Herz-Kreislauf-Monitoring - Was ist Evidenz-basiert?

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Herz-Kreislauf-Monitoring – Was ist Evidenz-basiert?
D. A. Reuter

Die Überwachung von Herz- und Kreislauffunktionen mittels erweitertem hämodynami-
schem Monitoring schafft eine rationale Grundlage für die adäquate Therapie von Kreis-
laufinstabilität. Dies Vorgehen hat in der perioperativen und intensivmedizinischen
Behandlung kritisch Kranker zentrale Bedeutung. Neben dem Basismonitoring, d.h. der
Erfassung von Herzfrequenz, Blutdruck, EKG und der Pulsoxymetrie stehen zahlreiche
weitere, zum Teil hochinvasive Überwachungsmethoden der Herz- und Kreislauffunktio-
nen zur Verfügung. Hier gilt es, auf der einen Seite natürlich immer zwischen potentiel-
lem Nutzen und verfahrensinherentem Risiko eines Überwachungsverfahrens abzuwägen.
Auf der anderen Seite, nicht zuletzt auch aufgrund von zunehmendem Kostendruck in den
Krankenhäusern, rückt immer häufiger die Frage nach Beurteilung des Nutzens im Sinne
des gerechtfertigten Aufwandes auf der Basis der Erkenntnisse der sogenannten Evidence
Based Medicine in den Fokus und trägt maßgeblich zur Indikationsstellung von erweiter-
tem hämodynamischen Monitoring bei. Diese Übersicht setzt sich kritisch mit der prinzi-
piellen Frage nach dem Einsatz von (erweitertem) Herz-Kreislauf-Monitoring im inten-
sivmedizinischen Arbeitsfeld unter Konditionen der Evidence Based Medicine auseinan-
der. Dies geschieht 1) mit Blick auf den generellen Einsatz von Methodiken des erweiter-
ten hämodynamischen Monitorings, welche Verwendung in der Intensivmedizin finden
(Echokardiographie, ösophageales Doppler-Monitoring, Pulmonaliskatheter, transkardio-
pulmonale Indikatordilutionsverfahren). Es geschieht 2) mit Blick auf die Bedeutung der
gängigen Routine-Parameter der Hämodynamik, bzw. der häufig eingesetzten Parameter
des erweiterten hämodynamischen Monitorings (mittlerer arterieller Blutdruck, kardiale
Füllungsdrücke, zentralvenöse Sättigung, Herzzeitvolumen) und 3) mit Blick auf die aus
diesen Parametern abgeleiteten Behandlungsstrategien.

1. Was heißt Evidence Based Medicine?

As physicians, we always have sought to base our decisions and actions on the best pos-
sible evidence. The ascendancy of the randomized trial heralded a fundamental shift in
the way that we establish the clinical bases for diagnosis, prognosis, and therapeutics.
The ability to track down, critically appraise (for its validity and usefulness), and incor-
porate this rapidly growing body of evidence into one's clinical practice has been named
'evidence based medicine'.
Der Begriff „Evidence Based Medicine“, wurde Anfang der 90er Jahre von David Sackett
geprägt und beschreibt die Forderung, dass bei jeder medizinischen Behandlung patien-
tenorientierte Entscheidungen ausdrücklich auf der Grundlage von empirischer Wirksam-
keit getroffen werden. Interessant ist im übrigen, dass die deutsche Übersetzung und der
seit Jahren feststehende Begriff „Evidenzbasierte Medizin“ hier eigentlich widersprüch-
lich ist: Bedeutet „Evidence“ im Englischen „Beweis“ bzw. „Beleg“, ist der Begriff „Evi-
denz“ im Deutschen als „Offensichtlichkeit“, also ein Umstand, der keines Beweises
bedarf definiert. Evident ist vielmehr ein Sachverhalt, der unmittelbar und ohne beson-
dere methodische Aneignung klar auf der Hand liegt. Daher findet in folgenden der origi-
nale, englische Begriff der „Evidence Based Medicine“ Verwendung.
Definiert man nun diese empirische Wirksamkeit bezüglich einer generellen hämodyna-
mischen Überwachung kritisch kranker Patienten im Operationssaal und auf der Intensiv-
station als eine Verringerung der Letalität, so reduziert sich die Datenlage quasi auf null
– denn hier wäre, nach den „puristischen“ Kriterien der Evidence Based Medicine, eine

