I. 2021 thema ( wissen ) - Ein Heft über - Pfizer.de
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
I. 2021 thema ( wissen ) Ein Heft über schlaue Ameisen, Science-Fiction-Denke und die unfassbare Intelligenz der Zellen
I. 2021 2 thema ( wissen ) Impressum Herausgeber – Pfizer Deutschland GmbH Gesamtverantwortung – Susanne Straetmans Redaktion – Tim Braun, Juliane Petzold, Henning Hesse, K irsten Wörnle/Kairos Redaktionsbüro Mitarbeitende dieser Ausgabe – Christine Böhringer, Angelika Friedl, Delphine Korth, Jan Rübel, Klaus Wilhelm Lektorat – Dr. Sonja Schneider, Dana Haralambie Gestaltung und Realisierung – Bohm und Nonnen, Büro für Gestaltung GmbH Layout – Steven Dohn Fotografien – BioNTech/Pfizer (Titel); NASA (S. 2); Domcar C. Lagto/Pacific Press Agency/Alamy Live News (S. 9); Sergey Ryzhov/shutterstock; Biletskiy_Evgeniy/istockphoto (S. 11); getty images/Josh Edelson/AFP (S. 12); getty images/Bettmann (S. 16); Archives and Special Collections, Vassar College Library (S. 19); Sports Images/ Dreamstime.com, Wikimedia Commons/ Lyubomir Ivanov, Sk_Advance studio/ shutterstock (S. 20); KostiantynL/ shutterstock, Ben van Meerendonk/AHF/ collectie IISG, Amsterdam, maxpixel.net (S. 22); getty images/Andreas Feininger (S. 41); Nick Veasey (S. 42); gustoimages/ science photo library, Vlad_Nikon/ shutterstock (S. 44f); GermanVectorPro, POR666/shutterstock (S. 46); Davide De Martin/ESA - Hubble (S. 48); SciePro/ shutterstock (S. 49); Alhovik/shutter- stock (S. 52) Illustrationen – Patrick Rosche/ die illustratoren (S. 26ff.); Jens Bonnke (S. 32f); Armin Schieb/Sepia (S. 36ff); Druck – G. Peschke Druckerei GmbH Kontakt – zwei, Susanne Straetmans, Pfizer Unternehmenskommunikation, Linkstraße 10, 10785 Berlin, Telefon +49 (0)30 550055-53049, E-Mail: susanne.straetmans@pfizer.com www.pfizer.de/zwei-magazin www.landdergesundheit.de zwei erscheint in deutscher Sprache. Alle Die US-Astronautin Rechte sind vorbehalten. Namentlich ge- Christina Koch kennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder. an Bord der Inter- Nachdruck und elektronische Verbreitung von A rtikeln, auch auszugsweise, sind nur nationalen mit Genehmigung der R edaktion möglich. Raumstation ISS.
3 | zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland Wir wissen wohl, wer wir sind, aber nicht, was wir werden können. William Shakespeare Liebe Leserin, lieber Leser, Ich erinnere mich noch genau an jenen unerwarteten Anruf im letzten November: „It’s positive“, sagte mein Kollege Andy nur, einer unserer globalen Pressesprecher. Mit „it’s“ meinte er die Daten aus der klinischen Phase- II/III-Studie des COVID-19-Impfstoffs von BioNTech/ Pfizer. Ein Gänsehautmoment! Über Monate hatte uns die Welt über die Schulter geschaut, wie jahrelange Erkenntnisse und intensive Forschung in einen Impf- stoff übersetzt wurden. Jetzt gelang es, all dieses Wissen greifbar werden zu lassen. Anlass für uns, diese Ausgabe dem Thema „Wissen“ zu widmen. Jenem Gut, das uns zusammenhält und in die Zukunft trägt. Eine inspirierende Lektüre wünscht Ihnen, Susanne Straetmans Schreiben Sie mir gern unter: susanne.straetmans@pfizer.com
BIOLOGIE Der potenzielle Vorfahre aller Zellen mit Zellkern entdeckt 2019 1980ern 2018 Die „forensische Genealogie” findet potenziellen Serienmörder aus den Die Embryonalentwicklung wird mit der Einzellanalyse Zelle für Zelle analysiert 2018 Neues Wissen über einige der ersten Tiere der Welt vor über 500 Millionen Jahren durch molekulare Studien 2018 „Liquid droplets“ aus Proteinen und RNA entpuppen sich als Steuerungselement in Zellen 2018 Neue Menschenaffenart „Pongo tapanuliensis“ entdeckt 2017 verändern 2017 einem CRISPR-ähnlichen Enzym zielgenau Forscher RNA lässtkreieren sich mit„Designer-Proteine“ 2016 Erstmals Eizellen aus dem Labor 2016 Die Gen-Schere CRISPR/Cas9 hat sich in den Lebenswissenschaften etabliert 2015 Forscher haben das genetische Alphabet der Natur Nachweis, dass sich die Gen-Sche erweitert 2014 re CRISPR-Cas9 grundsätzlich im Labor nutzen lässt 2013 Aus Körperzellen des Menschen lassen sich Embryonen klonen 2013 eines Proteins der Photosynt hese 2012 Detaillierte Aufklärung der Struktur Eine Übersicht. Aus embryonischen Stammzellen lassen sich fruchtbare Eizellen machen 2012 Mit bestimmten Proteinen (TALENs) lassen sich Gene verändern oder inaktivieren 2012 Entdeckung, dass 80 Prozent des menschlichen Genoms aktive Funktione n ausüben 2012 Erstmals Schnellere haben Forscher ein künstliches Genom in ein Bakterium eingebaut 2010 Entschl üsselung ganzer Genome durch „Next Generation Genomi cs“ 2010 Mit synthetischer RNA lassen sich Körperzellen effizienter denn je zu Stammzellen umprogrammieren 2010 Aufklärung der Struktur eines Moleküls, das Pflanzen vor Trockenheit schützt 2009 lüsselung ganzer Genome 2008 ethoden erlauben die immer schnellere Entsch Live-Beobachtung Neue Sequenzier-Mvon Proteinen „bei der Arbeit“ 2008 Detaillierte Video-Beobachtung von Zellen im sich entwickelnden Embryo eines Fisches 2008 Die Struktur eines wichtigen G-Proteins, das an etlichen Krankheitsprozessen beteiligt ist, wird entschlüsselt 2007 Beobachtung dynamischer genetischer Veränderungen liefern Einblicke in die Evolution der Lebewesen 2006 Entdeckung einer neuen Gruppe von RNA-Molekülen 2006 Genetische Beschreibung der Evolution von Arten bis ins kleinste Detail 2005 2005 Entschlüsselung der Pflanzenblüte und anderer Vorgänge in Pflanzen Detaillierte molekulare Beschreibung eines Kaliumkanals von Zellen 2005 Nachweis, wie stark die Zahl der Pflanzen- und Tierarten weltweit abnimmt 2004 ganze Genome von Organismen 2004 Aus Wasserproben vom Meeresgrund oder von Erzminen isolieren Forscher Nachweis, dass sogenannte „Junk-DNA“ die Aktivität von Genen mit reguliert 2004 Fett gedruckt ist übrigens die jeweilige Top-Erfindung des Jahres. Erstmals Aktivität einzelner Moleküle in Zellen beobachtet 2004 Ei- und Samenzellen gehen aus den gleichen embryonalen Stammzel len hervor 2003 Entdeckung, warum das Y-Chromosom als einziges als Einzelgänger funktioniert 2003 Nachweis, dass RNA in der Steuerung von Genen eine wichtige Rolle spielt 2002 Entdeckung eines neuen Photorezeptors in der Netzhaut von Säugetieren 2002 Entschlüsselung des Genoms wichtiger Organismen, z. B. von Reis 2002 Forscher entdecken auf Zellen Proteine, die „Hitze“ detektieren 2002 