Himmelblau - kirchenkreis-niederlausitz.de

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Himmelblau
                                                                                            1

Evangelisch in der Niederlausitz – 2020

                                                       WASSER
                                                   BAUSTEIN DES LEBENS
IHR MÜSST EINFACH MEHR TUN!   KLIMASCHUTZ – EIN SCHNELLES          ANGST UND HOFFNUNG AUF DEM
Landwirte klagen gegen die    HANDELN IST NOTWENDIG                MITTELMEER
Bundesregierung               Zwei Schülerinnen organisieren die   Eine Flucht aus Afrika
                              Week-for-future
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2        INHALT

    INHALT
    THEMA                                                                                                                        VOR ORT

                                                          (Lausitzer Rundschau)

                                                                                                                                                               Foto: Franziska Dorn
                                                    Foto: Dirk Roßbach

                                                                                                                Foto: epd-Bild
     4 IHR MÜSST EINFACH MEHR 		                                                  12		 WO WALD IST, IST AUCH                     22 NOTIZEN AUS DEN REGIONEN
    		TUN!                                                                        		WASSER
    		 Landwirte klagen gegen die                                                 		Unterwegs mit Oberförster
    		Bundesregierung                                                             		 Jörg Dunger aus Lübben

     6 KLIMASCHUTZ –                                                              14 ANGST UND HOFFNUNG AUF
    		 EIN SCHNELLES HANDELN IST                                                  		 DEM MITTELMEER
    		NOTWENDIG                                                                   		 Eine Flucht aus Afrika
    		 Zwei Schülerinnen organisieren
    		 die Week-for-future                                                        15		 MAN LÄSST KEINE MENSCHEN                  ADRESSEN
                                                                                  		 ERTRINKEN. PUNKT.
     8 WASSER IN DER BIBEL                                                        		Ein Kommentar von                            30 REGION ALTDÖBERN, CALAU,
    		Ohne Wasser kein Leben. Das 		                                              		 Superintendent Thomas Köhler                		 LÜBBENAU, VETSCHAU
    		 weiß jedes Kind.
                                                                                  16		 KINDERTAUFE - PRO & CONTRA                30 REGION DOBERLUG
    		Buchtipp
                                                                                  18		 FRAGEN AN PRÖPSTIN                        31		 REGION FINSTERWALDE
    9		 WIR HABEN NACHGEFRAGT:                                                    		 CHRISTINA-MARIA BAMMEL
    		 Wo sind Ihre Wasserlieblings-                                                                                             32 REGION LÜBBEN
    		plätze?                                                                     19 WAS GESCHIEHT MIT DER
                                                                                  		KOLLEKTE?                                    33 REGION LUCKAU
    10 NAH AM WASSER!
    		 Was des Einen Gefahr, ist des 		                                           20 DER WEG DURCH DIE                           34 REGION SENFTENBERG
    		 Anderen Rettung                                                            		CORONA-KRISE
                                                                                  		 von Superintendent
                                                                                  		 Thomas Köhler

    Titelfoto: Die Kinder Maximilian, Isabella und Lorelay werden im Juni 2019 von
    Pfarrerin Astrid Schlüter am Gräbendorfer See getauft.
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EDITORIAL         3

                                                              EDITORIAL
                                                              Liebe Leserinnen und Leser,
Foto: Dietmar Seidel

                                                              „Es wird die Zeit kommen, in der Trinkwasser teurer sein wird als Gold und
                                                              Erdöl“, schreibt der Illustrator Frank Dommenz. Fast könnte man nach den
                                                              letzten zwei Sommern und diesem Frühjahr meinen, diese Zeit sei bereits da.
                                                              Bei einer Radtour durch das Tal der Unstrut im Sommer 2019 habe ich große
                                                              Waldflächen gesehen, die vertrocknet waren. Wir Menschen brauchen Wasser,
                                                              um Leben zu können, aber auch die Bäume, die Pflanzen und die Tiere. Und
                                                              zugleich können wir nicht leben, wenn Wasser im Überfluss da ist. Die Folgen
                                                              des Klimawandels zeigen sich neben der Trockenheit in immer neuen Über-
                                                              schwemmungen.

                                                              Wie gehen Menschen mit Wasser um? Diesem Thema widmet sich das dies-
                                                              jährige Heft Himmelblau. Wie geht die Landwirtschaft mit den Veränderungen
                                                              des Klimas um, wie die Förster? Wasser ist aber auch Gefahr beim Baden und
                                                              Rettung, wenn es brennt. Ein Rettungsschwimmer und ein Feuerwehrmann
                                                              berichten von ihrer Arbeit. Ein Geflüchteter erzählt davon, wie er dem Wasser
                                                              mit großer Angst begegnet ist. Und schließlich fragen wir, wo Ihre Wasserlieb-
                                                              lingsplätze sind. Ein Buch wird vorgestellt werden. Von manchen interessanten
                                                              Begebenheiten in den Gemeinden des Kirchenkreises wird berichtet.

                                                              Ich hoffe, dass Sie dieses Heft mit viel Freude und Gewinn lesen. Ich wünsche
                                                              uns und Ihnen, dass der kommende Sommer mehr Wasser mit sich bringt und
                                                              Sie so diesen Sommer genießen können und das trotz der Einschränkungen,

                       IMPRESSUM                              die die COVID 19-Epidemie mit sich bringt.

                       Herausgeber                            Seien Sie herzlich gegrüßt Ihr
                       Ev. Kirchenkreis Niederlausitz
                       Paul-Gerhardt-Str. 2, 15907 Lübben
                       (Spreewald)
                       Tel.: 03546 / 3122
                       suptur@kirchenkreis-niederlausitz.de

                       Redaktion
                                                              Thomas Köhler, Superintendent
                       Superintendent Thomas Köhler,          superintendent@kirchenkreis-niederlausitz.de
                       Marlies Siegert, Daniel Friedrich,
                       Franziska Dorn

                       Erscheinungsweise
                       einmal jährlich

                       Auflage
                       23.000

                       Layout & Satz
                       mapvertise agentur

                       Fotografien & Grafiken
                       siehe Angaben

                       Druck
                       Druckerei Wilkniß,
                       Massen/Niederlausitz
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4   WASSER | Ihr müsst einfach mehr tun!

IHR MÜSST EINFACH
MEHR TUN!

                                                                                            Heiner Lütke Schwien-
                                                                                            horst kam vor fast
                                                                                            30 Jahren aus dem
                                                                                            Münsterland nach
                                                                                            Brandenburg. Gemein-
                                                                                            sam mit seinem Sohn
                                                                                            führt er einen Biohof in
                                                                                            Ogrosen (Oberspree-
                                                                                            wald-Lausitz). Auf 400
                                                                                            Hektar Nutzfläche hält
                                                                                            er unter anderem 120
                                                                                            Milchkühe. Im Hofladen
                                                                                            gibt es Milchprodukte,
                                                                                            Fleisch und andere
                                                                                            Waren aus eigener
                                                                                            Produktion.

H   einer Lütke Schwienhorst (63)
    ist seit 29 Jahren Landwirt auf
Gut Ogrosen, einer ökologischen
                                           In der diesjährigen Ausgabe von
                                           Himmelblau beschäftigen wir uns
                                           mit dem Thema „Wasser“. Woran
                                                                                  eins. Das heißt, jeder Tropfen Wasser
                                                                                  weniger verringert direkt den Ertrag.
                                                                                  Selbst unsere bescheidenen Ernte-
Höfegemeinschaft zwischen Calau            denken Sie bei dem Begriff?            ziele konnten wir in den vergangenen
und Altdöbern. Vor zwei Jahren                 Ich als Landwirt denke daran,      beiden Jahren nicht erreichen. Statt-
reichte er gemeinsam mit anderen           das Wasser leider in den vergangen     dessen hatten wir rund 30 Prozent
Landwirten und unterstützt von             Jahren immer mehr zu einem knappen     Ertragseinbußen. Neben der wirt-
Greenpeace Klage gegen die Bun-            Gut geworden ist. Noch vor 10 Jahren   schaftlichen Ebene hat das auch eine
desregierung ein. Ihr Vorwurf: Die         hatten wir damit kein Problem. Aber    emotionale Ebene: Denn wenn die
Politik handle zu lasch gegen den          die zuletzt sehr niederschlagsarmen    Natur rings um uns nicht gut gedeiht,
Klimawandel. Zwar wurde die Klage          Sommer bekommen wir als erstes zu      ist das auch für die Seele bedrückend
zurückgewiesen, doch die Familie           spüren.                                und sorgt für schlechte Stimmung.
um Heiner Lütke Schwienhorst will
weiter kämpfen. Daniel Friedrich hat       Wie abhängig sind Sie vom Wasser?      Wieviel Wasser brauchen Sie denn
mit ihm gesprochen.                            Total abhängig. Da wir als Bio-    als Landwirt?
                                           betrieb nur wenig über die Düngung         500 bis 600 Liter pro Quadrat-
                                           steuern können, ist Wasser unser       meter im Jahr wären gut, und das
                                           ertragsbegrenzender Faktor Nummer      möglichst gleichmäßig verteilt. Vier
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Ihr müsst einfach mehr tun! | WASSER       5

