Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - Januar 2021 Ausgabe 86 SPEZIELLE ASPEKTE IN DER PALLIATIVVERSORGUNG - ALPHA NRW
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Ansprechstellen im Land NRW zur Palliativversorgung, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen Januar 2021 Ausgabe 86 Schwerpunkt: SPEZIELLE ASPEKTE IN DER PALLIATIVVERSORGUNG
Liebe Leserinnen und Leser, noch immer beschäftigt uns das Virus – wie könnte es auch anders sein – und an einigen Stellen des beruflichen, aber auch privaten Lebens entdecken wir ein „New Normal“. Dazu gehören unter vielem anderen auch die Videokonferenzen. Sicher sind sie kein Ersatz für persönliche Gespräche, Absprachen oder Supervisionen in Präsenz, wir erkennen in ihnen jedoch auch eine Chance. Bei allen negativen und bedrohlichen Begleitumständen führt die Notwendigkeit des viel beschriebenen Abstands zuweilen virtuell sogar zu mehr Nähe und nicht selten eröffnen sich – wie in dieser Ausgabe beschrieben – ungewöhnlich kreative Wege. Parallel dazu – mit oder ohne Pandemiebedingungen – kristallisieren sich in der Hospiz- und Palliativ- versorgung weiterhin wichtige Themen heraus, die aus besonderen Bedürfnislagen entstehen. So werden in den Artikeln dieser Ausgabe die besondere Dyade Eltern und erwachsene Kinder, das spezifische Krankheitsbild Demenz sowie die besondere Belastung der Pflegekräfte beleuchtet. Es verwundert nicht, dass sich hier Faktoren wie Kommunikation, Handlungsspielraum oder Rollenerleben als relevant innerhalb des bestehenden Systems der Familie oder des Altenheims herausstellen. Wichtig sind nun die daraus entstehenden Implikationen für das professionelle Handeln. So leiten die Autorinnen aus den Studienergebnissen Empfehlungen ab, die Sie hoffentlich in Ihrem beruflichen Alltag nutzen können. Eine gute Lektüre wünscht Ihnen Ihre Dr. Gerlinde Dingerkus INFORMATION SCHWERPUNKT SPEZIELLE ASPEKTE IN DER PALLIATIVVERSORGUNG 4 Hospiz- und Palliativtage 17 Sie kann mich nicht unterstützen, NRW 2021 weil sie selbst schon so alt ist Save the Date Franziska A. Herbst, Laura Gawinski, Nils Schneider, Stephanie Stiel 5 Kindertrauer in Zeiten der Corona-Pandemie 20 Palliativversorgung bei Miriam Sitter, Petra Brenner fortgeschrittener Demenz Interview mit Julia Hartmann und 8 Umgedreht – Tanz, der Räume Carola Roßmeier überbrückt Paula Niehoff, Laura Saumweber 23 Belastungen, Ressourcen und der Gedanke an die Berufsaufgabe 11 SAVE – SupportteAm Elisabeth Diehl für frühVerwaiste Eltern Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 Esther Schouten 26 Veranstaltungen 14 Ein Friedhof ist kein Finanzamt 27 Impressum Interview mit Dirk Pörschmann Museum für Sepulkralkultur
4 D ie 1. Hospiz- und Palliativtage NRW lie- denen Sterbeorte oder die vielfältigen Professionen gen nun vier Jahre zurück: Im Oktober machen ein gutes Netzwerk unerlässlich; daher 2017 fand die zentrale Auftaktveranstal- bilden der Netzwerkgedanke und dessen Ausge- tung in Düsseldorf statt. In diesem Jahr staltung den Rahmen der Auftaktveranstaltung. wird das nordrhein-westfälische Gesundheitsminis- terium gemeinsam mit ALPHA NRW die 2. Hospiz- Rund um den Auftakt finden dezentrale Veranstal- und Palliativtage umsetzen. Wie schon in 2017 tungen und Aktivitäten zur Hospizarbeit und Palli- haben diese das Ziel, die gesellschaftliche und ativversorgung statt, die von den verschiedenen individuelle Auseinandersetzung mit dem Lebens- nordrhein-westfälischen Einrichtungen, die sich ende zu fördern und für die besonderen Situationen diesen Themen widmen, in Eigenregie durchgeführt der betroffenen Menschen – auch unter den Bedin- und über die Homepage der ALPHA-Stellen publi- gungen der Covid-19-Pandemie – zu sensibilisieren. ziert werden. Die Auftaktveranstaltung der 2. Hospiz -und Pallia- Nähere Informationen zum Programm sowie zum tivtage findet wieder in zeitlicher Nähe zum Welt- Anmeldeverfahren folgen im Hospiz-Dialog April hospiztag (09.10.2021) und zwar am 30. September 2021 und auf der ALPHA-Internetseite. 2021 in der Stadthalle Soest statt. Irmgard Hewing In diesem Jahr legen wir den Schwerpunkt auf die Heidi Mertens-Bürger Gesundheitliche Versorgungplanung in stationären ALPHA-Westfalen Einrichtungen und die Begleitung von Palliativ- Tel.: 02 51 - 23 08 48 patientinnen und -patienten in Krankenhäusern. alpha@muenster.de Unterschiedliche Voraussetzungen, die verschie- Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 Irmgard Hewing Heidi Mertens-Bürger
5 KINDERTRAUER IN ZEITEN DER CORONA-PANDEMIE MIRIAM SITTER, PETRA BRENNER W er den Verlust einer nahen Bezugs- herausfordernde „Self-care-Arbeit“ wesentlich person durch Sterben und Tod zu mühsamer, zumal auch außerfamiliäre soziale bewältigen hat, erfährt in der Gemein- Ressourcen wie die kontinuierliche institutionelle schaft mit Menschen, die Ähnliches Betreuung durch Kitas und Schulen nicht garantiert erleben, eine große Unterstützung. Gerade in Trau- sind. Folglich bedeuten alltägliche Erziehungsauf- erphasen, die zu einem schweren „Beschäftigtsein gaben eine große Überforderung. Eine Mutter mit sich selbst“ (Baer & Frick-Baer, 2016) heraus- bringt dies in einem Einzelberatungsgespräch zum fordern, kann die Verbundenheit mit anderen Trau- Ausdruck: „Die Kinder sitzen den ganzen Tag am ernden nicht nur Trostmomente schenken, sondern Computer oder Handy, wenn die Schule ausfällt. Erleichterung und Rückhalt bieten. Das macht mich wahnsinnig, aber ich habe keine Kraft mehr, konsequent zu sein.“ Infolge des ausgerufenen Lockdowns mussten genau diese Rückhalt bietenden Gruppensettings in unserem LÖWENZAHN-Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche e. V. im März eingestellt werden. Erst mit zunehmendem Wissen darüber, unter welchen Vorsichtsmaßnahmen Treffen mög- lich sind, konnten wir im April Gruppen-Treffen in Präsenz mit maximal vier Kindern realisieren. Kinder und Eltern waren dankbar, dass diese Treffen wieder stattfinden konnten. In ihren Erzählungen kristalli- sierte sich heraus, wie Social Distancing und der Wegfall gewohnter Tagesstrukturen ihren Trauer- prozess in der Corona-Pandemie beeinflussen. Dazu gehört einerseits der verkomplizierte Aus- tausch mit vertrauensvollen und zuverlässigen Betreuungspersonen wie beispielsweise Großel- tern, die in Trauerphasen Geborgenheit schenken können. Die Sorge um eine mögliche Ansteckung von Familienmitgliedern, die zur Risikogruppe gehören, führt zu einer Einschränkung wertvoller Kontakte. Damit schwinden gleichzeitig soziale Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 (familiäre) Ressourcen, die für den kindlichen Trau- erprozess wichtig sind. Da elterliche Kapazitäten nach einem familiären Verlust emotional und zeit- lich oftmals begrenzter zur Verfügung stehen, ist © Andre Groß die Hilfe durch ein stabiles und unterstützendes Familiennetzwerk sowie einen verlässlichen Freun- deskreis von großer Bedeutung. Oftmals gelingt den Eltern in Corona-Zeiten die ohnehin schon
