Nachrichten für Filmschaffende - Berufsverband Kinematografie
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427 | 19. Juli 2018 Nachrichten für Filmschaffende herausgegeben von Peter Hartig, Oliver Zenglein und Vincent Lutz
427 | 19. Juli 2018 Kamerafrauen | 2 Drei Kamerafrauen, drei Generationen, drei Bereiche – und doch haben Caroline Rosenau, Ulla Barthold und Julia Schlingmann (von links) sehr ähnliche Erfahrungen gemacht. Mit ihrem Seminar wollen sie mit Vorurteilen aufräumen und mehr Frauen für die Filmarbeit an der Kamera begeistern. Frauen hinter der Kamera Wenn über Gleichberechtigung im Film gesprochen wird, geht es meist um Regie, Drehbuch oder Schauspiel. Noch schwerer wird es allerdings den Kamerafrauen gemacht. Drei von Ihnen versuchen nun, mit Seminaren, die Probleme ins Bewusstsein zu bringen und Lösungen zu fi nden. Text Peter Hartig Titel: Julia Schlingmann | Foto: Alex Böhle
427 | 19. Juli 2018 Kamerafrauen | 3 Frau Rosenau, »Frauen haben es in unserem temberg ziehen etliche Kamerafrauen nach Ber- Berufsfeld schwer«, hat der Berufsverband Ki- lin, Köln oder München – weil dort schon mehr nematografi e (BVK) noch vor zwei Jahren er- möglich ist, oder sie ziehen sich unter Umstän- klärt. Rund 300 Directors of Photography zählte den ganz zurück. der Verband damals zu seinen Mitgliedern, ge- Das wollen Sie nun ändern? rade mal 18 davon waren Frauen. Inzwischen ist Caroline Rosenau: Wir sind drei Kamerafrauen die Diskussion um Quoten lauter geworden – und drei Generationen aus drei verschiedenen hat sich etwas geändert? Bereichen, die dennoch sehr ähnliche Erfahrun- Caroline Rosenau: Leider nicht wirklich . Es ar- gen gemacht haben – und bis heute machen. beiten immer noch zu wenige Frauen an der Ka- Ulla Barthold ist seit mehr als 30 Jahren freibe- mera. rufliche Kamerafrau und Dozentin. Julia Schling- Vor zehn Jahren schienen es aber noch weniger. mann hat an der Filmakademie Baden-Würt- Caroline Rosenau: Das stimmt. Bis zu den Posi- temberg Bildgestaltung studiert und arbeitet als tionen Kameraassistenz und 2. Kamera geht es Kamarafrau. Sie ist seit diesem Jahr im Vorstand inzwischen einigermaßen. Aber ganz oben wird des BVK. Ich selbst arbeite seit 2001 als freiberuf- die Luft sehr dünn. Die Branche ist eh schon ein liche Kamerafrau und Filmeditorin und unter- hart umkämpfter Markt, gerade wenn es um die richte. Wir möchten die Frauen im »techni- gut budgetierten Projekte geht. Da ist es für schen« Bereich sichtbarer werden lassen. Frauen noch mal doppelt so schwer, einen Fuß Werden Sie schon gesehen? in die Türe zu bekommen. Die meisten Kamera- Ulla Barthold: Wir stehen ja noch am Anfang. frauen drehen Dokumentarfilm oder man be- Ende vorigen Jahres hatten wir auf der Setup Me- gegnet ihnen all zu oft im Low-Budget-Bereich. dia im Rahmen der Filmschau Baden-Württem- Bei den großen Spielfilmen finden Sie sie nur sel- berg unser Seminar »Frauen hinter der Kamera – ten. Ein Minority Report« zum ersten Mal gehalten. Und dann meist, wenn die Regie auch eine Frau Darin räumen wir mit Vorurteilen auf, klären auf führt … und analysieren die momentane Situation von Ulla Barthold: Ja, aber das wollen wir eben nicht. Frauen, die in den männerdominierten Gewer- Die Anfrage »Wir hätten da einen ›Frauendreh‹« ken tätig sind. oder »Jetzt bräuchten wir mal eine Kamerafrau« Caroline Rosenau: Das Seminar besteht aus drei zum Beispiel für Sendeanstalten oder Produk- Teilen: Ich eröffne mit Zahlen und Fakten. Julia tionsfirmen ist nicht unüblich ...Was immer das Schlingmann schildert die Berufssituation erst heißen soll – der Begriff fällt leider immer noch zu allgemein und geht dann auf die Besonderheiten oft, und verrät eine unbewußte Einstellung. Es für Frauen ein, etwa die Vereinbarkeit von Fami- wird zwar viel über Quoten gesprochen, aber lie und Beruf. Und Ulla Barthold steuert auch wenn es um die Besetzung der Bildgestaltung ihre eigenen Erfahrungen aus den 1980er Jahren geht, sind Kamerafrauen oft nicht auf dem Radar. bei (damals gab es schon den Verband der Film- Immer noch? arbeiterinnen) und spannt den Bogen zur Jetzt- Julia Schlingmann: Es hat sich nicht so viel ver- zeit. ändert seit den 1980er-Jahren, das sehen wir in Ulla Barthold: Spätestens an diesem Punkt wur- unserem unmittelbaren Umfeld. In Baden-Würt- de in der anschließenden Diskussion mit jungen
427 | 19. Juli 2018 Kamerafrauen | 4 »Im Wesentlichen hat sich nicht sehr viel geändert.« Ursula Barthold arbeitet seit den 1980er-Jahren als Bildgestalterin von Dokumentar-, Experimentalfi lmen und Videokunst. Seit 30 Jahren gibt sie ihr Wissen als Dozentin an Hochschulen weiter und ist Honorarprofessorin am Institut für Musik und Medien der Robert- Schumann-Hochschule Düsseldorf. Fotos: Ursula Barthold [2] | Caroline Rosenau
427 | 19. Juli 2018 Kamerafrauen | 5 Kamerafrauen klar, dass sich im wesentlichen sich schon allein wegen der körperlichen Unter- nicht sehr viel geändert hat. schiede doch eher für einen Mann bei der Beset- Julia Schlingmann: Voriges Jahr haben sich Ka- zung des Kamerapostens entscheiden … Er merafrauen aus den deutschsprachigen Ländern meinte es gar nicht böse – die alten Denkstruktu- zu einem großen Netzwerk der Cinematogra- ren dauern weiter. Der Kollege war Mitte/Ende phinnen zusammengeschlossen. Die Initiative 30. Das ist ein sehr plakatives Beispiel, ist aber ei- dazu kam von Birgit Gudjonsdottir. Es sind sofort nes von vielen Vorurteilen um die Frau hinter der sehr viele Kamerafrauen aktiv geworden. Die Kamera. Zeit dafür war wirklich reif. Wir sind ebenfalls da- Julia Schlingmann: Es geht um das Berufsbild bei und unterstützen unsere Anliegen gegensei- selbst, welches extrem männlich konnotiert ist. tig. Die Attribute, die einem Kameramann zuge- Ausschließlich für den Bereich Kamera? schrieben werden, sind in der stereotypischen Ulla Barthold: Das ist unser Erfahrungsbereich. Wahrnehmung sehr viel positiver besetzt als die Aber wir wollen im Prinzip Frauen in allen Ge- der Kamerafrau. Ein guter Kameramann gilt als- werken erreichen und tun das auch. Zusammen verantwortungsvoll, fokussiert, stark und tech- mit unseren Kolleginnen und Kollegen suchen nisch versiert. Diese Attribute werden einer Ka- wir nach Möglichkeiten, die berufliche Situation merafrau sehr viel weniger zugesprochen bis hin von Frauen hinter der Kamera mittel- und lang- zur umgekehrten Wahrnehmung. fristig zu verbessern. Darum soll das