Hybridleichtbau leichtgemacht - Institut für Leichtbau mit ...

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Hybridleichtbau leichtgemacht - Institut für Leichtbau mit ...
Hybridleichtbau leichtgemacht.
Am Institut für Leichtbau mit Hybridsystemen (ILH) der Universität Paderborn forschen mehr
als 170 Wissenschaftler*innen an neuartigen Leichtbautechnologien. Im Rahmen des HyOpt
Projektes widmet sich ein Team aus ILH Forscher*innen und Industrieunternehmen der
Entwicklung eines automatisierten Ansatzes zur Auslegung und Fertigung von hybriden
Mehrschichtverbunden mit maßgeschneiderten Funktionseigenschaften.

Erneuerbare Energien und eine Steigerung der          Aluminiumlegierungen eine wichtige Rolle bei der
Energieeffizienz sind wesentliche Handlungsfelder     Entwicklung sicherer und leichter Karosserie-
heutiger Maßnahmenpläne zur Reduktion von             strukturen. Doch die hohe Dichte von Stahl sowie der
Treibhausgasemissionen. Beim Letzterern steht         verhältnismäßig niedrige E-Modul von Aluminium
insbesondere der Leichtbau im Fokus, denn durch       limitieren das Leichtbaupotential dieser Werkstoff-
eine Gewichtsreduktion und Funktionsintegration       klassen. Eine Alternative zu Metallen bilden
kann dieser zur Einsparung von Ressourcen und         Faserverbundkunststoffe (FVK), die durch ihre
Verringerung von Emissionen beitragen. Eine           herausragenden       Leichtbaueigenschaften      zu-
Maßnahme, die zukünftig immer mehr an Bedeutung       nehmend in den Fokus der Automobilhersteller
gewinnen wird, denn vor dem Hintergrund einer         gerückt sind. Jedoch begrenzen hohe Werkstoff- und
raschen Industrialisierung von Schwellenländern       Produktionskosten sowie eine komplexe Bauteil-
sowie eines ununterbrochen hohen Konsums in           auslegung den Einsatz von FVK zumeist auf
entwickelten Märkten kommt es bis 2060, so die        Fahrzeuge des Premiumsegments. Eine aktuelle
Prognose der Organisation für wirtschaftliche         Studie des HyOpt Projektes ergab, dass bei lediglich
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), zu einer       16 von 138 analysierten Karosserien Bauteile aus
nahezu Verdopplung des weltweiten Rohstoffbedarfs     Faserverbundkunststoffen verbaut wurden. Der
[1].                                                  Gewichtsanteil von FVK pro Karosserie liegt dabei im
                                                      Durchschnitt unterhalb von 2 Prozent.
Einen nicht zu vernachlässigenden Faktor für die
Ressourcenbindung stellt auch zukünftig der           Einen     Paradigmenwechsel          verspricht   der
motorisierte Indivduallverkehr dar. Zwar bildet die   Hybridleichtbau, der durch eine gezielte Kombination
Elektromobilität in Verbindung mit erneuerbaren       von Metall und FVK hohe gewichtsspezifische
Energiequellen eine Schlüsseltechnologie zur          Bauteileigenschaften zu wirtschaftlich vertretbaren
Senkung       der   Treibhausgasemissionen       im   Mehrkosten beabsichtigt . Beispiele aus der Praxis
Verkehrssektor, doch aufgrund der schweren            belegen, dass Gewichteinsparungen durch eine
Antriebsbatterien    und     hohen     Sicherheits-   gezielte Anpassung der Beanspruchbarkeit
anforderungen bringen heutige Elektrofahrzeuge        dünnwandiger Hohlstrukturen mittels lokaler FVK-
nicht selten mehr als zwei Tonnen auf die Waage,      Verstärkungen auch unter Serienbedingungen erzielt
wodurch neue Leichtbauansätze mehr denn je            werden können. Der hybride Dachquerträger des
gefragt sind.                                         Audi A6 von 2004 gilt als Vorreiter auf diesem Gebiet.
                                                      Heute kommen hybride Strukturen speziell bei
Aufhebung von Nachteilen durch                        Karosserien von BMW zum Einsatz, wie
Werkstoffkombinationen                                beispielsweise im 7er, 8er oder auch bei dem
Der Bedarf nach leichteren Werkstoffen führte         neusten E-Fahrzeug von BMW, dem iX. Porsche
innerhalb der vergangenen Jahre zu einer              setzt bei dem aktuellen Modell des 911 Cabrio
bedeutenden Weiterentwicklung konventioneller         ebenfalls auf eine A-Säule in Hybridbauweise. Tesla
Konstruktionswerkstoffe. Insbesondere spielen         hingegen nutzt die Vorteile des Hybridleichtbaus bei
hoch- und höchstfeste Stähle sowie moderne            Fahrwerksteilen des Model 3, X und Y.

