HYBRIDES PROJEKTMANAGEMENT IN DER SOFTWARE-ENTWICKLUNG
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Eingereicht von Julia Huber, BSc Angefertigt am HYBRIDES PROJEKTMANAGEMENT Betreuer / Betreuerin IN DER SOFTWARE- Assoc. Univ.-Prof. Mag. Dr. René Riedl ENTWICKLUNG Mai 2021 Eine systematische Literaturanalyse Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science (MSc) im Masterstudium Wirtschaftsinformatik JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Masterarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Linz, Mai 2021 10. Mai 2021 Julia Huber 2/85
GENDER ERKLÄRUNG Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Masterarbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll. 10. Mai 2021 Julia Huber 3/85
INHALTSVERZEICHNIS 1. Einleitung .............................................................................................................................. 8 1.1. Problembeschreibung.................................................................................................... 8 1.2. Forschungsziele ............................................................................................................ 8 1.3. Forschungsfragen ......................................................................................................... 9 1.4. Aufbau der Arbeit .......................................................................................................... 9 2. Theoretischer Hintergrund .................................................................................................. 10 2.1. Traditionelles Projektmanagement .............................................................................. 10 2.1.1. Vorgehensmodelle und Methoden .................................................................... 10 2.1.1.1. Wasserfallmodell................................................................................ 11 2.1.1.2. V-Modell............................................................................................. 11 2.2. Agiles Projektmanagement .......................................................................................... 11 2.2.1. Vorgehensmodelle und Methoden .................................................................... 12 2.2.1.1. Scrum ................................................................................................ 12 2.2.1.2. Kanban .............................................................................................. 13 2.2.1.3. Extreme Programming (XP) ............................................................... 13 2.3. Hybrides Projektmanagement ..................................................................................... 13 2.3.1. Arten von hybriden Vorgehensmodellen ........................................................... 15 2.3.2. Auswahl des Projektmanagementmodells ........................................................ 16 3. Methode ............................................................................................................................. 19 3.1. Definition des Rechercheumfangs ............................................................................... 19 3.2. Konzeptualisierung des Themas.................................................................................. 20 3.3. Literatursuche.............................................................................................................. 21 3.4. Literaturanalyse und -synthese und Forschungsagenda .............................................. 25 4. Ergebnisse.......................................................................................................................... 26 4.1. Beantwortung Forschungsfrage 1 ................................................................................ 27 4.1.1. Quantitative Studien ......................................................................................... 28 4.1.1.1. Zusammenfassung ............................................................................ 35 4.1.2. Qualitative Studien ........................................................................................... 37 4.1.2.1. Zusammenfassung ............................................................................ 55 4.2. Beantwortung Forschungsfrage 2 ................................................................................ 58 4.2.1. Ergebnisse ....................................................................................................... 60 4.2.2. Zusammenfassung ........................................................................................... 65 4.2.2.1. Vorteile .............................................................................................. 70 4.2.2.2. Nachteile ............................................................................................ 72 10. Mai 2021 Julia Huber 4/85
5. Diskussion .......................................................................................................................... 75 6. Limitation ............................................................................................................................ 76 7. Ausblick .............................................................................................................................. 76 8. Literaturverzeichnis............................................................................................................. 78 9. Tabellenverzeichnis ............................................................................................................ 85 10. Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ 85 10. Mai 2021 Julia Huber 5/85
