Bachelorarbeit Fitnessmarketing: Marketingkonzeption für ein Fitnessstudio - FAKULTÄT MEDIEN, 2016 - Hochschule Mittweida
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Bachelorarbeit Fitnessmarketing: Marketingkonzeption für ein Fitnessstudio Patrycja Akbulut FAKULTÄT MEDIEN, 2016 I
Erklärung Hiermit erkläre ich, die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen, als die angegebenen Hilfsmittel benutzt zu haben. Die Stellen der Arbeit, die anderen Quellen im Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen wurden, sind durch Angaben der Herkunft kenntlich gemacht. Dies gilt auch für Abbildungen, sowie Quellen aus dem Internet. Bensheim, den 14.06.2016 Patrycja Akbulut II
Bibliografische Angaben Akbulut, Patrycja: Fitnessmarketing: Marketingkonzeption für ein Fitnessstudio 62 Seiten, Hochschule Mittweida, University of Applied Sciences, Fakultät Medien, Bachelorarbeit, 2016 III
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2. Fitnessbranche und Fitnesswirtschaft 2.1. Fitnesswirtschaft 2.2. Fitnessbranche 2.2.1. Entstehung der Fitnessbranche 2.2.2. Sport und Fitnessbranche heute 2.2.3. Der Sektoren Ansatz 2.3. Einordnung der Anbieter in die Struktur des Sportmarktes 2.4. „Muckibude“ vs. Frauenstudio 2.5. Discount-Angebote vs Premium Anbieter (Marktdynamik Preis) 2.6. Fitnessstudios in der Online Community (Digitalisierung der Branche) 3. Fitness und Gesundheitstrend 3.1. Trendmanagement 3.1.1. Trendidentifikation 3.1.2. Trendbewertung 3.1.3. Trendanalyse 3.1.4. Trend Reporting 3.1.5. Trend Monitoring 3.1.6. Trendmarketing 3.2. Fitness, Sport, Schönheit – der neue Lifestyle 3.3. Neue Schönheitsbilder bei Frauen: Von Magerwahn zu Stärke und Gesundheit IV
4. Gesundheit und Sportmarketing 4.1. Marketing 4.1.1. Prozesse der Marketingkonzeption 4.1.1.1 Analyse der externen und internen Umwelt 4.1.1.2 Strategische Unternehmens- und Marketingplanung 4.1.1.3 Operative Marketingplanung 4.1.1.4 Implementierung und Kontrolle 4.1.2 Sportmarketing 4.1.3 Gesundheitsmarketing 4.2 Vergleich von Sportmarketing und Gesundheits- und Medizinmarketing 5. Fallbeispiel 5.1. Ausgangslage / Status Quo 5.2. Aufbau des Studios 5.3. Besonderheiten und Angebot 5.4. Positionierung der Anlage 5.5. Analyse der internen und externen Umwelt 5.5.1 SWOT- Analyse 5.5.1.1 Stärken des Betriebs 5.5.1.2 Schwächen des Betriebs 5.5.1.3 Chancen 5.5.1.4 Risiken 5.5.1.5 Wettbewerbsanalyse 5.6. Strategische Unternehmensplanung 5.7. Strategische Marketingplanung 5.7.1. Ziele 5.7.2. Marketingstrategie 5.7.3. Zielgruppe 5.7.4. Marketingbudgetierung 5.8. Operative Marketingplanung 5.8.1. Produktpolitik 5.8.2. Preispolitik 5.8.3. Distributionspolitik 5.8.4. Kommunikationspolitik 5.8.4.1 Klassische Kommunikationsinstrumente V
5.8.4.2 Nicht-Klassische Kommunikationsinstrumente 5.9. Kontrolle 5.9.1. Konzeptkontrolle 5.9.2. Prozesskontrolle 5.9.2. Ergebniskontrolle 5.10. Fazit 6. Handlungsempfehlungen VI
