg und Verfolgung können zur Auswanderung beitragen. Demgegenüber sind günstige Be-
  dingungen im Aufnahmeland (Sogfaktoren) wie die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen, gute Ver-
  dienstmöglichkeiten, soziale Sicherheit und politische Stabilität potenzielle Gründe für Einwande-
  rung. Als wichtige Rahmenbedingungen für die Migration gelten zudem Institutionen und Regelun-
  gen (z.B. zum Zugang, Aufenthalt und zur Integration von Migranten), Kosten der Wanderung (z.B.
  hinsichtlich des Aufwands für Reisen und Kommunikation), das Vorhandensein ethnischer Netzwerke
  sowie kulturelle Unterschiede, zu denen Sprache, Religion und Mentalität zählen.

  3.1. Gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Migration

  Migration ist gesamtwirtschaftlich von beträchtlicher Bedeutung und dies gleich in mehrfacher Hin-
  sicht. Sie beeinflusst direkt die Zahl der volkswirtschaftlich zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte
  (Erwerbspersonenpotenzial). Zudem sind indirekte Wirkungen der Zuwanderung auf das Wirt-
  schaftswachstum, den Arbeitsmarkt und den Sozialstaat zu berücksichtigen.
  Die Zuwanderung ist nicht nur wie zuletzt in besonderem Maße für die kurzfristige Entwicklung des
  Erwerbspersonenpotenzials von Bedeutung, sondern ebenso für dessen längerfristigen Trend. Bei
  einem hypothetischen Wanderungssaldo von Null in den nächsten Dekaden und einer weiter wach-
  senden Erwerbsbeteiligung von Frauen (insbesondere mit Kindern) und Älteren (auch aufgrund der
  Rente mit 67) würde das Erwerbspersonenpotenzial bis 2030 um rd. 3,8 Mio. und bis 2060 um etwa
  15,2 Mio. Personen zurückgehen (vgl. Fuchs et al. 2017). Ein solcher Rückgang bis 2060 entspricht
  ungefähr einem Drittel des heutigen Erwerbspersonenpotenzials. Unterstellt man für die Zukunft
  dagegen einen Wanderungssaldo von 200 Tsd. Personen pro Jahr, würde sich die Abnahme bis 2060
  auf ca. 6,9 Mio. (rd. 15%) verringern. Würde der Wanderungssaldo 300 Tsd. Personen p.a. betragen,
  läge der Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials noch bei ca. 3,6 Mio. (rd. 9%); bei einem Wande-
  rungssaldo von 400 Tsd. p.a. bliebe das Erwerbspersonenpotenzial in etwa auf dem heutigen Niveau.
  Diese Szenarien illustrieren, dass Migration längerfristig als der stärkste Hebel zur Beeinflussung des
  Erwerbspersonenpotenzials zu sehen ist.
  Aus einem Rückgang des Arbeitskräfteangebotes (Erwerbspersonenpotenzial) darf nicht automatisch
  auf einen dauerhaften Überschuss der Arbeitsnachfrage über das Arbeitsangebot geschlossen wer-
  den. Vielmehr ist zu erwarten, dass ein rückläufiges Arbeitskräfteangebot auch die Kapitalausstat-
  tung und damit die längerfristigen Investitionen negativ tangiert (Ottaviano/Peri 2006; Brücker/Jahn
  2011). Durch das rückläufige Arbeitskräfteangebot würde die Volkswirtschaft mittel- und längerfristig
  unter sonst gleichen Bedingungen schrumpfen und in Folge dessen ginge auch die Arbeitskräftenach-
  frage zurück. Arbeitslosigkeit wäre also im Falle einer spürbaren Verringerung des Erwerbspersonen-
  potenzials zukünftig keinesfalls auszuschließen und ein daraus resultierender nachhaltiger Arbeits-
  kräftemangel eher unwahrscheinlich. Geringe Geburtenraten und die steigende Lebenserwartung
  sind unter sonst gleichen Bedingungen zudem mit dem Risiko einer längerfristig nicht auskömmlichen
  Finanzierung der öffentlichen Haushalte und insbesondere des Sozialstaats verbunden.
  Zuwanderung, die zu einem Wanderungsüberschuss beiträgt, kann einem „Schrumpfungsszenario“
  entgegenwirken. Gleichwohl sind deren Effekte für Wirtschaft und Arbeitsmarkt aber auch nicht per
  se positiv. Sie hängen maßgeblich von der Qualifikationsstruktur der Zuwanderer und ihrer Nach-
  kommen ab (Brücker/Jahn 2014). Gelingt es Unternehmen im internationalen Fachkräftewettbewerb
  ausreichend qualifizierte Personen mit günstiger Arbeitsmarktprognose zu gewinnen, können durch
  eine aktive Migrationspolitik positive Effekte für Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Sozialstaat resultieren.