Zusammenfassung Hintergrund In den vergangenen Jahren hat sich in Softwareentwicklungsprojekten der Trend entwickelt, verschiedene Methoden zu kombinieren, um allen Projektanforderungen gerecht zu werden. Durch die Kombination von traditionellen und agilen Vorgehensmodellen können IT-Projekte von den Vorteilen mehrerer Methoden profitieren, während die Nachteile unterdrückt werden. Somit werden Projekte stabil und planbar, können aber gleichzeitig flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren. Ziel Mit dieser Arbeit sollen bisherige Forschungsergebnisse zum Thema hybrides Projektmanagement zusammengefasst werden. Einerseits soll herausgefunden werden, welche Vorgehensmodelle und Methoden in der Praxis zur Softwareentwicklung angewendet werden, wie diese zu hybriden Vorgehensmodellen kombiniert werden und wie verbreitet diese neue Art von Projektmanagement ist. Andererseits werden Gründe für die Erstellung von hybriden Modellen gesucht und Vor- und Nachteile aufgezählt. Methode Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine systematische Literaturanalyse nach dem Framework von vom Brocke et al. (2009) durchgeführt. Dazu wurden die wissenschaftlichen Datenbanken IEEE Xplore, Science Direct, ACM Digital Library, Springer Link, Web of Science und Google Scholar nach relevanten Beiträgen durchsucht. Nach Titel-, Abstract- und Volltext- Screening der Datenbank-Ergebnisse wurden 52 Studien und Papers für die Literaturanalyse ausgewählt. Ergebnisse Die Ergebnisse der Literaturanalyse zeigen einerseits, dass ein Großteil der Softwareprojekte mit verschiedenen Methoden durchgeführt werden und die Kombination von traditionellen und agilen Methoden vielfach bereits Alltag ist. Die Auswahl der geeigneten Methoden ist aufgrund der großen Anzahl an Kombinationen schwierig und bedarf erfahrene Projektmanager und -teams. Meist werden hybride Modelle in einer integrierten Anwendung durchgeführt, der Einsatz der einzelnen Methoden ist also unabhängig von Projektphasen und erfolgt situativ. Wurden die Methoden so kombiniert, dass diese perfekt auf die Projektbedingungen abgestimmt sind, können Projekte von motivierteren Projektbeteiligten, höherer Softwarequalität und Kundenzufriedenheit, schnelleren Ergebnissen, kürzerer Projektlaufzeit und weniger Projektkosten profitieren. Schlüsselwörter Hybrides Projektmanagement, Softwareentwicklung, Entwicklungsmethoden 10. Mai 2021 Julia Huber 6/85
Abstract Background In the last few years there is a new trend in software development projects to combine different methods to meet all project requirements. By combining traditional and agile process models, IT projects can benefit from the advantages of several methods while suppressing their disadvantages. Thus, projects become stable and plannable, but at the same time can react flexibly to changing conditions and requirements. Aim This work aims to summarize previous research results on the subject of hybrid project management. On the one hand, the aim is to find out, which process models and methods are used in practice for software development, how these are combined to form hybrid models and how common this new type of project management is. On the other hand, reasons for creating hybrid models, their advantages and disadvantages are listed. Methods To answer the research questions, a systematic literature review based on the framework from vom Brocke et al. (2009) was conducted. For this purpose, the scientific databases IEEE Xplore, Science Direct, ACM Digital Library, Springer Link, Web of Science, and Google Scholar were used to search for relevant scientific articles. After title-, abstract-, and full text screening of the database results, 52 studies and papers were selected for the literature analysis. Results The results of the literature review show that the majority of software projects are carried out using different methods and that the combination of traditional and agile methods is already practiced on a daily basis in many cases. Choosing suitable methods is difficult due to the large number of possible combinations and requires experienced project managers and teams. In most cases, hybrid models are used in an integrated application, i.e., the use of the individual methods is independent of project phases and is a situational decision. When combined to match project conditions, projects can benefit from more motivated project stakeholders, higher software quality and customer satisfaction, faster results, shorter project duration and lower project costs. Keywords Hybrid project management, software development, development methods 10. Mai 2021 Julia Huber 7/85
1. Einleitung Unternehmen im Bereich der Softwareentwicklung befinden sich in einem stark ändernden Markt und müssen daher immer wieder ihre Methoden und Strategien anpassen (Kuhrmann et al., 2017). Herausforderungen der nächsten Jahre sind unter anderem fehlende Fachkräfte und Mitarbeiter und neu aufkommende technische Trends und Herausforderungen. Zudem müssen Unternehmen mit schnellen und häufigen Anforderungsänderungen umgehen, wobei gleichzeitig stabile, zuverlässige und qualitativ hochwertige Software entwickelt werden muss, um Kunden zufrieden zu stellen und mit Konkurrenten am Markt mithalten zu können (Boehm & Turner, 2003). Nicht nur die IT-Branche ist davon betroffen, denn Software ist im Rahmen der Digitalisierung nun auch in den meisten anderen Branchen angekommen. Wo zuvor der Fokus auf der reinen Produktentwicklung lag, müssen jetzt auch Wege gefunden werden, Software zu entwickeln. Dazu müssen geeignete Methoden und Vorgehensmodelle gefunden werden, um diese Softwareprojekte in den bisherigen Entwicklungsprozess einzufügen (Kuhrmann, Schneider, et al., 2018). Um diesen verschärften Bedingungen gerecht zu werden, wurden in den vergangenen Jahren immer wieder neue Methoden und Modelle zum Management von Softwareprojekten vorgeschlagen. Gängige Vorgehensmodelle und Methoden zur Softwareentwicklung können grundsätzlich in zwei Kategorien eingeteilt werden: Agile Entwicklungsmethoden sind flexibler, bieten schnellere Entwicklungszeiten und eine höhere Kundenzufriedenheit. Traditionelle Methoden, sogenannte „Plan-Driven Approaches“, hingegen zeichnen sich durch einen geplanten und stabilen Entwicklungsverlauf aus (Boehm & Turner, 2003). Diese Methoden werden immer öfter miteinander kombiniert, sodass ein Methodenmix entsteht, der als hybrides Projektmanagement bezeichnet wird. Somit sind Softwareprojekte nicht nur planbar, sondern gleichzeitig auch agil und können schnell auf veränderte Projektbedingungen reagieren. Die Kombination verschiedener Vorgehensmodelle ist die scheinbare Lösung vieler Probleme und findet daher bereits in vielen Unternehmen Anwendung. 1.1. Problembeschreibung Das Gebiet der hybriden Softwareentwicklung ist in den letzten Jahren immer stärker erforscht worden. Es wurden quantitative und qualitative Studien durchgeführt und publiziert, welche einerseits den Status zur Auswahl von Vorgehensmodellen in Projekten darstellen sollen und anderseits neue hybride Modelle entwickelt und in Case Studies überprüft. Diese Arbeit soll die bisherige Literatur zusammenfassen und zeigen, welche Kombinationen von traditionellen und agilen Projektmanagement-Methoden in der Praxis am häufigsten vorkommen und welche Vor- und Nachteile diese mit sich bringen. 1.2. Forschungsziele Das Ziel dieser Arbeit ist, ein Verständnis darüber zu bekommen, welche Vorgehensmodelle und Methoden in der Praxis des IT-Projektmanagements angewendet werden. Werden sowohl traditionelle als auch agile Methoden verwendet, soll untersucht werden, wie diese miteinander zu hybriden Modellen kombiniert werden. Der Fokus dieser Arbeit liegt dabei auf hybride Modelle in der Softwareentwicklung. Zusätzlich soll erhoben werden, warum diese Kombinationen von 10. Mai 2021 Julia Huber 8/85