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große randomisierte Studie mit dem Titel „hämodynamisches Monitoring – vs. kein
hämodynamisches Monitoring – Der Einfluss auf das Überleben“ bei kritisch kranken
Patienten im OP oder auf der Intensivstation zu fordern. Jedoch erübrigt sich natürlich
diese prinzipielle Frage nach der Sinnhaftigkeit eines prinzipiellen hämodynamischen
Monitorings beim kritisch kranken Patienten aus den gleichen, nachvollziehbaren Grün-
den, wie in dem vielzitierten Beitrag von Smith und Pell im British Medical Journal zur
Frage, wie Evidenz-basiert der Einsatz von Fallschirmen zur Vermeidung von Tod und
schwerer Verletzung bei Sprung aus großer Höhe, wie aus einem Flugzeug eigentlich ist
– dass eine ausgeprägte Kreislaufinsuffizienz und somit konsekutive Mangelversorgung
der Endorgane mit einem schlechteren Behandlungsergebnis assoziiert ist, liegt auf der
Hand, ebenso wie der voraussichtliche Tod, wenn bei einem Sprung aus dem Flugzeug
auf den Fallschirm verzichtet wird (1,2). Auch bei der perioperativen anästhesiologischen
Versorgung liegt es aus gleichen Gründen auf der Hand, dass ein generelles hämodynami-
sches Monitoring unabdingbar ist – auch hier jedoch ohne Studien, die den harten Krite-
rien der Evidence Based Medicine entsprächen. Richtungweisend ist diesbezüglich eine
Untersuchung aus dem Jahre 1989 von Tinker und Mitarbeitern, die anhand der Analyse
von insgesamt 1175 Fällen aus den Jahren 1974-1988, die aufgrund der Frage, ob versi-
cherungsrelevante Behandlungsfehler vorgelegen haben, von unabhängigen Gutachtern
nachuntersucht wurden, zeigen konnten, dass nach Meinung der Gutachter mehr als 30%
der stattgehabten Zwischenfälle mit zusätzlichem hämodynamischem Monitoring ver-
meidbar gewesen wären (3). Bei diesen 346 Fällen wäre nach gutachterlicher Meinung
zum Beispiel durch den Einsatz der Pulsoxymetrie in 40%, bei Einsatz von Pulsoxymetrie
und Kapnometrie in 51% der Zwischenfall vermeidbar gewesen.
Somit stellt sich nicht die Frage, ob, sondern vielmehr welche Parameter und welche
Methoden des erweiterten hämodynamischen Monitorings sinnvollerweise hinsichtlich
der Kriterien der Evidence Based Medicine bei kritisch kranken Patienten überwacht
werden sollten, und wie diese in Therapiestrategien eingehen.

2. Bringt die Verwendung von Verfahren des erweiterten hämodyna-
mischen Monitorings Behandlungsvorteile?

In den letzen Jahrzehnten sind, sowohl für die perioperative hämodynamische Überwa-
chung als auch zur Patientenüberwachung auf der Intensivstation neben dem klassischen
Basismonitoring der Überwachung von Puls, Herzfrequenz, Blutdrücken und Elektrokar-
diogramm, zahlreiche neue Methoden vorgestellt und eingeführt worden. Herausragend
waren hier mit Sicherheit die klinische Einführung der Pulsoxymetrie, der Echokardio­
graphie (und hier für OP und Intensivstation insbesondere die transösophageale Echokar-
diographie), des Pulmonaliskatheters, der transkardiopulmonalen Thermo- oder Indika-
tordilutionsverfahren (PiCCO, LidCO), sowie der arteriellen Pulskonturanalyse.

a) Pulsoxymetrie
Das Prinzip der Pulsoxymetrie, entwickelt und vorgestellt bereits in den 30er und 40er
Jahren des letzten Jahrhunderts, findet seit den 80er Jahren klinische Anwendung sowohl
im OP als auch auf der Intensivstation und gehört heute de facto zum Standard-Moni-
toring. Die Ratio dahinter – frühes Erkennen einer Hypoxämie – liegt auf der Hand und
führt zu einer breiten und kontinuierlichen Anwendung im OP und auf der Intensivstation.
Betrachtet man diesen Einsatz jedoch puristisch mit den Augen der Evidence Based Medi-
cine, nämlich nachgewiesene Outcome-Verbesserung durch den Einsatz der Pulsoxyme-
trie, so ist auch hier die Menge an – nach den Kriterien der Evidence Based Medicine -
belastbaren Daten erstaunlich gering. Eine Publikation der Cochrane Collaboration aus
dem Jahre 2009 zum Thema „Pulsoxymetrie für das perioperative Monitoring“ kommt
nach formaler Analyse von 1326 Publikationen und einer letztlichen Auswertung von 5,
90
den formal-qualitativen Kriterien entsprechenden Studien zu der Schlussfolgerung, dass
es keine Evidence dafür gibt, dass „Pulsoxymetrie das Outcome der anästhesiologischen
Versorgung von Patienten beeinflusst und dass der Wert des perioperativen Monitorings
mit Pulsoxymetrie daher fragwürdig sei im Verhältnis zu verbessertem, glaubwürdigem
Outcome, Effektivität und Effizienz“ (4).

Auch wenn diese Datenanalyse ohne Frage formal sehr präzise nach den Bewertungskri-
terien der Evidence Based Medicine durchgeführt wurde, so überschreitet sie, legt man
sie als primäre Entscheidungsgrundlage zugrunde, ob ein solches Monitoring indiziert ist
oder nicht, evidentermassen, d.h. auf gut deutsch offensichtlich die sinnvollen Grenzen
einer solchen Bewertung.

b) Transösophageale Echokardiographie
Die klinische Einführung der Echokardiographie in den 60er Jahren des letzten Jahrhun-
derts stellt ohne Frage einen Meilenstein in der bettseitigen kardiovaskulären Diagnostik
dar (5). Die intraoperative Anwendung, und hier vor allem der tranösophagealen Echokar-
diographie hat insbesondere in der Kardiochirurgie ihren festen, nicht mehr wegzuden-
kenden Platz gefunden. Hier gilt die transösophageale Echokardiographie als Gold-Stan-
dard zur Beurteilung des operativen Ergebnisses, was auch, wie im Rahmen großer Stu-
dien gezeigt, entscheidend das weitere operative Vorgehen beeinflusste (6). Auch im
Rahmen von nicht-herzchirurgischen Operationen kommt die perioperative transösopha-
geale Echokardiographie immer häufiger zur Überwachung der kardialen Funktion zum
Einsatz. Eine kritische Datenanalyse der vielen hierzu publizierten Studien führte 1996 zu
den „Practice Guidelines for perioperative transesophageal Echocardiography“, welche
für die TEE eine Indikation I ausspricht (7). Das heißt, die Datenlage unterstützt den
Einsatz der transösophagealen Echokardiographie, da diese hilfreich ist, das Outcome der
Patienten zu verbessern bei:
    •      intraoperativer Evaluation akuter und lebensbedrohlicher hämodynamischer
             Instabilität
    •        präoperativer Abklärung hämodynamischer Instabilitäten mit Verdacht auf ein
            thorakales Aortenaneurysma, eine Aortendissektion oder eine Aortenruptur
    •       intraoperativer Beurteilung der Aortenklappenfunktion nach Eingriffen der Aor-
          tenklappe oder bei einer Aortendissektion zur Beurteilung der Funktion der
          Aortenklappe
    •     Intensivpatienten mit unklarer Ätiologie einer hämodynamischen Instabilität,
          beim Verdacht auf eine Klappenfehlfunktion oder thrombembolischen Ereig­
          nissen