                                                                                                                               Alle Fotos dieser Doppelseite: Daniel Friedrich
Wochen Trockenheit machen den Pflanzen schon ordent-          Welche Rolle spielt für Sie in dieser Frage Ihr christli-
lich zu schaffen.                                             cher Glaube?
                                                                 Ich sehe mich als konservativen Menschen, der die
Wie hat sich die Trockenheit für Sie bemerkbar ge-            Welt – so wie sie ist – bewahren möchte. Ich habe Res-
macht?                                                        pekt vor dem, was wir vorfinden. Wir greifen schon viel
   Vor allem die Getreideernte ging zurück: Weizen, Rog-      zu sehr in die Natur ein. Ich kann die Risiken des Klima-
gen, Hafer, Hirse – alles wuchs deutlich schlechter. Auch     wandels nicht einschätzen, aber ich fürchte, dass es nicht
das Feldfutter für unsere Kühe, also Klee zum Füttern,        gut enden wird. Und deshalb möchte ich nicht nur reden,
war weniger. Deshalb mussten wir welches dazukaufen.          sondern etwas tun.
Die Wasservorräte gingen insgesamt zuneige, das Grund-
wasser hat sich so tief in die Erde zurückgezogen, wie        Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
noch nie.                                                         Wir haben gesehen, dass der juristische Weg mittelmä-
                                                              ßig erfolgreich ist. Die Klage wurde zwar abgewiesen, aber
Ist das Ihrer Meinung nach nur eine Wetterkapriole            ist grundsätzlich bedeutsam. Mein Sohn Lucas beteiligt
gewesen oder schon Klimawandel?                               sich deshalb nun an einer Verfassungsbeschwerde, bei der
    Ich bin kein Wissenschaftler, aber sehe natürlich die     die deutsche Klimapolitik vom Bundesverfassungsgericht
Veränderungen. Die Vegetation setzt seit Jahren um Wo-        überprüft wird. Ich hoffe, dass die politischen Vertreter
chen früher ein und endet im Herbst später. Temperaturen      die Courage haben, künftig noch mehr gegen den Klima-
von über 35 Grad im Sommer gehörten in meiner Kindheit        wandel zu unternehmen. Das geht natürlich nur, wenn die
zur Ausnahme. Heute ist das normal. Deshalb glaube ich        Bevölkerung das auch mitträgt. Aber wenn ich die vielen
nicht, dass es nur mal eine Laune des Wetters ist.            (jungen) Menschen bei den Demonstrationen von „Fridays
                                                              for future“ sehe, bin ich optimistisch, dass es klappt!
Und deshalb haben Sie gegen die Bundesregierung
geklagt…
    Ich bin der Meinung, dass die Menschheit zurzeit für
eine dramatische Verschlechterung ihrer Lebensumstände
sorgt. Das macht sich insbesondere in der Landwirtschaft
bemerkbar. Die Klage war der Versuch, etwas juristisch da-
gegen zu unternehmen. Und weil die Gesellschaft selbst
zu wenig tut, ist es notwendig, dass von der Politik Klima-
schutz-Maßnahmen festgeschrieben werden. Die Bundes-
regierung wollte bis 2020 ihren Kohlendioxid-Ausstoß
um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren. Das hat
sie nicht geschafft, aber das blieb vollkommen folgenlos.
Unsere Klage sollte ein Zeichen sein: Ihr MÜSST einfach
                                                                                                                           Grafik: Lydia Prien

mehr tun!
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6   WASSER | Klimaschutz – ein schnelles Handeln ist notwendig
Foto: Daniel Roßbach (Lausitzer Rundschau)

                                             KLIMASCHUTZ –
                                             EIN SCHNELLES HANDELN
                                             IST NOTWENDIG
                                             W      enn Anna-Dorothea Zug künftig in der Mensa ihrer
                                                    Schule den Joghurt aus einem Glas löffelt, hat sie
                                             eins ihrer Ziele erreicht. Die Schülerin am evangelischen
                                                                                                          ture“. Inspiriert durch die Teilnahmen an Fridays-for-fu-
                                                                                                          ture-Demonstrationen, organisierten sie an ihrer Schule
                                                                                                          eine Klimaschutzwoche.
                                             Gymnasium in Doberlug-Kirchhain setzt sich für klima-
                                             freundliches Handeln ein. Sie und Rayén Clare Laferte        Das Gespräch mit Anna-Dorothea Zug führte Franziska
                                             sind Köpfe eines Organisationsteams der „Week for Fu-        Dorn.
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Klimaschutz – ein schnelles Handeln ist notwendig | WASSER         7

Die Week-for-Future
war wichtig, weil …

    … der Geist von Fri-
days-for-Future in Dober-
lug-Kirchhain einfach noch
nicht angekommen war.                                                                                      *
Viele meiner Mitschülerin-
nen und Mitschüler wussten
sehr wenig über die Klima-
bewegung. Ich bin wie viele
andere und im Übrigen auch
die Wissenschaft überzeugt
davon, dass ein schnelles

                                                                                                                                    Grafik: Lydia Prien
Handeln notwendig ist,                                *
wenn wir die Klimaerwär-
mung aufhalten wollen. Bei
unseren Mitschülerinnen
und Mitschülern sind wir      * Wasserfußabdruck = die in dem Produkt verarbeitete Wassermenge
auf offene Ohren gestoßen.
Die Lehrerschaft war etwas
verhaltener. Es stand ein     und in das Wasserwerk in          brauch der Fahrzeugflotte        Unsere Arbeit ist
großer Organisationsauf-      Doberlug-Kirchhain. Ver-          kommt auf den Prüfstand.         manchmal schwer,
wand dahinter. Am Ende zo-    packungsmüll war ein              Ein neues logistisches           weil …
gen alle mit. Rückblickend    Thema, genauso wie                Konzept soll den Verbrauch
war die Woche ein Erfolg.     vegane und vegetarische           verringern.                          … die Auswirkungen
                              Ernährung. Themen waren                                            unseres Handelns nicht
                              Einkaufen, Kleidung und                                            direkt spürbar sind. Was wir
Die Week-for-Future ist       Mode.                             Wir machen weiter,               heute bewirken, kommt den
mehr als Klimaprotest,                                          weil …                           nachfolgenden Generatio-
weil …                                                                                           nen zugute. Oft fühlen wir
                              Das Projekt war ein                    … das Thema Klima-          uns nicht ernst genommen.
    … für uns von Beginn      Erfolg, weil …                    schutz keine Eintagsfliege       Für unsere Week-for-Future
an klar war, dass wir nicht                                     ist. Wir müssen noch             haben wir viel Lob bekom-
nur protestieren wollen,          … ich spüre, dass wir         deutlicher zeigen, dass          men. Schöner wären aber
sondern uns mit konkreten,    viele Jugendliche sensibili-      jeder mit kleinen Schritten      Gesprächsangebote von
sofort umsetzbaren Maß-       sieren konnten. Mitschüler        und kleinen Maßnahmen            der Politik und anderen
nahmen beschäftigen wol-      kommen auf mich zu und            den Klimawandel aufhalten        gesellschaftlichen Akteuren
len. Auch Umweltthemen        berichten, dass sie die-          kann. Wir wünschen uns,          gewesen. Ich ärgere mich
sollten eine Rolle spielen.   ses oder jenes an ihrem           dass die Politik mehr Maß-       über die Menschen, die
Wir haben Bäume gepflanzt     Lebensstil geändert haben.        nahmen ergreift.                 Greta Thunberg als Person
und Schulhofmöbel aus         Ich denke, wir haben viele                                         verhöhnen. Sie hat so viel
Paletten gebaut. Es ist ein   aufrütteln können. Es gibt                                         angestoßen.
Konzept für ein grünes        außerdem ganz konkrete
Klassenzimmer entstanden.     Pläne für unsere Schule.
An einer Station konnte       Zum Beispiel soll es in der          Anna-Dorothea Zug besucht die zwölfte Klasse am
Kosmetik nach Mikroplastik    Mensa Joghurt ausschließ-         evangelischen Gymnasium in Doberlug-Kirchhain. Nach
untersucht und eigene Kos-    lich aus Gläsern geben. Wir       dem Abitur will die 17-Jährige ein freiwilliges Ökologi-
metik hergestellt werden.     sind mit dem Schulträger          sches Jahr machen. Sie ist bei Bündnis90/Die Grünen
Es gab Exkursionen in das     über Solarpaneels im              aktiv.
Kraftwerk Schwarze Pumpe      Gespräch. Der Benzinver-          www.week-for-future.com »
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8   WASSER | Wasser in der Bibel

