I . Wirtschaftspolitische Themen und Analysen - BMWi
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M O N AT S B E R I C H T 0 4 - 2 0 1 9 2 Auf einen Blick Kompetenzen des Mittelstands in der IT-Sicherheit stärken: BMWi baut Initiative „IT-Sicherheit in der Wirtschaft“ aus Die digitale Transformation schreitet rasant voran. IT-Sicherheit wird daher zunehmend zu einem wesentlichen Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg. Gerade der Mittelstand steht hier vor besonderen Herausforderungen. Die Initiative „IT-Sicherheit in der Wirtschaft“ des BMWi verstärkt daher ihre Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen. Zunehmende Bedeutung der IT-Sicherheit für den Mittelstand Internetkriminalität und Wirtschaftsspionage betreffen Höhe von 55.000 US-Dollar verursacht. In Einzelfällen immer mehr deutsche Unternehmen. Nach dem Lagebe- verursachte ein einziger Cybervorfall Schäden von bis zu richt 2018 des Bundesamts für Sicherheit in der Informati- fünf Millionen US-Dollar (s. Hiscox Cyber Readiness onstechnik (BSI) sind in den Jahren 2016 und 2017 70 Pro- Report 2018). zent der deutschen Unternehmen und Institutionen Opfer von Cyberangriffen geworden. Die meisten unternehmens- Die rasant fortschreitende Digitalisierung und die zuneh- bezogenen Angriffe richten sich dabei mittlerweile nicht mende Vernetzung werden die Gefahren noch weiter erhö- mehr gegen Großkonzerne, sondern gegen kleine und mitt hen. Schätzungen zufolge werden bis 2020 50 Milliarden lere Unternehmen (KMU). Die Folgen für die Unternehmen Geräte weltweit und über alle Branchen hinweg vernetzt sind oftmals gravierend: Neben Produktions- bzw. Betriebs sein. Gleichzeitig wird das Vorgehen der Angreifer immer ausfällen entstehen häufig Kosten für die Aufklärung der gezielter. Nicht ohne Grund gelten daher Cyberrisiken bei Vorfälle und die Wiederherstellung der IT-Systeme, hinzu den Unternehmen derzeit als eine der größten Bedrohun- kommen Reputationsschäden. Im Jahr 2017 haben Cyber- gen für den Erfolg der Digitalisierung. angriffe in deutschen KMU durchschnittlich Schäden in
3 M O N AT S B E R I C H T 0 4 -2 0 1 9 Gerade für den Mittelstand ist es eine Herausforderung, besondere kleine und mittlere Unternehmen möchte das mit den technischen Entwicklungen Schritt zu halten. BMWi für das Thema sensibilisieren. Konkrete, praxisnahe Meist fehlen den KMU die Zeit und das qualifizierte Per und verständliche Handlungsanleitungen und Maßnah- sonal, Maßnahmen zur Erhöhung ihres IT-Sicherheits men, die sich gut in den Unternehmensalltag integrieren niveaus zu ergreifen. Die Unübersichtlichkeit der verfüg- lassen, sollen den Unternehmen helfen, IT-Sicherheitsvor- baren Informations- und Schulungsangebote sowie die kehrungen umzusetzen. komplexe Technik-Sprache schrecken KMU ab. Zudem herrscht zumeist große Unkenntnis über die Höhe des notwendigen Investitionsbedarfs in IT-Sicherheit. Handlungsfelder Die zu Beginn dieses Jahres veröffentlichte neue Förderbe- Verstärkung der Initiative „IT-Sicherheit in kanntmachung sieht zwei wesentliche Handlungsfelder vor: der Wirtschaft“ Zum einen sollen in deutlich größerem Umfang als bisher Projekte gefördert werden, die KMU aktiv zum Thema IT-Sicherheit aufklären und Unterstützungsleistungen zum sicheren Einsatz digitalisierter Prozesse und Geschäftsmo- delle erarbeiten (z. B. Schulungsangebote, Webseitenchecks). Zusätzlich wird eine Transferstelle „IT-Sicherheit in der Wirtschaft“ eingerichtet. Sie soll Unterstützungsangebote Das BMWi baut daher derzeit die Initiative „IT-Sicherheit in für die Unternehmen bündeln und das Auffinden der pas- der Wirtschaft“ aus. Unternehmen sollen in die Lage versetzt senden Angebote erleichtern. Zudem soll die Transferstelle werden, ihr IT-Sicherheitsniveau dauerhaft zu erhöhen. Ins- Informationen und Handlungsempfehlungen im Bereich
M O N AT S B E R I C H T 0 4 - 2 0 1 9 4 IT-Sicherheit verständlich und praxisnah aufbereiten. Schließlich wird sie Best-Practice-Beispiele identifizieren und verbreiten, um der mittelständischen Wirtschaft kon- krete Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Steuerkreis Die Initiative „IT-Sicherheit in der Wirtschaft“ will ihre Maßnahmen innovativ und unternehmensnah gestalten und an den aktuellen Bedarfen der mittelständischen Wirt- schaft ausrichten. Sie hat daher im Frühjahr 2019 IT-Sicher- heitsexperten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung in einen neu konzipierten Steuerkreis berufen. Dieser Steuer kreis soll die Initiative als Lenkungsgremium beraten, Impulse für ihre Förderschwerpunkte und Maßnahmen liefern und aktive Beiträge zur Verbreitung und Umsetzung ihrer Maßnahmen leisten. Weitere Informationen zu den Angeboten der Initiative „IT-Sicherheit in der Wirtschaft“ finden Sie auf der Web- seite www.it-sicherheit-in-der-wirtschaft.de. Kontakt: Evelyn Graß Referat: Mittelstand – Digital
5 M O N AT S B E R I C H T 0 4 -2 0 1 9 Wirtschaftspolitische Termine des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie April 2019 02.04. Informeller Energieministerrat (Rumänien) 04.04. Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (Februar) 05.04. Produktion im Produzierenden Gewerbe (Februar) 05./06.04. Informeller ECOFIN-Rat (Rumänien) 12.04. Pressemeldung des BMWi zur wirtschaftlichen Lage 12.04. Informelles Treffen der Kohäsionsminister Ende April 2019 Schlaglichter (Newsletter und Veröffentlichung auf Website) Mai 2019 02.05. Informeller WBF-Rat (Rumänien) 07.05. Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (März) 08.05. Produktion im Produzierenden Gewerbe (März) 15.05. Pressemeldung des BMWi zur wirtschaftlichen Lage 16./17.05. Eurogruppe/ECOFIN 27.05. WBF-Rat 28.05. Handelsministerrat Ende Mai 2019 Schlaglichter (Newsletter und Veröffentlichung auf Website) Juni 2019 06.06. Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (April) 07.06. Produktion im Produzierenden Gewerbe (April) 07.06. Telekommunikationsministerrat 13.06. Pressemeldung des BMWi zur wirtschaftlichen Lage 13./14.06. Eurogruppe/ECOFIN 20./21.06. Europäischer Rat 25.06. Energieministerrat 25.06. Kohäsionsministerrat Ende Juni 2019 Schlaglichter (Newsletter und Veröffentlichung auf Website) In eigener Sache: Die „Schlaglichter“ als E-Mail-Abonnement Der Monatsbericht des Bundesministeriums für Darüber hinaus können auf der Homepage des Wirtschaft und Energie ist nicht nur als Druck Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie exemplar, sondern auch im Online-Abo als elektro- auch einzelne Ausgaben des Monatsberichts sowie nischer Newsletter verfügbar. Sie können ihn Beiträge aus älteren Ausgaben online gelesen unter der nachstehenden Internet- werden: Adresse bestellen: www.bmwi.de/schlaglichter www.bmwi.de/abo-service
M O N AT S B E R I C H T 0 4 - 2 0 1 9 6 Grafik des Monats So viele Patente wie nie … … sind im Jahr 2018 beim Europäischen Patentamt zur Anmeldung eingegangen (insgesamt rund 174.000). Dabei behauptete Deutschland mit 15 Prozent aller Patentanträge hinter den USA (25 Prozent) den zweiten Platz der anmeldestärksten Länder. Auch wenn die Patentanmeldungen aus China in den letzten Jahren stark angestiegen sind, spielt es mit fünf Prozent aller Anträge bisher eine eher untergeordnete Rolle. Die Grafik zeigt die fünf Technologiebereiche, in denen insgesamt die meisten Patente angemeldet wurden. Besondere Innovationskraft weisen die deutschen Unternehmen in den Bereichen Transport und elektrische Maschinen auf, die Stärken von US-amerikanischen Firmen liegen dagegen vor allem in der Computer- und Medizin- technologie. China meldete bei der digitalen Kommunikationstechnologie zahlreiche Patente an. Technologiefelder mit den meisten Patentanmeldungen im Jahr 2018 PATENTURKUNDE Elektrische Maschinen Transport Medizintechnologie 10.722 6.440 9.039 5.200 13.795 6.979 5.175 2.145 2.025 1.435 1.585 1.336 672 305 259 Deutschland USA V.R. Übrige Deutschland USA V.R. Übrige Deutschland USA V.R. Übrige China Länder China Länder China Länder Digitale Kommunikation Computertechnologie 11.940 5.767 11.718 5.155 4.399 3.152 2.356 1.015 1.149 665 Deutschland USA V.R. Übrige Deutschland USA V.R. Übrige China Länder China Länder Quelle: European Patent Office Annual Report 2018.