Eine Kategorie II Indikation, das heißt, die Studienlage der TEE ist nicht eindeutig; ihr
Einsatz kann eventuell das Outcome der Patienten beeinflussen, wurde ausgesprochen
für:
    •      den Einsatz perioperativ bei Patienten mit erhöhtem Risiko für eine Myokard-
         ischämie oder einen Myokardinfarkt
    •    die intraoperative Beurteilung der Klappenfunktion
    •    die intraoperative Beurteilung kardialer Aneurysmen und bei Aneurysma-Ein-
          griffen
    •     die intraoperative Diagnose von Luftembolien während Kardiotomie, Herztrans-
          plantation und bei sitzenden neurochirurgischen Eingriffen
    •     intraoperativ bei pulmonaler Embolektomie

Weiter wird in den gemeinsamen Guidelines des American College of Cardiology und der
American Heart Association in Zusammenarbeit mit der American Society of Cardiovas-
cular Anesthesiologists aus dem Jahre 2007 für den perioperativen Einsatz der transöso-
                                                                                        91
phagealen Echokardiographie bei nicht-herzchirurgischen Eingriffen eine Kategorie IIa-
Empfehlung (der Benefit des Einsatzes überwiegt das Risiko, jedoch weitere Studien sind
wünschenswert; es ist sinnvoll, die Prozedur durchzuführen) mit einem Level of Evidence
C ausgesprochen für (8):

     •   d en Notfall-Einsatz bei akuter, persistierender und lebensbedrohlicher hämody-
          namischer Instabilität

Es gibt also für die transösophageale Echokardiographie im Vergleich zu anderen Verfah-
ren, die eine hämodynamische Beurteilung ermöglichen, eine sehr klare und unstrittige
Empfehlung, diese bei Phasen der akuten hämodynamischen Instabilität sowohl periope-
rativ als auch intensivmedizinisch einzusetzen – jedoch letztlich auch mit einem erstaun-
lich niedrigen Level of Evidence. Insbesondere ist aber zu betonen, dass die transösopha-
geale Echokardiographie hier ausschließlich als ein Werkzeug zur Akut-Diagnostik
bewertet und empfohlen wird. Für den Einsatz als wirkliches Monitoring-Verfahren für
die hämodynamische Überwachung über einen längeren Behandlungszeitraum hingegen
ist die Echokardiographie nicht geeignet.