WASSER IN DER BIBEL

Ohne Wasser kein Leben.                                       Stein zu schlagen, aus dem daraufhin Wasser herausläuft
                                                              (2. Mose 17).
Das weiß jedes Kind.                                               Eben weil Wasser kostbar und lebensspendend war
                                                              und ist, nutzt die Bibel dieses Element als Vergleich, um
     Was erzählt die Bibel über Wasser? Sie stammt aus        das Leben mit Gott, die Sehnsucht nach Gott mit Bildern
einem Land, das Trockenheit, Dürre und Wüste kennt.           auszudrücken:
Und doch oder gerade deswegen erzählt die Bibel Was-               „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so
sergeschichten.                                               schreit meine Seele, Gott, zu dir.“ (Psalm 42) oder „Bei dir
     Es gibt Geschichten, die zeigen wie bedrohlich und       ist die Quelle des Lebens“ (Psalm 36,10).
gefährlich Wasser sein kann: Die Sintflut, die die Erde be-        Für Christ*innen hat Wasser noch eine wichtige Rolle
deckt und alles Leben zerstört. Nur Noah, der auf Geheiß      in der Taufe. Wir taufen mit Wasser auf den Namen des
Gottes ein Schiff baute, überlebt mit seiner Familie und      Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes (Mt 28). Die
den Tieren (1. Mose 6).                                       Taufe ist das sichtbare Zeichen der Zugehörigkeit zur
     Oder bei der Flucht der Israeliten aus Ägypten: Mose     Kirche. Das Wasser ist das sichtbare Element. Jesus sagt
teilt das Schilfmeer und das Volk Israel kann trockenen       von sich selbst, dass er die Quelle ist, die den Lebensdurst
Fußes hindurchziehen – die ägyptische Armee hingegen,         stillt (Joh 4). Ohne Wasser kein Leben. Das weiß die Bibel
die die Fliehenden verfolgt, wird von den wieder zusam-       wohl und erzählt Wassergeschichten und malt Wasser-
menschlagenden Wellen ergriffen und ertrinkt (2. Mose         bilder in Verbindung mit Gott. Die Bibel erzählt von Erleb-
14).                                                          nissen, die Gott und Wasser ganz eng miteinander verbin-
     Und Wasser rettet Leben: das Volk Israel irrt nach der   den. Menschen haben erfahren, dass es genauso wenig ein
geglückten Flucht vor den Ägyptern durch die Wüste und        Leben ohne Gott geben kann wie ein Leben ohne Wasser.
hat Durst. Gott befiehlt Mose, mit seinem Stab an einen       Ulrike Garve, Pfarrerin in Lübbenau

BUCHTIPP VON UTE KÖHLER

Der lange Weg zum Wasser von Linda Sue Park
   Wie selbstverständlich ist es für uns,      sen, um sich in der Nähe einer größeren
den Wasserhahn aufzudrehen. Wasser –           Wasserstelle niederzulassen, die noch nicht
so viel wir wollen. Sauber und keimfrei.       versiegt ist, so wie jetzt der Tümpel.
Wir denken nicht darüber nach.                     Salvas Situation ist furchtbar. Seine
                                               Geschichte im Buch beginnt im Jahr 1985.
    Afrika. Südsudan. Die 11-jährige Nya       Durch den Krieg im Sudan ist er jahrelang
ist dafür verantwortlich, für ihre Familie     auf der Flucht. Ohne Familie. Er weiß
Wasser zu holen. Den ganzen Tag ist sie        nicht, ob seine Eltern und Geschwister den
dafür unterwegs. Sie läuft zu einem weit       Überfall auf ihr Dorf überlebt haben. Auch
entfernten Tümpel und schöpft es in einen      wenn er bald seinen Onkel trifft, der sich
Kanister. „Nachdem sie gerade lange genug      seiner annimmt, bleiben seine Ängste und
zu Hause gewesen war, um etwas zu essen,       Sorgen.
würde Nya nun ihren zweiten Gang zur               Linda Sue Park erzählt die Geschichte
Wasserstelle unternehmen. Zum Tümpel           zweier Kinder. Sie beschreibt diese ein-        Der lange Weg zum Wasser
und wieder zurück – zum Tümpel und             drücklich und klar. Die beiden Erzählsträn-     von Linda Sue Park
wieder zurück; insgesamt war sie fast den      ge heben sich durch ein unterschiedliches       Taschenbuch: 128 Seiten
ganzen Tag auf den Beinen. Es war Nyas         Schriftbild und klare Zeitangaben gut von-      arsEdition
fester Ablauf, sieben Monate im Jahr. An       einander ab. Die Autorin erzählt eine wahre     4. Auflage Januar 2016
jedem einzelnen Tag.“ In den restlichen        Geschichte, die berührt. Sie ist spannend       ISBN: 978-3845812373
fünf Monaten des Jahres – in der Trocken-      und leicht zu lesen und sowohl für Jugend-
zeit – muss Nyas Familie das Dorf verlas-      liche als auch für Erwachsene geeignet.
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Wir haben nachgefragt: Wo sind Ihre Wasserlieblingsplätze? | WASSER      9

Wir haben nachgefragt:
WO SIND IHRE
WASSERLIEBLINGS-

                                                                                                                                 Foto: Marlies Siegert
PLÄTZE?
 Als Spreewälderin verbringe ich
 meine Freizeit sehr gern am Wasser.             Mein Lieblingsplatz am Wasser ist am               Meine Wasserlieblings-
 An der Spree, inmitten der Natur,               Eierpieler. Das kleine Moor liegt am Rande         plätze sind ganz ein-
 fühle ich mich Gott ganz nah. Hier              der Bürgerheide zwischen Eichholz und              deutig der Strand von
 genieße ich die Ruhe fernab vom                 Finsterwalde. Dort herrscht eine ganz              Hiddensee und das
 hektischen Alltag. Ich erfreue mich             besondere Atmosphäre. Am und im Heide-             Außenbecken vom Mine-
 daran, wie die Sonne auf der Was-               moor wachsen Pflanzen wie Wollgras,                ralforum im Wonnemar
 seroberfläche glitzert. Ich beobach-            Glockenheide, verschiedene Moose und               (Bad Liebenwerda).
 te die Fischschwärme, die im Wasser             Seerosen. Der Blick über das Gewässer in
 schwimmen oder Libellen, die dicht                                                                 Angelika Kupsch,
                                                 Richtung Stadt ist einmalig.
 über der Wasseroberfläche fliegen.                                                                 Rückersdorf
 Die Natur ist wahrlich ein Zeugnis              Dieter Babbe, Finsterwalde
 für die Schönheit der Schöpfung.
 Diese gilt es zu bewahren.

 Maria Lehmann, Lübbenau
                                                                               Ich fühle mich im Lausitzer Seenland sehr
                                                                               wohl. Wenn man in Großräschen oder in
                                                                               Senftenberg am Hafen steht, fühlt man
    Wenn es um Lieblingsplätze in meiner Heimat geht, dann                     sich wie im Urlaub. Es hat sich dort in den
    ist der Blaue See einer meiner Favoriten. Hier finde ich                   letzten Jahren sehr viel getan.
    alles, was zum Ausspannen und Durchatmen dazugehört:
    Ruhe, Natur und Abgeschiedenheit. Ein gemütlicher Wan-                     Gabriele Heinrich, Welzow
    derweg führt rund um den See und lädt zum Verweilen
    und Entspannen ein. Da fällt mir nur noch Goethes Zitat
    aus dem Osterspaziergang ein: „Hier bin ich Mensch, hier
    darf ich’s sein.“ Der Blaue See liegt am nördlichen Rand
    des Naturparks Niederlausitzer Heidelandschaft südlich               Mein Lieblingswasserplatz ist der
    von Doberlug. Dort wurde bis 1907 Braunkohle abgebaut.               Stechlinsee. Dort herrscht „Natur
    Die entstandenen Tagebaurestlöcher wurden mit Wasser                 pur“. Es gibt keine Badeinfrastruktur.
    geflutet. Mehrere Teiche entstanden, darunter auch der               Uralte Eichen und Buchen säumen
                                                                         die wunderbare Uferlandschaft.
    sogenannte Blaue See.

    Christian Heinrich-Jaschinski, Elsterwerda                           Kathrin Hülle, Doberlug-Kirchhain
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10   WASSER | Nah am Wasser!
Foto: Franziska Dorn

                        NAH AM WASSER!
                       L   isa Wildemann aus Senftenberg,
                           Uwe Schwarze aus Doberlug-
                        Kirchhain und Dirk Langheinrich aus
                                                              dort anzutreffen. Das Freibad gibt es
                                                              schon lange nicht mehr. Uwe Schwar-
                                                              zes Leidenschaft für das Wasser ist
                                                                                                       bildung, Tauchunterricht. Im Sommer
                                                                                                       bleiben die Türen der Schwimmhalle
                                                                                                       geschlossen. Dann ist der vierfache
                        Schönborn helfen Menschen. Ein        geblieben. Heute ist er die Instanz      Ironman-Teilnehmer als Rettungs-
                        Leben ohne ihr Engagement nah am      in Sachen Wassersport in und um          schwimmer in Bad Erna anzutreffen.
                        Wasser kann sich keiner von ihnen     Doberlug-Kirchhain. In den Winter-       Dort sorgt er dafür, dass am Ende des
                        vorstellen.                           monaten ist der 58-Jährige täglich in    Badetages alle unbeschadet aus dem
                                                              der kleinen Schwimmhalle in Dober-       Wasser kommen. Der Badesee in Bad
                           Er behauptet von sich, im          lug-Kirchhain anzutreffen. Dort bringt   Erna ist ein malerisches Fleckchen
                        Schwimmbad groß geworden zu sein.     er Kindern das Schwimmen bei. Mehr       Erde mit Seebadflair: Weißer Strand
                        Mit fünf Jahren hat er im Freibad     als 1000-mal hat er seine Unterschrift   mit Spielplatz, Gartenlokal mit See-
                        der Stadt Doberlug-Kirchhain das      auf die ersehnte Seepferdchen-Urkun-     blick, am gegenüberliegenden Ufer
                        Schwimmen gelernt. Ab da war er,      de gesetzt. Dazu kommen Senioren-        reihen sich kleine Häuschen aneinan-
                        wenn es das Wetter zuließ, täglich    schwimmen, Rettungsschwimmeraus-         der: idyllisch und friedlich.
Nah am Wasser! | WASSER         11

