IKK-SEMINAR zum Jahreswechsel 2020/2021 - IKK gesund plus
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INHALT Sozialversicherung 03 Reform Krankenkassenwahlrecht 08 Siebtes SGB IV-Änderungsgesetz 15 Arbeit-von-morgen-Gesetz Sonstiges 22 Neues zur betrieblichen Altersversorgung Lohnsteuer 24 Verbesserungen bei Elterngeld 17 Rückführung des Solidaritätszuschlags und Elternzeit 18 Jahressteuergesetz 2020 25 Reform Arbeitnehmer-Entsendegesetz 19 Klimaschutzprogramm 2030 26 Gesetzlicher Mindestlohn 2021/2022 20 Zweites Familienentlastungsgesetz 27 Rechengrößen, Grenzwerte, Fälligkeit 2021 Impressum Herausgeber: © PRESTO Gesundheits-Kommunikation GmbH www.presto-gk.de Stand: 1. November 2020 Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf geschlechterspezifische Sprachformen verzichtet, sämtliche Personenbezeichnungen gelten daher gleichermaßen für alle Geschlechter. Bildnachweis: Titel: © shellygraphyt/stock.adobe.com, S. 2: © pressmaster/stock.adobe.com, S. 2: © Halfpoint/stock.adobe.com, S. 2: © picsfive/stock.adobe.com, S. 3-15: © picsfive/stock.adobe.com, S. 17-21: © pressmaster/stock.adobe.com, S. 22-25: © Halfpoint/stock.adobe.com 2 IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021
SOZIALVERSICHERUNG Reform Krankenkassenwahlrecht einheitlicher zu gestalten: Unterbrechung der Mitglied- Die Richter am Kasseler Bundessozialgericht haben am schaft hin oder her, endet ein Versicherungspflichttatbe- 11. September 2018 ein Urteil gefällt, wonach es zur Aus- stand kraft Gesetzes, bedarf es in Zukunft weder einer übung des Krankenkassenwahlrechts keiner Kündigung Kündigung noch sind die Bindungsfristen einzuhalten – von bedarf, sofern die Mitgliedschaft kraft Gesetzes endet, den drei in der Aufzählung genannten Wechselvarianten Versicherungspflicht erneut eintritt und die allgemeine bleiben nur noch zwei. Das bedeutet, dass in Zukunft bei Bindungsfrist erfüllt ist. In der Folge mussten beim Kassen- jedem Arbeitgeberwechsel ein Wahlrecht besteht. wechsel drei Konstellationen unterschieden werden: Außerdem wird die allgemeine Bindungsfrist von 18 auf Regelverfahren, d. h. mit Kündigung und mit Bindungs- 12 Monate reduziert. Damit will die Bundesregierung errei- fristen chen, dass die Mitglieder auch ohne eine Anhebung des Mitgliedschaftsende mit Unterbrechung von mindestens individuellen Zusatzbeitragssatzes (als weitere Wechsel einem Kalendertag – ohne Kündigung und ohne Bin- variante) schneller als bisher ihre Kasse wechseln können. dungsfristen Mitgliedschaftsende ohne Unterbrechung – ohne Kündi- Darüber hinaus wird mit dem Siebten SGB IV-Änderungs gung, aber mit Bindungsfristen gesetz das Vorlegen der Mitgliedsbescheinigung beim Ar- beitgeber durch schlichte Angaben des Arbeitnehmers über Diese Unterscheidungen können Mitglieder und Arbeitgeber seine (neu gewählte) Krankenkasse ersetzt und unter Beach- kaum noch nachvollziehen. Die Bundesregierung hat das tung des Datenschutzes eine elektronische Übermittlung zum Anlass genommen, mit dem sog. MDK-Reformgesetz der Daten der Mitgliedsbescheinigung von der Krankenkasse den Kassenwechsel vom 1. Januar 2021 an einfacher und an den Arbeitgeber etabliert. IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021 3
PRAXIS-TIPP: Der GKV-Spitzenverband wird die Rechtsänderungen zum Anlass nehmen, seine Grundsätzlichen Hinweise zum Krankenkassenwahlrecht neu zu veröffentlichen. Hier finden Sie Antworten auf nahezu alle im Zusammenhang mit dem Wahlrecht stehenden Fragen. Darüber hinaus wenden Sie sich gerne vertrauensvoll an Ihre IKK. Kassenwechsel im Regelverfahren Das Ausüben des Kassenwahlrechts im Regelverfahren, also ohne Beendigung der Mitglied- schaft kraft Gesetzes, beinhaltet mehrere Stufen. Folgende Voraussetzungen bzw. Hand- lungen des Mitglieds und der beteiligten Krankenkassen sind kumulativ notwendig: Die allgemeine Bindungsfrist bei der bisherigen Krankenkasse muss grundsätzlich erfüllt sein. Dies wird zunächst vorläufig durch die gewählte Krankenkasse auf Grundlage der Angaben des Mitglieds geprüft und anschließend verbindlich durch die bisherige Kran- kenkasse gegenüber der gewählten Krankenkasse bestätigt. In Übergangsfällen verkürzt sich eine laufende 18-monatige Bindungsfrist zum 31. De- zember 2020 auf 12 Monate (siehe auch „Bindung an die Krankenkassenwahl“). Bei Inanspruchnahme eines Wahltarifs muss die besondere Bindungsfrist bei der bishe- rigen Krankenkasse (12 bzw. 36 Monate) grundsätzlich erfüllt sein. Dies wird ebenfalls zunächst vorläufig durch die gewählte Krankenkasse geprüft und anschließend verbind- lich durch die bisherige bestätigt. Der bisherigen Krankenkasse muss gekündigt werden, allerdings wird die schriftliche Kündigung des Mitglieds in Zukunft durch eine elektronische Meldung der gewählten Krankenkasse an die bisherige Krankenkasse (sog. Initialmeldung) ersetzt. Die bisherige Krankenkasse bestätigt der gewählten Krankenkasse unverzüglich, spätes- tens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Initialmeldung, elektronisch das Ende der Mitgliedschaft. Diese Rückmeldung erfüllt die gleiche Funktion, die bis- lang die Kündigungsbestätigung hatte. Sind die Voraussetzungen des Kassenwechsels zu dem angestrebten Zeitpunkt noch nicht erfüllt, wird der frühestmögliche Mitglied- schaftsbeginn angegeben. Die gewählte Krankenkasse wiederum informiert das Mitglied unverzüglich nach der Rückmeldung der bisherigen Kasse über den Wechsel. Der Arbeitnehmer informiert daraufhin unverzüglich formlos seinen Arbeitgeber über die gewählte Krankenkasse. Der Arbeitgeber nimmt die Anmeldung („11“) bei der gewählten Krankenkasse und (später) die Abmeldung bei der bisherigen Kasse („31“) vor. Die gewählte Krankenkasse bestätigt als Antwort auf die übermittelte Anmeldung („11“) dem Arbeitgeber das Bestehen der Mitgliedschaft; diese Mitgliedsbescheinigung in elek- tronischer Form (siehe auch „Elektronische Mitgliedsbestätigung“) erfolgt im Rahmen des sog. Qualifizierten Meldedialogs. (Beispiel 1) 4 IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021
