HR-SINFONIE-ORCHESTER - OK TOBER 2020 ELBPHILHARMONIE GROSSER SA AL
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Sonntag, 25. Oktober 2020 | 18:30 & 21 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal Elbphilharmonie Abo 2 | 1. Konzert HR-SINFONIEORCHESTER CHRISTIAN ELSNER TENOR DIRIGENT ANDRÉS OROZCO-ESTRADA Franz Schubert (1797–1828) An die Musik D 547 (1817) Bearbeitung von Max Reger (1913) Ihr Bild D 957/9 (1828) Bearbeitung von Anton Webern (1903) Nacht und Träume D 827 (1823) Bearbeitung von Max Reger (1913) Der Wegweiser D 911/20 (1827) Bearbeitung von Anton Webern (1903) Du bist die Ruh D 776 (1823) Bearbeitung von Anton Webern (1903) Erlkönig D 328 (1815) Bearbeitung von Max Reger (1913) Antonín Dvořák (1841–1904) Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 (1889) Allegro con brio Adagio Allegretto grazioso – Molto vivace Allegro ma non troppo keine Pause / Dauer ca. eine Stunde
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WILLKOMMEN Das hr-Sinfonieorchester ist so etwas wie ein YouTube-Star der klassischen Musik. Denn wann immer man auf dieser Plattform nach einem Musikstück sucht, wird mit großer Wahrscheilichkeit ein Konzertmitschnitt des Frankfurter Klangkörpers angezeigt. Mit die- sem digitalen Engagement – und natürlich mit seiner herausragenden musikalischen Qualität – hat sich das Orchester auch inter- national einen Namen gemacht. Heute nun kann man es zusammen mit seinem Chef- dirigenten Andrés Orozco-Estrada und dem Tenor Christian Elsner live erleben. Und das ist doch, wie wir spätestesten nach den ver- gangenen Monaten wissen, immer noch das Beste!
DIE MUSIK DER ANFANG VOM LIED Zu den Liedern von Franz Schubert und ihren Bearbeitungen Mit über 660 Lied-Kompositionen gilt Franz Schubert als Vater des Kunstlieds. Sogar ein Geburtsdatum dieses Genres gibt es: der 19. Oktober 1814, an dem Schubert seine Goethe-Vertonung Gretchen am Spinnrad ins Reine schrieb. Sein Einfluss war so groß, dass es der deutsche Begriff »Lied« sogar in den eng lischen und französischen Wortschatz schaffte. In seine Lieder legte Schubert seine ganze schöpferische Kraft. Inspiriert von der jeweiligen Textvorlage schuf er höchst kondensierte Mikrokosmen von größter musikalischer Inten- sität: Pianissimo und dreifaches Forte, düstere Stimmungen, wilde Ausbrüche und teuflische Akkordfortschreitungen. Dien- ten Liedkompositionen vormals dazu, Gedichte mit einer ein- fachen, von Strophe zu Strophe möglichst gleichbleibenden Im heutigen Konzert erklingen die Melodie auszustatten, die nicht vom Inhalt ablenkte, emanzi- Lieder nicht im Original mit pierte Schubert die Musik als eigenständige Ebene, die sich Klavier, sondern in Bearbeitungen einmischt, kommentiert oder sogar in Opposition zu den Wor- für Orchester. Sie stammen teils von Anton Webern (1883–1945), ten tritt. Gleichzeitig erhob er das Klavier vom Begleitinstru- der sie noch als Student in Wien ment zum gleichwertigen Partner der Singstimme. schrieb, bevor er sich der Zwölf- Zu Schuberts bekanntesten Liedern gehört die 1817 entstan- tonmusik zuwandte; teils von dene Hymne An die Musik auf einen Text seines langjährigen Max Reger (1873–1916), der selbst Dichterfreunds Franz von Schober, mit dem er zeitweise die mehr als 300 Lieder vertonte. Wohnung teilte. Im Gegensatz zu seinen vielen düsteren Lie- dern wird die ausladende Melodie hier von warmen Dur-Akkor- den umspült. Ihre Botschaft – Musik als Rettung und Zuflucht im Leben – blieb zeitlebens Schuberts Motto. In dem eigenen Gedicht Klage an das Volk heißt es wenige Jahre später: »Nur Dir, o heil’ge Kunst, ist’s noch gegönnt den großen Schmerz zu mildern, der nimmer mit dem Schicksal sie versöhnt.«
