Vom Material zur Innovation - Rahmenprogramm zur Förderung der Materialforschung - BMBF

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Vom Material zur Innovation - Rahmenprogramm zur Förderung der Materialforschung - BMBF
Vom Material zur Innovation
Rahmenprogramm zur Förderung der Materialforschung
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Inhalt
Vorwort.......................................................................................................................................................................................3
1 Kurzfassung.........................................................................................................................................................................4
2 Schlaglichter: Potenziale neuer Materialien ..................................................................................................................6
3 Ziele des Programms und Förderkonzept.....................................................................................................................14
4 Werkstoffe: Fakten, Ausgangssituation und Prognosen.............................................................................................20
5 Herausforderungen für zukünftige Werkstoff­entwicklungen..............................................................................................28
      5.1 Werkstofftechnologien ....................................................................................................................................................................29
              5.1.1 Werkstoffplattformen .......................................................................................................................................................29
              5.1.2 Prozess- und Fertigungstechnik...................................................................................................................................35
              5.1.3 Querschnittsthemen..........................................................................................................................................................37
      5.2 Materialinnovationen für Anwendungsfelder......................................................................................................................38
              5.2.1 Werkstoffe für die Energietechnik ..............................................................................................................................38
              5.2.2. Nachhaltiger Umgang mit Rohstoffen und Materialien...................................................................................40
              5.2.3 Werkstoffe für Mobilität und Transport...................................................................................................................42
              5.2.4 Materialien für Gesundheit und Lebensqualität ..................................................................................................45
              5.2.5 Werkstoffe für zukünftige Bausysteme.....................................................................................................................46
6 Forschung verzahnen – Wirkung steigern.....................................................................................................................48
7 Internationale Zusammenarbeit....................................................................................................................................50
8 Durchführung des Programms .......................................................................................................................................52
Anhang 1: Vernetzung mit anderen Förderprogrammen und Ressorts...........................................................................56
Anhang 2: Außeruniversitäre Forschung mit Bezug zur Materialforschung ..................................................................58
Impressum ...............................................................................................................................................................................61
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VORWORT                                                                                                           3

Vorwort
Dieses Programm steht für das Ziel, Deutschland auf      Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu erhöhen. Immer
dem Weg zum weltweiten Innovationsführer voran-          kürzere Innovationszyklen, die auch durch neue
zubringen. Gute Ideen sollen schnell in innovative       Technologien, wie z. B. computergestützte generative
Produkte und Dienstleistungen überführt werden. Denn     Fertigungsverfahren wie der 3D-Druck, bedingt sind,
innovative Lösungen sind die treibende Kraft für Wohl-   verändern die traditionelle Struktur der Produktion und
stand und Lebensqualität. Sie stärken Deutschlands       der Wirtschaft insgesamt. Damit aus vielversprechenden
Position als führende Wirtschafts- und Exportnation.     Materialien innovative Produkte werden, sind Koopera-
Und sie ermöglichen es, kreative Antworten auf           tionen von Wissenschaft und Wirtschaft und eine
die drängenden Herausforderungen zu finden. Das          interdisziplinäre Vernetzung erforderlich.
Förderprogramm „Vom Material zur Innovation“ greift
diese Ausrichtung auf und orientiert sich am Leitbild       Mit der öffentlichen Forschungsförderung initiiert
einer nachhaltigen Entwicklung und Wirtschaft, die       und unterstützten wir diese notwendige Zusammen-
Innovationen in Verantwortung für die heutigen und       arbeit. Wir laden Unternehmen und Forschungs-
kommenden Generationen schafft.                          einrichtungen ein, unsere Gesellschaft mit technischem
                                                         und sozialem Fortschritt aktiv zu gestalten. Mit dem
   Innovationen aus der Materialforschung sind ein       Förderprogramm „Vom Material zur Innovation“
Schlüssel bei der Lösung von Zukunftsaufgaben. Neue      schaffen wir den erforderlichen Rahmen.
Werkstoffe helfen, die Material- und Energieeffizienz
zu steigern, die Lebensqualität zu verbessern und die    Ihr Bundesministerium für Bildung und Forschung
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4                                                                                                    KURZFASSUNG

1 Kurzfassung
Das Fachgebiet der Materialwissenschaft und Werkstoff-
technik ist nach wie vor ein entscheidender Innovations-
treiber für fast alle Lebens- und Technikbereiche.
Moderne Werkstoffe erhöhen den Wirkungsgrad von
Solarzellen und Kraftwerken, verringern den Verbrauch
von Kraftfahrzeugen, ermöglichen die Elektromobilität
und reduzieren somit Abgasemissionen. Sie wirken
daher dem Klimawandel entgegen und erhöhen
insgesamt die Ressourceneffizienz in Industrie und
Gesellschaft. Ebenso steigern neue Werkstoffe, z. B.
in der Medizintechnik durch langlebige und biokom-
patible Implantate, die Lebensqualität der Menschen
erheblich. Insofern tragen die Ergebnisse der Material-
forschung mit immer wieder neuen Funktionalitäten
und Leistungssprüngen ganz wesentlich zu einem
nachhaltigen Wirtschaften und zu mehr Lebensqualität
und Wohlstand in unserer Gesellschaft bei.

   Um indes von einem aussichtsreichen Material zur
eigentlichen Innovation in der Anwendung zu gelangen,
braucht das stark interdisziplinäre Fachgebiet der
Materialwissenschaft und Werkstofftechnik ein hohes
Maß an Vernetzung und Kooperation zwischen
Wirtschaft und Wissenschaft sowie eine langfristige
Unterstützung durch die öffentliche Hand. Das Förder­-
programm „Vom Material zur Innovation“ des BMBF
setzt die erfolgreichen Förderstrategien des Vorgänger-
programms „Werkstoffinnova­tionen für Industrie und        spezifischen Bedarf an Werkstofftechnologien in den
Gesellschaft – WING“ fort und verfolgt mit einer           Anwendungsfeldern. Da auf dem Weg vom Material zum
langfristig angelegten Förderung die Ziel­setzungen:       Produkt häufig die Prozess- und Fertigungstechniken
                                                           entscheidend für die Werkstoffeigenschaften und die
■■ Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit         späteren Produktkosten sind, werden sich die geförderten
   durch werkstoffbasierte Produkt- und Verfahrens­        Projekte innerhalb des gesamten Wertschöpfungsnetz-
   innovationen                                            werks orientieren: von der Herstellung der Grundstoffe
■■ Berücksichtigung des gesellschaftlichen Bedarfs         über die Verarbeitung der Werkstoffe bis zur Anwendung
   an Werkstoffentwicklungen                               in Bauteilen und Systemen.

■■ Schaffung von Anreizen zur Erhöhung der FuE-               Die Förderung richtet sich an Kooperationsprojekte
   Intensität in den Unternehmen                           zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen.
■■ Ausbau einer umfassenden industriellen und              Insbesondere sollen kleine und mittelständische Unter-
   institutionellen Material- und Fertigungskompetenz;     nehmen noch stärker als bisher in den Innovations­
   Qualifizierung von wissenschaftlichem Nachwuchs         prozess eingebunden sowie wissenschaftliche Nachwuchs-
                                                           kräfte qualifiziert werden. In den Förderprojekten
Daraus abgeleitet bietet das Programm gezielte Unter­      müssen die Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt
stützung sowohl für neue Materialentwicklungen für         und eine klare Verwertungsstrategie von FuE-Ergebnissen
ganz unterschiedliche Produktspektren als auch für den     für neue Produkte oder Verfahren erkennbar werden.
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KURZFASSUNG                                                                                                            5