Veröffentlichung der Genomsequenz von Mensch, Maus und 60 weiteren Organismen 2001 Die RNA-Interferenz wird entdeckt 2001 Das gesamte menschliche Genom ist entschlüsselt, ebenso die Genom die zehn Spitzenentdeckungen der Wissenschaft. e weiterer Organismen 2000 Gewebezellen werden erstmals in andere Typen von Körperzellen „umprogrammiert“ 2000 Jedes Jahr kürt das renommierte Journal „Science“ Die Struktur von Ribosomen wird detailliert entschlüsselt 2000 BIOMEDIZIN Impfstoffe gegen COVID-19 2020 Erste Gentherapie mit der „DNA-Schere“ CRISPR-Cas9 2020 Forscher entschlüsseln, wie das DNA-Element „Elite“ vor HIV/Aids schützen kann 2020 Welche Erkenntnisse haben es seit dem Jahr 2000 geschafft? Kindern in vielen Ländern beheben 2019 Nahrungsergänzungsmittel, die die Darmflora verändern, könnten die Mangelernährung von Ein Medikamente n-Cocktail gegen zystische Fibrose 2019 Zwei Wirkstoffe bekämpfen Ebola effektiv 2019 Die erste Therapie der RNA-Interferenz wird zugelassen – eine spezielle Form der Gentherapie 2018 Ein chinesischer Forscher verändert mit CRISPR-Cas9 die Gene zweier Embryonen. Die Babys kommen zur Welt, resisten t gegen HIV/Aids. Ein ethisch höchst umstrittenes Vorgehe Wirkstoff gegen Tumore mit ganz bestimmter Mutation unterschiedlicher Organe 2017 n 2018 Eine Patientin mit spinaler Muskelatrophie wird mit einer Gentherapie behandelt 2017 lässt Mäuse länger und gesünder leben 2016 4 Die Entfernung bestimmter alter, abgenutzter Zellen Blut junger Mäuse verjüngt alte Artgenossen 2015 , die bei Typ-1-Diabetikern zerstört sind 2014 Aus Stammzellen lassen sich Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse herstellen Mit einer neuen Immuntherapie kann Krebs behandelt werden 2013 Wo das Wissen Aus pluripotenten Stammzellen wachsen im Labor Mini-Versionen von Organen 2013
Entdeckung: Im Menschen lebende Bakterien beeinflussen Gesundheit 2013 Besseres Design von Impfstoffen durch Strukturbiologie 2013 Medikamente gegen HIV/Aids reduzieren das Risiko, dass Erforschung der Darm-Mikroben der Erreger unter heterosexuellen Menschen weitergegeben in der Ernährung und bei Krankheit sprozessen 2011 wird 2011 Ein vielversprechender Impfstoff gegen Malaria 2011 Entfernung veralteter Zellen aus Mäusen lässt die Tiere länger leben 2011 und eine orale Prophylaxe die Ansteckung unter Männern und Transgender-Frauen 2010 Ein Vaginal-Gel mit einem Medikament gegen HIV/Aids reduziert die Ansteckungsrate unter Frauen 2010 verurs achen, werde n gefund en d seltene Erkrankungen Die spezifischen Mutationen, die ein Dutzen Der Wirkstoff Rapamycin verlängert das Leben von Mäusen 2009 Neue Strategien führen zu einem Comeback der Gentherapie 2009 Zellen Kranker werden so umprogrammiert, dass neue Zellen wachsen, die ihnen zu Therapiezwecken zurückgegeben werden können 2008 Neue „Krebsgene“ werden gefunden 2008 „Schlechtes weißes“ Fett lässt sich in „gutes braunes“ Fett umprogrammieren 2008 Individuelle Unterschiede im genetischen Alphabet der Menschen gewinnen Bedeutung für die Therapie von Erkrankungen 2007 2007 Entdeckung, dass T-Zellen der Immunabwehr sich für die Kurz- und Langzeitantwort des Immunsystems spezialisieren Wirkstoff gegen die Makuladegeneration 2006 „Public-private partnerships“, um auch arme Länder mit Medikame Forscher klonieren einen menschlichen Embryo 2004 nten zu versorgen 2004 Ein Corona-Virus verursacht SARS, das „severe acute respiratory syndrome“ 2003 Entdeckung von Genen, die das Risiko für psychische Erkrankungen erhöhen 2003 die an Krankheitsprozessen beteiligt sind 2003 Nachweis, dass sogenannte „kleine“ RNA-Moleküle zahlreiche physiologische Prozesse beeinflussen, Wirkstoffe gegen die Neubildung von Gefäßen in Tumoren 5 | zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland verlängern das Leben von Krebspatienten 2003 Das erste „zielgerichtete“ Medikament gegen Krebs wird zugelassen 2001 Die Bedeutung von „nuklearen Hormonrezeptoren“ für Krankheitsprozesse wird erkannt 2000 ASTRONOMIE / RAUMFAHRT Die Quellen von Radiowellenausbrüchen aus fremden Galaxien werden gefunden: Sterne mit Magnetfeldern, die 100-mal größer als das Erdmagnetfeld sind 2020 wächst Das erste Foto eines schwarzen Lochs im Universum wird gemacht 2019 t der frühen Jahre unseres Sonnensystems sind 2019 Die NASA entdeckt zwei planetare Blöcke, die eine Hinterlassenschaf Neutrinos liefern Botschafte n aus dem Universum 2018 Die Verschmelzung zweier Neutronensterne wird nachgewiesen, 130 Millionen Lichtjahre von uns entfernt 2017 Forscher weisen Gravitationswellen nach, deren Existenz Albert Einstein vor etwa 100 Jahren prophezei t hat 2016 Astronomen entdecken einen Exoplaneten im Raum um einen benachbarten Stern (Proxima Centauri) unseres Sonnensystems 2016 Die Raumsonde Philae landet auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko 2014 CubeSats starten ins Weltall für wissenschaftliche Missionen 2014 nachweislich aus explodierenden Sternen 2013 Hochenergieprotonen und andere Partikel tief aus dem Weltraum kommen Curiosity, der Mars-Rover der NASA, landet auf dem Roten Planeten 2012 Japans Hayabusa-Raumschiff bringt Staub eines Asteroiden mit 2011 nach dem Big Bang zwei Milliarden Jahre lang stabil blieben 2011 Entdeckung zweier Wolken am Rande des Universums voller Wasserstoff, die Entdeckung eines Sternensystems mit zehn Planeten, die unerklärlicherweise frei im Raum schweben 2011 Eröffnung des Fermi-Teleskops, das den gesamten Himmel in drei Stunden scannen kann 2009 Die NASA entdeckt Wasser auf dem Mond 2009 Astronaut en des Space Shuttle reparieren das Weltraumteleskop Hubble 2009 Erstmals beobachten Astronomen Planeten, die andere Sterne umkreisen 2008 n Felder schwarzer Löcher passieren 2007 Forscher beobachten, dass kosmische Strahlen beschleunigt werden, indem sie die magnetische Instrumente detektieren Signale, die auf einen Ausbruch von Gammastrahlen durch Neutronenstern e hindeuten 2005 späteren Materie der Erdentstehung 2005 Die frühe Materie der Erdentstehung unterscheidet sich von der Das europäische Raumschiff Huygens landet auf dem Mond Titan und entdeckt eine Welt mit Regen aus flüssigem Methan 2005 2004 Der Spirit Rover der NASA landet auf dem Mars und findet salziges, saures Wasser Die ersten Pulsar-Paare werden entdeckt 2004 Neue Belege, dass das Universum überwiegend aus dunkler Materie besteht 2003 Das Verständnis der energetischsten Explosionen im Universum verbessert sich stark 2003 Neue Erkenntnisse über Neutrinos 2002 d 2002 Ein Hightech-Teleskop erkennt Muster im Cosmic Microwave Backgroun Belege für ein massives schwarzes Loch im Weltall 2002 Entdeckung, dass Solar-Neutrinos inkog nito im Weltall unterwegs sind 2001 Entdeckung von Wasser an mehreren Orten des Sonnensystems 2000 Das NEAR-Shoemaker-Raumschiff liefert Daten des Asteroiden Eros 2000 2020 2019 2018 2017 2016 2015 2014 2013 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 Forscher erstellen die bisher detaillierteste Karte des frühen Universums 2000