Eine Schubertiade, Ölgemälde von Julius Schmid (1897) Sein Schicksal sollte ihn bald ereilen: »Ich bin krank«, schrieb der unter der Quecksilber-Behandlung seiner Syphilis leidende Komponist im November 1828 an Schober. »Ich habe schon elf Tage nichts gegessen und nichts getrunken und wanke matt und schwankend von Sessel zu Bett und zurück«. Am 19. November starb Schubert – mit nur 31 Jahren. Ihr Bild gehört zu einer Gruppe von Liedern, an denen er zuletzt gearbeitet hatte; darauf verweist auch der Titel Schwanen- gesang, unter dem sie der geschäftstüchtige Wiener Verleger Tobias Haslinger posthum der Öffentlichkeit präsentierte. Bemerkenswert ist hier zunächst das Fehlen jeglicher Akkorde. Zu einer einstimmigen, blutleeren Musik starrt ein Verlassener auf das Bild der einstigen Geliebten. Erst als die Erinnerung an bessere Tage einsetzt, füllen Dur-Akkorde die Leere. Bald jedoch weicht die Illusion wieder der Realität, wie so oft in Schuberts Liedern. Besonders in den fremden Harmonien tun sich Abgründe auf – umso zynischer wirkt es, wenn der verzweifelten Ausruf »Ach!« in Dur erstrahlt. Ach, Schubert! »Heil’ge Nacht, du sinkest nieder«, so beginnt das nächste Lied Nacht und Träume, entstanden im Jahr 1825. Der hymnische Text stammt von Schuberts im Vorjahr verstorbenen Freund Matthäus von Collin. Er ist Symptom der auf- keimenden Romantik als Gegenentwurf zu Aufklärung und Fortschritt. Dich- ter wie Novalis, Joseph von Eichendorff und Clemens Brentano verehrten die Nacht als Ort des Unbewussten und Verborgenen. Schlaf und Traum, Irratio-
nales, Weltschmerz und mystische Naturerfahrungen sind beliebte Motive in der Kunst der Zeit – und in Schuberts Liedern. Nacht und Träume ist von einem Frieden durchdrungen, einer fast sakralen Ruhe und Andacht wie kaum eine seiner Kompositionen. »Eine Straße muss ich gehen, die noch keiner ging zurück.« Wohin der Weg- weiser im gleichnamigen Lied führt, ist unschwer zu erraten. Das Stück stammt aus Schuberts wohl berühmtestem Zyklus Winterreise um einen rastlosen Wan- derer, dessen Gedanken unaufhörlich um verlorene Liebe, Tod und Einsamkeit kreisen. In seiner Verzweiflung kommt er immer weiter vom Weg ab. Selbst der vermeintlich hilfreiche Wegweiser führt ihn nur weiter fort vom Leben. Mit Irrwegen und Täuschungen ist auch die Musik gespickt. Sie lauern vor allem in der Max Reger Begleitung, die im Gegensatz zur Singstimme tückisch komplex gestrickt ist. Neben har- monischen Trugschlüssen, die die Hörerwar- tung zuerst in eine Richtung lenken und dann untergraben, enthält sie Fallstricke wie kurz vor Schluss die sogenannte »Teufelsmühle«. In dieser jahrhundertealten Geste, die schon Bach und Mozart einsetzten, wandern die Bässe in Halbtonschritten aufwärts, während die Singstimme wie erstarrt stehenbleibt. Zum Schluss verengt sich der Tonraum auf einen unausweichlichen Fluchtpunkt – es gibt kein Zurück, schreibt Schubert in Tönen. Ganz so weit lässt es Christian Elsner heute glücklicherweise nicht kommen. Für einen Augenblick zieht Friede ein ins gebeutelte Herz: Du bist die Ruh ist ein inniges Liebes- lied. Seinen Höhepunkt erreicht es in der letz- ten Strophe mit dem Vers »Dies Augenzelt, von deinem Glanz allein erhellt«. Der Sänger steu- ert gen Himmel, unter ihm breitet das Orches- ter seine Arme (nach oben und unten) aus.