7 M O N AT S B E R I C H T 0 4 -2 0 1 9 Überblick über die wirtschaftliche Lage negativen Vorratsinvestitionen belastet. Die Exporte hatten • Die deutsche Wirtschaft ist verhalten in das Jahr sich im vierten Quartal etwas erholt, aufgrund der ebenfalls 2019 gestartet. Die wirtschaftliche Entwicklung in deutlich gestiegenen Importe ergaben sich von der Außen- Deutschland ist aufgrund höherer Risiken und wirtschaft aber keine Wachstumsimpulse. Unwägbarkeiten im außenwirtschaftlichen Umfeld in unruhigeres Fahrwasser geraten. Die weltwirtschaftlichen Impulse fallen derzeit gedämpft aus. Sowohl bei der industriellen Erzeugung als auch beim • Die vorausschauenden Konjunkturindikatoren Welthandel war zum Jahresende eine verlangsamte Entwick- bleiben zurückhaltend. Solide binnenwirtschaft lung zu beobachten. Zuletzt, Stand Dezember 2018, gingen liche Auftriebskräfte und fiskalische Impulse sor- sie sogar etwas zurück. Der Stimmungsindikator IHS Markit gen aber zu Jahresbeginn für Schub. PMI für die globale Industrie lag im Februar 2019 auf dem niedrigsten Stand seit Juni 2016. Auch der ifo Index zum • Das Baugewerbe produziert nach wie vor mit über- Weltwirtschaftsklima gab für das erste Quartal 2019 eine durchschnittlicher Auslastung. Die Industrie hat eingetrübte Stimmung insbesondere für die entwickelten ihre Produktion zu Jahresbeginn gedrosselt, auch Volkswirtschaften wieder. Angesichts der Indikatoren und die Auftragseingänge, nicht zuletzt aus dem Aus- der derzeitigen Ballung globaler Risiken gehen die interna land, entwickelten sich schwach. tionalen Organisationen in ihren letzten Prognosen von einer weniger dynamischen, aber weiterhin aufwärtsgerichteten • Die Einkommen steigen, unterstützt durch die Entwicklung der Weltwirtschaft aus. Fiskalpolitik, kräftig und sorgen für eine rege Konsumnachfrage der privaten Haushalte. Dies zeigt sich auch in den deutschen Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen. So erhöhten sich die Exporte im Januar • Die Erwerbstätigkeit nimmt weiter zu, die Dynamik saisonbereinigt und in jeweiligen Preisen um 0,5 %. Im Zwei beim Rückgang der Arbeitslosigkeit dürfte nach- monatsvergleich haben die Ausfuhren jedoch etwas abge- lassen. nommen (-0,4 %). In realer Betrachtung dürften sie in etwa konstant geblieben sein. Die Unternehmen gehen aktuell nicht von einer deutlichen Belebung aus. Die ifo Export erwartungen spiegeln trotz Besserung weiterhin niedrige Die deutsche Wirtschaft ist verhalten in das Jahr 2019 Erwartungen wider. Insgesamt deuten die Indikatoren auf gestartet.1i Dies gilt insbesondere für die Industrie, deren eine verhaltene Entwicklung der Ausfuhren in den kom- Produktion sich im Januar deutlich verringerte. Auch die menden Monaten hin. Die nominalen Importe von Waren Auftragseingänge und Stimmungsindikatoren für die und Dienstleistungen stiegen im Januar saisonbereinigt und Industrie sind rückläufig. Insofern dürfte sich die Schwä- in jeweiligen Preisen um 0,7 %. Im Zweimonatsvergleich chephase in der Industrie angesichts einer schleppenden ergab sich ein Rückgang von 0,5 %. Angesichts sinkender Auslandsnachfrage fortsetzen. In den übrigen Wirtschafts- Importpreise dürften die Importe preisbereinigt aber ange- bereichen, insbesondere in den meisten Dienstleistungsbe- stiegen sein. reichen, dürfte sich das Wachstum hingegen fortsetzen. Dies wurde durch die bis zuletzt deutliche Zunahme der Die Produktion im Produzierenden Gewerbe wurde im Januar Beschäftigung insbesondere in den Dienstleistungszweigen zurückgefahren. Insbesondere die Industrie hat ihren Pro- unterstrichen. Die deutsche Wirtschaft wird sich weiter in duktionsausstoß verringert (-1,2 %), obwohl die WLTP-Prob- dem Spannungsfeld zwischen einer schwachen Industrie- lematik – der Stau bei den Pkw-Typenzulassungen – weitest konjunktur und prosperierenden Dienstleistern bewegen. gehend überwunden sein sollte. Das Baugewerbe konnte Das Bruttoinlandsprodukt dürfte daher im ersten Quartal hingegen einen leichten Zuwachs verbuchen (+0,2 %). Aller- allenfalls moderat zunehmen. Im zweiten Halbjahr 2018 dings wurden die Ergebnisse für Dezember sowohl für die hatte sich die deutsche Wirtschaft mehr oder weniger seit- Industrie als auch für das Baugewerbe sehr kräftig aufwärts wärts bewegt. Die inländische Nachfrage hatte nur verhal- revidiert. Insgesamt zeigt sich im Zweimonatsvergleich ten expandiert. Das Wachstum wurde zusätzlich durch die dennoch eine leicht abwärtsgerichtete Entwicklung in der 1i. In diesem Bericht werden Daten verwendet, die bis zum 15. März 2019 vorlagen. Soweit nicht anders vermerkt, handelt es sich um Verände- rungsraten gegenüber der jeweiligen Vorperiode auf Basis preisbereinigter sowie kalender- und saisonbereinigter Daten.