6 Auch der Wegfall von kulturellen und gesellschaft- Schut, 1999) sind unter verlustorientierten Stres- lichen Ressourcen nimmt Einfluss auf den Trauer- soren jene Belastungen zu verstehen, welche die prozess: Schließlich ist das Fußballspielen im Verein unmittelbare Auseinandersetzung mit dem Verlust derzeitig untersagt oder die wöchentlichen Treffen berühren. Demgemäß haben Kinder sich u. a. mit bei der Freiwilligen Feuerwehr können nicht genutzt ihren Gefühlen und Erinnerungen an die Verstor- werden. Auf die Frage, was ihr guttut, antwortet benen auseinanderzusetzen. Wiederherstellungs- eine 13-Jährige in einem Einzelberatungsgespräch: bezogene Stressoren dagegen sind als vielfältige „Normalerweise gehe ich mittwochs mit meinen Folgen zu verstehen, die sich nach einem Verlust Freundinnen zum Tanzen, aber das geht ja jetzt für den zu bewerkstelligenden Alltag von hinter- nicht mehr.“ Sie fügt hinzu: „Wenn ich tanze, denke bliebenen Kindern und Eltern ergeben. Dazu gehört ich nicht daran, dass Papa sterben muss.“ Derarti- etwa die Aufgabe eines Kindes, den Schulalltag zu ge kulturelle, wohltuende Aktivitäten wirken meistern, während es zeitgleich seine eigene Trauer stärkend auf den Ausbau personeller Ressourcen zu bewältigen versucht. In Corona-Zeiten werden und fördern demgemäß die Selbstwirksamkeit von sowohl das verlustorientierte als auch das wieder- trauernden Kindern – aus genau diesem Grund wird herstellungsorientierte Bewältigen verschiedener der Ausfall dieser Aktivitäten sehr beklagt. Situationen im Kontext des Verlustes beeinflusst. Die obigen Ressourcen sind auch hinsichtlich einer „Papa kann ich nicht sagen, wie sehr ich Mama ver- Ablenkung im Sinne einer „trauerfreien Zeit“ wich- misse. Der hat ganz andere Sorgen. In letzter Zeit tig, um mit verlust- und wiederherstellungsorien- ist er nur genervt und meckert mich ständig an“, tierten Stressoren (Stroebe & Schut, 2010) umgehen berichtet ein 10-Jähriger, dessen Vater aufgrund der zu können. Nach dem „Dualen Prozessmodell der Coronapandemie seine Arbeit verloren hat. Hier Bewältigung von Verlusterfahrungen“ (Stroebe & zeigt sich, wie sehr die Auswirkungen der Corona- pandemie einerseits das verlustorientierte Bewäl- tigen des Jungen beeinträchtigen können; zumal sich hilfreiche Gespräche des Sohnes mit dem Vater zur Verlustverarbeitung aufgrund der beruflichen Verzweiflung als umständlich erweisen. Andererseits beeinflusst die wegfallende Ressource der ökono- mischen Sicherheit das wiederherstellungsorien- tierte Bewältigen des Verlustes. Denn der verlorene Job befördert finanzielle Ängste, die für Vater und Sohn in der ohnehin schon herausfordernden Bewältigung des neuen häuslichen und alltäglichen Lebens ohne die Mutter noch hinzukommen. Um trauernde Kinder trotz bestehender Einschrän- kungen hinsichtlich Covid-19 bei diesen erschwerten Bewältigungsstrategien zu unterstützen, haben wir bereits während des ersten Lockdowns im März 2020 die Aktion „Verbundenheit“ gestartet. Allen Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 Kindern und auch Jugendlichen wurden kleine Spanplattenquadrate per Post nach Hause geschickt, um auf diesen ihre aktuelle Situation sowie Gefühle und Gedanken ausdrücken zu können; und dabei zu wissen, dass sie gehört werden und sich jederzeit mitteilen können. Darüber hinaus wurden Familien im Herbst zu einem „Naturmandala-Workshop“ in Bild eines Kindes auf Spanplattenquadrat den Wald eingeladen. Hier war es bei nötigem
7 Mandala Workshop Abstand möglich, die Trauer zur Sprache und zum men – in wechselseitiger Unterstützung verarbeiten Ausdruck zu bringen, und sie mit anderen Betrof- können. fenen zu teilen. Zweifelsfrei waren und sind die coronabedingten Literatur Einschränkungen für unser Team eine organisato- Baer, U., Frick-Bear, G. (2016). Vom Trauern und Loslassen. 5. rische Herausforderung. Trauer-Räume jedoch in Auflage. Beltz, Weinheim. Stroebe, M., Schut, H. (2010). The Dual Process Modell of dieser Zeit alternativ zu ermöglichen, hilft dabei, Coping with Bereavement. A Decade on. OMEGA – Journal dass Kinder den drohenden oder sich bereits er- of Death and Dying. 61 (4), 273-289. eigneten Verlust eines liebgewonnenen Menschen Stroebe, M., Schut, H. (1999). The Dual Process Modell of – auch bei nötigem Abstand oder in digitalen Räu- Coping with Bereavement. Rationale and Description. Death Studies, 23 (3), 197-224. Dr. phil. Miriam Sitter Petra Brenner Vorsitzende des LÖWENZAHN- Leitung des LÖWENZAHN- Zentrums Zentrums m.sitter@loewenzahn-trauer- info@loewenzahn-trauer- zentrum.de zentrum.de Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 LÖWENZAHN-Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche e.V. Podbielskistr. 311 30659 Hannover Tel.: 05 11 - 70 03 22 78 www.loewenzahn-trauerzentrum.de
8 UMGEDREHT – TANZ, DER RÄUME ÜBERBRÜCKT PAULA NIEHOFF, LAURA SAUMWEBER W ir, Paula Niehoff (25) und Laura quasi verboten, zu arbeiten. Schnell war uns be- Saumweber (26), kennen uns seit wusst, dass wir unseren Teil zum Umgang mit dieser unserer Tanzvorausbildung in Mün- Krise beitragen wollen. Es darf keine Veranstaltungen chen. Danach verschlug es Laura für auf öffentlichen Plätzen geben? Dann muss man eine Tanzausbildung nach Barcelona und dann eben als Künstlerin/Künstler zum Publikum nach nach Arnheim (Niederlande), um ihr Studium an Hause kommen. Und zwar draußen vor die Fenster der ArtEZ University of the Arts als Tanzpädagogin derjenigen, die am meisten unter den Kontaktbe- fortzusetzen. An dieser Universität kreuzten sich schränkungen leiden: Bewohnerinnen und Bewohner unsere Wege, da auch Paula dort ihr Studium als in Seniorenheimen, Pflegeeinrichtungen, Hospizen, Bühnentänzerin absolvierte. Wir beide arbeiten Krankenhäusern. Diesen Menschen wollten wir einen unabhängig voneinander als freischaffende Tänze- Moment von Fröhlichkeit, Unbeschwertheit und rinnen und Choreographinnen in Deutschland, Spa- buntem Miteinander bescheren. nien und den Niederlanden. Laura ist Mitgründerin des Kollektivs contweedancecollective mit dem Sitz „Umgedreht“ ist ein 15-minütiges Tanztheater, in Bamberg und Paula war zuletzt am Theater Bonn welches von der aktuellen Ausnahmesituation als Tänzerin engagiert. Mit dem Lockdown ver- inspiriert ist, in der ein normales Miteinander nicht schlug es uns beide in unsere Heimat München. mehr möglich ist. Die Welt steht auf dem Kopf, niemand weiß genau, wie es weitergeht und viele Der plötzliche Stillstand unserer Gesellschaft im alltägliche Handlungen dürfen nur noch mit 1,5 März traf uns Künstlerinnen und Künstler sowie vie- Metern Sicherheitsabstand ausgeführt werden. le andere mit voller Wucht. Alle Engagements wur- Diese räumliche Distanz findet man während des den abgesagt, die Theater waren zu, uns wurde es Stückes in drei aufgezeichneten Kreisen wieder, © Francesca Karmrodt