DIE MUSIK Zum Schluss wird’s noch einmal düster und dramatisch: Der Erlkönig ist eines von Schu- berts wichtigsten Liedern. Kaum zu glauben, dass er bei der Komposition gerade 18 Jahre alt war! Es gehört zu einer Gruppe von über 70 Liedern auf Texte von Johann Wolfgang von Goethe. Über die Entstehung schreibt der Freund Josef von Spaun: »Wir fanden Schubert ganz glühend, den Erlkönig aus dem Buche laut lesend. Er ging mehrmals mit dem Buche auf und ab, plötzlich setzte er sich, und in der Anton Webern kürzesten Zeit, so schnell man nur schreiben kann, stand die herrliche Ballade auf dem Papier.« Gehetzt eilen die acht Strophen voran, gejagt von den ununterbrochenen, galoppierenden Dreierfiguren (Triolen) der Geigen und von Windstößen in den Bässen. Viel ist spekuliert worden über Goethes Absicht hinter dem Erlkönig, der den Vater verfolgt und das »ächzende Kind« am Ende in den Tod reißt. Der Komponist Georg Friedrich Haas hält ihn gar für »einen der schrecklichsten Texte der Weltliteratur. Ein grausiges Ereignis wird in einer Sprache dargestellt, die das Leiden des sterbenden Knaben völlig ausspart. Das Geschehen wird in einer eiskalten Technik der Objektivierung erzählt.« Schuberts Vertonung füllt dieses Vakuum: Sie meißelt dem Hörer die Furcht des Kindes ins Ohr. Goethe selbst nahm von der Vertonung wenig Notiz, als Schubert sie ihm nebst anderen Noten schickte. Erst nach dessen Tod lauschte er einer Darbie- tung der jungen Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient. Und siehe da: Angeb- lich küsste der Dichter sie anschließend auf die Stirn mit den Worten: »Ich habe die Komposition früher einmal gehört, wo sie mir gar nicht zusagen wollte, aber so vorgetragen gestaltet sich das Ganze zu einem sichtbaren Bilde.« L AUR A E TSPÜLER
GESANGSTEXTE An die Musik Nacht und Träume Text: Franz von Schober Text: Matthäus von Collin Du holde Kunst, in wieviel grauen Stunden, Heil’ge Nacht, du sinkest nieder; Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt, Nieder wallen auch die Träume, Hast du mein Herz zu warmer Lieb’ entzunden, Wie dein Mondlicht durch die Räume, Hast mich in eine bess’re Welt entrückt! Durch der Menschen stille Brust. Die belauschen sie mit Lust; Oft hat ein Seufzer, deiner Harf’ entflossen, Rufen, wenn der Tag erwacht: Ein süßer, heiliger Akkord von dir Kehre wieder, heil’ge Nacht! Den Himmel bess’rer Zeiten mir erschlossen, Holde Träume, kehret wieder! Du holde Kunst, ich danke dir dafür! Der Wegweiser Ihr Bild Text: Wilhelm Müller Text: Heinrich Heine Was vermeid’ ich denn die Wege Ich stand in dunkeln Träumen, Wo die anderen Wandrer gehen, Und starrt’ ihr Bildnis an, Suche mir versteckte Stege Und das geliebte Antlitz Durch verschneite Felsenhöhn? Heimlich zu leben begann. Habe ja doch nichts begangen, Um ihre Lippen zog sich Dass ich Menschen sollte scheun – Ein Lächeln wunderbar, Welch ein törichtes Verlangen Und wie von Wehmutstränen Treibt mich in die Wüsteneien? Erglänzte ihr Augenpaar. Weiser stehen auf den Wegen, Auch meine Tränen flossen Weisen auf die Städte zu, Mir von den Wangen herab – Und ich wandre sonder Maßen, Und ach, ich kann es nicht glauben, Ohne Ruh’, und suche Ruh’. Dass ich dich verloren hab’! Einen Weiser seh’ ich stehen Unverrückt vor meinem Blick; Eine Straße muss ich gehen, Die noch keiner ging zurück.
