Helmut Kasper, Michael Meyer, Angelika Schmidt

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304           Helmut Kasper, Michael Meyer, Angelika Schmidt: ManagerInnen – zwischen Berufs- und Privatleben

Helmut Kasper, Michael Meyer, Angelika Schmidt*
ManagerInnen – zwischen Berufs- und Privatleben. Eine
empirische Analyse des Umgangs mit einer Konfliktsituation**
      Das Spannungsfeld Privat- und Berufsleben ist ein Objektbereich in der Mana-
gementforschung, der nahezu alle Führungskräfte massiv betrifft. Nicht ohne Lei-
densdruck weisen Managerinnen und Manager immer wieder auf Konfliktsituatio-
nen, hervorgerufen durch private und berufliche Belastungen, hin. Darauf fundieren
wir die Forschungsfrage, „welche individuellen Strategien wenden Führungskräfte
an, um Reibungsvermindungen zwischen privatem und beruflichem Bereich zu errei-
chen?” Auf der Basis eines ausführlichen „State of the Art” und einer umfassenden
empirischen Studie stellen wir die Ergebnisse realtypischer Formen der Handha-
bung des Dilemmas Beruf/Privatleben zur Diskussion, die mit Hilfe der Analyse
problemzentrierter Interviews mit Managerinnen und Managern extrahiert wurden.
Detailanalysen zeigen, dass es drei differenzierte Lebensorientierungen und damit
Umgangsweisen mit dem Spannungsfeld gibt. Ein Ergebnis vorweg: Insbesondere
bei Berufstätigkeit beider Partner „entwickelt“ sich die Familie zu einem „Ort der
Sachlichkeit“.
Managers between Family and Career. An empirical analysis
      The interface between private and professional life is a subject of great concern
for managers. They continually point to the conflict situations which arise from private
and professional pressure. Managers use a range of individual strategies to deal
with the conflict situations. The aim of our research was to conduct an explorative
empirical study of these strategies. Thirty problem-focussed interviews with managers
were subjected to a content analysis. The detailed analyses of these results show three
distinct life-orientations and ways of dealing with the work-family-tension. One result
in advance: particularly if both partners are professionally active, family life becomes
more and more dominated by functional requirements.
Key words: Work-family-conflict, work-life-balance, strategies of dealing with
                 work-family-conflict
____________________________________________________________________
*     Prof. Dr. Helmut Kasper, Abteilung für Change Management und Management Development,
      Wirtschaftsuniversität Wien, Augasse 2-6, A-1090 Wien. E-Mail: Helmut.Kasper@wu-
      wien.ac.at
      Dr. Michael Meyer, Interdisziplinäre Abteilung für verhaltenswissenschaftlich orientiertes
      Management. E-Mail: Michael.Meyer@wu-wien.ac.at
      Dr. Angelika Schmidt, Abteilung für Change Management und Management Development.
      E-Mail: Angelika.Schmidt@wu-wien.ac.at
**    Dieser Beitrag basiert auf Ergebnissen des vom „Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen
      Forschung” (FWF) unterstützten Projektes (P10574-HIS).
      Artikel eingegangen: 13.9.2002
      revidierte Fassung akzeptiert nach doppelt-blindem Begutachtungsverfahren: 23.6.2003.
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1.     ManagerInnen zwischen Beruf und Privatleben
     In den 50er Jahren wurde im legendären Klassiker „The Organization Man“
(Whyte, 1956) die „Two-Person-Career“ als Ideal beschrieben: die Konstellation des
männlichen Familienerhalters und der Ehefrau zu Hause. Die Berufsrolle des Mannes
entspricht der des Ernährers, und die dafür notwendigen männlichen Werte sind auch
für die Rolle als Ehemann und Vater wichtig. Daraus folgt: Der Beruf definiert die
gesellschaftliche Position eines Mannes. Für Frauen stehen traditionellerweise die
familiären Gegebenheiten im Vordergrund. Der eigene Beruf stellt nur ein subsidiä-
res Statuselement dar. Der soziale Status der Frau wurde primär durch die berufliche
Position und das Einkommen ihres Ehemannes definiert. Diese Rollenauffassung ist
wohl in weiten Bereichen der heutigen Gesellschaft nicht mehr gültig. Heute sind in
den Industriestaaten fast zwei Drittel aller verheirateten Frauen mit Kinder unter
sechs Jahren in der einen oder anderen Form berufstätig (Kohl/McAllister 1995;
Leitner/Wroblewski 2000).
     In den letzten 50 Jahren haben sich auch die Partnerschaftsvorstellungen bei
Frauen und bei Männern verändert (siehe dazu Kaufmann 1990; Herlth et al. 1994;
Peuckert 1996; Erler 1996; Jakobs/Gerson 2001). Die Unterstützungsleistungen von
Partnerinnen können aufgrund dieser sich wandelnden und sich ausdifferenzierenden
Rollenverständnisse nicht mehr selbstverständlich vorausgesetzt werden.
     Anzunehmen ist, dass Manager und Managerinnen von derartig geänderten Rol-
lenbildern besonders betroffen sind. Schreibt man doch dieser Gruppe gemeinhin zu,
besonders hohe Anteile ihres persönlich verfügbaren Zeitbudgets für den Beruf auf-
zuwenden (Simpson 1998) und dem Job auch besonders hohe emotionale Beteili-
gung und Involvement zu schulden. Damit treten Beruf und Familie in Konkurrenz
um knappe Zeitbudgets und emotionale Zuwendung (Schmidt 2001; Hochschild
2002).
     Dieser Beitrag stellt die Frage, wie Manager und Managerinnen mit diesem
Konflikt umgehen. Gibt es bestimmte Typen des Umganges mit diesem Konflikt,
gibt es bestimmte Strategien in der Konfliktverarbeitung? Bei der Beantwortung der
Forschungsfrage, wie Managerinnen und Manager mit diesem Konflikt umgehen,
extrahieren wir mit Hilfe der Analyse problemzentrierter Interviews realtypische
Formen der Handhabung.
     Im Folgenden geben wir einen Überblick über den Stand der Forschung. An-
schließend präsentieren wir unseren theoretischen Bezugrahmen, Methode und Er-
gebnisse unserer Untersuchung.
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2.    Stand der Forschung
      Die vorhandene Literatur1 zum Thema Privat- und Berufsleben ist mittlerweile
sehr umfangreich, jedoch teilweise widersprüchlich und in einigen Aspekten lücken-
haft. Es fällt auf, dass vor allem die Entwicklung weiblicher Erwerbstätigkeit und de-
ren Folgen thematisiert werden, besonders wie es Frauen gelingt, eine interessante
Karriere mit einem ausgefüllten Familienleben zu verbinden.
      Ausschlaggebend waren die Arbeiten von Rosabeth Moss Kanter (z.B. 1977).
Kanter wendet sich gegen die traditionelle eigenschaftstheoretische Begründung von
Geschlechterasymmetrie und Chancenungleichheit in Organisationen, und in diesem
Zusammenhang ist der Themenbereich Familie und Beruf ein sehr wichtiger und
heikler Bereich. In ihrem Umfeld hat es eine ganze Reihe von Forschungsgruppen
gegeben, die sich dieser Fragestellung angenommen haben (siehe dazu z.B. Green-
haus/Beutell 1985; Greenhaus/Parasuraman 1986; Hall/Richter 1988; Hall 1990;
Googins 1991; Goodstein 1994; Adams et al. 1996; Campbell Clark 2000).
      Einen weiteren wichtigen Impuls gaben die Arbeiten von Rhona und Robert N.
Rapoport (1969, 1976), die damals die Begriffe der Dual Career Family bzw. der
Dual Career Couples (DCC) geprägt hatten – die eine zunehmend wichtigere Le-
bensform geworden ist – gerade auch im Hinblick auf die von uns ins Blickfeld un-
seres Interesses gesetzte Gruppe (z.B. Sekaran 1983, 1985, 1986; Greenhaus 1989).2
Welche individuellen Umgangsformen bei dem Konfliktfeld gewählt werden, wurde
ganz besonders in dieser Gruppe untersucht, da hier der Problemdruck offensichtlich
ist (Stoltz-Loike 1992; Wiersma 1994; Hammer et al. 1997). Eine Erkenntnis (z.B.
Wiersma 1994) ist, dass DCC vornehmlich mit psychologischen Aspekten der Rol-
lenqualität und den zeitlich begründeten Rollenüberladungen zu kämpfen haben.
      Diesen pyschologischen Aspekten widmet sich eine große Zahl an Studien, bei
denen verschiedenste Variablen und deren Beziehungen bzw. deren Einfluss auf das
Wohlbefinden der Einzelnen untersucht werden. Der Großteil geht – teilweise expli-
zit – davon aus, dass die verschiedenen Rollenerwartungen aus den Bereichen Beruf
und Familie zu Rollenkonflikten führen. So wurden die Auswirkungen von Stress
aufgrund der verschiedensten Rollenerwartungen untersucht (z.B. Boles et al. 1997;
Wallace 1997), die Auswirkungen von Burnoutsyndromen (Leiter 1990; Bacharach
et al. 1991), aber auch die Übertragung von Stress zwischen den LebenspartnerInnen
bzw. den Eltern und den Kindern (Voydanoff/Kelly 1984; Parasuraman et al. 1989;
Pittman 1994; Williams/Alliger 1994; Westman/Etzion 1995; Parasuraman et al.