9 © Francesca Karmrodt welche wir Tänzerinnen nicht mehr verlassen. Wir wollten wir vor allem positive Energie und gute Lau- werden angetrieben von kreisenden Bewegungen, ne zu den Menschen bringen. So war die Kostüm- die nie zu enden scheinen. Das Leben muss eben frage schnell geklärt. Mit der Musik verhielt es sich doch weitergehen, auch wenn ungewöhnliche und ähnlich. Sie sollte Spaß machen, die Menschen unbekannte Richtungen eingeschlagen werden. vielleicht sogar in Erinnerung schwelgen lassen und Begleitet und geleitet von der Musik finden wir uns gleichzeitig nicht „nur“ entertainen, sondern auch letztendlich in einer gemeinsamen Form, bewegen einen gewissen künstlerischen Anspruch mitbrin- uns volkstanzähnlich miteinander und erschaffen gen. Der Soundtrack ist eine Mischung aus einer trotz körperlicher Distanz eine positive Leichtigkeit. Soundkulisse und Musik zum Mitwippen. Die Cho- Im Anschluss gibt es eine bewegte Interaktion mit reografie sollte Spaß beim Zuschauen machen, ver- den Zuschauerinnen und Zuschauern auf Abstand. standen werden und trotzdem Raum für eigene Interpretation lassen. Aufgrund der Pandemie gab es einen Förderstopp seitens vieler kultureller Einrichtungen. Mit unse- Wir haben im Internet nach Einrichtungen gesucht ren Produktionskosten sind wir in Vorleistung ge- und uns ans Telefon geschwungen. Im Gespräch treten und haben einen kleinen Teil später durch haben wir uns und unser Vorhaben kurz vorgestellt. ein Crowdfunding decken können. Unseren Kom- Viele Kontaktpersonen in den Heimen konnten sich ponisten Florian Sonnleitner und unsere Filmerin unter dem Begriff Tanztheater wenig vorstellen. Francesca Karmrodt konnten wir durch das Crowd- Diese Kunstform ist vor allem in so einem Kontext funding glücklicherweise bezahlen. in Deutschland noch etwas eher Seltenes. Unser per E-Mail versandtes Dossier mit Fotos und allen Für die Vorstellungen in den Heimen und Einrich- Infos half sehr, um einen kompletten Eindruck des tungen wurde uns eine den Umständen entspre- Programms zu vermitteln. Dann wurde ein Termin chende Gage gezahlt. Zwei Vorstellungen wurden vereinbart. von der Bürgerstiftung Fürstenfeldbruck finanziert und sechs Vorstellungen in Bamberg durch die Die Resonanz war immer positiv und oft auch über- Stiftung Evangelischer Verein Bamberg. rascht, da sich normalerweise eher Musiker melden. Wenn es bei einer Einrichtung nicht klappte, lag es Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 Uns war klar, dass wir auf große Entfernung zu den an Coronaregelungen, fehlenden finanziellen Mit- Zuschauern performen werden und entschieden teln oder praktischen Bedingungen. Sehr oft hatten uns schnell für auffällige, fröhliche Kleider. Da un- wir nette Gespräche, die uns in unserem Vorhaben sere erste Zielgruppenidee Seniorenheime waren, bestärkten und man hatte das Gefühl, dass gerade dachten wir an etwas, wozu die Bewohnerinnen jeder jeden, wo er kann, unterstützen möchte, was und Bewohner einen Bezug herstellen können. Vie- eine unglaublich positive Erfahrung war. Nach le ältere Menschen verbinden Tanz mit schwingen- unserem Auftritt wurde uns oft kommuniziert, dass den Röcken, folkloreartigen Kostümen. Und auch wir doch unbedingt bald wiederkommen sollen.
10 Oft wurde schon während der Performance mitge- Umgedreht haben wir insgesamt 35 Mal aufgeführt klatscht, mit den Füßen gewippt und gesummt. In und da es jetzt kalt draußen ist, machen wir zwar unserem anschließenden Mitmachteil haben sich, eine Winterpause, stehen aber schon in den Start- wie wir sehr oft von Mitarbeitenden der verschie- löchern für unsere nächste Produktion. Für das densten Einrichtungen hörten, sogar sonst eher Frühjahr und den Sommer 2021 wollen wir ein „Bewegungsmuffel“ aufgerafft und fleißig mitbe- neues Tanztheater auf die Beine stellen wieder für wegt. Bei einer unserer Vorstellungen vor einem in- diese Zielgruppen, wieder draußen. Derzeit schrei- klusiven Kindergarten und Seniorenheim wurde ben wir viele Förderanträge, um für die Produktions- schon während unseres Auftrittes so viel gelacht, kosten des nächsten Stückes nicht mehr in Vorkasse dass wir gar nicht aufhören wollten. Uns wurde er- gehen zu müssen und hoffen darauf, dass Bund zählt, wie schwierig die aktuelle Situation und wie und Länder sowie private Stiftungen uns unterstüt- wichtig ein solcher Nachmittag für die Bewohne- zen, um weiterhin professionell arbeiten zu können. rinnen und Bewohner sei. Zum Teil wurden wir eine Wir haben bewiesen, dass wir unter minimalsten Woche später kontaktiert und uns wurde berichtet, Bedingungen ein derartiges Projekt auf die Beine dass noch immer über die Vorstellung geredet und stellen können und freuen uns nun auf eine hoffent- sich erinnert wurde. lich zweite Runde. Die Pandemie wird uns womög- lich noch eine Weile beschäftigen und wir wollen Wir haben unglaublich viel zurückbekommen. dafür sorgen, dass Kunst und Kultur auch in Zeiten Wenn wir nach dem Auftritt abgebaut haben und von Corona weiterleben. Vor allem wollen wir den noch ein bisschen Musik laufen ließen, kamen wir Tanz zu den besagten Zielgruppen bringen, um immer wieder ins Gespräch, haben auf Abstand mit Kunst auch für die Menschen erlebbar zu machen, den Zuschauenden gequatscht, viele Seniorinnen für die ein Theaterbesuch eher schwierig ist, die und Senioren wollten gar nicht mehr nach drinnen nicht so leicht nach draußen gehen und die vielleicht gehen, haben uns von früher erzählt und wenn wir sogar schon lange nur eingeschränkten Kontakt zu den Vorplatz verließen, waren wir ohne Ausnahme ihren Lieben haben können. jedes Mal von Dankbarkeit und Freude erfüllt. Unsere neue Produktion wird wieder in Zusammen- Auch zu sehen, wie rührend sich Mitarbeitende um arbeit mit unserem Komponisten Florian passieren, Bewohnerinnen und Bewohner von den verschie- die Kostüme stehen schon bereit und auch das Kon- densten Einrichtungen kümmern, war eine schöne zept ist fertig. Wir freuen uns sehr auf alles, was Erfahrung. kommt und hoffen, unser Tanztheater zu vielen Menschen in Einrichtungen in ganz Deutschland zu bringen. Paula Niehoff Laura Saumweber © Laura Mikkelsen mail@paula-niehoff.com contact.contweedance@gmail.com © Anna Wipper www.paula-niehoff.com www.contweedancecollective.com Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86