Du bist Ruh Erlkönig Text: Friedrich Rückert Text: Johann Wolfgang von Goethe Du bist die Ruh, Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Der Friede mild, Es ist der Vater mit seinem Kind; Die Sehnsucht du Er hat den Knaben wohl in dem Arm, Und was sie stillt. Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm. Ich weihe dir »Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?« Voll Lust und Schmerz »Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht? Zur Wohnung hier Den Erlenkönig mit Kron‘ und Schweif?« Mein Aug’ und Herz. »Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.« Kehr’ ein bei mir, »Du liebes Kind, komm, geh mit mir! Und schließe du Gar schöne Spiele spiel ich mit dir; Still hinter dir Manch bunte Blumen sind an dem Strand, Die Pforten zu. Meine Mutter hat manch gülden Gewand.« Treib andern Schmerz »Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht, Aus dieser Brust! Was Erlenkönig mir leise verspricht?« Voll sei dies Herz »Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind: Von deiner Lust. In dürren Blättern säuselt der Wind.« Dies Augenzelt »Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn? Von deinem Glanz Meine Töchter sollen dich warten schön; Allein erhellt, Meine Töchter führen den nächtlichen Reih’n O füll es ganz! Und wiegen und tanzen und singen dich ein.« »Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort Erlkönigs Töchter am düstern Ort?« »Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau: Es scheinen die alten Weiden so grau.« »Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.« »Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids getan!« Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind, Er hält in Armen das ächzende Kind, Erreicht den Hof mit Müh‘ und Not; In seinen Armen das Kind war tot.
FREUNDLICH GEWUNKEN Antonín Dvořák: Sinfonie Nr. 8 »Prag, 30. November 1888: Der berühmte Piotr Tschaikowsky dirigiert seine neue Sinfonie Nr. 5.« So oder so ähnlich muss es damals auf den Konzertplaka- ten gestanden haben. Ein musikalisches Großereignis erster Güte, dem natür- lich auch Antonín Dvořák beiwohnte, der wichtigste Komponist Tschechiens. Nach dem Konzert trafen sich die beiden, beglückwünschten einander zu ihren Erfolgen und diskutierten über Musik, und am Ende lud Tschaikowsky seinen Kollegen zu einer Konzertreise nach Russland ein. Schön und gut, doch nun musste Dvořák passende Stücke vorschlagen: »Aber welche? Ich habe drei Sinfonien: D-Dur, d-Moll und F-Dur, alle gedruckt bei Simrock in Berlin. Dann habe ich ein Violinkonzert und ein Klavierkonzert …« Alles nicht das Richtige offenbar, denn anderntags setzte sich Dvořák an den Schreibtisch und begann mit der Arbeit an seiner G-Dur-Sinfonie, die heute als Nr. 8 gezählt wird (man rechnet noch vier Jugendsinfonien mit, die Dvořák selbst damals offenbar nicht als vollwertig erachtete). Schon bald konnte der Komponist erste Fortschritte nach Moskau melden. Dass der Plan am Ende doch nicht aufging, lag einerseits an Copyright-Streitigkeiten mit dem erwähn- ten Verleger und andererseits daran, dass Dvořák inzwischen Ehrungen der Böhmischen Kaiser-Franz-Joseph-Akademie, der Royal Philharmonic Society London und der Universität von Cambridge erhalten hatte und das Werk kurzer- hand als dirigiertes Dankeschön für diese Institutionen verwertete. Der Streit mit Simrock führte außerdem dazu, dass er die Sinfonie in London drucken ließ, was ihr den zeitweiligen Beinamen »Englische« einbrachte. Im Kern aber ist die Musik natürlich böhmisch. Die gewissermaßen natur- belassenen Melodien, der Tanzmusikanten-Tonfall und die volkstümliche Ein- fachheit, gepaart mit klanglicher Raffinesse, hatten schon Johannes Brahms begeistert, Dvořáks größten Fan. Brahms hatte Dvořák überhaupt erst ermun- tert, seinen böhmischen Background konstruktiv in seine Kunstmusik einfließen zu lassen, statt immer nur dem abstrakten Beethoven-Ideal nachzulaufen. Die- ser typische Dvořák-Klang findet sich auch in der Achten. Gepaart ist er aller- dings mit einem deutlichen Tschaikowsky-Einschlag, der zweifellos den Ent- stehungsumständen geschuldet ist. Dvořák drückte es etwas subtiler aus, als er »ein von meinen anderen Sinfonien verschiedenes Werk« ankündigte, »mit individuellen, in neuer Weise ausgearbeiteten Gedanken«.