2020 2019 2018 2017 2016 2015 2014 2013 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 PHYSIK Forscher finden ein Material, das bei Raumtemperatur Elektrizität ohne Widerstand leitet 2020 nell aufklären – statt in Tagen oder Wochen 2018 Eine Art molekulare Computertomografie kann die Struktur von Molekülen minutensch Neuer Detektor erkennt Neutrinos 2017 Neue Technologie zur Herstellung von Glaslinsen für Mikroskope, Kameras usw. 2016 Ein handliches Mini-Gerät zur Entschlüsselung von Erbsubstanz für den Labor- und Feldeinsatz 2016 Neues Material für (bessere) Solarzellen 2013 Das Higgs-Boson wird entdeckt 2012 Ein Röntgenla Hinweis, ser entlarvt die Struktur eines Enzyms 2012 dass Majorana-Fermione existieren 2012 Entdeckung, wie Neutrinos von einem Typ in einen anderen Typ übergehen 2012 Bau einer Maschine, deren Bewegungen nur mit der Quantenmechanik beschrieben werden können 2010 n, das sich gerade faltet 2010 die Bewegungen der Atome in einem Protei Ein Computer verfolgt so lange wie nie zuvor Forscher schaffen einen Quanten-Simu lator 2010 Vorstellung des ersten Röntgenlasers 2009 Schaffung von magnetic ripples, die das Verhalten von Partikeln mit nur einem magnetischen Pol simulieren 2009 Entdeckung einer neuen Klasse von high-temperature superconductors 2008 Der prophezeite „Quantum Spin Hall Effect“ experimentel l bestätigt 2007 Ein Speicher für überschüssige Energie aus Wind- oder Sonnenkraft wird gebaut 2006 Neue Mikroskope mit Nanometer-Bereich komme n auf 2006 Physiker schaffen einen sehr rudimentären „Unsichtbarkeitsschild“ 2006 Schätzung der Erdmasse 2006 Der ITER-Reaktor wird in Frankreich gebaut 2005 Eine „Kondensat“ genannte, neue Materie wird geschaffen 2004 Bestimmte Hightech-Materialien können Licht und andere elektromagnetische Strahlung beugen und umleiten 2003 Zellen können in dreidimensionalen Fotos abgebildet werden 2003 Mit einer neuen Aufnahmetechnik „filmen“ Forscher das Leben in einem Atom 2002 Fortschritte in Richtung eines Computers mit molekularen Schaltkreisen 2001 Neue Erste Superconductors kommen auf 2001 Bose-Einstein-Kondensate mit Helium sowie Lithium und Kalium geschaffen 2001 Die Grenze zwischen der „klassischen“ und der Quantenwelt verwischt 2000 PALÄOANTHROPOLOGIE erk des Menschen 2020 sind mindestens 44 000 Jahre alt – das älteste Kunstw Gemalte Jagdszenen in einer indonesischen Höhle Aus der DNA eines Knochens haben Forscher das Gesicht eines Mädchens abgeleitet, das vor 50 000 Jahre lebte 2019 Ein 50 000 Jahre alter Hybrid-Knochen eines „Denisova-Menschen“ wird gefunden, der auf eine Paarung eines Homo sapiens mit einer Neandertalerin deutet 2018 Homo sapiens, der vor 300 000 Jahren im heutigen Marokko lebte 2017 Computer-Rekonstruktion des Schädels des ältesten Fossilfunds vom Der Homo sapiens wanderte vor 100 000 Jahren in einer einzigen Auswanderungswelle von Afrika in den Rest der Welt 2016 Rekonstruktion der Art und des Tempos, wie sich aus Reptilien Vögel entwickelten 2016 Fund des ältesten Höhlengemäldes der Menschheit in Indonesien (mindestens 40 000 Jahre alt) 2014 Das Genom eines Denisova-Menschen, der vor 74 000 bis 82 000 Jahren lebte, wird entschlüsselt 2012 Homo-Arten (z. B. des Denisova-Menschen) in uns tragen 2011 Genomanalysen enthüllen, dass wir noch heute Genfragmente anderer Das Genom des Neandertalers wird sequenziert 2010 Das 4,4 Millionen Jahre alte Skelett des Vormenschen Ardipithecus Erbsubstanz lässt sich aus fossilen Knochen ramidus und seine Umwelt werden rekonstruiert 2009 entschlüsseln 2006 2006 Fossil eines Jahrhundertemillionen Jahre alten Fisches wird entdeckt Forscher finden fossile Knochen einer unbekannten Menschenart: Homo floresiensis, der vor 18 000 Jahren in Indonesien lebte 2004 Der sechs bis sieben Millionen Jahre alte Schädel eines Vorfahren wird in West-Afrika gefunden – der bis dato älteste Vorfahre aller Vor-, Ur- und Frühmenschen und der Menschenarten 2003 1,7 Millionen Jahre alte Schädel eines Urmenschen aus dem heutigen Georgien repräsentieren die ersten Nachfahren von Frühmenschen, die aus Afrika ausgewandert sind 2000 6 ROW IS SE NSC HAF TEN / PS YC HOLOGIE NEU
Vögel sind wohl zu einigen bewussten Gedanken fähig 2020 Auch Orang-Utans und Bonobos (neben Schimpansen) haben Vorstufen einer theory of mind 2016 Der emotionale Inhalt von Erinnerungen von Mäusen kann mit Laserstrahlen verändert werden 2014 Ein neues Verfahren führt die Untersuchung und Erforschung des Gehirns in neue Dimensionen 2013 „reinigt“ 2013 Erkenntnis, dass sich das Gehirn im Schlaf „Brain-Machine-Interfaces“ werden erprobt 2007 Die sogenannte Langzeitpotenzierung ist der entscheidende Mechanismus, der bei Erinnerungsprozessen die Verbindung zwischen Nervenzellen stärkt 2006 Erkrankungen wie die Schizophrenie oder das Tourette-Syndrom hängen zusammen mit einer „falschen Verdrahtung“ im Gehirn 2005 Forscher lernen, wie molekulare Signale an den Axonen von Neuronen wirken 2001 HNOLOG IE / BIG DATA COMPUTER/ INFORMATIONSTEC nen 2020 e die dreidimensionale Faltung von Protei Künstliche Intelligenz entschlüsselt präzis Die Ära des Quantencomputers hat begonnen 2019 KI schlägt die weltbesten Poker-Spieler 2019 2016 Bau von „neuromorphen“ Chips, die Informationen ähnlich wie das Gehirn verarbeiten den zweitb esten GO-Sp ieler der Welt 2016 KI schlägt 7 | zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland Roboter lernen zu kooperieren 2014 Ein Computer löst das schwierige Spiel Checkers 2007 CHEMIE sie interagieren 2017 Die Kryo-Elektronenmikroskopie schießt Fotos von Molekülen, während Chemiker schaffen Designer-Zeolite 2011 Graphen wird als Material in elektronischen Geräten getestet 2009 Neue Metalloxide mit nützlichen elektrischen und magnetischen