11 SAVE – SUPPORTTEAM FÜR FRÜHVERWAISTE ELTERN Ein Projekt der Neonatologie des LMU-Klinikums München ESTHER SCHOUTEN S chwangerschaft und Geburt sind norma- schwerwiegenden und gegensätzlichen Ereignissen lerweise ein freudiger Anlass, die Klinik gleichzeitig auseinandersetzen. Dieses besonders zu besuchen. Ein Kind zu erwarten be- schwierige Zusammentreffen mehrerer belastender deutet, sich auf eine zukünftige Familie Lebenssituationen führt dazu, dass die Trauerpha- zu freuen. Dennoch kommt es manchmal anders, se nach dem Verlust eines Neugeborenen nicht mit als Eltern sich diesen Augenblick vorgestellt hatten. dem Abschied von der Klinik nach der Entbindung Auch in Deutschland sterben Kinder vor, unter oder endet. unmittelbar nach der Geburt. Ein solches Ereignis hat erschütternde Folgen für die Eltern und die ge- Verwaiste Eltern mit unverarbeitetem Verlust sind samte Familie. Eltern verlassen nach dem Tod in gefährdeter, eine psychische Störung zu entwickeln, der Zeit um die Geburt die Klinik nicht mit einem z. B. Depressionen oder Angststörungen. Sie be- gesunden Baby in der Babyschale. Sie müssen sich richten über eine reduzierte Lebensqualität und zu Hause mit einem leeren Kinderzimmer, nicht Schlafstörungen (Youngblut, J.M. et al.,2013). In erfüllter Hoffnung und unendlicher Trauer ausein- der Folge nehmen sie auch häufiger medizinische andersetzen. Leistungen in Anspruch (Lannen, P.K. et al., 2008). Eine dänische Studie zeigte sogar, dass Die Überlebensrate von schwer die Suizidrate betroffener Mütter in kranken Neugeborenen und den ersten drei Jahren nach dem Frühgeborenen hat sich in den Verlust eines Kindes doppelt letzten Jahrzehnten durch so hoch ist wie in einem Ver- enorme Fortschritte in der gleichskollektiv ( Li, J. et al., Medizin deutlich verbes- 2003). sert. Nichtsdestotrotz versterben am Perinatal- Familien, deren Neugebo- zentrum des Klinikums renes verstirbt, sind der LMU-München, Cam- deshalb besonderen pus Großhadern, im Jahr Belastungen ausgesetzt. etwa 10 Kinder auf der Gleichzeitig reagiert das Neugeborenen Intensivsta- soziale Umfeld in dieser tion und etwa ebenso viele Situation häufig kontrovers. Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 Kinder werden im Kreißsaal un- Oft erfahren Eltern, dass Freunde ter der Geburt palliativ begleitet. und Bekannte sich nach dem Tod des Kindes zurückziehen, den Kontakt Sowohl die Geburt eines Kindes als auch meiden oder gar mit unpassenden Kom- der Tod eines geliebten Menschen gehören zu den mentaren auf die Trauer der Betroffenen reagieren. eingreifendsten Lebensereignissen überhaupt. Der Prozess der Bewältigung dieses Verlustes wird Wenn Geborenwerden und Sterben zusammenfal- von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Ebenso len, müssen Eltern sich mit diesen emotional wie der Verlust des Kindes wirken sich Fürsorge,
12 dem Verlassen der Klinik zu stabilisieren. Wie eingangs bereits erläutert, sind diese Eltern eben- so, wenn nicht noch mehr gefährdet, psychische Störungen und/oder körperliche Erkrankungen zu entwickeln. SupportteAm für frühVerwaiste Eltern (SAVE) Ein Team der Neonatologie des LMU-Klinikums Unterstützung und Verständnis, die während der München, Campus Großhadern, hat es sich deshalb Trauerphase erfahren werden, auf das gesamte zur Aufgabe gemacht, ein Projekt zu entwickeln, weitere Leben aus. welches eine Nachsorgestruktur für eben diese Elterngruppe anbietet: das SupportteAm für früh- Es gibt v. a. in den Vereinigten Staaten sogenannte Verwaiste Eltern (SAVE). „bereavement programs“ als Verlustverarbeitungs- angebote. Diese sind oft von der Klinik aus organi- Das interdisziplinäre Team besteht aktuell aus sierte Nachsorgeprogramme für verwaiste Eltern. sechs Pflegefachkräften, einer Neonatologin, einer Familien, die dieses Angebot nach dem Verlust in Psychologin, einer Pädagogin, einer Seelsorgerin Anspruch nehmen, werden kurz- und mittelfristig und wird ergänzt durch einen Palliativmediziner unterstützt. Es konnte gezeigt werden, dass Eltern, und einen Geburtshelfer. Die Nachsorge der Fami- die an einem solchen „bereavement program“ teil- lien wird von den sechs Pflegefachkräften, die Zu- nehmen, weniger psychische Belastung empfinden satzausbildungen in der Palliative Care und der (D’Agostino, N.M. et al., 2008; Forrest, G.C. et al., Trauerbegleitung absolviert haben, durchgeführt. 1982). Insbesondere wenn diese Nachbetreuung Das erweiterte Team steht als Expertenpanel für von der Klinik gestaltet wird, in der das Kind ver- Rückfragen und interdisziplinären Austausch im starb, wird ein positiver Effekt beobachtet. Eltern Hintergrund. Die Betreuung einer Familie beginnt berichten, dass die gemeinsame Verantwortung häufig schon kurz nach dem Versterben, wenn sich von Klinik und Eltern für ihr Kind somit auch nach die Eltern mit ihrem Kind noch auf der Station auf- dem Tod fortgeführt wird (Snaman, J.M, 2016). In halten, oder kurz nach dem Verlassen der Klinik. Deutschland gab es bisher noch keine strukturierte, Über einen Zeitraum von sechs Wochen finden von der Klinik angebotene Nachsorge für frühver- dann, abgestimmt auf den jeweiligen Bedarf der waiste Eltern. Eltern, persönliche Treffen oder Telefonate mit der betreuenden SAVE-Schwester statt. Dabei bietet Eltern von kranken Früh- und Neugeborenen können die Schwester den Familien sowohl emotionalen nach dem Verlassen der Klinik auf eine sozialmedi- Beistand als auch Hilfestellung bei bürokratisch- zinische Nachsorge nach § 43 Abs. 2 SGB V zurück- organisatorischen Themen an. Über den Beglei- greifen. Der Bundesverband Bunter Kreis e.V. defi- niert das Ziel der Nachsorge folgendermaßen: „Die Nachsorge hat als Ziel, Familien über die Schwelle der Klinik nach Hause zu begleiten und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Stabilität der betroffenen Familien.“ Im Mittelpunkt der Nach- sorge stehen neben der medizinischen Versorgung Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 des erkrankten Kindes auch die Familie, das Bezie- hungssystem und die Lebensumwelt. Frühverwaiste Eltern können genauso wie Eltern von kranken Früh- und Neugeborenen von einer gesetzlichen sozialmedizinischen Nachsorge pro- fitieren. Sie brauchen dringend Unterstützung, um ihre Lebensumwelt und ihr Beziehungssystem nach
