HR-SINFONIE-ORCHESTER - OK TOBER 2020 ELBPHILHARMONIE GROSSER SA AL

 
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HR-SINFONIE-
ORCHESTER

          25. OK TOBER 20 20
 EL BPHIL H A RMONIE GROS SER S A A L
HR-SINFONIE-ORCHESTER - OK TOBER 2020 ELBPHILHARMONIE GROSSER SA AL
MODERNE KULTUR IN
          EINZIGARTIGER GESTALT.

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                   Julius Bär ist Principal Sponsor
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HR-SINFONIE-ORCHESTER - OK TOBER 2020 ELBPHILHARMONIE GROSSER SA AL
Sonntag, 25. Oktober 2020 | 18:30 & 21 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal

Elbphilharmonie Abo 2 | 1. Konzert

HR-SINFONIEORCHESTER
CHRISTIAN ELSNER TENOR
DIRIGENT ANDRÉS OROZCO-ESTRADA

Franz Schubert (1797–1828)
An die Musik D 547 (1817)
Bearbeitung von Max Reger (1913)
Ihr Bild D 957/9 (1828)
Bearbeitung von Anton Webern (1903)
Nacht und Träume D 827 (1823)
Bearbeitung von Max Reger (1913)
Der Wegweiser D 911/20 (1827)
Bearbeitung von Anton Webern (1903)
Du bist die Ruh D 776 (1823)
Bearbeitung von Anton Webern (1903)
Erlkönig D 328 (1815)
Bearbeitung von Max Reger (1913)

Antonín Dvořák (1841–1904)
Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 (1889)
Allegro con brio
Adagio
Allegretto grazioso – Molto vivace
Allegro ma non troppo

keine Pause / Dauer ca. eine Stunde
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DAS
ELBPHILHARMONIE
MAGAZIN

∙ KONZERTGLÜCK
 Eine Liebeskummererklärung
∙ ANOUSHKA SHANKAR
 Am Puls der Gegenwart
∙ »WEIL ER GUT IST«
 Ian Bostridge über Thomas Adès
und vieles mehr …

Ab sofort für € 6,50 erhältlich im Elbphilharmonie Shop auf der Plaza,
in der Konzertkasse der Elbphilharmonie sowie am Kiosk und im
Bahnhofsbuchhandel.
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WILLKOMMEN

  Das hr-Sinfonieorchester ist so etwas wie ein
  YouTube-Star der klassischen Musik. Denn
  wann immer man auf dieser Plattform nach
  einem Musikstück sucht, wird mit großer
  Wahrscheilichkeit ein Konzertmitschnitt des
  Frankfurter Klangkörpers angezeigt. Mit die-
  sem digitalen Engagement – und natürlich
  mit seiner herausragenden musikalischen
  Qualität – hat sich das Orchester auch inter-
  national einen Namen gemacht. Heute nun
  kann man es zusammen mit seinem Chef-
  dirigenten Andrés Orozco-Estrada und dem
  Tenor Christian Elsner live erleben. Und das
  ist doch, wie wir spätestesten nach den ver-
  gangenen Monaten wissen, immer noch das
  Beste!
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DIE MUSIK

                                     DER ANFANG VOM LIED
                                     Zu den Liedern von Franz Schubert und ihren Bearbeitungen