auch keine Caroline Rosenau: Es hat schon ziemlich lange einmalige Sache bleiben. Wir entwickeln die ein- gedauert, bis der Begriff »Kamerafrau« ange- zelnen Module weiter – insbesondere auch in nommen wurde. Bei einem Dreh für den ORF Richtung Coaching und Verhandlungstraining. wurde ich zum Beispiel den ganzen Dreh durch Auf der nächsten Setup Media im Dezember »Kameramännin« genannt. Andere haben erlebt, wird unsere Kollegin Julia Schlingmann als DoP dass der Regisseur seine Anweisungen lieber an zusammen mit ihrer Kollegin Selena Dolderer als ihren männlichen Assistenten gibt … Master of Science in Arbeits- und Organisations- Ulla Barthold: Und nehmen wir die Zeitschrift psychologie erstmals ein Anti-Bias-Seminar hal- Film & TV Kamera: Der »Kameramann« im Titel ten. ist erst seit der Dezemberausgabe 2017 vom Ti- Darin geht es um die unbewußten Vorurteile? telblatt verschwunden. Julia Schlingmann: Ganz recht. Und eben dar- Noch ein Vorurteil: Film ist Krieg, Frauen liegt um, diese bewusst zu machen. die harte Nummer nicht so. Also dass Frauen für den Kameraberuf nicht ge- Caroline Rosenau: Ja, es ist schon ein Hauen und eignet seien, weil doch die Ausrüstung so Stechen da draußen, und wir treten da vielleicht schwer ist? anders auf, aber wir können auch hart verhan- Caroline Rosenau: Zum Beispiel. Erst neulich deln. Ich habe auch mit ziemlich toughen Regis- meinte ein Kollege, bei Einstellungen vom Stativ seurinnen und Redakteurinnen gearbeitet. Und oder Dolly bestehe kein Zweifel, ob man hierfür ich kenne auch weiche männliche Kollegen. eine Kamerafrau einsetzt. Sobald aber Aufnah- Wenn man aber als Frau am Drehort an- men mit einem Gimbalsystem, Steadicam oder kommt, ist mir leider schon die Aussage unterge- gar ein Schulterdreh im Raum stehen, würde er kommen »Da ist ja das Hasi!«. Das war sicherlich
427 | 19. Juli 2018 Kamerafrauen | 6 »Die Frauenquote löst Kontroversen aus. Es gibt auch Kamerafrauen, die sagen, ich möchte nicht durch eine Quote Erfolg haben, sondern durch Qualität. Dennoch muss man anerkennen, dass es keine Chancengleichheit gibt. Die Quote ist eine Möglichkeit, alle Wettstreiter an die gleiche Startlinie zu stellen.« Julia Schlingmann kam 2002 zum Film. Nach dem Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg arbeitet sie seit fünf Jahren als Kamerafrau. Seit diesem Jahr ist sie im Vorstand des Berufsverbands Kinematografi e (BVK). Fotos: Julia Schlingmann
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427 | 19. Juli 2018 Kamerafrauen | 8 nicht böse gemeint, aber so wirklich gut finde ich lichkeit, quasi alle Wettstreiter sofort an die glei- das nicht. Man bekommt da einfach den Ein- che Startlinie zu stellen. Das wäre ein traumhaf- druck, dass man als Kamerafrau oft einfach nicht tes Szenario auch für mich. Etwas, das flächen- für voll genommen wird. deckende Anti-Bias-Trainings erst in vielen Jah- Du musst dich beweisen, das muss jeder, aber ren schaffen würden. als Frau steht man da einfach noch mehr auf Caroline Rosenau: Erst im Juni hat es Belinde dem Prüfstand, als das eh schon der Fall ist. Da- Ruth Stieve in ihrem Blog [Link am Ende des Ar- bei finde ich nicht, dass Frauen besser sein müs- tikels, Red.] vorgezählt: Von bislang 21 Tatorten in sen. diesem Jahr hatten vier eine Regisseurin … Drittes Vorurteil: Frauen machen andere Bilder … immerhin fast die 20 Prozent, die oft als er- als Männer. stes Zwischenziel auf dem weg zur Chancen- Caroline Rosenau: Welche Frau und welchen gleichheit angegeben werden. Mann meinen Sie? Man glaubt gerne, dass Frau- Caroline Rosenau: Aber keiner davon hatte eine en anders drehen als Männer – ich zumindest Frau an der Kamera. Das gilt übrigens auch für könnte einem Film nicht ansehen, ob den eine den Ton, und an den Drehbüchern schrieben Frau fotografiert hat oder ein Mann. Doch das auch nur zu 7 Prozent Frauen. Vorurteil ist da: Frauen machen einfühlsamere Beim Studium von Regie und Drehbuch ist das Bilder, sind also gut für »Frauenthemen«. Man Verhältnis zwischen den Geschlechtern aller- traut ihnen zum Beispiel äußerst selten eine dings auch etwas ausgeglichener. Bei der Bild- Werbung zu – ich kenne nur wenige Kolleginnen gestaltung ist nur ein Viertel der Absolventen in diesem Feld. Und so finden wir etwa beim Ki- weiblich. Bei den unbewegten Bildern, also der nospielfilm nur die paar bekannten Namen, bei Fotografi e, haben Frauen nicht solche Berüh- den Fernsehfilmen aber schon kaum mehr. rungsängste. Obwohl seither ausführlich über Chancen- Caroline Rosenau: Wenn es um Redakteurs- gleichheit in der Branche diskutiert wurde und posten geht, auch nicht. Sobald wir aber zu den sich Sender und Förderer vollmundig für eine sogenannten technischen Berufen kommen, än- Frauenquote stark machen? dert sich das Bild. Zeitgleich zu unserem Semi- Julia Schlingmann: Die Frauenquote löst Kontro- nar auf der Filmschau Baden Württemberg in versen aus. Sie hat mindestens so viele Gegner Stuttgart wurde ein Seminar und Diskussionspa- wie Befürworter. Es bestehen Ängste, dass Kame- nel für Postproduktionsschaffende, also VFXler, ramännern ein Job aberkannt wird und der Quo- Colorgrader und so weiter, in München gehalten te zum Opfer fällt. In dieser Vorstellung wird der – da ist der Frauenanteil bei etwa einem Viertel. Kameramann durch eine x-beliebige Kamera- Ähnlich bei der Montage, wo ich eigentlich ande- frau ersetzt. Zudem kann die künstlerische Frei- res erwartet hätte. An der Filmakademie Baden- heit nicht gewahrt werden. Es gibt auch Kamera- Württemberg etwa ist der Frauenanteil im Ka- frauen, die sagen, ich möchte nicht durch eine merastudium ziemlich dürftig. Das beginnt aber Frauenquote erfolgreich werden, sondern durch schon bei den Bewerbungen, und niemand kann Qualität. All diese Ängste sind nachvollziehbar. wirklich sagen, woran das liegt. Auch wir nicht. Dennoch muss man anerkennen, dass es keine Wir können nur vermuten: Es gibt kaum Vorbil- Chancengleichheit gibt. Die Quote ist eine Mög- der.
427 | 19. Juli 2018 Kamerafrauen | 9 »Der Frauenanteil im Kamera- studium ist noch ziemlich dürftig. Das beginnt schon bei den Bewerbungen, und niemand kann wirklich sagen, woran das liegt. Es gibt vermutlich noch zu wenige Vorbilder.« Caroline Rosenau studierte an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Sie arbeitet als Kamerafrau und Editorin mit ihrer eigenen Liquid Filmproduktion und unterrichtet an mehreren Hochschulen.