Zur Erreichung der übergeordneten Ziele und unter           Das Förderkonzept wird auf der Ebene konkreter
Berücksichtigung der ausgeprägten Komplexität und           Projekte mit entsprechender thematischer Schwer-
Interdisziplinarität des Werkstoff-Fachgebietes ergeben     punktsetzung überwiegend durch Bekanntmachung
sich daraus die folgenden Förderleitlinien des Programms:   von Förderrichtlinien umgesetzt. „Vom Material zur Inno­
                                                            vation“ wird als lernendes Programm auf sich ändernde
■■ Werkstoffplattformen mit den integrierten Fertigungs-    Herausforderungen des Themenfeldes reagieren
   techniken, die zu Produkt- und Verfahrensinno­va­        können und den Rahmen für eine längerfristig
   tionen in einem breiten industriellen Umfeld führen      ausgerichtete flexible Förderpolitik der Bundesregie-
   können                                                   rung auf dem Gebiet der Material­forschung bilden.
■■ Werkstoffinnovationen in bedeutenden Anwendungs-
                                                               Mit dem Förderprogramm „Vom Material zur
   feldern, wie z. B. in Energie, Verkehr und Medizin,
                                                            Innovation“ wird der Hightech-Strategie der Bundes­
   im Bauwesen oder im Maschinen- und Anlagenbau
                                                            regierung entsprochen, die beiden Stränge der Markt­
■■ Nachhaltiger und effizienter Umgang mit Ressourcen       orientierung und des gesellschaftlichen Bedarfs auch
   wie Rohstoffen, Materialien und Energie                  im Bereich der Werkstofftechnologien zusammen­
■■ Branchenübergreifende Kooperationen zwischen             zuführen, eine stärkere Vernetzung zwischen Wirt-
   Wirtschaft und Wissenschaft zur Initiierung von          schaft und Wissenschaft sicherzustellen sowie eine
   Wertschöpfungsnetzwerken                                 nachhaltige Wirtschaftsweise zu verfolgen.
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6                                                                  SCHLAGLICHTER: POTENZIALE NEUER MATERIALIEN

2 Schlaglichter: Potenziale neuer Materialien
Energiewende, Rohstoffknappheit, Urbanisierung und            Die auf den folgenden Seiten dargestellten Beispiele
demografische Entwicklung stellen Politik, Gesellschaft    stehen zwar nicht für die gesamte Programmbreite,
und Industrie in Deutschland vor neue Herausforde-         geben aber einen tieferen Einblick darin, dass teils unschein-
rungen. Hinzu kommt der Trend zu einer stärkeren           bare und für den Anwender unsichtbare Materialien
Globalisierung von Forschungs- und Produktions­            und Werkstoffe häufig eine Schlüsselfunktion inne­
standorten mit neuen internationalen Wertschöpfungs-       haben und zur Lösung konkreter technologischer,
netzwerken. Um die vielfältigen Aufgaben bewältigen        ökologischer und gesellschaftlicher Probleme unver-
zu können, sind Technologien gefragt, die die Gesund-      zichtbar sind. Werkstoffentwicklung ist daher eine
heit sowie den Wohlstand der Bürger erhalten, die          Zukunftsaufgabe: Sie ist die Basis für Wohlstand,
stoffliche und energetische Ressourcen­effizienz           Lebensqualität und internationale Wettbewerbsfähigkeit.
verbessern, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie
erhöhen und eine nachhaltig wirkende Industriegesell-
schaft sicherstellen.

   Wie kaum ein anderes wissenschaftlich-technisches
Gebiet ist die Materialwissenschaft und Werkstofftechnik
stark interdisziplinär geprägt: Forschungsergebnisse
aus der Chemie, Physik, Biologie und aus den Ingenieur­
wissenschaften geben der Werkstoffentwicklung
immer wieder neue Innovationsimpulse, die wiederum
Entwicklungsschübe in unterschiedlichen Anwendungs-
bereichen hervorrufen.
                                                                                               Werkstoffe

     Keramik                                Kunststoffe                            Metalle
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SCHLAGLICHTER: POTENZIALE NEUER MATERIALIEN                  7

    Mobilität                                 Gesellschaft

    Lebensqualität                            Wirtschaft
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8                                                                     SCHLAGLICHTER: POTENZIALE NEUER MATERIALIEN

    Sauberes Wasser durch Hightech-Materialien

    Schadstoffe im Wasser durch Industrie
    und Gesellschaft

    Für Mensch, Natur und Wirtschaft ist Wasser die
    wichtigste Ressource, die sich zwar ständig erneuert,
    aber auch begrenzt ist. Bedingt durch Klimawandel
    und Bevölkerungswachstum sowie durch Energie­
    erzeugung, industrielle Tätigkeiten und Landwirtschaft
    wird es zukünftig zu einer weiteren Beanspruchung
    und Verschmutzung der Wasserressourcen kommen.

                                                              Auswirkungen auf die Lebensgrundlage Wasser

                                                              Es ist von einer zunehmenden Gewässerbelastung mit
                                                              unterschiedlichen Schadstoffen, wie z. B. Medi­kamenten-
                                                              ­rückständen, Pestiziden, Salzen und Metallen sowie
                                                               von übermäßiger Wassernutzung und von Klima­
                                                               extremen auszugehen. Im Ergebnis ist das ökologische
                                                               und chemische Gleichgewicht der Gewässer gefährdet.
                                                               Die Folge können Hormonstörungen bei Lebewesen,
                                                               Artensterben und Krankheiten sein.

    Materialien zur rückstandsfreien Abtrennung
    von Schadstoffen

    Von der Wasser­gewinnung über die Verteilung bis
    zur Entsorgung, Reinigung und Aufbereitung spielen
    materialspezifische Ansätze eine sehr wichtige Rolle.
    Zur Abtrennung von Schadstoffen und zur Umwand-
    lung von kritischen Stoffen werden verbesserte Filter­-
    werkstoffe, hoch­selektive Adsorptionsmaterialien und
    effiziente Kata­lysatoren benötigt.

                                                              Sauberes Wasser für Umwelt, Industrie
                                                              und Gesellschaft

                                                              Wasser ist das Lebensmittel Nummer Eins. Ohne
                                                              Wasser existiert keine Landwirtschaft, keine Industrie,
                                                              kein Leben. Nur durch innovative Technologien mit
                                                              neuen Materialien wird es möglich sein, die vorhan-
                                                              denen Wasserressourcen nachhaltig zu nutzen und
                                                              gleichzeitig die Gesundheit von Mensch und Umwelt
                                                              zu schützen.
SCHLAGLICHTER: POTENZIALE NEUER MATERIALIEN                                                                        9

  Materialien für Energiespeicher

  Elektromobil: Ausreichend weit und sicher

  Deutlich höhere Reichweiten von Elektrofahrzeugen
  bei gleichzeitiger Langlebigkeit und Sicherheit der
  Batterie können nur durch Weiterentwicklungen
  der Materialtechnologie bei der Zellchemie und
  -struktur, beim Design der Batteriesysteme und bei
  der Ladeinfrastruktur erreicht werden. Verbesserte
  Batterien stellen somit die Schlüsselkomponente
  der Elektromobilität dar.

                                                        Strom zur richtigen Zeit

                                                        Der Strom aus fossilen Energieträgern ist begrenzt und
                                                        Strom aus erneuerbaren Energien ist oft nicht bedarfs-
                                                        gerecht verfügbar. Um Wind- und Solarstrom jederzeit
                                                        dort zur Verfügung zu stellen, wo er benötigt wird, gilt
                                                        es, sichere Netzspeicher zu entwickeln, die möglichst
                                                        große Energiemengen speichern und auch rasch
                                                        wieder ins Netz einspeisen können.

  Materialien zur Speicherung elektrischer Energie

  Um effiziente Batterien zu fertigen und über lange
  Zeiträume sicher betreiben zu können, müssen
  Anode, Kathode, Elektrolyt, Separator und Strom­
  ableiter in der Batteriezelle perfekt aufeinander
  abgestimmt sein. Mit Hilfe optimierter Materialien
  zur elektrochemischen Energiespeicherung gelingt
  die Herstellung bedarfs­gerechter, intelligenter
  Stromspeichersysteme.

                                                        Intelligente Nutzung von Strom

                                                        Strom bildet die Grundlage für unsere komfortable
                                                        Lebensweise. Eine intelligente Kopplung von regene-
                                                        rativer Erzeugung, Speicherung und Verbrauch
                                                        erlaubt elektrisches Fahren mit deutlich höheren
                                                        Reichweiten und die Versorgung des eigenen Wohn-
                                                        umfeldes mit Strom. Mit dieser intelligenten Nutzung
                                                        werden zusätzlich die Stromnetze stabilisiert.
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     Hygiene durch innovative Materialien

     Hygiene: Eine Herausforderung auch im
     21. Jahrhundert

     Globali­sierung und zunehmende Mobilität beschleu­
     nigen die Verbreitung von neuen Krankheitserregern.
     Auch die Anzahl der Infektionen mit multiresistenten
     Keimen in Krankenhäusern steigt stetig. Hier sind
     innovative materialspezifische Konzepte für mehr
     Hygiene gefragt.