Keine Mitgliedschaft bei gesetzlicher Krankenkasse mehr: BEISPIEL 1: Hier bedarf es unverändert einer schriftlichen Kündigung gegenüber der bisher zuständigen Krankenkasse. In Be- Eine versicherungspflichtige Arbeitnehmerin, seit tracht kommen dafür beispielsweise Sachverhalte, in de- Jahren ununterbrochen beim selben Arbeitgeber be- nen ein Austritt aus der GKV (z. B. Verzug ins Ausland, schäftigt, ist seit dem 1. Juli 2020 BKK-Mitglied. Bei Wechsel in die private Krankenversicherung) angestrebt nächster Gelegenheit möchte sie zur IKK wechseln. wird. Die abgewählte Krankenkasse hat in diesen Fällen unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen nach E in Kassenwechsel ist zum 1. Juli 2021 möglich, Eingang der Kündigung, eine Kündigungsbestätigung aus- da dann die neue 12-monatige Bindungsfrist er- zustellen. füllt ist. Voraussetzung ist, dass die Arbeitneh- merin ihr Wahlrecht bis spätestens zum 30. April Sofortiges Krankenkassenwahlrecht 2021 ausübt. Dazu muss sie sich lediglich noch Sofortiges Wahlrecht bedeutet, dass eine neue Kranken an die IKK wenden, denn die elektronische Initial kasse ohne Kündigung und ohne Rücksicht auf die Dauer meldung der IKK an die BKK ersetzt die schrift der Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse gewählt liche Kündigung. Wird der Kassenwechsel z. B. werden kann. Keiner Kündigung bedarf es vom 1. Januar bereits im März zum 31. Mai 2021 erklärt, wird 2021 an immer dann, wenn die Mitgliedschaft kraft Ge- die Kündigung umgedeutet und die Rückmeldung setzes endet. Wird anschließend ein neuer Tatbestand der der BKK enthält als Mitgliedschaftsende trotzdem Versicherungspflicht begründet, besteht innerhalb von den 30. Juni 2021. maximal zwei Wochen ein sofortiges Wahlrecht aus Anlass dieser Veränderung im versicherungsrechtlichen Status. Kündigung der Mitgliedschaft Mit der Beendigung der Mitgliedschaft kraft Gesetzes er- Ohne Unterbrechung der Mitgliedschaft kann die Kran- lischt die 12-monatige Bindung an die bisherige Kranken- kenkasse im Regelverfahren nur gewechselt werden, wenn kasse. Die evtl. bestehenden Bindungsfristen aufgrund von sie bei der bisherigen Krankenkasse wirksam gekündigt Wahltarifen spielen im Falle der Beendigung der Mitglied- wurde. Eine Kündigung der Mitgliedschaft ist – über den schaft kraft Gesetzes ebenso keine Rolle. 31. Dezember 2020 hinaus – zum Ablauf des übernächs- ten Kalendermonats möglich, gerechnet von dem Monat, WICHTIG: Die Unterscheidung der rechtlichen Vorausset- in dem das Mitglied seine Wechselabsicht erklärt. Vom zungen danach, ob ein neuer Tatbestand der Versicherungs- 1. Januar 2021 an sind diese beiden Szenarien denkbar: pflicht nach einer Unterbrechung der Mitgliedschaft eintritt Wechsel in eine andere Krankenkasse: Das Mitglied muss oder sich nahtlos an die vorangegangene Mitgliedschaft an- gegenüber seiner bisherigen Krankenkasse nicht mehr schließt, entfällt. In beiden Fallkonstellationen besteht ein schriftlich kündigen, denn die Kündigung wird durch die neues Wahlrecht ohne Rücksicht darauf, wie lange die Mit- Initialmeldung der gewählten Krankenkasse ersetzt. Die gliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse bestanden hat. elektronische Rückmeldung der bisher zuständigen Kran- kenkasse erfüllt die Funktion der bisherigen Kündigungs- bestätigung. Ein sofortiges Wahlrecht ist beispielsweise auch dann ge- geben, wenn eine Zeit der Versicherungspflicht sich un- mittelbar an eine zuvor kraft Gesetzes beendete freiwillige WICHTIG: Der GKV-Spitzenverband hat festgelegt, dass Mitgliedschaft anschließt (z. B. Eintritt von Versicherungs- die Kündigungsfrist sich nicht ausgehend vom Datum des pflicht bei Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze). Zugangs der Meldung bei der bisherigen Krankenkasse be- rechnet. Vielmehr kommt es auf das Datum der Erstellung Wer einen bestimmten Versicherungspflichttatbestand mehr- der Initialmeldung durch die neu gewählte Krankenkasse an. fach erfüllt (z. B. Mehrfachbeschäftige) oder zwei gleichran- gige Tatbestände gleichzeitig (z. B. versicherungspflichtige IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021 5
Arbeitnehmer mit Bezug von Teilarbeitslosengeld bzw. Ar- Sofortiges Kassenwahlrecht – Verfahrensablauf: beitslosengeld II), für den vollzieht sich ein Kassenwechsel typischerweise im Regelverfahren. Jedenfalls begründet 1. Wahl der Krankenkasse unter Beachtung der Wahlmöglich- ein Hinzutritt bzw. Wegfall eines weiteren Versicherungs- keiten und Fristen für die Abgabe der Wahlerklärung. pflichttatbestandes kein sofortiges Wahlrecht. 2. Die gewählte Krankenkasse prüft auf Grundlage der Anga- ben des zukünftigen Mitglieds die Voraussetzungen und WICHTIG: Nach den vom Gesetzgeber neu aufgestellten informiert das Mitglied unverzüglich über den Wechsel. Grundsätzen (siehe auch nebenstehenden Verfahrensablauf) sind alle Sachverhalte zu bewerten, in denen ein neuer Tatbe- 3. Der Arbeitnehmer informiert unverzüglich formlos seinen stand der Versicherungspflicht nach dem 31. Dezember 2020 Arbeitgeber über die gewählte Krankenkasse. eintritt (Beispiel 2). 4. Die gewählte Krankenkasse informiert die bisherige Kran- kenkasse über den Kassenwechsel im Rahmen des elektro- nischen Meldeverfahrens. BEISPIEL 2: 5. Die bisherige Krankenkasse bestätigt der gewählten Kran- Ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist seit kenkasse unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von dem 1. Juli 2020 AOK-Mitglied. Einen Arbeitgeber- zwei Wochen nach Eingang der Abmeldung („30“) durch wechsel zum 1. Januar 2021 möchte er zum Anlass den Arbeitgeber, das Ende der Mitgliedschaft. nehmen, IKK-Mitglied zu werden. 6. Der Arbeitgeber nimmt die Anmeldung („10“) bei der ge- Unabhängig davon, ob der neue Versicherungs- wählten Krankenkasse vor. pflichttatbestand nach einer Unterbrechung der Mitgliedschaft eintritt oder sich – wie hier – 7. Die gewählte Krankenkasse prüft auf Grundlage der einge- nahtlos an die vorangegangene Mitgliedschaft gangenen Meldungen abschließend die Voraussetzungen anschließt, ist ein Kassenwechsel von 2021 und bestätigt als Antwort auf die Anmeldung („10“) des an immer sofort zulässig. Auch wenn die Bin- Arbeitgebers das Bestehen der Mitgliedschaft mittels elek- dungsfrist bei der AOK noch nicht erfüllt ist, tronischer Mitgliedsbestätigung. kann der Arbeitnehmer zum 1. Januar 2021 IKK-Mitglied werden. Die Arbeitgeber erhalten also bei jeder Anmeldung eines Arbeitnehmers (Ausnahme: geringfügig Beschäftigte) mit Elektronische Mitgliedsbestätigung Abgabegrund „10“ (Beschäftigungsbeginn), „11“ (Kranken- Auf Grundlage des Siebten SGB IV-Änderungsgesetzes ent- kassenwechsel) oder „40“ (gleichzeitige An- und Abmeldung) fallen ab dem 1. Januar 2021 Mitgliedsbescheinigungen eine elektronische Rückmeldung über das Bestehen der in Textform zur Vorlage beim Arbeitgeber. Zukünftig ist Mitgliedschaft. Das Ganze im gewohnten Abrufverfahren es ausreichend, wenn der Arbeitnehmer die notwendigen mit dem Datensatz Krankenkassenmeldung (DSKK) und Angaben zu seiner (neu gewählten) Krankenkasse unver- dem neuen Datenbaustein Mitgliedsbestätigung (DBMB). züglich formlos macht, d. h. spätestens innerhalb von zwei Neben der Feststellung zur Mitgliedschaft (ja/nein) ergibt Wochen. Der Arbeitgeber meldet den Arbeitnehmer dann sich daraus bei einem Wechsel der Krankenkasse ggf. ein wie gewohnt bei dieser Krankenkasse über das DEÜV- abweichender Zeitpunkt des Mitgliedschaftsbeginns bei der Meldeverfahren an. neuen Krankenkasse: Erfolgen die Angaben nicht innerhalb der Zwei-Wochen- Mitgliedschaft besteht: Der DBMB enthält als Zeitraum- Frist, hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer – wie schon Beginn grundsätzlich das Beginn-Datum aus der Anmel- bisher – bei der Krankenkasse anzumelden, bei der zuletzt dung. Bei einem Kassenwechsel („11“) ist es möglich, eine Versicherung bestand. Existiert keine letzte Versiche- dass ein in der Zukunft liegendes Datum zurückgemel- rung, hat die Anmeldung bei einer der wählbaren Kranken- det wird, weil z. B. aufgrund der noch nicht abgelaufenen kassen zu erfolgen – der Arbeitnehmer ist dann über die Bindungsfrist die Mitgliedschaft bei der neu gewählten Wahl des Arbeitgebers in Textform zu informieren. Krankenkasse erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnt. 6 IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021