427 | 19. Juli 2018 Kamerafrauen | 10 In diesem Jahr war mit Rachel Morrison erst- sichtigt werden. Männer stehen genauso vor mals eine Kamerafrau für den »Oscar« nomi- dem Problem der Kinderbetreuung wie ihre Kol- niert. leginnen und könnten ebenfalls von so einer Re- Caroline Rosenau: Das ist gut. Ich hörte aber lei- gelung profitieren. der auch: »Wenn die den »Oscar« bekommt, Würden die Filmförderungen das anerkennen? dann auch nur, weil sie eine Frau ist.« So ähnlich, Julia Schlingmann: Es müsste selbstverständli- wie wir es bei der Sportmoderatorin Claudia cher eingefordert werden. Zurzeit müssen sich Neumann gerade bei der Fußball-Weltmeister- die Kolleginnen größtenteils innerhalb ihrer Fa- schaft erlebt haben. Ich finde es schade, dass sie milien organisieren. das WM-Finale nicht moderieren durfte. Da hat Solche Probleme kennen aber auch Eltern in an- meiner Ansicht nach das ZDF einfach ein fal- deren Berufen. Ist das nicht erstmal Privatsache sches Signal gesetzt. zwischen zwei Partnern? Was ist in Deutschland mit Judith Kaufmann, Da- Ulla Barthold: Die Entscheidung ist nicht mehr niela Knapp, Bella Halben, Jana Marsik, Sophie frei, wenn es ums Geld geht, wer mehr verdient. Maintignieux, Sonja Rom? Sind das keine Vor- Frauen bekommen in der Branche weniger be- bilder? zahlt. Das kann schon mal bis zu 40 Prozent we- Caroline Rosenau: Die große Masse aber macht niger sein. nicht die großen, vielbeachteten Filme. Viele der Julia Schlingmann: Die Filmindustrie bringt pre- Kolleginnen im BVK drehen Dokus und/oder un- käre Arbeitsbedingungen mit sich. Auch extrem terrichten an den Hochschulen. Viele Kamera- lange Arbeitszeiten sind der Normalfall. Leider frauen arbeiten um Nebenerwerbsbereich. Die auch nach der letzten Tarifrunde von Verdi un- Branche ist ja an sich schon schwierig. verändert schlecht und obendrein noch legali- Julia Schlingmann: Die Barrieren betreffen alle siert. Eine normale Kinderbetreuung deckt bei Filmschaffenden, wirken sich jedoch durch die weitem nicht die Arbeitszeiten eines Filmschaf- Geschlechterungleichstellung stärker auf die fenden ab. Das sollte nicht nur Privatsache sein. Frauen aus. Frau Rosenau, sie sind Mitglied im Bundesver- Also ist das Arbeitsumfeld gerade für Kamera- band der Fernsehkameraleute (BVFK). Da soll- frauen tatsächlich so »asozial«, wie der BVK be- ten die Drehzeiten doch etwas überschaubarer hauptet? und planbarer sein? Caroline Rosenau: Der Beruf lässt Familie eigent- Caroline Rosenau: Nein. Ein Dreh zum Beispiel lich nicht zu. Es gibt Lösungsansätze, an denen für das Format Panorama, aber auch für andere auch wir arbeiten – zum Beispiel eine Kinderbe- TV-Dokumentationen und -Reportagen, kann treuung, die je nach Bedarf am Drehort oder auch schon mal 14 Stunden dauern. Für meine auch am Set stattfinden kann. Eine Kollegin mit Generation waren Arbeitszeiten/Vereinbarkeit Kindern wurde für das Kleine Fernsehspiel des von Familie und Beruf gar kein Thema. Da hieß ZDF angefragt, und sie hatte das Glück, dass es, wenn du Karriere machen willst, dann kannst auch andere Kinder hatten. du halt keine Kinder haben. Julia Schlingmann: Aber so etwas müsste gene- Es spielte also keine Rolle, wie sich Beruf und rell in den Förderanträgen als Standardposten Privatleben vereinbaren lassen? mit aufgenommen, in einer Kalkulation berück-
427 | 19. Juli 2018 Kamerafrauen | 11 Das Berufsbild selbst sei immer noch »extrem männlich konnotiert«, meint Julia Schlingmann, und da könnte sie recht haben. Vor vier Jahren erst warb die spanische Filmschule EFTI mit einem Image-Spot so modern wie archaisch für den Beruf, dass er auch als Jeans-Reklame durchgehen würde (oben). Die geballte urbane Hipsterness provozierte denn auch sogleich eine Parodie, die noch sehenswerter ist als das Original (siehe unten rechts). Die Kamerafrauen wollen mit ihren Vorträgen auch auf die unbewussten Klischees und Vorurteile aufmerksam machen. Being a Cinematographer: https://bit.ly/2LiIQ0l Die Parodie: https://bit.ly/2uEWd0g Fotos: Screenshot | Tim Krämer
427 | 19. Juli 2018 Caroline Rosenau: Ich wollte Filme machen. Na- türlich dachte ich da erst an Regie, aber nach ei- nem Praktikum war mir klar: Ich will Kamerafrau werden! Und ebenso natürlich kam gleich die Frage: Bist du dir sicher? Das ist eine Männerdo- mäne! Aber ich wollte Bilder machen, Geschich- ten in Bildern erzählen und mit Licht arbeiten. Das Berufsbild der Regisseurin war damals bei mir recht schnell verflogen. Ende der 90er war das ein noch größeres Wag- nis als heute. Caroline Rosenau: Schon im Studium Anfang 2000 war es schwierig, an Jobs zu kommen – trotz Praktika bei Arri und im Kopierwerk des SWR. Ich wurde zwar angefragt, aber meistens bekamen die Jobs andere. Woran lag das? Caroline Rosenau: Es hat, vermute ich mal, mit dem Selbstbewusstsein und Auftreten zu tun. Frauen sind da wohl meist zu vorsichtig und zu bescheiden. Wir können den jeweiligen Job auch, zögern aber erstmal, und das wird oft als Schwäche ausgelegt. Inzwischen versuche ich, das in Verhandlungen umzudrehen und zu zei- gen, dass die vermeintliche Schwäche eigentlich eine Stärke ist. Ein Mann hat also den Vorteil, dass er gleich »Hier!« ruft, während Frau noch überlegt? Caroline Rosenau: Tendenziell. Vor allem aber finden sich Männer schon während des Studi- ums und bilden Seilschaften, die oft durchs gan- ze Berufsleben halten. Dabei gelten doch gerade Kooperation und Un- terstützung als typisch weibliche Stärke. Warum schaffen Frauen das nicht auch? Caroline Rosenau: Weil wir noch zu wenige sind. Wir brauchen mehr Vorbilder. Als ich Anfang 2000 in Karlsruhe studierte, war ich die einzige Frau im technisch- gestalterischen Bereich/ Ka- mera. Auch als Dozentin im Bereich Produk-
427 | 19. Juli 2018 Kamerafrauen | 13 Das Equipment ist zu schwer für eine Frau? Sieht nicht so aus … Der Berufsverband Kinematografi e ist da schon weiter als manch andere in der Branche. Der DoP Jost Vacano (oben links) jedenfalls wirkte 2015 kein bisschen überrascht, dass seine Kollegin ein Stabilisierungssystem samt Kamera stemmen konnte. Und dass das auch von einer weiblichen Schulter geht, zeigt Julia Schlingmann (links). Trotzdem sehen sich Kamerafrauen immer wieder überkommenen Vorurteilen gegenüber. Von den 20 einspiel- stärksten Kinospielfi lmen des vorigen Jahres hatte nur einer eine Kamerafrau: Hanni & Nanni – Mehr als beste Freunde. Mal ganz abgesehen davon, dass Männer beim Film fast 50 Prozent mehr verdienen als Frauen, wie gerade wieder mal eine Studie für Berlin und Brandenburg festgestellt hat. Fotos: Jens Best, CC BY-SA 4.0 | Julia Schlingmann