DIE WASSER-              Wenn ich was zu sagen hätte:                 Natur. „Gut ist es, wenn uns das rettende
LIEBINGSPLÄTZE           Badekappe auf!                               Wasser ausreichend zur Verfügung steht,
UNSERER HELFER                                                        anders zum Beispiel als in Australien oder
                             Wie jedes Wasser birgt aber auch Bad     manchen anderen Teilen der Welt“, sagt
                         Erna Gefahren. Das haben dort in den         Langheinrich. Was die beiden Freunde eint,
„Im Sommer ist der       vergangenen drei Jahren mindestens acht      ist das Engagement für andere. „Helfen ist
Senftenberger See        Menschen zu spüren bekommen. „Wenn ich       eine tolle, aber auch verantwortungsvolle
morgens und abends       die Personen nicht gerettet hätte, wären     Aufgabe“, sagen sie.
am schönsten. Wenn       sie mit Sicherheit nicht lebend aus dem
das Wasser ruhig ist     Wasser gekommen“, erinnert sich Schwar-
und wenig Betrieb        ze. Panik- und Angstattacken seien der       Ehrenamt in einer wachsenden
herrscht. Auch im        Hauptgrund dafür, dass die Menschen sich     Seenlandschaft
Winter habe ich schon    plötzlich nicht mehr über Wasser halten
tolle Momente am See     könnten. Ein bisschen mehr Respekt vor           Genauso sieht es Lisa Wildemann aus
erlebt.“                 dem Wasser wünsche er sich insbesondere      Senftenberg. Die 28-Jährige leitet das Team
Lisa Wildemann           von einer Personengruppe, nämlich den Se-    der Senftenberger Wasserwacht des DRK.
                         niorinnen und Senioren. „Einige von ihnen    Ihre Leidenschaft für das Wasser verbindet
„Der See in Bad Erna     neigen zu Selbstüberschätzung“, formuliert   sie mit der Arbeit bei der Wasserwacht.
ist am Abend am          es Schwarze vorsichtig. Er selbst hat alle   Auch sie hat als Kind die Leidenschaft fürs
schönsten. Wenn die      Ausbildungsstufen eines Rettungsschwim-      Schwimmen gepackt. Im Leistungssport
Badegäste nach und       mers, dennoch würde er niemals quer          hat sie keine Perspektive für sich gesehen.
nach den Strand ver-     durch die Mitte eines Sees schwimmen.        Es war der soziale Aspekt, der sie schließ-
lassen und alles ruhig   „Es gibt keinen Grund dazu. In Ufernähe      lich zur Wasserwacht führte. Im Sommer
und still wird.“         schwimmt es sich ganz genauso gut“, sagt     ist sie an den Wochenenden mit ihren
Uwe Schwarze             er. Und allen Seeschwimmern gibt er auf      Kolleginnen und Kollegen von der Wach-
                         den Weg: Badekappe auf, am besten in         station in Großkoschen im Einsatz. Bei
                         einer Neonfarbe! So einfach das Mittel,      ihren Patrouillen auf dem See helfen sie
                         so groß die Wirkung, wenn man auf dem        erschöpften Schwimmern und Paddlern.
                         Wasser in Gefahr gerät.                      Ab und an müssen sie Segler abschleppen.
                                                                      Natürlich bleiben die Badenden im Blick.
                                                                      Denen, die weite Strecken schwimmen
                         Was des Einen Gefahr, ist des                wollen, rät Wildemann dringend, so nah
                         Anderen Rettung                              wie möglich am Ufer zu schwimmen. In
                                                                      den Ferienzeiten decken sie und ihr Team
                             Feuerwehrmann Dirk Langheinrich          täglich die Wacht am Wasser ab. Wenn die
                         aus Schönborn kommt regelmäßig zu            Saison vorbei ist, leitet sie mit ihrem Team
                         Schwarze in die Schwimmhalle oder den        Schwimmkurse für Kinder und die Trai-
                         See, um sich als Rettungsschwimmer fit       ningseinheiten der Rettungsschwimmer.
                         zu halten. Die beiden sind gute Freunde.     Mit ihrem im vergangenen Jahr abge-
                         Natürlich drehen sich ihre Gespräche         schlossenen Master für Wasserwirtschaft
                         immer mal auch um das Thema Wasser.          bleibt Lisa Wildemann dem Element sogar
                         Für Langheinrich als Feuerwehrmann gibt      beruflich treu. Das Arbeiten im Lausitzer
                         es da noch die rettende Dimension des        Seenland ist eine große Erfüllung für Wil-
                         Wassers. Immer dann, wenn er zu einem        demann. „Ich sehe das Seenland wachsen
                         Wohnungsbrand gerufen wird, werde das        und sich entwickeln und war bei der Eröff-
                         besonders deutlich, sagt er. Oder wenn er    nung des Koschener Kanals dabei. Das war
                         an den vergangenen Sommer denkt, als         für mich sehr beeindruckend. Das Seenland
                         er und seine Kameraden die Ausbreitung       wird eine einmalig schöne Wasserland-
                         der verheerenden Waldbrände verhin-          schaft werden.“
                         derten. Wasser rettet Menschen und die
12   WASSER | Wo Wald ist, ist auch Wasser

 WO WALD IST,
 IST AUCH WASSER
 Unterwegs mit Oberförster
                                                                                               Wir müssen die
 Jörg Dunger aus Lübben                                                                           Wälder so
                                                                                             entwickeln, dass sie
                                                                                             der ursprünglichen

 W     enn Jörg Dunger durch die Wälder zwischen Groß
       Wasserburg und Fürstlich Drehna streift, dann
 stehen ihm Sorgenfalten ins Gesicht geschrieben. „Un-
                                                                                                 natürlichen
                                                                                                 Vegetation
 serem Wald geht es nach zwei extrem trockenen Jahren                                           nahekommen.
 sehr schlecht“, sagt er und deutet beispielhaft auf die                                       Solche Wälder
 Fichten hin: „Sie sterben fast alle ab, die Schädlinge tun
                                                                                              kommen auch mit
 ihr Übriges.“ Die milden Winter und trockenen Sommer
 haben die Zahl der Schadinsekten kräftig steigen lassen.                                        den neuen
 Sie fühlen sich in den zusätzlich durch Sturm gebeutel-                                     Bedingungen besser
 ten Wäldern wohl und sorgen durch ihren Fraß auch für
                                                                                                    klar.
 hohe wirtschaftliche Schäden: „Weil viel Schadholz auf
 dem Markt ist, sinkt überall in Europa der Holzpreis“,                                            Jörg Dunger
 erklärt Jörg Dunger die weitreichenden Folgen.

     Dabei sind Wälder viel mehr als nur eine nachwachsen-
 de Rohstoffquelle: Der Wald sorgt für saubere Luft, dient
 Menschen zur Erholung und unzähligen Tier- und Pflanzen-
 arten als Lebensraum. Vor allem für den Wasserhaushalt
 ist der Wald von großer Bedeutung. „Eine alte Eiche am
 Waldrand besteht etwa zur Hälfte aus Wasser“, sagt Jörg
 Dunger. Das Wasser werde nicht nur in den Zellwänden
 und Leitungsbahnen des Baumes gespeichert, sondern
 auch im dichten Wurzelgeflecht unter der Erde. Selbst
 Totholz am Waldboden halte jede Menge Feuchtigkeit. Bei
 Trockenheit schützt das Laub der Baumkronen den Boden
 vor Verdunstung. Zudem werde Regenwasser im Waldbo-
 den gefiltert und so zu frischem, sauberen Grundwasser.

     Oberförster Jörg Dunger ist für rund 15.000 Hektar       er: „Wir müssen die Wälder so entwickeln, dass sie der ur-
 Wald rund um Lübben verantwortlich. Rund 2.500 Hektar        sprünglichen natürlichen Vegetation nahekommen. Solche
 davon befinden sich im Spreewald. Während dieses Gebiet      Wälder kommen auch mit den neuen Bedingungen besser
 in den vergangenen Dürre-Sommern dank seiner unzähli-        klar“, ist er überzeugt. Traubeneichen, Birken, Buchen und
 gen Fließe noch glimpflich davon gekommen ist, sieht es      Ebereschen könnten den so wichtigen Wandel in den
 schon ein Stückchen außerhalb der Lagunenlandschaft          Wäldern voranbringen, für mehr Vielfalt sorgen und die
 weniger erfreulich aus. Und da Jörg Dunger für die Zu-       Bäume damit widerstandsfähiger gegen den Klimawandel
 kunft immer häufiger niederschlagsarme, lange Sommer         und seine Folgen machen. Doch bis in der Niederlausitz –
 erwartet, müsse sich grundsätzlich etwas ändern, meint       wie schon vor Jahrhunderten einmal – wieder große Laub-
Wo Wald ist, ist auch Wasser | WASSER   13

Foto: Marlies Siegert

         Mischwälder vorkommen, wird es noch Jahrzehnte dauern.
         Eine Aufgabe, die Jörg Dunger eines Tages an seine jungen
         Kolleg*innen weitergeben wird. „Wir werden schließlich
         daran gemessen, was für einen Wald wir nachfolgenden
         Generationen hinterlassen“, ist sein Credo.

