Impact Free Impact Free 18 - Juli 2018 - Journal für freie Bildungswissenschaftler - Gabi Reinmann

 
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   Impact Free
   Journal für freie Bildungswissenschaftler

   Impact Free 18 – Juli 2018
   HAMBURG

IMPACT FREE 18 (Juli 2018)                     Gabi Reinmann
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Impact Free
Was ist das?
Impact Free ist eine Publikationsmöglichkeit für hochschuldidaktische Texte,
-   die als Vorversionen von Zeitschriften oder Buch-Beiträgen online gehen,
    oder
-   die aus thematischen Gründen oder infolge noch nicht abgeschlossener
    Forschung keinen rechten Ort in Zeitschriften oder Büchern finden, oder
-   die einfach hier und jetzt online publiziert werden sollen.

Wer steckt dahinter?
Impact Free ist kein Publikationsorgan der Universität Hamburg. Es handelt
sich um eine Initiative, die allein ich, Gabi Reinmann, verantworte. Es handelt
sich um eine Publikationsmöglichkeit für freie Wissenschaftler, veröffentlicht
auf meinem Blog (http://gabi-reinmann.de/).
Herzlich willkommen sind Gastautoren, die zum Thema Hochschuldidaktik
schreiben wollen. Texte von Gastautoren können dann natürlich auch in deren
Blogs eingebunden werden.

Und was soll das?
Impact Free ist ein persönliches Experiment. Es kann sein, dass ich hier nur
wenige Texte veröffentliche, es kann sein, dass es mehr werden; und vielleicht
mag sich auch jemand mit dem einen oder anderen Text anschließen. Es
würde mich freuen.
Ich möchte hier Gedanken, die mir wichtig erscheinen, in Textform öffentlich
machen: Gedanken, bei denen ich so weit bin, dass sie sich für mehr als für
Blog-Posts eignen, Gedanken, die ich nicht anpassen möchte an Anforderun-
gen von Gutachtern und Herausgebern – in einer Textform, bei der ich kein
Corporate Design und keine sonstigen Formal-Vorgaben (Genderschreib-
weise, Textlänge) beachten muss. Einfach frei schreiben – und das auch noch,
ohne an irgendeinen Impact zu denken!

Kontaktdaten an der Universität Hamburg:
Prof. Dr. Gabi Reinmann
Universität Hamburg
Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL)
Leitung | Professur für Lehren und Lernen an der Hochschule

Schlüterstraße 51 | 20146 Hamburg

reinmann.gabi@googlemail.com
gabi.reinmann@uni-hamburg.de
https://www.hul.uni-hamburg.de/
http://gabi-reinmann.de/