c) Der ösophageale Doppler
Das Prinzip der Bestimmung von Blutfluss mittels Ultraschall unter Ausnutzung des
Doppler-Effekts fand in den 50er Jahren die erste klinische Anwendung. Es stand zunächst
der perkutane parasternale bzw. suprasternale Zugangsweg, mit dem der Blutfluss in der
thorakalen Aorta bestimmt werden konnte, im Vordergrund (9). 1971 folgte dann die erste
Beschreibung einer transösophagealen Messung (10). Inzwischen sind verschiedene
Monitore, welche mit einer relativ dünnen ösophagealen Sonde erlauben, das Herzzeitvo-
lumen, sowie verschiedene weitere hämodynamische Parameter zu bestimmen, klinisch
verfügbar. Betrachtet man die Datenlage aus dem Blickpunkt der Evidence Based Medi-
cine, so sind für das Verfahren des ösophagealen Dopplers im Vergleich zu den übrigen
Verfahren des erweiterten hämodynamischen Monitorings (die Ausnahme bildet hier die
ausgesprochen große Datenlage zum Pulmonaliskatheter) inzwischen zahlreiche Studien
mit dem Endpunkt einer Outcome-Verbesserung verfügbar. Interessant hierbei ist, dass
diese Studien fast ausnahmslos aus Großbritannien kommen, wo diese Monitoring Tech-
nik im Vergleich zu anderen Ländern relativ stark verbreitet ist. Die überwiegende Anzahl
der Studien beschäftigen sich mit der intraoperativen hämodynamischen Überwachung
und Steuerung der Therapie mittels ösophagealem Doppler (11,12,13,14,15,16), zwei
weitere Studien mit der postoperativen hämodynamischen Überwachung (17,18). Mit
Ausnahme einer Studie (15) zeigten alle Untersuchungen im Vergleich zum Basismoni-
toring eine Verbesserung des Behandlungsergebnisses im Sinne eines signifikant kürzeren
Intensiv-Aufenthaltes, bzw. einer signifikant verkürzten Krankenhaus-Liegezeit (19).
Auch ein Review der Cochrane Library von 2008 beschäftigte sich mit dem Verfahren des
ösophagealen Dopplers (hier ausschließlich mit der Steuerung der Volumentherapie bei
operativer Versorgung von Schenkelhalsfrakturen), wobei in diese Analyse letztlich nur 2
(!) Studien Berücksichtigung fanden (20). Aus dem Blickwinkel der Evidence Based
Medicine lässt sich für den Einsatz des ösophagealen Dopplers somit, zumindest in Bezug
auf „weiche“ Outcome Parameter, wie Liegezeiten auf der Intensivstation bzw. im Kran-
kenhaus, ein Vorteil nachweisen. Jedoch ist hier anzumerken, dass die primäre Fragestel-
lung bei allen diesen Studien war, ob durch die Einführung eines protokollisierten
Behandlungsschemas, also eines standardisierten Behandlungsalgorithmus mit dem Ziel,
das Herzzeitvolumen mittels intravasaler Volumengabe zu steigern, Outcome-Verbesse-
rungen erzielt werden können. Im Rahmen dieser Studien wurde also vielmehr ein
Behandlungskonzept zur zielgerichteten Therapie, sich ausrichtend an einer offenkundig
physiologisch sinnvollen Zielvariablen (hier der aortale Blutfluss bzw. das Herzzeitvolu-
men) untersucht, denn der Einsatz eines bestimmten Monitoringverfahrens evaluiert.
92
d) Der Pulmonaliskatheter
Klinisch eingeführt im Jahre 1970 durch Swan und Ganz galt der Pulmonaliskatheter über
Jahrzehnte hinweg als der Gold-Standard für das erweiterte hämodynamische Monitoring
sowohl perioperativ, als auch bei kritisch kranken Patienten (21,22). Da der Pulmonalis-
katheter auch über viele Jahre hinweg letztlich die einzige, bettseitig zur Verfügung ste-
hende Technik zur differenzierteren hämodynamischen Beurteilung war, wurde sein Ein­
satz zum erweiterten hämodynamischen Monitoring auch nicht ernsthaft in Frage gestellt.
Dies änderte sich im Jahre 1996, als eine prospektive, multizentrische Observationsstudie,
in die insgesamt 5735 intensivmedizinische Patienten eingeschlossen wurden, veröffent-
licht und in der Folge höchst kontrovers diskutiert wurde (23). Verglichen wurde in der
Connors-Studie das Überleben von kritisch kranken Patienten, bei denen im Rahmen ihrer
intensivmedizinischen Behandlung ein Pulmonaliskatheter eingesetzt wurde, gegenüber
Patienten, bei denen dies nicht der Fall gewesen war. Die Ergebnisse stellten die weltweit
praktizierten Vorgehensweisen des erweiterten hämodynamischen Monitorings mit dem
Pulmonaliskatheter aufs heftigste prinzipiell in Frage: Denn sowohl bezüglich des
1 mo­na­tigen, des 2 monatigen, als auch des 6 monatigen Überlebens zeigten sich
hochsigni­fikante Unterschiede zugunsten der Gruppe von Patienten, die nicht mit einem
Pulmonaliskatheter instrumentiert wurden. Eine große Folgestudie aus dem Jahre 2003
von Richard an 676 Patienten mit ARDS, in der ebenfalls das Überleben von Patienten
verglichen wurde, die im Laufe ihrer Behandlung mit einem Pulmonaliskatheter über-
wacht wurden, gegenüber denen, die dieses Monitoring nicht erhielten, konnte zwar
keinen Überl­ebensnachteil, aber auch keinen Benefit für den Einsatz des Pulmonaliska-
theters zeigen (24).

Weiter gestärkt wurden diese Befunde von den Ergebnissen der ESCAPE-Studie, die im
Jahre 2005 veröffentlicht wurden. Auch hier, bei Patienten mit kongestiver Herzinsuffizi-
enz konnte kein Behandlungsvorteil durch Einsatz des Pulmonaliskatheters gezeigt
werden. (25). Schließlich folgten 2006 die Ergebnisse der so genannten PAC-Man Studie,
einer randomisierten, kontrollierten Studie an insgesamt 1014 kritisch kranken Patienten
auf 65 teilnehmenden Intensivstationen (26); auch hier zeigte sich kein Vorteil für die
hämodynamische Überwachung mit dem Pulmonaliskatheter. Dass somit nach den Krite-
rien der Evidence Based Medicine keine Vorteile für den Einsatz des Pulmonaliskatheters
bei der Behandlung kritisch kranker Patienten sprechen, spiegelt sich letztlich auch in
zwei, den Analysen der Evidence Based Medicine folgenden Reviews aus den Jahren
2005 bzw. 2009 wieder (27,28). Auch in einem Konsensus-Papier, welches einer interna-
tionalen Experten-Diskussion zur Thematik des hämodynamischen Monitorings bei kri-
tisch kranken Patienten im Schock folgte, wurde, basierend auf dieser Datenlage, eine
Klasse 1 Empfehlung gegen die Verwendung des Pulmonaliskatheters bei Patienten im
Schock ausgesprochen, und dies mit dem höchsten Level of Evidence (29).