                                                            Hygiene berührt uns in allen Lebensbereichen

                                                            In vielen Bereichen des täglichen Lebens, wie z. B. in
                                                            Supermärkten, im öffentlichen Nahverkehrsbereich,
                                                            an Bahnhöfen und Flughäfen sind Krankheitserreger
                                                            und Allergene präsent und trotz der hohen Hygiene-
                                                            standards in Deutschland weiter auf dem Vormarsch.
                                                            Auch die gemein­schaftliche Nutzung von Gütern trägt
                                                            zur Verbreitung von Keimen bei.

     Bakterien und Algen können Industrieanlagen
     lahmlegen

     Selbst Industrieanlagen können durch Befall mit
     Mikroorganismen oder Algen geschädigt werden
     und ausfallen. Durch notwendige Reinigungs- und
     Reparaturarbeiten entstehen hohe Kosten. In
     bestimmten Bereichen, wie der Lebensmittel­
     industrie sind die Anforderungen an die Hygiene
     besonders hoch.

                                                            Prävention durch innovative Materialien

                                                            Die Materialforschung bietet hier innovative Lösungen,
                                                            z. B. durch neuartige Filtermaterialien und antibak­
                                                            teriell wirkende Oberflächen, welche Produkte, die
                                                            Umwelt und den Menschen vor Kontaminationen
                                                            schützen. Neue Werkstoffe tragen damit in erheb-
                                                            lichem Maße zur Prävention vor gesundheitlichen
                                                            Risiken und zur Steigerung der Lebensqualität bei.
SCHLAGLICHTER: POTENZIALE NEUER MATERIALIEN                                                                              11

  Zukunftshäuser – intelligent, komfortabel, bezahlbar

  Ohne Wärmedämmung keine klimaneutrale
  Stadt

  Neue Werkstoffe und Materialien erschließen ein
  enormes Energieeinsparpotenzial durch eine effi­ziente
  Wärmedämmung. Insbesondere der Gebäudebestand,
  der vor der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet
  worden ist und immer noch den überwiegenden
  Anteil der vorhandenen Bausubstanz darstellt, gilt es,
  wärmetechnisch zu verbessern.

                                                           Materialentwicklungen für das Bauen im
                                                           Bestand und den Neubau

                                                           Die Materialien müssen sich vielen unterschiedlichen
                                                           Anforderungen stellen und deshalb multifunktionell
                                                           sein. Gefordert sind z. B. Werkstoffe mit schaltbarer
                                                           Wärme­dämmung und Verglasung oder einer schall-
                                                           schluckenden Oberfläche. Dies betrifft z. B. ultrahochfeste
                                                           Betone, neue Bindemittel und deutlich verbesserte
                                                           Kleb- und Dichtstoffe, die voll recyclingfähig sind.

  Gebäude für jedes Wetter

  Zukünftig benötigt unser tägliches Leben und Wohnen
  funktionelle und energieeffiziente Gebäude als Teil
  der Infrastruktur. Damit wird ein nachhaltiger
  Klimaschutz erreicht. Im Mittelpunkt stehen neue,
  dem Klimawandel angepasste Baumaterialien. Das
  reicht von der Wärmedämmung, der Verbesserung
  der Luftqualität bis hin zur Nutzung erneuerbarer
  Energien.

                                                           Baumaterialien für intelligente Instandhaltungs-
                                                           konzepte

                                                           Neue Baumaterialien müssen ressourceneffizient
                                                           und für eine intelligente Instandhaltung geeignet
                                                           sein. Selbstverständlich nehmen das Recycling und
                                                           die Wiederverwendung eine zentrale Rolle ein.
                                                           Insgesamt wird der Wohnkomfort gesteigert.
12                                                                  SCHLAGLICHTER: POTENZIALE NEUER MATERIALIEN

     Materialien für den 3D-Druck

     Hoher Ressourcenbedarf heutiger Fertigungs-
     verfahren

     Bei materialabtragenden Fertigungsverfahren, wie
     beim Drehen oder Fräsen, fallen bis zu 90 % der
     teuren Ausgangsmaterialien (z. B. im Flugzeugbau)
     als Produktionsabfälle an. Die mit Schmiermitteln
     versetzten Abfälle lassen sich nur schwer wieder­
     verwerten und stellen oft einen erheblichen
     Kostenfaktor dar.

                                                            Randbedingungen derzeitiger Herstellverfahren

                                                            Mit aktuellen Verfahren lassen sich nur vergleichsweise
                                                            einfache Bauteile kostengünstig produzieren, die
                                                            dann zu komplexeren Strukturen bzw. Produkten
                                                            zusammengefügt werden. Dies bedingt eine aufwen-
                                                            dige Endmontage, die oft nur bei hohen Stückzahlen
                                                            rentabel ist. Daher werden Bauteile an unterschied-
                                                            lichen Standorten hergestellt und teilweise über
                                                            lange Wege transportiert.

     Ressourcenschonung durch aufbauende
     Fertigungsverfahren

     Generative Fertigungsverfahren, wie der 3D-Druck
     oder das Lasersintern, bauen Fertigungsteile direkt
     aus Pulver auf. So wird die Materialeffizienz erhöht
     und Abfälle werden vermieden. Diese Verfahren
     erlauben die Fertigung von Bauteilen mit variablen
     Materialeigenschaften (z. B. Gradientenwerkstoffe)
     oder den Aufbau von ganz neuen Kombinationen.

                                                            Komplexe Bauteile für individuelle Produkte

                                                            Mit generativen Verfahren können komplexe Fertigungs-
                                                            teile mit integrierten Funktionen bereits in geringsten
                                                            Stückzahlen kostengünstig produziert werden. Weniger
                                                            Bauteile erleichtern die Endmontage. Die Schnittstelle
                                                            zur digitalen Produktion ermöglicht einen individuellen
                                                            Zuschnitt und eine lokale Produktion. So kann das
                                                            Werkstoffpotenzial bei Leichtbauteilen und Medizin-
                                                            produkten effektiv ausgenutzt werden.
SCHLAGLICHTER: POTENZIALE NEUER MATERIALIEN                                                                        13

  Neue Werkstoffe aus der virtuellen Welt

  Von atomaren Strukturen zu neuen Werkstoffen

  Ausgehend von kleinsten atomaren und molekularen
  Strukturen können heute neue Werkstoffe mit
  kombinierten Simulationsverfahren am Computer
  entworfen und getestet werden. Komplexe mathe-
  matische Gleichungen, die genaue Kenntnis atomarer
  Bindungen sowie passende Werkstoffmodelle sind
  das Handwerkszeug für die interdisziplinär arbeitenden
  Simulationsexperten.

                                                           Neue Werkstoffe mit herausragenden
                                                           Eigenschaften

                                                           Die Werkstoffentwickler interessieren sich z. B. für
                                                           neue Zusammensetzungen mit höchster Festigkeit,
                                                           enormer Korrosionsresistenz oder außergewöhn-
                                                           licher Temperaturbelastbarkeit. So lassen sich Super-
                                                           legierungen für die Energietechnik verbessern, die
                                                           Haltbarkeit von Hüftgelenkprothesen verlängern oder
                                                           neue Hybridmaterialien für den Leichtbau aufspüren.

  Entwicklung und Test von Bauteilen am Computer

  Durch die Multiskalensimulation, d. h. von atomaren
  Strukturen bis zu makroskopischen Bauteilen, gelingt
  es, technische Komponenten am Computer zu ent-
  wickeln, ihre spezifischen Eigenschaften in Wechsel-
  wirkung mit den Herstellungsverfahren zu optimieren
  und virtuell zu testen. Versagensmechanismen von
  Werkstoffen werden vollständig verstanden und die
  Sicherheit von Bauteilen erhöht.