                                                                             Dokumentation Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                         9

  In der jüngeren Vergangenheit spielte die Fluchtmigration eine quantitativ herausgehobene Rolle.
  Die gesamtwirtschaftlichen Effekte humanitärer Zuwanderung unterscheiden sich naheliegender
  Weise von denen der Migration im Allgemeinen. So finden Weber/Weigand (2016) in einer ökono-
  metrischen Studie sowohl für die kurze als auch die lange Frist negative Makroeffekte der Fluchtmig-
  ration für den Arbeitsmarkt, z.B. sinken die Löhne und es steigen die Arbeitslosenquoten. Im Ver-
  gleich dazu zeigt sich in der Untersuchung für andere Formen der Zuwanderung ein positives Vorzei-
  chen bei den betreffenden Arbeitsmarktindikatoren. Die Unterschiede zwischen den beiden Migran-
  tengruppen sind zuallererst auf das bei Flüchtlingen im Durchschnitt deutlich geringere Qualifikati-
  onsniveau zurückzuführen. Die mit humanitärer Zuwanderung verbundenen gesamtgesellschaftli-
  chen Kosten können aber durch Investitionen in Bildung, Qualifizierung und Spracherwerb spürbar
  und nachhaltig reduziert werden (Bach et al. 2017).

  3.2. Jüngeres Wanderungsgeschehen

  Der Blick auf das Wanderungsgeschehen in der Vergangenheit zeigt, dass hierzulande zuletzt die
  Differenz aus Zu- und Fortzügen (Wanderungssaldo) ein – verglichen mit dem längerfristigen Trend –
  ausgesprochen hohes Niveau erreichte. In den letzten 40 Jahren waren zwei starke Phasen der Ein-
  wanderung, gemessen an den Zuzügen, zu beobachten (vgl. Abb. 2). Die erste ereignete sich Anfang
  der 1990er Jahre nach dem Fall des sog. "Eisernen Vorhangs", als der Wanderungssaldo der ausländi-
  schen Bevölkerung Werte von mehr als 700 Tsd. Personen erreichte. Mit den politischen Verände-
  rungen in Ost- und Südosteuropa (z.B. in der früheren Sowjetunion und im früheren Jugoslawien)
  stiegen die Zuzüge in den frühen 1990er Jahren sprunghaft. Der zweite Wanderungsschub zeigte sich
  in der jüngeren Vergangenheit. 2015 wurde der mit 2,14 Millionen Zuzügen höchste Wert in den
  letzten vier Dekaden erreicht. Der Wanderungssaldo stieg mit 1,14 Mio. Personen in 2015 auf einen
  Rekordwert im wiedervereinigten Deutschland. In den Jahren vor und zwischen den beiden kräftigen
  Wanderungsschüben bewegte sich der Wanderungssaldo zumeist auf einem Niveau von unter 200
  Tsd. Personen. Ab 2016 ging der Wanderungssaldo dann wieder zurück. Mit einem Wert von 405 Tsd.
  setzte sich dieser Trend 2017 fort.

  Abbildung 2:
  Zu- und Fortzüge nach und von Deutschland sowie Wanderungssaldo, 1974-2017*, in Tsd.
  2200

  1700

  1200

      700

      200

      -300

                                            Saldo        Zuzüge
  *
      Ab 1991 neues Bundesgebiet
  Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen

                                                                           Dokumentation Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                         10

  Für die zuletzt kräftigen Wanderungsüberschüsse gibt es mehrere Gründe. Für den deutlichen An-
  stieg des Wanderungssaldos von 2014 auf 2015 waren in erster Linie humanitäre Ursachen verant-
  wortlich. Sie resultierten aus der Flucht von Menschen vor anhaltenden Kriegen und Bürgerkriegen
  sowie politischer Verfolgung in Krisenregionen des Nahen Ostens, am Horn von Afrika und in Afgha-
  nistan. Doch schon vor dem starken Anstieg der Fluchtmigration wuchs der Wanderungssaldo durch
  Migration aus anderen europäischen Ländern. Einerseits ist dies auf das Auslaufen der Übergangsfris-
  ten für die Arbeitnehmerfreizügigkeit (2011 für EU8, 2014 für EU2 und 2015 für Kroatien) zurückzu-
  führen, andererseits auf die schweren Konsequenzen der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 in
  einigen südeuropäischen Ländern.
  Abgesehen von der EU-Binnenwanderung bewegte sich die Arbeitsmigration aus Drittstaaten nach
  Deutschland zuletzt weiterhin auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. So erhielten im Jahr 2017
  ca. 48.000 Personen, die in dem Jahr aus Drittstaaten nach Deutschland zugezogen sind, einen Auf-
  enthaltstitel zu Erwerbszwecken, was 8,8 Prozent aller Zuzüge aus Drittstaaten entsprach (Bundes-
  amt für Migration und Flüchtlinge 2018). Davon entfielen jeweils knapp 8.000 auf die Blaue Karte EU,
  2.000 auf Selbständige und andere Hochqualifizierte, knapp 20.000 auf qualifizierte Arbeitskräfte
  sowie knapp 18.000 auf Arbeitskräfte ohne berufliche Abschlüsse.

  4. Berufliche Ausbildung und Beschäftigung neuzugewanderter Personen
  Neuzugewanderte Personen können – je nach Alter bei Zuzug – bereits berufliche Qualifikationen
  und Arbeitserfahrungen aus ihrem Herkunftsland mitbringen und diese während ihres Aufenthaltes
  im Einwanderungsland durch Ausbildung und Beschäftigung weiterentwickeln. Der folgende Ab-
  schnitt liefert eine Bestandsaufnahme der Ausbildungs- und Beschäftigungssituation der nach
  Deutschland zugewanderten Personen.