                                     Mit über 660 Lied-Kompositionen gilt Franz Schubert als Vater
                                     des Kunstlieds. Sogar ein Geburtsdatum dieses Genres gibt es:
                                     der 19. Oktober 1814, an dem Schubert seine Goethe-­Vertonung
                                     Gretchen am Spinnrad ins Reine schrieb. Sein Einfluss war so
                                     groß, dass es der deutsche Begriff »Lied« sogar in den eng­
                                     lischen und französischen Wortschatz schaffte.
                                        In seine Lieder legte Schubert seine ganze schöpferische
                                     Kraft. Inspiriert von der jeweiligen Textvorlage schuf er höchst
                                     kondensierte Mikrokosmen von größter musikalischer Inten-
                                     sität: Pianissimo und dreifaches Forte, düstere Stimmungen,
                                     wilde Ausbrüche und teuflische Akkordfortschreitungen. Dien-
                                     ten Liedkompositionen vormals dazu, Gedichte mit einer ein-
                                     fachen, von Strophe zu Strophe möglichst gleichbleibenden
Im heutigen Konzert erklingen die    Melodie auszustatten, die nicht vom Inhalt ablenkte, emanzi-
Lieder nicht im Original mit         pierte Schubert die Musik als eigenständige Ebene, die sich
Klavier, sondern in Bearbeitungen
                                     einmischt, kommentiert oder sogar in Opposition zu den Wor-
für Orchester. Sie stammen teils
von Anton Webern (1883–1945),
                                     ten tritt. Gleichzeitig erhob er das Klavier vom Begleitinstru-
der sie noch als Student in Wien     ment zum gleichwertigen Partner der Singstimme.
schrieb, bevor er sich der Zwölf­-      Zu Schuberts bekanntesten Liedern gehört die 1817 entstan-
tonmusik zuwandte; teils von         dene Hymne An die Musik auf einen Text seines langjährigen
Max Reger (1873–1916), der selbst
                                     Dichterfreunds Franz von Schober, mit dem er zeitweise die
mehr als 300 Lieder vertonte.
                                     Wohnung teilte. Im Gegensatz zu seinen vielen düsteren Lie-
                                     dern wird die ausladende Melodie hier von warmen Dur-Akkor-
                                     den umspült. Ihre Botschaft – Musik als Rettung und Zuflucht
                                     im Leben – blieb zeitlebens Schuberts Motto. In dem eigenen
                                     Gedicht Klage an das Volk heißt es wenige Jahre später: »Nur
                                     Dir, o heil’ge Kunst, ist’s noch gegönnt den großen Schmerz zu
                                     mildern, der nimmer mit dem Schicksal sie versöhnt.«
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Eine Schubertiade, Ölgemälde von Julius Schmid (1897)

Sein Schicksal sollte ihn bald ereilen: »Ich bin krank«, schrieb der unter der
Quecksilber-Behandlung seiner Syphilis leidende Komponist im November 1828
an Schober. »Ich habe schon elf Tage nichts gegessen und nichts getrunken und
wanke matt und schwankend von Sessel zu Bett und zurück«. Am 19. November
starb Schubert – mit nur 31 Jahren. Ihr Bild gehört zu einer Gruppe von Liedern,
an denen er zuletzt gearbeitet hatte; darauf verweist auch der Titel Schwanen-
gesang, unter dem sie der geschäftstüchtige Wiener Verleger Tobias Haslinger
posthum der Öffentlichkeit präsentierte. Bemerkenswert ist hier zunächst das
Fehlen jeglicher Akkorde. Zu einer einstimmigen, blutleeren Musik starrt ein
Verlassener auf das Bild der einstigen Geliebten. Erst als die Erinnerung an
bessere Tage einsetzt, füllen Dur-Akkorde die Leere. Bald jedoch weicht die
Illusion wieder der Realität, wie so oft in Schuberts Liedern. Besonders in den
fremden Harmonien tun sich Abgründe auf – umso zynischer wirkt es, wenn
der verzweifelten Ausruf »Ach!« in Dur erstrahlt. Ach, Schubert!
    »Heil’ge Nacht, du sinkest nieder«, so beginnt das nächste Lied Nacht und
Träume, entstanden im Jahr 1825. Der hymnische Text stammt von Schuberts
im Vorjahr verstorbenen Freund Matthäus von Collin. Er ist Symptom der auf-
keimenden Romantik als Gegenentwurf zu Aufklärung und Fortschritt. Dich-
ter wie Novalis, Joseph von Eichendorff und Clemens Brentano verehrten die
Nacht als Ort des Unbewussten und Verborgenen. Schlaf und Traum, Irratio-
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nales, Weltschmerz und mystische Naturerfahrungen sind beliebte Motive in
der Kunst der Zeit – und in Schuberts Liedern. Nacht und Träume ist von einem
Frieden durchdrungen, einer fast sakralen Ruhe und Andacht wie kaum eine
seiner Kompositionen.
   »Eine Straße muss ich gehen, die noch keiner ging zurück.« Wohin der Weg-
weiser im gleichnamigen Lied führt, ist unschwer zu erraten. Das Stück stammt
aus Schuberts wohl berühmtestem Zyklus Winterreise um einen rastlosen Wan-
derer, dessen Gedanken unaufhörlich um verlorene Liebe, Tod und Einsamkeit
kreisen. In seiner Verzweiflung kommt er immer weiter vom Weg ab. Selbst der
vermeintlich hilfreiche Wegweiser führt ihn nur weiter fort vom Leben.
   Mit Irrwegen und Täuschungen ist auch die
Musik gespickt. Sie lauern vor allem in der         Max Reger
Begleitung, die im Gegensatz zur Singstimme
tückisch komplex gestrickt ist. Neben har-
monischen Trugschlüssen, die die Hörerwar-
tung zuerst in eine Richtung lenken und dann
unter­graben, enthält sie Fallstricke wie kurz
vor Schluss die sogenannte »Teufelsmühle«.
In dieser jahrhundertealten Geste, die schon
Bach und Mozart einsetzten, wandern die
Bässe in Halbtonschritten aufwärts, während
die Singstimme wie erstarrt stehenbleibt. Zum
Schluss verengt sich der Tonraum auf einen
unausweichlichen Fluchtpunkt – es gibt kein
Zurück, schreibt Schubert in Tönen.
   Ganz so weit lässt es Christian Elsner heute
glücklicherweise nicht kommen. Für einen
Augenblick zieht Friede ein ins gebeutelte
Herz: Du bist die Ruh ist ein inniges Liebes-
lied. Seinen Höhepunkt erreicht es in der letz-
ten Strophe mit dem Vers »Dies Augenzelt, von
deinem Glanz allein erhellt«. Der Sänger steu-
ert gen Himmel, unter ihm breitet das Orches-
ter seine Arme (nach oben und unten) aus.
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DIE MUSIK