Methoden in der Praxis angewendet werden, welche Vor- und Nachteile diese bieten und mit welchen Herausforderungen dabei zu rechnen ist. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine systematische Literaturanalyse nach dem Framework von vom Brocke et al. (2009) durchgeführt. 1.3. Forschungsfragen Aufgrund der oben beschriebenen Problemstellung und Forschungsziele sollen folgende Forschungsfragen in dieser Masterarbeit beantwortet werden: Welche Vorgehensmodelle, Methoden und Praktiken werden im IT-Projektmanagement verwendet und miteinander zu hybriden Modellen kombiniert? Warum werden hybride Modelle im IT-Projektmanagement angewendet? Welche Vor- und Nachteile bringen hybride Modelle im IT-Projektmanagement? 1.4. Aufbau der Arbeit Folgende Arbeit gliedert sich in sechs Teile. Zu Beginn wird in Kapitel 1 die Einleitung, Problemstellung und Zielsetzung dargestellt und anschließend die beiden Forschungsfragen präsentiert. Kapitel 2 dient dem Aufbau von theoretischem Wissen, welches als Grundlage für alle darauffolgenden Kapitel dient. Dazu wurden einerseits Charakteristiken des traditionellen und agilen Projektmanagements beschrieben, sowie Vor- und Nachteile aufgezählt und einige bekannte Vorgehensmodelle beider Ansätze präsentiert. Andererseits wird das hybride Projektmanagement definiert und die drei Arten von hybriden Modellen nach Timinger (2017) erläutert. In Kapitel 3 folgt eine detaillierte Beschreibung des Prozesses der systematischen Literaturanalyse. Diese wurde nach vom Brocke et al. (2009) durchgeführt und beschreibt vier der fünf Phasen, welche im Laufe der Literaturanalyse durchlaufen wurden. Die Ergebnisse der Literaturanalyse werden im vierten Kapitel präsentiert. Dabei werden alle relevanten Beiträge jeder Forschungsfrage in einem eigenen Kapitel beschrieben und zusammengefasst. In Kapitel 5 werden die Ergebnisse der Literaturanalyse diskutiert. Das darauffolgende Kapitel 6 beschreibt die Limitationen dieser Arbeit. Abschließend werden in Kapitel 7 ein Ausblick und mögliche zukünftige Forschungsthemen beschrieben. 10. Mai 2021 Julia Huber 9/85
2. Theoretischer Hintergrund Die Definition des Wortes „Hybrid“ besagt, dass es sich dabei um eine „Zusammensetzung aus Verschiedenartigem“ (Dudenredaktion, o.J.) handelt. Demzufolge kann das hybride Projektmanagement als eine Kombination von verschiedenen Vorgehensmodellen und Methoden definiert werden. Als Beispiel hierfür kann „Scrumban“ genannt werden, welches die beiden agilen Vorgehensmodelle Scrum und Kanban kombiniert. In der wissenschaftlichen Literatur und der Praxis wird der Begriff aber meist in einem engeren Sinn definiert und soll die gemeinsame Verwendung von agilen und traditionellen Vorgehensmodellen und Methoden beschreiben (Kneuper, 2018). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird von der Definition im engeren Sinne ausgegangen. Im Folgenden werden Merkmale, Vor- und Nachteile des traditionellen und agilen Projektmanagements erörtert. Es ist für das weitere Verständnis des Begriffs des hybriden Projektmanagements besonders wichtig zu verstehen, welche Ansätze Bestandteil dieser Methode sein können. Aus diesem Grund werden außerdem einige bekannte traditionelle und agile Vorgehensmodelle überblicksartig dargestellt. Anschließend erfolgt die Definition des hybriden Projektmanagements. 2.1. Traditionelles Projektmanagement Das traditionelle Projektmanagement legt großen Wert auf eine umfangreiche Planungsphase zu Beginn eines Projektes, weshalb dabei auch oft von plangetriebenen, beziehungsweise plan- based in der englischsprachigen Literatur, gesprochen wird (Timinger, 2017). Das Projekt wird dabei in verschiedene Phasen eingeteilt, die genau geplant werden, weshalb schon sehr früh im Projekt das Datum für die Fertigstellung und die benötigten Ressourcen feststehen (Lehman & Sharma, 2011). Durch die intensive Projektplanung und Dokumentation während der Entwicklung ist das traditionelle Projektmanagement ein sehr transparenter Ansatz, der sehr leicht verständlich ist, eine hohe Planungssicherheit bietet und die Kontrolle über den Projektfortschritt und die Kosten erleichtert (Völl, 2020). Probleme können aber dann entstehen, wenn Projektanforderungen und Rahmenbedingungen nicht stabil sind und sich im Laufe des Projektes ändern. Das würde dazu führen, dass der Projektplan angepasst werden muss. Eine große Schwierigkeit stellt auch die Tatsache dar, dass sowohl die Architektur als auch das Design bereits zu Projektbeginn festgelegt wird. In der Praxis hat sich oft gezeigt, dass diese Dinge meist erst im Laufe der Entwicklungsarbeiten und durch Prototyping entstehen (Lehman & Sharma, 2011). Verbesserungsschleifen sind im traditionellen Projektmanagement nicht vorgesehen, wodurch sich Fehler erst spät bemerkbar machen. Außerdem sind traditionelle Vorgehensmodelle nicht für innovative Projekte geeignet, da die Unvorhersehbarkeit von neuen Technologien nicht mit einem starren, unflexiblen Projektplan vereinbar ist (Völl, 2020). 2.1.1. Vorgehensmodelle und Methoden Im folgenden Abschnitt werden zwei der bekanntesten Modelle des traditionellen Projektmanagements beschrieben. 10. Mai 2021 Julia Huber 10/85
2.1.1.1. Wasserfallmodell Das Wasserfallmodell ist eines der einfachsten und ältesten Vorgehensmodelle und wird in der Praxis nach wie vor häufig angewendet (Kneuper, 2018). Es besteht aus einer Abfolge von mehreren Phasen, weshalb das Wasserfallmodell zu den sequenziellen Vorgehensmodellen zählt. Die Phasen, die dabei durchlaufen werden, sind Analyse, Design, Implementierung, Test und Betrieb. Für jeder dieser Phasen werden Ziele und zu erstellende Dokumente definiert. Sind diese erreicht, kann die nächste Phase begonnen werden. Wichtig ist hier, dass eine Phase erst gestartet wird, wenn die vorhergehende abgeschlossen wurde, es gibt also keine Überlappungen (Kneuper, 2018; Timinger, 2017). Sollte eine Phase nicht abgeschlossen werden können, besteht die Möglichkeit eine Phase zurückzuspringen, um Fehler zu beheben oder auf veränderte Anforderungen zu reagieren (Timinger, 2017). 