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Verhältnis Mitglieder zur nicht Mitgliedern in der Gesamtbevölkerung S. 5 Abbildung 2: Jährlicher Anstieg der Mitgliederzahlen in Millionen S. 7 Abbildung 3: Wertschöpfungskette von Sport S. 11 Abbildung 4: Innovationsmanagement: Organisation und Prozess S. 18 Abbildung 5: Trendmanagementprozess S. 19 Abbildung 6: Die Dimension des Trend-Radars S. 21 Abbildung 7: Ebenen der Marketingkonzeption in Anlehnung an Ramme (2009) S. 30 Abbildung 8: Managementzyklus „Feuerrad“ S. 31 Abbildung 9: Marketingkonzeption als Prozess in Anlehnung an Meffert/Bruhn (1997) S. 32 Abbildung 10: Marketing-Mix mit den 4 P´s. In Anlehnung an Nufer/Bühler S. 35 Abbildung 11: Markensteuerrad S. 37 Abbildung 12: Sportmarketingmodell S. 40 Abbildung 13: Gesundheits- und Medizinmarketing S. 44 Abbildung 14: Vergleichsmatrix: Sportmarketing vs. Gesundheits-/Medizinmarketing S. 45 Abbildung 15: Vitals-Logo S. 51 Abbildung 16: Zielgruppenbestimmung anhand der Sinus-Milieus in Deutschland S. 53 Abbildung 17: Kostenaufstellung Maßnahmen S. 58 VII
1. Einleitung Wie äußert sich ein Trend? Es gibt bereits seit längerer Zeit ein hohes Niveau der Begeisterung für Sport – trotz der damit verbundenen Anstrengung und notwendigen Überwindung. Aber auch den Bequemsten beschleicht ein Gefühl des schlechten Gewissens, wenn man – bequem im Auto sit- zend – beobachtet, wie man von Fahrradfahrern im städtischen Stoßverkehr überholt wird. Immer häufiger von Radlern im Anzug, gerne mit auffällig platzierter Aktentasche. Dieses schlechte Gewis- sen, dieser emotionale Aufhänger, ist natürlich ein gefundenes Fressen für die Sport-Industrie und ihre Werbemaschinerie. Ein Trend, quasi ohne negative Begleiterscheinung, der Gesundheit, kör- perliche Fitness und soziales Ansehen auf sich vereint. Dementsprechend groß ist die Antwort der Anbieter: Beginnend in den 80er-Jahren mit Rennrädern über „Rollerblades“, Skateboards, Moun- tainbikes bis zur elektrounterstützten Fahrradwelle dieser Tage, gab es ständig neue Angebote sei- tens der Hersteller. Aber die Mobilität ist nur eine Facette dieser Trend-Nutzung. Von Superfood über Sportbekleidung, neuen Freizeitangeboten (von Scootern bis Longboarding) erstreckt sich das An- gebot heute über so viele Bereiche, dass kaum noch jemand mangelnde Auswahl als Ausrede für fehlende körperliche Betätigung anführen kann. Mittlerweile hat sich ein ganzer neuer Lifestyle durchgesetzt. Beworben durch Testimonials von so verschiedenen Prominenten wie R&B-Sängerin Beyonce und Kampfwunder Ronda Rousey, wird deutlich, dass man – und vor allem Frau – heute kaum dem sozialen Druck ausweichen kann, schön, stark und erfolgreich zu sein. Dass dieses gesündere Leben zusätzlich auch gesünder und glückli- cher macht, begreifen immer mehr Menschen. Sport gehört heute – nicht nur zu EM-Zeiten – zum festen Bestandteil des Alltags, mit dem Werte wie Disziplin und Selbstkontrolle vermittelt und ver- bunden werden. Besonders gut greifbar wird dieser Zusammenhang am Beispiel der allgegenwärti- gen Fitnessstudios. 2014 waren 9,1 Millionen Deutsche in einem der zahlreichen Studios angemeldet – bei nach wie vor konstantem Anstieg der Mitgliederzahlen. Die Fitnessbranche wird ein immer wichtigerer Faktor für die Gesamtwirtschaft. Neue Formate sorgen für dynamischen Wandel und treiben das Wachstum vor allem der Franchise- und Ketten-Anbieter voran. Besonders kleine Unternehmen, die zum Teil seit vielen Jahren Teil der Fitnessbewegung sind, haben allerdings oft Probleme, in dem Meer aus Konkurrenz, Trends und Wandel nicht unterzugehen. In dieser Arbeit soll versucht werden, einen Einblick zu geben, in die Entwicklung der Sportindustrie generell und die Anforderungen an kleine Anbieter im Speziellen. Angefangen bei der Geschichte 1