Zum Schluss wird’s noch einmal düster und
dramatisch: Der Erlkönig ist eines von Schu-
berts wichtigsten Liedern. Kaum zu glauben,
dass er bei der Komposition gerade 18 Jahre
alt war! Es gehört zu einer Gruppe von über
70 Liedern auf Texte von Johann Wolfgang
von Goethe. Über die Entstehung schreibt der
Freund Josef von Spaun: »Wir fanden Schubert
ganz glühend, den Erlkönig aus dem Buche
laut lesend. Er ging mehrmals mit dem Buche
auf und ab, plötzlich setzte er sich, und in der      Anton Webern
kürzesten Zeit, so schnell man nur schreiben
kann, stand die herrliche Ballade auf dem
Papier.«
   Gehetzt eilen die acht Strophen voran, gejagt von den ununterbrochenen,
galoppierenden Dreierfiguren (Triolen) der Geigen und von Windstößen in den
Bässen. Viel ist spekuliert worden über Goethes Absicht hinter dem Erlkönig,
der den Vater verfolgt und das »ächzende Kind« am Ende in den Tod reißt. Der
Komponist Georg Friedrich Haas hält ihn gar für »einen der schrecklichsten
Texte der Weltliteratur. Ein grausiges Ereignis wird in einer Sprache dargestellt,
die das Leiden des sterbenden Knaben völlig ausspart. Das Geschehen wird in
einer eiskalten Technik der Objektivierung erzählt.« Schuberts Vertonung füllt
dieses Vakuum: Sie meißelt dem Hörer die Furcht des Kindes ins Ohr.
   Goethe selbst nahm von der Vertonung wenig Notiz, als Schubert sie ihm
nebst anderen Noten schickte. Erst nach dessen Tod lauschte er einer Darbie-
tung der jungen Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient. Und siehe da: Angeb-
lich küsste der Dichter sie anschließend auf die Stirn mit den Worten: »Ich habe
die Kompo­sition früher einmal gehört, wo sie mir gar nicht zusagen wollte, aber
so vorgetragen gestaltet sich das Ganze zu einem sichtbaren Bilde.«

                                                              L AUR A E TSPÜLER
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GESANGSTEXTE
An die Musik                                    Nacht und Träume
Text: Franz von Schober                         Text: Matthäus von Collin

Du holde Kunst, in wieviel grauen Stunden,      Heil’ge Nacht, du sinkest nieder;
Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt,      Nieder wallen auch die Träume,
Hast du mein Herz zu warmer Lieb’ entzunden,    Wie dein Mondlicht durch die Räume,
Hast mich in eine bess’re Welt entrückt!        Durch der Menschen stille Brust.
                                                Die belauschen sie mit Lust;
Oft hat ein Seufzer, deiner Harf’ entflossen,
                                                Rufen, wenn der Tag erwacht:
Ein süßer, heiliger Akkord von dir
                                                Kehre wieder, heil’ge Nacht!
Den Himmel bess’rer Zeiten mir erschlossen,
                                                Holde Träume, kehret wieder!
Du holde Kunst, ich danke dir dafür!