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Hybride    Mehrschichtverbunde                               Toolbox, die dem Design und der Herstellung neuer
als neuartige Werkstoffklasse                                Hybridwerkstoffe dient. Getreu dem Kredo „der
Einen konsequenten Schritt zur Erschließung                  richtige Werkstoff an der richtigen Stelle“ wird das
weiterer Leichtbaupotentiale bilden die aus der Luft-        Eigenschaftsprofil des zu entwickelnden Werkstoffes
und Raumfahrt bekannten Mehrschichtverbunde.                 direkt aus Simulationen abgeleitet und berücksichtigt
Diese kombinieren Werkstoffe mit unterschiedlichen           neben den Strukturanforderungen an das fertige
Eigenschaften zu einem flächigen Halbzeug und                Bauteil auch Fertigungsrestriktionen an das
stellen eine besondere Ausprägung des hybriden               umzuformende Halbzeug. Die Vorteile dieser
Leichtbaus dar. Der wohl bekannteste Vertreter               Strategie liegen in der einfachen Handhabung des
dieser Werkstoffklasse - Glare - kommt als Verbund           Prozesses sowie in der Nutzung bereits aus der
                                                             Blechumformung bewährter Anlagentechnik. Die
                                                             erzielbare Senkung gegenüber konventionellen
                                                             Blechformteilen liegt dabei zwischen 25 bis 30 %. Die
                                                             konsequente Übertragung des Multi-Material-
                                                             ansatzes auf die Halbzeugebene erfordert jedoch
                                                             eine ganzheitliche Betrachtung des Werkstoff-
                                                             verbundes. Hierzu zählen neben den Grund-
                                                             werkstoffen auch entsprechende Oberflächen-
                                                             eigenschaften und Haftvermittlersysteme, öko-
                                                             logische Aspekte, Wirtschaftlichkeit und gesell-
                                                             schaftliche Akzeptanz, welche innerhalb von
                                                             mehreren Querschnittsprojekten von den Wissen-
Fig. 1 Einsatz von Glare (gelb) im Rumpfbereich des Airbus
                                                             schaftler*innen entsprechend adressiert werden.
A380, aus [1]