Eigenschaften werden als Material Durch neue chemische Verfahren wird die Herstel erprobt 2007 lung pharmazeutischer und elektronischer Produk te leichter 2007 Siegeszug von elektrisch leitendem Plastik 2000 KLIMA Die globalen Klimaprognosen werden präziser: Was hinter den Superentdeckungen steckt Erderwärmung zwischen 2,6 und 3,9 Grad, 2 wenn sich der CO -Ausstoß, verglichen zum vorindu striellen Zeitalter, verdoppelt 2020 Das Eis in Grönland und der Antarktis schmilzt immer schneller 2006 ten Klimawandel wächst 2005 Die wissenschaftliche Evidenz für einen menschengemach Verändertes Verhalten von Pflanzen und Tieren deutet auf den Klimawandel 2003 Neue Daten und Modelle führen zu einem besseren Verständnis des Klimawandels 2002 GEOWISSENSCHAFTEN Erdbohrung entschlüsselt detailliert, wie sich die Welt der Organismen nach dem Einschlag eines Asteroiden vor 66 Millionen Jahren verändert hat 2019 Bergung eines Eisblocks aus den Tiefen der Antarktis, der vor 2,7 Millionen Jahren entstand und das damalige Klima verrät 2017 30 in der Physik, 6 in der Chemie und eine in der Mathematik: Forscher entdecken einen Asteroiden-Einschlag in Grönland vor 13 000 Jahren 2018 Jahrgangsgewinner vor, von der kompletten Entschlüsselung des 45 Breakthroughs in der Biologie in 20 Jahren, 38 in der Biomedizin, immer auch, wo die Naturwissenschaften besonders vorankommen. menschlichen Genoms im Jahr 2000 bis zum Corona-Impfstoff 2020. Die von „Science“ ausgezeichneten Top-Forschungsleistungen zeigen MATHEMATIK Möchten Sie mehr über diese Top-Entdeckungen und -Entwicklungen Das Poincaré-Theorem wird gelöst 2006 erfahren? Auf www.landdergesundheit.de stellen wir Ihnen die jeweiligen
8 Was Wissen schafft Selten haben so viele Menschen die Wissenschaft geschätzt und verstanden wie heute. Und selten so angezweifelt. D em Laien mag es bis 2020 so Wenn es heute heißt „unite behind diskussionen unter Expertinnen und Ex- vorgekommen sein, dass wissen- science“, dann vereint man sich also perten kann man praktisch immer einen schaftliche Erkenntnisse wie Gold- weniger hinter einer Ansammlung von Konsens identifizieren. Die Frage ist nur, klümpchen sind, die aus dem Stollen des Wissen als hinter einer Art zu denken. wie groß er ist.“ Nichtwissens herausgehauen werden. Die „Sache“ ist allenfalls der wissen- Doch das wissen Laien meist nicht Wissenschaft begegnete einem meist schaftliche Konsens, der zur jeweiligen und so kommt es zu Missverständnis- vom Ergebnis her, nach dem Motto: Zeit errungen ist. Ihn zu erreichen, geht sen: Unter dem Druck der Pandemie hat Studien haben gezeigt, dass …. über Streit. Es ist ein Streit, der das Ter- die Wissenschaft den Turbo eingelegt. Forschungsergebnisse, die sonst den Einmal entdeckt, schienen solche Funde längeren Weg über Peer-Reviews in im Schatzkästchen der Menschheit zu Fachzeitschriften nahmen, sind vorab landen – eine Sammlung an Kostbar- auf Preprint-Servern zu finden. Das ist keiten auf der Habenseite des Lebens. Wir irren eine Chance, denn die Community sieht sofort, wer auf welcher Fährte ist, und Entsprechend irritiert reagierten viele, als 2020 das Prozesshafte der Wissen- uns kann aufeinander reagieren. Doch der Motor der Wissenschaft läuft zum Preis schaft die Bühne betrat. „Fragt man einen redlichen Physiker, ob vorwärts der Kakophonie. Das irritiert die Öffent- lichkeit. Denn genau die Stärke des „Vorwärtsstreitens“ erscheint jetzt als es ganz unerschütterlich garantiert sei, Robert Musil Schwäche. Zumindest jenen, die den dass morgen die Sonne aufgeht, wird er Disput wie ein Duell auffassen. antworten: Ausgeschlossen ist es nicht, dass sie ausbleibt“, sagt der Physiker Der Wert des Wissenwollens Norman Sieroka in dieser Ausgabe Man muss sich vor Augen führen: Wis- (Seite 17). Wissenschaft ist wandelbar rain des Wissens absichert, festigt und senschaft ist und bleibt ein gigantisches wie ein Wolkenhimmel. Sie lebt vom Mut, erweitert. Streit soll sozusagen das Bes- Gruppenprojekt. Wie bei der Besteigung immer wieder nach Gründen zu fragen, te herausholen. „Man irrt sich vorwärts“, eines Achttausenders fängt kein Be und der Kraft, Beweise zu finden. Einmal schreibt die Wissenschaftsjournalistin teiligter ganz unten an. Wenn heute ein Errungenes muss man auch wieder los- Mai Thi Nguyen-Kim in Anlehnung an ein Mensch am Herzen operiert wird, dann lassen können. Wissen ist ein Wagnis, Zitat von Robert Musil. „Selbst in den steht dahinter eine ganze Ahnenkette an das erkannte schon Kant. kontroversesten und hitzigsten Fach Wissenschaftlern: Es brauchte Charles
2020 während der Pandemie 9 | zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland 2020 vor der Pandemie 2018 2019 2021 35% 33% „ Ich stehe der Wissenschaft skeptisch gegenüber.“ 29% 28% 27%
10 du Fay und Benjamin Franklin, um Elek- Wissenwollen immer wieder in prakti- sicher, dass sie nicht funktioniert (also trizität zu entdecken. Luigi Galvani und sche Anwendungen, an die am Anfang als Negativkontrolle taugt). Doch dann Alessandro Volta, die bemerkten, dass keiner gedacht hat. Ein Drittel bis zur liefert sie das bessere Ergebnis als die Elektrizität auch in Tieren erzeugt wird. Hälfte des US-Wirtschaftswachstums DNA. Hatte er die Proben vertauscht? Carlo Matteucci, der sah, dass das auch seit dem Zweiten Weltkrieg basiert auf Der Doktorand wiederholt das Experi- fürs Herz gilt. Und Augustus D. Waller Grundlagenforschung, errechnete Ma- ment. Wieder liefert die RNA die bessere und Willem Einthoven, die das Elektro- riette di Christina, damalige Chefredak- Immunantwort der Mäuse. Somit hat kardiogramm erfanden, wodurch man teurin von „Scientific American“ 2014 . er in der RNA einen Boten (messenger) erstmals Herzen überwachen konnte. Auch das mRNA-Prinzip war einer un- gefunden, der dem Körper Baupläne Wer heute im Hightech-OP-Saal liegt, erwarteten Entdeckung zu verdanken. für die Krankheitsabwehr liefern kann – vertraut auf die Erfinderkraft von Gene- Der Biologie-Doktorand Ingmar Hoerr das Prinzip der mRNA-Impfstoffe. rationen. Ingmar Hoerr gründet später Curevac. Auch hinter modernen Medikamenten Die Mediziner Özlem Türeci und Uğur steckt das Werk der Vielen. So brauchte Şahin, Gründer von BioNtech, unter es beispielsweise 7067 Wissenschaft Hinter einem modernen suchen indes das Potenzial für Krebs- lerinnen und Wissenschaftler und Ent- immuntherapien