IMPACT FREE 18 (Juli 2018)                                                        Gabi Reinmann
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ENTFALTUNG DES                                             Heranwachsende (als Lernende), während ich
                                                           die Hochschule und die darin Lehrenden und
DIDAKTISCHEN DREIECKS FÜR                                  Studierenden im Blick habe. Von daher will zu-
DIE HOCHSCHULDIDAKTIK                                      nächst versuchen, analoge Bezüge zwischen
                                                           Benners Aussagen und den besonderen Bedin-
UND DAS FORSCHUNGSNAHE                                     gungen der Hochschullehre bzw. Hochschulbil-
LERNEN                                                     dung herzustellen, und dabei hochschuldidakti-
                                                           sche Akzente setzen (auch begrifflicher Art). Im
                                                           Kern dieses Beitrags geht es mir darum, drei für
GABI REINMANN                                              die Hochschule spezifische didaktische Drei-
                                                           ecke zu konstruieren, welche komplementäre
                                                           Perspektiven repräsentieren. Darüber hinaus
                                                           möchte ich dort das forschungsnahe Lernen ver-
Das didaktische Dreieck:                                   orten. Darunter verstehe ich diejenigen Formen
Der Ausgangspunkt                                          des Lernens, die – veranlasst und unterstützt
                                                           durch Lehraktivitäten – in einer der folgenden
Das didaktische Dreieck (bzw. breiter: das pä-
                                                           Verbindungen zur Forschung stehen: sich über
dagogische Dreieck) wird oft gescholten: als zu
                                                           Forschung kundig machen (Lernen über For-
trivial oder unterkomplex, auch als irreführend
                                                           schung), Forschen einüben (Lernen für For-
oder unpassend. In einem aktuellen Beitrag über
                                                           schung) oder selber forschen (Lernen durch
„drei Arten von Kausalität in Erziehungs- und
                                                           Forschung) (Huber, 2014; Reinmann, 2016).
Bildungsprozessen“ in der Zeitschrift für Päda-
gogik kritisiert Dietrich Benner (2018a) eben-
falls das „klassische“ didaktische bzw. pädago-            Benners Transformation des
gische Dreieck, verwendet es aber als Grund-               pädagogischen Dreiecks
lage für eine Transformation, um die im Text               Eine Unterscheidung zwischen Erziehung und
behandelten drei Kausalitäten deutlich zu ma-              Bildung ist für die Erziehungswissenschaft
chen – was, so meine ich, das große Potenzial              (manche würden auch sagen: für die Bildungs-
dieser zunächst unscheinbar wirkenden Figur                wissenschaften) wichtig. Diese Unterschei-
offenbart. Angeregt durch Benners (2018a)                  dung, so Benner (2018a), wird mit dem pädago-
Transformation habe ich mir Gedanken über die              gischen Dreieck, bestehend aus „Erzieher“ (E),
Möglichkeit gemacht, das didaktische Dreieck               „Zögling“ (Z) und „Sache“ (S), nicht befördert.
für die Hochschullehre bzw. Hochschulbildung               Das folgende Zitat klärt die Unterschiede: „Der
(mehrfach) zu variieren und eine Beziehung                 Begriff ´Erziehung´ thematisiert nicht-rezip-
zum forschungsnahen Lernen herzustellen.                   roke pädagogische Interaktionen, in denen na-
Meine These nämlich ist, dass das didaktische              türliche und professionelle Pädagogen auf Lern-
Dreieck gerade in seiner Einfachheit1 ausge-               prozesse Heranwachsender in der Absicht ein-
sprochen fruchtbar ist und für akademisches                wirken, Bildungsprozesse in Gang zu setzen.
Lehren und Lernen mit seiner Nähe zur For-                 Wo dies gelingt, werden Bildungsprozesse zwar
schung entfaltet werden kann. Letzteres erfor-             edukativ angestoßen und initiiert, nicht aber im
dert allerdings einen perspektivischen Blick so-           eigentlichen Sinne edukativ verursacht und be-
wohl auf die Pole des Dreiecks als auch auf de-            wirkt […] Auch das im Unterricht zu Lernende
ren Beziehungen. Benner (2018a) liefert mir                eignen sich Schülerinnen und Schüler nicht un-
hierfür mit dem oben genannten Text eine her-              mittelbar von einer Lehrperson an, sondern mit
vorragende „Vorlage“. Um meinen Gedanken-                  deren Hilfe in Auseinandersetzung mit Sachen
gang vorstellen zu können, muss ich daher zu-              und Aufgaben“ (Benner, 2018a, S. 108). Leh-
nächst eben diese Vorlage in aller Kürze dar-              rende und Lernende tun also im Unterricht kei-
stellen. Benners Kontext ist auf der einen Seite           nesfalls dasselbe; sie handeln unterschiedlich
ein breiter, indem er sich auf Bildung und Er-             und erfahren etwas Unterschiedliches. Um dies
ziehung generell bezieht, während ich mich auf             deutlich zu machen, transformiert Benner
einen hochschuldidaktischen Kontext konzent-               (2018a) das klassische pädagogische Dreieck.
riere. Auf der anderen Seite sind Benners Aus-
führungen im besagten Text aber auch recht
spezifisch, nämlich für die Schule und für

1
 Einfachheit gilt im Übrigen weithin als ein Güte-
kriterium wissenschaftlicher Theorien.

IMPACT FREE 18 (Juli 2018)                                                                  Gabi Reinmann
[2]

Die folgende Abbildung von Benner (2018a)                      Weltinhalte anstreben“ Benner (2018, S. 110).
macht deutlich, wie Erziehung und Bildung                      Damit verweist Benner auf die Notwendigkeit
voneinander unterschieden werden können2.                      der Didaktik in institutionalisierten Bildungs-
                                                               kontexten.