aus mehreren alternierenden Schichten aus                    Von   der    Simulation                       zum
Aluminium und glasfaserverstärktem Kunststoff für            Werkstoffverbund
große Rumpfbereiche des Airbus A380 zur                      Im      Rahmen der CAE Prozess- und
Anwendung, siehe Fig. 1. Ein direkter                        Methodenentwicklung wird in der Arbeitsgruppe
Technologietransfer in die Automobilfertigung ist            Leichtbau im Automobil (LiA) die ganzheitliche
jedoch nicht ohne weiteres möglich, da die                   Auslegung von Hybridwerkstoffen erforscht.
notwendigen       Fertigungstechnologien     und             Ausgehend von der Endgeometrie und den
Prozesszeiten den automobiltypischen Kosten- und             vorgegebenen Randbedingungen kann zunächst mit
Taktzeitvorgaben nicht genügen. Zudem bringt die             Hilfe von numerischen Optimierungsalgorithmen aus
Kombination von Werkstoffen mit teils konträren              der Struktursimulation eine optimale Material-
Eigenschaften neue Herausforderungen für den                 verteilung für die hybriden Mehrschichtverbunde
werkstoffgerechten Bauteilentwurf.                           ermittelt werden. Das umformtechnische Verhalten
                                                             der werkstoffseitig optimierten Halbzeuge ist
Der HyOpt Ansatz                                             allerdings zunächst noch unbekannt. Deshalb wird
Um die Vorzüge hybrider Mehrschichtverbunde                  anschließend die Umformbarkeit der hybriden
zukünftig auch für Automobilanwendungen                      Werkstoffkombinationen evaluiert. Im iterativen
zugänglich zu machen, widmet sich das                        Optimierungsprozess wird durch die Auswahl von
interdisziplinäre Forschungsprojekt HyOpt der                Materialverteilung und Faserorientierungswinkeln
optimierungsbasierten Entwicklung von flächigen              ein - hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften
Hybridwerkstoffen. Das HyOpt Projekt, welches im             und der Umformbarkeit - optimales hybrides
Mai 2019 am Institut für Leichtbau mit                       Halbzeug entworfen.
Hybridsystemen gestartet ist und bis Mitte 2022 aus
Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen und der               Auf Grund der hohen Anzahl an möglichen
Europäischen Union gefördert wird, setzt sich als Ziel       Werkstoffparametern und strukturellen Lastfällen
den      anforderungsgerechten     Leichtbau mit             erfolgt die werkstoffseitige Auslegung mithilfe von
verschiedenartigen Werkstoffen durch numerische              Optimierungsalgorithmen        und     künstlichen
Verfahren und Automatisierung voranzutreiben.                neuronalen Netzen. Durch die effizienten
Dafür entwickelt das Projektkonsortium eine                  numerischen Verfahren kann der Auslegungs-

                                                                                                                2
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prozess signifikant beschleunigt und automatisiert       Angepasste Fertigungstechnik
werden. Die Bewertung der Umformbarkeit erfolgt          Am Lehrstuhl für Umformende und Spanende
mit der Finite-Elemente-Methode (FEM), welche            Fertigungstechnik (LUF) wird im Rahmen des
heutzutage ein weit verbreitetes Werkzeug in der         Forschungsvorhabens HyOpt ein kombinierter
Umformsimulation darstellt. Ausgehend von der            Umform- und Aushärteprozess zur Herstellung von
Endgeometrie erfolgt die Ermittlung der                  Bauteilen aus hybriden Platinen, basierend auf Faser
abgewickelten Platine. Hierzu wird eine                  Metall Laminaten (FML), entwickelt. Diese flächigen
eigenständige inverse FE-Methodik entwickelt, die        Hybridplatinen bestehen dabei aus zwei dünnen
die Orientierung von Fasern in der Endgeometrie          Stahldeckblechen und einem Kern aus
prognostiziert und somit Aussagen über die               unidirektionalem CFK-Prepreg (-Lagen) mit duro-
Umformbarkeit von hybriden Werkstoffsystemen             merem Matrixsystem. Die umformgerechte