e) Die transkardiopulmonale Indikatordilution und Pulskonturanalyse
Die transkardiopulmonalen Dilutionsverfahren zum erweiterten hämodynamischen Moni-
toring sind, historisch gesehen, im Vergleich zum Pulmonaliskatheter, eigentlich die
älteren Verfahren (22). Klinisch verfügbar wurde eine erste praktikable Anwendung in
den 80er Jahren, der COLD Monitor, der transkardiopulmonale Farbstoff- (Indocyanin-
grün) und Thermodilution miteinander kombinierte (30). Heute klinisch in Gebrauch sind
zwei Monitoring-Systeme, die beide jeweils mit der weiteren Monitoring-Technik der
arteriellen Pulskonturanalyse kombiniert sind: zum einen die transkardiopulmonale Ther-
modilution (PiCCO), zum anderen die transkardiopulmonale Lithium-Dilution (LidCO).
Zur Validierung der verschiedenen, mit diesen Systemen erhebbaren Parametern, das
heißt für den PiCCO-Monitor insbesondere für die Bestimmung des Herzzeitvolumens,
des globalen end-diastolischen Volumens, des extravaskulären Lungenwassers, der
Schlagvolumen- und Pulsdruckvariation, sowie für den LidCO-Monitor für die Bestim-
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mung des Herzzeitvolumens gibt es über die letzten 20 Jahre zahlreiche Publikationen,
welche die klinische Wertigkeit der einzelnen Parameter gewichten (s.u.) (22).
Jedoch gibt es bisher nur wenige Untersuchungen, welche eine direkte Beeinflussung des
klinischen Outcome im Sinne der Evidence Based Medicine durch Einsatz dieser Moni-
toring-Systeme analysieren. Pearse publizierte 2005 die Ergebnisse einer Studie an 62
chirurgischen Patienten, die postoperativ mittels Lithiumindikatordilution und Pulskontur
überwacht wurden und einem zielgerichteten Behandlungsalgorithmus folgten (31). Im
Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte die Studiengruppe reduzierte postoperative Kompli-
kationen und einen kürzeren Krankenhausaufenthalt. Bei herzchirurgischen Patienten
konnte Goepfert 2007 zeigen, dass durch die Verwendung von transkardiopulmonaler
Thermodilution und einem auf den Parametern Herzzeitvolumen, globales end-diastoli-
sches Blutvolumen und extravaskuläres Blutvolumen fußenden zielgerichteten Behand-
lungsalgorithmus die postoperative Beatmungszeit und das Erreichen von Verlegungskri-
terien von der Intensivstation verkürzt werden konnte (32). Ähnliche Daten bei herzchir-
urgischen Patienten, die ohne den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine operiert wurden,
zeigte Smetkin 2009 (33). Eine interessante Studie aus der neurochirurgischen Intensiv-
medizin veröffentlichten kürzlich Mutoh und Kollegen, die 50 Patienten nach Subarach-
noidalblutung und Aneurysma-Clipping zielgerichtet anhand der Parameter des globalen
end-diastolischen Volumens und des Herzzeitvolumens (jeweils transkardiopulmonale
Thermodilution) hämodynamisch therapierten (34). Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die
mittels zentralvenöser Druckmessung, bzw. den Parametern Herzzeitvolumen und pulmo-
nalarteriellem Okklusionsdruck (Pulmonaliskatheter) geführt wurden, analysierten sie
Behandlungsverbesserungen. Dies äußerte sich als niedrigere Rate von postoperativen
Vasospasmen und kardiopulmonalen Komplikationen in der Studiengruppe. Zu unter-
streichen ist hierbei jedoch auch, dass bei diesen Studien nicht nur ein erweitertes hämo-
dynamisches Monitoring, sondern insbesondere ein zielorientiertes hämodynamisches
Behandlungskonzept eingesetzt wurde. Die Frage, ob der reine Einsatz der Parameter und
Techniken ohne einen ex ante an Messwerten angelehnten Therapiealgorithmus eine Ver-
besserung des Behandlungserfolges im Sinne der Evidence Based Medicine ermöglicht,
ist bisher unbeantwortet. Diese Frage ist - ähnlich zu den bereits beschriebenen Techniken
- auch nicht zu erwarten. Eine Steuerungshilfe als Orientierung hilft nur demjenigen der
wissentlich auf ein (Therapie)ziel zusteuert.
Dies spiegelt sich auch in einer prospektiven Observationsstudie von Uchino aus dem
Jahre 2006 wieder, in welcher der klinische Verlauf von kritisch kranken Patienten vergli-
chen wurde, die entweder ein erweitertes hämodynamisches Monitoring mit einem Pul-
monaliskatheter oder mit transkardiopulmonaler Thermodilution und Pulskonturanalyse
erhielten, ohne jedoch jeweilige Therapieziele zu definieren (35). Das klinische Outcome
war hier letztlich nicht beeinflusst von der Art des eingesetzten Monitoring per se.

3. Zielparameter der des erweiterten hämodynamischen Monitorings

Lässt sich anhand des prinzipiellen Einsatzes eines bestimmten Monitoring-Verfahrens
per se kein eindeutiger Vorteil in der Behandlungsqualität aufzeigen, so stellt sich natür-
lich die Frage, ob denn die Erfassung und Überwachung einzelner Parameter zu einer
Verbesserung des Outcome, gemessen an den Kriterien der Evidence Based Medicine,
beitragen.
Neben EKG, Herzfrequenz, arteriellem Blutdruck und Pulsoxymetrie, also dem „Stan-
dard-Monitoring“, werden eine Vielzahl an weiteren hämodynamischen Parametern bei
kritisch kranken Patienten regelhaft erfasst und mit in die hämodynamische Beurteilung
und in die Therapieentscheidungen eines kritisch kranken Patienten einbezogen. Hierzu
zählen insbesondere die Bestimmung von Parametern der kardialen Vorlast, (also die
Füllungsdrücke ZVD und PAOP), der Herzleistung (Herzzeitvolumen), sowie Parameter
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der Sauerstoff-Utilisation (zentrale bzw. gemischtvenöse Sauerstoffsättigung). Der Frage
aber, inwieweit die Erfassung der einzelnen Parameter und deren Werte eigentlich Outco-
me-relevant sind, widmeten sich bisher erstaunlich wenige Studien. Varpula und Mitar-
beiter veröffentlichten hier im Jahre 2005 eine observative Arbeit, in die 111 konsekutive
Patienten mit der Diagnose „Septischer Schock“ eingeschlossen wurden (36). Untersucht
wurde hier, inwieweit die Parameter mittlerer arterieller Blutdruck, gemischtvenöse Sät-
tigung, zentralvenöser Druck, pulmonalarterieller Oklusionsdruck, Herzzeitvolumen,
oder das Serum-Laktat und deren Verlauf mit dem Outcome im Sinne der 30-Tage Leta-
lität assoziiert waren. Als unabhängige Variablen, die mit diesem definierten Outcome
signifikant assoziiert waren, identifizierten die Autoren in erster Linie den mittleren arte-
riellen Blutdruck, gefolgt von der Erfassung der gemischtvenösen Sättigung (mit einem
Wert von unter 70%), sowie den zentralvenösen Druck. Im Folgenden sollen daher nun
die am häufigsten verwendeten Parameter kritisch beleuchtet werden.