                                                               Analoge Strukturen und Prozesse in
                                                               der Hochschullehre/-bildung
                                                               Nun kann man zwar durchaus die Position ver-
                                                               treten, dass auch im Hochschulkontext Erzie-
                                                               hungsprozesse wirksam werden. Ich werde
                                                               mich jedoch auf das Lehren als eine Subkatego-
                                                               rie von Benners Erziehungsbegriff beschrän-
                                                               ken. Damit verbunden ist die Spezifikation des
                                                               pädagogischen Dreiecks zum didaktischen
                                                               Dreieck. Die Pole des didaktischen Dreiecks
                                                               möchte ich im Kontext Hochschule wie folgt
                                                               bezeichnen: (L) Lehrender (statt Erzieher), (S)
                                                               Studierende3 (statt Zögling) und (W) Wissen-
                                                               schaft (statt Sache, wobei die Wissenschaft als
                                                               Lerngegenstand gemeint ist). Auch in dieser
                                                               Beschränkung gilt jedoch, dass Lehren einer-
                                                               seits von Lernen und von Bildung andererseits
                                                               zu unterscheiden ist (weswegen ein „Shift from
                                                               Teaching to Learning“ rein logisch keinen Sinn
                                                               ergibt; vgl. Reinmann, 2018) – eine Differenz,
Abb. 1: Benners (2018a, S. 109) Transformation des pä-         die sich im klassischen didaktischen Dreieck in
                dagogischen Dreiecks                           der Tat nicht unmittelbar offenbart. Analog zur
                                                               Erziehung ist es auch beim Lehren so, dass leh-
Auf dieser Basis postuliert Benner eine eduka-                 rende Wissenschaftler versuchen, auf Lernpro-
tive Kausalität, die von pädagogischen Akteu-                  zesse Studierender einwirken – im besten Fall
ren ausgeht (durch Fragen, Zeigen etc.), eine                  in der Absicht, Bildungsprozesse in Gang zu
bildende Kausalität, die sich aus den Wechsel-                 setzen. Ebenso ist in der Hochschule davon aus-
wirkungen zwischen „Zögling“ und „Sache“                       zugehen, dass Bildungsprozesse zwar durch
ergibt, und eine dritte Kausalität, die zwischen               Lehre angestoßen und initiiert, nicht aber im ei-
der ersten und zweiten vermittle (Benner,                      gentlichen Sinne durch die Lehrenden herge-
2018a, S. 109f.; Benner, 2018b, S. 12). Zu den                 stellt werden. Und in ähnlicher Weise wie es
Zusammenhängen merkt Benner (2018, S. 110)                     Benner (2018a, b) für die Schule darstellt, sollte
an: „Die edukative Kausalität entfaltet ihre                   auch für die Hochschule gelten, dass sich Stu-
Wirksamkeit nicht ohne die bildende Kausali-                   dierende das in Lehrveranstaltungen zu Ler-
tät. Sie bezieht sich auf einen Erziehungspro-                 nende nicht unmittelbar von einem Lehrenden
zess, der immer schon in Bildungsprozesse ein-                 aneignen, sondern mit deren Hilfe in Auseinan-
gebettet ist, die er nicht aus eigener Kraft her-              dersetzung mit der „Sache“, genauer: mit der
vorzubringen vermag“. Mit anderen Worten:                      Wissenschaft als Lerngegenstand, und dies mit
Man kann Bildungsprozesse nicht unmittelbar                    Aufgaben (gestaltet durch die Lehrenden in ver-
herstellen oder gar steuern. Und weiter heißt es:              schiedenen Veranstaltungsformaten), die sie da-
„Während die bildenden Kausalitäten grund-                     rin anstoßen und unterstützen.
sätzlich auch jenseits der Erziehung zu be-
obachten sind, ist die dritte Form von Kausalität              Hochschuldidaktisch betrachtet gibt es also
an Erziehungsprozesse zurückgebunden, die                      auch im Kontext Hochschule zum einen Bil-
methodische Formulierungen auf der Seite der                   dungsprozesse zwischen Studierenden und
Lernenden und der von diesen anzueignenden                     Wissenschaft (als Lerngegenstand). Zum

2
  im Text von Benner nebeneinander, nicht wie hier             angesichts der „Betreuungsrelation“ von im Durch-
aus Layout-Gründen untereinander dargestellt                   schnitt 1:60 an unseren Hochschulen sinnvoll er-
3
  Ich verwende bewusst beim Lehrenden den Singu-               scheint.
lar und bei den Studierenden den Plural, weil mir das