M O N AT S B E R I C H T 0 4 - 2 0 1 9 8 Industrie. Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe sind die privaten Kfz-Zulassungen seit dem Tiefpunkt im verringerten sich im Januar ebenfalls kräftig um 2,6 %, zu September, unmittelbar nach der Einführung des WLTP- gleich wurden auch die Daten für Dezember stark aufwärts Standards, um 56 % gestiegen. revidiert. Die Aufträge in der Kfz-Industrie (-6,1 %) schwäch ten sich erneut merklich ab, nachdem im vierten Quartal Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt setzt sich trotz die Einbrüche aus dem schwachen dritten Quartal zunächst der konjunkturellen Abschwächung fort. Die Zunahme der wettgemacht werden konnten. Besonders deutlich gingen Erwerbstätigkeit fiel nach den aktuellen Zahlen im Januar im Januar die Bestellungen aus dem Ausland zurück, so dass mit 79.000 Personen sogar deutlich stärker aus als in den auch in der Zweimonatsbetrachtung insgesamt rückläufige Monaten zuvor, dabei ist aber mit Aufwärtsrevisionen der Auftragseingänge zu Buche stehen. Auch das Geschäftsklima Vormonate zu rechnen. Jahreszeitlich üblich war die Beschäf schwächte sich im Februar weiter ab. Zwar ist zum Jahres- tigung nach den Ursprungszahlen mit 44,8 Mio. Personen wechsel das Auftragspolster weiter sehr hoch, die Indust- niedriger als im Vormonat. Die sozialversicherungspflichtige riekonjunktur dürfte aber angesichts der schwachen inter- Beschäftigung nahm im Dezember saisonbereinigt erneut nationalen Nachfrage und hoher externer Risiken weiterhin kräftig zu. Die schwächere Konjunktur dürfte sich allmählich gedämpft verlaufen. Der Bauboom wird nach den deutlich auf die Personalsuche der Unternehmen auswirken und in gestiegenen Aufträgen im Jahresendquartal 2018 anhalten. den kommenden Monaten zu einem verlangsamten Rück- gang der Arbeitslosigkeit führen. Zuletzt im Februar verrin- Im vierten Quartal sind die privaten Konsumausgaben um gerte sich die Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt um 0,2 % gegenüber dem Vorquartal gestiegen und haben sich 21.000 Personen; in Ursprungszahlen sank sie auf knapp somit von dem Rückgang im dritten Quartal erholt. Im lau- unter 2,4 Mio. Personen. Die Arbeitslosenquote blieb damit fenden Quartal dürften die privaten Konsumausgaben unverändert bei 5,3 %. Die Langzeitarbeitslosigkeit nimmt erneut zunehmen. So sind im Januar die Umsätze im Ein- im Trend spürbar ab; der Vorjahresstand wurde um knapp zelhandel (ohne Kfz) kräftig um 3,3 % gestiegen. Im Februar 12 % unterschritten. Die Wirtschaftskraft strukturschwacher 2019 setzte sich die positive Entwicklung der Neuzulassun- Regionen bleibt eine Herausforderung. gen von Pkw bei privaten Haltergruppen fort (+3,5 %). Damit Konjunktur auf einen Blick* Entwicklung von Bruttoinlandsprodukt, Produktion und Auftragseingang in der Industrie sowie ifo Geschäftserwartungen 6 18 5 15 4 12 3 9 2 6 1 3 0 0 -1 -3 -2 -6 -3 -9 2015 2016 2017 2018 2019 Bruttoinlandsprodukt (Quartale) (linke Skala) Industrieproduktion (linke Skala) Auftragseingang in der Industrie (linke Skala) ifo Geschäftserwartungen in der Gewerblichen Wirtschaft (rechte Skala) * zentrierte gleitende 3-Monats-Durchschnitte bzw. Quartale, saisonbereinigt, Veränderungen gegenüber Vorperiode in v. H. bzw. Salden bei ifo Quellen: StBA, BBk, ifo Institut.
9 M O N AT S B E R I C H T 0 4 -2 0 1 9 Der Vertrag von Aachen Der deutsch-französische Motor ist fit für das 21. Jahrhundert Deutschland und Frankreich wollen gemeinsam die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angehen: Der am 22. Januar 2019 unterzeichnete Vertrag von Aachen sieht hierzu unter anderem eine noch engere Abstimmung in der Europapolitik, eine starke gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und einen Wirtschaftsraum mit gemeinsamen Regeln vor. Wirtschaftspolitisch ist er von großer Bedeutung. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron unterschreiben am 22. Januar 2019 den Vertrag von Aachen. Bald 60 Jahre bilaterale Wirtschafts- und die Grenze, um im Nachbarstaat Dienst- oder Arbeitsleistun Politikbeziehungen gen zu erbringen. Beide Länder sind so vielseitig miteinan- der verwoben wie jeweils mit keinem anderen Mitgliedstaat Seit Jahrzehnten sind Deutschland und Frankreich als der EU: 2018 lag das bilaterale Handelsvolumen zwischen Gründungsstaaten der Vorläuferorganisationen der heuti- Deutschland und Frankreich bei rund 170 Milliarden Euro gen Europäischen Union eng miteinander verbunden. Vor (Statistisches Bundesamt). Frankreich ist für Deutschland 56 Jahren unterzeichneten beide Länder zudem den bilate- der zweitwichtigste Handelspartner in Europa und steht ralen Élysée-Vertrag – als Zeichen und Grundlage für ein weltweit auf Rang vier nach China, den Niederlanden und gesellschaftliches, kulturelles, politisches und auch wirt- den USA. Für Frankreich ist Deutschland seit Jahrzehnten schaftliches weiteres Zusammenwachsen nach den tiefen mit Abstand der wichtigste bilaterale Handelspartner und Gräben zweier Weltkriege. mit rund 4.500 Unternehmen und 310.000 Beschäftigten ein wichtiger Direktinvestor, der Arbeitsplätze schafft. Leucht- Seitdem sind Frankreich und Deutschland auf das Engste türme sind deutsch-französische Firmen wie etwa der Luft- verbunden. Es überqueren nicht nur täglich viele Menschen und Raumfahrtkonzern EADS.