         Autor: Daniel Friedrich
                                                                                                             Grafik: Lydia Prien
14   WASSER | Angst und Hoffnung lagen auf dem Mittelmeer

                  ANGST UND HOFFNUNG
                  AUF DEM MITTELMEER
                                                                                                    Einsatz der 13. Crew der „Sea-
                                                                                                    Watch 2 “ am 27. Oktober 2016 im
                                                                                                    Mittelmeer. Am Morgen wurde
                                                                                                    ein Schlauchboot mit ca. 130
                                                                                                    Menschen an Bord gemeldet.

                                                                                                    sechs langen Stunden werden sie von
                                                                                                    einem Schiff unter italienischer Flag-
                                                                                                    ge aufgenommen. Das kreuzt weiter
                                                                                                    über das Meer und nimmt Geflüchte-
                                                                                                    te von anderen Booten auf. Bis sie in
                                                                                                    Sizilien an Land gehen dürfen, dauert
                                                                                                    es drei weitere Tage. Zermürbende
                                                                                                    Tage mit wenig Schlaf und wenig
                                                                                                    Essen. Das Warten wird unerträglich.
                                                                                                    Die Stimmung ist gereizt. Dann das
                                                                                                    Ankommen in Sizilien. Die Menschen
                                                                                                    sind freundlich und herzlich. „Ganz
                                                                                                    anders als in Libyen“, sagt Rehase.
                                                                                                    5.000 Dollar hat seine Familie für

                 N    ein, Angst vor Wasser habe           durch den Sudan nach Libyen, wo in       seine Flucht an eine Schleuseror-
Foto: epd-Bild

                      er nicht. Einige Male sei er am      diesem Winter viele Hundert Men-         ganisation gezahlt. Warum fliehen
                  Rückersdorfer See gewesen, einmal        schen mit ihm auf die ersehnte Über-     Männer wie Rehase aus einem Land,
                  im Finsterwalder Schwimmbad mit          fahrt nach Europa warten. Dann geht      in dem Frieden herrscht? Der Staat
                  Freunden. Rehase aus Eritrea gehört      es los. Alle sind froh. Endlich weg      ist militarisiert. Alle Einwohner wer-
                  nicht zu den vielen traumatisierten      aus Libyen! 300 Menschen werden in       den zu unbefristetem Nationaldienst,
                  Flüchtlingen, die ihre Angst vor Ge-     ein Boot gepfercht, das für etwa 150     der in den meisten Fällen viele Jahre
                  wässern kaum überwinden können.          ausgelegt war. Darunter sind Frauen      dauert, verpflichtet. Bezahlt wird ein
                  Er hat Glück. Trotzdem: Wenn der         und Kinder. Mobiltelefone sind streng    Taschengeld. Vor allem junge Eritreer,
                  32-Jährige von seiner Flucht über das    verboten. Persönliche Dinge müssen       wie Rehase, wollen diesem Zwangs-
                  Mittelmeer spricht, erstickt seine       zurückbleiben. Schwimmwesten             arbeitssystem entkommen. Rehase
                  Stimme. „Angst, Angst, Angst. Wir        gibt es nicht, nicht einmal für die      spricht ungern über seine Flucht. Zu
                  hatten so große Angst“, sagt er.         Kinder. Es wird zur Ruhe gemahnt.        stark sind die Erinnerungen. Eins wird
                                                           Wer ängstlich oder nervös wirkt,         aber deutlich: Die größte Hoffnung,
                      Winter 2014: Ein libyscher Küs-      muss wieder aussteigen. Das über-        aber auch die größte Gefahr lagen
                  tenort, an dessen Namen Rehase sich      füllte Boot wird auf das Mittelmeer      auf dem Wasser. Nach Stationen in
                  nicht mehr erinnert. Tagelang schon      getrieben. Die See meint es gut mit      Eisenhüttenstadt und Finsterwalde,
                  harrt er mit vielen anderen in einem     den Menschen. Diesmal kommt kein         wo er einen Beruf gelernt hat, lebt
                  Camp aus. Die Bedingungen sind           Sturm auf. Sie müssen nicht, wie viele   Rehase inzwischen in Solingen. Er ist
                  unmenschlich. Die „Aufseher“, wie er     andere vor und nach ihnen, wieder zu-    berufstätig und gilt als integriert. Seit
                  sie nennt, sind grob und unfreundlich.   rück und auf einen erneuten Versuch      2015 versucht er, seine Frau und seine
                  Ein beschwerlicher Weg liegt hinter      warten. Auf dem Wasser verharren         Tochter, die noch in Äthiopien leben,
                  ihm. Zu Fuß floh er aus Eritrea nach     alle in schweigender Angst, mit dem      nach Deutschland zu holen.
                  Äthiopien. Dort holten ihn die Schleu-   Wissen: Das Mittelmeer ist ein großes
                  ser mit einem LKW ab. Die Fahrt ging     Grab für Menschen wie sie. Nach          Autorin: Franziska Dorn
Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt. | WASSER       15

D    ie Synode der Evan-
     gelischen Kirche in
Deutschland hat im letzten
Jahr beschlossen, ein
Schiff zu kaufen, um die
Seenotrettung im Mittel-
meer zu unterstützen. Im
Dezember 2019 begann die
Spendensammlung unter
dem Motto „Wir schicken
ein Schiff“. Zahlreiche
Institutionen haben sich
angeschlossen. Auf ihrer
Herbsttagung hat auch die
Kreissynode unseres Kir-
chenkreises beschlossen,
die am 5. Juli 2020 in unse-
ren Kirchen gesammelten
Kollekten in das Projekt
fließen zu lassen.

Kommentar von                   Abkommen Pflicht für alle       Menschen, die in Not sind.      hat. Sie hat die Kollekte,
Superintendent                  Küstenstaaten. Wenn es          Die Frage der Rettung aus       die in den Gottesdiensten
Thomas Köhler:                  um ein beliebiges Schiff        Not und die Frage des Blei-     am 5. Juli gesammelt wird,
                                in Seenot ginge, würde          berechtes dürfen nicht mit-     für die Flüchtlingshilfe im
    Ist es Aufgabe der          das auch niemand infrage        einander verknüpft werden.      Mittelmeer bestimmt. Da-
Kirche, Flüchtlinge auf         stellen. Für die Schiffe im     Auch die Diskussion, ob die     mit wird mit Leben erfüllt,
dem Mittelmeer zu retten?       Mittelmeer jedoch wird          Retter nicht die Sache der      was Pfarrerin Sandra Bils,
So fragen immer wieder          diese Frage diskutiert, weil    Schlepper betreiben, weil       Hannover, während des
Menschen. Die Landessyn-        es sich dort um Menschen        sich die Schlepper auf die      Abschlussgottesdienstes
ode unserer Kirche hat im       handelt, die als Migrantin-     Retter verlassen, ist schein-   des Kirchentages von
November dieses Ansinnen        nen und Migranten nach          heilig. Als könnten wir         Dortmund im letzten Juni
unterstützt. Dabei sollen       Europa kommen wollen. Sie       Menschen ertrinken lassen,      gepredigt hat: „Man lässt
keine Kirchensteuermit-         werden in Nordafrika, oft in    damit Schlepper weniger         keine Menschen ertrinken.
tel Verwendung finden,          Libyen, von Schleppern auf      verdienen. Menschen in Not      Punkt.“
sondern nur Spenden und         nicht seetauglichen Booten      muss geholfen werden.
Kollekten. Das Schiff wird      auf das Meer geschickt und      Dafür stehen wir Christen
dabei nicht von der Kirche      geraten häufig sehr bald        ein. Wer diese Menschen
betrieben, sondern von          in Seenot. Diese Menschen       sind und was sie sonst
einem Verein.                   wollen oder können aus          noch wollen, das ist eine
                                verschiedensten Gründen         Frage, die sich erst nach
    Aber ist das Aufgabe        nicht mehr in ihrer Heimat      der Rettung stellt. Ich bin
der Kirche? Die Menschen,       leben. Nicht für alle wird es   froh und dankbar, dass sich
die in Seenot sind, zu ret-     ein Bleiberecht in Europa       unsere Kreissynode dieser
ten, ist nach internationalen   geben. Und doch sind es         Meinung angeschlossen
16   WASSER | Kindertaufe – Pro & Contra