2.1.1.2. V-Modell Einen starken Fokus auf Verifizierung und Validierung des entwickelten Produktes legt das V- Modell. Dazu werden die Projektphasen in zwei Äste geteilt. Am linken Ast sind verschiedene Phasen und Aufgaben zu Anforderungen, Analysen und Design enthalten. Am unteren Ende des Vs erfolgt die Implementierung und am rechen Ast erfolgt ein Komponenten-, Integrations- und Systemtest, gefolgt von einer abschließenden Abnahme. Jede Phase des rechten Astes bezieht sich dabei auf eine Phase des linken Astes und verifiziert und validiert diese (Kneuper, 2018; Timinger, 2017). 2.2. Agiles Projektmanagement Das agile Projektmanagement und dessen Vorgehensmodelle wurden mit dem Gedanken entwickelt, den Prozess der Softwareentwicklung zu verbessern und die Probleme der traditionellen Methoden zu beheben (Lehman & Sharma, 2011). Das Hauptziel dabei ist, ein flexibles Organisieren von Projekten zu ermöglichen, wobei jederzeit auf Änderungen von Anforderungen reagiert werden kann, anstatt einem fixen Plan zu befolgen. Das wird erreicht, indem das Projekt schrittweise und in Iterationen abgearbeitet wird (Völl, 2020). Dazu ist ein selbstständiges und selbstorganisiertes Entwicklungsteam besonders wichtig, das Anforderungen sammelt, priorisiert und diese in Sprints umsetzt (Sherman, 2015). Außerdem zeichnet das agile Projektmanagement die starke Einbindung der Kunden aus, wodurch diese am Ende ein Produkt erhalten, welches ihren Ansprüchen gerecht wird und so die Kundenzufriedenheit erhöht (Lehman & Sharma, 2011). Das im Jahr 2001 veröffentlichte „Manifesto for Agile Software Development“ (Beck et al., 2001) beschreibt die Grundwerte der agilen Softwareentwicklung: „Individuals and interactions over processes and tools” (Beck et al., 2001, S. 1): Es soll die Kommunikation innerhalb der Entwicklungsteams verbessert und weniger auf Prozesse und Werkzeuge gesetzt werden. „Working software over comprehensive documentation” (Beck et al., 2001, S. 1): Softwareentwickler sollen sich auf das Schreiben von Code konzentrieren können, ohne vom Dokumentieren abgelenkt zu werden. 10. Mai 2021 Julia Huber 11/85
„Customer collaboration over contract negotiation” (Beck et al., 2001, S. 1): Anstatt sich auf Formalitäten zu konzentriere, liegt der Fokus auf dem Kunden und dessen Einbeziehung während der Entwicklung. „Responding to change over following a plan” (Beck et al., 2001, S. 1): Die Möglichkeit Änderungen zu berücksichtigen ist wichtiger, als einem genauen Plan zu folgen. Die Stärken von agilen Vorgehensmodellen liegen in der iterativen Arbeitsweise, die eine schnelle Produktentwicklung ermöglicht. Gleichzeitig kann auf Änderungen von Anforderungen reagiert werden, weil diese nicht, wie im traditionellen Projektmanagement üblich, zu Beginn des Projektes definiert werden müssen (Sherman, 2015). Der Fokus liegt auf dem Kunden, der im gesamten Entwicklungsprozess stark eingebunden ist, wodurch die Zusammenarbeit und dadurch das Vertrauen gestärkt wird. So entsteht eine Projektkultur, die Fehler zulässt und aus diesen lernt und damit den Einsatz von innovativen Technologien fördert (Völl, 2020). Den Stärken des agilen Projektmanagement stehen auch Schwächen gegenüber. So kann die vermehrte Kommunikation und selbstständige Koordination des Entwicklungsteams zu Schwierigkeiten führen, da diese ein gewisse Selbstverantwortung der einzelnen Projektmitglieder voraussetzt (Völl, 2020). Da der Schwerpunkt auf Flexibilität und weniger auf der Planung liegt, sind Vorhersagen über die Projektlaufzeit und die benötigten Ressourcen zum Projektbeginn nur schwer zu treffen. Auch das Vernachlässigen der Dokumentation wird bemängelt (Barlow et al., 2011). Die schnellen Entwicklungsiterationen können außerdem dazu führen, dass Anforderungen nicht richtig definiert werden und so eine schlechte Produktqualität erreicht wird. In großen und komplexen Projekten kann die Zusammenarbeit zwischen den Projektteams und deren gemeinsamer Architektur zu Problemen führen (Sherman, 2015). 2.2.1. Vorgehensmodelle und Methoden Im folgenden Kapitel werden drei der bekanntesten agilen Vorgehensmodelle vorgestellt. 2.2.1.1. Scrum Scrum ist ein iterativer Ansatz, bei dem Aufgaben schrittweise abgearbeitet werden. Die Methode zählt zu den beliebtesten Vorgehensmodellen in der Softwareentwicklung. Ein Scrum Team besteht aus einem Product Owner, der für den Erfolg des Projektes verantwortlich ist, einem Scrum Master, der das Scrum Team bei der Projektabwicklung nach dem Scrum Ansatz unterstützt und das Entwicklungsteam, das die Anforderungen umsetzt (Schwaber & Sutherland, 2020). Die Umsetzung erfolgt in mehreren Sprints, also in mehreren Iterationen. Im Product Backlog befinden sich Aufgaben, die im Laufe des Projektes abgearbeitet werden müssen. Dieser wird regelmäßig vom Product Owner ergänzt. Zu Beginn eines Sprints werden im Sprint Planning Meeting die abzuarbeitenden Aufgaben bestimmt und in einem Sprint Backlog gespeichert. Dieser wird im Laufe des Sprints abgearbeitet, wobei täglich kurze Daily Scrum Meetings durchgeführt werden, in denen über den derzeitigen Stand der Entwicklungsarbeiten diskutiert wird. Am Ende eines Sprints wird ein Sprint Review Meeting durchgeführt, wo den Projektstakeholdern die Sprintergebnisse präsentiert werden. Anschließend wird im Sprint Retrospective Meeting über die Zusammenarbeit des Scrum Teams gesprochen und wie diese verbessert werden kann. Danach beginnt ein neuer Sprint (Schwaber & Sutherland, 2020). 10. Mai 2021 Julia Huber 12/85
2.2.1.2. Kanban Kanban ist ein agiles Vorgehensmodell, welches keine fixen Abläufe oder Strukturen vorgibt (Timinger, 2017), sondern auf einen kontinuierlichen Arbeitsablauf setzt und daher auf Sprints, wie beispielsweise in Scrum-Projekten üblich, verzichtet (Flora & Chande, 2014). Das Kernprinzip von Kanban besteht darin, den Arbeitsablauf und die Aufgaben zu visualisieren und die Anzahl von gleichzeitig bearbeiteten Aufgaben zu reduzieren. Die Visualisierung geschieht anhand eines Kanban-Boards, in welchem allen Aufgaben ein Status zuordnet wird, sodass klar ersichtlich ist, welche Aufgaben noch auf die Bearbeitung warten, welche gerade bearbeitet werden und welche bereits abgeschlossen wurden (Kneuper, 2018). Zudem fördert Kanban die Selbstorganisation von Teams, indem jedes Teammitglied selbstständig Aufgaben annehmen kann, anstatt diese von einem Projektmanager zugeordnet zu bekommen (Timinger, 2017). Diese Prinzipien sollen dafür sorgen, dass die Zusammenarbeit der Teammitglieder verbessert wird, die Entwicklungszeiten verkürzt werden und insgesamt eine schnellere Projektdurchlaufzeit erreicht wird (Kneuper, 2018). 