  4.1. Qualifikation von Neuzuwanderern

  Beruflich verwertbare Qualifikationen sind – wie bereits angesprochen – für den individuellen Ar-
  beitsmarkterfolg von entscheidender Bedeutung. Die Abbildung 3 dokumentiert zunächst einmal die
  Qualifikationsstruktur der Neuzuwanderer für den Zeitraum von 2010 bis 2017 und damit für die
  Phase nach der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise in 2008/2009. Ein Vergleich mit früheren Jah-
  ren hatte gezeigt, dass vor dem Hintergrund einer starken EU-Binnenwanderung der Anteil der Hoch-
  schulabsolventen unter den 25-64-Jährigen Neuzuwanderern im Jahr 2010 mit 47% seinen vorläufi-
  gen Höhepunkt erreichte (Brücker et al. 2017a). Er fiel dann bis zum Jahr 2014 auf 38% und ging mit
  der stärker werdenden Fluchtmigration – insbesondere im Jahr 2016 – noch weiter zurück. Während
  der Anteil der Hochschulabsolventen unter den Neuzuwanderern in 2017 (34%) aber noch immer
  höher war als der durchschnittliche Anteil in der deutschen Bevölkerung von 2015 bis 2017 (23%),
  fiel der Anteil der Migranten mit beruflichen Abschlüssen sehr viel niedriger (24% vs. 66%) und der
  Anteil der Zuwanderer ohne Abschluss deutlich höher aus als für die Referenzgruppe ohne Migrati-
  onshintergrund (38% vs. 9%).

                                                                          Dokumentation Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                               11

  Abbildung 3: Qualifikationsstruktur der Neuzuwanderer
                               in Ausbildung     ohne Berufsausbildung       mit Berufsausbildung         Akademiker

                    2010 4,6           28,6               20,1                           46,8
                    2011 4,6           29,6                   26,1                          39,7
                    2012 3,4           30,4                   24,9                         41,3
                    2013 3,5           30,4                   26,5                          39,7
   Befragungsjahr

                    2014 2,9           32,4                      27,2                       37,6
                    2015 2,9             37,5                        26,3                       33,4
                    2016 3,1                   47,0                         22,8                   27,2
                    2017 4,2              38,2                       23,5                       34,2

                        0%             20%              40%                 60%            80%               100%
  Quelle: Mikrozensus der Jahre 2010–2017, Berechnungen: Rüdiger Wapler

  Bildungsbiografien müssen aber bekanntermaßen nicht mit der Zuwanderung nach Deutschland en-
  den. So zeigen Verlaufsanalysen, dass Migranten nach ihrem Zuzug in beträchtlichem Maße in ihre
  berufliche Bildung investieren (Liebau/Romiti 2014). Betrachtet man alle zugewanderten Personen
  haben im Durchschnitt 28% nach dem Zuzug weitere Abschlüsse in Deutschland erworben oder be-
  finden sich in Bildung und Ausbildung. Bei denjenigen, die bis zu einem Alter von 25 Jahren zugezo-
  gen sind, sind dies sogar 44%. Das heißt, im Zeitablauf nimmt der Anteil formal Geringqualifizierter
  der vormals neuzugewanderten Personen stetig ab und die Anteile von Personen mit Berufsausbil-
  dung bzw. Hochschul- und Universitätsabschluss legen zu. Ähnliches gilt auch für die Sprachkompe-
  tenz, die zum Zeitpunkt des Zuzugs oft noch nicht gut entwickelt ist (vgl. ebd.).
  Was für den Qualifikationserwerb von Neuzuwanderern im Allgemeinen gilt, trifft tendenziell auch
  auf geflüchtete Menschen zu. Mit verbesserter Sprachkompetenz und absolvierten Integrationskur-
  sen wächst der Anteil der Geflüchteten, die in Bildung investieren. Hierzu zählen allgemeine Schulab-
  schlüsse, Hochschulen und Universitäten, die berufliche Ausbildung sowie Weiterbildung und Um-
  schulung. Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten zeigt für 2017, dass dies auf 10% aller
  Geflüchteten zutrifft. Dabei fällt der entsprechende Anteil der geflüchteten Männer mit 11% höher
  aus als der der geflüchteten Frauen mit 5%. Die berufliche Ausbildung macht mit rund der Hälfte den
  Löwenanteil aus. Die Bildungsambitionen kommen auch in der deutlichen Zunahme gemeldeter Aus-
  bildungsstellenbewerber aus der Gruppe der Fluchtmigranten zum Ausdruck. Ihre Zahl ist vom Aus-
  bildungsjahr 2015/16 mit 10,3 Tsd. auf 36,9 Tsd. im Ausbildungsjahr 2017/2018 gestiegen.

