Herz Jesu - Feuerherd der Liebe
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1 23. Herz-Jesu-Studientagung / 25. Jänner 2014 HerzJesu – Feuerherd der Liebe Das Wort „Herz“ ist ein Urwort der Menschheit. Jeder weiß intuitiv, daß damit nicht nur ein Organ gemeint ist, sondern daß das Herz immer den Menschen in seiner Gesamtheit repräsentiert. Beim hl. Augustinus, der darüber ganz unbefangen gesprochen und geschrieben hat, wurde das Herz zu einem Schlüsselbegriff seines gesamten theologischen Denkens. Die europäische Philosophie, die im Werk Augustins wurzelt, hat darauf zurückgegriffen (vgl. Anton Maxsein, Philosophia cordis, Salzburg 1966). Und die Sprache der Liebe wäre ohne diese Metapher gar nicht denkbar. Was aber für die Menschen untereinander selbstverständlich ist, das gilt auch für unsere Beziehung zu Gott. Der Aufforderung Gottes im Hauptgebot, ihn mit ganzem Herzen zu lieben (Dtn 6,5) steht gegenüber die Offenbarung seiner Liebe am Kreuz: die Durchbohrung des heiligsten Herzens Jesu. Diesem Herzen Jesu gilt nun die folgende Betrachtung – und zwar im Hinblick auf die besondere Bezeichnung „fornax ardens caritatis – Feuerherd der Liebe“, wie sie die Herz-Jesu-Litanei in ihrer 8. Anrufung verwendet. Litaneien sind eine alte Gebetsform der Kirche. Schon der 136. Psalm Israels war eine Art Litanei, in der die Liebe Gottes, seine Barmherzigkeit, gepriesen wurde, wenn es Refrain-artig 26 mal hin- tereinander heißt: Denn ewig währet sein Erbarmen – bzw. in der neuen Übersetzung – denn ewig währet seine Huld. Unsere Allerheiligenlitanei ist seit dem 7. Jahrhundert bekannt. Erste Herz-Jesu Litaneien entstanden dann im Zuge der Gegenreformation. Später kamen weitere Anrufungen dazu, um so die Zahl 33 der Lebensjahre Christi zu erreichen. Schließlich hat Papst Leo XIII. die uns heute bekannte Form der Herz-Jesu-Litanei für die gesamte Kirche festgelegt (vgl. Leo XIII., Annum Sacrum, AAS 31, 1899, 646–652). Ihre Anrufungen und Aussagen sind zum größten Teil biblischen Ursprungs. 19 Anrufungen sind wörtliche oder fast wörtliche Zitate aus der Heiligen Schrift, andere Anrufungen sind zu mindestens Anspielungen an biblische Texte. So etwa auch unsere Anrufung „Feuerherd der Liebe“. Manche Ausleger bringen den Ausdruck in Verbindung mit jenem Vers aus dem atl. Buch der Weisheit, wo vom „Schmelzofen“ die Rede ist (vgl. Weish 3,6), in der das Gold geläutert wird; andere sehen darin eine Anlehnung an die Erzählung aus dem Buch Daniel (vgl. Dan 3,1–97), von den drei Jünglingen im Feuerofen, die unversehrt blieben, obwohl der König Nebukadnezar den Ofen siebenmal stärker heizen ließ als sonst (vgl. F. Lackner SJ, Die Litanei vom Heiligsten Herzen Jesu, Innsbruck 1960, 57). Eine naheliegendere Quelle scheint jedoch die hl. Gertrud zu sein, wenn sie in ihren Aufzeichnun- gen von der „Flamme der göttlichen Liebe“ schreibt, die „aus dem Glutofen des göttlichen Herzens hervorbrach“ (Gertrud d. Gr., Gesandter der göttlichen Liebe, 5, 27). Doch wäre auch denkbar, daß sich in diesem Ausdruck einfach eine allgemeine religionsgeschichtliche Erfahrung der Menschheit
2 widerspiegelt. Nämlich die Erfahrung, daß das materielle Feuer als Gabe Gottes für den Fortbestand des Lebens unverzichtbar ist, und dieser enge Zusammenhang zwischen Feuer und Leben vor allem verdeutlicht wird durch das Herdfeuer als Zentrum der Familie (vgl. M. Hutter, LThK 3, 1261). Auf die geistliche Ebene übertragen hieße das dann, daß das Herz Jesu mit dem in ihm lodernden Feuer des Gottesgeistes den „Lebensherd“ (Scheeben) der Familie der Kinder Gottes darstellt. Aber drauf kommen wir später noch zu sprechen. Als ich voriges Jahr im Dezember mit einem Bekannten auf die heutige Veranstaltung zu sprechen kam und dabei auch erzählte, daß als Thema die Anrufung gewählt wurde: „Herz Jesu, Feuerherd der Liebe“, kam die spontane Reaktion: „Was, und darüber wollen Sie eine ganze Stunde reden?“ Ich habe mir seine Warnung zu Herzen genommen – denn er hatte nicht ganz unrecht – ich möchte es aber dennoch versuchen. Nicht nur deshalb, weil Papst Pius XII. die Verehrung des Herzens Jesu als „das vollkommenste Bekenntnis der christlichen Religion“ bezeichnet hat (Pius XII., Haurietis Aquas, AAS 48, 1956, 344f ), sondern auch, weil wir es hier letztlich mit jenem Thema zu tun haben, das alle und alles bewegt: Mit der Liebe. Mit Gott, der seinem Wesen nach Liebe ist – und mit Jesus Christus, der fleischgewordenen Liebe Gottes. Ich stütze mich bei den folgenden Ausführungen auf die Heilige Schrift, vor allem aber auf die hl. Kirchenlehrerin Caterina von Siena, die im 14. Jahrhundert gelebt hat und neben der hl. Gertrud ebenfalls zu den bedeutenden Mystikerinnen des heiligsten Herzens Jesu gehört. 