427 | 19. Juli 2018 Kamerafrauen | 14 tion/Postproduktion werde ich meist als einzige Ulla Barthold: Zuerst mit unserem Seminar auf Frau vorgestellt, bis heute noch. Anfangs fand der Setup Media, dieses Jahr das Anti-Bias Trai- ich das noch toll, so als Exotin. Inzwischen nervt ning mit Julia Schlingmann und Selena Dolderer. es mich. Branchentreffs und Festivals streben wir an, um Julia Schlingmann: Das ist aber kein reines Män- mehr Aufmerksamkeit für die Problematik zu be- ner-Frauen-Ding. Frauen diskriminieren sich kommen. Wir sprechen zurzeit auch mit den auch gegenseitig. »Jetzt haben wir für das Projekt Filmhochschulen. Wir wollen natürlich an die schon eine Regisseurin, da können wir nicht Ausbildungsstätten, um auf die Probleme auf- auch noch eine Kamerafrau dazunehmen«, hö- merksam zu machen. Dafür müssen wir beim ren wir oft genug auch von Redakteurinnen. Nachwuchs anfangen. Wenn zwei Männer in diesen Positionen zusam- Womit wir wieder bei den Seilschaften wären – menarbeiten, geht das. Bei einem Mann und ei- oder dem »Bandenbilden«, das die Filmemache- ner Frau, zum Beispiel Regisseur/Kamerafrau, rin Jutta Brückner ihren Kolleginnen empfi ehlt. besteht die Gefahr, dass uns etwas angedichtet Wie sind sie selber vernetzt? werden könnte. Caroline Rosenau: Ulla Barthold ist Verdi-Mit- Der BVK scheint diesen Problemen gegenüber glied, Julia Schlingmann im Vorstand des BVK doch aufgeschlossen? und Mitglied im Filmverband Südwest. Ich selbst Julia Schlingmann: Der BVK hat eine klare Hal- beim BVFK. Wir sind Ansprechpartner des Ka- tung und bestärkt zum Beispiel die 2017 entstan- merafrauennetzwerks in BW und bahnen den dene Vereinigung der Cinematographinnen. Zu- Kontakt mit Pro Quote Film und mit dem Frau- dem gibt es neuerdings Beauftragte aus dem Vor- enfilmfest in Köln/Dortmund an. Ab August wer- stand, zu denen ich selber gehöre, die sich den wir mit unseren Erweiterungen so weit sein, Mitgliedern beratend zur Seite stellen, die stark dass wir voranpreschen können. unter Sexismus, also Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, leiden. Die Aufgabe beinhaltet www.frauenhinterderkamera.de auch die grundsätzliche Thematisierung der Ge- schlechtergleichstellung. Die Wichtigkeit des Belinde Ruth Stieves Tatort-Berechnungen fi nden Sie hier: Themas nimmt zu. Das zeigte auch die Bereit- https://bit.ly/2uIs0gX schaft der BVK-Mitglieder, einen paritätischeren Vorstand zu wählen. Caroline Rosenau: Doch darum allein geht es uns nicht, sondern um das viel tiefere und wei- terreichende Problem der Strukturen. Da ist man noch nicht richtig durchgedrungen. Das ist kein böser Wille: Wenn wir etwa anführen, dass die meisten Kamerafrauen die schlechter finanzier- ten Dokumentarfilme oder Low-Budget-Spielfil- me drehen, merken wir: Das ist den Kollegen bis- her schlicht nicht aufgefallen! Wie wollen Sie das ins Bewusstsein bringen?
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427 | 19. Juli 2018 Hans Weingartner | 16 Politisch wie die Liebe Jan glaubt nur an das Schlechte im Menschen, Jule an das Gegenteil. Da haben sie einiges zu bereden auf ihrer Fahrt in den Süden. Hans Weingartner zelebriert in 303 die langsame Annäherung zweier Seelen. Hans Weingartner freut sich, wenn er neue Wörter erfi nden kann. Auch wenn ihm dann nur sowas wie »Vereinzelungsstrategie« einfällt. Foto: Kahuuna Films
427 | 19. Juli 2018 Hans Weingartner | 17 Herr Weingartner, was war Ihre Ausgangsidee für schine sitzen. Der Bus ist quasi eine Raumkapsel 303? und eine Zeitmaschine, mit der sie durch das Jahr Ich wollte den Film schon immer machen, weil 2018 fahren. ich gedankliche Auseinandersetzungen und Welche Themen stehen für Sie in 303 im Mittel- Theorien über alles liebe. Wie funktioniert die punkt? Welt? Die Neugier war immer schon meine trei- Es geht um Liebe und Beziehung, und warum wir bende Kraft. Ich war Wissenschaftler, bevor ich nach 300 Jahre alten Beziehungsmodellen leben. Filmemacher geworden bin, und 303 ist für mich Ich meine, 90 Prozent des Unglücks dieser Erde der ideale Weg, beides miteinander zu kombinie- gehen auf gebrochene Herzen zurück. Das ist die ren. Inspiriert hat mich natürlich Before Sunrise Wurzel allen Übels. Zudem geht es um das Sy- von Richard Linklater. Bei den Dreharbeiten in stem, und wie es sich mit der Natur des Menschen Wien habe ich damals als kleiner Produktionsas- verträgt. Sind wir kooperative, soziale Wesen? sistent mitgearbeitet. Da bekam ich auch das Ori- Oder bekämpfen wir uns lieber alle gegenseitig, ginaldrehbuch in die Hände, das mich komplett sind also kompetitiv? Das ist die alles entschei- fasziniert hat. Und Slacker von Linklater war da- dende Frage, von der das Überleben dieses Plane- mals mein Lieblingsfilm. Darin laufen Leute ten jetzt abhängt. Diese eine Frage entscheidet al- durch Austin, Texas, und geben Theorien und les! Sind wir Cro-Magnon-Menschen oder Nean- skurrile Fakten von sich. Ich hab mir den Film dertaler? achtmal im Kino angesehen. Neue Assoziationen Ist 303 auch ein politischer Film? und Zusammenhänge interessieren mich einfach Es gibt nichts, was politischer ist als die Liebe, und brennend. Außerdem wurde ich ja in Wien sozia- nichts Radikaleres, als sich hundertprozentig auf lisiert, der Stadt der Philosophie – da wird in der einen anderen Menschen einzulassen. Aber wenn jeder WG-Küche sowie im Kaffeehaus stunden- ich ehrlich bin, ging es mir ja nicht darum, einen lang mit Hingabe diskutiert. Liebesfilm zu machen. Das, was Jan und Jule re- In Berlin und anderswo auch! den, das wollte ich verbreiten, und das ist natür- Nein, nein, nein! Als ich nach Deutschland kam, lich hochpolitisch. Was man nebenher macht, ge- habe ich sofort gemerkt, dass hier ein anderes Kli- lingt ja immer besser, weil es aus der Absichtslo- ma herrscht. Hier wird gemacht. Das ist das Land sigkeit entsteht, daher nicht-intentional – ich der Praxis. Die Leute hier haben alle Projekte. Die wollte keinen Liebesfilm machen, vielleicht ist es ziehen sie durch. Selbst unter Hausbesetzern war deswegen ein ganz guter geworden. Kunst muss das so. In Wien jedoch, meinem Wien jedenfalls, passieren, dieser Ansatz aus den 70ern stimmt wurde nächtelang im Kaffeehaus gesessen und wahrscheinlich immer noch. philosophiert und dann gescheitert. Die Lust am Deshalb haben Sie die beiden in einem Bus »on Untergang. Verstehst du? Wenn du auf dem Zen- the road« geschickt? tralfriedhof liegst, dann bist du ganz oben. In Die erste Idee zu diesem Film hatte ich bei den Deutschland hingegen musst du Erfolg haben. Dreharbeiten zu Das weiße Rauschen. Am Ende Da passen Jule und Jan aber nicht ins Schema. fährt die Hauptfigur Lukas, gespielt von Daniel Völlig richtig. Die sind old school. Das würde ja Brühl, mit einer Gruppe von Hippies in alten Bus- auch zu dem Wohnmobil passen, diesem Bus aus sen nach Spanien. Bei den Dreharbeiten bin ich dem Jahr 1980, in dem sie wie in einer Zeitma- selber nachts bei einer Hippie-Rasta-Frau mitge-