13 © istock.com/Antonio Guillem Das SupportteAm für frühVerwaiste Eltern (SAVE) ist eine Initiative vom Frühstart ins Leben e. V. (www.fruehstartinsleben.de) in Kooperation mit dem Bundesverband für verwaiste Eltern und trau- ernde Geschwister in Deutschland e. V. (www. veid.de). tungszeitraum hinweg versucht sie zudem, den Die Leistungen des Supportteams werden zurzeit Bedarf der Familie an erweiterter Trauerbegleitung durch Spenden finanziert. Es entstehen keine Kos- zu ermitteln, um sie gegebenenfalls an vorhandene ten für die Eltern. Strukturen (z. B. Selbsthilfegruppen, Psychotherapie, geistlich-spirituelle Begleitung) anzubinden. Auch Die Koordination und finanzielle Abwicklung der die Sterbebegleitung und die Rituale, die den Eltern Nachsorge wird übernommen von der Dr. von Hau- auf der neonatologischen Intensivstation angebo- nerschen Nachsorgeeinrichtung für Frühgeborene ten werden, wurden im Rahmen des SAVE Projektes (HaNa). HaNa ist eine Kooperationseinrichtung vom überarbeitet. In einem Palliativschrank finden sich Landesverband Bayern für körper- und mehrfach- alle Materialien, die für die Sterbebegleitung und behinderte Menschen (LVKM) (www.lvkm.de) und das memory-making benötigt werden (z. B. Klei- dem Klinikum der Universität München. dung, Nestchen, Tinte und Karten für Fuß- und Handabdrücke, Kerzen, Erinnerungsboxen). Zudem finden alle Mitarbeitenden der Station eine Check- Literatur liste für die Palliativversorgung sowie Beispiele für Youngblut, J.M., Brooten, D., Cantwell, G.P., del Moral, T., To- tapally, B. (2013). Parent Health and Functioning 13 Months deren Umsetzung in Form einer Fotodokumentation. after Infant or Child NICU/PICU Death. Pediatrics. Darüber hinaus steht den Mitarbeitenden ein neu 2013;132(5):e1295-301. entwickelter Palliativ-Personalordner zur Verfügung, Lannen, P.K., Wolfe, J., Prigerson, H.G., Onelov, E., Kreicbergs, in dem alle relevanten Informationen zu rechtlichen U.C. (2008). Unresolved Grief in a National Sample of Be- Bedingungen, klinikinterner Organisation, Abstillen, reaved Parents: Impaired Mental and Physical Health 4 to 9 Years later. J Clin Oncol. 2008;26(36):5870-6. Trauer und Trauerbegleitung usw. niedergeschrie- Li, J., Precht, D.H., Mortensen, P.B., Olsen, J. (2003). Mortality ben und für jeden Mitarbeiter einsehbar sind. in Parents after Death of a Child in Denmark: A Nationwide Follow-up Study. Lancet. 2003;361(9355):363-7. Familien, die von SAVE begleitet wurden, gaben D’Agostino, N.M., Berlin-Romalis, D., Jovcevska, V., Barrera, M. (2008). Bereaved Parents’ Perspectives on their Needs. bislang ausschließlich positive Rückmeldung und Palliat Support Care. 2008;6(01):33-41. auch das Team schließt das erste Jahr von SAVE mit Forrest GC, Standish E, Baum JD. (1982). Support after Perina- einem positiven Gefühl ab. Der Mehrwert für die tal Death: A Study of Support and Counselling after Peri- Familien ist klar zu erkennen und die Umsetzung natal Bereavement. Bmj. 1982;285(6353):1475-9. Snaman, J.M, Kaye, E.C., Torres, C., Gibson, D.V., Baker, J.N. für die Station ist nach der geleisteten Vorarbeit (2016). Helping Parents Live with the Hole in their Heart: leicht zu gestalten. SAVE könnte als Blaupause für The Role of Health Care Providers and Institutions in the andere neonatologische Intensivstationen dienen. Bereaved Parents’ Grief Journeys. Cancer. 2016;122(17): 2757-65. Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 Dr. med. Esther Schouten Oberärztin Neonatologie LMU Klinikum München info@save-muenchen.de http://www.save-muenchen.de
14 EIN FRIEDHOF IST KEIN FINANZAMT Interview mit dem Direktor des Museums für Sepulkralkultur Dirk Pörschmann D r. Dirk Pörschmann, 50 Jahre, tung, Friedhofsgärtnerei, Bestattung und Hospizar- ist seit Januar 2018 Direktor beit – also alle die sich mit den Themen Friedhof des Zentralinstituts und Mu- und Sterben ganz praktisch befassen. Der ehemali- © Museum fü r Sepulkralkultur seums für Sepulkralkultur ge Geschäftsführer Hans-Kurt Boehlke hatte in den sowie Geschäftsführer der Arbeitsge- 1980er-Jahren die Idee, das Museum für Sepulkral- meinschaft Friedhof und Denkmal e. V. kultur zu gründen, gegen schwerste Widerstände auch aus der Museumslandschaft. Damals konnte Erinnern Sie sich noch an den man sich überhaupt nicht vorstellen, dass ein Beginn Ihrer Tätigkeit? Museum über den Tod Sinn macht. Im Gegenteil: Ich bin Kunstwissenschaftler und war Man hat sich darüber lustig gemacht. Aber das vorher in der zeitgenössischen Kunst Museum wurde gegen alle Widerstände 1992 eröffnet. Dr. Dirk Pörschmann aktiv und lange in Düsseldorf tätig. Ich Seitdem haben wir drei Säulen auf denen unsere habe 2016 meine Dissertation beendet Arbeit gründet: das Zentralinstitut als Ort der Erfor- und mich dann auf die Stelle in Kassel am Museum schung, das Museum als Ort der Vermittlung zur für Sepulkralkultur beworben, weil ich diesen Ort Öffentlichkeit und den Verein als Bindeglied bzw. schon immer als vielfältigen Ort geschätzt habe. als Ort der praktischen Erkenntnis. Das ist keine Einen Ort, wo man wirklich geerdet ist. Der Begriff einfache Konstruktion, aber sie birgt große Chancen. „Erdung“ hört sich im Kontext der Bestattungskultur vielleicht seltsam an, doch so empfinde ich es. In Was können Sie über die Besucherinnen und der Kunst wollen alle immer zu den Sternen, Besucher sagen? Erleben Sie Unterschiede? verbunden mit hoher Anerkennung und Aufmerk- Ja, ich erlebe eine große Vielfalt. Es gibt Menschen, samkeit. Das ist in diesem Bereich etwas anders: die sehr lange brauchen, bis sie sich das erste Mal Meine erste Aktivität hier in Kassel war eine Veran- hier hereintrauen. Es gibt aber auch Therapeuten, staltung mit dem Hospitalverein. Ich saß damals die mit ihren Klienten kommen, um deren Todes- mit rund sechzig ehrenamtlichen Sterbebegleite- angst zu überwinden. Wir haben viele Schulklas- rinnen und -begleitern zusammen und nahm die sen, leider durch Covid-19 seit März nicht mehr. gesellschaftliche Relevanz der Tätigkeit dieser Und die Jugendarbeit ist im Grunde auch unser Menschen wahr. Und dass sie gar nicht groß darü- Schwerpunkt. Um es ganz klar zu sagen: Wenn wir ber sprechen und damit nach außen gehen im den- Menschen aus durchaus nachvollziehbaren Grün- noch klaren Bewusstsein der Bedeutung ihrer den im Alltag gerne leugnen möchten, dass wir ster- Arbeit. Dies führte u. a. dazu, dass ich das Museum ben müssen, so ist es doch gerade sinnvoll, schon auch als einen Ort der persönlichen Entwicklung bei den Kleinen anzufangen, darüber zu sprechen. erkannte. Wir haben hier auch Kindergeburtstagsfeiern mit verschiedenen Mottos wie Geister und Piraten, bei Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 Die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e. V. denen das Thema des Museums immer auch ein ist Träger des Museums für Sepulkralkultur, wer Bestandteil ist. Kinder und Jugendliche machen im steckt hinter der Arbeitsgemeinschaft und was Jahr circa 40 % unser Besucherinnen und Besucher ist das Positive an dieser Konstruktion? aus. Im Alter zwischen 17 und 35 Jahren ist das Die Arbeitsgemeinschaft ist ein Verein, der 1951 Thema offensichtlich eher uninteressant. Danach gegründet wurde und seinen Sitz hier in Kassel hat. spielt es je nach persönlicher Lebenserfahrung und Der Verein hat aktuell rund 600 Mitglieder aus den dann bis in die hohen 80er hinein wieder eine Rolle. Bereichen Friedhofsverwaltung, Grabmalgestal-