Der mittlere arterielle Blutdruck
Der invasiv gemessene arterielle Blutdruck und die Ansteuerung eines definierten mittle-
ren arteriellen Drucks ist wahrscheinlich der am häufigste verwendete Zielparameter in
der operativen Intensivmedizin – eine Umfrage unter herzchirurgischen Intensivstationen
spiegelt dieses wieder (37). Die hämodynamische Stabilisierung kritisch kranker Patien-
ten wird in aller Regel primär am Aufrechterhalten eines bestimmten arteriellen Mittel-
drucks beurteilt.
Definierte Zielwerte werden in Behandlungsempfehlungen, wie beispielsweise den Emp-
fehlungen der Surviving Sepsis Campaign, hier mit einem mittleren arteriellen Blutdruck
von ≥65 mmHg, angegeben (38). Ist die Erfassung des arteriellen Blutdrucks zur prinzi-
piellen Beurteilung der systemischen Zirkulation zunächst einmal – nicht zuletzt auch aus
Ermangelung an Alternativen zur Messung der eigentlich relevanteren Größe, nämlich
des Blutflusses - unstrittig, so ist die Datenlage, welcher mittlere Blutdruck den angestrebt
werden sollte, erstaunlich dünn. In Bezug auf Patienten mit der Diagnose „septischer
Schock“ reduziert sich diese Datenlage auf zwei kleine Studien. LeDoux und Mitarbeiter
publizierten im Jahre 2000 eine Studie an 10 Patienten im septischen Schock (39). Nach
initialer Stabilisierung der Patienten mit Volumengabe (Zielparameter ein pulmonal­
arterieller Okklusionsdruck von 9 mmHg) und Katecholaminen erfolgte konsekutiv eine
Steigerung des Blutdruckes mit Noradrenalin auf Werte von 75 mmHg und schließlich 85
mmHg. Neben der Makrohämodynamik wurden jeweils systemisches Sauerstoff-Ange-
bot, systemischer Sauerstoff-Verbrauch, gemischtvenöse Sättigung, Serum-Laktat, Para-
meter der regionalen Mikrozirkulation (Sauerstoff-Gehalt der Magenschleimhaut, kapil-
lärer Blutfluss der Haut), sowie die Urinproduktion verglichen, ohne sich zu den verschie-
denen angesteuerten Blutdrücken signifikant zu unterscheiden. Die Ergebnisse einer
weiteren Untersuchung berichteten Bourgoin und Mitarbeiter, ebenfalls durchgeführt an
Patienten mit der Diagnose „septischer Schock“ (40). Nach initialer hämodynamischer
Stabilisierung und Therapie aller 28 Patienten über 4h auf einen mittleren arteriellen
Blutdruck von 65 mmHg erfolgte eine Randomisierung entweder in die Gruppe, die als
Zielwert für den mittleren arteriellen Blutdruck 65 mmHg beibehielt, oder in die Gruppe,
in der der mittlere arterielle Blutdruck auf 85 mmHg mittels kontinuierlicher Gabe von
Noradrenalin gesteigert wurde. In der Folge wurden zum einen Indices, die den Sauer-
stoff-Metabolismus widerspiegeln, wie systemisches Sauerstoff-Angebot, systemischer
Sauerstoff-Verbrauch und Serum-Laktat Konzentrationen, sowie die Funktionsparameter
der Niere (Serum-Kreatinin, Kreatinin-Clearance, Urinproduktion) beider Gruppen mit-
einander verglichen, ohne sich zwischen beiden Gruppen jedoch signifikant zu unter-
scheiden. Beide Studien kommen dementsprechend zu dem Ergebnis, dass bei der
Behandlung von Patienten im septischen Schock, basierend auf diesen Daten, kein Unter-
schied zwischen einem angesteuerten mittlerer arteriellen Blutdruck im Bereich von 65
bis 85 mmHg besteht.
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Auch wenn die Messung des arteriellen Blutdrucks als relativ einfach zu messender Sur-
rogatparameter für die globale Perfusion in den meisten Fällen bei der Behandlung kri-
tisch kranker Patienten (zu Recht) zum „Standard-Monitoring“ gehört, so muss man doch
festhalten, dass die Evidence dafür, an den Kriterien der Evidence Based Medicine fest-
gemacht, relativ gering ist. Somit wird in dem 2006 veröffentlichten Konsensus-Papier
für das hämodynamische Monitoring im Schock die kontinuierliche Messung des arteri-
ellen Blutdrucks klar empfohlen, aber auch auf die niedrige Evidenz hingewiesen, was die
Zielwerte anbelangt (29). Auch in den Surviving Sepsis Guidelines wird betont, dass der
Zielwert „mittlerer arterieller Blutdruck“ immer in Zusammenschau mit weiteren funktio-
nellen Parametern der Perfusion und des Metabolismus, wie Nierenfunktion und Serum-
Laktat-Werten beurteilt werden muss (38).