DIE MUSIK Schon im ersten Satz lässt sich das archet y pisch nachvoll ziehen. Er beginnt mit einem schwer romanti- schen, getragenen Choral von Celli und Bläsern, der an den Nahtstellen des Satzes mehrfach wieder auftaucht. Demgegenüber steht ein heiterer Vogelruf der Flöte, den Dvořák im Gar- ten seines Landhauses aufgeschnappt haben könnte, wo er sich während der Komposition bevorzugt aufhielt. Glei- Antonín Dvořák ches gilt für den zweiten Satz, der eine schwärmerische Geste mit einer weiteren Vogelimitation kontrastiert. Endgültig gewinnt Tschaikowsky dann im dritten Satz die Überhand: Dieser Walzer stammt definitiv nicht vom böhmischen Dielenboden, sondern vom ele- ganten Pariser oder Petersburger Parkett. Als Meister der Melodie zeigt sich Dvořák dann im Finale. Nach der Trom- petenfanfare präsentiert er ein weiteres elegisches Cellothema, das bald aber extrem zackige Formen annimmt und zwischendurch von übermütigen Horntrillern befeuert wird. Der Schriftsteller und Musikkritiker George Ber- nard Shaw konnte dieser gut gelaunten Sinfonie mit ihrem Feuerwerk an Ohrwurm-Themen überhaupt nichts abgewinnen und lästerte: »Die Sinfonie erreicht fast das Niveau von Rossinis Ouvertüren und wäre eine vorzügliche Promenadenmusik für sommerliche ländliche Feste.« Dvořáks Kollege und Nachfolger Leoš Janáček dagegen kommentierte völlig zu Recht: »Dvořáks Partituren können dem Musiker ans Herz wachsen. Und was das Wichtigste ist: Dvořák führt seine Figuren nicht bis zum Überdruss durch. Kaum hast du eine kennengelernt, schon winkt dir freundlich die nächste. Du bist in einer ständi- gen angenehmen Erregung.« Hören wir also, wie diese »angenehme Erregung« im heutigen Konzert das hr-Sinfonieorchester beflügelt. CLEMENS MATUSCHEK
DIE KÜNSTLER DIRIGENT ANDRÉS OROZCO-ESTRADA
Andrés Orozco-Estrada ist seit 2014 Chefdirigent des hr-Sin- fonieorchesters. Im gleichen Jahr wurde er auch vom Houston Symphony Orchestra zum Chefdirigenten ernannt. Mit beiden Ensembles gibt er nicht nur umjubelte Konzerte in vielen wichtigen Konzerthäusern, sondern hat auch etliche CDs auf- genommen, die sowohl von europäischen als auch ameri- kanischen Medien sehr gelobt wurden. Mit dem hr-Sinfonie orchester legte er unter anderem gefeierte Einspielungen von Igor Strawinskys Der Feuervogel und Le sacre du printemps vor. Internationale Aufmerksamkeit erhielt außerdem ein Richard- Strauss-Zyklus mit Aufnahmen der Oper Salome, der sinfoni- sche Dichtung Ein Heldenleben und der Alpensinfonie. Gemein- sam mit dem Houston Symphony Orchestra veröffentlichte Orozco-Estrada zudem einen Dvořák-Zyklus und das Album Music of the Americas mit Werken von Leonard Bernstein, Astor Piazzolla und George Gershwin. Seine musikalische Ausbildung begann der aus Kolumbien stammende Andrés Orozco-Estrada zunächst mit dem Violin- spiel. Als 15-Jähriger erhielt er seinen ersten Dirigierunterricht und ging fünf Jahre später nach Wien, wo er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst studierte. Von 2009 bis 2015 war er Chefdirigent des Wiener Tonkünstler-Orchesters. Vor sechs Jahren dirigierte er erstmals beim Glyndebourne Fes- tival, schon mehrfach wurde er zu den Salzburger Festspielen eingeladen. Als gefragter Gastdirigent arbeitet er regelmäßig mit renommierten Orchestern wie dem London Philharmonic Orchestra, dem Gewandhausorchester Leipzig sowie den Ber- liner und Wiener Philharmonikern zusammen. In Amerika steht er unter anderem am Pult der großen Orchester in Chicago, Cleveland und Philadelphia. Ab der kommenden Spielzeit ist Andrés Orozco-Estrada Chefdirigent der Wiener Symphoniker, mit denen er bereits in dieser Saison zahlreiche Konzerte geplant hat.