trifft. Zur Vermeidung von Umformfehlern, wie            Auslegung der Faser Metall Laminate und die
Faltenbildung oder Materialversagen, werden die          Entwicklung die für deren Weiterverarbeitung
Faserorientierungen in umformkritischen Bereichen        notwendigen Fertigungsprozesse ist für die
der einzelnen Laminatschichten angepasst, siehe          Herstellung       hochfester,     genauer        und
Fig. 2. Die umformtechnisch optimierten Faserlagen       kosteneffizienter    Bauteile    von     essentieller
werden in einem automatisierten Faser-Ablegungs-         Bedeutung. Dabei stehen oftmals die Betriebs-
Verfahren anschließend auf den Blechplatinen             anforderungen der Hybridbauteile in Konflikt mit den
abgelegt. Die einzelnen Teilaspekte der                  umformtechnischen Fertigungsanforderungen.
ganzheitlichen optimierungsbasierten Auslegung
von Hybridwerkstoffen werden letztendlich in einer       Die umformtechnische Fertigung von Hybrid-
benutzerfreundlichen Software zusammengeführt –          bauteilen aus Faser Metall Laminaten hat je nach
der HyOpt App. Die Software wird dabei so                Spannungszustand        unkontrollierte     Faser-
konzipiert, dass die Eingabe keine speziellen            verzerrungen und -verschiebungen, Stauchung von
Anwenderkenntnisse benötigt und die einzelnen            Fasern und Fasersträngen sowie Extrusion des
Funktionen im Hintergrund ablaufen. Die                  Matrixmaterials der CFK-Patches (Prepeg) zur
gewonnenen Forschungsergebnisse können somit             Folge. Diese Verformungsmechanismen führen zu
einem breiten Anwenderkreis zur Verfügung gestellt       verschiedenen Schadensfällen, in der Regel zu einer
werden.                                                  ausgeprägten Faltenbildung auf der Innenseite des
                                                         umgeformten     Hybridbauteils.      Um     diesen
                                                         entgegenzuwirken, werden die Einflüsse von
                                                         wesentlichen    Prozessparametern       auf    das
                                                         Umformverhalten von FML-Platinen erforscht sowie
                                                         im Rahmen des Prozessdesigns verschiedene
                                                         Maßnahmen entwickelt und realisiert.
                                                         Zum      einen     werden      daher    vorteilhafte
                                                         Patchgeometrien entwickelt, die sich durch multiple
                                                         Faserausrichtungen auszeichnen. Hierfür werden
                                                         bspw. die Fasern der CFK-Patches in Abhängigkeit
                                                         vom Spannungszustand in der Umformzone
                                                         ausgerichtet. Diese Patchdesigns ermöglichen somit
                                                         eine Steuerung des Materialflusses und der
                                                         Faserverschiebung während des Umformprozesses.
                                                         Durch Einsatz sogenannter Zwischenelemente, die
                                                         eine ungewollte Verringerung des Abstandes der
                                                         Deckbleche verhindern sollen, kann zum anderen ein
                                                         weiteres limitierendes Problem, die Extrusion des
                                                         Matrixwerkstoffes wirkungsvoll verhindert werden.
Fig. 2 Ablauf zur ganzheitlichen optimierungsbasierten
Entwicklung von Hybridwerkstoffen (© LiA, Universität    Der      Einsatz      von       prozessspezifischen
Paderborn)                                               Zwischenelementen und die Entwicklung von
                                                         belastungsorientierten Patchdesigns haben bspw.