In diesen Fällen sind die Ab- und Anmeldung zu stor- nieren und zu dem in der Rückmeldung angegebenen ÜBERGANGSREGELUNG: Im Hinblick auf das Verkürzen Datum erneut abzugeben. der allgemeinen Bindungsfrist ab dem 1. Januar 2021 gilt eine besondere rechtliche Bewertung: In den Übergangsfäl- Mitgliedschaft besteht nicht: Sofern im DBMB angege- len, in denen die Bindungsfrist durch ein Ereignis in den ben ist, dass keine Mitgliedschaft bei der Krankenkasse Jahren 2019 oder 2020 ausgelöst wurde und die bis dato besteht, erfolgt auch keine Angabe eines Zeitraum-Be- maßgebliche 18-monatige Bindungsfrist zum Jahreswechsel ginns („00.00.0000“). Erhält der Arbeitgeber eine solche 2020/21 noch nicht erfüllt ist, verkürzt sich die laufende Rückmeldung, muss er die Anmeldung stornieren, die 18-monatige Bindungsfrist zum 31. Dezember 2020 auf korrekte Krankenkasse ermitteln und die Anmeldung er- 12 Monate. Für Mitglieder, die einen Kassenwechsel im Kün- neut abgeben. digungsverfahren zu einem schnellstmöglichen Zeitpunkt anstreben, bedeutet dies, dass ein Wechsel frühestens zum HINWEIS: Die elektronische Mitgliedsbestätigung ist der 1. Januar 2021 unter der Voraussetzung möglich ist, dass Nachweis über die bestehende Mitgliedschaft, papiergebun- die neue 12-monatige Bindungsfrist zum 31. Dezember dene Mitgliedsbescheinigungen gibt es nicht mehr. Die be- 2020 erfüllt ist. (Beispiel 3) reits vorliegenden Papierbescheinigungen verlieren mit dem 31. Dezember 2020 jedoch nicht ihre Gültigkeit und sind weiterhin in den Entgeltunterlagen aufzubewahren. BEISPIEL 3: Bindung an die Krankenkassenwahl Die Mitgliedschaft einer versicherungspflichtigen Neben der allgemeinen Bindungsfrist von 18 bzw. 12 Mo- Arbeitnehmerin, seit Jahren ununterbrochen beim naten (bis 31. Dezember 2020 bzw. ab 1. Januar 2021) sind selben Arbeitgeber beschäftigt, bei einer Ersatz- die Mitglieder bei Inanspruchnahme bestimmter Wahltarife kasse begann am 1. Januar 2020. Zum 1. März 2021 für die Dauer von 12 Monaten (Nichtinanspruchnahme von möchte sie IKK-Mitglied werden, einen Wahltarif hat Leistungen, Kostenerstattung) bzw. 36 Monaten (Selbst sie bei der Ersatzkasse nicht abgeschlossen. behalt, Krankengeld-Wahltarif) an ihre Krankenkasse ge- bunden. Diese besonderen Bindungsfristen müssen nicht Die neue 12-monatige Bindungsfrist ist am zwingend parallel zur allgemeinen Bindungsfrist verlaufen. 31. Dezember 2020 erfüllt. Sofern die Kündi- gung bis zum 31. Dezember 2020 bei der Er- Das Ereignis, welches die allgemeine Bindungsfrist auslöst, satzkasse eingeht, ist – ungeachtet dessen, dass ist ab dem 1. Januar 2021 die tatsächliche Wahl einer Kran- die 18-monatige Bindungsfrist eigentlich erst kenkasse durch das Mitglied – nicht etwa ein zwar grund- am 30. Juni 2021 endet – der Wechsel zur IKK sätzlich bestehendes, jedoch tatsächlich nicht ausgeübtes zum 1. März 2021 möglich. Die Ersatzkasse hat Wahlrecht. Nur eine aktive, gegenüber der gewählten Kran- die noch erforderliche Kündigungsbestätigung kenkasse kommunizierte Wahlentscheidung kann eine in Papierform auszustellen. Bindungswirkung entfalten. Ob die Wahlentscheidung im Rahmen eines sofortigen Wahlrechts zugunsten der zuletzt zuständigen oder einer neuen Kasse getroffen wird, ist insoweit ohne Bedeutung. Besondere Bindungsfristen enden mit Ablauf der 12 bzw. 36 zusammenhängenden Zeitmonate. Darüber hinaus erlö- schen sie bei Beendigung der Mitgliedschaft kraft Gesetzes. Eine noch nicht abgelaufene Bindungsfrist lebt selbst dann nicht wieder auf, wenn das Mitglied aus Anlass des beste- henden sofortigen Kassenwahlrechts bei der bisherigen Krankenkasse verbleibt. Lediglich eine erneute Wahlerklä- rung zugunsten eines Wahltarifs kann eine neue Bindungs- frist auslösen. IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021 7
Siebtes SGB IV-Änderungsgesetz Neben der Einführung der elektronischen Mitgliedsbestätigung, auf die wir bereits WICHTIG: Nach Eingang der Anfor- im Abschnitt zur Reform des Krankenkassenwahlrechts eingegangen sind, schüt- derung haben die Arbeitgeber die tet das federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auch mit fehlende Jahresmeldung spätestens der siebten Auflage in der Reihe der SGB IV-Änderungsgesetze ein wahres Füllhorn mit der nächsten Lohn- und Gehalts- an Änderungen aus. Laut eigenem Bekunden sollen damit bestehende Verfahren abrechnung wie gewohnt zu übermit- in der Sozialversicherung effektiver gestaltet und im Sinne der Digitalisierung und teln. Sofern sie auf die elektronische der Entbürokratisierung verbessert werden. Anforderung nicht reagieren, erfolgt die weitere Korrespondenz wieder im Elektronische Anforderung fehlender Jahresmeldungen herkömmlichen Papierverfahren, denn Es bedurfte nur eines Federstrichs, um das Anfordern fehlender Jahresmeldungen die elektronische Anforderung erfolgt ab dem 1. Januar 2021, also erstmals für das Jahr 2020, vom „Serienbrief“ in das digitale Zeitalter zu holen: „Die Einzugsstellen können fehlende Jahresmeldungen für jede fehlende Jahresmeldung nur maschinell anfordern“ – heißt es nunmehr in der Datenerfassungs- und -übermitt- einmalig. lungsverordnung (DEÜV). Bislang müssen die Einzugsstellen jährlich eine große Anzahl von Jahresmeldungen im manuellen Papierverfahren anfordern – schließ- lich sind sie verpflichtet, die Vollständigkeit der Meldungen zu überwachen. Beispielsweise mussten im Jahr 2016 ca. 700.000 fehlende Jahresmeldungen an- gefordert werden. Dank des papiergebundenen Erinnerungsverfahrens wurden zwar kurzfristig ca. 600.000 Datensätze nachgemeldet, die zukünftige elektroni- sche Anforderung wird den Verwaltungsaufwand dennoch erheblich reduzieren. Gleichzeitig erhöht sich die Verfahrenssicherheit. Der Hintergrund ist bekannt: Die Arbeitgeber haben für nahezu jeden am 31. De- zember eines Jahres Beschäftigten mit der ersten folgenden Lohn- und Gehalts abrechnung, spätestens bis zum 15. Februar des Folgejahres, eine Jahresmeldung (Abgabegrund „50“) an die zuständige Einzugsstelle zu übermitteln. Die Daten werden an die Deutsche Rentenversicherung und Bundesagentur für Arbeit weitergeleitet, wo sie in das Rentenkonto des Versicherten übernommen, für die Betriebsprüfung vorgehalten bzw. für statistische Zwecke genutzt werden. Technisch werden fehlende Jahresmeldungen mittels Krankenkassenmeldungen angefordert, die bislang schon von den GKV-Monatsmeldungen (wenn Mehrfach- beschäftigte die Beitragsbemessungsgrenze überschreiten) bekannt sind. Die Anforderung bei den Arbeitgebern für abgelaufene Kalenderjahre erfolgt mit dem Datensatz Krankenkassenmeldung (DSKK, Grund der Abgabe „05“) und dem neuen Datenbaustein Anforderung Meldung (DBAM). Aus dem DBAM ergibt sich dabei lediglich die Information, für welches Kalenderjahr eine Jahresmeldung an- gefordert wird (zulässig ist nur ein Wert größer 2019). Fehlende Jahresmeldun- gen für geringfügig entlohnte Beschäftigte werden weiterhin ausschließlich in Papierform angefordert. Für fehlende UV-Jahresmeldungen (Abgabegrund „92“) gilt das neue Verfahren ebenfalls nicht. Unverändert gilt: Eine Jahresmeldung („50“) ist dann nicht zu erstatten, wenn be- reits wegen einer Unterbrechung der Beschäftigung (z. B. aufgrund von Kranken- geldbezug) eine Unterbrechungsmeldung zu erstatten war und der 31. Dezember in den Unterbrechungszeitraum fällt. Außerdem ist keine Jahresmeldung zu er- stellen, wenn wegen einer Änderung im Beschäftigungs- oder Versicherungsver- hältnis ohnehin zum 31. Dezember eine Sonstige Meldung, z. B. wegen Änderung der Beitragsgruppe, erstattet wurde. 8 IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021