427 | 19. Juli 2018 Hans Weingartner | 18 »Im Bus meint Jule zu Jan, der Bus basiere auf einem Mercedes-303-Transporter. Der heißt in Wahrheit 308, aber ich fand, 303 klingt besser. In meiner Hausbesetzerzeit sind wir mal alle zusammen mit einem 303-Reisebus (den gibt es wirklich) nach St. Petersburg zu einer Techno-Party gefahren. Vielleicht deswe- gen der Titel, eine Reminiszenz an diese schöne und freie Zeit. Man soll das Gefühl haben, selbst mit den beiden auf die Reise zu gehen, im Bus mitfahren. Deshalb nimmt die Kamera nur Positionen ein, die auch ein natürlicher Beobachter einnehmen könnte.« (Regiekommentar von Hans Weingartner). »Ich fuhr diese gesamte Strecke zur Vorbereitung und Recher- che zwei Jahre vor dem Dreh selbst mit dem gleichen Bus ab. Der Bus gehört mir privat und ich gehe damit auch selbst manchmal auf die Reise.« (Regiekommentar von Hans Weingartner). Fotos: Alamode
427 | 19. Juli 2018 Hans Weingartner | 19 Impressum fahren. Wir haben uns stundenlang unterhalten. cinearte – Nachrichten für Filmschaffende wird herausgegeben Das war eines der besten Gespräche meines Le- von Peter Hartig, Oliver Zenglein und Vincent Lutz und erscheint bens. Ich habe mich gefragt, warum das so ist und jeden zweiten Donnerstag mit 26 Ausgaben im Jahr. bin darauf gekommen, dass das mit auch daran liegt, dass man sich in so einem alten Wohnmobil Redaktion: Peter Hartig (V.i.S.d.P.), Telefon 089-2024 4032, außerhalb von Raum und Zeit bewegt. Vor allem, p.hartig@crew-united.com. Ständige Mitarbeiter: Karolina Wrobel, wenn man nachts fährt, kann man irrsinnig gut Elisabeth Nagy, Christoph Brandl. über Gott und die Welt reden. Du siehst die Welt Anzeigen: Andrea Düren, Telefon: 089-2024 4030, nicht mehr, sie ist verschwunden, und gleichzeitig a.dueren@crew-united.com fährst du in einer Gruppe, fühlst dich aufgehoben Vertrieb und Abonnements: Crew United, Lutz und Zenglein und sicher. GbR, Fraunhoferstr. 6, 80469 München, Telefon Die Dialoge wirken spontan, fast improvisiert. 089-2024 4030. An diesen Dialogen schrieb ich seit 1997, fast wie eine Art Tagebuch. Ich habe eine etwa 300-seitige Redaktionsschluß ist Dienstagmittag vor Erscheinen. Für unver- Dialogsammlung auf meinem Computer. Theo- langt eingesandte Manuskripte und Fotos übernehmen wir keine rien, die ich über Jahrzehnte aufgeschnappt habe, Haftung. Namentlich gekennzeichnete Artikel entsprechen nicht in Dialogform. Dann musste ich die Passagen unbedingt der Meinung der Redaktion. Nachdruck, auch auswählen, und zusammen mit meiner Koautorin auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Gerichts- Silke Eggert schauen, wie man einen themati- stand ist München. schen Bogen hinbekommt. Dann habe ich noch einmal recherchiert und viele Videointerviews ge- Es gilt die Anzeigenpreisliste 13 vom Januar 2015. Anzeigen- macht mit jungen Leuten, um das ein bisschen schluß: Mittwochmittag. inhaltlich upzudaten. Letztlich ist die letzte und wichtigste Stufe Der Preis für das Jahresabonnement beträgt 39 Euro und dann, mit den Schauspielern zu proben. Sie müs- berechtigt zur Nutzung des Online-Archivs. Eine Kündigung des sen diese Dialoge inhalieren, verinnerlichen. So Abonnements muß spätestens einen Monat vor Ablauf des eine intensive und lange Probezeit ist natürlich Bezugsjahres erfolgen. Keine Haftung bei Störung durch höhere ein Luxus, den ich aber von vornherein einge- Gewalt. Premium Member von Crew United erhalten cinearte im plant habe. Im Endeffekt wirken die Dialoge im- Rahmen ihrer Mitgliedschaft. provisiert (was mich sehr freut), aber es ist jedes Wort geschrieben und genau so geprobt. An den Dialogen ist rein gar nichts zufällig. Das geht nicht anders, solche Texte kann man nicht improvisie- ren. Das wird zu lang und ufert aus und ist zu sprunghaft. Member of Partner of Welche Phase ist für Sie die kreativste? Es ist ein toller Glücksmoment, wenn du beim Dreh einen Take hast, der magisch ist. Wenn du das oder mehr als das bekommst, was du dir beim Schreiben ausgedacht hast. Diesen Schöpfungs-
427 | 19. Juli 2018 Hans Weingartner | 20 »Wir haben mit einer extrem kleinen Crew von nur acht Leuten (einmal Ton, dreimal Kameracrew, ein Aufnahmeleiter, ein Regisseur, Regieassistentin, Köchin) gedreht, die auch alle selber im Zelt oder im Wohnmobil schliefen. Wie bei einem Dokumentarfilm.« (Regiekommentar von Hans Weingartner). »Zwischendurch wollte ich sogar auf Englisch umsteigen, weil ich die Schauspieler hier nicht fand. Aber die deutsche Sprache eignet sich einfach tausendmal besser zum Philosophieren. Sie ist viel präziser und eleganter. Du kannst fast jedes Wort mit einem anderen zu einem neuen Wort kombinieren. Dadurch hast Du nicht nur einen Wortschatz von 50.000, wie im Englischen, sondern von potenziell einer Milli- arde Worten. Das hab ich bei der Übersetzung gemerkt: Englisch ist viel umständlicher. Zum Beispiel »Vereinzelungsstrategie«. Wie übersetzt man das? »Isolation Strategy of Capitalism«. Schrecklich! Steht das Wort im Duden? Nein. Ich hab’s einfach erfunden! Ich liebe das. Einfach mal so ein neues Wort erfin- den. Herrlich! Oder nimm mal Liebeskummer. Weltschmerz. Fernweh. Gibt es alles nicht im Englischen! Deshalb hab ich das aufgegeben, obwohl ich dafür sogar Star-Schauspieler bekommen hätte (zum Bei- spiel Emile Hirsch).« (Regiekommentar von Hans Weingartner). Fotos: Alamode
427 | 19. Juli 2018 Hans Weingartner | 21 »Das Dogma, ein Film darf nur in Bildern erzählen, kriegt man jahrelang in der Filmschule eingeprü- gelt sowie in jedem Drehbuchworkshop. Das breche ich bewusst. Diese Vorschriften sind mir zuwider. Godard sagte: Ein Film ist alles, was in 24 Bildern pro Sekunde über die Leinwand läuft. Basta!« (Regie- kommentar von Hans Weingartner). »Es war extrem schwer diesen Film zu finanzieren. »Die reden zuviel.« Außer BKM und Medienboard (revolvierende Mittel) lehnten alle Filmförderungen ab. Die beteiligten TV-Sender stiegen beim ersten Versuch 2013 kurz vor Drehbeginn aus, der deshalb abgeblasen werden musste. Danach hatte ich keine Lust mehr auf einen öffentlich-rechtlichen Sender. Letztlich wurde mit sehr viel privatem Risiko gedreht. Das Budget war extrem gering. Es stimmt mich traurig, dass ich nach all den Jahren immer noch so um meine Budgets kämpfen muss. Ich versuche halt immer etwas Neues zu machen und damit hat man bei uns in Deutschland Probleme. Meine Stoffe sind nicht gremientauglich. Die langen Pausen zwischen meinen Filmen kommen dadurch, dass ich so lange brauche, meine Projekte zu finanzieren.« (Regie- kommentar von Hans Weingartner). Fotos: Alamode