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Fig. 3 Links: umgeformter Hybridverbund ohne gesonderte Maßnahmen, Rechts: Umformergebnis eines hybriden Mehrschichtverbunds mit
HyOpt Technologie vor dem Besäumen (© LUF, Universität Paderborn)

eine signifikante Verringerung der Faltenbildung zur                 reversible Vernetzung. Der Ansatz sieht vor, das
Folge und die Form und Maßgenauigkeit der                            Cross-Linking zwischen dem Epoxidharz und dem
hybriden Bauteile nehmen deutlich zu, siehe Fig. 3.                  Härter über die sogenannte „Click-Chemie“ zu
                                                                     steuern. Schwerpunkt ist die Herstellung neuartiger
Schließlich wird gemeinsam mit der Firma ESM                         aminische Härter.
GmbH & Co. KG an einer automatisierten und
robotergeführten Fertigung der maßgeschneiderten                     Fig. 4 zeigt schematisch ein Epoxidmonomer sowie
Hybridhalbzeuge geforscht, die eine industrielle und                 einen konventionellen Härter. Die Epoxidringe des
wirtschaftliche Nutzbarkeit des Verfahrens                           Epoxidharzes werden durch ein H-Atom des
sicherstellen soll.                                                  aminischen Härters, bei Temperaturen zwischen 120
                                                                     °C und 160 °C, geöffnet, sodass eine
Klick-Chemie als Ansatz zur                                          Additionsreaktion erfolgen kann (Fig. 4b). Anders als
Entwicklung maßgeschneiderter                                        bei herkömmlichen Härtern wird am CMP ein Härter
Matrix- und Klebstoffsysteme                                         entwickelt, der aus zwei aminbasierten
                                                                     Komponenten besteht, die in einer Click-Chemie
Werden artverschiedene Werkstoffe zu einem                           thermoreversibel verbunden oder getrennt werden
flächigen Hybridwerkstoff miteinander verbunden, so                  können. Realisiert wird dieser Ansatz durch eine
wird vor allem auf das Kleben als Fügetechnologie                    chemische Ringschlussmethode die als Diels-Alder-
zurückgegriffen. Klebstoffe leisten in der Entwicklung               Verknüpfung bekannt ist.
von Leichtbaustrukturen einen wesentlichen Beitrag
zur Gesamtperformance des Bauteils. Werden                           Furane und Maleimide stellen für die Click-Chemie
solche Sandwichlaminate zu einem Bauteil                             geeignete funktionelle Gruppen dar. Um die
umgeformt, wirken anisotrope Kräfte, durch gezielte                  Fließfähigkeit einzustellen werden im Projekt
Strukturverformung, auf das Bauteil ein. In Zonen                    mehrfach funktionalisierte Maleimide hergestellt die
hoher Flächenpressung wird der Klebstoff, zwischen                   vielen Verknüpfungspunkte gleichzeitig öffnen und
den Komponenten, in Bereiche niedriger                               wieder schließen können. Wird der hybride Werkstoff
Flächenpressung verdrängt. Dies führt letztendlich                   nun bei Temperaturen zwischen 120 °C und 160 °C
zu inhomogenen Wandstärken des Bauteils und                          umgeformt, können die Verknüpfungspunkte schnell
erhöht das Risiko der Faltenbildung. Um diesen                       in einer Retro-Diels-Alter-Reaktion geöffnet und nach
negativen Effekt entgegenzuwirken widmet sich der                    dem Umformen bei Temperaturen unterhalb wieder
Arbeitskreis Coatings, Materials and Polymers                        geschlossen werden. So erhält das Epoxidharz bei
(CMP) der Entwicklung von Klebstoffen mit                            Raumtemperatur        die    Eigenschaften      eines
einstellbarer Fließfähigkeit durch thermisch                         duroplastischen Systems mit dem Vorteil, der
                                                                                                                              4
Hybridleichtbau leichtgemacht - Institut für Leichtbau mit ...
thermischen Erweichung bei Temperaturerhöhung.                 Je mehr Verknüpfungsunkte ein Mutli-Maleimid zur
Die Einstellung der Fließfähigkeit über die Click-             Bindung bereitstellt, desto mehr Verknüpfungen
Chemie ist auch für die polymere Matrix von                    können zeitgleich an einem Verknüpfungspunkt
Faserverbunden wichtig. Sie kann das Fasergleiten              gebildet oder gelöst werden. Dies kann die
während      eines   Umformprozesses       positiv             Vernetzungs- und Trennrate erhöhen. Vorstellbar
beeinflussten.                                                 sind Strukturen mit bis zu sechs Maleimideinheiten
                                                               wie Fig. 5c zeigt. Die Kettenlänge, die die
Um den Härter effizient in der Verknüpfung
                                                               Maleimideinheit mit dem Zentrum des Multi-
auszulegen ist es vorteilhaft Maleimid-Strukturen
                                                               Maleimids aufweist, kann entscheidend die
einzusetzen, die mehr als eine Maleimideinheit
                                                               Fließfähigkeit beeinflussen. Auf diese Weise lässt
aufweisen. Die Verfügbarkeit solcher Maleimide ist
                                                               sich ein thermoplastisches Harz während der
                                                               Umformung       erreichen    das     duroplastische
                                                               Eigenschaften bei Raumtemperatur aufweist.