Wegfall des Kennzeichens „Mehrfachbeschäftigung“ Datenanforderung: Anlage eines Arbeitgeberkontos Bislang haben die Arbeitgeber das Bestehen einer Mehr- Als Reaktion auf eine erstmalige Anmeldung durch einen fachbeschäftigung zu melden. Eine Auswertung des Be- Arbeitgeber versenden die Einzugsstellen regelmäßig Frage standsprüfungsverfahrens durch die Einzugsstellen hat bögen zur Anlage eines Arbeitgeberkontos in Papierform, jedoch ergeben, dass die besondere Kennzeichnung einer um alle erforderlichen Daten einzuholen. Laut Gesetzesbe- Mehrfachbeschäftigung im DEÜV-Meldeverfahren nicht zu gründung gab es im Jahr 2018 rund 19,3 Mio. Anmeldun- einer Qualitätsverbesserung führt. Die Tatbestände könn- gen. Nach Schätzung des GKV-Spitzenverbandes erfolgt eine ten auch ohne das Kennzeichen „Mehrfachbeschäftigung“ Datenanforderung in rund 10 % der Fälle. Der Aufwand pro eindeutig festgestellt werden, sodass darauf zukünftig Rückantwort liegt nach Auskunft von Arbeitgebern bei durch- verzichtet wird. Hinzu kommt, dass in der Praxis häufig schnittlich ca. 20 Minuten, außerdem entstehen Sachkosten Unsicherheiten hinsichtlich der richtigen Verwendung des für den Briefversand. Die rund 1,93 Mio. Fälle verursachen Kennzeichens bestehen, insbesondere bei nur tageweisen also Gesamtkosten von geschätzt 24,13 Mio. Euro jährlich. Überschneidungen. Dies erscheint dem BMAS im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung nicht mehr zeitgemäß und gegenüber den Nach dem Siebten SGB IV-Änderungsgesetz sollte die Neu Arbeitgebern nicht mehr vermittelbar. regelung erst zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. Allerdings wurde im Rahmen der Meldebesprechung der SV-Spitzen- Vom 1. Januar 2022 an gilt daher: Die Arbeitgeber haben organisationen im Februar 2020 davon abweichend festge- auf elektronische Anforderung der Einzugsstellen mit der legt, das Kennzeichen „Mehrfachbeschäftigung“ bereits zum nächsten Entgeltabrechnung die notwendigen Angaben zur 1. Januar 2021 aus dem Datenbaustein Meldesachverhalt Anlage eines Arbeitgeberkontos elektronisch zu übermit- (DBME) und dem Datenbaustein Bestandsabweichung Melde- teln. Das Nähere über die Angaben, die Datensätze und das verfahren (DBBM) zu streichen. Verfahren wird in Gemeinsamen Grundsätzen geregelt. HINWEIS: Soweit bei einer Mehrfachbeschäftigung die Ein- AUSBLICK: Die erforderlichen Informationen sind im Rah- zugsstelle anhand der Entgeltmeldungen nicht ausschließen men eines Dialogverfahrens auf Anforderung der Einzugs- kann, dass die in dem sich überschneidenden Meldezeitraum stellen in elektronischer Form von den Arbeitgebern zu erzielten Arbeitsentgelte die Beitragsbemessungsgrenze melden. Das Nähere zum Verfahren soll in der Meldebespre- überschreiten, fordert sie auch weiterhin den Arbeitgeber chung der SV-Spitzenorganisationen im I. Quartal 2021 be- im Qualifizierten Meldedialog auf, GKV-Monatsmeldun- schlossen werden – angedacht ist, dieses Dialogverfahren in gen (Abgabegrund „58“) abzugeben. Auf die Anforderung das Arbeitgeber-Meldeverfahren zu integrieren. Geprüft wer- der 58er Meldungen mit Datenbaustein Meldesachverhalt den soll in dem Kontext, wie unter den künftig bestehenden GKV-Monatsmeldung (DBMM) hat der Wegfall des Kennzei- Möglichkeiten der elektronischen Datenanforderung auch chens „Mehrfachbeschäftigung“ keinerlei Auswirkungen. das SEPA-Lastschriftmandat mit abgebildet werden kann. IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021 9
Lohnsteuerangaben in Meldungen für die Minijob-Zentrale Zukünftig sind die Arbeitgeber verpflichtet, in allen Entgeltmeldungen für die Minijob- Zentrale die Art der Besteuerung anzugeben. Zusätzlich müssen das steuerrechtliche Ordnungsmerkmal des Arbeitgebers (Steuernummer) und das des Arbeitnehmers (Steuer- Identifikationsnummer) übermittelt werden. Da nur Entgeltmeldungen betroffen sind, erfolgt lediglich eine rückschauende Feststellung für einen abgelaufenen Zeitraum; in der Regel entweder nach dem Ende der Beschäftigung (Abmeldung) oder nach Ablauf eines Kalenderjahres (Jahresmeldung). Hintergrund ist, dass die Minijob-Zentrale nicht nur als zuständige Einzugsstelle, sondern zu- gleich als Steuerbehörde handelt. Sie hat zu prüfen, ob die Steuern für geringfügig entlohnte Beschäftigte korrekt und in voller Höhe entrichtet wurden. Der Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages hatte deshalb eine Ergänzung des Meldeverfahrens angeregt. WICHTIG: Die Neuregelung tritt nach dem Siebten SGB IV-Änderungsgesetz eigentlich be- reits zum 1. Januar 2021 in Kraft. Im Einvernehmen mit dem BMAS wird das Verfahren aber erst zum 1. Januar 2022 umgesetzt – in laufenden Beschäftigungsverhältnissen also begin- nend mit der Jahresmeldung für das Kalenderjahr 2021. Das Nähere zum Verfahren ist in der Meldebesprechung der SV-Spitzenorganisationen am 22. September 2020 beschlossen worden. Danach werden die Entgeltmeldungen um einen Datenbaustein Steuerdaten (DBST) erweitert, der die beiden o. g. Informationen (Steuer- nummer, Steuer-Identifikationsnummer) sowie das Kennzeichen zur Art der Besteuerung enthält. Letzteres besteht aus der Ziffer „1“ für die einheitliche Pauschsteuer von 2 % oder die Ziffer „0“ für alle anderen Möglichkeiten der Besteuerung (pauschale Lohnsteuer von 20 %, individuelle Besteuerung nach den Lohnsteuerabzugsmerkmalen bzw. keine Steuern). Bescheinigungen elektronisch anfordern und annehmen Das elektronische Bescheinigungswesen war bisher weitgehend optional zu nutzen, soll zukünftig aber mehr und mehr verpflichtend werden: rvBEA – hier steht „rv“ für Rentenversicherung und „BEA“ für Bescheinigungen elektro- nisch anfordern und annehmen BA-BEA – ist das entsprechende Verfahren der Bundesagentur für Arbeit (BA) Mit dem Ziel, auch in diesem Bereich die Digitalisierung voranzutreiben, sind die mit rvBEA für Zwecke der gesetzlichen Rentenversicherung anzufordernden Bescheinigungen – erstma- lige Ermittlung des Einkommens, Ermittlung von Einkommensänderungen und Auskunfts- pflicht des Arbeitgebers – aufgrund des Siebten SGB IV-Änderungsgesetzes verpflichtend. Da künftig jeder Arbeitgeber daran teilnimmt, wird die Deutsche Rentenversicherung das Verfahren dahingehend anpassen, dass voraussichtlich ab dem 1. Juli 2021 keine Registrierung mehr erfolgen muss. Bis dato haben sich der Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Abrechnungsstelle vorab für die Teilnahme an rvBEA elektronisch bei der DSRV (Datenstelle der Rentenversicherung) zu registrieren. Die Verpflichtung der Arbeitgeber, mindestens einmal wöchentlich zu prüfen, ob die DSRV Anforderungen auf ihrem Kom- munikationsserver für sie hinterlegt hat und diese abzurufen, besteht dann ausnahmslos. 10 IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021