427 | 19. Juli 2018 Hans Weingartner | 22 akt, den vollenden die Schauspieler. Wo vorher bringen. Im Taxi haben sie dann improvisiert zum nichts war, ist plötzlich eine lebendige Figur. Es ist Thema Monogamie versus Polygamie und sind wie in der Quantenphysik: Wo eben noch leerer gleich total abgegangen. Da war mir schon klar, Raum war, ist plötzlich Energie, ein Teilchen. Der dass es mit den beiden funktionieren könnte. Tanz der Wu-Lin-Meister. Das ist Kreativität für 303 ist auch ein Film, der Europa feiert. mich. Eher zufällig, aber ja, tut er schon. Jan und Jule Worin sehen Sie Ihre Aufgabe als Regisseur? klatschen sich ja auch an jeder Grenze ab. Sie Erstens muss ich einen offenen Gestaltungsraum müssen nie durch eine Grenzkontrolle. Diese anbieten. Und dann muss ich den Schauspielern dichte Vielfalt an Landschaften, Sprachen und wie ein Zuschauer sagen können, was ich spüre. Kulturen, die man in Europa grenzenlos bereisen Das ist unglaublich schwer, weil man in diesem kann, das ist einzigartig. Bei all dem Jammern und Moment ganz offen sein und wirklich nur den Klagen über die Kinderkrankheiten vergisst man Film sehen muss. Man darf nicht daran denken, das immer. ob gleich das Licht weggeht, was mit dem Ton ist Ich liebe die Idee, die hinter Europa steht. Die und all die anderen tausend Sachen. Auch den Freiheit, das Miteinander. Ein Vorbild für die gan- ganzen Film vor und nach der Szene im Gefühl zu ze Welt, dass so verschiedene Sprachen und Kul- haben, und zu wissen, was die Szene für eine turen sich friedlich vereinen können, ein Modell Stimmung braucht, auch wenn es gar nicht zur ei- für die Zukunft des Planeten. Denn: Das klingt genen Stimmung in dem Moment passt – auch vielleicht kitschig, aber stell dir mal vor, was für das ist immer eine Herausforderung. Dieses stän- eine wunderbare Welt das wäre, wenn es über- dige Sich-Hinein-Versetzen: das kostet Kraft und haupt gar keine Grenzen mehr gäbe, nirgendwo. braucht viel Übung. Ich denke seit 20 Jahren fast ununterbrochen dar- Wie sind Sie auf Mala und Anton gekommen? über nach, wie man die Welt retten könnte. Wir Ich habe zwei Darsteller gesucht, die diese Dialo- haben Plastik im Ozean, Erderwärmung, Atom- ge so rüberbringen, dass sie natürlich klingen. waffen, und du kommst eigentlich immer wieder Und klar, ich wollte auch Menschen mit Charis- an den Punkt: Die Menschheit muss diese Proble- ma, die ich interessant und sympathisch finde. me kooperativ lösen. Es gibt keinen anderen Weg! Zwei Jahre lang suchten wir. Mitten drin habe ich Wir brauchen eine Weltregierung, oder wenig- mehrmals aufgegeben. Plötzlich ging es ganz stens eine enge weltweite Zusammenarbeit über schnell: Der Regisseur Sven Bohse hat mich auf alle Grenzen hinweg, oder wir sind in 50 Jahren Mala Emde hingewiesen. Ich habe ihr Demoband tot. Wettbewerbsfähig – wenn ich das schon höre, gesehen und wusste sofort, dass sie die Richtige Mann! Wettbewerb darum, wer den Karren sein könnte. Diese Kombination aus Verletzlich- schneller in den Dreck fährt, oder was? Wir wer- keit und Sensibilität, aber auch Durchsetzungs- den gemeinsam überleben oder jeder für sich ins kraft und Stärke. Auf Anton bin ich in einer Schau- Gras beißen. Daran hat sich in 30.000 Jahren spieler-Datenbank gestoßen. Wir haben uns in ei- nichts geändert. Steht alles in der Höhle von Alta- nem Café getroffen, zwei Stunden über Politik mira an der Wand. gesprochen, und dann habe ich ihm vorgeschla- gen, dass wir Mala, die an diesem Tag in den Ur- laub fahren wollte, gemeinsam zum Flughafen Hans Weingartners Roadtrip 303 startet heute im Kino.
427 | 19. Juli 2018 Hans Weingartner | 23 »Die schönsten Erinnerungen an meine Studentenzeit sind die nächtelangen Diskussionen in der WG- Küche über Gott und die Welt. Man möchte meinen, das gäbe es nicht mehr, weil die Studenten alle so gestresst sind. Aber das stimmt nicht. Vereinzelt gibt es sie noch.« (Regiekommentar von Hans Weingart- ner). »Mein erster Versuch, den Film zu drehen, war 2003. Doch ich war noch nicht soweit. Meine Fähigkeiten reichten nicht aus. Diese Art Dialoge … dass die na- türlich klingen … das ist extrem schwierig. Das wird uns so schnell keiner nachmachen. Ich weiß, das klingt arrogant. Aber ich bin mir hundertprozentig sicher, dass es so ist. Ich bin ex- trem kritisch meinen eigenen Filmen und meiner Arbeit ge- genüber. Selbstkritik ist mein täglich Brot, schon morgens vor dem Kaffee. Aber auf diese Dia- loge bin ich sehr, sehr stolz.« (Regiekommentar von Hans Weingartner). Fotos: Alamode
26.– 29. SEPTEMBER 2018 N EU E T H E MEN, & 8.– 11. MAI 2019 | KÖLN N EU E R T U RNUS, N EU E R T E RMIN! CREATE! DISCOVER! CONNECT! CREATE NEW IDEAS CONNECT FOR SUCCESS Lassen Sie sich von zukunftsweisenden Neuheiten, spannenden Tauschen Sie sich mit anderen Profis, Newcomern und Top- Events und mitreißenden Keynotes inspirieren. Unternehmen aus. DISCOVER LATEST TRENDS Entdecken Sie neueste Trends und die neuen Themen Video & Cine, JETZT TICKETS SICHERN UND BIS ZU 37 % SPAREN: Mobile, digitaler Workflow und das photokina Imaging Lab. WWW.PHOTOKINA.DE/TICKETS WWW.PHOTOKINA.DE #PHOTOKINA #IMAGINGUNLIMITED
427 | 19. Juli 2018 Wochenschau | 25 Zukunftskino Foto: Samsung
427 | 19. Juli 2018 Wochenschau | 26 Manchen Dingen wohnt ein Zauber inne, der so- hell es im Saal selbst ist. Für kleinere Säle gibt es gar länger anhält als die Dinge selbst. Das Kino Modelle ab fünf Metern Breite. lebt davon – nicht nur in seinen Geschichten, Vor einem Jahr hatte Samsung das erste Mo- sondern auch in der Technik, die zum Mythos dell auf der Cinema Con in Las Vegas präsentiert, gehört. Vom »Zelluloid« ist immer noch und oft inzwischen hat man einen griffigen Namen für die Rede, obwohl schon seit bald 70 Jahren schon die Technik gefunden, die auch 3D-tauglich ist: kein Rohfilm mehr aus dem gefährlichen Materi- Onyx. Denn auf die punktgenaue Darstellung al hergestellt wird. Und »Film« heißen die beweg- echter Schwarztöne ohne Reflektionen ist man ten Bilderzählungen immer noch, obwohl die besonders stolz. Der »hohe Kontrastumfang und schmalen Kunststoffstreifen weitestgehend spezielle Graustufeneinstellungen« machen es durch elektronische Signale von Scheibe oder möglich. Platte verdrängt wurden. Soviel vorab als Trost für alle, die gleich um die Zukunft des Kinos ban- Die Großversion ist laut Hersteller der erste Ki- gen. nobildschirm mit DCI-Zertifizierung. Kinos, die Eben die wurde nämlich Anfang des Monats auf ihn umgerüstet werden, sollen unter dem in Esslingen vorgestellt. Im Kino »Traumpalast« Markennamen »Samsung Onyx Theater« betrie- wurde der erste Kinosaal mit Samsungs neuer ben werden. Cinema