1. Die Liebe – des Menschen Ursprung und Ziel Ein Hauptgedanke, der die Schriften Caterinas wie ein roter Faden durchzieht, ist der beständige Hinweis darauf, daß wir unser Sein nicht aus uns selbst haben; daß wir aus Liebe und für die Liebe erschaffen wurden. Denn Gottes Liebe ist eine leidenschaftliche Liebe. Wie ein Bräutigam beim Anblick seiner Braut in Liebe erglüht, so auch Gott, als er in sich sein Geschöpf betrachtete. Es ist wie ein erster Blick in das glühende Herz Gottes, wenn Caterina an den Herrscher von Mailand, Bernabò Visconti, in einem Brief die schönen Worte schreibt (Brief 28): „Bedenkt, daß Ihr geliebt wurdet, bevor Ihr lieben konntet! Denn als Gott in sich hineinblickte, verliebte er sich in die Schön- heit seiner Geschöpfe und wurde so sehr hingerissen vom Feuer seiner unschätzbaren Liebe, daß er uns erschuf …“ Und sie spannt dann den Bogen zur Neuschöpfung, wenn sie in einem an- deren Brief an einen Benediktiner-Prior schreibt: Dieses selbe Feuer, hat „am Kreuz unsere Sünden verbrannt“ und es wird niemals verlöschen, „sonst würden wir aufhören zu sein. Denn es war ja gerade dieses Feuer der Liebe, das ihn dazu bewog, uns aus sich heraus- zuziehen (ins Dasein)“ (Brief 246). Weil der Mensch aus Liebe und für die Liebe erschaffen wurde, kann er auch durch nichts so sehr angezogen werden wie durch die Liebe. Die „Angel“ aber, die Gott ausgeworfen hat, um uns an sich zu ziehen, ist der Mensch gewordene Gottessohn (vgl. Brief 196 an Gregor XI.). Kein Mensch kann im Vollsinn leben, wenn er nicht geliebt wird. Er kann zwar biologisch existieren, er kann Arbeitskraft sein, aber wahrhaft menschlich leben kann er nicht. Wir sehen es ja rundherum in unserer Gesellschaft. Wir werden gefördert, betreut, eingeteilt mit Ideen und Bildern vollgestopft.
3 Aber all das ersetzt nicht das Wort Liebe – die Liebe, die zu mir sagt: Es ist gut daß du da bist. Es ist ein Betrug, wenn wir uns einreden, das brauchen wir nicht – es genügt das Geld, der Erfolg, die Leistung, der Genuß. Wir alle leben und sind nur, weil Gott dies von Ewigkeit her gesagt hat: Ich will, daß du da bist. Und ich will es in Liebe. Das heißt Schöpfung. Gott hat dieses Ja zu uns gesprochen und jedes Ja, das wir sonst erleben in der Begegnung mit Vater oder Mutter, mit dem Freund oder mit der Geliebten, stammt aus dieser Urbejahung der Liebe. Sonst gäbe es keine Welt, keinen Baum, keinen Morgen, und keine Schöpfung. Nichts. Gottes Liebe ist schenkende Liebe. Liebe, die nur eines möchte und nur einen Wunsch hat: glücklich zu machen und zwar für immer. Dabei wissen die Menschen auch um das Symbol des Herzens. Sie wissen, was damit gemeint ist. Denn die Sprache des Herzens ist nach dem Turmbau von Babel die einzige Sprache, die die Men- schen aller Zeiten und aller Völker verstehen. 2. Das Herz Was will die Liebe? Sie will das Herz berühren und es glücklich machen. Das Herz – und damit mei- nen wir: das tiefste Geheimnis des Menschen, die Leib und Seele verbindende Lebensmitte, das Zentrum seines ganzen Wesens, seiner Person. Jesus sagt: Aus dem Herzen kommen die bösen Ge- danken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Gotteslästerung (Mt 15,19) – denn als die Mitte unserer Person ist das Herz irgendwie der Ursprung des Bösen. Aber das Herz ist auch der Raum unserer Seligkeit. Denn womit verkosten wir denn das Glück? Mit dem Verstand? Mit un- serem Willen? Auch. Aber Jesus sagt vor seiner Himmelfahrt als Trost zu seinen Jüngern: „Ihr werdet mich wiedersehen, dann wird euer Herz sich freuen“ (Joh 16,22). Wenn der Priester vor einer Beerdigung die Angehörigen fragt: Was man über den oder die Ver- storbene sagen kann, so heißt es meist: Sie war für alle da, oder: Er war ein guter Papa, er hat ein gutes Herz gehabt. Die Menschen spüren: Worauf es im Letzten ankommt, ist nicht das Ansehen der Person, sondern Gott sieht auf unser Herz, auf unsere Gesinnung. Am Ende zählen nicht die großen Leistungen und Erfolge, sondern nur die stille Tat der Liebe und unsere Ehrfurcht vor Gott. Wenn wir sagen: Jemand hat ein gutes Herz, so meinen wir: ein hohes Maß an Liebe. Ein liebendes Herz bedeutet alles. Dafür geben Männer ihre Karriere auf und verzichten Frauen auf ihren ganzen Besitz. Selbst wenn einer für die Liebe den ganzen Reichtum seines Hauses bieten wollte – heißt es in einer atl. Schrift – „nur verachten würde man ihn“ (Hld 8,7). Wozu das liebende Herz einer Mutter fähig ist, wird in einem Gedicht von Jean Richepin (1849 – 1926) eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht. Es heißt: Es war einmal ein armer Wicht. Die, die er liebte, liebt ihn nicht. Einst sagte sie zu ihm: Bring mir zur Stund‘ das Herz deiner Mutter meinem Hund. Er geht und schlägt die Mutter tot, reißt heraus ihr Herze rot; und wie er eilt zur Buhle sein, da fällt er über einen Stein.