Die kardialen Füllungsdrücke zentraler Venendruck und pulmonalarterieller
Okklusionsdruck
Über Jahrzehnte galten die Messung der kardialen Füllungsdrücke – für das rechte Herz
der zentrale Venendruck als Approximierung des rechtsatrialen Füllungsdruckes, bzw. der
der pulmonalarterielle Okklusionsdruck (PAOP) als Maß für den linksatrialen Füllungs-
druck als der Gold-Standard zur Quantifizierung der kardialen Vorlast und als Zielpara-
meter zur Steuerung der intravasalen Volumentherapie. Somit finden sich beide Parameter
in zahlreichen Therapie-Empfehlungen zur hämodynamischen Stabilisierung bei kritisch
kranken Patienten, am prominentesten sicherlich in den Empfehlungen der Surviving
Sepsis Campaign, wobei hier Zielwerte von 8-12 mmHg für den ZVD, und – in den Gui-
delines des American College of Critical Care Medicine von 2004 – für den PAOP von
12-15 mmHg angegeben werden (38,41). Interessant auch hier ist die Tatsache, dass es in
der Literatur nur sehr wenige Daten gibt, die diese Therapie-Empfehlungen zum Errei-
chen von diesen Zielwerten tatsächlich untermauern. Für die Zielwerte des ZVD wird die
Rivers-Studie von 2001 als Rationale für die Empfehlung hinterlegt (42). Jedoch ist hier
der Zielwert ZVD 8-12 mmHg sowohl in der Studien- als auch in der Kontrollgruppe das
therapeutische Ziel gewesen, eine Überprüfung dieses Parameters und des vorgegebenen
Zielwertes fand also nicht statt. Die Empfehlung des Zielwertes PAOP 12-15 mmHg
stützt sich auf eine singuläre Studie von Packman und Rackow aus dem Jahre 1983 an 15
Patienten im Schock (43). Vielmehr ist die Datenlage, dass weder der ZVD noch der
PAOP, als Absolutwert verwendet, zur Steuerung einer Volumentherapie mit dem Ziel der
Vorlastverbesserung in der Situation einer hämodynamischen Instabilität geeignet sind,
inzwischen eindeutig. Die Vielzahl an Studien, die bei verschiedensten Patientenkollekti-
ven aufzeigten, dass sich weder mit dem ZVD noch mit dem PAOP die hämodynamische
Antwort auf eine Volumengabe (also eine Volumenreagibilität) verlässlich einschätzen
lässt, wurden in zwei Übersichtsarbeiten, 2002 von Michard, bzw. 2007 von Marik ein-
drücklich dargestellt (44,45). Die klinische Konsequenz, dass eine strikte Orientierung an
diesen Zielwerten zu potentiell gravierenden Fehlentscheidungen führen kann – eine
Volumenüberladung trotz niedriger Füllungsdrücke, bzw. eine untherapierte Hypovolä-
mie trotz hoher Füllungsdrücke – zeigte Osman sehr eindrücklich 2007 in einer Studie an
96 Patienten mit Sepsis (46). Zahlreiche Studien belegen vielmehr, dass bei beatmeten
Patienten dynamische Parameter, wie Pulsdruck- oder Schlagvolumenvariation, bzw.
volumetrische Parameter, wie die Bestimmung der linksventrikulären end-diastolischen
Fläche mittels Echokardiographie bzw. des globalen end-diastolischen Volumens mittels
transkardiopulmonaler Thermodilution wesentlich verlässlicher die Frage der Volumen-
reagibilität bzw. der Bestimmung der Vorlast ermöglichen (47,48,49).

96
Messung des Herzzeitvolumens
Bis zur Einführung des Pulmonaliskatheters war eine klinisch praktikable Messung des
Herzzeitvolumens bei kritisch kranken Patienten im Sinne eines erweiterten Monitorings
in der klinischen Routine nicht möglich. Auch nach Einführung des Pulmonaliskatheters
gab es keine belastbaren Daten, die belegen würden, dass das Monitoring des Herzzeitvo-
lumens und die primäre Verwendung dieses Parameters als Ziel das Behandlungsergebnis
bei kritisch kranken Patienten auf der Intensivstation oder in der perioperativen Versor-
gung verbessern würden (s.o). Vielmehr zeigten singuläre Studien, die diesen Parameter
im Konzept der Etablierung „supranormaler Werte des Sauerstoff-Angebotes“ zentral
verwendeten, eine Verschlechterung des Outcomes bei kritisch kranken Patienten (50).
Mit Entwicklung und klinischer Einführung zunehmend minimal-invasiver und einfacher
zu handhabender Methoden, wie des ösophagealen Dopplers, der transkardiopulmonalen
Indikatordilutionsverfahren, der arteriellen Pulskonturanalyse und anderer Verfahren
rückte dieser Parameter in den letzten 15 Jahren mehr in den Fokus des Interesses. Jedoch
bleibt auch hier zu betonen, dass eine Studie, die sich an den formalen Kriterien der Evi-
dence Based Medicine messen ließe, mit der Hypothese, dass die Überwachung des
Herzzeitvolumens das Outcome verbessern würde, bisher nicht existiert. Aber In zahlrei-
chen Studien, in denen ein zielgerichtetes hämodynamisches Behandlungskonzept mit
Hilfe eines erweiterten hämodynamischen Monitorings perioperativ oder auf der Intensiv-
station untersucht wurde, stellte die Messung des Herzzeitvolumens und dessen Optimie-
rung einen zentralen Faktor dar (11-20,31-34). Insbesondere die zahlreichen Studien, die
mittels des ösophagealen Dopplers durchgeführt wurden und somit im Rahmen des so
erweiterten Monitorings als primären Zielparameter die Steigerung des aortalen Blutflus-
ses bzw. des Herzzeitvolumens durch Vorlast-Optimierung definierten, zeigten, wie
bereits ausgeführt, Verbesserungen in den „weichen“ Outcome-Parametern, wie Redukti-
on postoperativer Komplikationen und Verkürzung von Liegezeiten auf der Intensivstati-
on bzw. im Krankenhaus (11-20).