IMPACT FREE 18 (Juli 2018)                                                                       Gabi Reinmann
[3]

anderen wirken Lehrende mit ihren Lehrprozes-                 die innere Komplexität des didaktischen Drei-
sen auf diese Relation zwischen Studierenden                  ecks für die Hochschule deutlich.
und Wissenschaft ein. Schließlich sind auch in
                                                              Aus der Perspektive des Lehrenden betrachtet
der Hochschule didaktische Konzepte erforder-
                                                              (siehe Abb. 2) kann dieser zum einen auf die
lich, um Lehr- und Bildungsprozesse aneinan-
                                                              Wissenschaft als Lerngegenstand (bzw. von
der zu koppeln4. Was mit Blick auf die Hoch-
                                                              ihm aus gesehen als Lehrgegenstand) und zum
schule allerdings noch fehlt, ist die Forschung,
                                                              anderen auf die Studierenden in verschiedener
die primär von (lehrenden) Wissenschaftlern
                                                              Weise direkt einwirken: So stellt der Lehrende
praktiziert wird, im Zuge der Verbindung von
                                                              wissenschaftliche Inhalte (etwa in Vorlesungen,
Forschung und Lehre sowie nach dem Ideal ei-
                                                              Texten etc.) dar und bereitet sie dabei etwa für
ner Gemeinschaft von Lehrenden und Studie-
                                                              verschiedene Zielgruppen oder Studienab-
renden aber auch die Studierenden einbeziehen
                                                              schnitte auf und teilt sein Wissen über Wissen-
kann oder soll. Mit der Variierung des didakti-
                                                              schaft mit. Als forschender Hochschullehrer
schen Dreiecks, die drei Perspektiven expliziert,
                                                              bringt er die Wissenschaft durch eigene For-
lässt sich, so meine These, dieses, einem hoch-
                                                              schung auch voran, was gemeinhin außerhalb
schuldidaktischen Dreieck fehlende, Element
                                                              der Lehre erfolgt, im Idealfall aber auch in ei-
ergänzen.
                                                              nem Bezug zur Lehre steht. In der direkten In-
                                                              teraktion mit Studierenden ist der Lehrende so-
Drei Perspektiven auf das                                     wohl proaktiv tätig (Fragen stellen, informieren,
didaktische Dreieck                                           motivieren etc.) als auch reaktiv (antworten, be-
                                                              raten, Feedback geben etc.)5.
Benners (2018) Transformation zeigt zum ei-
nen, dass die drei Pole recht eigentlich „Instan-
zen“ sind, „die lehrend und lernend sehr unter-
schiedlich strukturiert und aufeinander zu be-
ziehen sind“ (Benner, 2018, S. 109). Zum ande-
ren lenkt er den Blick weg von den Polen bzw.
Instanzen hin zu den Relationen im pädagogi-
schen bzw. didaktischen Dreieck. Diese beiden
Hinweise sind der entscheidende Impuls für die
folgenden Überlegungen, die mich zu drei di-
daktischen Dreiecken führen, in denen jeweils
eine Instanz bzw. eine Perspektive fokussiert
wird, nämlich die des Lehrenden (L), des Stu-
dierende (S) oder der Wissenschaft (W), und da-
mit ein je eigener Blick auf die verschiedenen                            Abb.2: Didaktisches Dreieck –
Relationen im didaktischen Dreieck geworfen                                Perspektive des Lehrenden
wird, nämlich auf die Beziehungen Lehrender-                  Eine besondere Relation ergibt sich, wenn man
Wissenschaft (L-W), Studierender-Wissen-                      die Beziehung des Lehrenden zum Bildungs-
schaft (S-W) oder Lehrender-Studierende (L-                   prozess (durch Wissenschaft) betrachtet. Der
S). Mit anderen Worten: Die Relationen L-W,                   Bezug zu den Studierenden wie auch zur Wis-
S-W und L-S stellen sich jeweils unterschied-                 senschaft ist hier indirekter Natur: Durch Kon-
lich dar, je nachdem von welcher Instanz aus                  text- und Aufgabengestaltung kann der Leh-
man darauf blickt und ob man reziproke Bezie-                 rende versuchen, die (bidirektional dargestellte)
hungen (in den Abbildungen bidirektionale                     Relation zwischen Wissenschaft und Studieren-
Pfeile) oder eine, wie Benner (2018a, S. 108) es              den, also Bildungsprozesse (durch Wissen-
nennt „nicht-reziproke“ didaktische Interaktion               schaft), zu veranlassen und zu ermöglichen
(in den Abbildungen unidirektionale Pfeile) in                (was je nach Kontext- und Aufgabengestaltung
den Blick nimmt. Nur in der Zusammenschau                     anleitende und unterstützende Elemente ein-
aller drei Perspektiven wird aus meiner Sicht                 schließen kann).

4                                                             5
 Da der Begriff der Kausalität für den Zweck dieses             weshalb hier die Pfeile bidirektional sind, weil es
Textes keine tragende Rolle spielt, verzichte ich auf         sich per se um einen Interaktions- bzw. Kommuni-
den Versuch, Benners Kausalitäten zu übertragen,              kationsprozess handelt
sondern konzentriere mich vorrangig auf seine Aus-
sagen zu den Instanzen und Relationen des Dreiecks.