4 Hin rollt das Herz; es springt empor, da dringt´s wie Weinen an sein Ohr; das Herz der Mutter flüstert lind: Hast du dir weh getan, mein Kind. Was in diesem Gedicht vom Herzen bzw. von der Liebe einer Mutter gesagt wird, das gilt unendlich mehr von der Liebe des Gott-menschen. Denn selbst wenn eine Mutter ihr Kind vergessen würde, spricht Gott durch den Propheten Jesaia, „Ich vergesse dich nicht“ (Jes 49, 14–15). Der bedeutende Franziskaner-Theologe, der sel. Johannes Duns Scotus, dem es erstmals gelang, das Geheimnis der Immaculata (der Unbefleckten Empfängnis Mariens) theologisch schlüssig zu deuten, hat auch über die Menschwerdung Gottes und über das Herz Jesu Großartiges gedacht und erwogen. Nach ihm ist Gott auch deshalb Mensch geworden, damit es wenigstens ein Herz gibt, das Gott auf unendliche Weise liebt. Weil dies aber den Geschöpfen als endliche Wesen nicht möglich ist, hat sich die Unendlichkeit der Gottesnatur mit der Endlichkeit der Menschennatur in Jesus verbunden, damit dieses sein Herz, das heiligste Herz Jesu, die unendliche Liebe des Vaters fassen und entsprechend beantworten kann. Und dieses Herz Jesu ist jetzt im Himmel, wo es für mich schlägt, an mich denkt, mit mir fühlt und mich liebt. 3. Herzensbildung – „Lernt von mir …“ (Mt 11,29) Es stimmt schon, was die Gläubigen durch Generationen hin gebetet haben: Heiligstes Herz Jesu – bilde mein Herz nach deinem Herzen! Das heißt, laß‘ mich so gesinnt sein wie Du warst. Denn wie schnell sind wir gleich aufgebracht, wie schnell kommen uns Gedanken der Abneigung! Bilde mein Herz nach deinem Herzen, das heißt: Zerbrich die Mauern des Egoismus in mir. Befreie die Liebe aus diesem Gefängnis. Mach mich gütig, treu und bereit zum Verzeihen. Bilde mein Herz nach deinem Herzen! – diese Bitte entstand aus dem Bewußtsein, daß das Herz des Menschen zwar für die Liebe geschaffen wurde, aber aufgrund der Verwundung durch die Sünde der beständigen Ausrichtung und Formung bedarf. In den Wochen vor Weihnachten brachte die Deutsche Tagespost (vom 14. 12. 2013, S. 9) einen ganzseitigen Artikel über die Notwendigkeit der Herzensbildung unserer Kinder. Eine wichtige und längst fällige Erinnerung. Denn wir erziehen heute die Kinder zum Umgang mit dem Computer, und die Lehrpläne in den Schulen sind angefüllt mit dem Sachwissen der Zeit. Aber wir vergessen bei allen Bildungsprogrammen immer mehr die Bildung des Herzens, auf die Bildung des inneren Menschen, auf die Herzensbildung. Die aber kann ich nur von Christus lernen. Er selbst hat uns dazu aufgefordert mit den Worten: „Lernt von mir, denn ich bin demütig und sanftmütig von Herzen“ (Mt 11,29). Dies ist übrigens die einzige Stelle in den Evangelien, wo Chris- tus sich selbst charakterisiert. Demut und Sanftmut bzw. Güte aber sind Ausdrucksweisen der Liebe. Die Aufforderung: Lernt von mir – ist daher vor allem die Aufforderung, die Liebe zu lernen bzw. sie zu üben. Und zwar als Haltung und Tugend. Denn Lieben ist, entgegen der weitverbreiteten Meinung, nicht ein Überwältigtwerden, ein Gefühl – das ist nur ein Element dabei –, sondern eine von Gott geschenkte Fähigkeit, die in uns entfaltet und ein Leben lang geübt werden muß – und zwar auch gegen zahlreiche Widerstände in uns und um uns.
5 In den 1960er Jahren erschien das Buch des bekannten Sozialpsychologen Erich Fromm mit dem Titel: „Die Kunst des Liebens“ (Erich Fromm, Die Kunst des Liebens, erstmals erschienen 1956 unter dem Titel „The Art of loving“, New York 1956, aus dem Englischen übersetzt von L. und E. Mickel, 13. Auflage, München 2007). Dieses Buch wurde damals zu einem Bestseller, weil viele aufgrund des Titels dachten, hier würden sie etwas Neues über irgendwelche Sexual-Praktiken erfahren. Aber weit gefehlt. Vielmehr ging es dem Autor darum aufzuzeigen, daß nicht Erfolg, Prestige, Geld und Macht, sondern der Liebe der höchste Stellenwert einzuräumen sei; daß man die Liebe üben muß und daß dafür gewisse notwendige Voraussetzungen gefordert sind, nämlich Disziplin, Konzen- tration, Wachheit des Geistes, die Fähigkeit, allein zu sein, die Bereitschaft zum Zuhören und schließ- lich das Durchbrechen der Ichsucht, der Eigenliebe. Das alles sei in jedem Fall gefordert, heißt es in diesem Buch – und dem kann man nur zustimmen. In unserer Zivilisation stehen dem allerdings zwei Grundhaltungen total entgegen. Die eine heißt: „Sofort-haben-wollen“. Da wir alles schnell herstellen können, ist in uns die Grundhaltung, deren wir uns oft gar nicht bewußt sind: „Nur das, was sofort zu haben ist, interessiert mich.