LED-Screen in der EU eröffnet – der un- Zwei kleine Zusatzboni: Der Screen ermögli- vermeidliche letzte Schritt in der Digitalisierung che den Bau von steileren Sitzrängen, zudem des Kinos. In Süd-Korea und Thailand erstrahl- braucht es keinen Projektorraum mehr. Das ten die Großbildschirme schon im vorigen Jahr, schaffe Platz für zusätzliche Kinositze, verspricht die Schweiz erlebte die Revolution Ende März in Samsung. Außerdem ließen sich die Kinosäle Zürich, die USA im April. nun auch ohne Umstände für andere Veranstal- Wer braucht beim heutigen Stand der Technik tungen wie Vorträge oder Gaming-Events nut- noch Leinwand und Projektor, mag sich der Her- zen. steller aus Süd-Korea gedacht haben, und stellte Ganz billig ist die Technik freilich noch nicht. gleich einen riesigen Fernseher in den Kinosaal. Zwei Euro mehr kostet der Eintritt in den LED- 96 Kacheln sind fugenlos aneinandergesetzt und Saal des »Traumpalasts«. können bei Bedarf ausgetauscht werden. Zusam- men ergeben sie eine Bildschirmfläche von 10,3 mal 5,4 Metern. 26 Millionen Leuchtdioden in Rot, Blau und Grün erzeugen knapp neun Millionen Bildpunk- te, die eine 4K-Auflösung ergeben und zehnmal stärker leuchten sollen als die meisten her- kömmlichen Kinoprojektoren, deren Bild auf dem Weg durch den Saal bis zur Leinwand an Kraft verliert. Leuchtende Farben, tiefste Schwärzen und knackige Schärfen sollen unge- ahnte Seherlebnisse schaffen – ganz egal, wie
427 | 19. Juli 2018 Wochenschau | 27 ARD nimmt Dokumentarfilmer auf den Arm Erst neulich hatte sich Volker Herres wieder für Dokumentationen stark gemacht. »Wir waren und sind überzeugt, dass diese Filme auf einen Primetime-Platz gehören, abseits aller Quotenerwartun- gen«, sagte der ARD-Programmdirektor Anfang Juni dem Hamburger Abendblatt. Damit meinte er die Reihe von »aktuellen und relevanten Dokumentationen«, die im Frühjahr montags um 20.15 Uhr un- ter dem Titel Was Deutschland bewegt gezeigt wurden. Was den großen, eigenständigen Dokumentarfilm angeht, sieht es weniger gut aus. Zum Kongress beim Dokfest München hatte der Medienforscher Jörg Langer mal selber ins Programm geschaut: In einer Woche im Januar hatte Das Erste 22 Stunden Sport ausgestrahlt, 21,5 Stunden Soaps, 14 Stunden Krimi – aber nur 7 Stunden Dokumentationen. Dokumentarfilme waren nicht darunter (cinearte 422). Dabei gibt sich die ARD alle Mühe, jetzt gar zum siebten Mal: Bis zum 31. August sind TV-Produ- zenten mit Sitz in Deutschland aufgerufen, »ihre exklusiven Konzepte und Ideen« einzureichen – »ge- sucht wird ein kreatives und innovatives dokumentarisches TV-Highlight für einen Sendeplatz im Er- sten« mit 70 bis 90 Minuten Länge. Erwartet werden »ein klarer Bezug zu Deutschland« und zugleich »internationale Relevanz«, »tiefgründige Recherche, exklusive Zugänge und eine außergewöhnliche, neuartige und kreative Handschrift.« Was geeignet ist für diese »Top of the Docs«, entscheidet eine Jury aus Redakteuren der ARD-Sender unter der Leitung von Chefredakteur Rainald Becker. Das Ge- Foto: Screenshot
427 | 19. Juli 2018 Wochenschau | 28 winner-Projekt soll von ihnen mit bis zu 250.000 chen Fernsehen kein Platz ist. Den Jurys gehör- Euro finanziert werden. Mit einer Einschrän- ten übrigens auch zwei der sechs ARD-Wettbe- kung: »Vorschläge, die bereits einem oder meh- werbs-Redakteure an. reren ARD-Häusern zur Prüfung vorgelegen ha- Allzu große Hoffnungen sollte sich die Doku- ben, werden von diesem Wettbewerb ausge- mentarfilmszene deshalb nicht machen. In einer schlossen.« Diskussionsrunde des Grimme-Instituts vorigen Dezember in Berlin hatte Becker gesagt, es werde Damit machen die versammelten Redakteure nicht passieren, dass sein Sender demnächst 20 also nichts anderes als ihre tägliche Arbeit, nen- lange Dokumentarfilme pro Jahr zeigen werde nen es aber Wettbewerb: Schaut her, welche Mü- (zum Nachrechnen: das wäre nicht mal ein Film hen das Fernsehen auf sich nimmt, um den Do- alle zwei Wochen). Und: »Der reguläre Platz für kumentarfilm in die Primetime zu bekommen! den 90-minütigen Dokumentarfilm ist um Denn offenbar ist das, was den ARD-Redaktio- 22:45 Uhr.« nen sonst so vorgelegt wird, schlecht gemacht und ohne Relevanz – anders lässt sich die Be- In der Sprache der Sender wird das als »zweite schreibung zum Wettbewerb wohl nicht verste- Primetime« beschönigt, die an gleicher Stelle hen. Das würde dann auch erklären, wieso so auch die damalige ARD-Vorsitzende Karola Wille wenige Dokumentarfilme im Fernsehen laufen: verteidigt hatte: »Wir diskutieren zu viel analog.« Es gibt keine; zumindest keine, die den strengen Struktur und Verlässlichkeit seien wichtig im li- Kriterien der ARD und ihres Wettbewerbs ge- nearen Fernsehen. Für den Dokumentarfilm recht würden. gäbe es ja noch die Mediatheken – längere Abruf- Also zum Beispiel Filme, die »vom Leben im zeiten vorausgesetzt. c Krieg aus den Augen der Kinder« erzählen und »mit außergewöhnlichen Bildern, kraftvollem www.top-of-the-docs.de Sounddesign und präziser Montage […] aus ei- ner individuellen Geschichte eine universelle« entwickeln. Filme, in denen sich »unterschiedli- che Stilelemente am Ende zu einer Arbeit aus ei- nem Guss verbinden«, die auf seltene Weise »poetisch erzählen«, gar »Geschichten aus dem Morgenland ins Abendland« tragen. Vielleicht sogar »der Film, der uns nicht loslässt und mit- unter verstört«, der »großes erzählerisches Talent beweist und einer kühnen visuellen Vision folgt«, »tiefgründig recherchiert« ist und »eine überzeu- gende Feinfühligkeit im Umgang mit dem Schnittmaterial« beweist … Diese Zitate stammen aus den Jurybegrün- dungen zu den Preisträgern des diesjährigen Münchner Dokfests, für die im öffentlich-rechtli-