IMPACT FREE 18 (Juli 2018)                                                                         Gabi Reinmann
[4]

Der Akt des Lehrens umfasst also zwei direkte              Bildende Lernprozesse erstrecken sich also po-
Prozesse des Einwirkens auf Wissenschaft (als              tenziell auf zwei unmittelbare Prozesse der
Lehrgegenstand) und auf Studierende (als Inter-            Auseinandersetzung Studierender mit Wissen-
aktionspartner) sowie den indirekten Prozess               schaft (als Lerngegenstand) und dem Lehrenden
des Einwirkens auf Bildung, die sich zwischen              (als Interaktionspartner) sowie auf didaktisch
Studierenden und Wissenschaft ereignen kann.               vermittelte Prozesse des Mitdenkens und der
                                                           Teilhabe an Forschung, die sich ohne besondere
Aus der Perspektive der Studierenden betrach-              hochschuldidaktische Bemühungen zunächst
tet (siehe Abb. 3) können sich diese mit der               nur oder vorrangig zwischen Wissenschaft und
Wissenschaft als Lerngegenstand und dem Leh-               lehrenden Forschern vollzieht.
renden in unterschiedlicher Weise unmittelbar
auseinandersetzen: Studierende eignen sich ge-             Ein didaktisches Dreieck aus der Perspektive
zeigte bzw. dargestellte und mitgeteilte wissen-           der Wissenschaft zu betrachten (siehe Abb. 4),
schaftliche Inhalte an, sei es rezipierend, sei es         mag ungewöhnlich wirken. Versteht man aber
explorierend, und hinterfragen diese (idealer-             wie Benner (2018a) die Pole als Instanzen, er-
weise). Die Interaktion mit dem Lehrenden rea-             scheint es mir nicht nur möglich, sondern für die
lisiert sich analog zur Lehrenden-Perspektive              Hochschuldidaktik geradezu nötig, auch diese
als Interkation bzw. Kommunikation in proakti-             die Hochschule so kennzeichnende Perspektive
ver (fragen, Unterstützung einholen etc.) und              im didaktischen Dreieck explizit zu machen. Es
reaktiver (antworten, evaluieren etc.) Form.               stellt sich hier die Frage, wie sich Lehr- und Bil-
                                                           dungsprozesse an Hochschulen zu Wissen-
                                                           schaft als Institution und zu Forschung als ei-
                                                           nem wissenschaftlichen Akt der Erkenntnisge-
                                                           winnung verhalten.

           Abb.3: Didaktisches Dreieck –
           Perspektive der Studierenden

Eine für die Hochschule spezielle Relation, die
eher als anzustrebendes Ideal und weniger als                         Abb.4: Didaktisches Dreieck –
beschreibende Normalität zu deuten ist, ergibt                        Perspektive der Wissenschaft
sich auch hier, wenn man die Beziehung der
Studierenden zur Forschungspraxis betrachtet,              An der Stelle will ich die Frage, was „Wissen-
die im besten Fall mit der Lehre verbunden                 schaft als Institution“ letztlich heißen kann oder
wird, sich als Aufgabe des (lehrenden und for-             soll, noch außen vor lassen – wohl wissend, dass
schenden) Wissenschaftlers aber meist außer-               dies zu klären wäre, wenn man den hier vorge-
halb der Lehre vollzieht. Der Bezug sowohl                 schlagenen Ansatz weiterdenken möchte. Mir
zum forschenden Lehrenden als auch zur Wis-                geht es mit dieser Variation des didaktischen
senschaft als Institution (versus Lerngegen-               Dreiecks zunächst „nur“ darum herauszuarbei-
stand) ist hier insofern vermittelt, als dass be-          ten, wie sich die Relationen darstellen, wenn
sondere hochschuldidaktische Konzepte erfor-               man die Wissenschaft als Modus der Bildung,
derlich sind, um Studierenden ein mitdenkendes             als Lerngegenstand und als Ziel des Forschens
Nachvollziehen ebenso wie eine aktive Teil-                an Hochschulen im wahrsten Sinne des Wortes
habe an der Forschung zu ermöglichen.                      in den Blick nimmt.