“ Sofort den Erfolg haben, sofort die Anerkennung, sofort das Gefühl der Befriedigung. Und dieses Sofort- haben-wollen tötet die Liebe. Denn die Liebe ist wesentlich Geduld. Sie hat nichts mit dem sofor- tigen Erfolg zu tun, sondern eher mit dem was die Heilige Schrift Frucht nennt. Und eine Frucht muß wachsen, reifen. Auch unsere Liebe muß wachsen, reifen. Ein Leben lang. Das zweite Hindernis der modernen Zivilisation ist die „Neophilie“, die Verliebtheit in das Neue. Das hat sich ja auch in der Kirche ausgebreitet. Jeder hat den lebhaften Drang, freudige Erlebnisse, Er- folgserlebnisse zu haben und dabei den Reiz des immer Neuen zu erfahren. Man darf einmal fragen, wie viel Energie hier schon verwendet wurde für Formen und Formveränderungen und wie wenig eigentlich auf die Entfaltung der Grundhaltungen, die doch den Kern der Persönlichkeit ausma- chen. Grundhaltungen etwa der Ehrfurcht, des Glaubens, der Demut und der Liebe. Wir können das geistliche Leben des Christen, der Ordensschwester und des Priesters heute sehen wie auch immer – wenn wir in die Tiefe gehen, so bleibt doch entscheidend dieses Letzte: Du mußt als Christ, als Vater und Mutter, als Schwester oder Priester einer sein, der Jesus liebt. Der Ihn liebt. Seine Person. Nicht die Sache Jesu, von der oft so viel geredet wird. Denn Jesus hat nicht gesagt: „Simon, Sohn des Jonas, liebst du meine Sache? sondern Jesus hat gesagt: Liebst du mich?“ Und dieses „Mich“ führt uns zum Herzen Jesu. 4. Das Feuer Als die hl. Margareta Maria Alacoque einmal Christus in einer Vision schauen durfte, zeigte ihr der Herr sein Herz, aus dem Flammen schlugen und das ganz von Feuer umgeben war. Jeder versteht, was damit gemeint ist. Wenn wir Liebe veranschaulichen wollen, dient uns als Zeichen dafür das Herz. Wenn es aber darum geht, die Mächtigkeit und Intensität der Liebe zum Ausdruck zu bringen, dann haben wir dafür kein besseres Bild als das Feuer. Wir sprechen dann von einer heißen und glühenden Liebe und wir kennen auch die Redewendung, daß jemand Feuer und Flamme sein kann für eine andere Person. Im atl. Hohenlied verschmelzen Liebe und Feuer so sehr ineinander, daß der Bräutigam über die Liebe sogar sagen kann: „Ihre Gluten sind Feuergluten, gewaltige Flam-
6 men. Auch mächtige Wasser können (sie) nicht löschen; auch Ströme schwemmen sie nicht weg“ (Hld 8, 6–7). In der antiken Naturphilosophie galt das Feuer als Ursprung des Seins und war eines der vier Ele- mente. Mit seinem zerstörenden, dem Menschen feindlichen und doch wieder erwärmenden, er- haltenden und leuchtenden Charakter gehört auch das Feuer – so wie das Herz – zu den religiösen Ursymbolen der Menschheit. Denken wir hier nur etwa an unsere Grablichter, an die Kerzen am Altar, an das ewige Licht vor dem Allerheiligsten bzw. in der Synagoge als Symbol der Gegenwart Gottes. Im Alten Bund war das Symbol des Feuers – ähnlich wie Licht – vielfach ein begleitendes Charakteristikum Gottes, seiner Welt und seiner Boten (vgl. M. Reiser, 3LThK 3, 1262). Das heilige Feuer im Tempel war göttlichen Ursprungs (vgl. Lev 9,24). Gott wird im AT als verzehrendes Feuer bezeichnet (vgl. Dtn 4,24; Jes 33,14). Er offenbarte sich im brennenden Dornbusch; Er ging vor den Israeliten einher in einer Feuersäule (Ex. 13, 22; 14,24; 40,38), stieg auf dem Sinai herab im Feuer (vgl. Ex. 9,18; Dtn 4,11f ) und zeigte sich so vor dem ganzen Volk (Ex 24,17; Dtn 4,24). Im Neuen Bund kam der Heilige Geist an Pfingsten in Gestalt von Feuerzungen herab, und in der nachfolgenden geistlichen Überlieferung wurde dann diese Symbolik des Feuers zu einem der sprechendsten Sinnbilder für das Wirken des Heiligen Geistes insgesamt. Auch die hl. Caterina von Siena verwendete in ihren Schriften über 750 mal den Ausdruck Feuer, vielfach im Zusammenhang mit der Liebe Gottes und dem Heiligen Geist, aber auch im Hinblick auf den Menschen, der durch die Gnade der Erschaffung und Erlösung Anteil hat am Feuer der göttlichen Natur: „Du, o Gott, bist wahrhaft ein glühendes und immer brennendes Feuer!“ schrieb sie an einen ihrer Schüler, „Du bist das Feuer und wir sind die Funken, die ihr Dasein nur dem Feuer verdanken“ (vgl. Brief 39). In diesem Zusammenhang kann sie sogar die oft zitierten und gewagten Worte sagen: „Meine Natur ist Feuer, weil Du selbst nichts anderes bist als ein Feuer der Liebe. Du hast dem Menschen etwas davon mitgeteilt, denn durch das Feuer der Liebe hast Du ihn er- schaffen“ (Gebet 12, Rom, 16. Februar 1379). Freilich müssen wir bei dieser symbolischen Verwendung des Wortes „Feuer“ auch unterscheiden. Denn das Feuer hat viele Eigenschaften: Es wärmt, es reinigt und läutert, aber es kann auch zer- stören. Es gibt im Herzen des Menschen auch das vernichtende Feuer. Es gibt das Feuer des Hasses, der bösen Leidenschaften und der Begierden. Caterina spricht daher auch oft in ihren Schriften vom „Feuer der Rache“, vom „Feuer des Stolzes“ oder vom „Feuer der Eigenliebe“. 5. „Ex tactu accepit ignem“ Eine alte griechische Sage erzählt, Prometheus, der Göttersohn habe das Feuer im Himmel weg- genommen und es den Menschen auf die Erde gebracht. Die erzürnten Götter hätten ihn dafür gestraft, indem sie ihn an einen Berg anschmieden ließen. Im Evangelium spricht Christus einmal über den Grund seines Kommens. Er sagt: „Ich bin gekom- men, Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen“ (Lk 12,49). Das Feuer aber, das Christus, der wahre Sohn Gottes auf die Erde gebracht hat, ist das Feuer des Heiligen Geistes, sein heiliges Evangelium, das Feuer der Liebe. Er wurde dafür nicht wie Prometheus an