                                                           Schneller und günstiger ans Ziel

                                                           Statt jahrelanger, experimentell aufwendiger Entwick-
                                                           lungsarbeiten im Labor werden zukünftig Material­
                                                           eigenschaften am Rechner simuliert. Dadurch können
                                                           wesentliche Hinweise für den jeweiligen Herstellungs­
                                                           prozess der Werkstoffe gegeben, Entwicklungszeit­
                                                           räume verkürzt sowie Kosten eingespart werden.
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3 Ziele des Programms und Förderkonzept
Materialien und Werkstoffe sind aufgrund ihrer               Menschen sind hier tätig. Die Aufwendungen des
starken Ausstrahlung in viele Branchen Innovations-          verarbeitenden Gewerbes für Forschung und Entwick-
treiber und haben damit eine Schlüsselfunktion,              lung betrugen in 2012 ca. 44,5 Mrd. €. Der überwiegende
deren Bedeutung in Deutschland immer noch                    Anteil der erfassten Branchen produziert, verarbeitet
                                                             oder nutzt moderne Werkstoffe. Die Mehrheit aller
unterschätzt wird. Eine starke Position in der
                                                             technischen Innovationen ist direkt oder indirekt auf
Materialwissenschaft und Werkstofftechnik ist
                                                             neue und verbesserte Werkstoffe zurückzuführen, die
jedoch die Grundlage für die Innovationsfähigkeit
                                                             somit für den Wirtschaftsstandort Deutschland eine
unserer Industriegesellschaft und trägt entschei-            herausragende Bedeutung mit Schlüsselfunktion haben.
dend zu Fortschritten in fast allen Technik- und
Lebens­bereichen bei.                                        Gesellschaftliche und ökologische Bedeutung
                                                             von Werkstoffen
Wirtschaftliche Bedeutung neuer Werkstoffe
                                                             Neben ihrer wirtschaftlichen Bedeutung tragen Werk­-
Werkstoffinnovationen sind häufig die treibende Kraft
                                                             stoffentwicklungen auch maßgeblich zur Lösung
für industrielle Produktentwicklungen und wirken als
                                                             gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen
Hebel für eine bessere Technologieposition deutscher
                                                             bei: Sie erhöhen z. B. die Wirkungsgrade von Kraft­
Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Dadurch
                                                             werken und Solarzellen, verringern den Treibstoff­
nehmen moderne Werkstoffe mit ihren Fertigungstechno­
                                                             verbrauch von Flugzeugen und Kraftfahrzeugen und
logien eine Schlüsselstellung im gesamten verarbeitenden
                                                             reduzieren Abgasemissionen. Sie wirken daher dem
Gewerbe Deutschlands ein. Die deutsche Wirtschaft ist
                                                             Klimawandel entgegen, gestalten die Energiewende
besonders stark im Bereich der „hochwertigen Techno­
                                                             mit und erhöhen insgesamt die Ressourceneffizienz in
logien“, deren Anteil an der nationalen Wertschöpfung
                                                             Industrie und Gesellschaft. Ebenso steigern neue
mittlerweile 8,1 % beträgt. Dies ist im globalen Vergleich
                                                             Werkstoffe erheblich die Lebensqualität der Menschen,
der höchste Wert und belegt die Technologiestärke
                                                             z. B. in der Medizintechnik durch langlebige und
Deutschlands, die insbesondere in der Wirtschaftsleistung
                                                             biokompatible Implantate oder durch regenerative
des verarbeitenden Gewerbes zum Ausdruck kommt.
                                                             Therapien. Auch in der Gebäudetechnik, wie z. B. bei
Für diesen Bereich ergibt eine Auswertung des statisti-
                                                             hocheffizienter Wärmedämmung oder in der Luft­
schen Jahrbuches aus 2012 einen Umsatz von 1,5 Bio. €
                                                             reinhaltung, leisten Innovationen im Werkstoffbereich
(ohne Nahrungs-, Futter- und Genussmittel). Knapp 6 Mio.
                                                             ihren Beitrag.

     Begriffsbestimmungen

     Mit Materialien im Sinne des vorliegenden Programms     z. B. aus der Nanotechnologie, mit ein. Die Begriffe
     sind Ausgangssubstanzen zur Herstellung von             „Material“ und „Werkstoff“ werden häufig synonym
     Werkstoffen gemeint, die ihrerseits mit speziellen      gebraucht und unter „Werkstofftechnologien“
     Prozess- und Fertigungstechnologien für spezifische     zusammengefasst. Die relevanten universitären
     Komponenten als Teile technischer Systeme               Studiengänge werden je nach lokaler Fakultäts­
     maß­geschneidert werden. Insofern gehören zum           zugehörigkeit, Ausprägung und Historie unter-
     Fachgebiet sowohl die vorgelagerten Grundstoffe         schiedlich benannt, z. B.: Materialwissenschaft,
     und chemischen Erzeugnisse als auch alle Fertigungs-    Werkstoffwissenschaft, Werkstofftechnik oder
     techniken, Oberflächenbehandlungen und Qualifi-         Werkstoffingenieurwesen. Insofern kann eine
     zierungsschritte, die notwendig sind, um aus einem      gewisse Begriffsunschärfe bei Material und Werk-
     Material einen einsatzfähigen Werkstoff herzustellen.   stoff konstatiert werden, die sich auch in diesem
     Dies schließt die Nutzung von Skaleneffekten, wie       Programm widerspiegelt.
ZIELE DES PROGRAMMS UND FÖRDERKONZEPT                                                                               15

Geflecht aus Glas- und Carbonfasern

Von einer verantwortungsbewussten Industriegesell-             Bewältigung der vielfältigen Aufgaben sind mehr denn
schaft werden weiterhin erhebliche Steigerungen in             je Technologien gefragt, die es erlauben, stoffliche
der Rohstoff- und Energieeffizienz erwartet. Dazu              und energetische Ressourcen besser zu nutzen sowie
leisten Forschung und Entwicklung, insbesondere auf            z. B. durch heimische oder regenerative Ressourcen
den branchenübergreifenden Gebieten der Werkstoff-             zu ersetzen, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer
und Prozesstechnologien, entscheidende Beiträge.               Industrie zu sichern und unseren Wohlstand zu
                                                               erhalten.
    Die Entwicklung neuer Technologien wird immer
stärker durch gesellschaftliche Faktoren, z. B. Produktions-   Forschung und Innovation im Wandel
formen, Konsum, Lebensstile oder Infrastruktur,
beeinflusst. Neben technologischen und ökonomischen            Werkstoffbasierte Produktinnovationen entstehen
Aspekten sind zunehmend ökologische Belange sowie              heute immer seltener in kleinen Forschungslabors,
die gesellschaftliche Wahrnehmung und Bewertung                sondern in einem komplexen Zusammenspiel unter-
von Innovationen zu berücksichtigen. Für den Wandel            schiedlicher Disziplinen: Oft sind Chemiker, Physiker,
von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu nachhaltigen            Werkstoffentwickler und Fertigungsingenieure aus
Lebens- und Produktionsweisen sind nicht nur                   Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam an der
technische Innovationen, sondern ggf. auch ein                 Erforschung neuer Materialien bis hin zur Anwendung
frühzeitiger Dialog mit der Gesellschaft notwendig.            beteiligt. Nach der eigentlichen „Entdeckung“ müssen
                                                               neue Werkstoffe sehr aufwendig geprüft, qualifiziert,
   Die globalen Rahmenbedingungen und Heraus­                  ggf. zugelassen und für eine Serienproduktion im
forderungen für technologische Entwicklungen haben             industriellen Maßstab vorbereitet werden bis sie
sich erheblich verändert: Klimawandel, Rohstoffknapp-          schließlich ihren Weg in die Anwendung finden.
heit, Energiewende, Urbanisierung und demografische            Selbst auf dem Weg vom Prototyp bis zum Serienbauteil
Entwicklungen verlangen von Politik, Gesellschaft und          sind noch viele Hürden zu nehmen, die häufig einen
Industrie in Deutschland neue Antworten. Die Wirt-             Zeithorizont von mehr als zehn Jahren umfassen. In
schaftsleistung Deutschlands hängt entscheidend vom            der heutigen Zeit bedeutet Innovation auch Erkenntnis­
Rohstoffimport (insbesondere von Metallen) ab. Zur             transfer zwischen den Disziplinen. Dabei wird es darauf
16                                                                                  ZIELE DES PROGRAMMS UND FÖRDERKONZEPT