IMPACT FREE 18 (Juli 2018)                                                                     Gabi Reinmann
[5]

Aus der grafischen Darstellung des didakti-              Die Relation Lehrender – Wissenschaft (L-W)
schen Dreiecks ergeben sich drei „Einwirkungs-           kann man im Hochschulkontext wohl am besten
möglichkeiten“, nämlich auf den Lehrenden                als Verbindung von Forschung und Lehre
und die Studierenden einerseits und die Bezie-           bezeichnen. Aus der Perspektive der Studieren-
hung zwischen Lehrendem und Studierenden                 den aus betrachtet, können sie sich an For-
andererseits: Forschungsnahes Lernen sollte              schungsprozessen nur vermittelt durch didakti-
idealerweise die Relation zwischen Wissen-               sche Konzepte (auf der Veranstaltungsebene
schaft und Studierenden kennzeichnen, wenn               oder auf der Studiengangsebene) mitdenkend
man diese aus der Sicht der Wissenschaft als In-         und/oder mitwirkend beteiligen, nicht aber un-
stitution betrachtet. Vergleichbar dazu ließe            vermittelt daran teilhaben. Bildende Lernpro-
sich die Relation zwischen Wissenschaft und              zesse aber umfassen freilich auch das Aneignen
Lehrendem im Idealfall als forschende Lehrhal-           und Hinterfragen wissenschaftlicher Inhalte so-
tung anstreben, wenn man das hochschuldidak-             wie die Interaktion und Kommunikation mit
tische Dreieck aus der Perspektive der Wissen-           dem Lehrenden; dies kann ebenso einen Beitrag
schaft betrachtet. Die reziproke Beziehung ist           zur Verbindung von Forschung und Lehre leis-
konstituierend in beiden Fällen, also sowohl für         ten. Die Aufgabe der Lehrenden ist es hier, Wis-
die Idee des forschungsnahen Lernens – insbe-            senschaft darzustellen und mitzuteilen und na-
sondere für das forschende Lernen – also auch            türlich auch durch eigene Forschung voranzu-
für die Idee der forschenden Lehrhaltung – ins-          bringen und eine forschende Lehrhaltung (bis
besondere für eine explizit forschende Lehre.            hin zu einem forschenden Lehren) zu praktizie-
Anknüpfend an Humboldts Losung, dass Leh-                ren, um sich dem Ideal einer Verbindung von
rende nicht für die Studierenden da seien, son-          Forschung und Lehre anzunähern. Diese Rela-
dern beide, Lehrende und Studierende, für die            tion, so meine Einschätzung, kommt einer Be-
Wissenschaft, bilden diese eine Gemeinschaft,            schreibung des Normalzustands am Hochschu-
der die Wissenschaft einen Grund liefert und             len am nächsten, was nicht heißt, dass es zahl-
letztlich sinnstiftend wirkt – zumal, wenn man           reiche Hindernisse auch struktureller Art gibt,
Hochschulen (noch) als Ort der Forschung und             die sich der Verbindung von Forschung und
Lehre sehen will.                                        Lehre entgegenstellen. Immerhin aber erscheint
                                                         sie mir ehesten gestaltbar, nämlich durch die
Ein prüfender Blick                                      lehrenden und forschenden Wissenschaftler
                                                         selbst.
In Anlehnung an Benners (2018a, b) Ausfüh-
rungen zu verschiedenen Kausalitäten im Kon-             Die Relation Studierende-Wissenschaft (S-W)
text von Erziehung und Bildung habe ich drei             lässt sich für die Hochschule als Bildung durch
für die Hochschule spezifische didaktische               Wissenschaft kennzeichnen. Aus der Perspek-
Dreiecke vorgeschlagen, welche komplemen-                tive des Lehrenden aus betrachtet, lassen sich
täre Perspektiven repräsentieren. Betrachtet             Bildungsprozesse allenfalls veranlassen und er-
man nun dieses Modell vom variierten didakti-            möglichen, nicht aber direkt so beeinflussen,
schen Dreieck noch einmal in Bezug auf die ge-           dass vorhersagbare Wirkungen erzielt werden.
wählten Begriffe und damit möglichen Aussa-              Lehren aber bedeutet immer auch, den Lernge-
gen, müsste man mindestens zu in sich konsis-            genstand – hier also wissenschaftliche Inhalte –
tenten Beschreibungen kommen und darüber                 darzustellen und mitzuteilen und mit Studieren-
hinaus einen Mehrwert für die Hochschuldidak-            den zu interagieren bzw. zu kommunizieren;
tik erkennen können. Ich möchte im Folgenden             und auch das trägt natürlich auf eigene Weise zu
zunächst prüfen und zeigen, dass die in den drei         Bildung durch Wissenschaft bei. Die Aufgabe
perspektivisch konstruierten Dreiecken vorge-            der Studierenden ist es hier, sich wissenschaft-
nommenen Charakterisierungen in Richtung                 liche Inhalte anzueignen und diese zu hinterfra-
„Bildung durch Wissenschaft“, „Verbindung                gen und sich auf ein forschungsnahes Lernen
von Forschung und Lehre“ sowie „Gemein-                  (einschließlich eines forschenden Lernens) und
schaft von Lehrenden und Lernenden“ begriff-             damit auch auf Reflexion einzulassen, um einer
lich zusammenpassen und keine Widersprüche               Bildung durch Wissenschaft näher zu kommen.
provozieren. Anschließend werde ich kurz an-             Dabei handelt es sich um ein Ideal, sodass diese
diskutieren, inwieweit das „variierte didakti-           Relation keine Beschreibung dessen darstellt,
sche Dreieich“ Impulse für weiterführende                was man in der Regel vorfindet, sondern einen
hochschuldidaktische Gedanken liefern kann.              Anspruch formuliert, der im Rahmen hoch-
                                                         schuldidaktischer      Gestaltungsmöglichkeiten
                                                         anzustreben ist.
IMPACT FREE 18 (Juli 2018)                                                                Gabi Reinmann
[6]