oder Impfstoffe gegen deckungen aus 104 Jahren Forschung Krebsmedikament Grippe. Zwanzig Jahre Forschung mit für ein modernes Krebsmedikament. In steckt die Arbeit mRNA ermöglichten 2020 den kometen- einer Studie der University of California von 7067 Wissen- haften Aufstieg entsprechender Impf- wurden 2015 die Publikationen rund stoffe gegen SARS-CoV-2. um die Zulassung eines immunonkolo- schaftlerinnen und gischen Medikaments analysiert und Wissenschaftlern aus Wissenschaftsskepsis auf Tiefpunkt geschaut, wer wen zitiert. Bei den Zitier- 5666 Instituten und ten wurde untersucht, auf wen diese Es war das Jahr, in dem die Kraft der wiederum rekurrierten und so weiter. Entdeckungen aus Wissenschaft den Menschen ins Be- So wurde die (Wo-)Manpower hinter 104 Jahren Forschung. wusstsein kam wie nie. Ein Jahr, in dem einem einzigen Medikament sichtbar. es einen Boost an Vertrauen gab – und Bei einem Präparat gegen Mukoviszi- er hält bis heute an: Im jüngst publizier- dose waren es knapp 2900 Wissen- ten State of Science Index 2021 sagen schaftler und Wissenschaftlerinnen tüftelt Ende der 1990er in Tübingen 91 Prozent von 17 000 Befragten aus aus rund 2500 Instituten. daran, den Körper auf neue Art zu einer 17 Ländern: „Ich vertraue der Wissen- Grundlagenforschung ist dabei so et- Immunantwort zu bringen. Er spritzt schaft.“ Es ist der höchste Stand seit was wie das Basislager des Fortschritts. Mäusen DNA und nutzt als Negativkon- Beginn der jährlichen Befragung vor Es ist ein Forschen aus purem Wissens- trolle die RNA, die kleine Schwester der vier Jahren. Die Zahl derjenigen, die drang. Wie schon der Höhlenmensch DNA, die im Körper allerdings rasch ab- wissenschaftliche Erkenntnisse nur Stöckchen auf Stein drehte und vom gebaut wird. Fast keiner arbeitet damals dann anerkennen, wenn sie zum eigenen Funken überrascht wurde, führt dieses mit RNA, so instabil ist sie. Hoerr ist sich Weltbild passen, sank von 42 Prozent
11 | zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland Die vertrauenswürdigsten Berufe Mediziner/Gesundheitsberufe Wissenschaftler/Ingenieure Lehrer Journalisten Politiker/Regierungsvertreter Firmenchefs Prominente andere Welche Probleme sollte die Wissenschaft lösen helfen? COVID-19-Pandemie Klimawandel Verschmutzung der Ozeane Zugang zu erneuerbaren Energien Luftqualität Trinkwasserversorgung Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen Hunger Vermeidung von Produktionsabfällen Soziales Ungleichgewicht Infrastruktur Arbeitsschutz
12 Anderes Wissen – andere Meinung „Der Klimawandel wird hauptsächlich vom Menschen verursacht.“ US-Durchschnittsbürger Geowissenschaftler 93% 50% „Der Mensch hat sich seit seiner Entstehung verändert.“ US-Durchschnittsbürger Biomediziner 99% 65%
13 | zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland vor der Pandemie auf nunmehr 35 Pro- Die Tatsache, dass Wissenschaft im oder den Klimawandel „nur eine sehr, zent. Die Zahl derer, die explizit sagen: letzten Jahr unter aller Augen arbeitete, sehr teure Form von Steuern“ nennt, wird „Ich bin Wissenschaft gegenüber skep- hat das Lager der Wissenschaftsgegner die Kluft zwischen Öffentlichkeit und tisch“, ist auf einem Tief von 27 Prozent. sicherlich gestärkt. Dieses Ringen um Wissenschaftlern noch größer, als sie 91 Prozent gehen davon aus, dass Wis- Modelle, Analysen und Prognosen macht bereits ist: 93 Prozent der Geowissen- senschaftler entscheidend sein werden müde. Die Komplexität erschöpft. Die Art, schaftler in den USA hielten schon 2014 für das zukünftige Wohlergehen der wie im Namen der Wissenschaft politisch den Klimawandel für real und men- Menschheit. Genauso viele wünschen mit Zahlen gearbeitet wird, die so keinem schengemacht – dem stimmten nur 50 sich, dass Länder zusammenarbeiten, Prozent der Bevölkerung zu (s. Grafik). um gemeinsam wissenschaftliche Ant- „Eine Gemeinschaft braucht ihren worten auf Herausforderungen wie den Glauben an die Erkennbarkeit von Wahr- Klimawandel zu finden. Drei Viertel der heit, um überhaupt bestehen zu kön- Befragten würden die Wissenschaft ver- Wort des Jahres 2016: nen“, schreibt Jan Sludarek, der sich mit post- teidigen, käme es zu entsprechenden Verschwörungstheorien befasst. Im Diskussionen. Vor der Pandemie war da- postfaktischen Zeitalter hat dieser Ur- faktisch zu nur jeder Fünfte bereit. grund große Risse bekommen. „Seit der Aufklärung ist Europa den Weg gegan- False Balance der Argumente gen, sich auf der Basis von Fakten ein Die Studie zeichnet ein optimistischeres Weltbild zu verschaffen. Wenn dieses Bild als gedacht. Scheint doch in Zeiten Unwort des Jahres 2017: Weltbild plötzlich losgelöst oder anti- alternative von Social Media das Lager der Wissen- faktisch ist, dann ist das mit unserer schaftsgegner besonders groß. Irrefüh- ganzen Art zu leben sehr schwer verein- rende Narrative verbreiten sich leichter bar“, warnt Angela Merkel. als zuvor, und die fehlende Kenntnis über den Wissenschaftsbetrieb wirkt Fakten Es bleibt eine große Herausforderung, dass die Lager nicht weiter auseinander- wie Wasser auf Mühlen. Allein das Be- driften. Unser Wissen wächst rasant und mühen um „Ausgeglichenheit” in einer wird immer komplexer. Die Menschheit Talkshow kann zu reiner Verzerrung wird sich zu dieser Komplexität verhalten führen: Nämlich dann, wenn nicht evi- müssen: weder Scheuklappen noch denzbasierte Wissenschaftskritik oder Wissenschaftsromantik. Viel eher mit gar -leugnung auf evidenzbasierte Wissenschaftler genügen, empört. Doch der Haltung der Wissenschaft: ein auf- Wissenschaft trifft (false balance). Wenn wenn „Science-Denialism“ es bis in die richtiges Interesse an Erkenntnis. Oder, die Maßstäbe also gar nicht zusammen- höchste Politik schafft, wird es für Ge- wie Richard Feynman, der Physiker und passen. Fußball gegen Volleyball. Das sellschaften gefährlich. Wenn ein Nobelpreisträger, sagte: „Wissenschaft Publikum hat trotzdem den Eindruck, Staatspräsident verspricht, „Corona ist das, was wir tun, um uns nicht es stehe fifty-fifty. werde wie ein Wunder verschwinden“, selbst zu belügen.“ Kirsten Wörnle Quellen Infografiken: State of Science Index 2021. Global Report. Herausgegeben von: 3m. Science. Applied to life. 2021. – Opinion Differences Between Public and AAAS Scientists, Among Selected Domain Experts. Herausgegeben von: PEW Research Center 2014.