M O N AT S B E R I C H T 0 4 - 2 0 1 9 10 Die deutsch-französische Zusammenarbeit auf politischer Ebene ist in einzigartiger Weise institutionalisiert: Der Die deutsch-französische Agenda Élysée-Vertrag von 1963 schuf die Basis für regelmäßige Regierungskonsultationen (so genannte Ministerräte) und Beide Regierungen haben sich anlässlich der Unter- politische Absprachen sowie für die bilaterale Zusammen- zeichnung des Aachener Vertrags auf eine Liste arbeit, insbesondere in auswärtigen Angelegenheiten, der unmittelbar umzusetzender Projekte geeinigt. Verteidigungspolitik sowie in Jugend- und Bildungsfragen. Beide Seiten benannten einen Beauftragten für die Deutsch- Die Projektliste kann hier heruntergeladen werden: Französischen Beziehungen auf politischer Ebene. Später https://bit.ly/2OqKJHt wurde unter anderem der Deutsch-Französische Finanz- und Wirtschaftsrat geschaffen, um die Wirtschaftspolitik Den Text des Aachener Vertrags finden Sie hier: beider Staaten zu harmonisieren und ihre Positionen zu https://bit.ly/2OsqOrp internationalen Finanz- und Wirtschaftsfragen anzunähern. Ein Vertrag im Dienste Europas Die Vertiefung der deutsch-französischen Zusammenarbeit und der gemeinsame Einsatz für die Europäische Union gehören untrennbar zusammen. Über Jahrzehnte haben Deutschland und Frankreich – trotz bisweilen unterschied- licher Sichtweisen – die europäische Einigung vorangetrie- ben. Der Vertrag von Aachen soll diesem „Motor der europä- ischen Integration“ nun weiteren Schwung geben und ihn noch leistungsfähiger machen. Gemeinsam wollen Deutsch- land und Frankreich die EU auch weiterhin prägen. Die ande ren EU-Mitgliedstaaten wollen sie miteinbeziehen, um Europa mit ihnen gemeinsam zu gestalten. Konrad Adenauer und Charles de Gaulle nach Unterzeichnung des Im Aachener Vertrag haben Deutschland und Frankreich „Élysée-Vertrags“ vereinbart, sich für eine wirksame und starke gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einzusetzen – auch im Bereich Rüstungsindustrie sowie Rüstungsexporte. Zugleich wollen Inzwischen ist die bilaterale Kooperation und Koordinierung sie die Wirtschafts- und Währungsunion stärken und vertie- in Politik, Verwaltung und Wirtschaft der Regelfall geworden. fen. Ferner engagieren sie sich für die Vollendung des Binnen Auch unsere beiden Parlamente arbeiten zusammen und markts, wirken auf eine wettbewerbsfähige, sich auf eine wollen dies noch weiter intensivieren und institutionalisie- starke industrielle Basis stützende Union als Grundlage für ren: Bundestag und Nationalversammlung haben im März den Wohlstand hin und fördern die wirtschaftliche, steuerli- 2019 ein deutsch-französisches Parlamentsabkommen über che und soziale Konvergenz sowie die Nachhaltigkeit in die Schaffung einer gemeinsamen Parlamentarischen Ver- allen ihren Dimensionen. sammlung verabschiedet. Bundesrat und Senat haben eine gemeinsame Freundschaftsgruppe eingerichtet. Darüber In diesen Kontext fügt sich auch das „Deutsch-französische hinaus besteht ein reger Austausch auf Ebene der deutschen Manifest über die Industriepolitik“, mit dem Bundesminister Bundesländer und der französischen Regionen sowie der Altmaier und sein französischer Amtskollege Le Maire am deutschen und französischen Kommunen, vor allem in den 19. Februar in Berlin gemeinsam die Forderung nach einer Grenzregionen oder im Rahmen von Städtepartnerschaften. europäischen Industriestrategie an die nächste EU-Kommis sion erneuert haben. Mit dem Aachener Vertrag vom 22. Januar 2019 wird diese enge deutsch-französische Zusammenarbeit auf eine neue Stufe gestellt und fit für das 21. Jahrhundert gemacht.
11 M O N AT S B E R I C H T 0 4 -2 0 1 9 Gemeinsam für eine Europäische Industriepolitik Mit dem „Deutsch-französischen Manifest für eine europäische Industriepolitik, die für das 21. Jahrhundert gewappnet ist“ erneuern Bundesminister Altmaier und sein französischer Amtskollege Le Maire gemeinsam die For- derung nach einer europäischen Industriestrategie und richten sich damit an die nächste Europäische Kommission, die nach der Europawahl im Mai gebildet wird. Das Manifest unterbreitet konkrete Vorschläge für die Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen für eine starke europäische Industrie, unter anderem im Bereich des Wettbe- werbs- und Beihilferechts sowie der Innovationspolitik. Das Manifest finden Sie hier: https://bit.ly/2XeNHmh Dem Manifest liegen ähnliche Ideen zugrunde wie dem Entwurf einer Nationalen Industriestrategie 2030, den Bundesminister Altmaier kürzlich vorgestellt hat und den er nun unter anderem mit Vertretern der EU-Mitglied- staaten diskutiert, um die europäische Perspektive in die nationale Debatte einzubringen. Bereits im Dezember 2018 hatten Herr Altmaier und sein Amtskollege Le Maire gemeinsame industriepolitische Überlegungen in einem gemeinsamen Pressestatement veröffentlicht und darüber hinaus ein Papier zur Förderung der Batteriezellproduk- tion in Europa vereinbart. Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat für interessierte Konsortien bis zu einer Milliarde Euro aus Finanzmitteln des BMWi bereitgestellt, Präsident Macron hat seinerseits in Frankreich 700 Millionen Euro zugesagt. Weiterführende Informationen finden Sie hier: https://bit.ly/2Ujcves Darüber hinaus werden sich Deutschland und Frankreich (1) Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in künftig vor großen europäischen Treffen noch systemati- Richtung eines deutsch-französischen Wirtschaftsraums scher auf allen Ebenen konsultieren, um gemeinsame mit gemeinsamen Regeln: Standpunkte herzustellen und eine gemeinsame politische Der Aachener Vertrag bestimmt, dass Deutschland und Kommunikation zu stärken. Sie stimmen sich ferner bei der Frankreich die Integration ihrer Volkswirtschaften hin zu Umsetzung von europäischem Recht in ihr jeweiliges natio- einem deutsch-französischen Wirtschaftsraum mit gemein nales Recht ab. samen Regeln vertiefen. Aufgabe der Wirtschafts- und Finanzminister im Deutsch-Französischen Wirtschafts- Die Rechtsangleichung erleichtert praktisch das Zusammen und Finanzrat soll es dabei sein, die wirtschaftspolitischen wachsen der Volkswirtschaften der EU und den Alltag der Maßnahmen zwischen beiden Ländern regelmäßig abzu- Unternehmen und Bürger. stimmen und die bilaterale Rechtsharmonisierung zu för- dern, unter anderem im Bereich des Wirtschaftsrechts. Bereits der Élysée-Vertrag von 1963 wurde vor dem Hin- Dies soll die Konvergenz zwischen beiden Staaten befördern tergrund der europäischen Einigung geschlossen. Es ist und die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften ver- daher konsequent, dass der Vertrag von Aachen auch ein bessern. Außerdem soll ein deutsch-französischer „Rat der Bekenntnis zur EU und zu ihrer Einheit und zu ihrem Wirtschaftsexperten“ aus zehn unabhängigen Fachleuten Zusammenhalt enthält. eingerichtet werden, der den Regierungen wirtschaftspoli- tische Empfehlungen unterbreitet. Zukunftsorientierte wirtschaftspolitische Die Rechtsvereinheitlichung, unter anderem des Wirtschafts Vorhaben rechts, ist zweifelsohne ein ehrgeiziges Projekt. Harmoni- sierung ist oft schwierig oder gar unpopulär. Gleichwohl Für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist ein einheitliches Recht effizienter als ein zersplitterter sind im Aachener Vertrag insbesondere drei Bereiche von Rechtsrahmen, sowohl für Unternehmen als auch für Ver- besonderer Bedeutung: braucher. Viele Bereiche sind bereits durch EU-Recht gere-