Die Relation Lehrender – Studierende (L-S) in             Literatur
der Hochschule als Gemeinschaft von Lehren-
den und Studierenden zu charakterisieren,                 Benner, D. (2018a). Über drei Arten von Kau-
mag gewagt sein und als Steigerung zum Ideal              salität in Erziehungs- und Bildungsprozessen
gar als Utopie wirken. Und dennoch: Der                   und ihre Bedeutung für Didaktik, Unterrichts-
Grundgedanke, dass sich Lehrende wie Studie-              forschung und empirische Bildungsforschung.
rende (idealerweise) auf die Wissenschaft aus-            Zeitschrift für Pädagogik, 64 (1), 107-120.
richten, mag es gerechtfertigt erscheinen lassen,         Benner, D. (2018b). Der Beitrag der Erzie-
sie aus dieser Perspektive als „Gemeinschaft“             hungswissenschaft zur Bildungsforschung, er-
zu bezeichnen: Wissenschaft wirkt so betrachtet           örtert aus der Perspektive der Allgemeinen Er-
begründend und sinnstiftend für die Interaktion           ziehungswissenschaft und der Erziehungs- und
zwischen den Mitgliedern dieser Gemeinschaft.             Bildungsphilosophie. Erziehungswissenschaft,
Forschungsnahes Lernen seitens der Studieren-             56, 9-18.
den und eine forschende Lehrhaltung seitens
der Lehrenden erscheinen dann geradezu not-               Huber, L. (2014): Forschungsbasiertes, For-
wendig, um der Vorstellung einer „Gemein-                 schungsorientiertes, Forschendes Lernen: Alles
schaft“ Studierende und Lehrender eine gewisse            dasselbe? Ein Plädoyer für eine Verständigung
Berechtigung geben zu können. Aus der Per-                über Begriffe und Unterscheidungen im Feld
spektive des Lehrenden wie auch der Studieren-            forschungsnahen Lehrens und Lernens. Das
den aus betrachtet gestalten sich die Interakti-          Hochschulwesen, 1+2, 32-39.
onsbeziehungen je nach Lehrformate und wis-
                                                          Huber, L. (2018). SoTL weiterdenken! Zur Si-
senschaftlichem Inhalt natürlich sehr unter-
                                                          tuation und Entwicklung des Scholarship of
schiedlich, teils proaktiv, teils reaktiv – immer
                                                          Teaching and Learning (SoTL) an deutschen
aber rückgebunden an Wissenschaft als Lehr-
                                                          Hochschulen. Das Hochschulwesen, 1+2, 33-
und Lerngegenstand wie auch als Institution.
                                                          41.
Die von Benner (2018, S. 109f.) geforderte ver-
                                                          Reinmann (2018). Shift from Teaching to Lear-
mittelnde Kausalität zwischen edukativen und
                                                          ning und Constructive Alignment – zwei hoch-
bildenden Prozessen wäre im Kontext Hoch-
                                                          schuldidaktische Prinzipien auf dem Prüfstand.
schule, so meine Folgerung, zu modifizieren
                                                          Impact Free 14. Hamburg. URL: https://gabi-
und zu ergänzen zu einer didaktischen Kausali-
                                                          reinmann.de/wp-content/uploads/2018/02/Im-
tät (wenn man denn Benners Kausalitätskon-
                                                          pact-Free-14.pdf
trukt übernehmen wollte), die Lehr-, Bildungs-
und Forschungsprozesse aufeinander bezieht                Reinmann (in Druck). Vom Eigensinn der
bzw. aneinander koppelt – freilich, wie Benner            Hochschuldidaktik.
(2018 a, b) deutlich macht, ohne die Implika-
tion, didaktisches Handeln könnte oder müsste             Reinmann, G. (2016). Gestaltung akademischer
verursachend auf Hochschullehre/-bildung wir-             Lehre. Anforderungen an eine Hochschuldidak-
ken. Der hochschuldidaktische Mehrwert des                tik als Allgemeine Didaktik. Jahrbuch Allge-
variierten didaktischen Dreiecks liegt meiner             meine Didaktik 2016 (Thementeil hrsg. von G.
Einschätzung nach darin, dass sich damit das              Reinmann, M. Keller-Schneider & M. Gläser-
bislang fehlende Element der Forschung in ein             Zikuda), 11, 45-60.
konsistentes Begriffsgefüge für Strukturen und
Prozesse akademischen Lehrens und Lernens
integrieren lässt, das genuin didaktischen Cha-
rakter hat (Reinmann, 2018, in Druck). Die für
die Hochschuldidaktik so relevanten Konzepte
wie forschungsnahes und forschendes Lernen
(also didaktische Formate) sowie verschiedene
Auffassungen des Konstrukts Scholarship of
Teaching (von der forschenden Lehrhaltung bis
zum forschenden Lehren) können hier ebenso
sinnvoll und schlüssig eingebettet werden (vgl.
Huber, 2018), wie pädagogisch-psychologische
Erkenntnisse zum Lehren und Lernen sowie bil-
dungstheoretische Ziele und Modelle.