Der in Freiburg geborene Christian Elsner gilt als einer der vielseitigsten deut- schen Tenöre. Er ist nicht nur ein gefragter Konzertsänger, sondern hat sich auch in der Opernwelt einen Namen gemacht. Auftritte als Siegmund in Wag- ners Walküre und in der Titelpartie von dessen Parsifal führten ihn unter ande- rem an die Semperoper Dresden, ins Teatro Real in Madrid und in die Wiener Staatsoper. Als Konzertsänger ist er auf vielen wichtigen Bühnen zu Gast, dar- unter die Philharmonie Berlin, die Carnegie Hall New York und die Suntory Hall in Tokio. Für seine Konzertprojekte arbeitete er mit bedeutenden Dirigenten wie Sir Simon Rattle oder Mariss Jansons. Höhepunkte vergangener Spielzeiten waren Joseph Haydns Schöpfung mit der Staatskapelle Berlin unter Zubin Metha, Franz Schmidts Das Buch mit sie- ben Siegeln mit den Wiener Symphonikern unter Manfred Honeck sowie Beet- hovens Neunte Sinfonie mit den Berliner Philharmonikern und Sir Simon Rattle sowie mit dem Gewandorchester unter Herbert Blomstedt. Außerdem fand er sich mehrfach mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und Marek Janowski für gefeierte konzertante Aufführungen von Wagner-Opern und Engelbert Hum- perdincks Hänsel und Gretel zusammen. In der Elbphilharmonie war er zuletzt im Februar zusammen mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter der Leitung von Kent Nagano in einer Aufführung von Beethovens Missa Solemnis zu erleben. Als leidenschaftlicher und geschätzter Liedsänger tourt er durch die Zen- tren der europäischen Musikwelt, darunter München, Brüssel und Paris. Auf CD erschienen neben Aufnahmen von Franz Schuberts Winterreise und Robert Schumanns Dichterliebe auch Gustav Mahlers Lied von der Erde mit dem Ton- halle Orchester Zürich unter David Zinman und Richard Wagners Parsifal mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Marek Janowski. Ebenfalls mit dem RSB und Janowski hat Elsner eine CD mit den Liedern des heutigen Abends veröffentlicht, die von der internationalen Kritik begeistert aufgenom- men wurde.
DIE KÜNSTLER CHRISTIAN ELSNER TENOR
HR-SINFONIEORCHESTER
DIE KÜNSTLER Das hr-Sinfonieorchester Frankfurt wurde 1929 als eines der ersten Rundfunk-Sinfonieorchester Deutschlands gegründet. Seit Jahrzehnten zählt es zu den international führenden Klangkörpern, unter anderem mit seinen gefei- erten Interpretationen der Werke von Gustav Mahler und Anton Bruckner. Mit seinem Chefdirigenten Andrés Orozco- Estrada zeichnet sich das Orchester des Hessischen Rund- funks durch musikalische Exzellenz und innovative Vielsei- tigkeit sowie kreative Konzertformate aus. Das Ensemble ist in vielen Zentren der europäischen Musikwelt ein regel mäßiger und gefragter Gast, darunter in Wien, Salzburg, Paris und Prag. Tourneen führten die Musiker auch schon mehrfach nach Asien. Bekannt geworden ist das Orchester in den 1980er Jahren durch die Maßstäbe setzenden Ersteinspielungen der Ur fassungen von Bruckners Sinfonien und die erste digitale Gesamtaufnahme aller Mahler-Sinfonien. So entstand der bis heute bedeutende Schwerpunkt in der Interpretation romantischer Literatur, der vom langjährigen Chefdirigen- ten Eliahu Inbal über seine Nachfolger Dmitrij Kitajenko und Hugh Wolff bis hin zur vielbeachteten Arbeit von Paavo Järvi ausstrahlte, der dem Orchester inzwischen als »Conductor Laureate« verbunden ist. Neben seinen erfolgreichen Konzerten unterstreicht das Orchester auch mit zahlreichen preisgekrönten CD-Produk- tionen und einer großen medialen Präsenz seine exponierte Position in der europäischen Orchesterlandschaft. In den vergangenen Monaten hat sich das Orchester angesichts der aktuell schwierigen Situation für die Kultur engagiert und im Juni unter anderem ein Benefiz-Konzert im Fern sehen ausgestrahlt, bei dem rund 200.000 Euro für die Stif- tung Rheingau Musik Festival gesammelt wurden, die frei- schaffende Künstler unterstützt. Die aktuelle Saison eröffnete das Orchester unter der Leitung seines Chefdirigenten unter anderem mit eigens in Auftrag gegebenen Uraufführungen von Ian Frederick und Michael Langemann.