  Betrachtet man mit Hilfe von Daten der Statistik der BA die Berufswünsche von Ausbildungsstellen-
  bewerbern im Ausbildungsjahr 2017/2018 zeigen sich zwischen Deutschen, Ausländern ohne Ge-
  flüchtete sowie Personen aus den wichtigen Asylherkunftsländern teils markante Unterschiede.
  Während Ausländer ohne Geflüchtete überproportional Interesse an den Berufshauptgruppen „Ge-
  sundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“ sowie „Kaufmännische Dienstleistungen, Handel, Vertrieb
  und Tourismus“ zeigen, liegen bei den Geflüchteten zum einen die Berufshauptgruppe „Bau, Archi-
  tektur, Vermessung, Gebäudetechnik“ sowie zum anderen die bei den anderen Ausländern zuerst
  genannte Berufshauptgruppe vorne. Vertiefte Analysen zu Bewerbern mit Fluchtkontext illustrieren,
  dass sich die Top Ten der Berufswünsche von Geflüchteten in vier Berufen von den Bewerbern insge-

                                                                                   Dokumentation Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                            12

  samt unterscheidet: Koch/Köchin; Elektroniker/in Energie-/Gebäudetechnik; Anlagemechaniker/in –
  Sanitär-/Heizung-Klimatechnik, Maler/in (Bundesagentur für Arbeit 2018). Ganz vorne stehen bei den
  Berufswünschen der Geflüchteten die drei folgenden Berufe (in nachfolgender Reihung): Kfz.-
  Mechatroniker/in, Verkäufer/in und Frisör/in.
  Die Statistik der BA liefert zudem Informationen zu den begonnenen, laufenden und abgebrochenen
  Ausbildungen. Die Daten verweisen zunächst darauf, dass im Gegensatz zu den Deutschen die Zahl
  der ausländischen Ausbildungsabsolventen mit und ohne Fluchtmigration zuletzt merklich zulegen
  konnte. Beträchtliche Steigerungsraten sind bei Auszubildenden mit Fluchthintergrund zu beobach-
  ten. Ihre Zahl hat sich zwischen 2015 und 2017 vervierfacht (vgl. Abbildung 4). Erste Zahlen für 2018
  liefern Hinweise darauf, dass sich dieser positive Trend fortgesetzt hat.
  Die Berufshauptgruppen ausländischer Ausbildungsabsolventen entsprechen im Wesentlichen den
  bereits dargestellten Berufswünschen der Ausbildungsstellenbewerber; lediglich bei den Geflüchte-
  ten rückt die Berufshauptgruppe „Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung“ an Position zwei.

  Abbildung 4: Auszubildende nach Nationalität

                                               Auszubildende
    1.600.000
                     1.459.000                       1.445.000                     1.434.000
    1.400.000

    1.200.000

    1.000.000

      800.000

      600.000

      400.000

      200.000                108.000                         117.000                       125.000
                                       7.000                        13.000                        28.000
            -
                               2015                           2016                             2017

                         Deutsche        Ausländer ohne Fluchtmigration      Fluchtmigration

  Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, eigene Darstellung

  Generell ist damit festzustellen, dass sich sowohl die Berufswünsche als auch die realisierten Ausbil-
  dungsverhältnisse von Ausländern (einschl. Neuzuwanderer) auf Tätigkeitsfelder beziehen, die be-
  reits vorhandene Fachkräfteengpässe (z.B. in Bau-, Handwerks- und Gesundheitsberufen) adressieren
  oder diesen vorbeugen. Dabei darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass Daten des Bun-
  desinstituts für Berufsbildung (BIBB) höhere Lösungsquoten von Ausbildungsverhältnissen bei Aus-
  ländern als für Deutsche ausweisen. Hierfür könnten verschiedene Faktoren verantwortlich sein. In
  Frage kommen etwa die im Vergleich zur deutschen Bevölkerung geringere Kenntnis der Bedeutung
  beruflicher Ausbildung für den weiteren Erwerbsverlauf, eine bei Ausländern eventuell geringere
  Passung von Berufswünschen und tatsächlich realisiertem Ausbildungsverhältnis, hohe Anforderun-
  gen in den Berufsschulen für Menschen mit unzureichenden Sprachkenntnisse sowie die Wahl von

                                                                                  Dokumentation Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                                                        13

  Ausbildungsberufen mit allgemein höheren Lösungsquoten. Weitergehende Forschung zu den Ursa-
  chen der unterschiedlichen Lösungsquoten u.a. nach Nationalität ist hier angezeigt.

  4.2. Beschäftigung von Neuzuwanderern

  Empirische Analysen zur Arbeitsmarktintegration von Migranten legen nahe, dass diese stark mit
  deren Zuzugsweg in Verbindung stehen (Abbildung 5). So haben im Zuzugsjahr bereits 46 Prozent von
  denjenigen, die zu Erwerbszwecken zugezogen sind, ihre erste Erwerbstätigkeit in Deutschland auf-
  genommen, aber nur 16 Prozent von denjenigen, die über den Familiennachzug gekommen sind.
  Fünf Jahre nach dem Zuzug haben 74 Prozent von denjenigen, die zu Erwerbszwecken zugezogen
  sind, ihre erste Erwerbstätigkeit aufgenommen und 63 Prozent von denjenigen, die über den Famili-
  ennachzug gekommen sind. Selbst Personen, die über keinen Berufsabschluss verfügen, weisen fünf
  Jahre nach dem Zuzug eine höhere Wahrscheinlichkeit auf erwerbstätig zu sein, wenn sie zu Erwerbs-
  zwecken nach Deutschland zugezogen sind, als besser qualifizierte Personen, die auf anderen Wegen
  zugezogen sind.