7 einen Felsen gekettet – denn er tat dies ja im Auftrag seines himmlischen Vaters – sondern er wurde von den Menschen ans Kreuz geschlagen. Aber gerade dadurch wurde die Flamme des Gottes- geistes zu einem lodernden Brand. Maria Magdalena war von Leidenschaften erfüllt und ent- brannte von der Flamme der Begierde – und dann wurde sie die große Liebende unter dem Kreuz. Paulus war zuerst ein glühender Christenhasser, dann aber hat er – vom Feuer der Gnade Gottes berührt – Christus über alle Maßen geliebt. Und so war es durch die Jahrhunderte bis heute: Je mehr das Evangelium in den 2000 Jahren verfolgt, bekämpft und unterdrückt wurde, umso stärker hat dieses heilige Feuer um sich gegriffen. Aber es gab und es gibt auch das andere. Wie oft geschah und geschieht es, daß die anfängliche Flamme einer schönen ehelichen Liebe allmählich vom Egoismus erstickt wird. Wie oft auch, daß eine großherzige Bereitschaft zur Nachfolge Christi lautlos erlischt zu einem ichsüchtigen Karrie- redenken. Wie viele Flammen einer großen Gottesliebe sind bereits erloschen im priesterlichen Dienst und auch im Ordensstand! Christus sagt uns zwar, er sei nicht gekommen, den glimmenden Docht auszulöschen und auch nicht, um das geknickte Rohr zu brechen. Aber er hat nicht gesagt, daß dies schon genügt, sondern Christus möchte die Glut, er möchte das Feuer. Das aber finden wir nur bei ihm, in seinem Herzen: „Verberge Dich in der Seitenwunde des gekreuzigten Christus“, rät Caterina deshalb einem ihrer Schüler, „dann richte Deinen Sinn auf das Geheimnis dieses Her- zens und laß dort Deine Liebe entflammt werden …“ (Brief 47 an Pietro di Giovanni Ventura). In Ehingen an der Donau hängt in der dortigen Herz-Jesu-Kirche ein Bild mit der Darstellung des Apostels Thomas, wie er acht Tage nach der Auferstehung des Herrn dessen Seitenwunde berührt und daraufhin anbetend niederfällt. Und dabei stehen die lateinischen Worte: Ex tactu accepit ignem – durch die Berührung empfing er das Feuer. Indem er das Herz des Erlösers berührte, ver- brannten in ihm sämtliche Zweifel zu Asche und das Feuer des Glaubens wurde neu entfacht. Ähnlich erging es bereits den beiden Emmaus Jüngern am Ostermorgen. Nach der Begegnung mit dem Auferstandenen, sagten sie zueinander: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete“ (Lk 24,32). Wer sich dem Feuer nähert, empfängt seine Wärme. Genauso ist es hier, denn die Nähe des Herrn läßt niemanden kalt. Freilich muß dies nicht immer auch fühlbar sein. In einem Brief an eine Ordensschwester erzählte Caterina, wie ihr der Herr zu verstehen gab, daß er sie auch in schweren inneren Kämpfen nicht im Stich läßt, auch wenn sie nichts davon spürt, worauf sie ihn fragte: „Wenn Du bei mir warst, warum war ich mir dessen nicht bewußt? Wie konnte ich nahe beim Feuer sein und seine Wärme nicht fühlen?“ Und die Antwort des Herrn: Freue dich, daß Ich in dir war. Dein (guter) Wille ist das Zeichen dafür, das heißt, daß du die Versuchungen nicht willst“ (Brief 221). 6. Feuerherd der Liebe Als die hl. Margareta Maria Alacoque ein weiteres Mal den Herrn sah, schrieb sie in ihren Aufzeich- nungen darüber: „Überall aus seiner heiligen Menschheit drangen Flammen hervor … Dann zeigte er mir sein Herz, das der Quell dieser Flammen war“ (vgl. F. Holböck, Aufblick zum Durchbohrten, Salzburg 1990, 224).
8 Der Ausdruck „brennender Feuerherd“, wie ihn die Litanei verwendet, um damit das Herz des Erlö- sers zu charakterisieren, ist natürlich ein Symbol für die Intensität der Liebe, die Jesus insgesamt erfüllte. Eine Liebe, die sich in Worten, Taten und Wundern äußerte und sich schließlich in der Pas- sion zu einer so mächtigen Glut steigerte, daß sie förmlich aus ihm hervorbrach, um sich wie eine feurige Flut in die Schöpfung zu verströmen. „O süße, grenzenlose Liebe!“ schrieb Caterina an den Regenten von Foligno, „durch das lodernde Feuer deiner Liebe zu unserem Heil wurde deine leib- liche Hülle aufgebrochen ...“(Brief 253). Der ganze Christus ist eine einzige Glut der Liebe, weil in ihm die Fülle der Gottheit ist. Aber es ist wie beim irdischen Feuer. So wie der Ofen, der Herd, der Ort ist, wo das Feuer brennt – so wird auch das Herz als der Ort angesehen, wo die Flamme der Gottesliebe zuinnerst lodert. Bei einer Ansprache zum Angelus auf dem Petersplatz in Rom sagte der sel. Papst Johannes Paul II. einmal dazu: „Das Herz Jesu, das menschliche Herz Jesu, brennt von der Liebe, die es erfüllt. Und das ist die Liebe zum ewigen Vater und die Liebe zu den Menschen …“ Der brennende Ofen zu Hause erlischt nach und nach. „Das Herz Jesu hingegen ist ein unauslöschlicher Feuerherd. Darin gleicht es dem ‘brennenden Dornbusch’ im Buch Exodus, in dem sich Gott dem Mose offenbarte. Der Dornbusch, der brannte und doch nicht ‘verbrannte‘ (Ex 3,2). Denn die Liebe, die im Herzen Jesu brennt, ist vor allem der Heilige Geist, in dem sich der Sohn Gottes mit dem Vater auf ewig vereint. Das Herz Jesu, das menschliche Herz des Gott-Menschen, wird von der ‘lebendigen Flamme‘ der dreifaltigen Liebe umfangen, die niemals erlischt.