1
      Bei diesem Überblick gehen wir auf Arbeiten ein, die sich im wissenschaftlichen Bereich mit
      Familie und Beruf auseinandersetzen und die nicht ausschließlich in der Familieforschung an-
      zusiedeln sind.
2
      Es zeigt sich auch, dass die Ratgeberliteratur gerade für diese Gruppe immer umfangreicher
      wird (siehe dazu Domsch/Ludwig 1998, 134 f).
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1996; Frone et al. 1997a, b) waren und sind ein wichtiges Forschungsfeld. Rice et al.
(1992) identifizieren die Zufriedenheit mit der Arbeit bzw. mit dem privaten Umfeld
als eine wesentliche Einflussvariable für das Wohlbefinden des/der Einzelnen. Zu ei-
ner ähnlichen Erkenntnis sind auch Carlson/Kacmar (2000) gekommen: Sie haben
herausgearbeitet, dass unterschiedlichste allgemeine Einstellungen zum Leben und
zu Rollen die Voraussetzungen und Konsequenzen des Work-Family-Conflicts be-
einflussen.
      Als zweiter zentraler Problembereich, besonders bei DCC wurde das spezifische
Phänomen der Zeitproblematik3 herausgearbeitet. Dieser Teilaspekt hat gerade in den
letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. So haben Carlson/Perrewé (1999) herausge-
arbeitet, dass soziale Unterstützung ein wesentlicher Faktor ist, der die wahrgenom-
men Rollenstressoren (Rollenkonflikt und -identität) und die Zeitproblematik verrin-
gert. Um diesen aus den Rollenkonflikten resultierenden Stress geht es auch bei
Walls et al. (2001). Sie schlagen vor zu prüfen, inwieweit Maßnahmen Lösungen für
die drei von ihnen identifizierten Konfliktfelder (time-based, strain-based und beha-
vior-based) darstellen: (1) „Time-based“-Konflikte entstehen durch unterschiedliche
Erwartungen an die Verteilung von Zeitbudgets, (2) „strain-based“-Konflikte durch
emotionale Reaktionen wie Wut, Müdigkeit, Depression oder Apathie, (3) „behavior-
based“-Konflikte resultieren aus den Verhaltenserwartungen an verschiedene beruf-
liche bzw. private Rollen (z.B. Umgang mit Autorität).
      Speziell mit der Gruppe der Führungskräfte bzw. ManagerInnen haben sich die
Arbeiten von Bartolomé und Evans (1980, 1984) beschäftigt. Sie kommen zu dem
Schluss, dass Führungskräfte nur etwa die Hälfte ihrer verfügbaren Zeit in den Beruf
investieren müssten oder auch investieren, ausgenommen die so genannten „work-
aholics“. Ihrer Meinung nach wird die Arbeitsbelastung sehr oft als Kulissenargu-
ment bei Problemen in der Privat- und Familiensphäre vorgeschoben. Bartolomé
(1983) untersucht die wichtigsten Störfaktoren im Privatleben, z.B. falsche Vorstel-
lungen und Erwartungen, übertriebene Konfliktscheu und mangelnde Verantwor-
tungsbereitschaft. Innerhalb ihrer Arbeitsverrichtungen werden Führungskräfte von
unterstellten MitarbeiterInnen als Vorbild gesehen, was eine zusätzliche Belastung
mit sich bringt. Sie sind NormensetzerInnen und sollten sich an bestimmte Regeln
und Normen halten. So identifiziert sich nur die Hälfte der befragten Führungskräfte
voll mit ihrer Unternehmensleitung. Viele ManagerInnen entwickeln in Hinblick auf
Arbeit eine Art Suchtverhalten (Stichwort: „workaholic“). Andere mit ähnlichem
Verhalten sind schlicht und einfach „Gefangene ihres Erfolgs“. Der Unterschied be-

3
       Siehe zur generellen Auseinandersetzung die Darstellung von Thompson/Bunderson (2001).
       Sie überprüfen die gängige Zeitbalancemetapher, die davon ausgeht, dass Zeit objektiv mess-
       bar ist und angemessen zwischen Arbeit und Freizeit verteilt werden kann. Sie identifizieren
       verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit dem Zeitkonflikt und kristallisieren zwei Mus-
       ter hervor, die den Zeitkonflikt dramatisch verstärken, jedoch in der Forschung in dieser
       Dimension bisher kaum berücksichtigt wurden.
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steht darin, dass sich die Ersteren in die Arbeit flüchten, die Zweitgenannten dage-
gen „in deren Früchte verliebt sind“. Viele erfolgsverwöhnte ManagerInnen fliehen
nicht vor ihrem Privatleben, sie interessieren sich einfach nicht dafür (vgl. Barto-
lomé 1983, 112).
     Diese Sichtweise von ManagerInnen hält sich bis heute, obwohl sich in der letz-
ten Dekade gerade auch im deutschsprachigen Bereich eine differenzierte Auseinan-
dersetzung mit dem Objektbereich Familie/Beruf/Management feststellen lässt (E-
berwein/Tholen 1993; Domsch et al. 1994; Streich 1994; Straumann et al. 1996; Ell-
guth et al. 1998; Diem-Wille/Ziegler 1999; Götz/Schenkenbach 1999; Notz 2001;
Schmidt 2001).
     Diese Zusammenschau der Arbeiten zum Thema „Privat-/Berufsleben“ zeigt,
dass sich die Forschung zu diesem Konfliktfeld in manchen Teilbereichen fein aus-
differenziert und dabei primär auf die Präzisierung und Operationalisierung der in
diesem Zusammenhang relevanten Konstrukte konzentriert hat. Dabei wird gerade
von der angloamerikanischen Forschung einer quantitativ-hypothesenprüfenden Tra-
dition gefolgt (vgl. auch Netemeyer et al. 1996; Kossek/Ozeki 1998).
     Wenig Aufmerksamkeit wurde dabei der Gruppe der ManagerInnen an sich so-
wie anderen methodischen Zugängen als den quantitativ-hypothesenprüfenden ge-
widmet. Hier setzt diese Arbeit an. Uns geht es weniger um die Entwicklung einer
neuen Skala oder um die Prüfung vermuteter Zusammenhänge, sondern um die Be-
schreibung realer Typen im Ungang mit dem Konfliktfeld, die wir anhand der Ent-
deckung von Mustern des diskursiven Umganges mit konfliktären Erwartungen
herausarbeiten wollen.