  Abbildung 5: Beschäftigungsquoten nach Zuzugswegen
                                              1

                                             0,9

                                             0,8
        Anteil der abhämngig Beschäftigten

                                             0,7

                                             0,6

                                             0,5

                                             0,4

                                             0,3
                                                                                    Erwerbszwecke              Familiennachzug

                                             0,2
                                                                                    Geflüchtete                andere Zuzugswege
                                             0,1

                                              0
                                                   0   1   2    3         4         5          6         7      8        9         10
                                                               Jahre seit dem letzten Zuzug nach Deutschland

  Quelle: IAB-SOEP-Migrationsstichprobe, Integrierte Erwerbsbiografien (IEB), Berechnungen: Herbert Brücker
  und Yuliya Kosyakova

  Bei Geflüchteten ist der Abstand der Erwerbstätigkeit zu Personen, die aus Erwerbsgründen nach
  Deutschland eingewandert sind, noch größer als bei Personen, die im Rahmen des Familiennachzugs
  gekommen sind. Auswertungen der IAB-SOEP Migrationsstichprobe zeigen für frühere Flüchtlingsko-
  horten, insbesondere aus dem früheren Jugoslawien, dass der Anteil der Beschäftigten unter den
  Flüchtlingen im Alter von 15-64 Jahren im Zuzugsjahr acht Prozent betrug. Ein Jahr später waren es
  knapp 20 Prozent, nach fünf Jahren 50% und nach 15 Jahren erreichten die Flüchtlinge die Beschäfti-
  gungsquoten anderer Migranten (vgl. Brücker et al. 2015). Eine vergleichbare Entwicklung zeigt sich
  in etwa auch bei den zuletzt zugewanderten Fluchtmigranten (Brücker et al. 2017b). So ist die Be-
  schäftigungsquote von Menschen aus den acht außereuropäischen Asylherkunftsländern, die seit

                                                                                                        Dokumentation Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                            14

  Ende 2014 nach Deutschland zugezogen sind, bis zum Ende des ersten Halbjahres 2018 auf 28% ge-
  stiegen (Brücker 2018). Die Zahlen deuten zudem auf eine Beschleunigung der Arbeitsmarktintegra-
  tion hin. Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich geflüchtete Menschen in der ersten Zeit nach dem
  Zuzug noch in Asylverfahren oder bei Anerkennung noch in Sprach- und Integrationskursen befinden.
  Generell fällt die Beschäftigungsfähigkeit von Fluchtmigranten in der Tendenz deutlich niedriger aus
  als für andere Zuwanderer. Mangelnde Sprachkenntnisse, fehlende Ausbildungsabschlüsse, ein rela-
  tiv geringes Bildungsniveau sowie kulturelle Unterschiede erschweren die Aufnahme einer Erwerbs-
  arbeit (Bähr et al. 2017). Geflüchtete im Leistungsbezug der Grundsicherung, deren Asylantrag aner-
  kannt wurde, weisen – selbst im Vergleich zu anderen Beziehern der Grundsicherung – im Durch-
  schnitt eine höhere Kumulation von relevanten Beschäftigungshemmnissen auf als andere Zugänge
  in den Leistungsbezug. Die Integration in den Arbeitsmarkt erfordert daher vergleichsweise viel Zeit.
  Dieser Befund findet sich nicht nur für Deutschland, sondern zeigt sich auch in Analysen von Beschäf-
  tigungsverläufen früherer Zuwanderungskohorten in anderen Ländern (vgl. Konle-Seidl et al. 2015).
  Diese Erkenntnis ist jedoch nicht überraschend, denn das Wanderungsmotiv der Personen war nicht
  vordergründig Arbeit, sondern in erster Linie Schutz vor Krieg, Gewalt oder Verfolgung.
  Einen tieferen Einblick in die Beschäftigungssituation von hier lebenden Ausländern liefert die Statis-
  tik der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Sie erlaubt eine Differenzierung nach Nationali-
  tät und Merkmalen wie Schulabschluss, formales Qualifikationsniveau sowie Anforderungsniveau der
  ausgeübten Tätigkeiten. Danach weisen Ausländer mit und ohne geflüchtete Menschen einen gerin-
  geren Bildungsstand auf, denn Personen, die maximal den Hauptschulabschluss erreicht haben, sind
  überproportional vertreten. Bei einer näheren Betrachtung der sozialversicherungspflichtig Beschäf-
  tigten fällt zudem auf, dass Ausländer in weit geringerem Maße eine berufliche Ausbildung absolvier-
  ten und deutlich öfter über keinen anerkannten beruflichen Abschluss verfügen. Dies spiegelt sich
  auch im Anforderungsniveau der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung wider, denn Ausländer
  wie auch Geflüchtete üben häufiger Helfertätigkeiten aus. Oft sind solche Tätigkeiten mit geringen
  Löhnen und niedriger Beschäftigungssicherheit verbunden. Sie konzentrieren sich auf bestimmte
  Branchen, wie die Gastronomie, die Landwirtschaft oder auch das Reinigungsgewerbe. Damit in Ver-
  bindung steht auch, dass Menschen mit Migrationshintergrund öfter überqualifiziert – oder, anders
  ausgedrückt, unter ihrer formalen Qualifikation – beschäftigt sind. Beispielsweise lag der Anteil von
  überqualifiziert tätigen Akademikern laut Daten des Nationalen Bildungspanels in 2011 bei Personen
  mit Migrationshintergrund bei 38,2%, während er bei Personen ohne Migrationshintergrund mit
  17,6% spürbar niedriger ausfiel (Kracke, 2017). Hierfür können verschiedene Faktoren verantwortlich
  sein, wie z.B. die fehlende Anerkennung der Abschlüsse, kulturelle Fremdheit oder auch mangelnde
  Sprachkenntnisse.
  Damit stellt sich die Frage, wie die Beschäftigungschancen von Neuzuwanderern möglichst nachhaltig
  verbessert werden können. Hierzu kann die aktive Arbeitsmarktpolitik einen wichtigen Beitrag leis-
  ten. Grundsätzlich wirken arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie Eingliederungszuschüsse, Weiter-
  bildung und betriebliche Praktika für Ausländer mindestens so gut wie für Inländer, oft sogar noch
  stärker (Clausen et al. 2009; Rinne 2012; Brücker et al. 2016). Ob die Effekte auch auf die jüngst ein-
  gereisten Fluchtmigranten übertragbar sind, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen (Walwei
  2016). Einschlägige Evaluationsstudien zu den Integrationsmaßnahmen für diesen Personenkreis sind
  erforderlich, systematische Ergebnisse liegen aber noch nicht vor.
  Im Hinblick auf die potenzielle Wirkung integrationspolitischer Maßnahmen kann festgehalten wer-
  den, dass sowohl sehr gute Sprachkenntnisse als auch berufliche Abschlüsse die Wahrscheinlichkeit
  von Migranten erhöhen, erwerbstätig zu sein und zu einem höheren Lohn arbeiten zu können (Brü-
  cker et al. 2014a). Die in Deutschland zuletzt angekommenen Flüchtlinge verfügen meistens nur über
  sehr geringe deutsche Sprachkenntnisse (Büschel et al. 2015; Rich 2016). Von daher gilt für alle
  Neuzuwanderer, dass dem Spracherwerb eine gleichermaßen hohe Bedeutung zukommt. Je mehr
  der Spracherwerb bildungs- und berufsbegleitend realisiert wird, desto schneller und besser kann
  sich die Integration am Arbeitsmarkt vollziehen (Deeke 2011).