 KINDERTAUFE
 PRO & CONTRA
                                                               lichen Wert, den wir für Gott haben.       lange taufen lassen, bis er nimmermehr
                                                               Gott sagt „Ja“ zu uns, so wie wir sind.    fallen oder ohne Glauben sein kann.“
                                                               Und so taufen wir Kinder. Das ist gut.     Luther deckt hierdurch die heimliche
                                                               Denn Gottes Liebe zu uns hängt nicht       „Werkerei“ auf, die hinter den Einwän-
                                                               von unserem Alter, unserer Einsicht, un-   den gegen die Kindertaufe steckt: Ich
                                                               serer Mühe und unserem Glauben ab.“        muss durch meinen Glauben die Taufe
                                                                                                          gültig machen. Damit ist der Mensch
                                                                    Auch im neuen Testament finden        auf sich selbst und seine Glaubens-
                                        Foto: Franziska Dorn

                                                               sich Hinweise, dass auch Kinder getauft    leistung zurückgeworfen.
                                                               wurden: Da gibt es die sogenannten
                                                               „Hausformeln“ in der Apostelgeschich-          Wieder Luther: „Es ist ein völlig
                                                               te, in denen es heißt: „Er/sie ließ sich   ander Ding, den Glauben haben und
                                                               taufen mit seinem ganzen Hause.“           sich auf den Glauben verlassen und so
                                                                                                          sich darauf taufen lassen.“ Modern aus-

 Pro
                                                                  Taufe ist Zeichen der Begleitung        gedrückt: Die Taufe trägt den Glauben,
                                                               Gottes am Beginn eines Weges hin zu        aber nicht der Glaube die Taufe. Luther
                                                               ihm! Wie ein Wegzeichen, das Richtung      sagt: „An der Taufe fehlet nichts, am

 J a, ich freue mich über jedes
   kleine Kind im Taufgottesdienst,
 das manchmal lautstark die Taufe
                                                               und Ziel angibt.

                                                                   Ja, ich bin beeindruckt, wenn ein
                                                                                                          Glauben fehlt es immerdar!“

                                                                                                              Ich lebe fröhlich und gewiss,
 kommentiert. Ich freue mich über                              erwachsener Mensch aus eigener             denn vor vielen Jahren bin ich getauft
 Eltern und Paten, die vor Gott und                            Entscheidung heraus seinen Glauben         worden, sicher ohne mein Zutun. Das
 der Gemeinde versprechen, diesem                              bekennt und um die Taufe bittet. Aber      braucht‘s auch nicht, denn Gott hat „Ja“
 Kind den Glauben an Jesus Christus                            wann habe ich genug Glauben, dass          zu mir gesagt, und „Fürchte dich nicht,
 nahezubringen.                                                es für die Taufe reicht? Ich selbst bin    ich habe dich bei deinem Namen geru-
                                                               manchmal doch näher am Ruf der ak-         fen, du bist mein!“ (Jesaja 43,1) – diese
     Ich freue mich auch über Erwachse-                        tuellen Jahreslosung: „Herr, ich glaube,   großartige Zusage Gottes trägt mich.
 ne, die sich etwa in unserer Osternacht                       hilf meinem Unglauben.“ Für mich ist       Gut, dass diese Zusage an den Anfang
 taufen lassen – die nach eigenen Er-                          Glaube nicht etwas, was ich irgendwann     meines Lebens gestellt war. Das kann
 fahrungen und Taufunterricht bewusst                          erreichen kann und dann fest in der        mir niemand nehmen. Und zu meiner
 sagen: Jetzt ist es soweit, jetzt will ich                    Hand habe. Da gibt es dürre Zeiten,        Taufe habe ich bei der Konfirmation
 getauft werden!                                               Zeiten der Suche, des Zweifelns, auch      bewusst und frei „Ja“ sagen können.
                                                               der Gleichgültigkeit. Und dann wird
    Aber mein Herz ist doch bei Kinder-                        Glaube mir wieder neu geschenkt. Muss             Markus Herrbruck, Finsterwalde
 taufe. Hier zeigt sich am Beginn eines                        ich mich dann auch wieder neu taufen                           Gemeindepfarrer
 Lebens etwas Grundlegendes unseres                            lassen? Wohl nicht. Schon Luther be-
 Glaubens: Gott nimmt jeden Menschen                           schreibt dieses Dilemma:
 voraussetzungslos an. Und so sage ich                             Wer die Taufe so vom Glauben ab-
 das dann: „Die Taufe zeigt den unend-                         hängig macht, der „muss sich kurzum so
Kindertaufe – Pro & Contra | WASSER     17

   Die Kindertaufe ist vorherrschende Praxis in den gro-                      die Säuglings- oder Kleinkindertaufe aus. Etwa zwölf
ßen christlichen Kirchen. Immer gibt es auch junge Men-                       Prozent der Evangelischen befürworten eine Taufe der
schen und Erwachsene, die um Aufnahme in die Gemein-                          Kinder erst in einem Alter, in dem diese selbst entschei-
den bitten und dann getauft werden. Aber grundsätzlich                        den können. Zwei Meinungen aus dem Kirchenkreis.
sprechen sich unter den Protestanten 88 Prozent für

                                                          dass für die Kindertaufe kein direkter         Wir ließen alle drei unserer Kinder
                                                          stringenter Schriftbeweis zu erbrin-       in der Luckauer Kirchengemeinde seg-
                                                          gen ist.                                   nen. Das war uns wichtig als Zeichen,
                                                                                                     dass Gott Kinder besonders liebhat,
                                                              Vielmehr geht die Bibeltheologie       und als Zeichen der Verbundenheit
                                                          davon aus, dass ein gläubig gewor-         mit unserer Kirchengemeinde. Die
                                                          dener Mensch zur Sichtbarmachung           Taufe soll aber erst zu einem späte-
                                                          seines Glaubens die Taufe empfangen        ren Zeitpunkt stattfinden, nämlich
                                   Foto: Franziska Dorn

                                                          möchte (z. B. der Kämmerer von Äthi-       dann, wenn die Kinder sie vom Grun-
                                                          opien). Das Wort „taufen“ bedeutet         de her verstehen und bejahen sowie
                                                          im griechischen „untertauchen“ (das        diese selbst mit ihren Sinnen und
                                                          Wort wurde beim Färben von Klei-           ihrem Körper wahrnehmen können,
                                                          dungsstücken benutzt). Im Römer-           damit dieses wichtige Sakrament für
                                                          brief Kapitel 6 beschreibt der Apostel     sie in bleibender Erinnerung bleibt.

Contra
                                                          Paulus, dass in der Taufe sichtbar,
                                                          erfahrbar und zugleich bezeugt wird,                        Marco Bräunig, Luckau
                                                          dass der gläubig gewordene Mensch                  Kreisjugendwart im Kirchenkreis

E  ines vorab: ich bin nicht gegen
   die Kindertaufe! Ich möchte hier
nur eine andere Sichtweise auf die
                                                          mit Christus gestorben (untertau-
                                                          chen) und mit Christus auferstanden
                                                          (auftauchen) ist. Das sündige Innere
                                                                                                                               Niederlausitz

Taufe darlegen.                                           wurde im Wasser ersäuft, der neue
                                                          Mensch aus dem Wasser heraus
    Die ersten Christen kannten die                       geboren.
Kindertaufe noch nicht. Diese Praxis
hat sich erst viele Jahrzehnte später                        Als unsere Familie vor einigen Jah-
entwickelt und durchgesetzt. In der                       ren bei einem Taufgottesdienst dabei
Bibel finden sich daher auch keine                        war, sagte die zuständige Pfarrerin
Anhaltspunkte für die Kindertaufe,                        zum Täufling und dessen Eltern, dass
geschweige denn ein Auftrag, Kinder                       man mit der Taufe zu Gott gehört.
zu taufen. Karl Barth, einer der wich-                    Daraufhin fragte uns unser noch nicht
tigsten Theologen im 20. Jahrhundert,                     getaufter Sohn: „Gehöre ich denn
schreibt, dass es für die Kindertaufe                     nicht zu Gott?“ Was hätten Sie Ihrem
(er nennt es Unmündigentaufe) keine                       Kind darauf geantwortet? Und wie ist
exegetischen und sachlichen Anhalts-                      das Schriftwort von Jesus zu verste-
punkte in der Bibel gibt. In einem                        hen: „Lasset die Kinder zu mir kom-
Gutachten für die Lutherische Lan-                        men und wehret ihnen nicht.“? Nach
deskirche Württemberg kommt die                           dieser Aussage von Jesus steht im
Theologische Fakultät der Universität                     Übrigen, dass er die Kinder segnete.
Tübingen um 1950 zu dem Schluss,
18   WASSER | Fragen an Pröpstin Christina-Maria Bammel