WICHTIG: Auch das rvBEA-Teilverfahren GML57 zur Anforderung einer DEÜV-Meldung mit Abgabegrund „57“ für Arbeitnehmer, die einen Antrag auf Altersrente gestellt haben oder sich im Versorgungsausgleichsverfahren befinden (Gesonderte Meldung nach § 194 SGB VI), ist jetzt grundsätzlich obligatorisch. Die Registrierungspflicht entfällt ebenfalls voraussicht- lich ab dem 1. Juli 2021, von da an werden alle Anforderungen nur noch digital zugestellt. Die mindestens wöchentliche Abrufverpflichtung vom Kommunikationsserver besteht analog. Das Verfahren BA-BEA hat eine erhebliche Bedeutung für eine digitale und bürgerfreund- liche Gestaltung des Antragsprozesses sowie eine zügige Entscheidung der BA über den Anspruch auf Sozialleistungen. Ziel ist es, die elektronisch vorliegenden Antragsdaten der Leistungsberechtigten und die elektronisch übermittelten Daten der Bescheinigungen medienbruchfrei zusammenzuführen. Eine Übergangszeit bis Ende 2022 bietet den bis- her noch nicht an BA-BEA teilnehmenden Arbeitgebern die Möglichkeit, sich auf das ab 1. Januar 2023 ausschließlich elektronische Verfahren einzustellen. Elektronisch unterstützte Betriebsprüfung nicht vom Arbeitgeber in Papierform zugesandt, sondern Mit dem Siebten SGB IV-Änderungsgesetz wird die elektro- in elektronischer Form übermittelt werden. Dies setzt eine nisch unterstützte BetriebsPrüfung (euBP) für Arbeitgeber gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeber zur Führung der zum 1. Januar 2023 grundsätzlich verpflichtend. Laut Geset- Entgeltunterlagen in elektronischer Form voraus, die mit zesbegründung ist das optionale Angebot der elektronischen einer Änderung der Beitragsverfahrensverordnung (BVV) Unterstützung bei der Prüfung der Arbeitgeber in den letzten vollzogen wurde. Diese tritt nach dem Siebten SGB IV-Ände- Jahren bereits von rund 40 % der Arbeitgeber genutzt worden. rungsgesetz zum 1. Januar 2022 in Kraft mit der Maßgabe, Durch die nun vorgesehene Regelung soll zukünftig die euBP dass Arbeitgeber sich bis zum 31. Dezember 2026 – analog für den Bereich der Entgeltabrechnung zur Norm werden. Die zu der Befreiungsmöglichkeit von der euBP – auf Antrag von Vorteile liegen in einem erheblichen Zeitgewinn sowohl für der Verpflichtung zur Führung von elektronischen Unter die Arbeitgeber als auch die Prüfdienste, welche sich dann lagen befreien lassen können. verstärkt auf ihre beratende Funktion konzentrieren können. Für den Bereich der Prüfung der Finanzbuchhaltung bleibt es WICHTIG: Hinsichtlich der elektronisch zu führenden Ent- bis auf Weiteres bei einem optionalen Verfahren. geltunterlagen werden nicht nur die Arbeitgeber in die Pflicht Auch nach dem Jahr 2022, längstens jedoch für Prüfzeit- genommen, die Digitalisierung beginnt zur Vermeidung von räume bis zum 31. Dezember 2026, können die Arbeit Medienbrüchen bereits einen Schritt früher: Schon die Be- geber im begründeten Einzelfall auf Antrag vom Prüfdienst schäftigten und die ansonsten jeweils zuständigen Stellen des zuständigen Rentenversicherungsträgers von der euBP haben die Unterlagen in elektronischer Form zur Verfügung entbunden werden. zu stellen, sofern sie nicht ohnehin elektronisch aus der Ab- rechnung des Arbeitgebers entnommen werden können. PRAXIS-TIPP: Für ergänzende Informationen und Doku- mente zur euBP lohnt ein Besuch der DRV-Homepage: Bevollmächtigung bei Arbeitgebern mit Sitz im Ausland: www.deutsche-rentenversicherung.de Arbeitgeber, die in Deutschland Arbeitnehmer sozialver- (Rubrik: Experten/Arbeitgeber & Steuerberater) sicherungspflichtig beschäftigen, aber selbst keinen Sitz im Inland haben, müssen vom 1. Januar 2021 an einen Bevollmächtigten im Inland bestellen. Diesem obliegt die Führung der Entgeltunterlagen nur in elektronischer Form: Verpflichtung, Entgeltunterlagen in deutscher Sprache zu Eine vollständige und konsequente Nutzung der sich aus führen und aufzubewahren. Dadurch soll sichergestellt der euBP ergebenden Einsparpotentiale und Effizienzgewin- werden, dass eine Überwachung der Arbeitgeberpflichten ne für die Betriebsprüfdienste der Deutschen Rentenversiche- gewährleistet ist, obwohl der Arbeitgeber seinen Sitz im rung ist nur möglich, sofern zu sichtende Entgeltunterlagen Ausland hat. IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021 11
Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Geringfügig Beschäftigte: Anders als ursprünglich geplant, Bereits mit dem Dritten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG III) wird die Grundlage für ein einfacheres Abrufverfahren von wurde die rechtliche Grundlage für die Einführung der elek- eAU-Daten für die Arbeitgeber geschaffen. Durch die über- tronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (kurz: eAU) arbeitete Regelung wird zum einen sichergestellt, dass ab dem 1. Januar 2022 geschaffen. Im Rahmen des Sieb- die Krankenkassen weiterhin die einzigen Sozialversiche- ten SGB IV-Änderungsgesetzes ist zusätzlich die Möglich- rungsträger sind, die Arbeitsunfähigkeitsdaten vorhalten. keit für eine vorgeschaltete Pilotierung des Verfahrens vom Zum anderen können die Arbeitgeber die entsprechenden 1. Juli bis 31. Dezember 2021 eröffnet worden. Daten direkt bei der zuständigen Krankenkasse abrufen, also ohne zeitliche Verzögerung über die Minijob-Zentrale. Das neue Meldeverfahren soll das Einreichen des „Gelben Außerdem entfällt die Verpflichtung zur Übermittlung der Zettels“ beim Arbeitgeber ablösen und in Zukunft den damit Kopien aller rund 40 Mio. Krankmeldungen pro Jahr an die verbundenen Medienbruch – von digital zu Papier und wie- Minijob-Zentrale. Um diese andererseits bei der Durchfüh- der zu digital – vermeiden. Stattdessen informiert künftig rung des U1-Verfahrens zu unterstützen, darf sie Arbeits- die Krankenkasse den Arbeitgeber auf Abruf elektronisch unfähigkeitsdaten bei der jeweils zuständigen Kranken- über Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit (Erst- und kasse abrufen. Folgebescheinigungen). Die Digitalisierung soll laut Gesetz- entwurf sowohl die Bürger (um ca. 77 Mio. Euro pro Jahr) Bereits mit dem BEG III sind im Kontext der Einführung der als auch die Unternehmen (um ca. 550 Mio. Euro pro Jahr) eAU auch arbeitsrechtliche Belange neu geregelt worden: erheblich entlasten. So sind gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer künf- tig