3.    Bezugsrahmen, Kategorienschema und Annahmen
      Das zur Analyse der Interviews entwickelte Kategoriensystem orientiert sich
grob an den drei Dimensionen, die Luhmann (1984, 112) zur Dekomposition von
Sinn vorschlägt. Attributionsprozesse werden von Luhmann als ”Schematismen der
Interaktion” (1981, 81 ff.) bezeichnet und damit „sozialisiert“, d.h. als Strukturkom-
ponenten sozialer Systeme erkannt. Bestimmte Zuschreibungen sind in manchen so-
zialen Systemen anschlussfähig, andere sind ungeeignet, um Folgekommunikationen
anzuhängen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass
1. jede Kommunikation Informationen, also Themen, mitteilt (Sachdimension),
2. soziale Beziehungen konstituiert (Sozialdimension) und
3. Zeit braucht (Zeitdimension).
      Von der Sachdimension ist die Rede in Hinblick auf alle Gegenstände sinnhaf-
ter Intention in psychischen Systemen oder Themen sinnhafter Kommunikation in
sozialen Systemen. Die Sozialdimension von Sinn betrifft das, was man jeweils als
„alter ego‘ annimmt, verweist auf möglicherweise unterschiedliche Auffassungsper-
spektiven und somit auf Konsens/Dissens. Die Zeitdimension wird dadurch konstitu-
iert, dass die Differenz von Vorher und Nachher, die an allen Ereignissen unmittelbar
erfahrbar ist, auf Vergangenheit und Zukunft bezogen wird.
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    Die gewählte Methodik beobachtet demzufolge Themen, bezieht sich also zu-
vorderst auf die Sachdimension. Innerhalb dieser Mitteilungen finden sich dann Be-
zugnahmen auf Sachliches, Soziales und Zeitliches:
   In der Sachdimension werden dem Berufs- und Familienbereich zuzuordnende
    Themen unterschieden: Erziehung, Haushalt, Partnerschaft, Sexualität, gemein-
    same Aktivitäten etc. auf der Seite der Familie, Stelle und Anforderungen, Hie-
    rarchie, Gesamtorganisation und deren Strategien bzw. Ziele etc. auf der Seite
    des Berufes.
   In der Sozialdimension werden alle jene Mitteilungen erfasst, in denen andere
    Akteure zum Thema werden: Eigene Erwartungen an andere, wahrgenommene
    Erwartungen von anderen, Zuschreibungen an andere und sich selbst, Bezie-
    hungen und Konflikte werden hier getrennt nach Berufs- und Familiensphäre
    kodiert.
   In der Zeitdimension geht es um die Thematisierung von Geschichte – Her-
    kunftsfamilie und Familiengeschichte auf der einen, Berufskarriere auf der an-
    deren Seite – und die Thematisierung von Zeitbudgets für Beruf und Familie.

4.     Zur Methodik
4.1 Problemzentrierte Interviews und standardisierte Befragung
     Zwei Erhebungsmethoden kommen in der gewählten Stichprobe zum Einsatz:
eine Spielart des qualitativen Interviews – das problemzentrierte Interview (Witzel
1982, 230) – und ein standardisierter Fragebogen. Im Unterschied zu rein struktur-
entdeckenden Interviewmethoden wie dem narrativen oder dem Tiefeninterview flie-
ßen bei der problemzentrierten Variante durch die stärkere thematische prozessuale
Strukturierung Annahmen, idealerweise entlang theoretisch fundierter Dimensionen,
ein. Zusätzlich zum Leitfaden wird den befragten Personen während des Interviews
ein standardisierter Kurzfragebogen vorgelegt, der neben spezifischen soziodemo-
graphischen Daten auch eine Reihe von Variablen zu Einstellungen und Verhaltens-
weisen im Umgang mit dem Spannungsfeld Beruf-Familie erheben soll.

4.2 Stichprobe
      Die Stichprobenbestimmung erfolgt weitgehend nach dem Prinzip des theoreti-
cal sampling (Strauss 1987, 21; Lamnek 1995, 92 ff.), wobei unterschiedlich struktu-
rierte Familie-Beruf-Konstellationen die Auswahlbasis abgeben. Die Grundgesamt-
heit (über 600), aus der die Interviewpersonen ausgewählt worden sind, sind Absol-
venten und Absolventinnen des „Post Graduate Management Lehrganges der WU“
der Jahre 1982 – 1995. Dabei handelt es sich um Personen in oberen und in Top-
Managementpositionen. Aus dieser Gruppe sind 30 Manager und Managerinnen der-
art ausgewählt worden, dass sie allesamt in Paarbeziehungen leben, großteils eigene
Kinder und erwerbstätige PartnerInnen haben und sich damit in spezifischen Fami-
lienzyklusphasen befinden („junges Paar“, „Paar ohne Kinder“, „volles Nest I+II“,
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Gilly/Enis 1982, 274). Die wenigen ManagerInnen ohne eigene Kinder wurde v.a.
als Kontrastgruppe in die Stichprobe aufgenommen, die folgende Personen umfasst:
    26 Manager und 4 Managerinnen
    im Alter zwischen 30 und 53 Jahren (Durchschnittsalter 41)
    27 verheiratet, 2 ledig, 1 geschieden
    24 mit eigenen Kindern, 6 kinderlos
     Datenbasis für die folgende Analyse bilden also dreißig Interviews, die jeweils
bis zu 360 Minuten dauerten. Die Interviews wurden transkribiert und mit Hilfe in-
haltsanalytischer und linguistischer Verfahren ausgewertet.

4.3 Analysemethoden
      Die Interviews werden in drei Schritten analysiert:
      Inhaltsanalyse
      Jede Inhaltsanalyse setzt in einem ersten Schritt an der Sachdimension an, sie
unterstellt der Mitteilung Informationen, sie versucht, Themen der Kommunikation
festzuhalten. Unsere erste Frage greift auf den Unterschied Familie/Beruf zurück:
Welche Interviewpassagen sind thematisch der familiären oder der beruflichen Sphä-
re zuzurechnen? Damit wird zum einen auf Themen fokussiert; all jene Interviewpas-
sagen, die keine Informationen (z.B. für den Textbeobachter unverständlich sind)
oder aber andere Informationen (z.B. das Wetter oder die aktuelle Interviewsituation
betreffen) erkennen lassen, werden ausgeschlossen.4
      Der zweite Fragenkomplex (Fragen 2 bis 4) greift auf die drei Sinndimensionen
zurück: Welche spezifischen beruflichen/familiären Themen werden angesprochen?
Welche sozialen Beziehungen werden thematisiert? Welche zeitlichen Aspekte wer-
den thematisiert?
      Zielsetzung dieser Vorgehensweise ist es, mit Hilfe des Kategorienschemas
(siehe dazu Tabelle 7 im Anhang und Kasper et al. 1999) das umfangreiche Textma-
terial der Interviews theoriegeleitet zu strukturieren. Frequenz- und Kontingenzana-
lysen können dann die (über die Häufigkeit und/oder Textmenge operationalisierte)
Bedeutung einzelner Inhalte und den Zusammenhang zwischen unterschiedlichen
Themen untersuchen. Es wird aber dadurch auch möglich, gezielt Textfragmente
auszuwählen, die einer näheren quantitativen oder interpretativ-qualitativen Analyse
zugeführt werden können.

4
      Die inhaltsanalytische Vorgehensweise ist in Tabelle 1 zusammengestellt.
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Tab. 1: Inhaltsanalytische Fragestellungen (Kasper et al. 1999, 114)

      Unterscheidungen                     Sinndimension         Inhaltsanalytische Fragen
1. Familie, Beruf vs.                   Sachdimension      Was ist Thema? Wo geht es um Familie
   sonstigen Themen                                        oder Beruf?
2. Familie vs. Beruf                    Sachdimension      Welches Thema gehört zum familiären,
                                                           welches zum beruflichen Bereich? Wie
                                                           lassen sich die Themen inhaltlich ein-
                                                           ordnen?
3. Ego vs. Alter                        Sozialdimension    Welche spezifische Alter kommen vor?
                                                           Welche Erwartungen und welche sozia-
                                                           len Beziehungen werden thematisiert?
4. Vergangenheit vs.                    Zeitdimension      Welche Berufs- und Familiengeschichte
   Zukunft; Familienzeit                                   wird thematisiert? Wie wird mit (knap-
   vs. Berufszeit                                          per) Zeit umgegangen?