IMPACT FREE 18 (Juli 2018)                                                                Gabi Reinmann
[7]

Bisher erschienene Impact Free-Artikel                  Reinmann, G. (2016). Entwicklungen in der
                                                        Hochschuldidaktik. Impact Free 2. Hamburg.
Klages, B. (2018). Utopische Figurationen
hochschulischer Lehrkörper – Zum transforma-            Reinmann, G. (2016). Forschungsorientierung
torischen Potenzial von Utopien am Beispiel             in der akademischen Lehre. Impact Free 1.
kollektiver Lehrpraxis an Hochschulen. Impact           Hamburg.
Free 17. Hamburg.
Burger, C. (2018). Weiterbildung für diversi-
tätssensible Hochschullehre: Gedanken und
erste Ergebnisse. Impact Free 16. Hamburg.
Reinmann, G. (2018). Strategien für die Hoch-
schullehre – eine kritische Auseinandersetzung.
Impact Free 15. Hamburg.
Reinmann, G. (2018). Shift from Teaching to
Learning und Constructive Alignment: Zwei
hochschuldidaktische Prinzipien auf dem Prüf-
stand. Impact Free 14. Hamburg.
Reinmann, G. (2017). Empirie und Bildungs-
philosophie – eine analoge Lektüre. Impact
Free 13. Hamburg.
Reinmann, G. (2017). Universität 4.0 – Gedan-
ken im Vorfeld eines Streitgesprächs. Impact
Free 12. Hamburg.
Fischer, M. (2017). Lehrendes Forschen? Im-
pact Free 11. Hamburg.
Reinmann, G. (2017). Ludwik Flecks Denkstile
– Ein Kommentar. Impact Free 10. Hamburg.
Reinmann, G. (2017). Verstetigung von Lehrin-
novationen – Ein Essay. Impact Free 9. Ham-
burg.
Reinmann, G. (2017). Col-loqui – Vom didak-
tischen Wert des Miteinander-Sprechens. Im-
pact Free 8. Hamburg.
Reinmann, G. (2017). Überlegungen zu einem
spezifischen Erkenntnisrahmen für die Hoch-
schuldidaktik. Impact Free 7. Hamburg.
Reinmann, G. & Vohle, F. (2017). Wie agil ist
die Hochschuldidaktik? Impact Free 6. Ham-
burg.
Reinmann, G. (2016). Wissenschaftliche Lek-
türe zum Einstieg in die Hochschuldidaktik. Im-
pact Free 5. Hamburg.
Reinmann, G. (2016). Die Währungen der
Lehre im Bologna-System. Impact Free 4.
Hamburg.
Reinmann, G. & Schmohl, T. (2016). Autoeth-
nografie in der hochschuldidaktischen For-
schung. Impact Free 3. Hamburg.

IMPACT FREE 18 (Juli 2018)                                                            Gabi Reinmann
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