                                                Der Wegweiser
Ihr Bild
                                                Text: Wilhelm Müller
Text: Heinrich Heine

                                                Was vermeid’ ich denn die Wege
Ich stand in dunkeln Träumen,
                                                Wo die anderen Wandrer gehen,
Und starrt’ ihr Bildnis an,
                                                Suche mir versteckte Stege
Und das geliebte Antlitz
                                                Durch verschneite Felsenhöhn?
Heimlich zu leben begann.
                                                Habe ja doch nichts begangen,
Um ihre Lippen zog sich
                                                Dass ich Menschen sollte scheun –
Ein Lächeln wunderbar,
                                                Welch ein törichtes Verlangen
Und wie von Wehmutstränen
                                                Treibt mich in die Wüsteneien?
Erglänzte ihr Augenpaar.
                                                Weiser stehen auf den Wegen,
Auch meine Tränen flossen
                                                Weisen auf die Städte zu,
Mir von den Wangen herab –
                                                Und ich wandre sonder Maßen,
Und ach, ich kann es nicht glauben,
                                                Ohne Ruh’, und suche Ruh’.
Dass ich dich verloren hab’!
                                                Einen Weiser seh’ ich stehen
                                                Unverrückt vor meinem Blick;
                                                Eine Straße muss ich gehen,
                                                Die noch keiner ging zurück.
Du bist Ruh               Erlkönig
Text: Friedrich Rückert   Text: Johann Wolfgang von Goethe

Du bist die Ruh,          Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Der Friede mild,          Es ist der Vater mit seinem Kind;
Die Sehnsucht du          Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Und was sie stillt.       Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

Ich weihe dir             »Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?«
Voll Lust und Schmerz     »Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Zur Wohnung hier          Den Erlenkönig mit Kron‘ und Schweif?«
Mein Aug’ und Herz.       »Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.«

Kehr’ ein bei mir,        »Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Und schließe du           Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
Still hinter dir          Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Die Pforten zu.           Meine Mutter hat manch gülden Gewand.«

Treib andern Schmerz      »Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Aus dieser Brust!         Was Erlenkönig mir leise verspricht?«
Voll sei dies Herz        »Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind:
Von deiner Lust.          In dürren Blättern säuselt der Wind.«

Dies Augenzelt            »Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Von deinem Glanz          Meine Töchter sollen dich warten schön;
Allein erhellt,           Meine Töchter führen den nächtlichen Reih’n
O füll es ganz!           Und wiegen und tanzen und singen dich ein.«

                          »Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
                          Erlkönigs Töchter am düstern Ort?«
                          »Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:
                          Es scheinen die alten Weiden so grau.«

                          »Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
                          Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.«
                          »Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an!
                          Erlkönig hat mir ein Leids getan!«

                          Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind,
                          Er hält in Armen das ächzende Kind,
                          Erreicht den Hof mit Müh‘ und Not;
                          In seinen Armen das Kind war tot.
FREUNDLICH GEWUNKEN
Antonín Dvořák: Sinfonie Nr. 8