427 | 19. Juli 2018 Wochenschau | 29 Keine Besserung »Überwiegend enttäuscht« sind die Verbände ten, »aber auch deren Verdichtung, führen zu un- pro Tarif (VPT) vom Verhandlungsergebnis zwi- erträglichen gesundheitlichen Belastungen und schen der Produzentenallianz und der Gewerk- Unfallrisiken. Die Vereinbarung von Filmschaf- schaft Verdi (cinearte 424). Erfreulich sei zwar die fen mit einem Privatleben ist kaum noch mög- breitere Berücksichtigung der Altersvorsorge lich. Auch die Zunahme der Nachtdrehs von durch die Pensionskasse Rundfunk, doch das ist Freitag auf Samstag beraubt Filmschaffende oft- der einzige Lichtpunkt, den die Berufsverbände mals eines arbeitsfreien Wochenendes zur Erho- der Szenen- und Kostümbildner, Kameraleute, lung oder zur Pflege sozialer Kontakte mit Fami- Editoren, Location-Scouts und Regieassistenten lie oder Freunden.« und die IG Licht und Bühne München sehen. »Erhebliche Bedenken« haben die Verbände Zwar wurden weitere Berufsgruppen in den auch bei dem geplanten Zusatztarifvertrag fur Gagentarifvertrag aufgenommen, das stelle aber Hochschul-Abschlussfilme und Debütfilme: Der »nur für wenige eine Verbesserung dar, andere soll ermöglichen, nur die halbe Tarifgage zu zah- Berufsgruppen dagegen haben sich energisch len, wenn das Budget als gering genug ausgewie- gegen diese Aufnahme gewehrt«, schreibt VPT in sen wird (VPT führt dafür 750.000 Euro an), mit- einer Pressemitteilung. Zudem gerate das Ga- unter sogar noch weniger. Die Produzentenalli- gengefüge noch weiter aus dem Gleichgewicht anz hatte diesen Zusatz als Verbesserung und spiegele für einige Berufe nicht mehr die vorgestellt, weil dies endlich ermögliche, diese künstlerische Leistung oder die tatsächliche Ver- Produktionen »aus einem informellen, nicht antwortung wider. Das lasse »Unfrieden in der dem Tarifgeschehen unterworfenen Produkti- Filmproduktion erwarten«. Die vereinbarte Ga- onsprozess herauszulösen und verbindlich zu generhöhung selbst gleiche lediglich die zu er- gestalten.« VPT befürchtet hingegen »starke An- wartende Inflation über die nächsten drei Jahre reize, diese Regelungen für kommerzielle Projek- aus. te zu missbrauchen. Erst bei einem für Debütfil- Die tatsächlichen Probleme der Branche aber me stolzen Budget von 1,3 Millionen Euro müs- seien wieder nicht angegangen worden, schreibt sen demnach tarifliche Mindeststandards VPT: »Dem zunehmenden Raubbau an Körper eingehalten werden.« und Geist wird durch den Tarifabschluß nicht Wenigstens hätten die Tarifparteien die For- entgegengetreten.« Gemeint sind damit in erster derungen aufgegriffen, den Tariftext so zu über- Linie die Arbeitszeiten der Filmschaffenden. Ver- arbeiten, dass er besser zu verstehen ist. Lieder di hatte es nach jahrelangem vergeblichen Rin- sei das erst im Nachgang geplant. gen nun endlich geschafft, diese auf zwölf Stun- den am Tag zu begrenzen. Für die Verbände pro www.verbände-pro-tarif.de Tarif steht das aber nur auf dem »Etikett«. Solan- ge nicht auch die Überstundenzuschläge »deut- lich« erhöht würden, werde sich an den realen Zuständen in der Branche nichts ändern. Die »extremen«, »drastisch gestiegenen« Arbeitszei-
427 | 19. Juli 2018 Fragebogen | 30 Was treibt die nächste Generation? Die Umfrage von HFF München und cinearte auf dem Internationalen Festival der Filmhochschulen München. Justina Marie Jürgensen Regie Hochschule für Fernsehen und Film München So habe ich mich ins Kino verliebt: Als ich ins Theater ging. Mein Traumprojekt in drei Sätzen: Wird noch nicht verraten. Ein Monat, eine einsame Insel und nur ein Video*. Welches? Finsterworld. * Stromanschluß vorhanden Fragebogen und Fotos: Sophie Averkamp, Tim Dünschede, Gudrun Gruber und Ozan Mermer
427 | 19. Juli 2018 Filmemachen | 31 Filmemachen »Im Endeffekt hat der Star deutlich mehr Macht als du. Er hat das letzte Wort. Wenn er irgendwann sagt, ich habe keine Lust mehr auf diesen Regisseur, dann fliegt nicht er raus, sondern du.« Der Regisseur Edward Berger über seine Arbeit an der amerikanisch-britischen Miniserie Patrick Melrose im Interview mit Der Freitag vom 28. Juni 2018. Foto: ZDF, Christian Rieger
427 | 19. Juli 2018 Nachlese | 32 Mediengalerie Unsere Auswahl von Artikeln und Sendungen zum Nachlesen im Netz: Filmemachen: »Das hat Größe« Der Regisseur Edward Berger spricht im Interview über die amerikanische Lust aufs Neue und die Be- häbigkeit deutscher Sender. www.freitag.de/autoren/der-freitag/das-hat-groesse Arbeitsbedingungen: Macht, Gagen und Spielräume im modernen Theater Die Machtfrage stellen Theater in der Regel jeden Abend. Seit drei Jahren wird sie aber auch intern unablässig diskutiert. Ein Interview mit dem Ensemble-Netzwerk. https://bit.ly/2uEWpg5 Nachruf: Mittendrin und außerhalb Mit „Shoah“ ist Claude Lanzmann ein Einschnitt in die Filmgeschichte gelungen. Zum Tod des fran- zösischen Filmemachers. www.taz.de/!5515919/ Nachruft: Das Licht und die Menschen Wie kaum ein anderer hat es Robby Müller in seinen Filmbildern verstanden, den Blick auf Men- schen, und was zwischen ihnen entsteht, in Schwingungen zu versetzen. Zum Tod eines einzigartigen Kameramanns. https://bit.ly/2Lm17GN Produktion: Auf Tauchgang mit schwitzenden Männern Warum es bei Das Boot keine Zusammenarbeit von Sky und ARD gab https://bit.ly/2NWcpTV Video: Vertical Video Syndrome – A PSA Filmemachen mit dem Smartphone ist auch eine Option, die es sogar ins Kino schaffen kann. Auf die Gefahren, die drohen, wenn die Technik falsch gehandhabt wird, wies unsere Lieb- lingspuppenschau schon vor sechs Jahren mit dieser öffentlichen Bekannt- machung hin. https://bit.ly/2upKJ1B Foto: Screenshot
427 | 19. Juli 2018 Nachlese | 33 Scheibenparade Bekanntlich bietet die Blu-ray die bessere Sicht. Das glauben wir gerne und stellen deshalb jede Woche ausgewählte Neuerscheinungen vor. Das Beste daran: Sie können die Scheibe gewinnen. Dazu müssen Sie nur die Frage am Ende richtig beantworten. Die Schule ist doof, die Mitschüler blöd, und die Familie nervt … Barbara (Madison Wolfe) geht in die fünfte Klas- se, und die Pubertät hat schon voll angefangen. Viel lie- ber spielt sie Dungeons & Dragons und hat immer ei- nen Kriegshammer dabei. Denn bald wird auch die richtige Welt von Riesen überrannt, ist sich Barbara sicher. Und sie ist die einzige, die sie aufhalten kann. Der Comicautor Joe Kelly hatte unter anderem drei Jahre lang Deadpool betreut und noch etliche weitere Superhelden, bis er sich vor zehn Jahren eine Coming-of-Age-Geschichte ausdachte. Der Zeichner J. M. Ken Niimura gestaltete die Fantasy im passenden Manga-Stil, was dem Comic den »Gaiman Award« einbrachte. Mit dem Preis werden in Japan alljährlich die besten ausländischen Comics ausgezeichnet. Für die Leinwandadaption verpflichtete man den dänischen Regisseur Anders Walter, der 2013 den »Oscar« für den besten Kurzspielfilm erhalten hatte und hier nun sein Langfilmregiedebüt vorlegte. Reichlich Erfahrung mit bedroh- lichen fremdartigen Wesen hatten nicht nur der Produzent Chris Columbus (Harry Pot- ter und der Stein der Weisen), sondern auch die Darstellerin der Schulpsychologin, die ahnt, dass hinter den Riesen ein viel größeres Problem steckt. Ihr Name? I Kill Giants Coming-of-Age-Fantasy | USA/Großbritannien/Belgien 2017 | Koch Media | 106 Minuten | FSK 12 Schreiben Sie Ihre Antwort an info@cinearte.net und in die Betreffzeile Ihrer E-Mail »Scheibenparade 427«. Einsendeschluß ist der 30. Juli 2018. Die Lösung verraten wir in der nächsten Ausgabe. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Wonach wir in der Ausgabe 423 an dieser Stelle gefragt hatten: Die unglaubliche Geschichte des Mister C. Foto: Koch Media
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