                                                                            Dokumentation Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                          15

  Auch die Anerkennung beruflicher Abschlüsse hat erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsmarktin-
  tegration. Hierdurch wird der Transfer von Humankapital ermöglicht, also die Nutzung von berufli-
  chen Qualifikationen, die im Ausland erworben wurden. Auswertungen der IAB-SOEP-
  Migrationsstichprobe belegen, dass die Anerkennung beruflicher Abschlüsse zwar keinen wesentli-
  chen Einfluss auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit von Neuzuwanderern hat, sich aber sowohl
  auf das Lohneinkommen als auch auf die Wahrscheinlichkeit einer qualifikationsadäquaten Beschäf-
  tigung positiv auswirkt (Brücker et al. 2014b).

  5. Fazit

  Aktuelle Analysen des Stellenbesetzungsgeschehens zeigen, dass aus Sicht der Betriebe Rekrutie-
  rungsschwierigkeiten ihre wirtschaftlichen Aktivitäten inzwischen stärker beeinträchtigen als eine
  ungünstige Auftragslage oder Finanzierungsprobleme (vgl. Bossler 2018). In Folge der demografi-
  schen Entwicklung und des durch die Digitalisierung zu erwartenden Strukturwandels der Beschäfti-
  gung könnten sich die betrieblichen Stellenbesetzungsprobleme zukünftig sogar noch weiter ver-
  schärfen.
  Um dem entgegenzuwirken, wird es darauf ankommen, bereits hier lebende Ausländer und Neuzu-
  gewanderte in noch stärkerem Maße für berufliche Ausbildung zu gewinnen. Dies gilt nicht nur für
  die Gruppe der unter 25-Jährigen, sondern auch und gerade für Neu- und Spätstarter. Ein Problem ist
  dabei, dass viele Herkunftsländer die hierzulande weit verbreitete Ausbildung nicht kennen und des-
  halb Menschen mit Migrationshintergrund die Bedeutung solcher Abschlüsse für ihre weitere Er-
  werbsbiografie nicht gut einschätzen können.
  Um dies zu adressieren, geht es nicht allein um mehr Informationen und gezielte Berufsorientierung
  in Schulen, Arbeitsagenturen und Jobcentern. Darüber hinaus steht das System der beruflichen Aus-
  bildung mit Blick auf alle potentiellen Bewerber vor der Herausforderung, wie es längerfristig gegen-
  über Alternativen wie dem Studium, insbesondere dem Bachelor, hinreichend attraktiv sein kann.
  Stellschrauben an dieser Stelle sind angemessene Vergütungen, gute Arbeitsbedingungen und inte-
  ressante Karriereoptionen.
  Jedoch sind nicht für alle Neuzuwanderer berufliche Abschlüsse ein schnell oder überhaupt erreich-
  bares Ziel. Oft münden die Menschen zunächst in Helfertätigkeiten ein. Um jedoch auch in der länge-
  ren Frist die Erwerbsbiographie zu stabilisieren, wird Aufwärtsmobilität für In- und Ausländer zum
  Gebot der Stunde. Optionen sind dabei nicht nur das bereits erwähnte Nachholen einer Vollqualifi-
  zierung. Eine dauerhaft verbesserte Position am Arbeitsmarkt kann auch durch berufsbegleitende
  Formen der (Teil-)Qualifizierung, kontinuierliche Sprachförderung, eine gezielte Unterstützung von
  Betriebs- und Tätigkeitswechseln und von räumlicher Mobilität erreicht werden. Gerade der im Zuge
  des „Qualifizierungschancengesetzes“ geplante Ausbau der sogenannten „WegeBAu-Förderung“,
  also der Qualifizierung der bereits beschäftigten Personen, sowie die Pläne der Bundesagentur für
  Arbeit (BA) zur lebenslangen beruflichen Beratung vor und während des Erwerbslebens können auch
  und gerade Menschen mit Migrationshintergrund zugutekommen.
  Schließlich ist die Forcierung der gesteuerten Erwerbsmigration ein wichtiges Element zur Deckung
  der längerfristigen Fachkräftenachwanderung. Im gerade laufenden Gesetzgebungsprozess (Stich-
  wort: Fachkräfteeinwanderungsgesetz) ist sicherzustellen, dass die Anerkennung der im Ausland
  erworbenen Abschlüsse spürbar erleichtert wird. An dieser Stelle geht es zunächst um eine systema-
  tische Erfassung beruflich verwertbarer Kompetenzen im betrieblichen Kontext, z.B. durch Praktika.
  Bei der nachfolgenden Feststellung und Anerkennung der Kompetenzen käme es darauf an, vorhan-
  dene berufliche Erfahrungen und praktische Fähigkeiten soweit wie möglich anerkennen zu können.
  Dabei geht es sowohl um einen flexibleren Umgang mit dem Gleichwertigkeitskriterium als auch um