“ (Johannes Paul II., DASt 1985, 124). Die Redewendung vom „Feuerherd“ für das Herz Jesu ist aber nicht nur ein Bild für die Intensität seiner Liebe, sondern auch für deren Eigenschaften und Wirkungen. Denn an einem Herd kann man sich wärmen. Hier kommt man zusammen, hier werden die Speisen zubereitet, und im Herd- feuer wird Unnötiges auch verbrannt. Alle Kulturvölker wissen um diesen Zusammenhang von Feuer und Leben. In der Antike, vor allem bei den Alten Griechen, hatte der Herd zudem noch eine sakrale Bedeutung. Denn das Feuer wurde ja verstanden als ein Repräsentant des Göttlichen. Und da die meisten Opfer Brandopfer waren, war der häusliche Herd die gegebene Opferstätte und diente daher auch als Altar. Diese enge Verbindung von Herd und Altar kommt etwa dadurch zum Ausdruck, daß das Wort Hestía (so hieß bei den Griechen die Göttin des Herdes – bei den Römern hieß sie Vesta), zu- gleich als Bezeichnung des Altares überhaupt verwendet wurde (vgl. J. P. Kirsch, RAC 1, 311–312). Auch war es üblich, daß nach der Geburt eines Kindes das Neugeborene in einer feierlichen Zere- monie mehrmals um das Herdfeuer getragen wurde. Damit sollte das Kind (im Vertrauen auf die reinigende Kraft des Feuers) unter den Schutz des häuslichen Herdes gestellt werden (vgl. G. Binder, RAC 9, 88). Denn nach antik-heidnischer und jüdischer Auffassung waren die Hausgeister, im Ge- gensatz zu den Natur-Geistern, gut. Ihr eigentlicher Aufenthaltsort, so dachten sie, ist der Herd, und daher war für die Juden der Herd die einzig rituell reine Stelle im Haus. Auch bei den Germanen durfte das Dämonen abwehrende Herd-Feuer nie ausgehen. Kranke wurden zur Heilung in die Nähe des Feuers gelegt. Dieser Glaube ist bis heute allen Kulturvölkern eigen (vgl. C.D.G. Müller RAC 9, 764).
9 Wenn wir jetzt von diesem Hintergrund ausgehend unser Thema betrachten und eine Deutung versuchen: Haben wir hier nicht die eigentliche Typologie und das Vorausbild für unsere Anrufung aus der Litanei! Ist nicht das Heiligste Herz Jesu der eigentliche Feuerherd, gleichsam die christliche Weiterführung und Vollendung jener elementaren Menschheitserfahrung, daß der Herd im Leben und für das Leben einen zentralen Mittelpunkt darstellt! Auch das Herz Jesu ist der Feuerherd, an dem die Menschen sich erwärmen müssen, wenn sie lau und kalt geworden sind, der Ort, wo uns die Speise des ewigen Lebens bereitet wird, wo die Schuld- scheine unserer Sünden verbrannt werden und der Altar, auf dem Christus sich selbst als Brand- opfer dem Vater dargebracht hat im Feuer seiner eigenen glühenden Liebe. 7. Lebensherd der Kirche Wenn das II. Vatikanische Konzil das Priesterseminar zurecht als Herz der Diözese bezeichnet, so gilt ebenso und noch viel mehr, daß der Tabernakel das Herz der Kirche ist. Denn hier schlägt das lebendige Herz des Erlösers. Hier ist der brennende Feuerherd der Liebe mitten unter uns. Die Worte im Abendmahlsaal: „Sehnlichst habe ich verlangt, das Osterlamm mit euch zu essen“ sind ein Ausdruck jener Glut, mit der uns der Herr hier erwartet. Feuer hat eine verwandelnde Kraft. Es verwandelt nicht nur Wasser zu Dampf, sondern auch das Opfer zur Opfergabe. Die alttestamentlichen Tieropfer im Tempel mußten auf dem Altar verbrannt werden. Erst dann wurden sie zur angenommenen Opfergabe. Nicht anders ist es beim endgültigen Opfer des Herrn. Als die Israeliten in der Nacht vor ihrem Auszug aus Ägypten das Paschamahl aßen, ein am Feuer gebratenes Lamm, war dies ein Vorausbild auf Christus; ein Vorausbild, wie es dann auch der Altar im Tempel war, auf dem ständig das heilige Feuer brannte (vgl. Lev 6,6) und wie es auch der Priester war, der dieses Brandopfer darbrachte. Christus hat alle diese Vorausbilder in sich erfüllt, denn er ist, wie es in einer Präfation der Osterzeit heißt, zugleich der Priester, der Altar und das Opferlamm. Auch Christus, das wahre Osterlamm mußte erst geschlachtet und zubereitet werden. Und wo? Die hl. Caterina sagt mehrfach in ihren Briefen: „Christus, das Lamm, wurde für uns zubereitet am Kreuz und dort im Feuer der Liebe gebraten“ (Brief 184; 32; 52; 90; 136; 177 u.a.). Er hat sich freiwillig für uns hingegeben in den Flammen seiner Liebe. Dieses höchste und heiligste Brandopfer, das auf dem Altar seines Herzens dargebracht wurde, be- wirkte das Feuer des Heiligen Geistes – und es bewirkt es bis heute in der Transsubstantiation, bei der Wandlung in der täglichen heiligen Messe (vgl. J. M. Scheeben, Die Mysterien des Christentums, Freiburg 1941, 417, 422f ). Ein Geschehen, das besonders in der Theologie der Ostkirche mit dem Begriff „Epiklese“ zum Ausdruck gebracht wird. Und wenn wir selbst uns bei der Gabenbereitung der Messe in das Opfer Christi einfügen – worin ja die eigentliche aktive Teilnahme der Gläubigen an der hl. Messe besteht –, so erhält auch diese Hingabe ihre Wirksamkeit erst durch die Glut der Liebe Christi, in der sich seine Hingabe an den Vater vollzieht.