Gedanken an Fremdgehen Sexualverhalten Lüge Liebesverlangen Vertrauensbruch Diebstahl emotionale Untreue Ehrgeiz familiäre Details Finanzen körperliche Unzufriedenheit soziale Unzufriedenheit Unzufriedenheit mit dem Liebesleben weiteres Leid persönliche Geschichte kein Sex Betrug bei der Arbeit Hobby andere(r) Frau/Mann Vorlieben Trauma seelische Gesundheit heimliche Beziehung Gewohnheiten/Sucht schlechte Arbeitsleistung Nichtkonformität sexuelle Untreue/Fremdgehen Überraschung Unzufriedenheit mit der Arbeit Selbstverletzung Illegales Glaube/Ideologie Arbeitsplatz Drogenkonsum Heiratsantrag Schwangerschaft Pssst! sexuelle Orientierung Abtreibung
600 Befragte zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland | 15 500 38 Geheimnisse trägt jeder von damit ist, dazu neigt, darüber zu nicht erlebt uns mit sich. Fünf davon haben grübeln. Dieses Gedankenwälzen ist erlebt, war aber wir noch keinem verraten. die eigentliche Last. Also am besten kein Geheimnis Sind wir mal froh, denn Barack werden wir ein paar Geheimnisse war einmal Obama hatte tausendmal so viel: los. Wo? Entweder klassisch bei ein Geheimnis ein Geheimnis 39 240 Dokumente, markiert mit Freunden, im Beichtstuhl oder auf vor einigen „classified“, allein in seinem letzten der Couch, oder auf eigens dafür ein Geheimnis vor jedermann Regierungsjahr 2016. Der Arme, erstellten Internetseiten. Wobei, 400 denn wer größere Geheimnisse so ganz ohne Geheimnis wäre die trägt, dem erscheinen Berge steiler Welt auch nichts: „Jede Art von und Distanzen länger. Das hat der Kultur beginnt damit, dass eine New Yorker Psychologe Michael Menge von Dingen verschleiert wird. Slepian rausgefunden, der unsere Der Fortschritt des Menschen Geheimnisse untersucht und ein hängt an diesem Verschleiern“, ordnet (siehe Grafik). Warum ein sagte Nietzsche. Weswegen der Geheimnis zur regelrecht physisch Soziologe Georg Simmel es auch als empfundenen Last werden kann? „eine der größten Errungenschaf- 300 Weil man, wenn man ganz alleine ten“ des Menschen sah. 200 Wie sähe eine Welt ohne Geheimnisse aus? 150 „ … eine Welt ohne Geheimnisse wäre ein Himmelreich aus Licht, schlimmer als der furchtbarste Alptraum. Es wäre der absolute Staat. Es wäre die Wüste der Langeweile. Es wäre der augenblickliche Verlust aller Spannkraft. 100 Es wäre eine Welt ohne Liebe, ohne Eros, ohne den Zauber der Attraktion. Es wäre Terror. Es wäre das Wissen als lückenloses Gefängnis. Es wäre Folter, wie schattenloses Licht Folter ist. Wir benötigen zum Leben das Dunkel und die Nacht so elementar, wie das Geheimnis das Leben erst lebenswert macht.“ 50 Hartmut Böhme, emerit. Professor für Kulturwissenschaft 0
16 „Vorstellungskraft ist wichtiger als Wissen. Wissen ist begrenzt. Die Phantasie umspannt die Welt.“ Albert Einstein, 1929 Der Posterboy der Wissenschaft fühlte sich „Künstler genug, um mich frei auf meine Phantasie zu stützen“. Von früher Kindheit bis ins hohe Alter spielte Albert Einstein Geige, gab Konzerte, korrespondierte mit Komponisten und musizierte unter anderem mit Max Planck. Sein großes Idol war Mozart, der, so Einstein, eine Musik schuf, die „so rein und schön ist, dass ich sie als die innere Schönheit des Universums selbst sehe“. Was Einstein auch als Physiker inspirierte, wie Ehefrau Elsa beobachtete: „Er geht in sein Arbeits- zimmer, kommt zurück, schlägt ein paar Akkorde auf dem Klavier an, notiert sich etwas und kehrt in sein Arbeitszimmer zurück.“ Nicht zur Ablenkung, sondern zur Unter- stützung: „Ich sehe mein Leben in Form von Musik“, erklärte der Nobel- preisträger in einem Interview. Jenseits wissenschaftlicher Beob achtung und Theorie lag für Einstein die „Musik der Sphären“, welche eine „vorher festgelegte Harmonie“ offenbarte und nur darauf wartete, von jemandem mit einem empfäng- lichen Ohr aus dem Kosmos heraus- gezupft zu werden.
17 | zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland „Niemals werden wir wissen, wie es wirklich ist“ Norman Sieroka, Physiker und Philosoph, über Naturgesetze und Schönheit, ihre Fallen und seine eigene Wissenswanderung. Albert Einstein setzt Schönheit mit Einfachheit gleich. Das ist typisch für das Denken eines Physikers oder eines Mathematikers. Dort sucht man nach Symmetrien; nach etwas, das sozu- sagen gleich bleibt und einfach ist. Für Kollegen aus der Biologie zum Beispiel liegt die Schönheit oft eher im Bunten, in der Vielfalt. Wenn ich als Wissenschaftler voran- schreiten will, brauche ich Vorstellungs- kraft. Oder Phantasie, wie die Astronomin Maria Mitchell schon vor Einstein sagte. Auf unbekanntem Boden helfen oft Analo- gien: Als Physiker sich im 19. Jahr hundert mit Elektrizität beschäftigten, beschrieben sie diese wie Wasser: ein „Strom“ eben. Damit kamen sie weiter, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt, denn natürlich ist elektrischer Strom letztlich eben nicht Wasser. Die Orien- tierung am bereits Bekannten, aber auch Schönheit und Eleganz können bei der Theoriebildung Kriterien sein. Je nach Disziplin schließt dies auch Experimente und mathematische For- malisierungen ein. Es gibt keine fertigen Rezepte, um neues Wissen zu erlangen. Und es gibt,
18 glaube ich, selten Heureka-Momente, leuchtet, und es hängt von der Physio- Die Physik und auch andere Wissen- wie sie in Legenden kolportiert werden: logie meines Auges ab. Es bilden sich schaften lehren uns, dass Theorien mit Archimedes und die Badewanne, Newton die Dinge nicht einfach 1:1 ab. Es wäre der Zeit überholt werden oder sich zu- und der Apfel. Es ist vielmehr ein Pro- ein allzu naiver Realismus anzunehmen, mindest anders einordnen. Wenn wir zess. Zuerst habe ich die Intuition: Das dass es „da draußen“ Dinge gibt, die nicht zu anmaßend sein wollen, liegt ist spannend. Ich bleibe dran, mir fällt wir unabhängig von allem und einfach also der Schluss nahe: Wahrscheinlich wieder etwas ein, was ich einordne, ich so, wie sie sind, erkennen können. Aber werden wir in hundert Jahren auch über untersuche weiter. Man kann es als eine umgekehrt kann ich mir natürlich auch unsere heutigen Theorien anders den- Art Wissenswanderung beschreiben, nicht einfach ausdenken, was ich sehe. ken. Wir wissen heute, dass Newton und bei der eine dunkle Landschaft nach und Maxwell nicht alles erklärten. Und in der nach ausgeleuchtet wird. In der einen einen oder anderen Weise wird das auch Hand hält man eine Taschenlampe und der Quantenmechanik und Relativitäts- leuchtet im Gelände ein Stück voraus. theorie so ergehen. Mit der anderen hält man sich an etwas Fragt man einen redlichen Physiker, fest, das man bereits kennt, und geht ob es ganz unerschütterlich garantiert nun Schritt für Schritt weiter. sei, dass morgen die Sonne aufgeht, So wie im dunklen Gelände benötige wird er antworten: Ausgeschlossen ist ich auch in der Wissenschaft Kriterien dafür, wie bzw. wohin es weitergehen soll. „Das Wissen„ es nicht, dass sie ausbleibt. Daraus darf aber nicht der Fehlschluss gezogen Schönheit und Einfachheit können eine Orientierung bieten. Aber sie können ist keine werden: „Oh, dann wissen also auch die Wissenschaftler gar nicht, was da auch in eine Sackgasse führen. Wenn Kiste los ist ...“ Es müsste schon sehr viel voller ich nicht zu belastbaren und relevanten Physik sehr falsch sein, wenn morgen Ergebnissen komme, muss ich den Mut die Sonne nicht aufgeht. Und deshalb aufbringen zu sagen: Das hat nicht funktioniert, ich leuchte und gehe jetzt einzelner wird es wohl auch niemand ernsthaft bezweifeln wollen. woanders hin. Die Intuition dafür, in welche Richtung “Schätze.“ Gerade diese Mischung aus Bewähr- tem und Neuem und Unwägbarem macht man sinnvollerweise als Nächstes geht die Wissenschaft ja so spannend. Es und forscht, wächst in der Regel mit der ist also keinesfalls ein beunruhigendes Erfahrung. Dabei ist wissenschaftliche Fazit, wenn man heute wie vor hundert Intuition nicht gleichzusetzen mit An- oder zweihundert Jahren sagen muss: schaulichkeit. Bleiben wir beim Beispiel Niemals werden wir wissen, wie es von Einstein und von der Physik: Moderne wirklich ist. Theorien wie die Allgemeine Relativitäts- theorie und die Quantenmechanik sind deutlich weniger anschaulich als etwa die klassische Mechanik und die Hydro- dynamik. Im Studium lernt man all diese und weitere Theorien der Reihe nach kennen. Man durchläuft quasi die Norman Sieroka ist Professor für Theoretische Geschichte der Physik, um am Ende Philosophie an der Universität Bremen und hoffentlich deren Zukunft mitgestalten Privatdozent an der ETH Zürich. zu können. Er hat Philosophie, Physik und Mathematik in Heidelberg und Cambridge studiert Wissen ist kontextualisiert. Einiges und arbeitet u. a. zum Thema Zeit werde ich sehen, anderes nicht. Was und zur Naturphilosophie. ich erkenne, hängt davon ab, wohin ich In der Reihe „C.H.Beck Wissen“ sind von ihm Einführungsbände zur meine Taschenlampe halte. Aber es „Philosophie der Physik“ und zur hängt auch von der Farbe ab, in der sie „Philosophie der Zeit“ erschienen.