     In dieser theoriegeleiteten Inhaltsanalyse sind Textpassagen mit 5.164 Codes
versehen worden. Analyseeinheit sind hier die von den Befragten formulierten Sätze,
teilweise Satzteile, Wörter und Wortgruppen. Durch die Benennung und Abgrenzung
bezeichnen die InterviewpartnerInnen selbst die Bedeutungseinheiten. Die Codes
sind entsprechend dem schon erwähnten Kategorienschema vergeben worden. Damit
wird die Basis für eine erste Zusammenschau über die Themenverteilung gebildet.
     Wenn auf diese Weise – deduktiv und induktiv – systematisch mit Kategorien
gearbeitet wird, bietet es sich an, diese Zuordnungen als Daten aufzufassen und in
einem zweiten Analyseschritt quantitativ weiterzuarbeiten. Hier besteht die Mög-
lichkeit, die Kategorien nach der Häufigkeit ihres Auftauchens im Material zu ord-
nen, Prozentangaben zu berechnen und solche Häufigkeitslisten zwischen verschie-
denen Materialien (z.B. Interviews) zu vergleichen (vgl. Mayring 2001, Abs. 16).

       Clusteranalyse
     Der nächste Schritt besteht darin, Zusammenhänge zwischen inhaltlichen Code-
gruppen zu prüfen und Cluster von Objekten zu finden. Eine Clusteranalyse trägt zur
Systematisierung des gesamten Samples und damit zur Beantwortung der zentralen
Forschungsfrage nach unterschiedlichen Typen des Umganges mit dem Spannungs-
feld Beruf-Familie bei. Als gruppenbildende Variablen sind nicht die Rohdaten der
Inhaltsanalyse (83 Primärkategorien), sondern die absoluten Häufigkeiten der fol-
genden Metakategorien herangezogen worden:
1. Summe Sachdimension Beruf
2. Summe Sozialdimension Beruf
3. Summe Zeitdimension Beruf
4. Summe Sachdimension Familie
5. Summe Sozialdimension Familie
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6.   Summe Zeitdimension Familie
7.    Fremderwartungen insgesamt (über beide Bereiche)
8.   Eigenerwartungen insgesamt (über beide Bereiche)
9.    Fremdzuschreibungen insgesamt (über beide Bereiche)
10.  Beziehungsdarstellungen inkl. Konflikt/Konsens insgesamt (über beide Berei-
      che)
      Die Auswahl basiert auf der Überlegung, dass die Gruppierungsvariablen 1.) bis
5.) die differenzierte Gewichtung von Familie und Beruf im Interview wiedergeben,
während es sich bei den Variablen 7.) bis 10.) um Maße für die im Interview doku-
mentierte soziale Reflexion der Befragten handelt. Absolute Häufigkeiten wurden re-
lativen Häufigkeiten vorgezogen, da nicht nur das Profil, sondern die absolute Be-
deutung, die den Themen zugemessen wurde, bei der Gruppenbildung berücksichtigt
werden sollte.5

      Pronominalanalyse
      Um die drei Typen des Umganges mit dem Spannungsfeld Beruf-Familie, die
sich als Ergebnis der Clusteranalyse zeigten, weiter zu beschreiben, wird eine Pro-
nominalanalyse durchgeführt. Als Analyseeinheit wurden zunächst einzelne Worte
herangezogen und deren Häufigkeiten gezählt. Basis für die Zuordnung der Wörter
ist der jeweilige Wortstamm. Damit fungieren nicht mehr thematische Sequenzen
bzw. Bedeutungseinheiten als Analyseeinheit, sondern Wörter. Nicht zuletzt auf Ba-
sis der von Interviewten verwendeten Personalpronomina lassen sich Rückschlüsse
auf deren soziale Wahrnehmungsschematismen, insbesondere auf Inklusionen
(„wir“) und Exklusionen („ihr“, „sie“), aber auch auf unterschiedliche „we-groups“ –
welche Gruppe wird jeweils mit „wir“ angesprochen – treffen. Dabei handelt es sich
um eine Methode, die vor allem im Rahmen der Kritischen Diskursanalyse (z.B.
Wodak/Meyer 2001) angewendet wird, und die jene Schemata, mit denen Personen
die für sie relevanten Akteure wahrnehmen, mit Hilfe der dabei verwendeten Perso-
nalpronomina rekonstruieren will. Dahinter steht die Annahme, dass Pronomina eine
zentrale Rolle nicht nur bei der Konstruktion, sondern auch bei der beschreibenden
Rekonstruktion interpersonaler Beziehungen spielen (Mautner 2000, 68, Fairclough
2001, 97).
      Textbasis sind hier nur jene Interviewpassagen, die im Rahmen der Inhaltsana-
lyse als zur Sozialdimension gehörig und entweder dem beruflichen oder dem famili-
ären Feld zugeordnet wurden. Dies deshalb, weil gerade bei den beziehungsorientier-
ten Passagen eine höhere Bedeutung des Pronominalapparates vermutet wird. Damit
sollte die Frage beantwortet werden, ob sich der Pronominalapparat der Interviewten

5
      Eine Clusteranalyse auf Basis der relativen Häufigkeiten ergab nur drei Zuordnungsunter-
      schiede, was sich auch aus der geringen Schwankungsbreite der Interviewdauer erklärt. Bei
      der Fusionierung wird auf einen hierarchischen Algorithmus – WARD – zurückgegriffen, als
      Distanzmaß kommt die quadrierte euklidische Distanz zur Anwendung.
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in Abhängigkeit davon, ob sie berufliche oder private Beziehungen beschreiben, un-
terscheidet.

5.     Ergebnisse
5.1 Ergebnisse der Inhaltsanalyse
      In einer ersten empirischen Analyse über die Häufigkeiten der Themenfelder al-
ler Interviews lässt sich feststellen, dass zum Feld Beruf unwesentlich mehr Kodie-
rungen vorliegen als zum Feld Familie (vgl. Tab. 2).

Tab. 2: Anteile der Dimensionen innerhalb der beiden Themengruppen

                                             Themenbereich           Themenbereich
                                                 Familie                 Beruf
          Sachdimension                      911         36 %       840         32 %
          Sozialdimension                   1120           44 %    1353           52 %
          Zeitdimension                      501           20 %    439            16 %
          Gesamtzahl der
                                            2532           100 %   2632          100 %
          Codierungen

     Beim Vergleich der einzelnen Dimensionen des Kategorienschemas (Sach-,
Sozial- und Zeitdimension) zeigt sich ein sehr differenziertes Bild. Insgesamt werden
die Sachdimension und die Zeitdimension in der Familie öfter artikuliert als im Be-
ruf, während die Sozialdimension im Bereich Beruf dominiert.6 Dies ist insofern
kontraintuitiv, da nach landläufiger Meinung gerade das Umgekehrte zu erwarten
gewesen wäre: der Beruf, ein Ort der Versachlichung – die Familie, ein Ort der Be-
ziehungen.

5.2 Ergebnisse der Clusteranalyse
     Aufgrund der Entwicklung der Fehlerquadratsumme erfolgte die Entscheidung
für eine Drei-Cluster-Lösung.7 Die drei Cluster sind annähernd gleich besetzt und
lassen sich anhand von Gruppierungsvariablen beschreiben. Dazu wurden Mittel-
wertvergleiche vorgenommen, die Gruppenunterschiede wurden varianzanalytisch
und mit t-Tests untersucht. Dass sich die drei Gruppen anhand der meisten Gruppie-
rungsvariablen signifikant unterscheiden, ist wenig überraschend. Auffällig sind

6
       Diese Unterschiede sind hochsignifikant (Chiquadrattest, α=0,0000), zu beachten ist hier aber
       die Einschränkung des Aussagekraft der Signikanztests, weil hier kein Schluss von einer Zu-
       fallsstichprobe auf eine klar definierte Grundgesamtheit gezogen werden soll, sondern ledig-
       lich ein zusätzliches Kriterium für die Ähnlichkeit/Unterschiedlichkeit von Gruppen geboten
       wird.
7
       Diese Entscheidung folgt dem Elbow-Kriterium (vgl. z.B. Backhaus et al. 1996, 308).
314           Helmut Kasper, Michael Meyer, Angelika Schmidt: ManagerInnen – zwischen Berufs- und Privatleben

vielmehr jene Variablen, hinsichtlich derer kein systematischer Unterschied zwi-
schen den Clustern besteht:
[1] Summe Sachdimension Beruf
[2] Summe Sozialdimension Beruf
     Für den Clustervergleich werden relative Häufigkeiten berechnet. Diese wie-
derum werden mit den relativen Häufigkeiten der Gesamtstichprobe verglichen, wor-
aus sich folgendes Clusterprofil ergibt (vgl. Tab. 3).