M O N AT S B E R I C H T 0 4 - 2 0 1 9 12 gelt. Es wird – auch angesichts der unterschiedlichen Rechts die Zusammenarbeit auf dem Gebiet KI in vier Themen traditionen – gründlich zu prüfen sein, an welcher Stelle bereichen diskutieren wird: darüber hinaus eine bilaterale Rechtsvereinheitlichung machbar und zweckmäßig ist. Eine multinationale euro 1. Datenaustausch, päische Forschergruppe bemüht sich bereits seit einigen Jahren um die Abfassung eines umfassenden Europäischen 2. grenzüberschreitende Reallabore/Experimentierräume, Wirtschaftsgesetzbuchs, und auch die EU-Kommission hat die Idee eines solchen Gesetzbuchs in ihrem Weißbuch zur 3. bewährte Verfahren für den Transfer von Forschungs Zukunft Europas von März 2017 aufgegriffen. Erste deutsch- ergebnissen in Unternehmen, französische Schritte – und seien sie noch so zaghaft – könnten für ein gesamteuropäisches Projekt wegweisend 4. technische und ethische Standards. sein. Ferner haben Deutschland und Frankreich vereinbart, (2) Kooperation bei Zukunftstechnologien, Forschung, einen Koordinationsprozess und eine gemeinsame Finan- Innovation und Digitalisierung (insbes. bei Sprunginno- zierung einzurichten, um gemeinsame Forschungs- und vationen und Künstlicher Intelligenz): Innovationsprogramme zu fördern. Sie wollen in der EU Bereits bei ihrem Treffen am 19. Juni 2018 in Meseberg hat- zudem Sprunginnovationen stärken (etwa im Rahmen ten Bundesminister Altmaier und sein Amtskollege Le Maire des Europäischen Innovationsrates, EIR) und damit Hoch vereinbart, bei Zukunftstechnologien, Forschung, Innova- risiko-Technologieprojekte unterstützen. tion und Digitalisierung enger zu kooperieren. Dies ist nun auch im Vertrag von Aachen vorgesehen. Die deutsch-fran- (3) Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Energie- zösische Kooperation im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) wende: ist fester Bestandteil der deutschen KI-Strategie. Deutsch- Im Aachener Vertrag haben Deutschland und Frankreich land und Frankreich bereiten derzeit die Schaffung eines eine noch engere Zusammenarbeit beim Klimaschutz ver- deutsch-französischen Forschungs- und Innovationsnetz- einbart und beabsichtigen auch, die Zusammenarbeit bei werks (virtuelles Zentrum) für Künstliche Intelligenz auf der Energiewende weiter zu vertiefen, insbesondere bei der Basis der bestehenden Strukturen vor. Es wird sich unter Förderung von erneuerbaren Energien und der Steigerung anderem mit dem Transfer von Forschungsergebnissen in der Energieeffizienz sowie im Bereich Energie-Infrastruk- Unternehmen befassen. Zu diesem Zweck haben die beiden tur. Der deutsch-französische Austausch zu Energiefragen Wirtschaftsministerien eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die ist bereits eng und vielfältig. Konkrete bilaterale Projekte
13 M O N AT S B E R I C H T 0 4 -2 0 1 9 betreffen unter anderem die Entwicklung eines Schaufens- regionen, der das Leben dort einfacher machen und die terprojektes zur grenzüberschreitenden Flexibilisierung der Grenze als Hindernis verschwinden lassen soll. Stromnetze („Smart Border Initiative“) sowie die Prüfung der Realisierbarkeit von gemeinsamen Ausschreibungen im Bereich Erneuerbare Energien. Deutschland und Frank- reich arbeiten auf Grundlage der Meseberg-Erklärung vom Mitwirkung des BMWi an der „grenzüberschreitenden 19. Juni 2018 und der gemeinsamen Energieerklärung Zusammenarbeit“ (GrüZ) vom 12. Juli 2018 in ressortübergreifenden hochrangigen Arbeitsgruppen zum Klimawandel und zur Energie bereits Der Begriff „grenzüberschreitende Zusammenar- bestens zusammen. beit“ (GrüZ) bezeichnet die nachbarschaftliche Zusammenarbeit in allen Lebensbereichen zwischen Diese Zusammenarbeit soll nun weiter intensiviert werden, angrenzenden Gebieten, regionalen und kommuna- insbesondere zu den nationalen Energie- und Klimaplänen. len Gebietskörperschaften, Behörden oder Institutio- Ziel ist dabei, sich über die mögliche Entwicklung des Ener- nen in den Grenzgebieten zweier Staaten. Trotz der giemixes auszutauschen, die Möglichkeit für ein gemeinsa- EU-Regeln über den Binnenmarkt werden insbeson- mes deutsch-französisches Kapitel in diesen Plänen zu dere kleine und mittlere Unternehmen und Arbeit- erörtern und Entwicklungsanreize für die Erreichung nati- nehmer dort bisweilen durch die Grenzlage in ihrer onaler Ziele im Hinblick auf die Energiewende auszuloten. wirtschaftlichen Aktivität beschränkt. So kommt es vor, dass Arbeitnehmer Schwierigkeiten bei der Ab rechnung ihrer Krankenkassen- und Sozialversiche- Erleichterung des Alltags für Unternehmen und rungen haben oder Probleme mit der Besteuerung, Bürger wenn sie jenseits der Grenze einer Beschäftigung nachgehen. Auch ist der öffentliche Nahverkehr man- Wichtig ist schließlich, dass sich der Nutzen der bilateralen cherorts nicht aufeinander abgestimmt, oder es fehlt Zusammenarbeit – und letztlich der EU – den Unterneh- an einer Vernetzung zwischen den Verwaltungen bei- men und den Menschen auch im Alltag erschließt. Die Ant- derseits der Grenze. So können Defizite nicht nur im wort darauf ist der praktische Teil des Aachener Vertrages alltäglichen Pendelverkehr, sondern z. B. auch im über die Verbesserung der Zusammenarbeit in den Grenz-
M O N AT S B E R I C H T 0 4 - 2 0 1 9 14 fen, das unter anderem die bilateralen Aspekte der grenz Bereich des Katastrophenschutzes oder der Krimi überschreitenden Raumbeobachtung koordinieren, die nalitätsbekämpfung entstehen. Auswirkungen neuer Rechtsvorschriften auf die Grenzregi- onen analysieren und Probleme bei der Erbringung grenz Das BMWi ist in den staatlichen Gremien, die sich mit überschreitender Dienst- oder Arbeitsleistungen feststellen der „GrüZ“ auf Regierungsebene befassen, regelmäßig soll. vertreten. Für den Bund wirkt das BMWi ferner an der Regionalförderung über die Gemeinschaftsauf- Die Erbringung solcher Leistungen ist nicht möglich ohne gabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk- grenzüberschreitende Mobilität. Deutschland und Frank- tur“ mit, wenn sie für die Gesamtheit bedeutsam und reich werden daher die zwischen ihnen bestehenden digi- die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der talen und physischen Netze, unter anderem die Eisenbahn- Lebensverhältnisse erforderlich ist (Unterstützung und Straßenverbindungen, besser miteinander verknüpfen. strukturschwacher Regionen). Für die Finanzierung Sie werden im Bereich der innovativen, nachhaltigen und grenzüberschreitender Projekte können insbesondere allen zugänglichen Mobilität eng zusammenarbeiten, um die Programme der Europäischen Territorialen Zusam gemeinsame Ansätze oder Standards zwischen beiden Staa- menarbeit (so genannte Interreg-Programme) genutzt ten zu entwickeln. Ein besonders zukunftsträchtiges Bei- werden, für die das BMWi ebenfalls zuständig ist. Sie spiel ist das „Digitale Testfeld Deutschland-Frankreich“ für sind Bestandteil der europäischen Strukturpolitik. automatisiertes Fahren, das bis 2019 zwischen Deutschland, Die Umsetzung erfolgt durch die Länder. Frankreich und – nun auch – Luxemburg entstehen soll. Das Testfeld ist Bestandteil der im September 2016 gestar- teten „Deutsch-Französischen Initiative Elektromobilität Im Vertrag von Aachen vereinbaren Deutschland und Frank und Digitalität“. Mit der gemeinsamen Initiative wollen reich, die zuständigen Akteure (insbesondere die Gebiets- beide Länder Innovationen in den Bereichen E-Mobilität körperschaften der Grenzregionen sowie grenzüberschrei- und automatisiertes Fahren vorantreiben. tende Einheiten wie Eurodistrikte) mit angemessenen Kompetenzen, zweckgerichteten Mitteln und beschleunig- Fazit: Mit dem Vertrag von Aachen sind Deutschland und ten Verfahren auszustatten. Auch Experimentierklauseln Frankreich bestens für das 21. Jahrhundert gerüstet! Der (d. h. angepasste Rechts- und Verwaltungsvorschriften ein- Vertrag vertieft die deutsch-französische Zusammenarbeit schließlich Ausnahmeregelungen) sollen möglich werden. und trägt so vor allem auch zu einer Stärkung der Europäi- Um dies effektiver umzusetzen, soll ein Ausschuss für die schen Union insgesamt bei. grenzüberschreitende Zusammenarbeit eingerichtet wer- den, der Interessenträger wie nationale, regionale und lokale Gebietskörperschaften, Parlamente und grenzüberschrei- Kontakt: Dr. Kathrin Petersen tende Einheiten (wie Eurodistrikte oder Euroregionen) Referat: Beziehungen zu den EU-Mitgliedstaaten – umfasst. Deutschland und Frankreich wollen ein schlag- außer Skandinavien, Bulgarien und Rumänien kräftiges Gremium mit Rückkoppelung an die Politik schaf