                                                               Gradierte Oberflächen
                                                               Die Verarbeitung von Hybridwerkstoffen durch
                                                               umformende Fertigungsverfahren kann durch eine
                                                               gradierte Oberflächenstrukturierung der metallischen
                                                               Komponente mit Verfahren wie Anodisieren,
                                                               Laserstrukturieren oder Sandstrahlen optimiert
                                                               werden. Durch Variation der Prozessparameter
                                                               lassen sich verschiedene Oberflächenstrukturen auf
                                                               Mikro- und Nanoebene erzeugen, die wiederum in
                                                               unterschiedlichen Materialeigenschaften resultieren.
                                                               Beispielsweise kann so beim Tiefziehen das
                                                               Fließverhalten      zwischen         Stahl       und
                                                               Faserverbundkunststoff beeinflusst werden.
                                                               Der Lehrstuhl für Werkstoffkunde (LWK) entwickelt
                                                               im Rahmen des HyOpt-Projekts verschiedene
                                                               Prozessstrategien zur gezielten Gradierung der
                                                               Oberflächenstrukturierung. Dies geschieht in
                                                               experimentellen Studien, in denen auch die
                                                               Zeiteffizienz der Verfahren und die Entstehung von
                                                               Materialverzug        durch      fertigungsbedingte
                                                               Eigenspannungen berücksichtigt werden.
Fig. 4 Mechanismus der thermoreversiblen Vernetzung von        In einer eigens für das Projekt entwickelten Anlage
Klebstoffen. a) Epoxidmonomer und Diamin (konventioneller      können verzinkte Stahlbleche mit Abmessungen von
Härter). b) Vernetzung der Monomere über das Diamin in einer
Additionsreaktion. c) Neuentwicklung eines thermoreversibler   bis zu 640 x 380 mm² anodisiert werden. Als
Härters. d) Vernetzung des neuen Härters mit den               Ergebnis des Anodisierens bildet sich auf der
Epoxidmonomeren und die reversible Verknüpfung. (© CMP,        Blechoberfläche bereits nach wenigen Minuten eine
Universität Paderborn)
                                                               poröse Zinkoxidschicht (Fig. 6). Diese Schicht besitzt
jedoch begrenzt und industriell unerschwinglich. Das           hervorragende Benetzungseigenschaften und eignet
CMP widmet sich der Entwicklung kosten                         sich daher sehr gut für das adhäsive Fügen mit
erschwinglicher Vernetzersysteme. Ein am CMP                   faserverstärkten Kunststoffen. Um gradierte
entwickeltes Bismaleimid ist das BMMP88                        Oberflächeneigenschaften zu erzeugen, ist es
(Bismaleimidomethylpentan). Fig. 5 zeigt die                   notwendig, die Ausprägung dieser Zinkoxidschicht
Vernetzung des BMMP88 mit zwei Furfurylaminen.                 über die Oberfläche variieren zu können, was durch
In einer Diels-Alder-Reaktion ([4+2]-Cycloaddition)            die Weiterentwicklung der Anlage ermöglicht werden
bilden sie unter Sechsringbildung neue                         soll.
Kohlenstoffbindungen aus.

                                                                                                                   5
Fig. 6 a) Mechanismus der Diel-Alder- und retro-Diels-Alder Reaktion am Beispiel von einem am CMP entwickeltem Bismaleimid (BMMP88).
b) Pulverförmiges Bismaleimid (BMMP88). c) Multi-Maleimid (Hexa(4-maleimidophenoxyl)-cyclotriphosphazen. (© CMP, Universität
Paderborn)

Eine      bereits     etablierte   Methode      der                    die             Entwicklung            gradierter
Oberflächenbehandlung ist die Laserstrukturierung                      Oberflächenstrukturierungen mittels Sandstrahlen
mit Pulslasern, welche in Zusammenarbeit mit der
Firma Clean-Lasersysteme GmbH weiterentwickelt
wird. Bei diesem Verfahren wird durch kurzes
Aufschmelzen        und    Wiedererstarren    sowie
Verdampfen und Deposition des Grundmaterials
eine völlig neue Oberflächenstruktur erzeugt, wie in
Fig. 7 dargestellt.