Tab. 3: Relative Häufigkeiten der Kategorien8
      Kategorie                                        Cluster 1          Cluster 2          Cluster 3
      Beruf                                             5,58%              3,16%             -4,84%
      Beruf sachlich                                   -2,91%              4,32%             -1,33%
      Beruf sozial                                      1,07%              1,09%             -1,46%
      Beruf zeitlich                                    1,85%             -5,40%              2,80%
      Familie                                          -5,58%             -3,16%              4,84%
      Familie sachlich                                  2,67%             -3,20%              0,59%
      Familie sozial                                   -2,33%              1,82%              0,00%
      Familie zeitlich                                 -0,34%              1,39%             -0,59%

     Zusätzlich wird zur Charakterisierung der Cluster auf die Basiskategorien der
Inhaltsanalyse und auf die Ergebnisse der standardisierten Befragung zurückgegrif-
fen. Bei letzteren zeigen sich zwar nur wenige, dafür aber sehr auffällige Unterschie-
de zwischen den Gruppen (siehe dazu Tabellen 6, 7 und 8 im Anhang).

      Die drei Cluster im Überblick
     Die drei Muster, mit denen die untersuchten ManagerInnen den Konflikt hand-
haben, lassen sich folgendermaßen umschreiben:
1. Karriere als soziales Faszinosum und Familie als sachliche Aufgabe,
2. Tradition der zwei getrennten Welten,
3. Doppelbelastung und der Druck der Aufgaben.
     Eine nähere Beschreibung dieser Typen anhand der sie unterscheidenden
Merkmale folgt in den nächsten Abschnitten. Vorerst wollen wir anhand zweier
besonders diskriminierender Dimensionen die Unterschiede zwischen den drei Typen
veranschaulichen.

8
      an der gesamten Sozialdimension, an den Oberkategorien Beruf und Familie bzw. an der
      Summe Beruf-Familie) in Abweichung vom Gesamtmittel.
Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 3, 2003                                                                                      315

Abb. 1: Summe der kodierten Themen in den Bereichen Beruf und Familie nach Clustern
                                                                    300

                                                                    200

                                                                                                                    Clusterzugehörigkeit

                                                                                                                           3
                                                                    100                                                 Doppelbelastung
                    Summe Familie

                                                                                                                           2
                                                                                                                        Zwei Welten

                                                                                                                           1
                                                                      0                                                 Karriere-Faszinosum
                                                                       40      60   80    100   120   140   160   180

                                                                          Summe Beruf

     Was die absolute Häufigkeit der Themen betrifft, unterscheidet sich Cluster 3
eindeutig von den beiden anderen: Die Doppelbelasteten reden mehr, und zwar so-
wohl über berufliche als auch über familiäre Themen (vgl. Abbildung 1).

Abb. 2: Artikulierte Erwartungen an berufliche bzw. familiäre AdressatInnen nach Clustern
                                                                     ,2
                    Erwartungen Berufssphäre (rel. Eigen & Fremd)

                                                                     ,1

                                                                                                                    Clusterzugehörigkeit

                                                                                                                            3
                                                                    0,0                                                 Doppelbelastung

                                                                                                                            2
                                                                                                                        Zwei Welten

                                                                                                                            1
                                                                    -,1                                                 Karriere-Faszinosum
                                                                      -,02   0,00   ,02   ,04   ,06   ,08   ,10   ,12

                                                                          Erwartungen Familie (rel., Eigen & Fremd)
316           Helmut Kasper, Michael Meyer, Angelika Schmidt: ManagerInnen – zwischen Berufs- und Privatleben

      Betrachtet man die artikulierten Erwartungen (als Indikator für soziale Reflek-
tiertheit), zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen Cluster 1 und den anderen
beiden (vgl. Abb. 2): Für die tendenziell jüngeren, berufsorientierten Manager (!)
dieser Gruppe hat der/die soziale andere (alter ego) in beiden Sphären einen hohen
Stellenwert, zumindest als Thema im Interview.

      Cluster 1: Karriere als soziales Faszinosum, Familie als Sachaufgabe
      Hier finden sich berufsorientierte Männer (und keine Frauen), die als sozial re-
flektiert und zielbewusst scheinen. Die Karriere wird als Spiel der Beziehungen, als
ein Geben und Nehmen betrachtet. Die Erwartungen von Vorgesetzten und Unterge-
benen müssen laut dieser Gruppe von Führungskräften laufend reflektiert werden.
Dies zeigt sich daran, dass sich in der Sozialdimension hohe Anteile an (beobachte-
ten) Fremderwartungen und Fremdzuschreibungen, besonders aber an artikulierten
Eigenerwartungen finden. Das berufliche Selbstbild spielt hingegen eine vergleichs-
weise untergeordnete Rolle. Viel Raum wird auch beruflichen Terminen und Zeit-
budgets gegeben.
      Die Familie bleibt da bloß als Erwartungs- und Anspruchsadressat. Was die
Familie selbst erwartet, bleibt unklar und wird selten zu einem Thema. 5 von 8 (!)
Gesprächspartnern dieser Gruppe geben in der standardisierten Befragung keine
Antwort zur Form der Paarbeziehung. Offen bleibt, aus welchen Gründen die dieser
Gruppe zugeordneten Manager gerade dieser Frage ausweichen.
      Dieses Cluster ist ausgeprägt berufsorientiert, wobei das berufliche Feld eher in
seinen sozialen und zeitlichen Aspekten thematisiert wird weniger unter sachlichen.
Professionalität im Beruf ist wichtig. Dazu bedarf es einer Frau, die zu Hause bleibt
und Unterstützung bietet. Allerdings: Zeitgemäß ist das offensichtlich nicht mehr,
aussprechen darf man das nicht, soweit reicht das Selfmonitoring der betroffenen
Führungskräfte. Die Form der Partnerschaft bleibt daher genauso wie die Erwartun-
gen der Partnerin und der Kinder ausgeblendet.
      Deutlich unterdurchschnittlich zeigt sich dieses Cluster bei Eigenzuschreibun-
gen (Selbstbilder in Familie und Beruf) und bei konkreten Beziehungsbeschreibun-
gen.9 Im familiären Feld dominiert im Gegensatz dazu der sachlich-thematische As-
pekt. Im Gegensatz zu den anderen Clustern scheint die Arbeit zuhause nicht als
Stress wahrgenommen zu werden, und das gleichzeitige Verrichten von Arbeiten zu-
hause, das von den anderen Clustern mehrheitlich als eine wichtige Lösungsmög-
lichkeit zur Bewältigung von Stresssituationen zuhause angesehen werden, wird hier
von sämtliche acht Versuchspersonen des Cluster 1 abgelehnt. In Cluster 2 finden
sich immerhin 5 von 11 Versuchspersonen, in Cluster 3 noch 4 von 11 Versuchsper-
sonen, die die Gleichzeitigkeit bei der Hausarbeit praktizieren.