15 M O N AT S B E R I C H T 0 4 -2 0 1 9 EXIST-Gründungskultur: Exzellente Start-up-Förderung wird in die Fläche getragen Mehr Gründungen, mehr Start-ups, mehr Unternehmertum. Das ist das Ziel der Gründungsoffensive GO! von Bundesminister Peter Altmaier. EXIST als wichtigstes Förderprogramm für innovative Gründungen ist Teil von GO! und startet jetzt seinerseits eine Offensive für mehr Gründungskultur an nahezu allen Hochschulen in Deutschland. Innovative Start-ups können in ihrer Bedeutung für den Gründungskultur an Hochschulen ist der Wirtschaftsstandort Deutschland gar nicht hoch genug Nährboden für innovative Start-ups geschätzt werden. Dabei spielen gerade Hochschulen und Universitäten bei dem Transfer von innovativen Ideen in Eine moderne Volkswirtschaft wie die deutsche steht täg- die Wirtschaftswelt eine zentrale Rolle. Bundesminister lich im internationalen Wettbewerb um die besten Ideen Altmaier hat deshalb die Finanzmittel für das Programm und Finanzierungsbedingungen. Entscheidend dabei ist die EXIST ab dem Jahreshaushalt 2019 auf circa 100 Millionen Fähigkeit, den Technologietransfer von den Spitzenleistungen Euro verdoppelt. Durch diese neuen Finanzierungsmöglich- aus der Wissenschaft hinein in neue Produkte und Dienst- keiten ist es möglich, neben der direkten Unterstützung leistungen schnell und effektiv umzusetzen. Wer in den von Gründern und Gründerinnen aus der Wissenschaft Wertschöpfungsketten der Zukunft bestehen will, braucht über die beiden Förderlinien EXIST-Gründerstipendium zweierlei: ein stabiles sozial- und gesellschaftspolitisches und EXIST-Forschungstransfer auch die strukturelle Förde- Fundament und eben auch die Fähigkeit, schnell auf Verän- rung von gründungsunterstützenden Strukturen an Hoch- derungen zu reagieren. schulen (Förderlinie EXIST-Potentiale) voranzutreiben.
M O N AT S B E R I C H T 0 4 - 2 0 1 9 16 Das Förderprogramm EXIST „Existenzgründungen aus der EXIST-Potentiale verfolgt dabei das Ziel, eine wahrnehm- Wissenschaft“ setzt genau an dieser Schnittstelle an und bare und aktivierende Gründungskultur an Hochschulen will das „Mindset“ an den Hochschulen in Richtung einer zu implementieren sowie die notwendigen Rahmenbedin- „Kultur der Selbstständigkeit“ erweitern, um die Potentiale gungen für innovative und wachstumsstarke Start-ups aus der Wissenschaft noch stärker für unsere Wirtschaft und der Wissenschaft zu schaffen. Mittelfristig sollen in der Gesellschaft zu nutzen. Ging es in den Anfängen des Pro- jeweiligen Region dadurch zukunftssichere Arbeitsplätze gramms noch darum, an einzelnen Hochschulen unterneh- geschaffen werden. Dabei sollen vor allem auch Hochschu- merisches Denken in die Lehre zu implementieren und len erreicht werden, die sich bislang noch nicht durch die Strukturen für einen effektiven Technologietransfer zu Unterstützung für Start-ups oder auch die notwendige schaffen, hat sich mittlerweile dank der EXIST-Förderung „Entrepreneurship Education“ hervorgetan haben. Dazu ein nahezu flächendeckendes Netzwerk an Gründerberatun gehören neben kleineren technischen Hochschulen unter gen, Entrepreneurship-Lehrstühlen und auch gründungs anderem auch private Hochschulen oder solche mit künst- affinen Hochschulpräsidenten in der deutschen Wissenschaft lerischem oder sozialem Profil wie z. B. die Alice Salomon herausgebildet. Die steigende Zahl an Ausgründungen aus Hochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Berlin, Hochschulen zeigt: EXIST erzeugt einen positiven Hebel die Muthesius Kunsthochschule Kiel sowie die Hochschule effekt weit über die direkten Förderzahlen hinaus. für Musik und Theater München, die sich an der Konzept- phase von EXIST-Potentiale beteiligen. EXIST-Potentiale Die Richtlinie sieht dabei drei inhaltliche Gestaltungs- räume vor: In dem im Jahr 2010 gestarteten exzellenzorientierten Wett bewerb „EXIST-Gründungskultur – die Gründerhochschule“ „Potentiale heben“: wurden Maßnahmen wie das Ideenscouting in den Fakul- Die geschaffenen Strukturen der EXIST-Gründerhochschu- täten, der Aufbau von Prototypenwerkstätten oder Metho- len sind Good-Practice-Beispiele, die – in die Breite getra- den wie die Verankerung der Betreuung der Gründer nach gen – dabei helfen sollen, Strukturen an kleinen und mitt- dem Lean-Startup-Ansatz entwickelt, die für eine leben- leren Hochschulen zu schaffen und das bisher nicht oder dige, wahrnehmbare und aktivierende Gründungskultur nur unzureichend erschlossene Gründungspotential zu an Hochschulen stehen und deren Wirksamkeit erprobt heben. Insbesondere kleinere Hochschulen besitzen häufig wurde. Die Teilnehmer am Wettbewerb waren aufgerufen, ein deutliches Potential zur Steigerung ihrer Gründungsak- für ihre Hochschule ein individuelles ganzheitliches Kon- tivitäten. zept für die Generierung, Entwicklung und Beratung von Gründungsideen zu entwickeln. Mit etwa 20 Hochschulen „Regional vernetzen“: konnte seinerzeit allerdings nur ein begrenzter Kreis an Zentraler Erfolgsfaktor leistungsstarker Standorte für Einrichtungen gefördert werden. Dennoch konnten eine Hightech-Gründungen ist eine enge Vernetzung der Wis- Reihe gut funktionierender Ansätze für die Sensibilisierung senschafts- und Forschungseinrichtungen mit regionalen von Absolventen und Wissenschaftlern sowie erfolgverspre Partnern in der Wirtschaft, mit Finanzierungspartnern und chende Wege der Betreuung von Gründungsvorhaben z. B. weiteren regionalen wie überregionalen Akteuren der durch hochschuleigene Inkubatoren identifiziert werden. Gründungsunterstützung für die Etablierung einer nach- haltigen Start-up-Kultur. Mit EXIST-Potentiale sollen nun fast zehn Jahre nach dem Start des letzten Wettbewerbs wieder Hochschulen unter- „International überzeugen“: stützt werden, die aufbauend auf den bisherigen Erfahrun- Deutschland soll noch besser als „global player“ bei wissen- gen und den Best-Practice-Beispielen des vorherigen Wett- schaftsbasierten Gründungen positioniert werden. An vie- bewerbs auf ihrem Campus neue Maßnahmen für mehr len deutschen Hochschulstandorten gibt es Potentiale für Ausgründungen aus der Hochschule umsetzen und weiter- eine stärkere Internationalisierung der eigenen Gründungs entwickeln wollen. Mit dem neuen Wettbewerb soll aller- aktivitäten. dings ein weitaus breiterer Kreis in ganz Deutschland angesprochen werden. Aus 20 sollten möglichst 200 Hoch- schulen werden.