ankommen, die wesentlichen Akteure inner­halb des                      Seite wird in Zukunft eine stärkere Berücksichtigung
Wertschöpfungsnetzwerkes aus Herstellung, Verarbei-                    finden, um das gesamte Werkstoffpotenzial besser zu
tung und Anwendung von Anfang an substanziell an                       erschließen.
der Entwicklungsphase zu beteiligen.
                                                                           Leistungsfähige Innovationsstandorte sind heutzu-
    Ein weiterer Trend in der Materialentwicklung                      tage auf eine starke Internationalisierung mit globalem
ist die zunehmende Individualisierung und Diversifi-                   Wissensaustausch angewiesen. Durch internationale
zierung von Produkten, die durch neue Fertigungstech-                  Vernetzungen mit strategischen Kooperationen
niken, wie z. B. generative Fertigungsverfahren oder                   werden Technologieentwicklungen beschleunigt und
Verfahren zur Herstellung von Verbundwerkstoffen                       Märkte erschlossen. Wertschöpfungsnetzwerke werden
oder Multimaterialsystemen, möglich wird. Diese                        dadurch und durch die zunehmende Integration der
Prozesse erlauben mittlerweile eine direkte Fertigung                  Digitalisierung in die Produktionsprozesse (z. B. beim
von sehr komplexen und auf den jeweiligen Anwendungs-                  3D-Druck) immer stärker globalisiert. Auch die Werk-
fall zugeschnittenen Bauteilen ohne die sonst sehr                     stoffentwicklung mit der späteren Bauteilproduktion
aufwendigen Zwischenschritte. Dabei wird deutlich,                     wird sich den Herausforderungen von hochautomati­
dass Fertigungstechniken im Rahmen der Werkstoff-                      sierten und digitalisierten Fertigungsverfahren stellen,
entwicklung eine zunehmende Rolle spielen. Die                         den Trend zur Internationalisierung berücksichtigen und
Wechselwirkung zwischen den Synthese- und Ferti-                       die Chancen der Globalisierung für den Forschungs-
gungsverfahren auf der einen Seite und den dadurch                     standort Deutschland nutzen müssen.
geprägten Werkstoffeigenschaften auf der anderen

           Nachhaltige Produkt- und Verfahrensentwicklungen
                     für Industrie und Gesellschaft

       Werkstoffplattformen                                                  Werkstoffinnovationen
     – Materialentwicklungen –                                               für Anwendungsfelder

                                                Basistechnologien
           Rohstoffaufbereitung                 Hochtemperaturwerkstoffe                   Leichtbau
           Funktionswerkstoffe                  Oberflächentechnik                         Simulation
           Biomaterialien                       Prozesstechnologien                        Katalyse

Inhaltliches Förderkonzept im Programm „Vom Material zur Innovation“
ZIELE DES PROGRAMMS UND FÖRDERKONZEPT                                                                                   17

                                                                      Förderpolitische Zielsetzungen

                                                                      ■■ Stärkung der industriellen Wettbewerbs­
                                                                         fähigkeit durch werkstoffbasierte Produkt-
                                                                         und Verfahrens­innovationen
                                                                      ■■ Berücksichtigung des gesellschaftlichen
                                                                         Bedarfs an Werkstoffentwicklungen
                                                                      ■■ Schaffung von Anreizen zur Erhöhung der
                                                                         FuE-Intensität in den Unternehmen
                                                                      ■■ Ausbau einer umfassenden industriellen und
                                                                         institutionellen Material- und Fertigungs­­
                                                                         kompetenz; Qualifizierung von wissenschaft-
                                                                         lichem Nachwuchs

                                                                   Das Förderprogramm gibt finanzielle und gestalterische
                                                                   Hilfestellung, um die verschiedenen Stufen der Wert­-
                                                                   schöpfungsketten und -netzwerke bis zur Nutzung
                                                                   eines Werkstoffs abzudecken und die beteiligten
                                                                   Forschungs- und Entwicklungspartner mit ihren
                                                                   spezifischen Kompetenzen interdisziplinär zu vernetzen.
                                                                   Durch eine „aktivierende Förderpolitik“ wird eine
                                                                   breite Materialforschung in den Unternehmen initiiert
Glaskeramiktropfen beim Austritt aus einem Induktionsschmelzofen   und ein Mehrwert durch eine disziplin- und branchen-
(Bild ist aus gestalterischen Gründen um 180 Grad gedreht.)        übergreifende Vernetzung mit einem intensivierten
                                                                   Technologietransfer geschaffen.
Förderpolitische Zielsetzungen
                                                                      Durch das gestiegene Bedürfnis unserer Gesellschaft
Abgeleitet von den übergeordneten Zielsetzungen                    nach mehr Sicherheit von Mensch und Umwelt wird
zur „Weiterentwicklung der Hightech-Strategie der                  sich die Werkstoffentwicklung stärker als bisher mit
Bundesregierung zu einer umfassenden und ressort­                  Fragen nach der langfristigen Zuverlässigkeit von
übergreifenden Innovationsstrategie“ verfolgt das                  Bauteilen und nach möglichen Risiken von Materialien
Programm über einen effektiven Technologietransfer                 bei der Herstellung, Verarbeitung, Anwendung und
eine schnellere Umsetzung von Forschungsergebnissen                Wiederverwertung beschäftigen müssen. Der sichere
in marktfähige Produkte. Darüber hinaus orientiert                 Umgang mit neuen Werkstoffen sowie hohe Qualitäts-
sich die Werkstoffförderung an nachhaltigen Entwick-               standards sind Voraussetzungen für den wirtschaftlichen
lungen, die langfristig positive ökologische und                   Erfolg und die Offenheit der Gesellschaft gegenüber
ökonomische Wirkungen entfalten. Dazu gehören                      neuen Technologien. Eine Förderung sieht daher vor,
beispielsweise ein verringerter Rohstoffverbrauch oder             spezifische Materialentwicklungen mit entsprechenden
die Nutzung von neuen Werkstoffentwicklungen zum                   Risikobetrachtungen zu kombinieren.
Schutz des Menschen und der Umwelt vor Gefahr-
stoffen. Neben der Nachhaltigkeit als integrales                   Förderkonzept
Programmziel leiten sich aus der wirtschaftlichen,
gesellschaftlichen und ökologischen Bedeutung der                  Das Konzept des Programms „Vom Material zur Inno-
Werkstofftechnologien die förderpolitischen Ziel­                  vation“ sieht vor, thematisch fokussierte Werkstoff­
setzungen ab.                                                      themen unter dem Leitgedanken der Nachhaltigkeit
18                                                                    ZIELE DES PROGRAMMS UND FÖRDERKONZEPT

überwiegend in Kooperationsprojekten zwischen
Wirtschaft und Wissenschaft zu fördern, die eine hohe
Bedeutung für den Industriestandort Deutschland
haben und einen konkreten Beitrag zur Lösung
technologischer, ökologischer und gesellschaftlicher
Probleme leisten können. Die Kooperationsprojekte
sollen möglichst weite Teile des Wertschöpfungs­
netzwerkes abdecken – von der Materialherstellung
über die Verarbeitung und Fertigung bis zur Anwen-
dung in prototypischen Bauteilen. Dabei soll ein
ganzheitlicher Forschungsansatz verfolgt werden, der
auch FuE-Arbeiten im Bereich der Fertigungstechniken
mit einbezieht. Die Wechselwirkungen zwischen
Werkstoffeigenschaften und Fertigungstechnologien
geben häufig Impulse für Innovationen, die sowohl zu
verbesserten Werkstoffen als auch zu effizienteren
Prozessen führen und die ggf. auch die Herstellkosten
senken. Nach Möglichkeit sollen bei Materialentwick-
lungen von vornherein Wiederverwertungsmöglich-
keiten (z. B. Zweitnutzung) bzw. Recyclingpotenziale
aufgezeigt und Stoffkreisläufe berücksichtigt werden.

   Vor dem Hintergrund der Ausgangssituation im
Jahr 2014, der gesellschaftlichen und ökologischen
Herausforderungen und unter Berücksichtigung der
ausgeprägten Komplexität und Interdisziplinarität des
Werkstoff-Fachgebietes ergeben sich als strategisches
Profil des Programms die spezifischen Förderleitlinien.

     Spezifische Förderleitlinien

     ■■ Werkstoffplattformen mit den integrierten
                                                          Insofern nutzt das Programm sowohl den „market
        Fertigungstechniken, die zu Produkt- und
                                                          pull“ (Bedarf an Werkstoffentwicklungen aus Sicht der
        Verfahrensinnovationen in einem breiten
                                                          Anwendungsfelder) als auch den „technology push“
        industriellen Umfeld führen können
                                                          (Weiterentwicklung von Werkstoffplattformen) als
     ■■ Werkstoffinnovationen in bedeutenden              parallele Innovationsmechanismen, um einerseits
        Anwendungsfeldern, wie z. B. in Energie,          marktorientiert reagieren zu können und andererseits
        Verkehr und Medizin, im Bauwesen oder             Freiräume für Neuentwicklungen zu schaffen. Damit
        im Maschinen- und Anlagenbau                      wird der Weiterentwicklung der neuen Hightech-Strategie
     ■■ Nachhaltiger und effizienter Umgang mit           gefolgt, die beiden Stränge der Marktorientierung und
        Ressourcen wie Rohstoffen, Materialien und        des gesellschaftlichen Bedarfs auch im Bereich der
        Energie                                           Werkstofftechnologien zusammenzuführen.