»Prag, 30. November 1888: Der berühmte Piotr Tschaikowsky dirigiert seine
neue Sinfonie Nr. 5.« So oder so ähnlich muss es damals auf den Konzertplaka-
ten gestanden haben. Ein musikalisches Großereignis erster Güte, dem natür-
lich auch Antonín Dvořák beiwohnte, der wichtigste Komponist Tschechiens.
Nach dem Konzert trafen sich die beiden, beglückwünschten einander zu ihren
Erfolgen und diskutierten über Musik, und am Ende lud Tschaikowsky seinen
Kollegen zu einer Konzertreise nach Russland ein. Schön und gut, doch nun
musste Dvořák passende Stücke vorschlagen: »Aber welche? Ich habe drei
Sinfonien: D-Dur, d-Moll und F-Dur, alle gedruckt bei Simrock in Berlin. Dann
habe ich ein Violinkonzert und ein Klavierkonzert …«
   Alles nicht das Richtige offenbar, denn anderntags setzte sich Dvořák an den
Schreibtisch und begann mit der Arbeit an seiner G-Dur-Sinfonie, die heute
als Nr. 8 gezählt wird (man rechnet noch vier Jugendsinfonien mit, die Dvořák
selbst damals offenbar nicht als vollwertig erachtete). Schon bald konnte der
Komponist erste Fortschritte nach Moskau melden. Dass der Plan am Ende
doch nicht aufging, lag einerseits an Copyright-Streitigkeiten mit dem erwähn-
ten Verleger und andererseits daran, dass Dvořák inzwischen Ehrungen der
Böhmischen Kaiser-Franz-Joseph-Akademie, der Royal Philharmonic Society
London und der Universität von Cambridge erhalten hatte und das Werk kurzer-
hand als dirigiertes Dankeschön für diese Institutionen verwertete. Der Streit
mit Simrock führte außerdem dazu, dass er die Sinfonie in London drucken ließ,
was ihr den zeitweiligen Beinamen »Englische« einbrachte.
   Im Kern aber ist die Musik natürlich böhmisch. Die gewissermaßen natur-
belassenen Melodien, der Tanzmusikanten-Tonfall und die volkstümliche Ein-
fachheit, gepaart mit klanglicher Raffinesse, hatten schon Johannes Brahms
begeistert, Dvořáks größten Fan. Brahms hatte Dvořák überhaupt erst ermun-
tert, seinen böhmischen Background konstruktiv in seine Kunstmusik einfließen
zu lassen, statt immer nur dem abstrakten Beethoven-Ideal nachzulaufen. Die-
ser typische Dvořák-Klang findet sich auch in der Achten. Gepaart ist er aller-
dings mit einem deutlichen Tschaikowsky-Einschlag, der zweifellos den Ent-
stehungsumständen geschuldet ist. Dvořák drückte es etwas subtiler aus, als
er »ein von meinen anderen Sinfonien verschiedenes Werk« ankündigte, »mit
individuellen, in neuer Weise ausgearbeiteten Gedanken«.
DIE MUSIK

                                         Schon im ersten Satz lässt sich das
                                         archet y pisch nachvoll ziehen. Er
                                         beginnt mit einem schwer romanti-
                                         schen, getragenen Choral von Celli
                                         und Bläsern, der an den Nahtstellen
                                         des Satzes mehrfach wieder auftaucht.
                                         Demgegenüber steht ein heiterer
                                         Vogelruf der Flöte, den Dvořák im Gar-
                                         ten seines Landhauses aufgeschnappt
                                         haben könnte, wo er sich während der
                                         Komposition bevorzugt aufhielt. Glei-
                    Antonín Dvořák       ches gilt für den zweiten Satz, der
                                         eine schwärmerische Geste mit einer
                                         weiteren Vogelimitation kontrastiert.
Endgültig gewinnt Tschaikowsky dann im dritten Satz die Überhand: Dieser
Walzer stammt definitiv nicht vom böhmischen Dielenboden, sondern vom ele-
ganten Pariser oder Petersburger Parkett.
   Als Meister der Melodie zeigt sich Dvořák dann im Finale. Nach der Trom-
petenfanfare präsentiert er ein weiteres elegisches Cellothema, das bald
aber extrem zackige Formen annimmt und zwischendurch von über­mütigen
Horn­trillern befeuert wird. Der Schriftsteller und Musikkritiker George Ber-
nard Shaw konnte dieser gut gelaunten Sinfonie mit ihrem Feuerwerk an
Ohrwurm-Themen überhaupt nichts abgewinnen und lästerte: »Die Sinfonie
erreicht fast das Niveau von Rossinis Ouvertüren und wäre eine vorzügliche
Promenadenmusik für sommerliche ländliche Feste.« Dvořáks Kollege und
Nachfolger Leoš Janáček dagegen kommentierte völlig zu Recht: »Dvořáks
Partituren können dem Musiker ans Herz wachsen. Und was das Wichtigste ist:
Dvořák führt seine Figuren nicht bis zum Überdruss durch. Kaum hast du eine
kennengelernt, schon winkt dir freundlich die nächste. Du bist in einer ständi-
gen angenehmen Erregung.« Hören wir also, wie diese »angenehme Erregung«
im heutigen Konzert das hr-Sinfonieorchester beflügelt.
                                                       CLEMENS MATUSCHEK
DIE KÜNSTLER