2.2.1.3. Extreme Programming (XP) Extreme Programming ist ein bekanntes agiles Vorgehensmodell, welches Entwicklungsprojekten bei der Entwicklung von qualitativ hochwertiger Software helfen soll. Dazu definierte Beck (1999) die vier Grundwerte Kommunikation, Einfachheit, Feedback und Mut, welchen in XP gefolgt wird. Zudem gibt es vier Grundaktivitäten, programmieren, testen, zuhören und designen, und bestimmte Rollen, wie etwa Entwickler, Kunden, Tester, Manager und Coach, welche die Basis des Vorgehensmodells bilden. Um diese Prinzipien zu verwirklichen, werden zwölf Praktiken in Iterationen durchgeführt: Planning Game, Small Releases, Metaphor, Simple Design, Testing, Refactoring, Pair Programming, Collective Ownership, Continuous Integration, 40 Hour Week, On- site Customer und Coding Standards (Beck, 1999). XP eignet sich besonders für Projekte, welche unstabile und unvorhersehbare Anforderungen haben, da ständiger Kundenkontakt einen zentralen Stellenwert im Vorgehensmodell hat. Zudem sollten kleine bis mittelgroße Projektteams eingesetzt werden, welche gemeinsam am selben Standort arbeiten (Flora & Chande, 2014). 2.3. Hybrides Projektmanagement In der wissenschaftlichen Literatur gibt es verschiedene Definitionen für den Begriff des „hybriden Projektmanagements“. Kuhrmann et al. (2017) definiert den Begriff etwa wie folgt: „A hybrid software development approach is any combination of agile and traditional (plan-driven or rich) approaches that an organizational unit adopts and customizes to its own context needs (e.g., application domain, culture, processes, project, organizational structure, techniques, technologies, etc.)“ (Kuhrmann et al., 2017, S. 30–31) Bick et al. (2018) beschreibt das hybride Projektmanagement als eine Zusammensetzung aus zwei oder mehreren verschiedenen Charakteristika, Praktiken und Rollen. Wobei sie unter Charakteristika die hierarchische und top-down Kommunikation von traditionellen und bottom-up Anpassungen von agilen Vorgehensmodellen verstehen. Als Beispiel für Praktiken werden die 10. Mai 2021 Julia Huber 13/85
traditionellen, umfangreichen Planungen zu Beginn des Projektes und die agilen Tests und Anpassungen, die regelmäßig durchgeführt werden, genannt. Eine typisch traditionelle Rolle ist etwa der Projektmanager, während im agilen meist Scrum Masters und Product Owners zum Einsatz kommen (Bick et al., 2018). Vorgehensmodelle des hybriden Projektmanagements sind also eine Kombination aus Methoden des traditionellen und agilen Projektmanagements. Wie in Abbildung 1 zu sehen, sind hybride Vorgehensmodelle innerhalb des Spektrums zwischen traditionellem und agilem Projektmanagement anzusiedeln und können dementsprechend viele verschiedene Ausprägungen annehmen (Arthur & Dabney, 2017; Bick et al., 2018). Abbildung 1: Bandbreite des hybriden Projektmanagements Quelle: in Anlehnung an Bick et al. (2018) und Arthur & Dabney (2017) Hybride Vorgehensmodelle können entweder auf der linken Seite des Spektrums angesiedelt sein und auf traditionellen Vorgehensmodellen basieren und zusätzlich einzelne agile Praktiken anwenden (Arthur & Dabney, 2017). In der Praxis könnte so ein Projekt etwa in Phasen und mit einem klassischen Set-Up mit Projektleitung und Projektmanagement-Office (PMO) abgearbeitet werden. Dazu werden einzelne Praktiken aus dem agilen Projektmanagement ausgesucht, wodurch beispielsweise Daily Scrum und Retrospective Meetings abgehalten werden. Durch diese Kombination würde sich die Zusammenarbeit, die Kommunikation und damit auch die Transparenz innerhalb des Projektteams verbessern (Völl, 2020). Hybride Projektmanagement-Methoden können aber auch stark nach links tendieren und agile Vorgehensmodelle als Basis haben, welche mit Praktiken des traditionellen Projektmanagements ergänzt werden (Arthur & Dabney, 2017). Ein Projekt könnte also nach Scrum abgewickelt werden und zusätzlich Meilensteine definieren, um einen genaueren Projektzeitplan zu erhalten. Ein Projektleiter könnte außerdem vor einem Gremium, wie etwa einem Lenkungsausschuss, über den Projektstand berichten. Dadurch wird eine bessere Planbarkeit und Kommunikation innerhalb des Unternehmens erreicht (Völl, 2020). Ebenso ist es möglich, dass traditionelle und agile Methoden gleichermaßen und ohne Tendenz in eine Richtung angewendet werden. Unter hybriden Vorgehensmodellen versteht man also nicht ein einzelnes Vorgehensmodell, vielmehr ist es ein Oberbegriff für eine Vielzahl von Ausprägungsmöglichkeiten (Bick et al., 2018). „Hybrids are therefore not a single, discrete type of method. Much rather, they represent a huge variety of mixes within a spectrum between the extremes of purely traditional and purely agile development.“ (Bick et al., 2018, S. 935) Der Grund für den Einsatz von hybriden Vorgehensmodellen im Projektmanagement von IT- Projekten ist meist, dass weder traditionelle noch agile Vorgehensmodelle für die Projektdurchführung geeignet sind. In einigen Fällen sind hybride Vorgehensmodelle auch Zwischenschritte der agilen Transformation. Wenn Projektteams noch keine Erfahrung mit agilen 10. Mai 2021 Julia Huber 14/85
Methoden haben, dann werden diese oft schrittweise zusätzlich zum bisherigen traditionellen Vorgehensmodell eingebunden, sodass für einige Zeit ein hybrides Vorgehensmodell verwendet wird. Sind alle Mitglieder des Teams mit den Details des agilen Arbeitens vertraut, so kann die agile Transformation vollzogen werden und alle traditionellen Methoden werden durch Agile ersetzt (Hoda & Noble, 2017). 2.3.1. Arten von hybriden Vorgehensmodellen Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Methoden zu hybriden Vorgehensmodellen kombiniert werden können. Timinger (2017) hat drei Arten der Anwendung definiert und beschrieben. Sequenzielle Anwendung Bei der sequenziellen Anwendung werden verschiedene Vorgehensmodelle sequenziell nacheinander verwendet. Es werden also die einzelnen Phasen eines Projektes entweder nach agilen oder traditionellen Methoden abgewickelt (Timinger, 2017). Als Beispiel hierfür ist das bekannte Modell Wasser-Scrum-Fall zu nennen. Abbildung 2: Wasser-Scrum-Fall Quelle: In Anlehnung an Timinger, 2017, S.166 Dabei werden Anforderungen nach dem Wasserfallmodell gesammelt, danach erfolgt die Implementierungsphase nach Scrum und abschließende Tests werden wieder nach dem Wasserfallmodell durchgeführt (Timinger, 2017; West et al., 2011). 10. Mai 2021 Julia Huber 15/85