15 © Museum fü r Sepulkralkultur Museum fü r Sepulkralkultur Letztes Jahr war ein besonderes Jahr mit drei Ausstel- Sie befassen sich intensiv mit Trauer und lungseröffnungen. Zu der Eröffnung der Ghana-Särge Trauerbegleitung? war die Botschafterin aus Ghana da, die zur Musik 2018/2019 hat die Arbeitsgemeinschaft Friedhof einer kleinen ghanaischen Band spontan anfing zu und Denkmal das Projekt „Heilsame Abschiede“ tanzen. Normalerweise sind Ausstellungseröffnun- mit Unterstützung eines Vorstandmitgliedes durch- gen ja eher etwas steif und man kommt nicht wirklich geführt. Daraus ist auch die Publikation „Raum für miteinander in Kontakt. Bei uns habe ich oft den Ein- Trauer“ entstanden. Im Museum haben wir eine druck, die Menschen werden in irgendeiner Weise Ausstellung zum Thema Trauer gezeigt: „Lamento: beim Eintritt in unser Museum verwandelt, sie spüren Trauer und Tränen“, der zweite Teil „Memento: Im ihre Lebendigkeit umso deutlicher in der Omniprä- Kraftfeld der Erinnerungen“ läuft noch bis zum senz des Todes. Das zu sehen, ist sehr erfüllend. Frühjahr 2021. Wenn jedes Jahr ungefähr eine Mil- lion Menschen in Deutschland versterben und man Welche Veränderungen sehen Sie hinsichtlich annehmen kann, dass zu jedem Verstorbenen etwa unserer Bestattungskultur? sechs Trauernde gehören, dann sind wir bei sechs Es ist von großer Bedeutung, dass die Sterbenden Millionen Menschen, die jedes Jahr wegen eines und die Angehörigen mit ihren Bedürfnissen wirk- Verlustes trauern. Dazu kommen dann auch noch lich im Zentrum stehen. Seit 20 Jahren hat sich auf diejenigen Menschen, die in den Vorjahren einen den Friedhöfen schon einiges geändert. Ich glaube, Verlust verschmerzen mussten und trauern. Es ist es ist entscheidend, dass alle, die mit Angehörigen also ein relativ großer Bestandteil unserer Gesell- von Verstorbenen zu tun haben, deren Bedürfnisse schaft, der sich permanent mit diesem existentiel- sehen und nicht so sehr die Bedürfnisse der Ver- len Gefühl auseinandersetzt. Hier fragen wir uns waltung, der Paragraphen, des Rechts etc. Das hat immer wieder: Wo ist das eigentlich wirklich sicht- alles seine Richtigkeit, aber das darf nicht in den bar, wo könnten wir das in der Öffentlichkeit sehen Mittelpunkt rücken. und erkennen? Ich sag immer etwas provozierend: Ein Friedhof ist Mit Covid-19 und den damit verbundenen Gesetzen kein Finanzamt, denn auf dem Friedhof geht es um zur Eindämmung der Pandemie starben und sterben sehr existentielle Dinge. Es gibt mittlerweile sehr vie- Menschen ohne die Begleitung von Angehörigen, le junge Friedhofsverwalterinnen und -verwalter, die und Nahestehende konnten vor allem im ersten immer mehr die Bedürfnisse der Menschen im Fokus Lockdown nicht mehr gemeinsam trauern, weil bei haben. Daran anschließend müssen sich dann auch Beisetzungsfeiern massive Beschränkungen galten. die Regeln entwickeln. Die Pietätsfragen wie z. B.: Ich habe mich tatsächlich gefragt, ob es nicht ein Darf man auf dem Friedhof Fahrrad fahren, joggen, Menschenrecht ist, von Angehörigen, von geliebten darf der Hund mit ins Grab, sind ja nicht für alle Menschen im Sterben begleitet zu werden. Ist es Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 Zeiten festgelegt, sondern sie sind verhandelbar. Das nicht auch ein Menschenrecht, dass wir unsere Toten muss jede Generation wieder aufs Neue aushandeln. in Gemeinschaft zu Grabe tragen und trauern. Jetzt Ein anderes und sicher ungewöhnliches Beispiel: in dieser Pandemie haben viele Menschen darauf Ich bin nicht dafür, dass auf dem Friedhof gegrillt verzichten müssen und dies wird auch gesellschaft- wird, aber wenn ein Grillweltmeister stirbt, warum liche Folgen haben: Das Thema Trauerbegleitung sollte man dann nicht in Erinnerung an ihn auf sei- erhält dadurch eine noch größere Relevanz. nem Grab grillen dürfen? Rituale helfen Angehörigen und Hinterbliebenen bei ihrer Trauerarbeit.
16 Was sind Ihre Pläne für die Zukunft? ort gesucht, damit wir für die Öffentlichkeit präsent Wir organisieren im nächsten Jahr eine große Aus- bleiben können. stellung zum Thema Suizid. Diese planen wir seit 2018 gemeinsam mit Kooperationspartnern: u. a. Was sind Ihre persönlichen Gedanken zu dem Verein Angehörige um Suizid, AGUS, und dem Sterben, Tod und Trauer? nationalen Suizidpräventionsprogramm (NaSPro). Es hat sich für mich persönlich einiges dadurch ver- Einer der beiden Leiter von NaSPro, Reinhard Lind- ändert, dass ich ja nun täglich mit dem Thema be- ner, ist Professor an der Universität in Kassel. So fasst bin. Es ist ja so, dass man die eigene Person bearbeiten wir das Thema sowohl aus medizini- bei solch einem Thema nicht heraushalten kann. scher, psychosozialer wie auch aus kulturwissen- Beruf und Privatleben vermischen sich, und das ist schaftlicher Sicht. Dabei geht es auch um die Frage, auch das Positive daran. Seit ich hier bin, bin ich in was macht es mit unserer Gesellschaft, wenn sich einem Prozess, das Reflektieren darüber hört ei- jedes Jahr 10.000 Menschen das Leben nehmen. gentlich nie auf. Das ist das Bereichernde, weil es Ob es nach wie vor ein Tabu ist, weiß ich nicht, aber die Angst nimmt. Die Endlichkeit ist ein entschei- es ist auf jeden Fall noch ein Stigma. Es wird so dender Anteil unseres Lebens: Ich kann nicht leben, häufig nicht darüber gesprochen, weswegen wir ohne zu sterben. Ich bin viel stärker im Hier und den Untertitel „Let’s talk about it“ gewählt haben. Jetzt und nicht mehr so viel in der Zukunft oder der Zahlreiche Menschen kennen Lebensmomente, in Vergangenheit. Die Zukunft, das sind die Verspre- denen Suizidgedanken entstehen, aber niemand chungen, der Konsum, das neue Auto, das neue redet darüber. Das wäre dann ja vielleicht mal ein Haus, der Urlaub, das ist alles in der Zukunft, das Anfang. Die Eröffnung ist am 10. September 2021, macht mich aber nicht glücklich, sondern das Hier dem Welttag der Suizidprävention. und Jetzt, nur hier kann ich mich lebendig fühlen. Das Bewusstsein dafür schärfen zu können, ist Im Jahr 2022 wird das Sepulkralmuseum eventuell auch ein Geschenk dieser Tätigkeit hier. Teil der Documenta sein. In den Jahren 2023/2024 wird das Museum geschlossen, denn es wird sa- Was würden Sie gern unseren Leserinnen und niert und umgebaut. Für diese Zeit wird gemeinsam Lesern, die in der Hospiz- und Palliativversor- mit der Stadt Kassel nach einem alternativen Stand- gung tätig sind, mitteilen? Es ist wichtig zu realisieren, was sie für unsere Gesellschaft leisten, und sie dürfen und sollten darauf auch bewusst stolz sein. Es ist eine schwere, aber auch eine erfüllende Aufgabe, das geht häufig ein bisschen unter. Mein Ein- druck ist, dass sie sich eher selbst zu- rücknehmen und in den Dienst einer Sache oder eines Sterbenden/einer Sterbenden stellen. Ich erlebe sie als Menschen, die das nicht so vor sich her- tragen, finde es aber wichtig, zu beto- nen, wie wichtig und gesellschaftlich Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 relevant diese Arbeit ist. Denn in unse- rer Gesellschaft geht es immer mehr um abrechenbare Dienstleistungen. © Leila Badblood Dass sich so viele Menschen ehrenamt- lich in dieser Weise einsetzen, finde ich beachtlich. Das, was sie tun, ist etwas, was der ganzen Gesellschaft hilft. Ausstellung memento In the Wake of a Deadad, Andrew Kotting, 2006, Filmstill