17 M O N AT S B E R I C H T 0 4 -2 0 1 9 Beteiligung von Universitäten und Hochschulen an der Konzeptphase der EXIST-Potentiale
M O N AT S B E R I C H T 0 4 - 2 0 1 9 18 Flächendeckende Resonanz auf sprechen, erreicht wurde. Unter den antragstellenden EXIST-Potentiale Hochschulen sind viele künstlerisch-kreativ oder sozial ausgerichtete Hochschulen, die beiden Hochschulen der Die Resonanz auf die Veröffentlichung der Richtlinie war Bundeswehr, Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft und überwältigend: Insgesamt sind 196 Anträge auf eine Kon- kleinere, inhaltlich spezialisierte Hochschulen, die sich bis- zeptphase in der Förderlinie EXIST-Potentiale eingegangen. her noch nicht an den Förderaufrufen beteiligt haben. Zusätzlich haben einige Hochschulen erklärt, die Konzept- phase eigenständig und ohne Ausgabenförderung durchzu- Wir erhoffen uns daher in absehbarer Zeit eine deutliche führen. Insgesamt haben die Hochschulen in Deutschland Belebung des Gründungsgeschehens an den Hochschulen damit ihr Interesse an einer Beteiligung in der Fördermaß- in Deutschland – mit positiven Effekten für die Innovati- nahme EXIST-Potentiale flächendeckend bekundet. Wenn onsfähigkeit und den Standort Deutschland. Damit leistet man bedenkt, dass etliche der 429 Hochschulen in Deutsch EXIST einen Beitrag zu den Grundlagen für unsere indust- land (wie zum Beispiel Verwaltungshochschulen) keinen rielle Volkswirtschaft von morgen. inhaltlichen Bezug zum Thema Gründungen haben, kann man von einer nahezu vollständigen Adressierung der Ziel- gruppe durch die Richtlinie EXIST-Potentiale sprechen. Kontakt: Dr. Stefan Drews Referat: Inlandsbürgschaften, innovative Gründungen, Besonders erfreulich ist, dass auch das Ziel, bisher nicht an Internationalisierung der Start-up-Finanzierung EXIST-Gründungskultur beteiligte Hochschulen anzu
19 M O N AT S B E R I C H T 0 4 -2 0 1 9 100 Jahre Wirtschaftsministerium Das deutsche Wirtschaftsministerium ist 100 Jahre alt geworden. Am 21. März 1919, in der Gründungsphase der Weimarer Republik, wurde das aus der Kaiserzeit stammende Reichswirtschaftsamt in das Reichswirtschaftsministerium überführt. Zugrunde lag der „Erlass des Reichspräsidenten betreffend die Errichtung und Bezeichnung der obersten Reichsbehörden“. Der zunächst noch vorläufige Reichspräsident Friedrich Ebert verlieh damit der neuen Reichsregierung einen rechtlichen Rahmen für den Übergang zur Parlamentarischen Republik. Bundesminister Altmaier (3. von links) im Kreise seiner Amtsvorgänger, der Bundesminister a. D. Rösler, Brüderle, Clement, Glos, Haussmann (von links nach rechts). Kritische Anfänge Als erster Nachkriegsminister brachte Ludwig Erhard in den 14 Jahren seiner Amtszeit dem Haus dann Stabilität Das neue Ministerium war für heutige Verhältnisse unvor- und Erfolg. Er führte die Soziale Marktwirtschaft ein und stellbar gefordert. Kriegsfolgen und Reparationszahlungen, verlieh dem Ministerium die Rolle eines ordnungspoliti- Hyperinflation, die Besetzung des Ruhrgebiets und die Welt schen Gewissens der Bundesregierung. Kernelemente sei- wirtschaftskrise überlagerten massiv andere wirtschaftspo- ner Politik waren die Abkehr von staatlicher Zwangswirt- litische Fragen. Konzepte und Umsetzungsstrategien muss- schaft, der Schutz des Wettbewerbs und flankierend der ten immer wieder angepasst werden, 18 Ministerwechsel in soziale Ausgleich. Dies bildete die Grundlage für das Wirt- den knapp 14 Jahren bis zur Machtergreifung der NSDAP schaftswunder der 1950er Jahre und ist auch heute noch sprechen Bände. Während des Nationalsozialismus schrieb die Voraussetzung für Wohlstand und gesellschaftlichen das Reichswirtschaftsministerium dann das dunkelste Zusammenhalt. Kapitel seiner Geschichte. Es trieb die Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung in allen Bereichen der Wirtschaft rücksichtslos voran und organisierte den Einsatz von Wechselnde Zuständigkeiten Zwangsarbeitern zur Ausbeutung besetzter Gebiete. Der gezielte Umbau der deutschen Volkswirtschaft zur Kriegs- In der Bonner Republik kam es nach Erhard wie auch nach wirtschaft erfolgte parallel über Görings Vierjahresplan der Wiedervereinigung zu größeren Zuständigkeitsverlage- behörde. rungen. Im Jahr 1971 entstand unter Karl Schiller das
M O N AT S B E R I C H T 0 4 - 2 0 1 9 20 Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen. Nur ein Festakt zum 100. Gründungstag Jahr später wurden beide Häuser wieder getrennt, Helmut Schmidt blieb Finanzminister und erhielt vom Wirtschafts- Anlässlich des 100. Jubiläums würdigte Bundesminister ministerium die Abteilung Geld und Kredit einschließlich Altmaier am 21. März 2019 in Gegenwart von fünf Amtsvor der Versicherungswirtschaft. Das Amt des Bundeswirtschafts gängern das Ministerium in einem Festakt mit historischen ministers wurde von da an bis 1998 bei relativ konstanten und aktuellen Bezügen sowie der Freischaltung einer multi Zuständigkeiten praktisch durchgängig von FDP-Politikern medialen Ausstellung. bekleidet. Professor Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts für Wirt Im Jahr 1998 gingen Teile der Europapolitik sowie die Feder schaftsforschung, identifizierte in seiner Festrede zentrale führung für den Jahreswirtschaftsbericht einschließlich der Herausforderungen der heutigen Wirtschaftspolitik. Er emp Konjunkturprojektion an Finanzminister Oskar Lafontaine. fahl, auch im Rahmen von Industriepolitik Marktmacht zu Das Wirtschaftsministerium erhielt im Gegenzug die Verant verhindern, regional- und industriepolitische Ziele mit wortung über die Technologiepolitik. In den Jahren 2002 getrennten Instrumenten zu verfolgen, in der Umweltpoli- bis 2005 war das Haus als Bundesministerium für Wirtschaft tik auf Effizienz zu achten und die Unternehmensbesteue- und Arbeit unter Wolfgang Clement für die Umsetzung der rung international wettbewerbsfähig auszugestalten. Im Hartz-Reformen zuständig. Seit Amtsantritt von Vizekanz- Umgang mit China bewertete er weniger den chinesischen ler Sigmar Gabriel im Jahr 2013 deckt es die gesamte Band- Aufstieg als dessen möglichen Abbruch als Risiko für die breite der Energiepolitik ab, also auch die Federführung für deutsche Wirtschaft. die Erneuerbaren Energien. 