DIRIGENT   ANDRÉS OROZCO-ESTRADA
Andrés Orozco-Estrada ist seit 2014 Chefdirigent des hr-Sin-
fonieorchesters. Im gleichen Jahr wurde er auch vom Houston
Symphony Orchestra zum Chefdirigenten ernannt. Mit beiden
Ensembles gibt er nicht nur umjubelte Konzerte in vielen
wichtigen Konzerthäusern, sondern hat auch etliche CDs auf-
genommen, die sowohl von europäischen als auch ameri-
kanischen Medien sehr gelobt wurden. Mit dem hr-Sinfonie­
orchester legte er unter anderem gefeierte Einspielungen von
Igor Strawinskys Der Feuervogel und Le sacre du printemps vor.
Internationale Aufmerksamkeit erhielt außerdem ein Richard-­
Strauss-­Zyklus mit Aufnahmen der Oper Salome, der sinfoni-
sche Dichtung Ein Heldenleben und der Alpensinfonie. Gemein-
sam mit dem Houston Symphony Orchestra veröffentlichte
Orozco-Estrada zudem einen Dvořák-Zyklus und das Album
Music of the Americas mit Werken von Leonard Bernstein, Astor
Piazzolla und George Gershwin.
    Seine musikalische Ausbildung begann der aus Kolumbien
stammende Andrés Orozco-Estrada zunächst mit dem Violin-
spiel. Als 15-Jähriger erhielt er seinen ersten Dirigierunterricht
und ging fünf Jahre später nach Wien, wo er an der Hochschule
für Musik und Darstellende Kunst studierte. Von 2009 bis 2015
war er Chefdirigent des Wiener Tonkünstler-Orchesters. Vor
sechs Jahren dirigierte er erstmals beim Glyndebourne Fes-
tival, schon mehrfach wurde er zu den Salzburger Festspielen
eingeladen. Als gefragter Gastdirigent arbeitet er regelmäßig
mit renommierten Orchestern wie dem London Philharmonic
Orchestra, dem Gewandhausorchester Leipzig sowie den Ber-
liner und Wiener Philharmonikern zusammen. In Amerika steht
er unter anderem am Pult der großen Orchester in Chicago,
Cleveland und Philadelphia. Ab der kommenden Spielzeit ist
Andrés Orozco-Estrada Chefdirigent der Wiener Symphoniker,
mit denen er bereits in dieser Saison zahlreiche Konzerte
geplant hat.
Der in Freiburg geborene Christian Elsner gilt als einer der vielseitigsten deut-
schen Tenöre. Er ist nicht nur ein gefragter Konzertsänger, sondern hat sich
auch in der Opernwelt einen Namen gemacht. Auftritte als Siegmund in Wag-
ners Walküre und in der Titelpartie von dessen Parsifal führten ihn unter ande-
rem an die Semperoper Dresden, ins Teatro Real in Madrid und in die Wiener
Staatsoper. Als Konzertsänger ist er auf vielen wichtigen Bühnen zu Gast, dar-
unter die Philharmonie Berlin, die Carnegie Hall New York und die Suntory Hall
in Tokio. Für seine Konzertprojekte arbeitete er mit bedeutenden Dirigenten wie
Sir Simon Rattle oder Mariss Jansons.
   Höhepunkte vergangener Spielzeiten waren Joseph Haydns Schöpfung mit
der Staatskapelle Berlin unter Zubin Metha, Franz Schmidts Das Buch mit sie-
ben Siegeln mit den Wiener Symphonikern unter Manfred Honeck sowie Beet-
hovens Neunte Sinfonie mit den Berliner Philharmonikern und Sir Simon Rattle
sowie mit dem Gewandorchester unter Herbert Blomstedt. Außerdem fand er
sich mehrfach mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und Marek Janowski
für gefeierte konzertante Aufführungen von Wagner-Opern und Engelbert Hum-
perdincks Hänsel und Gretel zusammen. In der Elbphilharmonie war er zuletzt
im Februar zusammen mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg
unter der Leitung von Kent Nagano in einer Aufführung von Beethovens Missa
Solemnis zu erleben.
   Als leidenschaftlicher und geschätzter Liedsänger tourt er durch die Zen-
tren der europäischen Musikwelt, darunter München, Brüssel und Paris. Auf
CD erschienen neben Aufnahmen von Franz Schuberts Winterreise und Robert
Schumanns Dichterliebe auch Gustav Mahlers Lied von der Erde mit dem Ton-
halle Orchester Zürich unter David Zinman und Richard Wagners Parsifal mit
dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Marek Janowski. Ebenfalls
mit dem RSB und Janowski hat Elsner eine CD mit den Liedern des heutigen
Abends veröffentlicht, die von der internationalen Kritik begeistert aufgenom-
men wurde.
DIE KÜNSTLER