Parallele Anwendung Werden traditionelle und agile Methoden gleichzeitig innerhalb eines Projektes angewendet, so spricht man von einer parallelen Anwendung verschiedener Vorgehensmodelle. Es werden dabei in einem Gesamtprojekt mindestens ein oder mehrere Teilprojekte nach einem anderen Vorgehensmodell durchgeführt, als alle anderen Teilprojekte (Timinger, 2017). In der Praxis kann eine parallele Anwendung wie im folgenden Organigramm aussehen: Projektmanager Teilprojektmanager Teilprojektmanager Teilprojektmanager Teilprojektmanager Hardware Software Integration Systemtest Abbildung 3: Paralleles hybrides Modell Quelle: In Anlehnung an Timinger, 2017, S.269 Dieses Beispielprojekt wird nach dem Wasserfallmodell durchgeführt. Die Anforderungen und viele Komponenten sind stabil und können nicht einfach geändert werden. Das Teilprojekt Software wird dagegen nach Scrum entwickelt, da hier die Anforderungen unbeständiger sind und agile Methoden geeigneter sind (Timinger, 2017). Integrierte Anwendung Die integrierte Anwendung bezeichnet hybride Vorgehensmodelle, bei denen traditionelle und agile Methoden weder zeitlichen Phasen noch Teilprojekten zugeordnet werden können. Die Auswahl und der Einsatz der einzelnen Methoden und Praktiken erfolgen im Laufe des Projektlebenszyklus situativ (Timinger, 2017). Ein Beispiel für die integrierte Anwendung ist ein Projekt, das nach dem traditionellen V-Modell durchgeführt wird. Gleichzeitig steuert ein Projektmanager ein Kanban-Board, von dem das Team Aufgaben übernimmt und bearbeitet. Die integrierte Anwendung kann aber auch umgekehrt beschaffen sein, nämlich mit einem agilen Vorgehensmodell als Basis mit zusätzlichen traditionellen Praktiken. Beispielsweise könnte ein Projekt nach einem agilen Vorgehensmodell, wie etwa Scrum, durchgeführt und gleichzeitig eine Earned-Value-Analyse für die Bestimmung und die Analyse des Fortschritts erstellt werden. Dafür würden Story Points als Fertigstellungswert verwendet werden, anstatt der dafür üblichen Kosten oder Aufwände (Timinger, 2017). 2.3.2. Auswahl des Projektmanagementmodells Die Auswahl des richtigen Vorgehensmodells ist in einem IT-Projekt essenziell. Wird etwa ein ungeeignetes Vorgehensmodell für das Projektmanagement angewendet, so führt dies meist zu einem ineffektiven und ineffizienten Projekt (Timinger, 2017). Jedes Vorgehensmodell funktioniert in einem Projekt mit bestimmten Charakteristiken sehr gut, sobald diese aber etwas von den idealen Projektcharakteristiken abweichen, bringt eine Kombination von verschiedenen Vorgehensmodellen mehr Erfolg (Boehm, 2002). 10. Mai 2021 Julia Huber 16/85
Die Auswahl des Projektmanagementmodells ist abhängig von vielen Kriterien und muss daher gut überlegt sein (Timinger, 2017). Boehm & Turner (2003) haben daher ein Framework zur Erleichterung dieses Auswahlprozesses entwickelt, bei dem die fünf Kriterien Mitarbeiter (Personnel), Anforderungen (Dynamism), Kultur (Culture), Teamgröße (Size) und Gefährdungsgrad (Criticality) berücksichtigt werden (Boehm & Turner, 2003; Timinger, 2017). Abbildung 4: Kriterien für die Auswahl des Projektmanagement-Ansatzes Quelle: Boehm & Turner (2003) Das Kriterium Mitarbeiter beschreibt die Qualifikation der Projektmitarbeiter. Sind hauptsächlich Personen mit einem hohen Qualifikationsgrad in das Projekt involviert, kann ein agiles Vorgehensmodell gewählt werden. Sind allerdings auch Personen mit weniger Erfahrung beteiligt, soll eher ein traditionelles Projektmanagementmodell verwendet werden (Boehm & Turner, 2003). Gibt es im Laufe des Projektes nur wenige oder keine Änderungen der Anforderungen, so kann ein traditionelles Vorgehensmodell ausgewählt werden. Agile Modelle können sowohl mit wenigen oder keinen als auch mit sehr vielen Anforderungsänderungen umgehen (Boehm & Turner, 2003). Ist die Unternehmenskultur eine, die Pläne und Ordnung braucht, sollte ein traditionelles Modell verwendet werden. Währenddessen können agile Modelle besonders gut mit chaotischen und weniger geordneten Strukturen umgehen (Boehm & Turner, 2003). Das Kriterium Teamgröße sagt, dass größere Projekte und Teams nach tradtionellen Vorgehensmodellen abgewickelt werden sollen. Besteht ein Projektteam allerdings nur aus 10. Mai 2021 Julia Huber 17/85
wenigen Personen, macht eine Projektdurchführung nach agilen Methoden Sinn (Boehm & Turner, 2003). Je höher das Gefährdungspotenzial des Projektes, umso eher braucht es die Stabilität durch traditionelle Vorgehensmodelle. Agile Modelle sollten bei Projekten mit nur wenige Risiken angewendet werden (Boehm & Turner, 2003). Diese fünf Kriterien sollen laut Boehm & Turner (2003) zum derzeitigen Stand bewertet werden und außerdem eine Schätzung über die Kriterienausprägung der nächsten fünf Jahre beinhalten. Ist sowohl die derzeitige als auch die zukünftige Bewertung der Kriterien auf einem Level, also entweder alle sind traditionell oder agil, so soll der Fokus auf der kontinuierlichen Verbesserung der Projektmanagement-Methode liegen und gegebenenfalls ein noch besser geeignetes Vorgehensmodell gefunden werden. Liegt der Großteil der Kriterien auf einem Level und es gibt einige Ausreißer in die andere Richtung, sollten diese als Risikofaktoren behandelt und bewertet werden. Sind die Ergebnisse der Kritierienbewertungen stark gemischt oder können weder dem agilen noch dem traditionellen zugeordnet werden, so sollte ein gemischter Ansatz aus traditionellen und agilen Methoden gewählt werden (Boehm & Turner, 2003). 10. Mai 2021 Julia Huber 18/85
3. Methode Als Methode zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine systematische Literaturanalyse (Systematic Literature Review) nach dem Framework von vom Brocke et al. (2009) durchgeführt. Eine Literaturanalyse kann als “a summary of a subject field that supports the identification of specific research questions” (Rowley & Slack, 2004, S. 31) definiert werden. Es geht also um die Zusammenfassung eines bestimmten Forschungsgebietes zur Beantwortung spezifischer Forschungsfragen (Rowley & Slack, 2004). Vom Brocke et al. (2009) unterteilen die systematische Literaturanalyse in fünf Phasen, welche in Abbildung 5 dargestellt werden. Phase 1: Definition des Rechercheumfangs Phase 2: Phase 5: Konzeptualisierung Forschungsagenda des Themas Phase 4: Phase 3: Literaturanalyse Literatursuche und -synthese Abbildung 5: Framework für systematische Literaturanalysen Quelle: In Anlehnung an vom Brocke et al. (2009) Im Rahmen dieser Arbeit wurden ausschließlich die ersten vier Phasen des Frameworks durchlaufen. Auf die Ausarbeitung einer Forschungsagenda wurde verzichtet. Die Beschreibung der Realisierung dieser Phasen für diese Arbeit wird in den nachfolgenden Kapiteln dargestellt. 3.1. Definition des Rechercheumfangs Zu Beginn einer Literaturanalyse wird der Rechercheumfang definiert. Diese Phase ist eine entscheidende, denn es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, eine Literaturanalyse zu gestalten (vom Brocke et al., 2009). Aus diesem Grund wird die Taxonomie von Cooper (1988) herangezogen, welche in Tabelle 1 abgebildet ist. Diese besteht aus sechs Charakteristiken, wobei jedes Charakteristikum zwei bis vier Kategorien enthält (H. M. Cooper, 1988). 10. Mai 2021 Julia Huber 19/85