SPEZIELLE ASPEKTE IN DER PALLIATIVVERSORGUNG 17 „SIE KANN MICH NICHT UNTERSTÜTZEN, WEIL SIE SELBST SCHON SO ALT IST“ Forschungsteam der Medizinischen Hochschule Hannover entwickelt Empfehlungen für psychosoziale Unterstützungsmaßnahmen für erwachsene Kinder und Eltern am Lebensende FRANZISKA A. HERBST, LAURA GAWINSKI, NILS SCHNEIDER, STEPHANIE STIEL Hintergrund und Forschungsstand Kindern“ (BMBF-Förderkennzeichen: 01GY1711; In einer älter werdenden Gesellschaft steigt die Laufzeit: 01.10.17-31.12.20) fokussiert Dyaden Zahl der Eltern, die mit einer schweren Erkrankung erwachsener Kinder und ihrer Elternteile, da diese ihres erwachsenen Kindes konfrontiert sind. Allein Gruppe klinischen Beobachtungen zufolge spezifi- in Deutschland sterben jährlich rund 16.000 schen Herausforderungen bezüglich Kommunikation, Erwachsene noch vor Erreichen ihres 45. Lebens- Krankheitswissen, Rollenerleben, Belastung und jahres (Statistisches Bundesamt [Destatis], 2017). Unterstützung gegenübersteht. Mit diesem Projekt Viele von ihnen werden von einem oder beiden wird das Ziel verfolgt, Besonderheiten der Interak- Elternteilen am Lebensende versorgt. Zugleich sind tion beider Dyaden zu explorieren. Passgenaue erwachsene Kinder mit schweren, lebensverkürzen- Empfehlungen hinsichtlich psychosozialer Inter- den Erkrankungen ihrer Eltern konfrontiert. ventionsmaßnahmen sollen abgeleitet werden. Es handelt sich hierbei um die erste Studie, die syste- Bisher ist national und international wenig über die matisch Erfahrungen und Erwartungen beider Interaktion1 am Lebensende in Dyaden2 erwachse- Eltern-erwachsenes Kind-Dyaden am Lebensende ner Kinder und Eltern bekannt. Es konnte keine erforscht. Studie aus Deutschland identifiziert werden, die erwachsene Kinder oder Elternteile zur dyadischen Projektablauf erwachsenes Kind–Eltern Interaktion am Lebensende Zwischen Februar 2018 und November 2019 wurden befragt hat. Zudem war unter den wenigen inter- erwachsene Kinder und Eltern beider Dyaden über nationalen Beiträgen keine Studie vertreten, in der Einrichtungen der stationären und ambulanten zugleich (1) schwerstkranke erwachsene Kinder hospizlich-palliativen Versorgung zur Projektteil- und ihre Eltern sowie (2) schwerstkranke Elternteile nahme eingeladen. Teilnehmende Patientinnen, und ihre erwachsenen Kinder zu ihrer Interaktion Patienten und Angehörige wurden in persönlichen, befragt wurden (Herbst et al., 2020a). leitfadengestützten Interviews zur dyadischen Interaktion in Hinblick auf Kommunikation, Rollener- Projektziel leben, wahrgenommene Belastung am Lebensende, Das Forschungsprojekt „Dy@EoL – Interaktion am Unterstützung und Information über Krankheit und Lebensende in Dyaden von Eltern und erwachsenen Prognose befragt. Zusätzlich wurden die bezie- Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 hungsspezifischen Bindungsskalen für Erwachsene 1 Der Begriff der Interaktion meint das aufeinander bezogene (Asendorpf et al., 1997), die Berliner Social Support Handeln von mindestens zwei Personen (Bibliographisches Institut GmbH, 2020). Im vorliegenden Beitrag umfasst die Skalen (Schulz & Schwarzer, 2003) und die Graphic Interaktion unterschiedliche Aspekte, wie den Kontakt, die Closeness Scale (Neyer et al., 2011) zur Erfassung Beziehung und das Miteinander von Patient/in und Ange- von Bindung, wahrgenommener und erhaltener höriger/m. 2 Mit dem Begriff der Dyade ist im vorliegenden Beitrag eine sozialer Unterstützung und emotionaler Nähe Zweierbeziehung zwischen einer Patientin oder einem Pa- eingesetzt. tienten und einer/m Angehörigen gemeint.
18 SPEZIELLE ASPEKTE IN DER PALLIATIVVERSORGUNG © istock.com/Dean Mitchell In einem nächsten Schritt wurden aus den erhobe- den der Wunsch nach mehr Autonomie erkrankter nen empirischen Daten Hypothesen abgeleitet, die erwachsener Kinder ein wichtiges Thema in der Dy- die Spezifika in der Interaktion von Eltern und er- ade ist, in der das erwachsene Kind erkrankt ist. wachsenen Kindern am Lebensende beschreiben. So wird das Versterben des erwachsenen Kindes In einem Workshop unterstützte ein Expertenbeirat von dem Elternteil als entgegengesetzt der „natür- das Projektteam bei der Formulierung praxisnaher lichen“ Reihenfolge empfunden. Zudem haben wir Empfehlungen für Interventionsmaßnahmen. Die in den Gesprächen mit erwachsenen Kindern und Empfehlungen wurden in einem bundesweiten Del- ihren Elternteilen erfahren, dass sich das erwach- phi-Verfahren auf ihre Relevanz und Machbarkeit sene Kind mehr Unabhängigkeit vom Elternteil Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 im Versorgungsalltag geprüft und konsentiert (sie- wünscht, wohingegen Elternteile umfassend für he Stiel et al., 2018 zum Studienprotokoll sowie das erkrankte Kind sorgen möchten. Gawinski et al., 2020 zu Herausforderungen bei der Gewinnung von Teilnehmenden für die Studie). Bezogen auf die Dyade, in der der Elternteil er- krankt ist, standen Themen wie die Veränderung Ergebnisse der Kommunikation mit der schweren Erkrankungs- Das Projektteam hat herausgefunden, dass eine situation sowie die körperliche Pflege im Mittel- wahrgenommene Rollenumkehr und damit verbun- punkt. Kinder erkrankter Eltern beschrieben, dass
SPEZIELLE ASPEKTE IN DER PALLIATIVVERSORGUNG 19 sie bestimmte Themen meiden, um den Elternteil Literatur zu schonen. Das Übernehmen pflegerischer Aufga- Asendorpf, J.B., Banse, R., Wilpers, S., Neyer, F.J. (1997). Be- ben kann eine neue Intimität in Beziehungen er- ziehungsspezifische Bindungsskalen für Erwachsene und ihre Validierung durch Netzwerk- und Tagebuchverfahren. wachsener Kinder und ihrer erkrankten Elternteile Diagnostica, 43:289-313. schaffen, wird zum Teil aber auch als Belastung und Bibliographisches Institut GmbH. (2020). Interaktion, die. grenzüberschreitend wahrgenommen. https://www.duden.de/rechtschreibung/Interaktion (zu- letzt eingesehen:14.10.2020). Gawinski, L., Stiel, S., Schneider, N., Zimmermann, T., Herbst, Praktische Implikationen F.A. (2020). Methodological Reflections on the Recruitment Im Projekt berichteten schwerstkranke und ster- of Adult Child-Parent Dyads for End-of-Life Research in Ger- bende Menschen und ihre Angehörigen von ihren many: Experiences from the Dy@EoL Study. Journal of Pain Erfahrungen und Wünschen. Diese Daten haben and Symptom Management. DOI:10.1016/j.jpainsymman. 