CHRISTIAN ELSNER   TENOR
HR-SINFONIEORCHESTER
DIE KÜNSTLER

Das hr-Sinfonieorchester Frankfurt wurde 1929 als eines
der ersten Rundfunk-Sinfonieorchester Deutschlands
gegründet. Seit Jahrzehnten zählt es zu den international
führenden Klangkörpern, unter anderem mit seinen gefei-
erten Interpretationen der Werke von Gustav Mahler und
Anton Bruckner. Mit seinem Chefdirigenten Andrés Orozco-­
Estrada zeichnet sich das Orchester des Hessischen Rund-
funks durch musikalische Exzellenz und innovative Vielsei-
tigkeit sowie kreative Konzertformate aus. Das Ensemble
ist in vielen Zentren der europäischen Musikwelt ein regel­
mäßiger und gefragter Gast, darunter in Wien, Salzburg,
Paris und Prag. Tourneen führten die Musiker auch schon
mehrfach nach Asien.
    Bekannt geworden ist das Orchester in den 1980er Jahren
durch die Maßstäbe setzenden Ersteinspielungen der Ur­­
fassungen von Bruckners Sinfonien und die erste digitale
Gesamtaufnahme aller Mahler-Sinfonien. So entstand der
bis heute bedeutende Schwerpunkt in der Interpretation
romantischer Literatur, der vom langjährigen Chefdirigen-
ten Eliahu Inbal über seine Nachfolger Dmitrij Kitajenko und
Hugh Wolff bis hin zur vielbeachteten Arbeit von Paavo Järvi
ausstrahlte, der dem Orchester inzwischen als »Conductor
Laureate« verbunden ist.
    Neben seinen erfolgreichen Konzerten unterstreicht das
Orchester auch mit zahlreichen preisgekrönten CD-Produk-
tionen und einer großen medialen Präsenz seine exponierte
Position in der europäischen Orchesterlandschaft. In den
vergangenen Monaten hat sich das Orchester angesichts
der aktuell schwierigen Situation für die Kultur engagiert
und im Juni unter anderem ein Benefiz-Konzert im Fern­
sehen ausgestrahlt, bei dem rund 200.000 Euro für die Stif-
tung Rheingau Musik Festival gesammelt wurden, die frei-
schaffende Künstler unterstützt.
    Die aktuelle Saison eröffnete das Orchester unter der
Leitung seines Chefdirigenten unter anderem mit eigens in
Auftrag gegebenen Uraufführungen von Ian Frederick und
Michael Langemann.
Es ist das Besondere,
das Wellen schlägt.

    Der offizielle Weinpartner
      der Elbphilharmonie

                                   Mehr Infos unter:
                                 hawesko.de/elphi
BESETZUNG

VIOLINE I                   FLÖTE
Ulrich Edelmann             Clara Andrada de la Calle
Florin Iliescu              Matthew Higham
Fanny Pujol
Peter Zelienka              OBOE
Charys Schuler              José Luis Garcia Vegara
Wandi Xu                    Michael Höfele
Mariane Vignand
Nadine Blumenstein          KLARINETTE
                            Tomaz Mocilnik
VIOLINE II                  Sven van der Kuip
Stefano Succi
Akemi Mercer-Niewöhner      FAGOTT
Ulrike Mäding-Lemmerich     Theo Plath
Shoko Magara di Nonno       Bernhard Straub
Rachelle Hunt
Ayako Kasai                 HORN
                            Marc Gruber
VIOLA                       Charles Petit
Igor Budinstein             Maciej Baranowski
Steffen Weise               Gerda Wind-Sperlich
Kinga Maria Roesler-Kraus
Christoph Fassbender        TROMPETE
Kerstin Hüllemann           Jürgen Ellensohn
                            Norbert Haas
VIOLONCELLO
Peter-Philipp Staemmler     POSAUNE
Christiane Steppan          Oliver Siefert
Arnold Ilg                  Francis Baur
Pauline Spiegel             Lothar Schmitt