     ■■ Branchenübergreifende Kooperationen                   Durch die Förderung von Kooperationsprojekten
        zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zur          sollen der Wissens- und Technologietransfer sowie die
        Initiierung von Wertschöpfungsnetzwerken          Systemkompetenz in den Anwendungsgebieten erhöht,
ZIELE DES PROGRAMMS UND FÖRDERKONZEPT                                                                          19

noch stärker als bisher kleine und mittelständische        aus werkstoffspezifischen Anforderungen der jeweiligen
Unternehmen in den Innovationsprozess eingebunden          Anwendungsfelder – ist eine Förderung in diesem
und eine klare Zielsetzung in der Umsetzung von FuE in     Programm vorgesehen. Daneben existieren weitere
neue Produkte oder Verfahren erkennbar werden. Daneben     BMBF-Förderprogramme, bei denen auch Material­
sieht das Programm vor, besonders aussichtsreiche          fragen eine besondere Bedeutung haben und dort
und noch grundlagenorientierte „Saatprojekte“ sowie        gefördert werden. In diesen Rahmen- und Fach­
exzellente Nachwuchsforscher spezifisch, d. h. nicht nur   programmen steht der spezielle Anwendungsbezug
durch Einbindung in Kooperationsprojekte, in potenziell    (z. B. „Energieforschungsprogramm“, „Forschung für
anwendungsorientierten Themenbereichen zu fördern.         nachhaltige Entwicklungen – FONA“ einschließlich
                                                           Rohstofftechnologien und Ressourceneffizienz oder
   Aufgrund des Querschnittscharakters der Material-       „Gesundheitsforschungsprogramm“) bzw. der Forschungs­
forschung ist das Programm eng mit weiteren Pro-           bereich (z. B. „Innovationen für die Produktion,
grammen des BMBF vernetzt (vgl. Anhang 1). Überall         Dienst­leistung und Arbeit“ oder „Photonik Forschung
dort, wo Innovationen aus der Material­forschung           Deutschland“) im Fokus und bildet den Schwerpunkt
entstehen – einerseits anwendungsoffen, andererseits       der Forschungsprojekte.
20                                                                   WERKSTOFFE: FAKTEN, AUSGANGSSITUATION UND PROGNOSEN

4 Werkstoffe: Fakten, Ausgangssituation und Prognosen
Volkswirtschaftliche Bedeutung innovativer                                 Das produzierende Gewerbe erwirtschaftete 2012
Materialien                                                            in Deutschland 28 % des Bruttoinlandsproduktes
                                                                       und beschäftigte nahezu 29 % der Erwerbstätigen 1.
Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Materialien                     Deutschland liegt damit vor allen westlichen Industrie-
und Werkstoffen lässt sich nicht allein an den Wirtschafts-            nationen (z. B. USA: 20 % des BIP, 17 % der Erwerbstätigen).
zahlen einzelner, direkt mit der Materialherstellung                   Dieser relativ hohe Anteil wird mit als ein Grund für die
befasster Branchen wie etwa der Keramikherstellung,                    vergleichsweise milden inländischen Folgen der Finanz-
Kunststoffverarbeitung, Chemie oder Metall­erzeugung                   krise angesehen. Jedoch ist der Anteil des produzierenden
ablesen. Als Querschnittstechnologie spielen innovative                Gewerbes in den westlichen Industrienationen seit
Materialien auch in anwendungsorientierten Branchen                    vielen Jahren rückläufig, Länder in Osteuropa oder
wie der Automobil- und Luftfahrtindustrie, dem                         Asien weisen dagegen inzwischen oft höhere Quoten
Maschinenbau oder bei der Herstellung elektronischer                   auf.
und optischer Erzeugnisse und somit im gesamten
verarbeitenden Gewerbe eine Schlüsselrolle. Darüber                       Deutschland exportierte im Jahr 2012 Waren im
hinaus sind neue Werkstoffe auch in der Energie- und                   Wert von 1,1 Bio. € 2. Dabei ist das verarbeitende Gewerbe
Wasserversorgung oder dem Baugewerbe von elemen-                       mit einer Exportquote von 45 % in besonderem Maße
tarer Bedeutung. Diese Branchen werden mit dem                         dem globalen Wettbewerb ausgesetzt. Gerade die
verarbeitenden Gewerbe zum produzierenden Gewerbe                      umsatzstarken Branchen Automobilindustrie, Maschinen-
zusammengefasst.                                                       bau und chemische Industrie mit einem gemeinsamen

                            Wertschöpfung / Anteil am BIP [%]                 Anteil der Erwerbstätigen [%]
                            Wertschöpfung / Anteil am BIP [%]                 Anteil der Erwerbstätigen [%]
           50                                                                                                              50
                            in Deutschland                                    in Deutschland
           45                                                                                                              45

           40                                                                                                              40

           35                                                                                                              35

           30                                                                                                              30

           25                                                                                                              25

           20                                                                                                              20

           15                                                                                                              15

           10                                                                                                              10

            5                                                                                                              5

            0                                                                                                              0
                                              d

                                             p.
                    A

                                           ien

                                             h

                                                                                                ea
                                            nd

                                                                            en
                                           ien

                                                                                     a

                                                                                                              n

                                                                                                              n
                                                                                    in
                                          an
                                          eic

                                                                                                           lie
                                                                                                       pa
                  US

                                         Re

                                                                                              r
                                                                          di
                                         la

                                                                                  Ch
                                        nn
                          an

                                                                                           ko

                                                                                                         ra
                                       hl

                                                                                                     Ja
                                       kr

                                                                         In
                                      ss
                                      h.
                        Sp

                                                                                            d

                                                                                                       st
                                    ita

                                    sc
                                   an

                                  Ru
                                  ec

                                                                                         Sü

                                                                                                        Au
                                 ut
                                 br

                                Fr

                               ch
                             De
                              oß

                            Ts
                           Gr

Bedeutung des produzierenden Gewerbes im internationalen Vergleich anhand des Anteils der Bruttowertschöpfung am Bruttoinlandsprodukt
und des Anteils der Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe (2012) 1

1
    Destatis Statistisches Jahrbuch 2013, Anhang A Internationales
2
    Statistisches Jahrbuch 2013
WERKSTOFFE: FAKTEN, AUSGANGSSITUATION UND PROGNOSEN                                                                                                                                                                21

Umsatz von 780 Mrd. €/ Jahr weisen sehr hohe Ausfuhr-                                                                             Automobilindustrie 13 % des Umsatzes auf Markt­
raten von 60 – 67 % 1 auf. Dabei sind Unternehmen am                                                                              neuheiten und 38,7 % auf Nachahmerinnovationen.
Hochlohnstandort Deutschland in hohem Maße auf                                                                                    36 % aller Unternehmen in dieser Branche sind mit
innovative Produkte angewiesen. Deutschland liegt                                                                                 Neuheiten am Markt präsent 5.
nach einem internationalen Vergleich des Instituts
der deutschen Wirtschaft 3 bei den Arbeitskosten im
verarbeitenden Gewerbe auf Platz sieben. Der resultie-
rende hohe Bedarf an FuE-Aktivitäten spiegelt sich                                                                                   ■■ Umsatz im verarbeitenden Gewerbe in
direkt in den FuE-Aufwendungen der Firmen wider.                                                                                        Deutschland (2013): mehr als 1,5 Bio. € mit
In den Branchen mit hohem Exportanteil entsprachen                                                                                      knapp 6 Mio. Beschäftigten
2012 die firmeninternen FuE-Aufwendungen 4 einem                                                                                     ■■ Wert exportierter Waren (2012): 1,1 Bio. €
Umsatzanteil von 5 % (Kraftfahrzeugbau), 7,5 %
(sonstiger Fahrzeugbau) oder 10 % (pharmazeutische                                                                                   ■■ Exportquote im verarbeitenden Gewerbe (2012):
Industrie, Herstellung optischer und elektronischer                                                                                     45 %
Erzeugnisse). Entsprechend hoch ist auch der Umsatz-                                                                                 ■■ Werkstoffe haben eine Schlüsselrolle im
anteil neu eingeführter oder neu entwickelter Produkte                                                                                  verarbeitenden Gewerbe.
in der deutschen Industrie. In 2010 entfielen in der