9
      siehe dazu Tabelle 8 im Anhang
Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 3, 2003                          317

       Cluster 2: Die Tradition der zwei Welten
      Auch die in dieser Gruppe zusammengefassten zehn Männer und eine Frau zei-
gen sich im Interview eindeutig berufsorientiert (wenngleich nicht so deutlich wie
Cluster 1). Beruf und Familie sind getrennt oder ausbalanciert. Im Unterschied zu
Cluster 1 wird das berufliche Feld vor allem sachlich-thematisch behandelt, Zeit-
und Karriereaspekte spielen eine etwas geringere Rolle. Cluster 2 fasst Führungs-
kräfte zusammen, die sich in der Sozialdimension durch den höchsten Anteil von Ei-
genzuschreibungen bzw. Selbstbildern und der Darstellung konkreter Beziehungen
auszeichnen.
      Bei der Analyse der signifikanten Unterschiede fällt Cluster 2 wesentlich öfter
durch deutlich unterdurchschnittliche als durch überdurchschnittliche Werte10 auf:
Was die Familie betrifft, wird keines der möglichen Themen hervorgehoben. Das
familiäre Feld wird im Cluster 2 vor allem in seiner sozialen und zeitlichen Dimensi-
on thematisiert. Lediglich hinsichtlich der Berufe in der Herkunftsfamilie und der
Beziehung zur Partnerin geben diese Führungskräfte ihre Zurückhaltung ein wenig
auf. Im Beruf dominiert das Unternehmen. Erwartungen und Zuschreibungen werden
im beruflichen Kontext nur sehr verhalten geäußert, auch die eigene Karriere spielt
eine untergeordnete Rolle. Die Antworten in den Interviews bewegen sich somit eher
in der Aktualität denn in der Potenzialität sozialer Beziehungen.
      Die Partnerschaft wird traditionell als wichtig wahrgenommen, es gibt viel Ge-
meinsamkeit und keine Dominanz – so das Selbstbild. So verweist in dieser Gruppe
eine große Mehrheit (7 von 11) auf eine Partnerbeziehung, die durch Gleichrangig-
keit beider Partner und eine große Schnittmenge von Gemeinsamkeiten gekenn-
zeichnet ist. Über Familie spricht man aber nicht so viel, über den Beruf etwas ein-
seitig: Im Mittelpunkt steht eindeutig das Unternehmen, der zentrale Wert.

       Cluster 3: Doppelbelastung und der Druck der Aufgaben
     Im Unterschied dazu zeigt sich bei Cluster 3 ein hoher Anteil an ManagerInnen
(8 von 11), die in einem Haushalt mit zwei voll Erwerbstätigen leben. Für die drei
Frauen und acht Männer scheint die Familie genauso wichtig wie der Beruf. Oft ha-
ben sie keine Wahl. Die Doppelverdiener und Doppeltbelasteten sehe ihre PartnerIn-
nen zwar als gleichrangig an, sie haben aber nicht mehr viel miteinander zu tun. Die
Personen des Cluster 3 bezeichnen ihre Partnerbeziehung mehrheitlich als gleichran-
gig, die Schnittmenge der gemeinsamen Interessen bleibt aber klein.
     Bei den in Cluster 3 zusammengefassten Interviews spielt die familiäre Sphäre
eine größere Rolle als die berufliche. In beiden Feldern gibt es im Vergleich zu den
anderen Clustern eher eine Ausgewogenheit zwischen sachlichen, sozialen und zeit-
lichen Aspekten. Im beruflichen Bereich dagegen ist die Zeitdimension wichtiger,
die Sozialdimension wird seltener angesprochen.

10
       siehe dazu Tabelle 9 und 10 – Anhang
318           Helmut Kasper, Michael Meyer, Angelika Schmidt: ManagerInnen – zwischen Berufs- und Privatleben

      Insbesondere eigene und fremde Erwartungen spielen eine auffällig untergeord-
 nete Rolle.
       Cluster 3 dominiert in fast allen familiären Kategorien: Besonders auffällig ist
 die thematisch-sachliche Dominanz, z.B. in Bezug auf Versorgung, Haushalt, Frei-
 zeitgestaltung und gemeinsame Aktivitäten. Auch die private und berufliche Famili-
 engeschichte wird ausführlich dargelegt. Überdurchschnittlich viel Platz wird dem
 familienbezogenen Selbstbild und konkreten Aspekten der Partnerschaftsbeziehung
 gewidmet, während bei der Artikulation von Erwartungen Zurückhaltung geübt wird.
 Am Beruf werden vor allem konkrete Tätigkeiten, die eigene Karriere und das beruf-
 liche Selbstbild für berichtenswert gehalten.
       Im Gegensatz zu den anderen Interviewten gibt es in diesem Cluster immerhin 5
 von 11 ManagerInnen, die schnelleres Arbeiten als Stressbewältigung im Beruf an-
 wenden, während sämtliche Personen des Cluster 1 (stark berufsorientiert) und im-
 merhin eine deutliche Mehrheit des Cluster 2 (8 Personen) dies klar ablehnen.
       Die Befragten dieses Clusters zeichnen sich also durch Erfahrungen in beiden
 Welten aus: Versorgung, Haushaltsarbeit und Freizeitgestaltung sind ebenso Thema
 wie Jobinhalt und Karriere. Niemand spricht so viel über sich selbst. Niemand
 spricht so viel über die Karriere. Niemand spricht so viel über die Familie. Niemand
 spricht so viel. Da bleibt wenig Zeit für die Reflexion sozialer Beziehungen: die Er-
 wartungen anderer als blinder Fleck.
       Interessant erscheint auch folgender Unterschied zwischen den Clustern: die
 ManagerInnen des Cluster 1 und des Cluster 2 sind mehrheitlich in alten Unterneh-
 men (Mittelwert C1: 97 Jahre, Mittelwert C2: 89 Jahre) beschäftigt. Die ManagerIn-
 nen des Cluster 3 arbeiten in eher jüngeren Unternehmen (Mittel 33 Jahre), was dar-
 auf hinweisen könnte, dass traditionelle Muster im Umgang mit dem Spannungsfeld
 Familie-Beruf, also der Versuch der klaren Rollenaufteilung, etwas mit der Traditio-
 nalität der Organisation zu tun haben könnte.

 5.3 Ergebnisse Pronominalanalyse
      Betrachtet man die Textmenge (gemessen in Worten), die von den Interviewten
 den Bereichen Beruf und Familie gewidmet wurde, zeigt sich folgendes Bild (vgl.
 Tab. 4):

 Tab. 4: Wortanteile differenziert nach Themen in den drei Clustern
                                                               Wortanzahl Sozialdimension
                                                            Familie                          Beruf
Cluster 1: Karriere-Schlechtes Gewissen                35,84 % (2.365)               64,16 % (4.234)
Cluster 2: Zwei Welten                                 41,04 % (2.617)               58,96 % (3.759)
Cluster 3: Doppelt ... und Familie                     48,89 % (4.448)               51,11 % (4.650)
Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 3, 2003                                319

     Im Bereich Familie finden sich deutliche Unterschiede zwischen den Clustern:
In Cluster 3 wird den sozialen Beziehungen in der Familie wesentlich mehr Platz
eingeräumt als in Cluster 1 und 2.11
     Eine plausible Hypothese hinsichtlich der Verwendung von Pronomina lautet,
dass die involvierenden Personalpronomina WIR und ICH im Familienkontext häu-
figer verwendet werden als im Berufskontext, während das distanzierte und indirekte
MAN im Berufskontext dominiert. Diese Hypothese lässt sich in dieser generellen
Form bestätigen (vgl. Tab. 5):

Tab. 5: Pronominalverwendung und Kontext: rel. Hfgk. (abs. Hfgk.)