2020.10.016. zum Verstehen der Bedürfnisse schwerstkranker Herbst, F.A., Gawinski, L., Schneider, N., Stiel, S. (2020a). Adult und sterbender Menschen sowie ihrer Angehörigen Child-Parent Dyadic Interactions at the End of Life: A Sco- beigetragen. Evidenzbasiert konnten spezifische ping Review. BMJ Supportive & Palliative Care, 10(2):175- Handlungsempfehlungen für psychosoziale Inter- 185. Herbst F.A., Gawinski L., Stiel, S., Schneider, N. (2020b) Zum ventionsmaßnahmen für beide Eltern-erwachsenes Umgang mit Belastungen am Lebensende – Empfehlungen Kind-Dyaden entwickelt werden. Die Empfehlungen für psychosoziale Unterstützungsmaßnahmen für Eltern richten sich an professionell und ehrenamtlich Mit- und erwachsene Kinder. Herausgeber: Projektgruppe arbeitende in der stationären und ambulanten Hos- Dy@EoL des Instituts für Allgemeinmedizin der Medizini- piz- und Palliativversorgung. schen Hochschule Hannover & Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V. ISBN-Nr. 978-3-00-067516-4. Neyer, F.J., Wrzus, C., Wagner, J., Lang, F.R. (2011). Principles Diese Handlungsempfehlungen können zu einer of Relationship Differentiation. European Psychologist, qualitativ hochwertigen Unterstützung und Beglei- 16(4):267-77. tung schwerstkranker und sterbender Menschen Schulz, U., Schwarzer, R. (2003). Soziale Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung. Die Berliner Social Support sowie ihrer Angehörigen beitragen. Die Empfehlun- Skalen (BSSS). Diagnostica, 49(2):73-82. gen wurden im Dezember 2020 in Kooperation mit Statistisches Bundesamt (Destatis). (2017). Bevölkerung und der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin Erwerbstätigkeit. Natürliche Bevölkerungsbewegung 2015. e. V. in Form einer Broschüre „Zum Umgang mit Fachserie 1 Reihe 1.1. Wiesbaden: Statistisches Bundes- amt. Belastungen am Lebensende: Empfehlungen für Stiel, S., Stelzer, E.-M., Schneider, N., Herbst, F.A. (2018). Ex- psychosoziale Unterstützungsmaßnahmen für ploring End-of-Life Interaction in Dyads of Parents and Adult Eltern und erwachsene Kinder“ (Herbst et al., Children: A Protocol for a Mixed-Methods Study. BMC Pal- 2020b) herausgegeben und stehen digital zum liative Care, 17(1):68. Download unter https://www.dgpalliativmedizin. de/images/201207_Broschu%CC%88re_ONLINE.p df zur Verfügung. Dr. Franziska A. Herbst (Projektleitung) Medizinische Hochschule Hannover Institut für Allgemeinmedizin Hospiz-Dialog NRW - Januar 2021/86 Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Telefon: 05 11 - 5 32 49 91 herbst.franziska@mh-hannover.de Projektwebseite: www.mhh.de/allgmed/dyeol
20 SPEZIELLE ASPEKTE IN DER PALLIATIVVERSORGUNG PALLIATIVVERSORGUNG BEI FORTGESCHRITTENER DEMENZ Die EPYLOGE-Studie INTERVIEW MIT JULIA HARTMANN UND CAROLA ROSSMEIER E in Expertenteam der Psychiatrischen Klinik Wie ist die palliative Versorgungssituation von der TU München unter Leitung von Frau Menschen mit Demenz am Lebensende? Professor Dr. Janine Diehl-Schmid hat kürz- Carola Roßmeier: Die Studie zeigt: Die Palliativver- lich die EPYLOGE-Studie abgeschlossen. sorgung von Betroffenen mit fortgeschrittenen de- Dabei handelt es sich um ein vom Bundesministe- mentiellen Erkrankungen ist insgesamt gut, und rium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes zwar sowohl bei häuslicher Versorgung als auch im Forschungsprojekt zur Untersuchung der Palliativ- Pflegeheim. Die Lebensqualität der Betroffenen versorgung von Menschen mit fortgeschrittener scheint überwiegend gut bis sehr gut zu sein. Das Demenz in Deutschland. Zwei Ärztinnen haben fast 200 Demenzkranke im Heim und zu Hause unter- sucht und mit ihren pflegenden Angehörigen gesprochen. Außerdem führten sie ausführliche Klinikum rechts der Isar Interviews mit 100 Hinterbliebenen von kürzlich Technische Universität München verstorbenen Menschen mit Demenz, um von den Palliativversorgung bei besonderen Problemen, Bedürfnissen und Wün- schen der pflegenden Angehörigen zu erfahren. fortgeschrittener Demenz: Ein gutes Ende Die beiden Neurologinnen, Dr. Carola Roßmeier und Dr. Julia Hartmann, berichten im Interview von der DIE EPYLOGE-STUDIE Studie und geben tiefe Einblicke in die Versor- se bnis Ein Expertenteam der Psychiatrischen Klinik der TU München unter Leitung gungsrealität von Menschen mit Demenz am e von Frau Professor Dr. Diehl-Schmid hat kürzlich die EPYLOGE-Studie ab- Erg geschlossen. Dabei handelt es sich um ein Forschungsprojekt zur Untersu- Lebensende. chung der Palliativversorgung von Patienten mit fortgeschrittener Demenz in Deutschland. Zwei Ärztinnen haben fast 200 Demenzkranke im Heim und zu 210/.-0,+.*/0)(+-0,'-&%+-%(*.,-$#-.".,'.,-!,".( *%".,-"./$*)(.,-1.%-.* (%.+.,-/%.-.%,.,-+%..,-%,%)-%,-'%.-.*/*"0,"/*.1%++-1&-..,/.,'.-!0 Sie befassen sich mit Palliativversorgung bei ßerdem führten sie ausführliche Interviews mit 100 Hinterbliebenen von kürzlich verstorbenen Menschen mit Demenz, um von den besonderen Problemen, Be- Demenz. Inwieweit spielt sie bei diesem Krank- '*,%//.,-0,'-,/)(.,-'.*-$#-.".,'.,-!,".( *%".,-0-.*1(*.,- Palliativversorgung bei Demenz? heitsbild eine Rolle? Palliativversorgung heißt Leiden lindern und Lebensqualität verbessern. Dabei Julia Hartmann: „Palliativ“ heißt Leiden lindern und beschränkt sich die Palliativversorgung weder auf Krebserkrankungen noch auf den Sterbeprozess. Etwa ab dem mittleren Stadium einer Demenz kann eine pal- der verbleibenden Lebenszeit mehr Qualität geben. liative Versorgung geboten sein. Gute Lebensqualität und friedvolles Sterben Palliativversorgung ist also nicht gleichzusetzen Unerwartet, jedoch beruhigend: Die EPYLOGE-Studie kam zu dem Ergebnis, dass bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz die Lebensqualität überwie- mit Sterbebegleitung und beschränkt sich auch ".,'-"0+-%/-/.(*-"0+-0-/.%,-/)(.%,+-!0)(-'1/-+.*.,- %*+-&.%/+- .,%"-.%' - 1,)(&1-.%.,- .')(- 0.,'.-./)( .*'.,- %.-!,"/+-'.*-,*0(.-0,.* nicht auf Tumorleiden. In den letzten Jahren rücken kannt oder unbehandelt. Diese Patienten müssen erkannt und therapiert werden! Früh und spät beginnende Demenz: fortgeschrittene Demenzerkrankungen zunehmend Die sehr jungen Patienten leiden mehr in den Fokus der Palliativmedizin. Spätestens zu Den meisten Menschen mit Demenz im jüngeren Lebensalter (erste Beschwer- den vor dem 65. Geburtstag) geht es, anders als befürchtet, am Lebensende Beginn des schweren Demenzstadiums stehen Le- nicht besonders schlecht. Die vergleichsweise jungen Patienten scheinen in ei- nem auf ältere Menschen zugeschnittenen Gesundheitssystem gut versorgt zu bensqualität und Wohlbefinden der Betroffenen /.%,-%,.-!0/,1(&.-/+.+- .')(-'%.-.%,.-*0$$.-'.*-/.(*- 0,".,-1+%.,+.,- dar. Diese Patienten, die schon vor dem 65. Lebensjahr an einer fortgeschritte- und ihrer Angehörigen im Vordergrund. ,.,-.&.,-.%'.,- .%/.,-(0-".*-.1/+.,'.-&$+&.-10-!0-'%./.-. /,'.*.-*0$$.-&0//- ,-#-.".,'.,-0,'-*+.,-.%,-!0".,&.*-".."+- .* den. Der Koordinator am Lebensende Die Erfahrung zeigt: Im Verlauf, vor allem aber am Lebensende, ist ein Lotse wichtig, der die Versorgung so koordiniert, dass der Patient und seine Familie so "0+- %.-& "%)(-.(1,'.+-0,'-.+*.0+- .*'.,
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