Es ist das Besondere, das Wellen schlägt. Der offizielle Weinpartner der Elbphilharmonie Mehr Infos unter: hawesko.de/elphi
BESETZUNG VIOLINE I FLÖTE Ulrich Edelmann Clara Andrada de la Calle Florin Iliescu Matthew Higham Fanny Pujol Peter Zelienka OBOE Charys Schuler José Luis Garcia Vegara Wandi Xu Michael Höfele Mariane Vignand Nadine Blumenstein KLARINETTE Tomaz Mocilnik VIOLINE II Sven van der Kuip Stefano Succi Akemi Mercer-Niewöhner FAGOTT Ulrike Mäding-Lemmerich Theo Plath Shoko Magara di Nonno Bernhard Straub Rachelle Hunt Ayako Kasai HORN Marc Gruber VIOLA Charles Petit Igor Budinstein Maciej Baranowski Steffen Weise Gerda Wind-Sperlich Kinga Maria Roesler-Kraus Christoph Fassbender TROMPETE Kerstin Hüllemann Jürgen Ellensohn Norbert Haas VIOLONCELLO Peter-Philipp Staemmler POSAUNE Christiane Steppan Oliver Siefert Arnold Ilg Francis Baur Pauline Spiegel Lothar Schmitt KONTRABASS TUBA Kai von Goetze David Glidden Johannes Stähle Ulrich Franck PAUKE Lars Rapp
TIPP BEETHOVENS K AMMERMUSIK »Gemeinsam zu musizieren ist das Intimste, was es gibt«, weiß Nicolas Altstaedt. Der Star-Cellist konzertiert regelmäßig mit musikalischen Partnern – nicht nur beim Festival im öster- reichischen Lockenhaus, dessen Leitung er von Gidon Kre- mer übernommen hat. Mit dreien seiner besten Freunde, der norwegischen Geigerin Vilde Frang, dem englischen Brat- scher Lawrence Power und dem deutsch-rumänischen Pia- nisten Herbert Schuch, bringt er nun drei furiose Frühwerke vom 250-Jahr-Jubilar Ludwig van Beethoven in die Laeiszhalle. 3.11.2020 | Laeiszhalle Großer Saal | Frang / Power / Altstaedt / Schuch Es ist nicht gestattet, während des Konzerts zu filmen oder zu fotografieren. IMPRESSUM Herausgeber: HamburgMusik gGmbH Geschäftsführung: Christoph Lieben-Seutter (Generalintendant), Jochen Margedant Redaktion: Clemens Matuschek, Simon Chlosta, François Kremer, Laura Etspüler Lektorat: Reinhard Helling Gestaltung: breeder typo – alatur, musialczyk, reitemeyer Druck: Flyer-Druck.de Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier Anzeigen: Antje Sievert, +49 40 450 698 03, antje.sievert@kultur-anzeigen.com BILDNACHWEIS »Eine Schubertiade«. Ölgemälde von Julius Schmid (1897); Max Reger (unbezeichnet); Anton Webern, 1912 (Amalie Waller); Antonín Dvořák, 1901 (Národní Muzeum); Andrés Orozco-Estrada (Ben Knabe); Christian Elsner (Detlef Kurth); hr-Sinfonieorchester (Ben Knabe); Frang / Power / Altstaedt (Julien Mignot)
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