10 Wenn schon die irdischen Speisen auch zubereitet und gewürzt werden mit der Liebe derer, die sie uns reichen – um wie viel mehr erst, wenn es um die Speise des ewigen Lebens geht, die unser König uns reicht! Sie wurde von ihm selbst zubereitet mit unendlicher Liebe am Holz des Kreuzes und er hat sie uns übergeben zum bleibenden Genuß. Hier merken wir, daß das Wort vom Feuerherd der Liebe nicht bloß ein exklusiver und weit herge- holter Ausdruck der Herz-Jesu-Litanei ist, sondern zum innersten Bereich unseres Glaubens gehört, und daß das Herz Jesu der wahre Lebensherd der Kirche ist. Denn hier wird das zubereitet und er- wirkt, was nach den Worten des Herrn für jeden Gläubigen unabdingbar ist: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag“ (Joh 6,54). „Ich begriff, daß die Kirche ein Herz hat“, schrieb Theresia von Lisieux an ihre Schwester Marie, „und daß diese Liebe brennt“ (Lektionar zum Stundenbuch II, 1, 167). An diesem Feuerherd seines Herzens, der im Zentrum der Kirche steht, wurde und wird uns tagtäglich im Opfer der hl. Messe die Speise der Unsterblichkeit bereitet – die hl. Kommunion. Letztlich betrifft das auch alle anderen Sakramente der Kirche. Auch sie wurden an diesem Lebens- herd der Kirche für uns zubereitet. Denn da sie als Blut und Wasser aus dem durchbohrten Herzen am Kreuz hervorgingen, tragen sie in sich auch die flammende Liebe des Erlösers und die Glut sei- ner Gottheit. Somit ist der Empfang der Sakramente auch immer eine Begegnung mit dem Feuer der Liebe des Herzens Jesu. Besonders der Gang zum Beichte, in der uns kraft des Blutes Christi die Sünden vergeben werden, bringt uns dabei mit diesem Feuerherd in Berührung: „Tauche dein Herz ein in das Blut Christi, damit es Feuer fängt im Glutofen der göttlichen Liebe“, schreibt Caterina an ihren Sekretär (Brief 320) und damit die Seele gereinigt wird vom „Rost der Sünde“ (Brief 80). Eine Aufforderung, die sie unermüdlich in ihren Briefen wiederholt, denn der Empfang der Kommunion ist notwendig. Aber er verlangt auch die entsprechende Disposition. Dabei wird die atl. Vorschrift, daß das Paschalamm nicht gekocht werden darf, sondern am Feuer gebraten werden muß, von Caterina als Bild für den rechten Kommunionempfang gedeutet: „Wir sollen dieses Sakrament gebraten essen, nicht gekocht. Denn wenn es gekocht wird, dann ist etwas zwischen dem Lamm und dem Feuer“ – nämlich der Kochtopf und das Wasser d.h. „unsere irdenen Neigungen und das Wasser der Selbstsucht.“ Gebraten, also dem Willen Gottes entsprechend, er- halten wir es dann, „wenn wir es mit dem Feuer der göttlichen Liebe empfangen …“ (Brief 266). Noch deutlicher ist diesbezüglich eine andere Stelle in ihren Schriften, wo sie von Gott selbst in einem eindrucksvollen Bild darüber belehrt wird (vgl. Dialog 110). Es heißt hier zusammenfassend: Gesetzt die Kommunizierenden kommen mit verschieden große Kerzen in ihren Händen zum Altar, so wird das Feuer, das ihnen in der Kommunion gereicht wird, von ihnen auch unterschiedlich empfangen. Denn je nach der Höhe und Dicke der mitgebrachten Kerze, wird ihre Flamme größer oder kleiner sein. (Das ist ein Bild für das unterschiedliche Verlangen nach dem Leib des Herrn.) Wenn aber bei einer Kerze der Docht feucht oder gar naß ist (Bild für den sündigen Zustand der Seele), wird zwar das Feuer auch gereicht, aber die Kerze empfängt keine Flamme, sondern es gibt nur ein Zischen und ein wenig Rauch.