nur noch zur Anzeige der Arbeitsunfähigkeit gegenüber Bislang müssen die Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber die ihrem Arbeitgeber verpflichtet, die Vorlagepflicht entfällt Krankschreibungen noch in Papierform zur Verfügung stel- – mit folgenden Ausnahmen: Feststellung der Arbeitsunfä- len. Damit das Einreichen beim Arbeitgeber entfallen kann, higkeit durch einen Arzt, der nicht an der vertragsärztlichen wird das bereits etablierte elektronische Datenaustausch- Versorgung teilnimmt, bei Erkrankung im Ausland und bei verfahren Entgeltersatzleistungen (DTA EEL) erweitert. geringfügiger Beschäftigung im Privathaushalt. In Zukunft ist es also ausreichend, sich einem Arzt vorzustellen, um das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit feststellen und sich PRAXIS-TIPP: Es ist davon auszugehen, dass die Kran- eine ordnungsgemäß ausgestellte AU-Bescheinigung aus- kenkassen über alle notwendigen Daten verfügen, um die händigen zu lassen. Denn die Papierbescheinigung bleibt Arbeitgeber – unter Berücksichtigung etwaiger Vorerkran- als gesetzlich vorgesehenes Beweismittel mit dem ihr kungszeiten – von sich aus über das Ende des Entgeltfort- von der Rechtsprechung zugebilligten hohen Beweiswert zahlungsanspruchs informieren zu können. erhalten, um insbesondere in Störfällen (etwa einer fehl geschlagenen elektronischen Übermittlung) das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit außerprozessual oder auch prozes- Weitere Verfahrensänderungen mit dem Siebten SGB IV-Än- sual nachweisen zu können. derungsgesetz gegenüber dem BEG III betreffen u. a. die zu- sätzliche Angabe in der Meldung der Krankenkasse an den Arbeitgeber, ob Anhaltspunkte für einen Arbeitsunfall oder sonstigen Unfall vorliegen. Der Arbeitgeber soll damit in die Lage versetzt werden, ggf. bestehende Erstattungsansprüche gegen Dritte prüfen und durchsetzen zu können. Durch das Einbeziehen der Nachweise über Zeiten statio- närer Krankenhausaufenthalte in einem Umfang von rund 15 Mio. Fällen pro Jahr werden weitere Papierbescheinigun- gen eingespart. 12 IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021
Ausfüllhilfe sv.net und Online-Datenspeicher Neue Preise ab 2021: sv.net steht bekanntlich mit sv.net/ Die gesetzlichen Krankenkassen stellen in Abstimmung mit standard und sv.net/comfort in einer Online- und einer den anderen Sozialversicherungsträgern seit Jahren mit PC-Variante zur Verfügung, in beiden können die gleichen sv.net (www.svnet.info) eine systemgeprüfte Ausfüllhilfe für Meldungstypen abgegeben werden. Die PC-Variante sv.net/ die elektronische Datenübermittlung zur Verfügung. Mit ei- comfort bietet zudem die Möglichkeit, Meldungen sowie ner Neuregelung im Rahmen des Siebten SGB IV-Änderungs- Firmen- und Personalstammdaten auf den Systemen der gesetzes werden zum einen der Umfang der Übermittlung Anwender zu speichern und somit wiederverwenden zu und das Verfahren zur Nutzung gesetzlich abgesichert. können. Sowohl für sv.net/comfort als auch für sv.net/ Durch das Einbeziehen der Antrags- und Bescheinigungs- standard wird seit 2018 zwischen kostenlosen Normal- verfahren (z. B. A1-Verfahren) wird es laut Gesetzesbegrün- Benutzer- und kostenpflichtigen Premium-Benutzer-Accounts dung zukünftig notwendig, auch für die Übermittlung der unterschieden. Sofern über 100 Meldungen pro Jahr, Mel- Daten für Selbstständige eine Ausfüllhilfe zur Verfügung zu dungen für mehr als eine Betriebsnummer oder Meldungen stellen. Man will damit eine Vielzahl von abweichend auf- durch mehr als eine Person abgegeben werden sollen, ist gebauten Web-Anwendungen vermeiden und die Vorteile die Freischaltung der Premium-Nutzung in sv.net notwen- eines einheitlichen Verfahrenszugangs nutzen. Es bleibt dig. Dies erfordert die Durchführung eines Legitimationsver- aber auch in Zukunft dabei: eine Ausfüllhilfe führt keine fahrens. Neben der schriftlichen Bestätigung der Vertrags Entgeltabrechnung durch. annahme muss ein Betriebsnummern-Nachweis sowie eine Vollmacht, alternativ eine Kopie von Personalausweis, Reise- Neuer Online-Datenspeicher: Die Digitalisierung im Arbeit- pass oder Führerschein, eingereicht werden. gebermelde- und -beitragsverfahren schreitet zunehmend voran. Insbesondere kleinere Betriebe sind den Anforderun- gen noch nicht gewachsen, vollelektronisch im Dialog er- HINWEIS: Die Laufzeit der Premium-Mitgliedschaft endet am reichbar zu sein, alle Daten/Bescheinigungen elektronisch 30. Juni 2023 – unabhängig davon, ob eine neue abgeschlos- vorzuhalten und für den Abruf bereitzustellen. Daher wird sen oder eine bestehende verlängert wurde. Der Gesetzgeber vorrangig für Kleinstarbeitgeber (bis max. zehn Arbeitneh- sieht die Entwicklung einer neuen sv.net-Generation vor, mit mer) ein Angebot geschaffen, diese Daten in einem eigenen der die Nutzer ab dem 1. Juli 2023 ihren Meldeverpflichtun- Online-Datenspeicher vorhalten zu können, damit sie z. B. gen nachkommen können. bei der Betriebsprüfung dort abgerufen werden können, nachdem der Arbeitgeber einen solchen Zugriff gegenüber Ab dem 1. Januar 2021 belaufen sich die Kosten für eine der abrufenden Stelle eröffnet hat. Vorgesehen ist, am neu abgeschlossene Premium-Registrierung auf 54,00 EUR 1. Juli 2023 mit dem neuen Angebot der Sozialversiche- (24,00 EUR Registrierungsgebühr + 30,00 EUR Nutzungs rungsträger zu starten – zeitgleich mit dem Relaunch der gebühr, zzgl. MwSt.). Wird ein bestehender Premium-Zugang elektronischen Ausfüllhilfe sv.net. Mit dem Online-Daten- nicht 90 Tage vor Ende der Vertragslaufzeit gekündigt, ver- speicher soll zum einen mehr Akzeptanz für elektronische Lösungen, zum anderen eine Verbesserung der Datenlage längert er sich bis zum 30. Juni 2023. Die Kosten für die geschaffen werden, die heutzutage häufig aus nicht sor- Verlängerung belaufen sich ab 2021 auf pauschal 30,00 EUR tierten und unvollständigen Papierstücken besteht und (zzgl. MwSt.). Die geringeren Kosten stehen direkt mit der zu erheblichem Nachfragebedarf in der Betriebsprüfung neuen sv.net-Generation (inkl. Online-Datenspeicher) im Zu- führt. Die dazu notwendigen Techniken und Sicherheits sammenhang. bestimmungen sind vorhanden und haben sich in der Praxis bewährt. IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021 13