19 | zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland „Wir brauchen vor allem Phantasie in der Wissenschaft. Es ist nicht alles Mathematik oder Logik, jedoch immer voller Schönheit und Poesie.“ Maria Mitchell, Astronomin 1866 Maria Mitchell (links) 1889 im Observatorium des Vassar Colleges in Poughkeepsie, New York.
20
21 | zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland Intuition Peak Jenseits des Verstands M an könnte meinen, die Intuition hätte müsste er die Flugbahn berechnen, den einen hohen Stellenwert, denn man Winkel und die Abschlaggeschwindigkeit hat einen Berg nach ihr benannt, den berücksichtigen, dazu Variablen wie Wind Intuition Peak. Allerdings, und das ist das und Drall. Doch dafür bleibt ihm keine Zeit. Bezeichnende, ist der weit, weit weg von allem, Stattdessen fixiert er den Ball mit seinem in der Antarktis. Es ist auch nicht der große Blick, läuft los und rennt immer so schnell, in der Bildmitte (Foto links), sondern der ganz dass sein Blickwinkel konstant bleibt – was kleine mit der gelben Nadel am linken Rand. einer Berechnung gleichkommt. Nur, dass er von dieser „Blickheuristik“ nichts weiß. Und Die Intuition mag nur als kleine Schwester vermutlich schlechter spielen würde, hätte er des Verstands gelten, doch das Wissen im das Ganze in Worte gebracht. Als Psychologen Unbewussten ist eine große Kraft: Der Drogen Handballern problematische Spielsituationen fahnder am Flughafen greift nach dem Rich vorspielten, trafen diese spontan meist die tigen – und weiß nicht, warum. Die Kunstex beste Entscheidung. Je mehr Zeit sie indes pertin spürt, dass mit einem Gemälde etwas zum „guten Überlegen“ hatten, umso schlech- nicht stimmt – und findet erst später heraus, ter wurden ihre Lösungen. was. Soldatinnen, Ermittler, Feuerwehrleute wittern die Gefahr – und sorgen so für Schutz. „Thin-slicing“, „Dünnschneiden“ nennt die Psychologie die Fähigkeit des Verstands, irre Das gilt auch für den Sport: Würde der Ball- levante Informationen zu ignorieren und mit fänger links im Bild analytisch vorgehen, den wenigen relevanten zu jonglieren. Was
22 sich nicht nur im Spitzensport auszahlen Welche Stadt ist größer, Detroit oder kann, sondern auch das tägliche Leben er- Milwaukee? leichtert. Wer bei der Kaufentscheidung für Die deutschen Studenten lagen öfter richtig. ein Auto oder der Wahl des Fernsehprogramms Nicht obwohl, sondern weil sie weniger lange abwägt, hat am Ende zwar eine hand- wussten. Sie hatten von Milwaukee selten feste Entscheidung getroffen, aber glück gehört, ihre amerikanischen Kommilitonen licher ist er nicht: US-Psychologen stellten hingegen wussten, dass die Stadt am Lake fest, dass sogenannte „Maximizer“ häufiger Michigan eine Bierbrauerstadt ist und dass an Depressionen litten als „Satisficer“, die Ella Fitzgerald ein Lied drüber gesungen hat. sich rasch entscheiden, fürs „gut genug“. All dieses explizite Wissen vernebelte den amerikanischen Studenten die Sicht. Die Die Intuition ist streetsmart – sie liefert Deutschen wandten unbewusst die soge- die Faustformeln in einer Welt des Wissens. nannte Rekognitionsheuristik an: Kenn ich Dies gilt besonders bei der bauernschlauen nicht, muss kleiner sein. Als das Experiment Rekognitionsheuristik, welche Wissenslücken umgekehrt mit deutschen Städten durch- in gute Entscheidungen verwandelt. Die geführt wurde, schnitten die US-Studenten Psychologen Gerd Gigerenzer und Daniel besser ab. Das ignoranzbasierte Entschei- Goldstein hatten deutsche und US-amerika- den hatte sie jeweils ans Ziel gebracht. nische Studenten gefragt: Manchmal ist weniger mehr.
ht! • es gar nic 23 | zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland Halbwer Als das Raffles College in Singapur t icht! • Gib 1947 seine Bibliothek umbaute, sollte der dort unterrichtende Mathematiker Derek J. de la Solla Price die gesammelten t es gar n Bände eines philosophischen Magazins bei sich zu Hause lagern. ht! • Gib tszeit d Er stapelte sie nach Jahrgängen getrennt auf und bemerkte, dass die gar nic Haufen von Jahr zu Jahr höher wurden – wie eine exponentielle Kurve. Gibt es es Wis • nicht! r es ga • Gibt sens t! nich • Ha lbwe gar rtsz it de es es Wi ss en ibt s• G Ha bw l er • ts ! ze ht it d nic essgar W is t! • Gibt e sens ga r n ich • Halbwe ht! • Gibt es rtszeit des Wisse es gar nicht! • Gi bt es g ar ni c ns • Halbwertszeit d > Es war der Startschuss für eine Wissenschaft, Zählungen wissenschaftlicher Werke gab es aller- die sich mit Wissenschaft beschäftigt, die Sziento- dings schon früher, nämlich in der Bibliotheks metrie. Genau genommen erfasst sie rein quanti- wissenschaft. Man untersuchte beispielsweise, tativ den Output: zählt Fachzeitschriften und neue welche Fachzeitschriften eine College-Bibliothek Werke, Doktortitel und Zitate. brauche, um fachlich auf dem Stand zu bleiben.