11 8. Bleibt in mir Unsere Kommunion wird bezeichnet als ein heiliges Gastmahl, ja sogar als Vorwegnahme des himmlischen Hochzeitsmahles, da sie zugleich Ausdruck größtmöglicher Einheit ist. Du in mir und ich in dir – das ist der Wunsch und die Sehnsucht aller Liebenden. Darauf zielt auch das Gleichnis vom Weinstock und den Rebzweigen und das Wort des Herrn: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch“ (Joh 15,4). Dieses Gleichnis vom Weinstock erfährt nun durch unser Bild vom „brennenden Feuerherd“ noch eine Erweiterung und Vertiefung. Denn das Streben nach Vollkommenheit und die Umgestaltung in Christus sind nicht möglich ohne eine läuternde und umbildende Vereinigung mit dem Feuer. Das heißt, wer wirklich das Herz Jesu verehren will, der muß sich auch den Flammen seiner Liebe anvertrauen, der muß bereit sein, wie Caterina sogar sagt, sich „vollständig hinein zu werfen, so daß nichts mehr von ihm draußen bleibt“ (vgl. Br. 109). Ein gewagtes Vorhaben. Wer würde davor nicht zurückschrecken, wenn wir an die drei Jünglinge aus dem Buch Daniel denken. Aber ihr Gang ins Feuer wurde für sie zur Gottesbegegnung. Denn ein Engel (von manchen Predigern der frühen Ostkirche auf Christus gedeutet) stieg zu ihnen herab; und durch ihr Zeugnis erfolgte die Bekeh- rung des persischen Königs Nebukadnezar. Von uns ist nicht der leibliche Tod gefordert, sondern der Tod der Sünde, der Tod der Selbstsucht und der Eigenliebe. Christus will unsere Verwandlung. Aber eine Verwandlung im Kern. Und davor haben wir Angst. Gott sagt zu uns: Ich habe dich lieb, und deshalb möchte ich nicht, daß du bleibst, wie du bist. Sondern ich möchte dich so, wie du werden kannst mit Hilfe meiner Gnade. Aber dazu bedarf es der läuternden und umwandelnden Glut Meines göttlichen Feuers. Wenn die hl. Caterina vom „Glutofen“ oder vom „Feuerofen“ der Liebe spricht, in den wir eintauchen müssen, hat sie zunächst immer diese läuternde Wirkung der Flammen im Blick (Brief 17; 51; 322; 263; 236 u.v.a.). Feuer muß man mit Feuer bekämpfen, schreibt sie an Gregor XI. (Brief 185). Die Flammen der Selbstsucht ersticken nur im göttlichen Feuer. Nur dieses Feuer verbrennt die Eigen- liebe, die die Wurzel aller Übel ist. Nur in diesem Feuer vergeht die „modrige Feuchte“ (Brief 322) des Egoismus und nur in dieser Glut „verdampft“ das „Wasser der Ichsucht“ (Brief 154). Dabei wird uns aber nichts von unsere menschlichen Natur genommen. Sein Feuer zerstört nicht, sondern es „bereichert“ und „verwandelt uns in sich“ (Brief 248). Denn in dieses Feuer einzutauchen heißt ja ins Licht eintauchen, so daß wir selber zur Flamme werden und zum Licht für andere. Chris- tus selbst bestätigt das mit den Worten: „Ihr seid das Licht der Welt … laßt euer Licht vor den Men- schen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,14–16). Es ist wie bei einem Bogenschützen, der einen Brandpfeil abschießen möchte – schreibt Caterina einmal in einem Brief. Er muß ihn zuerst ins Feuer halten bis er zu glühen beginnt. „Genauso mußt du dir deine Seele vorstellen, die in den Glutofen der göttlichen Liebe kommt und von der Macht der Liebe ausgesandt wird, das dem Feuer Entnommene weiterzugeben.“ (Brief 228). Und in einem Brief an ihren Sekretär Stefano Maconi, der dann nach ihrem Tod ein heiligmäßiger Kartäuser
12 wurde, schrieb sie: „Wenn Ihr seid was ihr sein sollt, werdet ihr nicht nur dort (wo ihr gerade seid, in Siena) ein Feuer entzünden, sondern ganz Italien in Brand setzen“ (Brief 368). Wenn ihr seid, was ihr sein sollt. Was aber, wenn es nicht so ist? Wenn die Umgestaltung in Christus hier auf Erden noch nicht ganz gelungen ist? Über das himmlische Jerusalem, die Stadt Gottes heißt es in Offenbarung des Johannes, daß nichts Unreines hinein darf (Offb 21,27). Bei unserer Taufe hieß es früher: „Empfange das weiße Kleid und bringe es unbefleckt vor den Rich- terstuhl unseres Herrn Jesus Christus, auf daß du das ewige Leben hast.“ Wie viele aber haben es so rein bewahrt, daß sie gleich eintreten könnten? Und wer könnte von sich behaupten, daß er makellos genug sei, um vor dem Lamm Gottes im Himmel bestehen zu können? Die Märtyrer, gewiß. Auch die Missionare, die Heiligen in den Klöstern, die bewußt den Weg der Nachfolge gehen in Demut, Armut, Gehorsam und Keuschheit. Auch die Väter und Mütter, die Alleinstehenden und Kranken und alle, die sich ein Leben lang bemüht haben, die Last des Alltags aus Liebe zu Gott zu ertragen. Sie werden bestehen. Aber all die anderen Millionen? Das Erbarmen Gottes, die Liebe des Heilandes ist so groß, daß uns auch noch über die Schwelle des Todes hinaus die Möglichkeit geschenkt wird, die Seele in den Flammen seines Herzens, im Feuerherd seiner Liebe zu reinigen. Und dieses letzte große Erbarmen des göttlichen Herzens Jesu ist das, was wir für gewöhnlich als Fegefeuer bezeichnen! Denn das Fegefeuer ist das Feuer seiner Liebe. Die Reinigung geschieht nicht durch irgendetwas, sondern durch diese verwandelnde Kraft des Herrn, der unser verschlossenes Herz freibrennt und umschmilzt, so daß es taugt in den leben- digen Organismus seines Leibes hinein (vgl. Josef Ratzinger/Benedikt XVI., Eschatologie, Regens- burg 2007,182); ein Heilungs- und Heiligungsvorgang, der angesichts der unmittelbar davor liegenden, aber noch verwehrten Herrlichkeit, gewiß äußerst schmerzvoll ist – zugleich aber mit unendlicher Dankbarkeit angenommen wird. Unser Leben ist Ernstfall und wir können dem Feuer nicht entgehen. Entweder das milde Feuer der Liebe oder das läuternde Fegefeuer oder das Feuer der Hölle, das nie mehr verlöscht. Gebe Gott, daß wir uns nur der göttlichen Glut anvertrauen, dem Licht seiner Gnade. Wer die Welt mit offenen Augen betrachtet, wird überall diesem Feuer begegnen, weil Gott alles aus Liebe erschaffen hat. Und weil er alles neu erschuf durch sein Blut. Dem italienischen Kardinal Pietro Corsini, der trotz seines hohen geistlichen Amtes mit den An- nehmlichkeiten und Lockungen der Welt zu kämpfen hatte, schrieb Caterina einmal (Brief 177): „Laßt es zu, daß sich die Stadt Eurer Seele ergibt: Und wenn es aus keinem anderen Grund ge- schieht, so muß sie sich doch dem Feuer ergeben – denn Christus hat überall Feuer gelegt. Und wohin Ihr auch immer Euch wendet, sei es körperlich oder geistlich: Ihr werdet dem Feuer der Liebe begegnen.“ Werner Schmid
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