Praxisintegrierte schulische Ausbildungsgänge Die Neuregelungen gelten im Übrigen nicht allein für sol- Eine Klarstellung ist mit dem Siebten SGB IV-Änderungs che Gesundheitsberufe wie z. B. Medizinisch-technische gesetz auch hinsichtlich bestimmter Auszubildender in Assistenten (MTA), Physiotherapeuten, Diätassistenten, Gesundheitsberufen erfolgt – ein Problem, das bereits seit Orthoptisten, Logopäden oder Ergotherapeuten, sondern Anfang 2019 auf eine finale Lösung gewartet hat. Dass solche sie erfassen auch vergleichbare praxisintegrierte schulische praxisintegrierten schulischen Ausbildungsgänge nunmehr Ausbildungen wie z. B. die zur Erzieherin/zum Erzieher in in die Sozialversicherungspflicht einbezogen sind, geht vor Bundesländern, in denen die Auszubildenden einen Ausbil- allem auf eine gemeinsame Initiative der Vereinten Dienst- dungsvertrag mit dem Ausbildungsbetrieb schließen und leistungsgewerkschaft (ver.di) und der SV-Spitzenorganisati- von Anfang an eine Vergütung erhalten. onen zurück, die eine gesetzliche Regelung angeregt hatten. Anlass für das Herantreten an den Gesetzgeber waren er- WICHTIG: Die Vorschriften über die Versicherungspflicht hebliche Unsicherheiten in der versicherungsrechtlichen sind am 1. Juli 2020 in Kraft getreten und finden damit Beurteilung von angehenden Gesundheitsberuflern, deren grundsätzlich auf Ausbildungen Anwendung, die nach dem Ausbildung zwar weitgehend schulisch organisiert ist, die 30. Juni 2020 beginnen. Daneben besteht eine Bestands- auf der Grundlage der bis dato geltenden Rechtslage jedoch schutzregelung. nicht als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte anzusehen waren. Dies auch ungeachtet dessen, dass die Ausbildungs- bedingungen für die Betroffenen an kommunalen Kranken- Übergangsregelung und Bestandsschutz: Aufgrund inhaltlich häusern und Universitätskliniken seit dem 1. Januar 2019 identischer Regelungen gelten die Vorschriften über die Ver- tarifvertraglich geregelt sind und auf der Grundlage der sicherungspflicht mit Rückwirkung auch für praxisintegrierte geschlossenen Ausbildungsverträge ein monatliches tarif Ausbildungen, die vor dem Inkrafttreten des Siebten liches Ausbildungsentgelt gezahlt wird. Nunmehr ist fak- SGB IV-Änderungsgesetzes begonnen wurden, wenn für tisch so etwas wie eine Gleichstellung mit den Teilnehmern diese bereits Beiträge gezahlt worden sind. Soweit für im an dualen Studiengängen erfolgt, die bekanntlich bereits Zeitpunkt des Inkrafttretens laufende Ausbildungen keine seit dem 1. Januar 2012 sowohl während der Praxis- als auch Beiträge gezahlt worden sind, beginnt die Versicherungs- Studienphasen der Sozialversicherungspflicht unterliegen. pflicht ab Aufnahme der Beitragszahlung, sofern diese mit Zustimmung der Auszubildenden erfolgt. (Beispiel) HINWEIS: Im Vorgriff auf das Tätigwerden des Gesetzgebers hatten sich die SV-Spitzenorganisationen bereits mit ihrer Ge- BEISPIEL: meinsamen Verlautbarung vom 2. April 2020 der Problematik angenommen – mit identischem Lösungsansatz wie jetzt der Eine Auszubildende übt seit dem 1. Oktober 2019 Gesetzgeber. eine schulisch geprägte Ausbildung zur Diätassis- tentin an einem Universitätsklinikum aus. Sie erhält eine monatliche Ausbildungsvergütung in Höhe Auszubildende in praxisintegrierten schulischen Ausbil- von 990,00 EUR. Eine Umstellung auf Sozialversi- dungsgängen sind jetzt über Einzelvorschriften in den ein- cherungspflicht ist bisher nicht erfolgt. zelnen Büchern des Sozialgesetzbuchs den zur Berufsaus- bildung Beschäftigten gleichgestellt und insofern kranken-, Mit Zustimmung der Auszubildenden kann pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig. nunmehr von Sozialversicherungspflicht aus- Einheitlicher Wortlaut: Versicherungspflichtig sind Teilneh- gegangen werden. Es sind Meldungen im Rah- mer „an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen men des DEÜV-Meldeverfahrens zu übermitteln Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein und monatlich Beiträge zu entrichten. Hätte das Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergü- Universitätsklinikum das Ausbildungsverhältnis tung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen)“. Damit ist bereits bisher als sozialversicherungspflichtig sichergestellt, dass diese Auszubildenden unabhängig vom beurteilt, ergäben sich zum 1. Juli 2020 keine konkreten Ausbildungsberuf dann in die Sozialversiche- Auswirkungen. rungspflicht einbezogen sind, wenn ein Anspruch auf Aus- bildungsvergütung auch während Phasen der schulischen Ausbildung besteht. 14 IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021
Arbeit-von-morgen-Gesetz kosten verringert sich um 5 Prozentpunkte, die Zuschüsse Erklärtes Ziel des „Gesetzes zur Förderung der beruflichen zum Arbeitsentgelt können um 5 Prozentpunkte erhöht Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwick- werden. lung der Ausbildungsförderung“ ist es, bestimmte Förder instrumente der Arbeitsmarktpolitik weiterzuentwickeln, Verfahrensvereinfachung/-beschleunigung: Sofern Einver- um Deutschland rechtzeitig auf die Arbeit von morgen vor- nehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, zubereiten. Angesichts der Erkenntnis, dass in lebensbeglei- können die Arbeitsagenturen bereits nach bislang gel- tendem Lernen der Schlüssel zum Erhalt der Beschäftigungs- tendem Recht auf die Erteilung eines Bildungsgutscheins fähigkeit im Strukturwandel liegt, will die Bundesregierung verzichten und dadurch das Verfahren vereinfachen. Ins- besonders die Möglichkeiten von beruflicher Weiterbildung besondere in den Fällen, in denen beruflicher Weiterbil- und Qualifizierung weiter stärken. Wir können hier nicht auf dungsbedarf bei einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern alle Aspekte des Arbeit-von-morgen-Gesetzes eingehen, vorliegt, kann Adressat der Bewilligungsentscheidung und sondern greifen nur die heraus, die in erster Linie für das Förderleistungen anstelle des Arbeitnehmers auch der Ar- Personalbüro von Interesse sein dürften. beitgeber sein, soweit er dies beantragt und die Betriebs- vertretung bzw. der einzelne Beschäftigte eingewilligt hat. Stärkung der beruflichen Weiterbildung Die Antragstellung und Bewilligung der Gesamtleistung kann Maßnahmendauer: Bezüglich der Kostenübernahme für dann – neben den ohnehin an den Arbeitgeber zu zahlenden berufliche Weiterbildung im Rahmen eines bestehenden Arbeitsentgeltzuschüssen – auch die Lehrgangs- und sonsti- Arbeitsverhältnisses durch die Bundesagentur für Arbeit gen Weiterbildungskosten (z. B. Fahrkosten) umfassen. (BA) ist die erforderliche Mindestdauer der Maßnahmen mit Wirkung ab dem 29. Mai 2020 von mehr als 160 Stunden Anspruch auf geförderte Nachholung Berufsabschluss auf mehr als 120 Stunden reduziert worden. Laut Gesetzes- Angesichts der guten Arbeitsmarktchancen für Fachkräfte begründung sollen mit der Reduzierung mehr Beschäftigte und das hohe Arbeitslosigkeits- und Substituierungsrisiko und Betriebe für die Weiterbildungsförderung erreicht und von Geringqualifizierten sieht das Arbeit-von-morgen-Gesetz qualifikatorische Anpassungsprozesse erleichtert werden. einen Rechtsanspruch auf Förderung einer beruflichen Nachqualifizierung zum Nachholen eines Berufsabschlusses Höhere Zuschüsse zu Lehrgangskosten und Arbeitsentgelt: vor. Die Neuregelung, die am 29. Mai 2020 in Kraft getreten Unter der Voraussetzung, dass die beruflichen Kompeten- ist, verfolgt das Ziel, verstärkt Geringqualifizierte für eine zen von mind. 20 % der Belegschaft des Betriebes (bei min- berufsabschlussorientierte Weiterbildung zu gewinnen. Die destens 10, aber weniger als 250 Beschäftigten = 10 % der Einführung eines Rechtsanspruchs soll die Rechtsposition Beschäftigten) nicht mehr genügen, um die betrieblichen der Antragstellenden