24 Der Bibliothekswissenschaftler Charles F. Gosnell Denn das hieße, dass Fachgebiete wie die Infor- analysierte 1944 daraus entstandene Bücher- mationstechnologie oder Medizin in beträcht listen und bemerkte, dass dort in hohem Maße lichem Maße an „Wissen“ verlören. Dass jeweils neue und zunehmend weniger ältere Bücher die Hälfte ihrer Erkenntnisse nach wenigen Jahren standen. Schon zuvor hatte er von der Mortalität kein wahres Wissen mehr sei. Das kommt eher der Bücher gesprochen: „Wie ihre Autoren werden selten vor. Viel häufiger aber entwickelt sich auch Bücher alt und sterben.“ Nun vergleicht er Wissen weiter, wird präzisiert, aktualisiert, er dieses „Vergehen“ mit einem Phänomen aus der weitert. Das Alte geht im Neuen auf. Oder das Physik: „Einige der einfachsten und befriedigends- Alte wird nur nicht mehr zitiert. Ist aber deshalb ten Analogien können auf dem Gebiet der Radio- nicht gleich obsolet. Manches Wissen ist auch ein- aktivität und des Zerfalls radioaktiver Substanzen fach nicht mehr nützlich, gleichwohl noch gültig. gefunden werden.“ Wie eine Floppy-Disk, die heute kein Mensch mehr Damit war das Bild der „Halbwertszeit des Wis- nutzt, die aber in einem passenden Computer im- sens“ in der Welt, ein Begriff, der die Zeitspanne mer noch laufen würde. bezeichnet, nach welcher die Hälfte eines Publika- Genauso bedeutet auch die wachsende Zahl tionsbestands – einer ganzen Bibliothek oder eines an Publikationen nicht automatisch wachsendes bestimmtes Fachs – nicht mehr genutzt und nicht Wissen. So soll sich im 18. Jahrhundert das Wis- mehr zitiert wird. Heute verstehen wir darunter sen alle 50 Jahre verdoppelt haben, heute in vier. aber vor allem unser Wissen, das angeblich laufend Gemeint ist aber: die Zahl der Publikationen. seine Gültigkeit verliert. Demnach soll IT-Wissen Es sind vor allem die Quellen des Wissens, die eine Halbwertszeit von ein bis zwei Jahren haben, rasant wachsen – und damit auch die Chancen auf medizinisches von fünf – und Schulwissen von Erkenntnis: Noch nie haben so viele Menschen den 20 Jahren. Doktortitel getragen. Noch nie hatten wir so v iele Das wirkt so, als gäbe es Berge an obsoletem Forscher. 2008 wurden weltweit ca. 1,75 Millionen Wissen. Ein Fehlschluss, wie Dr. Torger Möller vom wissenschaftliche Artikel veröffentlicht, 2018 Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissen- waren es 2,55 Millionen Artikel (peer-reviewed). schaftsforschung (DZHW) in einer Studie zeigt. Ja, Unsere Zeit ermöglicht Wissenschaft in einer Breite das Wissen wächst rasant und vermehrt sich. Nein, und Tiefe wie nie zuvor. Oder, mit Derek J. de la albwertszeit deess zerfällt Wissennicht s wie radioaktive Atome in einem Solla Price, einem der beiden Gründer der Sziento bestimmten Takt. metrie, gesprochen: „90 Prozent aller Wissenschaftler,
ler, die je ma s c h a ft en ls is s ge W die jemals gele ll eb l b er ta th en ab t habe en, n, le b en i nu ns 25 | zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland e r Z e it“. „ 9 0 P r o z er r er Z le b e n in u n sere r eit nse “. „ u Ze 90 P it in roze “. n nt al ler W iss e ensch , leb aftler, die jem e n als gelebt hab issenschaftler, die jemals gelebt haben, „90 Prozent alle aller W rW nt iss ze e ro n P sc 90 nse h „ a . in u rer f “ t Zei ... leb ler, d t“ leben en in Zei nse t“ leben in u rer un s er in u rer Zei nse er n in unserer Zeit Ze it t“ leben .“ ie jemals gel ebe Zei t“ leben ebt n, l be ha in u rer nse b ha en bt , le gele ben unserer Zeit“. „90 Prozent aller Wissenschaftler, die jemals in
26 In die Zukunft beamen: Wie wir von Science-Fiction lernen können
27 | zwei – ein Magazin von Pfizer Deutschland Aus der Geschichte lernen wir – und schauen so darauf, wo wir herkommen. Aber ist das die alleinige Strategie? Sollten wir nicht mehr dahin schauen, wo wir hingehen? Ein Gespräch mit dem Science-Fiction-Autor und Politologen Dirk van den Boom. Herr van den Boom, wie neugierig ist Deutsch- land auf seine Zukunft? Nicht genug! Ich sehe viel zu wenige Blicke nach vorn, sondern mehr zur Seite. Wir brauchen also mehr Science-Fiction? Ja, denn die Science-Fiction zeigt sich offen auch für scheinbar ferne Technologien und Potenziale. In den USA nutzt man das: Dort werden zu Konfe- renzen über Technikfolgenabschätzung immer wieder Science-Fiction-Autoren eingeladen – auch bei Regierungsberatungsgremien. Unsere speziel- le Sichtweise ist ein Denken „out of the box“, diese Perspektiven weit über den üblichen Horizont hi naus können hilfreich sein. Oft wird ja innerhalb eines Apparats weder links noch rechts geschaut, wir dagegen treiben einen Stachel ins Fleisch und lenken die Gedanken auf ganz anderes – ohne Be- grenzungen auf Bürokratie, Budget und Gesetze. In den USA wird uns diese Rolle zugestanden, in Deutschland nicht. Was wird denn übermorgen alles möglich sein? Wir stecken in einem technologischen Umschwung, da merkt man oft gar nicht, wie ein Ereignis oder eine Erfindung gerade unser ganzes Leben ver- ändert. Ich denke, dass wir gerade in solch einer Singularität leben. Schon heute merken wir ja: Durch die Corona-Forschung hat es einen unglaub- lichen Innovationsschub gegeben – mit immensen
28 Konsequenzen für die Forschung zu Krebs und De- Was könnte Science-Fiction leisten? menz. Es ergeben sich Lösungsmöglichkeiten für Science-Fiction befreit sich erstmal von gewissen Menschheitsplagen. Wie transformiert sich also Begrenzungen des Denkens, wir lassen dem Geist eine Gesellschaft, in der wir die Sterblichkeit radikal einen wilderen Lauf. Nicht umsonst sind viele verringern durch die Besiegung der meisten Krebs- Naturwissenschaftler Fans – da können sie eine arten? Wie sieht unser Land aus, wenn ich mit 80 Menge rauslassen. Nicht wenige von ihnen wurden Jahren noch davon ausgehen kann, mental hell- von Science-Fiction inspiriert und haben sich wach zu sein? Die Idee von einem „Ruhestand“ wird deswegen für eine wissenschaftliche Laufbahn verschwinden, weil gerade die körperlichen Voraus- entschieden. Übrigens traten in den 90ern des setzungen für andauernde Produktivität geschaffen vorigen Jahrhunderts eine Menge Frauen in werden. Das wird derzeit aber überhaupt nicht Amerika in den Polizeidienst, weil sie „Akte X“ mit diskutiert. Agent Scully geschaut hatten. Warum sollten wir uns jetzt darüber Gedanken Einer, der sich viele Fragen stellt, Neugierde machen? und Vision zeigt, ist Elon Musk. Warum wird er Weil diese Transformationen immer schneller ab- dennoch oft als bunter Hund belächelt? laufen. Da riskieren wir, in unserer mentalen Ent- Weil er zu einer Generation gehört, die versteht: wicklung nicht mitzuhalten. Den Umgang damit Informationen müssen gut gemanagt und kommu- müssen wir ja auch erlernen, da müssen wir unse- niziert werden. Musk ist kein Wissenschaftler, er ist re Taktzahl erhöhen. Nur kurz umrissen: In wenigen Unternehmer, zieht Talente für seine technologi- Jahren wird es die Möglichkeit von Hybridwesen aus schen Visionen an. Er hat einen klaren Plan: den Mensch und Tier geben – ist das ethisch vertret- Menschen das Überleben auf dem Mars sichern, bar? Oder wie gehen wir mit der Aussicht auf völlig wenn sie hier auf der Erde Mist bauen. Ich folge ihm automatisierte Kriege um? Heute gibt es Kampf- auf Twitter: Mit der Art und Weise, wie er jeden Tag drohnen als Nische, aber in zehn Jahren wird das von morgens bis abends mit dieser Vision nach keine Nische mehr sein; was heißt das für inter- außen tritt und zu seiner persönlichen Sache nationale Konflikte? Die Konsequenzen daraus macht, seine Vision auf sich individualisiert und müssen jetzt durchdacht werden. Und das tun z. B. er seine eigene PR-Abteilung ist, gerät er zu dem, wir Autoren von Science-Fiction. was manche einen bunten Hund nennen. Er ist authentisch. Wie schafft man das – mehr vorhersehen? Wir sollten vor allem systematischer und mit einer Glauben Sie, dass er mit seiner Neuralink-For- größeren Kompetenz Informationen verarbeiten. schung und den Prognosen recht haben wird, Erst dann wären wir in der Lage, eine Frage an die dass wir bald Chips im Gehirn tragen werden? Zukunft zu stellen. Das ist übrigens die Stärke von Total. Für Science-Fiction ist das nicht neu: Im Sub- uns Science-Fiction-Autoren: Wir stellen solche genre des Cyberpunk ist dies schon vor 30 Jahren wichtigen Fragen, auch wenn wir oft Quatsch- vorweggenommen worden. Es gibt aus vielen La- antworten geben. Aber fragen – das kann man boren sehr ermutigende Forschungsergebnisse, von uns lernen. dass blinden Menschen die Sehnerven stimuliert
Sie können auch lesen