Tabelle Taxonomie zum Review der Literatur Charakteristik Kategorien Forschungs- Forschungs- Fokus Theorien Anwendungen ergebnisse methoden Identifikation zentraler Ziel Integration Kritik Herausforderungen Organisation Chronologisch Konzeptuell Methodisch Perspektive Neutrale Repräsentation Eintreten für eine Position Spezialisierte Zielgruppe Wissenschaft Praktiker Öffentlichkeit Forscher Vollständig Abdeckung Vollständig Repräsentativ Zentral selektiv Tabelle 1: Taxonomie zum Review der Literatur Quelle: In Anlehnung an Cooper (1988)(H. M. Cooper, 1988) Der Fokus dieser Arbeit soll auf einem konkreten Forschungsergebnis sein, nämlich die Integration und Zusammenfassung von wissenschaftlichen Beiträgen verschiedener Autoren. Die Organisation beschreibt wie die untersuchte Literatur dargestellt wird. Diese soll methodisch vorgenommen werden, es werden also Arbeiten mit gleichen oder ähnlichen Methoden gemeinsam betrachtet. Die Perspektive dieser Arbeit soll eine neutrale Repräsentation sein und keine persönliche Interpretation oder Eintreten für eine bestimmte Position zulassen. Die Zielgruppe, die bei dieser Arbeit angesprochen wird, reicht von spezialisierten und allgemeinen Forschern über Anwender und Praktiker. Bezüglich der Abdeckung der Literatur, wurde eine repräsentative Forschung gewählt, da aufgrund der großen Menge an Literatur, welche im Internet und den diversen wissenschaftlichen Datenbanken verfügbar ist, nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine vollständige Abdeckung möglich ist. Es werden nur im Vorhinein definierte wissenschaftliche Datenbanken abgefragt, sodass möglicherweise relevante Ergebnisse aus anderen Datenbanken nicht miteinbezogen werden. Zudem können nur jene Beiträge für die Analyse berücksichtigt werden, welche über die Bibliothek der Johannes Kepler Universität Linz zugänglich sind. 3.2. Konzeptualisierung des Themas In Phase zwei der systematischen Literaturanalyse wurde eine Konzeptualisierung des Forschungsthemas durchgeführt, wodurch ein Überblick über die Literatur gegeben und mögliche Forschungsbereiche gefunden werden sollen. Außerdem werden Schlüsselwörter für die spätere Literatursuche gesammelt (vom Brocke et al., 2009). Das Thema hybrides Projektmanagement bietet eine Fülle an unterschiedlicher Literatur, wobei in den vergangenen Jahren ein deutlicher Anstieg der Forschung in diesem Bereich zu erkennen ist. Einerseits wurden quantitative Studien durchgeführt, welche zeigen sollen, wie häufig hybride Modelle in der Praxis angewendet werden und wie diese zusammengesetzt sind. Andererseits gibt es sehr viele qualitative Studien, welche anhand von Case Studies beschreiben, welche 10. Mai 2021 Julia Huber 20/85
Kombinationen in der Praxis zu finden sind, oder aber neue hybride Modelle entwickeln, welche teilweise in der Praxis überprüft wurden. Das Lehrbuch von Timinger (2017) beschäftigt sich intensiv mit der Kombination verschiedener Vorgehensmodelle zu hybriden Projektmanagement-Methoden. Dabei wurden verschiedene Arten der Anwendung von hybriden Vorgehensmodellen beschrieben, welche in weiterer Folge für diese Arbeit noch relevant werden. Dieses Lehrbuch diente unter anderem als Basis für das Kapitel der theoretischen Grundlagen. Aufgrund dieser Konzeptualisierung wurden Forschungsfragen entwickelt und Schlüsselbegriffe gesammelt, welche in der nächsten Phase, der Literaturrecherche, zum Einsatz kommen. 3.3. Literatursuche Für die Literaturrecherche wurden die zuvor definierten Schlüsselwörter in mehreren Fachdatenbanken kombiniert, um Studien und Papers zu finden, welche in der weiteren Literaturanalyse inkludiert werden konnten. Folgende Datenbanken wurden für die Literatursuche verwendet: IEEE Xplore Science Direct ACM Digital Library Springer Link Web of Science Google Scholar In diesen Datenbanken wurden die Schlüsselwörter "hybrid project management", "hybrid method", "hybrid approach", "hybrid agile", "hybrid practice", "hybrid software development", "hybrid development", "hybrid model", "hybrid methodology", "agile hybrid”, hybrid*, tailoring, "project management", projektmanagement, software, "software development" und agil* mit den logischen Operatoren AND und OR verbunden. Die Literatursuche wurde von August bis November 2020 durchgeführt. Es wurden sowohl Beiträge auf Englisch als auch auf Deutsch gesichtet und auf Eignung für die Beantwortung der Forschungsfragen überprüft. Bei der Literatursuche wurden keine zeitlichen Einschränkungen angewendet. Das Thema des hybriden Projektmanagements ist aber ohnehin erst seit dem agilen Manifesto (Beck et al., 2001) und der Einführung von agilen Vorgehensmodellen in der Praxis aufgekommen. Des Weiteren wurden einige Beiträge durch eine Rückwärtssuche ermittelt. Dabei wurden bereits gefundene Beiträge nach Referenzen durchsucht, um weitere relevante Quellen zu finden. Auf eine Vorwärtssuche wurde verzichtet. 10. Mai 2021 Julia Huber 21/85
Tabelle Literatursuche Datenbank Abfrage- Such- Suchbegriffe Anzahl der Relevante datum parameter Ergebnisse Ergebnisse IEEE 20.08.2020 All (hybrid project 294 17 Xplore Metadata management OR hybrid method OR hybrid approach OR hybrid agile OR hybrid practice) AND project management AND software IEEE 31.08.2020 All tailoring AND 90 1 Xplore Metadata "software development" AND "project management" Science 14.09.2020 Full Text ("hybrid project 123 5 Direct management" OR "hybrid method“ OR "hybrid approach" OR "hybrid agile" OR "hybrid practice") AND "project management" AND software AND agile ACM 21.09.2020 Full Text ("hybrid project 50 3 Digital management" OR Library "hybrid method“ OR "hybrid approach" OR "hybrid agile" OR "hybrid practice" OR "hybrid software development") AND "project management" AND software AND agile Springer 25.09.2020 Full Text ("hybrid project 198 4 Link management" OR "hybrid method“ OR "hybrid approach" OR "hybrid agile" OR "hybrid practice" OR "hybrid software development") AND "project management" 10. Mai 2021 Julia Huber 22/85