stärken, die Berufs- und Aufstiegs Anforderungen zu bewältigen, werden die jeweiligen Zu- chancen verbessern sowie einen Beitrag leisten, um die hohe schüsse pauschal um 10 Prozentpunkte erhöht. Damit sollen Arbeitslosenquote in dieser Personengruppe zu senken. Arbeitgeber und Beschäftigte vom 1. Oktober 2020 an bei der Bewältigung schwieriger struktureller Anpassungspro- Auch für Arbeitnehmer, die zwar einen Berufsabschluss im zesse gestärkt werden. Ausland erworben haben, der aber einem deutschen Ab- schluss nicht formal gleichgestellt werden konnte, besteht Sozialpartnerklausel: Mit dem zum 1. Januar 2019 in Kraft entsprechender Unterstützungsbedarf. getretenen Qualifizierungschancengesetz ist u. a. für Be- triebe größer 2.500 Beschäftigte ein erhöhter Zuschuss zu Der Rechtsanspruch soll aber nicht uneingeschränkt be- den Weiterbildungskosten eingeführt worden, sofern eine stehen, sondern ist vom Vorliegen bestimmter Fördervor- tarifvertragliche Regelung oder eine Betriebsvereinbarung aussetzungen abhängig. So muss insbesondere eine aus- vorliegt, die betriebsbezogen berufliche Weiterbildung vor- reichende körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zur sieht. Die Regelung soll Anreiz für die Sozialpartner sein, in Ausübung des angestrebten Berufs und eine erfolgreiche stärkerem Umfang berufliche Weiterbildung der Arbeitneh- Teilnahme an der Weiterbildung prognostiziert werden mer zu vereinbaren. Vom 1. Oktober 2020 an ist diese zu- können. Gefördert werden soll auch nur die Teilnahme an sätzliche Förderleistung auf alle Betriebe, also unabhängig solchen Weiterbildungen, die unter Berücksichtigung der von deren Größe, ausgeweitet worden und wird auch bei Arbeitsmarktsituation in angemessener Zeit mit hoher den Zuschüssen zum Arbeitsentgelt erhöhend gewährt. Die Wahrscheinlichkeit zu einer Aufnahme oder Fortführung Mindestbeteiligung des Arbeitgebers an den Lehrgangs- einer Beschäftigung führen. IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021 15
Exkurs: Anpassungen beim Kurzarbeitergeld (KUG) nach § 82 SGB III), können bis zum 31. Juli 2023 nach dem Aufgrund der durch die schnelle Verbreitung des Coronavirus Arbeit-von-morgen-Gesetz 50 % der SV-Beiträge erstattet SARS-CoV-2 entstandenen Krisensituation, mit gravierenden werden. Da die SV-Beiträge unabhängig davon, ob eine Auswirkungen auch auf Wirtschaft und Beschäftigung, ist Qualifizierung durchgeführt wird, im Rahmen der pande- eine ursprünglich im Entwurf für das Arbeit-von-morgen- miebedingten Sonderregelungen bis zum 30. Juni 2021 Gesetz enthaltene Verordnungsermächtigung bereits mit weiter voll erstattet werden, entfalten die an die Quali- dem „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung fizierung geknüpften 50 % bis dahin keine Wirkung. Ab der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ in Kraft getreten. dem 1. Juli 2021, wenn die generelle Erstattung der SV-Bei- Stattdessen enthält das Arbeit-von-morgen-Gesetz eine träge im Rahmen der pandemiebedingten Sonderregelun- weitere Verordnungsermächtigung zur Bewältigung außer- gen auf 50 % reduziert ist, kann den Betrieben die ande- gewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt, auf deren re Hälfte der SV-Beiträge in Abhängigkeit davon erstattet Grundlage bei Bedarf kurzfristig die KUG-Bezugsdauer auf werden, dass die Beschäftigten während der Kurzarbeit bis zu 24 Monate verlängert werden kann. Voraussetzung qualifiziert werden. soll eine krisenhafte Situation sein, die Branchen oder Regio- nen übergreifend erhebliche Auswirkungen auf die Beschäf- Zweite Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurz- tigung und den Arbeitsmarkt hat, auch wenn sie nicht den arbeitergeld: Die Bezugsdauer wird für Arbeitnehmer, gesamten Arbeitsmarkt erfassen muss. deren Anspruch auf KUG bis zum 31. Dezember 2020 entstanden ist, auf bis zu 24 Monate verlängert, längs- Auf Grundlage der bereits bestehenden bzw. neu aufge- tens jedoch bis zum 31. Dezember 2021. nommenen Ermächtigungen hat die Bundesregierung bzw. das BMAS verschiedene Verordnungen auf den Weg ge- Beschäftigungssicherungsgesetz: Die Regelung zur Er- bracht, um das „Erfolgsmodell Kurzarbeit“ fortzuschreiben. höhung des KUG auf 70/77 % ab dem 4. Monat und Das Maßnahmenpaket beinhaltet zudem mit dem „Gesetz 80/87 % ab dem 7. Monat wird bis zum 31. Dezember zur Beschäftigungssicherung infolge der COVID-19-Pande- 2021 verlängert. Dies gilt für alle Beschäftigten, deren mie (Beschäftigungssicherungsgesetz)“ weitere Regelun- KUG-Anspruch bis zum 31. März 2021 entstanden ist. gen, die nicht auf dem Verordnungswege umzusetzen sind. Die bestehenden befristeten Hinzuverdienstregelungen Mit alledem sollen verlässliche Rahmenbedingungen und werden insoweit bis zum 31. Dezember 2021 verlängert, die Voraussetzungen für einen stabilen Arbeitsmarkt auch als dass Entgelt aus einer während der Kurzarbeit auf- im Jahr 2021 geschaffen werden: genommenen geringfügig entlohnten Beschäftigung an- rechnungsfrei bleibt. Zudem wird der Anreiz, Zeiten des Erste Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeld- Arbeitsausfalls für berufliche Weiterbildung zu nutzen, verordnung: Die Zugangserleichterungen (Mindesterfor- dadurch weiter gestärkt, dass die für diese Fälle geregel- dernisse, negative Arbeitszeitsalden) werden bis zum te hälftige Erstattung der SV-Beiträge nicht mehr daran 31. Dezember 2021 verlängert. Bis zu demselben Datum geknüpft wird, dass die Qualifizierung mindestens 50 % wird auch die Öffnung des KUG für Leiharbeitnehmer ver- der Zeit des Arbeitsausfalls betragen muss. längert. Beides gilt jedoch nur für Betriebe bzw. Verleih- betriebe, die bis zum 31. März 2021 mit der Kurzarbeit Transferkurzarbeitergeld und Qualifizierung beginnen. Die Beschränkungen auf Ältere (bislang Vollendung 45. Le- bensjahr bei Beginn der Teilnahme) und Geringqualifizierte ie vollständige pauschalierte Erstattung der SV-Beiträ- D (ohne Berufsabschluss) sind seit dem 29. Mai 2020 aufge- ge während der Kurzarbeit wird bis zum 30. Juni 2021 hoben und damit der Förderrahmen für Qualifizierungen verlängert. Danach sinkt befristet bis zum 31. Dezember während des Bezugs von Transfer-KUG erheblich erweitert 2021 die Erstattung auf 50 % für alle Betriebe, die bis zum worden. Zudem wurde der Anwendungsbereich auf alle 30. Juni 2021 Kurzarbeit eingeführt haben. Betriebe, die Maßnahmenarten der beruflichen Weiterbildung erweitert, mit der Kurzarbeit ab dem 1. Juli 2021 beginnen, erhalten die während des Bezugs von Transfer-KUG beginnen und also grundsätzlich keine Erstattung der SV-Beiträge mehr. darüber hinaus andauern. Die für die Förderung notwen- dige Kostenbeteiligung der Arbeitgeber an den Lehrgangs- llerdings: Werden die Beschäftigten während der Kurz- A kosten beträgt bei kleinen und mittelständischen Unterneh- arbeit qualifiziert (berufliche Weiterbildungsmaßnahmen men (KMU) statt mindestens 50 % nur noch 25 %. 16 IKK-SEMINAR ZUM JAHRESWECHSEL 2020/2021
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