2014 kam der Arbeitsstab Neue Bundesländer hinzu. Die vielfältigen Umstrukturierungen Professor Albrecht Ritschl, der Sprecher der Unabhängigen brachten teils erhebliche Herausforderungen mit sich – nicht Geschichtskommission zur Aufarbeitung der Geschichte des zuletzt für die interne Organisation. Wirtschaftsministeriums, illustrierte in seiner Festrede die schwierigen wirtschaftspolitischen Bedingungen in der Wei marer Republik sowie die Verstrickungen des Ministeriums Meilensteine der Wirtschaftspolitik in die nationalsozialistischen Verbrechen. Er attestierte der deutschen Wirtschaftspolitik drei große Aufbauleistungen: Meilensteine des Ministeriums auf dem Weg in unsere heu- die wirtschaftliche Konsolidierung nach dem Ersten Welt- tige Wirtschaftsordnung sind die Einführung des Gesetzes krieg, die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft nach gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Gründung des dem Zweiten Weltkrieg und der Aufbau Ost nach der Wieder Europäischen Binnenmarktes, die Entwicklung des europä- vereinigung. Dass die ostdeutsche Wirtschaft inzwischen ischen Wettbewerbsrechts, die Liberalisierung des Telekom- 80 Prozent der Produktivität des Westens aufweise, sei ein munikations- und Postmarktes, die gezielte Wirtschaftsför- großer Erfolg, schließlich habe dieser Wert zum Zeitpunkt derung zum Aufbau Ost, die Umsetzung des Hartz-Konzepts der Wiedervereinigung bei lediglich 30 Prozent gelegen. zur Reform des Arbeitsmarktes sowie der Ausstieg aus Kern- Zudem wies Professor Ritschl auf industriepolitische Debat- und Kohlekraft. Die Politik der antizyklischen Globalsteue- ten bereits in den 1920er Jahren und in der Nachkriegszeit rung im Rahmen des Stabilitätsgesetzes von 1967 sowie der hin, ähnlich der von Bundesminister Altmaier angestoße- konzertierten Aktion erwies sich hingegen aufgrund der wirt nen Diskussion. schaftlichen und demokratisch-föderalen Komplexität als impraktikabel. Kernaufgabe der Wirtschaftspolitik ist wei- Bundesminister Peter Altmaier umriss in seiner Festrede terhin das Eintreten für Markt und Wettbewerb einschließ- zunächst die wirtschaftspolitischen Grundlinien vor 1919. lich der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts und seiner Reichskanzler Otto von Bismarck hatte den einheitlichen Unternehmen. Dabei hat sie sich – heute wie früher – in deutschen Wirtschaftsraum begründet und die Sozialversi- den politischen Gesamtkontext einzufügen. Auf dem Fest- cherung eingeführt. Mit dem Stinnes-Legien-Abkommen akt anlässlich des 50. Jubiläums des Wirtschaftsministeri- von 1918 bestand eine Sozialpartnerschaft von Arbeitneh- ums stellte Karl Schiller fest: „Die Arbeit dieses Ressorts ist mern und Arbeitgebern. Als größten Erfolg des Wirtschafts- (…) nicht immer bequem. Immer, wenn es zum Beispiel um ministeriums hob der Minister die Einführung der Sozialen Agrarpreise, Mieten, neue Steuern oder Steuererhöhungen Marktwirtschaft durch Ludwig Erhard hervor. Er erinnerte geht, immer redet dieses Wirtschaftsressort mit Penetranz an kurzzeitige Zusammenlegungen mit dem Finanz- bezie- da hinein.“ hungsweise Arbeitsministerium sowie an das Papier von
21 M O N AT S B E R I C H T 0 4 -2 0 1 9 Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff von 1982, das zu Karen Horn, die Beraterin für Familienunternehmen, Pro- einer wirtschaftspolitischen Neuausrichtung und überdies fessorin Sabine Rau, der Journalist Udo van Kampen, der zu einem Koalitions- und Kanzlerwechsel geführt hatte. Startup-Investor Frank Thelen und der Digital-Aktivist Sascha Lobo. Strittig wurde diskutiert, ob deutsche Unter- Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen verwies nehmen insbesondere bei digitalen Technologien gegen- Minister Altmaier auf die internationale Abkehr vom Mul- über den USA und China bereits zu weit ins Hintertreffen tilateralismus, im Zuge derer große Volkswirtschaften nicht geraten sind. Politikempfehlungen waren unter anderem allein auf den Markt vertrauen, sondern gezielte Strategien eine stärkere wettbewerbspolitische Kontrolle von digitalen verfolgen, um nationale Wirtschaftsinteressen ohne Rück- Plattformen, die entschiedene Mobilisierung von mehr sicht auf andere Staaten durchzusetzen. Die Wirtschaftspo- Wagniskapital, unabhängige Forschung und Lehre, mehr litik befinde sich in einer entscheidenden Phase. Er habe Bildung und mehr unternehmerische Freiheit. seinen Entwurf einer Industriestrategie vorgestellt, um Wohlstand in Deutschland und Europa zu sichern und aus Die multimediale Ausstellung mit Texten sowie Bild- und zubauen. Zudem kam der Minister auf seinen Vorschlag Tondokumenten aus der bewegten Geschichte des Ministe- einer Sozialabgabenbremse im Grundgesetz zu sprechen, riums ist unter folgendem Link abrufbar: 100.bmwi.de. bei der die Sozialversicherungsbeiträge nicht auf 40 Pro- zent des Bruttolohns ansteigen dürfen. Kontakt: Eike Sacksofsky In einer Podiumsdiskussion zur Frage, wie viel Politik Referat: Reden und Texte Wirtschaft braucht, diskutierten die Publizistin Professorin
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