AND software AND agile Springer 14.10.2020 Full Text hybrid* AND 127 1 Link projektmanagement AND software AND agil Web of 23.10.2020 Topic (hybrid project 48 8 Science management OR hybrid method* OR hybrid approach* OR hybrid agil* OR hybrid practice* OR hybrid software development OR hybrid model*) AND project management AND software AND agil* Google 19.11.2020 Full Text ("hybrid project 8590 5 Scholar management" OR "hybrid method“ OR "hybrid approach" OR "hybrid agile" OR "hybrid practice" OR "hybrid software development" OR "hybrid model") AND software AND agil* Tabelle 2: Literatursuche Im Zuge der Literatursuche wurden nach Eingabe der oben genannten Schlüsselwörter in sechs Fachdatenbanken insgesamt 9422 Beiträge gefunden. Nach Durchführung eines Titel- und Abstract-Screenings wurden 9321 Papers ausgeschieden. Bei der Abfrage in Google Scholar wurden aufgrund der großen Anzahl an Ergebnissen nur die ersten 15 Seiten der Datenbankabfrage gesichtet. Im Rahmen eines Volltext-Screenings wurde bei den restlichen 101 Papers der gesamte Text analysiert und auf Relevanz überprüft wurden. Dabei wurden 44 Papers als geeignet erachtet, in denen acht weitere relevante Papers durch eine Rückwärtssuche gefunden wurden. Nach diesem Auswahlprozess wurden 52 Studien ausgewählt, welche als Basis für die systematische Literaturanalyse dienten. 10. Mai 2021 Julia Huber 23/85
Abbildung 6: Flussdiagramm für den Literaturauswahlprozess Im Zuge des Screening-Prozesses wurden außerdem Beiträge ausgeschlossen, welche außerhalb des Forschungsgegenstandes dieser Arbeit liegen. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Analyse von hybriden Vorgehensmodellen zur Softwareentwicklung. Eine nicht weniger spannende, aber außerhalb meines Forschungsbereiches liegende Thematik, ist das hybride Projektmanagement in der physischen Produktentwicklung. Folgende Papers wurden ausgeschieden, weil sich diese mit Projekten in der Produktentwicklung beschäftigen. Tabelle In Screening-Prozess ausgeschiedene Papers zur Produktentwicklung Studien Forschungsmethoden (Brandl et al., 2018) Design Research Methodology (Ciric et al., 2018) Systematic Literature Review (R. G. Cooper & Sommer, 2016a) Case Study (R. G. Cooper & Sommer, 2016b) Case Study (R. G. Cooper & Sommer, 2018) Case Studies (Farokhad et al., 2019) Descriptive Study (Feldmüller, 2018) Literature Review (Garzaniti et al., 2019) Case Study 10. Mai 2021 Julia Huber 24/85
(Lalmi et al., 2020) Konzeptionell-argumentativ (Salvato & Laplume, 2020) Content Analysis + Grounded Theory Approach (Schröder et al., 2019) Case Studies (Schuh et al., 2016) Research Process of Applied Sciences (Schuh et al., 2017) Konzeptionell-argumentativ (Sommer et al., 2013) Case Studies (Žužek et al., 2020) Konzeptionell-argumentativ Tabelle 3: In Screening-Prozess ausgeschiedene Papers zur Produktentwicklung 3.4. Literaturanalyse und -synthese und Forschungsagenda Die Beschreibung der Analyse und Synthese der gefundenen Literatur wird hier nicht näher dargestellt, da beides in den folgenden Kapiteln detailliert beschrieben wird. Auf die Erstellung einer Forschungsagenda wurde im Rahmen dieser Arbeit verzichtet. 10. Mai 2021 Julia Huber 25/85
4. Ergebnisse Dieses Kapitel dient der Darstellung der Ergebnisse, welche aus den inkludierten Studien ermittelt wurden. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine systematische Literaturanalyse durchgeführt, welche im folgenden Kapitel beschrieben wird. In diesem Kapitel werden beide Forschungsfragen beantwortet, weshalb zu Beginn alle Papers beschrieben werden, welche eine Antwort auf die Frage nach den Methoden in der Praxis und deren Kombination liefern und damit Forschungsfrage 1 beantworten. Danach werden für Forschungsfrage 2 die Gründe, Vor- und Nachteile für die Kombination von verschiedenen Methoden erörtert. Für die systematische Literaturanalyse wurden 52 Beiträge analysiert und zusammengefasst. Von diesen Beiträgen wurden 35 als qualitative und 14 als quantitative Studien eingestuft. Unter den Beiträgen befanden sich insgesamt 19 Case Studies, elf Umfragestudien, zehn konzeptionell- argumentative Studien, fünf systematische Literaturanalysen, drei Experimente, eine Comparative Study, eine Design Science Research Studie, ein Grounded Theory Approach Studie und eine Exploratory Study. Bei den ausgewählten Studien stellten sich zudem die Veröffentlichungsjahre als interessant heraus. Abbildung 7 zeigt eine grafische Aufbereitung anhand eines Balkendiagramms, welches alle inkludierten Papers nach der Veröffentlichungsjahr gliedert. Bereits seit 2006 gab es einzelne Ansätze, hybriden Vorgehensmodelle zu erstellen und in der Praxis zu testen. Besonders seit 2014 zeigt sich aber ein vermehrtes Forschungsinteresse bei der Verwendung von hybriden Projektmanagement-Methoden zur Softwareentwicklung. Von den inkludierten Studien wurden zehn im Jahr 2018 veröffentlicht und neun im Jahr 2019. Verwendete Papers nach Veröffentlichungsjahren 12 10 8 6 4 2 0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Abbildung 7: Verwendete Papers nach Veröffentlichungsjahren 10. Mai 2021 Julia Huber 26/85
4.1. Beantwortung Forschungsfrage 1 In diesem Kapitel werden alle Studien analysiert und zusammengefasst, welche folgende Forschungsfrage beantworten: Welche Vorgehensmodelle, Methoden und Praktiken werden im IT-Projektmanagement verwendet und miteinander zu hybriden Modellen kombiniert? Besonders in den vergangenen Jahren wurde dieses Thema viel erforscht. Durch die große Anzahl an wissenschaftlicher Literatur kann die Forschungsfrage aus zwei verschiedenen Blickwinkeln beantwortet werden. Einerseits mit quantitativen Studien, welche die Praxis abbilden, beispielsweise mit Umfragen. Andererseits mit qualitativen Papers, welche beschreiben wie hybride Modelle aussehen und angewendet werden können. Aufgrund dieser beiden Ansätze zur Beantwortung werden diese getrennt betrachtet und in den folgenden beiden Kapiteln detailliert beschrieben und im Anschluss zusammengefasst. Alle Studien, welche für diese Fragestellung analysiert wurden, und deren Forschungsmethoden werden in Tabelle 4 in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet. Tabelle Verwendete Literatur Forschungsfrage 1 Papers Forschungsmethode (Adelakun et al., 2017) Case Study (Amorim et al., 2018) Design Science Resarch (Batra et al., 2010) Case Study (Bick et al., 2018) Case Study (Binder et al., 2014) Grounded-Theory Approach (Bishop, 2017) Case Study (Blust, 2019) Survey (Christou et al., 2010) Case Study (Conforto et al., 2014) Survey (Conforto & Amaral, 2016) Case Study (Cram & Marabelli, 2018) Case Study (Fernandes et al., 2018) Case Study (Hassani et al., 2018) Comparative Study (Hayata & Han, 2011) Konzeptionell-argumentativ (Jahr, 2014) Computational Experiments (Klünder et al., 2019) Survey (Komus et al., 2020) Survey (Kuhrmann et al., 2017) Survey 10. Mai 2021 Julia Huber 27/85
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