                                FRAGEN AN PRÖPSTIN
                                CHRISTINA-MARIA BAMMEL
                                    Sie sind seit dem 1. Dezember 2019             Welche Begegnung in Ihrem neuen
                                Pröpstin. Wovor in Ihrer neuen Aufgabe        Umfeld war für Sie hilfreich?
                                hatten Sie besonderen Respekt, worauf              Hilfreich ist in allen Begegnungen,
                                haben Sie sich besonders gefreut?             wenn man sich gegenseitig beste Ab-
                                    Besondere Freude machen mir die           sichten unterstellt. Das grenzt das Virus
                                Gemeindemenschen, die sich nicht ent-         namens Misstrauen enorm ein. Hilfreich
                                mutigen lassen, alles, was gerade her-        ist immer, wenn Klartext gesprochen wird,
                                ausfordert, auch noch mit eigenen Ideen       ohne dass man sich natürlich verletzt.
                                für Neues zu verbinden. Die Besuche sind           Als wir neulich mit vielen engagierten
                                inspirierend und ich hoffe, alle Haupt- und   Menschen im Kirchenkreis Uckermark, in
                                Zwischentöne gut mitzubekommen, damit         Angermünde, zusammengearbeitet haben,
                                ich noch besser weiß, wie ich in meiner       da hat mich gefreut, dass die Ältesten aus
 Dr. Christina-Maria Bammel     jetzigen Aufgabe gut unterstützend sein       den Gemeinden gesagt haben: Wir schaf-
 ist seit Dezember 2019         könnte. Respekt habe ich eigentlich vor       fen dieses und jenes, aber nicht den ganzen
 Pröpstin der Evangelischen     allen Aufgaben, aber wenn Sie „schwierige“    Rest. Sorgen Sie da – mit der Synode, der
 Kirche Berlin-Branden-         Aufgaben meinen, denke ich am ehesten         Kirchenleitung – für Veränderung. Oder
 burg-schlesische Ober-         an solche Konflikte, bei deren Lösung der     Menschen, die solche Initiativen wie die
 lausitz (EKBO). Sie folgte     rechtliche Rahmen Grenzen steckt, etwa        kommunale Ökumene in Treptow-Köpenick
 Dr. Christian Stäblein nach,   bei Einstellungsfragen. Wenn dann eine für    in Berlin aufbauen, steuern und darüber
 der im November 2019 sein      alle Seiten konstruktive Lösung erreicht      mit Leidenschaft berichten, das erlebe ich
 Amt als Bischof der EKBO       wird, ist das natürlich auch was zum Freu-    nicht nur als hilfreich, sondern als Segen
 antrat.                        en.                                           für unsere Kirche!

 Christina-Maria Bammel             Bei welcher Gelegenheit haben Sie             Wie sieht für Sie eine moderne Kirche
 ist 1973 in Berlin geboren.    gedacht: „Oh, ich wusste nicht, dass das      aus?
 In Marburg, Berlin und         auch zu meinen Aufgaben gehört.“                  Ob es modern ist, weiß ich nicht, aber
 Philadelphia/USA studierte         Ich will nicht sagen, dass mich nichts    wenn wir insgesamt als Kirche etwas
 sie evangelische Theologie     mehr überraschen kann – aber ich habe         risikofreudiger, experimentierlustiger,
 und Religionswissenschaft      in den vergangenen drei Jahren ganz gut       fehlerfreundlicher, durchlässiger in unseren
 und wurde an der Hum-          sehen können, was der Propst gemacht          Gremien würden …, und wenn wir unsere
 boldt-Universität zu Berlin    hat; ich kenne das Aufgabenspektrum ein       Hoffnungen auf das Reich Gottes und das,
 im Fach Systematische          wenig. Überrascht hat mich vor allem die      was und wer uns trägt, etwas offener und
 Theologie promoviert. Sie      wunderbare Resonanz zum Einführungs-          beherzt ansprechen, gerade da, wo wir
 ist verheiratet und hat zwei   gottesdienst; so viel geistliche Fürsorge,    denken, hier müsste jetzt eigentlich nur
 Töchter. Frau Bammel ist       die mich gerade durch den Alltag trägt. Tut   Routine und Geschäftliches abgearbeitet
 als Pröpstin Mitglied der      natürlich gut.                                werden, dann halte ich das für eine ganz
 Kirchenleitung. Sie gehört                                                   gute Wegweisung.
 zum engsten Leitungskreis
 unserer Kirche.
Was geschieht mit der Kollekte? | WASSER    19

WAS
GESCHIEHT
MIT DER
KOLLEKTE?

D   ie Arbeit der Kirche wird hauptsäch-
    lich durch ihre Mitglieder getragen.
So ist die Kirchensteuer die wichtigste
Einnahmequelle. Weitere Mittel erhält die
Kirche direkt von ihren Mitgliedern durch
Kollekten.
                                                                                                                 Foto: Franziska Dorn
    Kollekten sind die älteste Form der            In den 103 Kirchengemeinden im
Hilfe von Christen untereinander. Der          Kirchenkreis Niederlausitz werden durch-
Apostel Paulus rief zu einer Kollekte für      schnittlich pro Jahr 300.000 Euro Kollek-
die Gemeinde in Jerusalem auf. Er mahnte       ten gesammelt. Das sind etwa 5 Euro pro
dabei einen verantwortungsvollen Umgang        Gottesdienstbesucher und Gottesdienst-
mit dem Geld an.                               besuch. Dabei sind die Hauptkollekten
                                               und die Nebenkollekten etwa gleich hoch.
    In unserer Landeskirche gibt es in         Zusätzlich spenden die Menschen zweck-
jedem Gottesdienst zwei unterschiedliche       bestimmt, zum Beispiel für Bau- und In-
Kollekten. Da ist zum einen die Hauptkol-      vestitionsprojekte ihrer Kirchengemeinde.
lekte, deren Zweck wechselt. Sie wird für      Kollekten werden mit einem Beutel, mit
gesamtkirchliche Aufgaben, für Projekte        einem Körbchen oder einem Opferstock
der Landeskirche, der Kirchenkreise oder       gesammelt.
der Gemeinden gesammelt. Über einige
der Kollekten können die Gemeinden und            Im Sommer 2018 wurde in Berlin
Kirchenkreise selbst entscheiden. Dabei        erstmals ein digitaler Klingelbeutel zum
sollte im Blick sein, dass die Hauptkollekte   Patent angemeldet. Er ermöglicht neben
nicht in erster Linie zur Finanzierung der     dem traditionellen Bargeldeinwurf in den
Arbeit in der eigenen Gemeinde dient,          Stoffbeutel auch eine Kartenzahlung ohne
sondern der Unterstützung für andere. Die      PIN-Eingabe. In Planung befindet sich auch
Nebenkollekte wird in der Regel am Aus-        eine bundesweite App, mit der für eine
gang eingesammelt. Sie ist für die Arbeit      Kollekte mittels Smartphone gespendet
der Gemeinde vor Ort bestimmt. Das Geld        werden kann.
fließt in Gemeindeprojekte.
20   20   Der Weg durch die Corona-Krise

     DER WEG DURCH
     DIE CORONA-KRISE
     Ein Kommentar von
     Superintendent Thomas Köhler

     D    er Meraner Höhenweg ist ein Wanderweg im
          Hochgebirge. Er zieht sich in Südtirol um das
     Gebirgsmassiv der Texelgruppe. An einer Stelle gibt es
     die 1.000-Stufen-Schlucht. Erst geht es bergab, dann
     wieder hinauf. Zwischendurch geht es mal geradeaus,
     mal wieder etwas hinab. Insgesamt aber viele Stufen hi-
     nauf. Man kann nur jeweils 20 bis 30 Stufen weit sehen.
     Immer wieder geht es um Kurven. Selbst, wenn man die
     Stufen zählt, weiß man nicht wie weit man ist, weil es
     doch weit mehr als 1.000 Stufen sind. Erst wenn man
     um die letzte Kurve gelaufen ist, sieht man das Ende der
     Schlucht. Wenn man langsam geht, immer wieder Pau-
     sen macht, bedenkt, was man schon geschafft hat, dann
     kommt man durch die Schlucht und erreicht kurz danach
     den Pirchhof, wo es gut zu essen und zu trinken gibt.

         Dieser Weg ist für mich ein Bild für unseren Weg
     durch die Coronakrise. Die erste schwere Zeit haben wir
     geschafft. Jetzt, da ich diese Zeilen schriebe, werden erste
     Lockerungen der Kontaktsperre umgesetzt. Zugleich gibt
     es Warnungen, dass wir lange Zeit mit Einschränkungen
     leben müssen. Ich weiß nicht, ob das so kommen wird.
     Aber ich frage mich schon: Wann werden wieder Familien-
     feiern stattfinden können, runde Geburtstage, Hochzeiten,
     Taufen? Werden wir uns als Land abschotten und die
     Grenzen wieder hochziehen? Was ist mit den Grundrech-
     ten wie dem Demonstrationsrecht und dem Religions-
     recht? Und: Was wird das für unser kirchliches Leben
     bedeuten? Werden wir Freizeiten mit Kindern und Jugend-
     lichen durchführen können? Werden wir Weihnachten in
     gewohnter Form feiern können?