Messung der Zentralvenösen Sättigung
Die Messung der zentralvenösen Sättigung als Surrogatparameter für die Balance zwi-
schen Sauerstoff-Angebot und Sauerstoff-Verbrauch beim kritisch kranken Patienten hat
spätestens nach Publikation der Studie von Rivers im Jahre 2001 einen zentralen Stellen-
wert eingenommen. Der Großteil der kritisch kranken Patienten erhält im Rahmen der
Behandlung einen zentralvenösen Zugang, somit ist die Messung der zentralvenösen Sät-
tigung, diskontinuierlich mittels Blutgasanalysen oder kontinuierlich mittels spezieller
Katheter technisch einfach möglich. Eine niedrige zentralvenöse Sättigung ist ein wichti-
ges Warnsignal für eine für den aktuellen Bedarf unzureichende systemische Sauerstoff-
Versorgung, wie sie z.B. im septischen Schock. Rivers konnte so in seiner monozentri-
schen Studie an Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock zeigen, dass eine
„aggressive“ Kreislauftherapie, Algorithmus-gesteuert anhand der Parameter mittlerer
arterieller Blutdruck, zentralvenöser Druck (beide Ziele sowohl in der Studien - als auch
in der Kontrollgruppe identisch) und zentralvenöse Sättigung (>70%), initiiert innerhalb
der ersten 6 Stunden nach Diagnosestellung die 28-Tage Letalität von 46.5 auf 30.5%
senken konnte. Dass die Überwachung dieses Parameters bei der Behandlung von Hoch-
risikopatienten sinnvoll ist, wird auch von Studien aus der perioperativen Medizin unter-
strichen (31, 33, 51). Aus dem Blickwinkel der Evidence Based Medicine erscheint somit
aus der Überwachung der zentralvenösen Sättigung ein Behandlungsvorteil zu erwachsen.
Jedoch gilt auch hier, dass die primäre Fragestellung bei den zugrunde liegenden Studien,
die diesen Behandlungsvorteil zeigen konnten, sich vor allem auf die Einführung eines
protokollisierten, zielgerichteten, sich an physiologisch sinnvollen Zielen orientierenden
und früh greifenden Behandlungsschemas fokussierte und nicht der Einsatz eines
bestimmten Monitoring-Verfahrens im eigentlichen Vordergrund stand.
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Fazit

Daten, die den formalen Kriterien der Evidence Based Medicine entsprächen, eine klare
und eindeutige Empfehlung zur Verwendung eines speziellen Verfahrens oder Parameters
des sogenannten erweiterten hämodynamischen Monitorings bei der Behandlung kritisch
kranker Patienten auszusprechen, gibt es nicht. Als formale Empfehlungen lassen sich
folgende Punkte festhalten: 1) Bei Patienten auf der Intensivstation sollte ein Pulmonalis-
katheter nicht routinemäßig eingesetzt werden und 2) die transösophageale Echokardio-
graphie sollte zur differentialdiagnostischen Abklärung der ungeklärten schweren und
persistierenden hämodynamischen Instabilität eingesetzt werden. 3) Der zentrale Venen-
druck und der pulmonalarterielle Okklusionsdruck sind ungeeignet a) zur Quantifizierung
der kardialen Vorlast und somit b) zur Steuerung einer Volumentherapie. Insgesamt gilt,
dass ein Monitoring-Werkzeug per se nie die Behandlungsqualität verbessern kann, son-
dern nur ermöglichen kann, dass ein geeignetes Therapiekonzept umgesetzt werden kann.
Perioperativ ist zu empfehlen 4) frühzeitig den Blutflusses über Optimierung des Volu-
menstatus und der zentralvenösen Sättigung zu steuern. Prinzipiell jedoch sind aber auch
hier - bei der Frage des Stellenwerts der Überwachung der Herz- und Kreislauffunktion
beim kritisch kranken Patienten - die Grenzen des Prinzips der Evidence Based Medicine,
bzw. der Form, wie sie heute häufig propagiert wird mit dem scheinbar geradezu bedin-
gungslosen Stützen auf kontrollierte, randomisierte Studien und Meta-Analysen kritisch
anzumerken: Wir werden auch weiter beim Springen aus großer Höhe Fallschirme benut-
zen, ohne auf das Ergebnis einer randomisierten Studie hierzu zu warten. David Sackett
formulierte dies sehr eingängig wie folgt:

„Evidence Based Medicine ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige
Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidun-
gen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. Die Praxis der Evidence
Based Medicine bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der best-
verfügbaren externen Evidenz aus systematischer Forschung.“

Sackett DL. Münch. med. Wschr. 139; 644-645, 1997

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