  eine stärkere Teilanerkennung von Qualifikationen.

                                                                           Dokumentation Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                          16

  Literatur

  Bach, Stefan; Brücker, Herbert; van Deuverden, Kristina; Fischer, Björn; Haan, Peter; Romiti, Agnese;
  Weber, Enzo (2017): Abschätzung von Effekten der Integration von Flüchtlingen. Kurzexpertise für
  das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Berlin: Politikberatung kompakt 117, 2017.
  Bossler, Mario; Gürtzgen, Nicole; Kubis, Alexander; Moczall, Andreas (2018): IAB-Stellenerhebung
  von 1992 bis 2017. So wenige Arbeitslose pro offene Stelle wie nie in den vergangenen 25 Jahren.
  (IAB-Kurzbericht, 23/2018), Nürnberg, 8 S.
  Brücker, Herbert (2018): Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten beschleunigt sich. In: IAB-Forum,
  07.09.2018, o. Sz.
  Brücker, Herbert; Seibert, Holger; Wapler, Rüdiger (2017a): Qualifikation von Migranten und Geflüch-
  teten. In: Möller, Joachim; Walwei, Ulrich (2017), Arbeitsmarkt kompakt. Analysen, Daten, Fakten.
  IAB-Bibliothek, Bd. 363, W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld, S. 136-137.
  Brücker, Herbert; Hauptmann, Andreas; Sirries, Steffen (2017b): Arbeitsmarktintegration von Ge-
  flüchteten in Deutschland: Der Stand zum Jahresbeginn 2017. (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs-
  forschung. Aktuelle Berichte, 04/2017), Nürnberg, 6 S.
  Brücker, Herbert; Möller, Joachim; Wolff, Joachim (2016): Integration von Geflüchteten. Öffentliche
  Anhörung von Sachverständigen vor dem Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundes-
  tags am 20. Juni 2016. (IAB-Stellungnahme, 04/2016), Nürnberg, 25 S.
  Brücker, Herbert; Hauptmann, Andreas; Vallizadeh, Ehsan (2015): Flüchtlinge und andere Migranten
  im deutschen Arbeitsmarkt: Der Stand im September 2015. (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-
  schung. Aktuelle Berichte, 14/2015), Nürnberg, 13 S.
  Brücker, Herbert, Jahn, Elke J.; Upward, Richard (2014a): Migration and Imperfect Labor Markets:
  Theory and Cross-Country Evidence from Denmark, Germany and the UK. In: European Economic
  Review, Jg. 66, S. 205-225.
  Brücker, Herbert; Liebau, Elisabeth; Romiti, Agnese; Vallizadeh, Ehsan (2014b): Anerkannte Abschlüs-
  se und Deutschkenntnisse lohnen sich. Arbeitsmarktintegration von Migranten in Deutschland. In:
  DIW-Wochenbericht, Jg. 81, H. 43, S. 1144-1151.
  Brücker, Herbert und Jahn, Elke J. (2011): Migration and Wage-Setting: Reassessing the Labor Market
  Effects of Migration. In: Scandinavian Journal of Economics, Jg. 113, H. 2, S. 286-317.
  Bundesagentur für Arbeit (2018): Berichte: Arbeitsmarkt kompakt – Fluchtmigration, Statis-
  tik/Arbeitsmarktberichterstattung, Nürnberg, Oktober, 15 S.
  Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2018): Wanderungsmonitoring: Erwerbsmigration nach
  Deutschland, Bericht für das Jahr 2017.
  http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Broschueren/wanderungsmonitoring-
  2017.pdf?__blob=publicationFile
  Clausen, Jens; Heinesen, Eskil; Hummelgaard, Hans; Leif, Husted; Rosholm, Michael (2009): The effect
  of integration policies on the time until regular employment of newly arrived immigrants: evidence
  from Denmark. In: Labour Economics, Vol. 16 Nr. 4 (2009), S. 409-417.
  Deeke, Axel (2011): Berufsbezogene Sprachförderung und berufliche Weiterbildung von Arbeitslosen
  mit Migrationshintergrund: eine Verbleibs- und Wirkungsanalyse. In: Granato; Mona (Hrsg.); Münk,
  Dieter (Hrsg.); Weiß, Reinhold (Hrsg.); Krüger-Poratz, Marianne; Seeber, Susan; Schmidt, Christian;
  Deeke, Axel; Schweigard-Kahn, Eva; Settelmeyer, Anke; Kucher, Katharina; Wacker, Nadine; Beicht,
  Ursula; Ulrich, Joachim Gerd; Niederhaus, Constanze; Kenner, Martin; Boos-Nünning; Fohlgrub, Sven-
  ja; Storm, Andreas (2011): Migration als Chance: ein Beitrag der beruflichen Bildung. Nürnberg, Ber-
  telsmann.
  Fuchs, Johann, Kubis, Alexander und Schneider, Lutz (2017): Immigration und Arbeitsmarkt: Eine
  Langfristprojektion zur Wirkung von Zuwanderung auf das Arbeitskräfteangebot in Deutschland.
  Coburger Reihe 02, Coburg: Aumann.