Beobachtet                                WIR               ICH       MAN
Familie                                15,10 %             75,89 %    9,01 %   100 %
                                          (918)             (4614)       548   (6080)
Beruf                                  11,71 %             76,45 %   11,84 %   100 %
                                           986                6438       997   (8421)
                                            1904            11052      1545    14501
Abweichung von
erwarteter Wahrsch.
Familie                                  1,97 %            -0,33 %     -1,64
Beruf                                   -1,42 %             0,24 %      1,19
2,27                                 Chi-Quadrat
2,00                                           Freiheitsgrade
0,000000                                   sig

     WIR wird im familiären Kontext signifikant häufiger verwendet, während ICH
und MAN im Berufskontext häufiger auftreten; so der Befund für die Gesamtstich-
probe. Untersuchungen, die einen detaillierten Vergleich zur Häufigkeit der Prono-
minalverwendung mit anderen Manager-Stichproben erlauben, liegen derzeit nicht
vor. Lediglich ein Vergleich des WIR-Anteils am Gesamtkorpus ist möglich. Eine
noch unveröffentlichte Studie ermittelt bei Interviews mit deutschsprachigen Top-
Managern auf Basis eines kleinen Korpus von ca. 15.000 Wörtern einen WIR-Anteil
von 1,13%. Der WIR-Anteil in unserer Studie liegt beim Teilkorpus „Familie“ (ca.
97.000 Wörter) bei 0,98% und beim Teilkorpus „Beruf“ (ca. 126.000 Wörter) bei
0,74% (s. Tabelle 6) und damit in beiden Fällen deutlich unter dem Vergleichskorpus
(Pichler 2003, 180). Offensichtlich ist damit der WIR-Anteil in unternehmens- und
führungszentrierten Interviews von Pichler (2003) deutlich höher.

11
       F-Test, α=0,0009
320           Helmut Kasper, Michael Meyer, Angelika Schmidt: ManagerInnen – zwischen Berufs- und Privatleben

      Der Zusammenhang zwischen Pronominalverwendungshäufigkeit und Kontext
ist auch für alle drei Cluster hochsignifikant:12
     Cluster 1 verhält sich wie das Gesamtsample: WIR kommt im familiären Kon-
      text überzufällig häufig vor, ICH und MAN im beruflichen.
     Bei Cluster 2 zeigt sich eine andere Tendenz: Hier treten WIR und ICH im fa-
      miliären Kontext signifikant häufiger auf, MAN im beruflichen.
     Im Cluster 3 zeigt sich der hochsignifikante Zusammenhang wie in der Gesamt-
      stichprobe und beim Cluster eins.
      Hinsichtlich der quantitativen Pronominalverwendung stellt somit Cluster 2 ei-
nen „Ausreißer“ dar. Führungskräfte in diesem Cluster, die traditionellerweise auf
Trennung der familiären und beruflichen Sphäre bedacht sind, setzen das exkludie-
rende und eher dominierende ICH auch im familiären Kontext häufig ein.
      In der Tabelle 11 (im Anhang) sind die absoluten Häufigkeiten der Pronomina
ICH, WIR und MAN zusammengefasst, und zwar differenziert nach Interviews und
Cluster sowie Textsequenzen mit Familien- und solchen mit Berufsschwerpunkt.
Werden diese absoluten Häufigkeiten der Pronomina zusammengefasst und die Ab-
weichungen von der erwarteten Häufigkeit angegeben, dann ergibt sich folgendes
Bild:
     WIR tritt in allen drei Clustern im Familienkontext häufiger als erwartet auf. Im
      Berufskontext entspricht die WIR-Häufigkeit den Erwartungen, eine Ausnahme
      bildet hier Cluster 3, wo die Berufs-WIR-Häufigkeit wesentlich geringer ist als
      erwartet.
     Die ICH-Frequenz im Familienkontext liegt bei den Clustern 1 und 2 im erwar-
      teten Bereich, im Cluster 3 ist sie deutlich geringer. Im Berufskontext verwen-
      det Cluster 1 das ICH deutlich häufiger als erwartet.
     MAN wird von allen drei Clustern im Familienkontext seltener verwendet, als
      es der gesamten Worthäufigkeit entsprechen würde. Im Berufskontext hingegen
      wird MAN häufiger als erwartet verwendet.
      Die Pronominalauszählungen lassen sich als weitere Bestätigung der Cluster-
charakterisierungen interpretieren:
     Für die Mitglieder des Cluster 3 – die Doppeltbelasteten – spielt die berufliche
      „ingroup“ im Interview eine deutlich geringere Rolle als für die beiden anderen
      Gruppen.
     Auch hinsichtlich der pronominalen Behandlung des Familienbereiches sticht
      diese Gruppe hervor: Das ICH spielt hier eine geringere Rolle als in den ande-
      ren Gruppen.
     Hinsichtlich des unpersönlichen und indirekten MAN gibt es auf den ersten
      Blick keine Gruppendifferenzen.

12
      alle Signifikanzniveaus der Chi-Quadrat-Tests sind höher als 99 %, auch hier gilt aber die be-
      schränkte Aussagekraft der Signifikanztests
Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 3, 2003                                                321

     Offensichtliche Unterschiede gibt es also zwischen den Doppeltbelasteten des
Cluster 3 (beide Partner voll berufstätig) und den übrigen Führungskräften: Ersteren
scheint die Wir-Gruppe des Berufes nicht so wichtig, dafür wird im familiären Be-
reich eher das WIR denn das ICH forciert.
     Diesen Befunden liegen aber noch keine systematisch-statistischen Gruppen-
vergleiche zugrunde. Dazu wurden in der Folge Varianzanalysen und F-Tests durch-
geführt, die den relativen Anteil von ICH, WIR und MAN an der gesamten kontext-
spezifischen Worthäufigkeit zwischen den einzelnen Gruppen vergleichen (vgl. Tab.
6).

Tab. 6: Mittelwerte und Standardabweichungen der Pronominalanteile an Familien- und Berufs-
        sequenzen

                                          WIR-Anteil WIR-Anteil ICH-Anteil- ICH-Anteil MAN-Anteil MAN-Anteil
 Cluster                                   -Familie   -Beruf      Familie     -Beruf    -Familie    -Beruf
 (1) Karriere - Mittelwert                   1,3849     ,7786      5,0842      5,4528      ,5036      ,8553
 Schlechtes      N                                 8         8            8          8          8          8
 Gewissen        Standardabweichung           ,5944     ,3474       ,8120       ,8233      ,4224      ,5704
 (2) Zwei        Mittelwert                   ,8677     ,8388      5,1262      4,8888      ,7026      ,8930
 Welten          N                                11       11           11         11          11        11
                 Standardabweichung           ,5849     ,5063      1,2836       ,9930      ,4796      ,6434
 (3) doppelt ... Mittelwert                   ,7889     ,6148      4,9323      5,0816      ,6201      ,6900
 und Familie N                                    11       11           11         11          11        11
                 Standardabweichung           ,2641     ,2589      1,8576      1,7824      ,4034      ,4090
 Insgesamt       Mittelwert                   ,9767     ,7406      5,0439      5,1099      ,6193      ,8085
                 N                                30       30           30         30          30        30
                 Standardabweichung           ,5396     ,3882      1,3874      1,2847      ,4299      ,5363

     Signifikant unterscheiden sich aufgrund der Pronominalanalyse die Cluster hin-
sichtlich einer zentralen Variablen: Der Anteil von WIR im Familienkontext (F-Test,
α=0,035). Hier dominiert überraschenderweise Cluster eins. Diese Gruppe verwen-
det zwar den wenigsten Gesprächsraum für die Sozialbeziehungen im Familiensys-
tem, innerhalb dieses Themas nimmt aber der WIR-Diskurs deutlich mehr Anteil ein
als in den anderen Gruppen. Erstaunlicherweise spielt also die familiäre WIR-
Gruppe bei diesen karriereorientierten Männern eine wichtige Rolle. Im Gegensatz
zum Cluster eins hat in Cluster drei der WIR-Diskurs einen verhältnismäßig geringen
Anteil. Diese Gruppe verwendet zwar sehr viele Worte und viel Zeit auf die Darstel-
lung familiärer Beziehungen, der WIR-Anteil ist aber vergleichsweise gering.