         Bei allen Fragen: Die COVID 19-Epidemie wird verge-
     hen. Es wird sicher noch manches schwere Stück Weg ge-
     ben, aber wir werden Leben und Zukunft haben. Jetzt wie
     in der 1.000-Stufen-Schlucht gilt: „Und wenn ich auch wan-
     derte im finsteren Tal, so fürchte ich kein Unglück. Denn
     du, Gott, bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich.“
     Im Vertrauen auf die Wahrheit dieser Worte gehe ich den
     nächsten Schritt in den neuen Tag. Und ich bin gespannt,
     wie unser Pirchhof aussehen wird, also: an welchem Ort
     wir schließlich ankommen werden, um zu feiern.
Notizen aus den Regionen | VOR ORT       21

Notizen aus den Regionen

                                                                                                   Foto: Franziska Dorn

  1   SENFTENBERG

Offene                                      Die Jugendlichen haben es sich       Zikra, die in der Küche Karten spielen,

Jugendarbeit im                         im Kuschelraum gemütlich gemacht.
                                        Sie spielen am Handy und quatschen.
                                                                                 beginnen zu zählen: Deutschland,
                                                                                 Afghanistan, Polen, Ukraine, Syrien,
Jugendhaus                              Später gibt es noch eine Runde
                                        Tischkicker. Dann gehen sie wieder.
                                                                                 Ungarn, Pakistan, Iran, Tschetscheni-
                                                                                 en und Ukraine. „Wir verstehen uns
Schalom                                 „Hier herrscht ein reges Kommen und
                                        Gehen“, sagt Leiterin Kathrin Kählke.
                                                                                 alle gut!“, sagen sie. „Schalom“ wird
                                                                                 seinem Namen also gerecht. Schalom
                                        Zwischen acht und zehn, manchmal         heißt Frieden.
    „Hier ist es warm und gemütlich     15 Kinder und Jugendliche finden sich
und man trifft immer jemanden.“         täglich ein. Sie basteln, lesen, chil-   jbsschalom.de »
Yannik, Jasmin und Tim bringen es       len, spielen Karten oder Tischkicker.
auf den Punkt. Die drei 16-Jährigen     Zusätzlich gibt es Angebote: Sport,
sind regelmäßige Besucher im            Zaubern und anderes. Immer wieder
Jugendhaus „Schalom“ in Großrä-         kommt Jugendwart Cord Heinemann
schen. Das ist eine offene Jugendein-   von der evangelischen Kirchenge-
richtung für Kinder und Jugendliche     meinde in das Haus. „Schalom“ ist für
ab neun Jahren, getragen von dem        Kinder und Jugendliche unterschied-
Kirchenkreis Niederlausitz und dem      licher Herkunft eine Zufluchtsstätte
Landkreis Oberspreewald-Lausitz.        vor Langeweile daheim. Fatima und
22       VOR ORT | Notizen aus den Regionen

     2                                                                                              Foto: Sebastian Krüger
           SENFTENBERG                            Sie möchte Menschen mitein-        zusammen. Die Mitarbeiterinnen und
                                              ander und mit Gott ins Gespräch        Mitarbeiter binden sich meist über
 Kirche Unterwegs                             bringen. Täglich bis zu vier Veran-    mehrere Jahre an das Projekt. Das

 am See                                       staltungen werden von Jugendli-        schafft ein freundschaftliches Klima,
                                              chen verschiedener konfessioneller     das die Gäste zu spüren bekommen.
                                              Gruppen angeboten. Legendär ist        „Kirche Unterwegs“ wird gern ange-
    Hüpfburg und Halleluja, Sonne             die Gute-Nacht-Geschichte, bei der     nommen, nicht nur von kirchennahen
 und Segen, Baden und Beten. Im               sich am frühen Abend mit anschlie-     Menschen. Die Gründe sind vielfältig:
 Urlaub Kirche mal anders erleben –           ßender Bastelstunde zwischen 30        Urlaub ist Entspannung, jeder hat
 das ist die Idee von „Kirche Unter-          und 120 Kinder im Zelt vor der         Zeit, zwischenmenschliche Nähe, das
 wegs“ am Senftenberger See. Der ist          Bühne einfinden. Die „PrimeTime!“      Fehlen von Kirchenmauern und die
 mit seiner beachtlichen Größe von            zieht Jugendliche und Erwachse an.     damit verbundene Transparenz, nicht
 13 Quadratkilometern beliebtes Ur-           Tagsüber gibt es einen bunten Mix      zuletzt die Stille der Abende, Däm-
 laubziel für Familien. Viele kommen          verschiedener Angebote: Spielstraße,   merung und Dunkelheit als Raum für
 gern immer wieder in den Ferienpark          Sandburg, Kaffeetafel, Strandtheater   persönliche Gespräche. Seit Januar
 Großkoschen. Und viele kennen                und einiges mehr. „Kirche Unterwegs“   dieses Jahres gehören Gemeinden in
 schon „Kirche Unterwegs“.                    gestaltet seit 1979 das Leben auf      und um Senftenberg und damit auch
                                              dem Campingplatz. Jedes Jahr wird      der Ferienpark Großkoschen zum
                                              das Projekt wochenweise von sechs      Kirchenkreis.
                                              Projektgruppen eigenständig ver-
                                              antwortet. Durchschnittlich arbeiten   kirche-unterwegs-grosskoschen.de »
                                              18 Personen in einer Projektgruppe
Notizen aus den Regionen | VOR ORT    23

 3    LUCKAU

Kirchenführerkurs
    Kennen Sie das auch? Sie betre-          Bereits zum zweiten Mal hat die         Möchten auch Sie ehrenamtliche
ten erwartungsvoll eine Kirche, um       Kunstgutbeauftragte Annegret Gehr-          Kirchenführerin, ehrenamtlicher
sich nicht nur an ihrer Schönheit zu     mann aus Langengrassau gemeinsam            Kirchenführer werden?
erfreuen. Möglicherweise hoffen          mit der Kirchenpädagogin Maria von
Sie, etwas über die Erbauer und          Fransecky, dem Kirchenkreis Nieder-         Geplant ist ein weiterer Kurs im Jahr
deren Motivation zu erfahren. Woran      lausitz und dem Förderkreis Alte Kir-       2021.
haben sie geglaubt, was waren ihre       chen der Luckauer Niederlausitz einen
Vorstellungen von Gott, der Welt         solchen Kurs durchgeführt. Und das          Wenden Sie sich dazu an:
und der Vergänglichkeit?                 mit Erfolg. Die Teilnehmenden fühlen        Annegret Gehrmann
                                         sich gerüstet und zugleich ermutigt,        Langengrassau
    Aber: Egal, wie lange sie sich um-   ihre Kirchen für Besucher und Gäste         Telefon: 035454 393
schauen, der Erkenntnisgewinn hält       zu öffnen.
sich in Grenzen. Während die Symbo-
le Kreuz und der Engel noch relativ
unmissverständlich sind, tappen Sie
bei Vielem einfach im Dunklen. Was
haben ein Löwe, ein Stier und ein Ad-
ler in der Kirche zu suchen? Warum
trägt ausgerechnet Moses Hörner
– ist das nicht Sache des Teufels?
Warum so viele Palmen hier in Mittel-
europa? Was macht die Schlange in
einem Kelch und wer ist der Mann mit
dem Schlüssel? Und überhaupt: Die
Fenster sehen gotisch aus. Der Rest
irgendwie nicht.

    Glück haben Sie, wenn Ihnen ein
gut ausgebildeter Kirchenführer an
die Seite gestellt wird. Sie werden
über so manche Antwort staunen!
Gut ist es also, dass es im Kirchen-
kreis einen Kurs für ehrenamtliche
Kirchenführerinnen und -führer und
damit immer mehr Menschen mit
den richtigen Antworten auf all die
Fragen gibt.

                                         Foto: Franziska Dorn
24   VOR ORT | Notizen aus den Regionen

     4   DOBERLUG-KIRCHHAIN

 Christen setzen
 proeuropäisches
 Zeichen
     Fast jede Kirchengemeinde in der
 DDR war durch eine Partnerschaft mit
 einer Kirchengemeinde in der Bundesre-
 publik verbunden. Die Menschen in den
 Kirchengemeinden Lugau, Eichholz und
 Fischwasser fanden ihre Partnergemeinde
 in Bergisch Gladbach in Nordrhein-West-
 falen. Nach der Wiedervereinigung gab
 es die berechtigte Sorge um den Bestand
 dieser wertvollen Beziehung.

      Eine kluge Idee war es also, die Part-
 nerschaft auf europäische Ebene zu brin-
 gen. Kontakte nach Frankreich und Italien
 erwiesen sich als fruchtbar und seit den
 90er Jahren begegnen sich die Christen
 international. Erst im Juni des vergangenen
 Jahres waren Gäste aus Riesi auf Sizilien in
 Italien, Bourgoin Jallieu in Frankreich und
 aus Bergisch Gladbach im Rheinland in den
 Klosterkirchengemeinden zu Gast. Unter
 dem Motto „Gastfreundschaft schafft
 Engeln Raum“ haben sie ein deutliches
 proeuropäisches Zeichen gesetzt. „Uns be-
 drücken die wachsenden Bestrebungen in
 Europa, sich auseinander zu bewegen. Da-
 gegen möchten wir Christen den europä-
 ischen Weg gemeinsam weitergehen. Wir
 sehen hier vor Ort die Herausforderungen
 der weltweiten Migrationsbewegungen
 und den Einsatz einiger, um die Lebens-
 bedingungen für die heimatlosen Kinder,
 Frauen und Männer erträglich zu machen.
 Wir haben erlebt und erkannt, dass Gast-
 freundschaft eine Grundhaltung ist, in der
 Menschen zueinander finden und sich ge-
 genseitig reicher und glücklicher machen“,
 hieß es in der Abschlusserklärung.
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