KONTRABASS                  TUBA
Kai von Goetze              David Glidden
Johannes Stähle
Ulrich Franck               PAUKE
                            Lars Rapp
TIPP

BEETHOVENS K AMMERMUSIK
»Gemeinsam zu musizieren ist das Intimste, was es gibt«, weiß
Nicolas ­Altstaedt. Der Star-Cellist konzertiert regelmäßig mit
­musikalischen Partnern – nicht nur beim Festival im öster-
 reichischen Lockenhaus, dessen Leitung er von Gidon Kre-
 mer übernommen hat. Mit dreien seiner besten Freunde, der
 norwegischen Geigerin Vilde Frang, dem englischen Brat-
 scher Lawrence Power und dem deutsch-rumänischen Pia-
 nisten Herbert Schuch, bringt er nun drei furiose Frühwerke
 vom 250-Jahr-Jubilar Ludwig van Beethoven in die Laeiszhalle.

3.11.2020 | Laeiszhalle Großer Saal | Frang / Power / Altstaedt / Schuch

                   Es ist nicht gestattet, während des Konzerts zu filmen oder zu fotografieren.

                   IMPRESSUM
                   Herausgeber: HamburgMusik gGmbH
                   Geschäftsführung: Christoph Lieben-Seutter (Generalintendant), Jochen Margedant
                   Redaktion: Clemens Matuschek, Simon Chlosta, François Kremer, Laura Etspüler
                   Lektorat: Reinhard Helling
                   Gestaltung: breeder typo – alatur, musialczyk, reitemeyer
                   Druck: Flyer-Druck.de
                   Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier

                   Anzeigen: Antje Sievert, +49 40 450 698 03, antje.sievert@kultur-anzeigen.com

                   BILDNACHWEIS
                   »Eine Schubertiade«. Ölgemälde von Julius Schmid (1897); Max Reger (unbezeichnet);
                   Anton Webern, 1912 (Amalie Waller); Antonín Dvořák, 1901 (Národní Muzeum); Andrés
                   Orozco-Estrada (Ben Knabe); Christian Elsner (Detlef Kurth); hr-Sinfonieorchester
                   (Ben Knabe); Frang / Power / Altstaedt (Julien Mignot)
WIR DANKEN UNSEREN PARTNERN

PRINCIPAL SPONSORS   PRODUCT SPONSORS          FÖRDERSTIFTUNGEN
Montblanc            Coca-Cola                 Claussen-Simon-Stiftung
SAP                  Hawesko                   Cyril & Jutta A. Palmer Stiftung
Julius Bär           Lavazza                   Ernst von Siemens Musikstiftung
Deutsche Telekom     Meßmer                    G. u. L. Powalla Bunny’s Stiftung
                     Ricola                    Hans-Otto und
                     Ruinart                   Engelke Schümann Stiftung
HAUPTFÖRDERER        Störtebeker               Haspa Musik Stiftung
INTERNATIONALES                                Hubertus Wald Stiftung
MUSIKFEST HAMBURG                              Körber-Stiftung
Kühne-Stiftung       CLASSIC SPONSORS          Mara & Holger Cassens Stiftung
                     Aurubis                   Programm Kreatives Europa
                     Bankhaus Berenberg        der Europäischen Union
                     Commerzbank AG
                     DZ HYP
                     Edekabank                 STIFTUNG
                     GALENpharma               ELBPHILHARMONIE
                     Hamburg Commercial Bank
                     Hamburger Feuerkasse
                     Hamburger Sparkasse       FREUNDESKREIS
                     Hamburger Volksbank       ELBPHILHARMONIE +
                     HanseMerkur               LAEISZHALLE E.V.
                     Jyske Bank A /S
                     KRAVAG-Versicherungen
                     Wall GmbH
                     M.M.Warburg & CO

                     ELBPHILHARMONIE
                     CIRCLE
W W W.ELBPHILHARMONIE.DE
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