                                                                                                                                                                                  FuE-Aufwendungen in Mrd. €

                                                         500

                                                                                                  0,2

      Energie, Wasser                                                                                                                                                                             Kraftfahrzeuge
      Abfall                                             400

                                                                                                                        16,7
                                                         300
                                       Umsatz [Mrd. €]

      Chemische                                                                                                                                                                                   Maschinenbau
      Erzeugnisse

                                                                                                                                        5,1
                                                         200
                                                                                                                                                                            0,1

                                                                                            3,6
                                                                      0,1

                                                                                     0,5
                                                                                                         1,7                   0,7
      Kokerei &                                          100                                                                                                                                      Baugewerbe
      Mineralöl                                                                                                1,3
                                                                            44,3                         0,2
                                                                                           6,7
                                                                                            10
                                                                                                   0,9
                                                                            2,4
                                                                                     0,3
                                                                               0,
                                                                               0,1
                                                           0
                                                                  0                  250                 500            750           1000           1250        1500             1750

      Metallerzeugung                                                                                            Erwerbstätige [Tsd.]                                                             Metall-
                                                                                                                                                                                                  erzeugnisse

       Pharmazeutische   Sonstiger                             Textilien                   Glas & Keramik            EDV, Optik         Gummi &             Papier, Holz,          Elektrische    Installationen
       Erzeugnisse       Fahrzeugbau                                                                                                    Kunststoff          Druck                  Ausrüstungen

Erwerbstätige und Umsatz im verarbeitenden Gewerbe für 2012 sowie der Energiebranche und des Baugewerbes für das Jahr 2011 2
Die Größe der Kreise repräsentiert die FuE-Aufwendungen der Branche 4
3
    IW-Trends – Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung, Institut der deutschen Wirtschaft 3/2012
4
    FuE-Datenreport 2013 Analysen und Vergleiche, Wissenschaftsstatistik GmbH im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
5
    Branchenreport 2013, Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen, Statista GmbH & Handelsblatt GmbH
22                                                                           WERKSTOFFE: FAKTEN, AUSGANGSSITUATION UND PROGNOSEN

Innovative Werkstoffe sind der entscheidende                                    der Kostenstruktur in den alten Bundesländern noch 37 % 10 .
Wettbewerbsfaktor                                                               Allein der Wert der in Deutschland verwendeten Rohstoffe
                                                                                belief sich im Jahr 2010 auf etwa 138 Mrd. €, wobei
Neue Werkstoffe sind oft der entscheidende Treiber                              Rohstoffe im Wert von etwa 110 Mrd. € importiert
bei der Entwicklung innovativer Produkte. Schätzungen                           wurden 11 . Angesichts eines globalen Wett­bewerbs, auch
zufolge basieren heute bis zu 70 % 6,7 aller neuen Erzeug-                      bei der Rohstoffversorgung, resultiert aus dem hohen
nisse auf neuen Werkstoffen. Darüber hinaus nimmt                               Materialkostenanteil und dem signifikanten Importanteil
auch die Bedeutung von Materialien als Kostenfaktor                             eine große Verletzlichkeit des verarbeitenden Gewerbes.
in Deutschland stetig zu. Während durch die fortschrei-                         Gerade bei Zukunftstechnologien, wie der Elektromobilität,
tende Automatisierung der Anteil der Personalkosten                             Energieversorgung oder der Tele­kommunikation, wird die
im produzierenden Gewerbe kontinuierlich sinkt                                  Versorgung mit bestimmten Rohstoffen derzeit als kritisch
(1999: 23,4 %; 2009: 20,5 %) 8 , entfielen 2009 im Durch-                       oder sehr kritisch eingestuft (IZT) 12 , so dass eine effiziente
schnitt der Branchen des verarbeitenden Gewerbes                                Nutzung neuer Materialien, insbesondere in diesen
42,9 % des Bruttoproduktionswertes auf Materialkosten 8,9.                      Bereichen, immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Im Vergleich dazu betrug im Jahr 1991 der Materialanteil an

                          1991                                                                                 2009
                             1   4                                                                                 1   3
                                      3                                                                                     3

                                              9
                                                                                                                                      10

                                                      1
                                                       2
                                                                                                                                               2
     38                                                    3                                                                                       2
                                                                                                                                                   2
                                                                                     43
                                                       11

                                                                                                                                                   11
                                                  2

                                                                                                                                           2
                            26
                                            Angaben in %

                                                                                                                       21
                                                                                                                                    Angaben in %

     Zinsen                           Sonstige Kosten                  Lohnarbeiten
     Abschreibungen                   Mieten                           Handelswaren                     Personalkosten
     Kosten Steuern                   Dienstleistungen                 Energiekosten                    Materialkosten ohne Energie

Kostenstruktur im verarbeitenden Gewerbe für 1991 10 und 2009 9

6
   Studie „Werkstoffinnovationen für nachhaltige Mobilität und Energieversorgung“, Verein Deutscher Ingenieure e.V., 2014
7
   acatech diskutiert, Werkstoffe als Motor für Innovationen, Hartwig Höcker (Hrsg.), acatech workshop, Berlin, 17. Oktober 2007
8
   Wettbewerbsvorteil Ressourceneffizienz, VDI Zentrum Ressourceneffizienz
9
   Statistisches Jahrbuch 2011
10
   Statistisches Jahrbuch 1993
11
   Faktenpapier nicht-energetische Rohstoffe, Hintergrundinformationen zum IHK-Jahresthema 2012 „Energie und Rohstoffe für morgen“,
   Deutscher Industrie- und Handelskammertag 2011
12
   Kritische Rohstoffe für Deutschland, Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT im Auftrag der KfW Bankengruppe, adelphi, Berlin, 2011
WERKSTOFFE: FAKTEN, AUSGANGSSITUATION UND PROGNOSEN                                                                                                                                   23

                                                                                                                                        Bruttoproduktionswert 100 Mrd. €

                                                      8

                                                      7

      Glas & Keramik                                                                                                                                                  Metaller-
                                                      6                                                                                                               zeugung
                            Energiekostenanteil [%]

                                                      5

                                                      4
      Chemische                                                                                                                                                        Gummi &
      Erzeugnisse                                                                                                                                                      Kunststoff
                                                      3

                                                      2

                                                      1
      Pharmazeutische                                                                                                                                                  Metall-
      Erzeugnisse                                                                                                                                                      erzeugnisse
                                                      0
                                                          0   10      20           30            40             50             60            70
                                                                   Kostenanteil nichtenergetischer Materialien [%]

      EDV, Optik                 Elektrische                       Maschinenbau                   Kokerei &                         Sonstiger                          Kraftfahr -
                                 Ausrüstungen                                                     Mineralöl                         F ahrzeugbau                       zeuge

                                                                                                      Statistisches Bundesamt, Fachserie 4, Reihe 4.3, Produzierendes Gewerbe, 2011

Anteil der Material- und Energiekosten am Bruttoproduktionswert in den Branchen des deutschen verarbeitenden Gewerbes 13