                                                                        Fig. 7 Stahloberfläche nach dem Laserstrukturieren. (© LWK,
                                                                        Universität Paderborn)

                                                                       ein. Dabei wird als Strahlmittel scharfkantiger
                                                                       Edelkorund eingesetzt. Aktuell wird der Einfluss des
                                                                       Strahldrucks und der Körnung auf die
                                                                       Oberflächenstrukturierung, die daraus abgeleiteten
                                                                       Hafteigenschaften und den möglicherweise
Fig. 5 Poröse Zinkoxidschicht nach dem Anodisieren. (© LWK,            entstandenen Materialverzug evaluiert.
Universität Paderborn)

Auch die Hafteigenschaften von zeiteffizient
                                                                       Zusammenfassung und Ausblick
                                                                       Die im Rahmen des HyOpt Projektes entwickelte
laserstrukturierten Oberflächen werden im Rahmen
                                                                       Auslegungs- und Prozesstechnik machen die
des Projekts umfassend untersucht. Die
                                                                       Vorzüge hybrider Mehrschichtverbunde auch für
Scangeschwindigkeit bei der Laserstrukturierung
                                                                       Anwendungen außerhalb der Luft- und Raumfahrt
liegt zwischen 1,5 m/s und 42 m/s. Das gezielte
                                                                       zugänglich und heben das Leichtbaupotential von
Einstellen von Ausgangsleistung und Pulsfrequenz
                                                                       Umformteilen auf ein neues Niveau. Dabei lassen
ermöglicht eine präzise Gradierung der
                                                                       sich mit den neuartigen Hybridverbunden neben der
Hafteigenschaften bei gleichbleibender Zeiteffizienz.
                                                                       Automobilindustrie auch alle anderen Märkte
Als weiterer Projektpartner bringt die Firma D&S                       erschließen, die von leichten Bauteilen profitieren.
Sandstrahltechnik GmbH & Co. KG ihr Wissen über                        Eine      zentrale    Anforderung     an       neue
                                                                                                                                  6
Leichtbautechnologien ist dabei neben dem                   steht im Vordergrund aller Entwicklungen die
Gewichtsvorteil auch die Kosteneffizienz und eine           Prämisse, dass die Anwendung keine speziellen
einfache Prozesshandhabung, denn kostengünstige             Kenntnisse voraussetzt und die einzelnen
und      anwenderfreundliche    Leichtbaulösungen           Technologien einfach anzuwenden sind. Leichtbau
versprechen einen flächendeckenden Einsatz und              leicht gemacht – für die Praxis!
folglich weitreichende Emissionssenkungen. Daher

Autor*innen:
Katja Engelkemeier, M.Sc. | Coatings, Materials & Polymers (CMP)
Dipl.-Ing. Thomas Heggemann | Lehrstuhl für Spanende und Umformende Fertigungstechnik (LUF)
Hüseyin Sapli, M.Sc. | Lehrstuhl für Spanende und Umformende Fertigungstechnik (LUF)
Dietrich Voswinkel, M.Sc. | Lehrstuhl für Werkstoffkunde (LKW)
Marcel Triebus, M.Sc. | Lehrstuhl für Leichtbau im Automobil, (LiA)
Moritz Ostermann, M.Sc. | Lehrstuhl für Leichtbau im Automobil, (LiA)
Alan A. Camberg, M.Sc. | Lehrstuhl für Leichtbau im Automobil, (LiA)|

 Am Projekt beteiligte Partner sind neben den Bereichen Leichtbau im Automobil (LiA), Werkstoffkunde (LWK),
 Umformende und Spanende Fertigungstechnik (LUF) Coatings, Materials & Polymers (CMP) sowie Technik &
 Diversity (T&D) der Universität Paderborn die Unternehmen D&S Holding GmbH aus Paderborn sowie ESM
 GmbH & Co. KG aus Borgentreich. Assoziierte Projektpartner sind thyssenkrupp Steel Europe AG, Duisburg,
 ERICHSEN GmbH & Co. KG, Hemer, Clean-Lasersysteme GmbH, Herzogenrath, und Kraiburg GmbH & Co.
 KG aus Waldkraiburg
                                    Weitere Informationen: www.hyopt.de

Dieses Projekt wird durch die Europäische Union und das Land Nordrhein-Westfalen gefördert.

Literatur
[1] OECD (2019), Global Material Resources Outlook                      to   2060:   Economic   Drivers   and
    EnvironmentalConsequences, OECD Publishing, Paris.
[2] https://www.flightglobal.com/creating-a-titan/60787.article

                                                                                                              7
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