6.     Interpretation und Ausblick
      Campbell Clark (2000, 761) sieht in Maßnahmen wie flexible Arbeitszeiten,
neue Arbeitsformen etc. mögliche Veränderungen an der Grenze zwischen Beruf und
Privatleben für den Einzelnen. Sie bezweifelt jedoch, ob sich damit auch die Kultu-
ren und die Werte in den Organisationen ändern. Kommunikation und Beteiligung
aller in einem Veränderungsprozess werden von Campbell Clark als zentrale Ele-
322         Helmut Kasper, Michael Meyer, Angelika Schmidt: ManagerInnen – zwischen Berufs- und Privatleben

mente im organisationalen wie auch im familiären Bereich angesehen. Das Ziel unse-
rer Untersuchung war herauszufinden, welche Wahrnehmungsmuster die von unter-
suchten ManagerInnen mitbringen, denn gerade sie sind es, die in den oben be-
schriebenen Prozessen als die zentralen Akteure angesehen werden können.
     In der Literatur werden für diesen Umgang Idealtypen genannt, die sich kurz
zusammengefasst als reine Familienmenschen, Berufs- und Karriereorientierte, Zer-
rissene oder an beiden Seiten Desinteressierte titulieren lassen (siehe dazu z.B.
Schmidt 2001). Vergleicht man die Ergebnisse unsere Untersuchung mit diesen Ide-
altypen, so zeigt sich, dass letztere in ihrer reinen Form zumindest bei den von uns
untersuchten ManagerInnen nicht vorkommen: Weder findet sich der reine Famili-
enmensch, noch der ausschließlich Berufs- und Karriereorientierte und auch Hinwei-
se auf den Zerrissenen oder den an beiden Bereichen Desinteressierten fehlen. Die
Realtypen bewegen sich wohl zwischen diesen Polen, was auch Campbell Clark
(2000) feststeht.
     Wie bei der Gruppe der ManagerInnen nicht anders zu erwarten war, ist bei al-
len Befragten eine sehr starke Berufsorientierung anzutreffen. Es zeigt sich folgen-
des Bild:
     Cluster 2 lässt sich aufgrund der hohen Berufsorientierung und eher unterdurch-
schnittlichen Bedeutung der Familie am ehesten dem Karrieretyp zuordnen.
     Bei Cluster 3 scheinen beide Bereiche von hoher Bedeutung zu sein. Interessant
dabei ist jedoch, dass diese Gruppe zwar viel Zeit für die Darstellung familiärer Be-
ziehung verwendet, im Vergleich dazu der Anteil der inkludierenden Pronomina sehr
gering ist und für diese Personen wenig Zeit zur Reflexion privater Beziehungen
bleibt (geringer Anteil der Erwartungen). Jedenfalls zeigen ManagerInnen dieser
Gruppe am ehesten das Muster der „Zerissenheit“. In diesem Zusammenhang sind
die Ergebnisse von Greenhaus et al. (2001) interessant. So haben sie in ihren Unter-
suchungen einen positiven Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung des Work-
Family Conflicts und beobachtbaren Rückzugsverhalten im Beruf festgestellt. Rück-
zugsverhalten im Beruf konnten wir in dieser Gruppe nicht feststellen. Es war aber
offensichtlich, dass Privatheit und die Dominanz der Beziehung gerade bei solchen
Individuen am größten war, die nicht (mehr) so stark in Karrieren involviert waren.
     Cluster 1 scheint sich einer Einordnung am stärksten zu widersetzen, findet sich
bei den Managern dieser Gruppe ja sowohl eine hohe Karriereorientierung als auch
eine erkennbare Familienorientierung, ohne dass Merkmale der „Zerissenheit“ wie
bei Cluster 3 manifest werden. Gerade bei dieser Gruppe verhältnismäßig junger
Manager wäre eine Beobachtung der weiteren Entwicklung aufschlussreich. Außer-
dem weisen unsere Befunde darauf hin, dass gerade Cluster 1 ein hohes Maß an so-
zialer Reflexion aufweist. Deshalb ist hier möglicherweise von einer demonstrativen,
nach außen gerichteten Solidaritätsadresse an Frau und Kinder auszugehen, also von
einer Rhetorik familiärer Inklusion bei gleichzeitiger Entscheidung für die Karriere
und Missachtung der Erwartungen der anderen Familienmitglieder. Diese These wird
auch durch frühere Untersuchungsergebnisse gestützt. In Untersuchungen zu der
Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 3, 2003                           323

Ausgestaltung der Übergänge zwischen den beiden Bereichen Familie und Beruf
kommen z.B. Frone et. al. (1992) und später auch Eagle et al. (1997) zu dem Schluss,
dass die Grenzen zwischen Familie und Beruf asymmetrisch durchlässig, besonders
die Familiengrenzen durchlässiger sind als die beruflichen.
      Reine „Familienmenschen“ waren in unserem Sample erwartungsgemäß nicht
zu finden. Dies legt die Annahme nahe, dass die Familie von vielen Managerinnen
und Managern noch immer als Ruhepol, als Ort, an dem man/frau Energie tanken
kann, angesehen wird: An dieser Lebensform und den Beziehungen soll sich dem-
nach möglichst wenig ändern, in dieser Hinsicht wird von der Familie „Stabilität“ ge-
radezu gefordert. Diese Stabilität ist erwünscht und wird vorausgesetzt. Dies gilt be-
sonders für die Karrieretypen.
      Die Studie ist sicher in ihrem Aussagewert bezüglich einer Generalisierung
durch die Herangehensweise und die Anzahl der Interviewten begrenzt, trotzdem
wurden Muster auf inhaltlicher und sprachlicher Ebene erkennbar. Aufgezeigt wer-
den konnte ferner, dass bei immer mehr Managerinnen und Manager nicht nur dem
Beruf, sondern auch dem Privatleben ein hoher Stellenwert zukommt. Wie unsere
Analysen gezeigt haben, herrscht vor allem in Familien mit Berufstätigkeit beider
Partner eine Dominanz der Sachzwänge. Die Folge: Es kristallisieren sich wider-
sprüchliche Erwartungen von ManagerInnen an Familie und Firma heraus.
      Eine Art Teufelskreis ist programmiert: Die Arbeitssituation von Führungskräf-
ten wird sich weiter zuspitzen. Mit neuen privaten Beziehungsformen ändern sich
auch die Erwartungen bezüglich der Verfügbarkeit von ManagerInnen in der Fami-
lie. Besonders ManagerInnen, die in nichttraditionellen Partnerschaftsformen leben,
sind immer mehr in Auseinandersetzung mit den Anderen, durch Beziehungsarbeit
und Aushandeln der Aufgaben gefordert. Dieser Trend ist besonders bei jüngeren
ManagerInnen zu beobachten: Sie suchen mehr nach einem Kompromiss zwischen
Arbeit und ihrem Privatleben. Schon Scase und Coffee (1989) kamen in ihrer Unter-
suchung zu dem Schluss, dass 35- bis 50-jährige ManagerInnen nicht mit all ihren
Kräften nach Karriereerfolg streben, wenn dieser ausschließlich auf Kosten von per-
sönlichen und familiären Beziehungen geht. Diese Gruppe ist mit PartnerInnen liiert,
die sich durch in besonderem Maße veränderte Ansprüche an Ehe und Partnerschaft
auszeichnen. Zudem lässt sich feststellen, dass jüngere, in der Regel akademisch
ausgebildete Manager heute typischerweise mit hochqualifizierten Frauen in Partner-
schaften leben, die wiederum Trägerinnen einer veränderten Anspruchshaltung an
familiale Beziehungsstrukturen sind (vgl. Ellguth et al. 1998, 525).
      Gleichzeitig ist mit dieser immer stärker artikulierten Forderung nach Bezie-
hungsarbeit auch ein weiterer Trend erkennbar. Eine wachsende Zahl an karriereori-
entierten EntscheidungsträgerInnen können und wollen diese eingeforderte Bezie-
hungsarbeit nicht leisten und bleiben deshalb Singles. Diese Tendenz führt konse-
quenterweise zu einer noch stärkeren emotionalen Bindung an die Organisation und
den Job. Sie rücken der Organisation emotional noch näher und verknüpfen sie mit
ihrem persönlichen Erfolg oder Misserfolg. So wird die Firma ein stabiler Teil der
324           Helmut Kasper, Michael Meyer, Angelika Schmidt: ManagerInnen – zwischen Berufs- und Privatleben

Identität von ManagerInnen, ein unverzichtbarer Bestandteil des Lebens, das Rück-
grat der Biographie.

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