Die branchenübergreifende Bedeutung innovativer                                             Prognosen zur wirtschaftlichen Bedeutung neuer
Materialien zeigt sich auch in der Zahl der Patentan­                                       Materialien und Werkstoffe
meldungen. Im Jahr 2012 wurden 25 % aller europäischen
Patente im Technologiefeld Chemie 14 eingereicht, obwohl                                    Angesichts der großen Bedeutung innovativer Materialien
der Anteil der Chemiebranche am Umsatz des verarbei-                                        und Werkstoffe wird für deren Markt ein deutliches
tenden Gewerbes in Deutschland bei unter 10 % lag. Dabei                                    Wachstum vorausgesagt. Dies spiegelt sich in unterschied-
entfielen 9 % der Anmeldungen auf die Bereiche Polymer-                                     lichen Aspekten wie der Entwicklung neuer Produkte,
und Rohstoffchemie, Metalle und Materialien, Ober­                                          der Versorgung mit Rohstoffen und als Kostenfaktor im
flächen- und Nanotechnologie, aus denen sich ein direkter                                   produzierenden Gewerbe wider. Ausgehend von einem
Bezug zu Anwendungen in innovationsrelevanten                                               Umsatz für neue und fortgeschrittene Materialien von
Branchen (z. B. Auto, Maschinenbau, Luftfahrt) ergaben.                                     75 Mrd. $ im Jahr 2008 prognostiziert eine Studie der
                                                                                            Europäischen Kommission 15 eine positive Entwicklung
                                                                                            und einen Marktumfang von 230 Mrd. $ für das Jahr 2030.
     ■■ Bis zu 70 % aller neuen Produkte basieren auf                                       Dabei werden insbesondere bei neuen Materialien mit
        neuen Werkstoffen                                                                   breitbandiger Anwendung sowie bei solchen für den
     ■■ Materialkostenanteil im verarbeitenden                                              Umwelt- und Energiebereich überproportionale Umsatz-
        Gewerbe lag 2009 bei etwa 43 % und steigt                                           steigerungen erwartet.
        weiter an
                                                                                               Wie im Folgenden an drei Werkstoffgruppen
     ■■ Deutsche Rohstoffimporte beliefen sich 2010
                                                                                            exemplarisch gezeigt, unterscheiden sich die Prognosen
        auf 110 Mrd. €
                                                                                            für einzelne Materialklassen zum Teil deutlich. So
                                                                                            rechnet man für carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK)
13
   Statistisches Bundesamt, Fachserie 4, Reihe 4.3., Produzierendes Gewerbe, 2011
14
   Technologiefeldzuordnung nach IPC-Technologie Concordance Table
15
   Technology and market perspective for future Value Added Materials, European Commission, 2012
24                                                                   WERKSTOFFE: FAKTEN, AUSGANGSSITUATION UND PROGNOSEN

mit einem jährlichen Wachstum von 17 % und einem
globalen Marktvolumen von bis zu 20 Mrd. €/ Jahr im
Jahr 2020 (2012: 5 – 7,5 Mrd. €) 16. Für Hochleistungs­
keramiken wird, ausgehend von einem Umsatz von
46 Mrd. € im Jahr 2012, ein Anstieg von 6,2 % / Jahr auf
68 Mrd. € im Jahr 2018 17 erwartet. Auch für den Markt
keramischer Verbundwerkstoffe (Ceramic Matrix
Composites, CMC) mit einem weltweiten Umsatz von
640 Mio. € im Jahr 2010 wird bis 2015 ein kontinuier-
liches Wachstum von 8,3 % jährlich prognostiziert.
Langfristig sollen jedoch neue Märkte für CMCs im
Bereich Energie, Wärmetechnik, Luft- / Raumfahrt,
Automobil und Sicherheit sowie ein zusätzliches
Marktpotenzial von 1 Mrd. € 18 erschlossen werden.
Übereinstimmend zeigt sich in allen Prognosen die in
Zukunft weiter wachsende wirtschaftliche Bedeutung
innovativer Werkstoffe.

     ■■ Marktprognose für neue und fortgeschrittene
        Materialien für 2030: 230 Mrd. $ mit enormem
        Wertschöpfungspotenzial für vielfältige
        Produkte
     ■■ Beispiel Keramische Verbundwerkstoffe:                          Wirtschaft
        weltweiter Umsatz 640 Mio. €, Wachstum bis
        2015 von rund 8 % jährlich prognostiziert                       Der hohe Anteil des produzierenden Gewerbes an der
                                                                        Wertschöpfung in Deutschland ist eine wesentliche
                                                                        Grundlage zur Sicherung des Wohlstands. Insbesondere
                                                                        bei der Fertigung forschungs- und entwicklungsinten-
Herausforderungen und Chancen der Material­                             siver Güter ist die deutsche Industrie weltweit führend.
wissenschaft und Werkstofftechnik                                       Neben international agierenden Industrieunternehmen
                                                                        spielen dabei hoch spezialisierte und interdisziplinär
Das Rahmenprogramm „Vom Material zur Innovation“                        vernetzte KMU mit ihrem im internationalen Vergleich
greift als lernendes Programm neue Trends und                           hohen Umsatz- und Beschäftigungsanteil als „hidden
Themen auf und kann so auf aktuelle Entwicklungen                       champions“ eine wichtige Rolle. Auch international
reagieren. Ausgehend von der gegenwärtigen Situation                    rückt die Bedeutung des produzierenden Gewerbes,
der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik sind                      etwa durch Programme zur „Reindustrialisierung“,
bereits heute die in Wirtschaft und Gesellschaft                        immer stärker in den Fokus. Wertschöpfungsnetzwerke
absehbaren Entwicklungen und die sich hieraus für                       werden zunehmend global gestaltet, was mit einer
den Werkstoffsektor ergebenden Herausforderungen                        wachsenden Konkurrenz um Produktionsstandorte
und Chancen in die Programmziele eingeflossen.                          und Ressourcen einhergeht. Die Verlagerung von
                                                                        Produktionsstätten ins Ausland ist oft auch mit einer
                                                                        Verlagerung von Entwicklungsabteilungen und dem

16
   E. Witten, B. Jahn; Composites-Marktbericht 2013; Marktentwicklungen, Trends, Ausblicke und Herausforderungen, Carbon Composites e. V.,
   Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e. V.; 2014
17
   Zukunftspotenziale von Hochleistungskeramiken, Deutsche Keramische Gesellschaft, Verband der Keramischen Industrie, Deutsche
   Gesellschaft für Materialkunde e.V. 2014
18
   Ceramic Composites 2050, Carbon Composites e.V., 2012
WERKSTOFFE: FAKTEN, AUSGANGSSITUATION UND PROGNOSEN                                                           25

Verlust an FuE-Potenzial hierzulande verbunden.           Reduktion von Entwicklungszeiten genutzt werden.
In vielen Branchen werden jedoch durch immer              Insbesondere bei der Einführung der digitalisierten
kürzere Produkt- und Innovationszyklen sowie              Produktion und der damit verbundenen Veränderung
steigende Umweltanforderungen immer höhere                von Fertigungsverfahren, Prozessabläufe und Logistik
FuE-Aufwendungen erforderlich. Darüber hinaus             werden sich durch den dabei entstehenden Bedarf
werden aufkommende und disruptive Technologien,           nach neuen Materialien vielfältige Möglichkeiten
z. B. in den Fertigungsverfahren oder durch die           eröffnen.
Massenproduktion von Batterien, die Struktur ganzer
Industriebereiche drastisch verändern.                       Um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit
                                                          aufrechtzuerhalten, ist eine Absicherung der Rohstoff-
   Bei fortschreitender Globalisierung müssen sich        versorgung zwingend erforderlich. Durch die Entwick-
weltweit agierende Unternehmen mit ihren nationalen       lung leistungsfähiger Substitutionswerkstoffe und
Standorten in internationalen Wertschöpfungsnetz-         Recyclingverfahren kann die Abhängigkeit, insbesondere
werken erfolgreich positionieren. Die gezielte Weiter-    von kritischen Rohstoffen, reduziert werden.
entwicklung ausgewählter Wertschöpfungsketten im
Bereich aufkommender Technologien, etwa der Elektro-         Bei der Nutzung sich eröffnender Chancen kommt
mobilität, eröffnen dabei neue Chancen. Die exzellenten   der Sicherung und dem Ausbau des vorhandenen
Kompetenzen in der Materialforschung hierzulande          Wissens eine Schlüsselrolle zu. Durch die Erhaltung
ermöglichen es den Unternehmen, neue Werkstoffe           und den Aufbau von FuE-Arbeitsplätzen, vor allem in
zu entwickeln und somit neue Märkte durch Hightech-       Branchen mit einer personalintensiven Forschung,
Materialien und dazugehörige Verfahren zu erschließen.    können Wettbewerbsfähigkeit und Fachkräfteausbildung
Internationale Märkte können auch durch ein früh­         gesichert werden. Speziell für einen prosperierenden
zeitiges Engagement in Gremien zur Standardisierung       Mittelstand ist die Aufrechterhaltung des Innovations-
und Normung mitgestaltet und Einsparpotenziale            potenzials in einer komplexer werdenden Umgebung
durch die Senkung von Materialkosten oder die             von hoher Bedeutung.
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