                                                                           Dokumentation Fachtagung 2018
GEW-Fachtagung: Gute Bildung für Neuzugewanderte                                                              17

  Knapp, Barbara; Bähr, Holger; Dietz, Martin; Dony, Elke; Fausel, Gudrun; Müller, Maren; Strien, Kars-
  ten (2017): Beratung und Vermittlung von Flüchtlingen. (IAB-Forschungsbericht, 05/2017), Nürnberg,
  57 S.
  Konle-Seidl, Regina; Schreyer, Franziska; Bauer, Angela (2015): Arbeitsmarktintegration von Asylbe-
  werbern und Flüchtlingen in Schweden, Dänemark und Großbritannien. (Institut für Arbeitsmarkt-
  und Berufsforschung. Aktuelle Berichte, 18/2015), Nürnberg, 15 S.
  Kracke, Nancy (2017): Überqualifizierung von Akademikern in Deutschland: Die Wahrscheinlichkeit ist
  sehr ungleich verteilt. (IAB Forum 1. Dezember 2017), Nürnberg.
  Liebau, Elisabeth; Romiti, Agnese (2014): Bildungsbiografien von Zuwanderern nach Deutschland:
  Migranten investieren in Sprache und Bildung. In: Die IAB-SOEP-Migrationsstichprobe: Leben, lernen,
  arbeiten - wie es Migranten in Deutschland geht, (IAB-Kurzbericht, 21.2/2014), Nürnberg, S. 13-20.
  Montero Lange, Miguel (2015): Determinanten der Migration und Arbeitsmarktintegration. In: Chris-
  tian Pfeffer-Hoffmann (Hrsg.): Neue Arbeitsmigration aus Spanien und Italien nach Deutschland, 1.
  Auflage. Berlin: Mensch & Buch, S.15-44.
  Ottaviano, Gianmarco I.P., and Peri, Giovanni (2006): Rethinking the Effects of Immigration on Wag-
  es, NBER Working Paper 12497.
  Rinne, Ulf (2012): The evaluation of immigration policies. (IZA discussion paper, 28.02.2012), Bonn,
  27 S.
  Rich, Anna-Katharina (2016): Asylantragsteller in Deutschland im Jahr 2015: Sozialstruktur, Qualifika-
  tionsniveau und Berufstätigkeit. (BAMF-Kurzanalyse 03/2016), Nürnberg, 11 S.
  Stüber, Heiko (2016): Berufsspezifische Lebensentgelte: Qualifikation zahlt sich aus. (IAB-Kurzbericht,
  17/2016), Nürnberg, 8 S.
  Walwei, Ulrich (2017): Ältere Beschäftigte * Hoffnungsträger im demografischen Wandel? In: Deut-
  sche Rentenversicherung, Jg. 72, H. 1, S. 38-51.
  Walwei, Ulrich (2016): Flucht und Migration * Herausforderung für Bildung, Ausbildung und Arbeits-
  marktpolitik. In: Arbeit. Zeitschrift für Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik, Jg. 25,
  H. 3/4, S. 169-194.
  Weber, Enzo; Weigand, Roland (2016): Identifying macroeconomic effects of refugee migration to
  Germany. IAB-Discussion Paper Nr. 20.

                                                                             Dokumentation Fachtagung 2018
Sie können auch lesen