der Fitness, bis zum heutigen Kaleidoskop an Angeboten und Erfordernissen, die geprägt sind durch Wettbewerb und immer stärkerer Leistungsdifferenzierung – bei immer niedrigeren Preisen. Dabei steht der korrekte Einsatz von Marketing im Vordergrund, da auch dieser Bereich heute weit- aus komplexer ist, als die sorgsam platzierte Print-Anzeige auf der Rückseite der Kino-Tickets in den 90er-Jahren. Erfolgreiches Marketing erfordert ein Prozessdenken, das sowohl die Orientierung am Markt, als auch die Bedürfnisse der Kunden, bzw. Zielgruppen beinhaltet. Die Wahl der richtigen Methode, der richtigen (Erfolgs-)Messtechniken und genug Flexibilität um auf Ergebnisse und neue Trends einzugehen sind entscheidend für langanhaltenden Erfolg. In einem Gesamtkonzept, basie- rend auf systematischer, strategischer Planung, wird das eigene Unternehmensbild geformt, rele- vante Interaktionspartner festgelegt, Austauschprozesse und Aktivitäten ausgewählt und durchge- führt, die dazu beitragen, die gesetzten Ziele zu erreichen. Auch die Zielsetzung selbst muss durch die Abwägung vieler Faktoren letztendlich dazu beitragen, das Unternehmen voranzubringen. Der Prozess Marketing kostet jedoch Geld und ist – besonders für kleine Unternehmen – mit einem nicht unerheblichen Investitionsrisiko verbunden. Häufig ist es schon schwierig überhaupt ein Budget dafür zuzuweisen, während das Studio versucht im Markt zu überleben. In dieser Arbeit soll diese Aufgabe aufgegriffen und am Beispiel eines in Bensheim ansässigen Fitnessstudios versucht werden, Möglichkeiten zu finden, effizient und effektiv eine Marktpositionierung umzusetzen und Neukundengewinnung zu betreiben. Der traditionsgebundene Betrieb muss dafür auf die Anforde- rungen der neuen Trendströmungen vorbereitet werden und einen Spagat zwischen altbewährt und neu realisieren. 2
2. Fitnessbranche und Fitnesswirtschaft Dieses Kapitel gibt einen kurzen Überblick über die Entwicklung von Fitness und Sport aus der wirt- schaftlichen Perspektive. Dazu werden die Begriffe Wirtschaft, Branche und Markt für diesen spezi- ellen Bereich abgegrenzt. Tritt an die Stelle des Produktes oder der Dienstleistung die sportliche Betätigung, benötigt es ein Differenzieren des Ansatzes, da das klassische Tauschgeschäft hier nur schwer Anwendung findet. Der Wandel in Bezug auf den neuen Kunden, der bereit ist in seine Fit- ness zu investieren, der einen aktiven Beitrag zu seiner gesundheitlichen Vorsorge leistet, verdeut- licht, dass die Steigerung des Bedürfnisses nach Sport eine andere Form der Nachfrage darstellt, als in der ursprünglichen Marktdefinition postuliert. Zudem finden sich im folgenden Abschnitt einige theoretische Ansätze zur Strukturierung und genaueren Betrachtung der Komplexität von Sport, wie er konsumiert und verstanden wird. Die Entwicklung der Branche erlebt konstantes Wachstum und wird dadurch zu einem bedeutenden Faktor mit entsprechend hohen Umsätzen. 2.1. Fitnesswirtschaft Unter Fitness versteht man einerseits die körperliche Leistungsfähigkeit eines Menschen, die auch starke Auswirkungen auf den geistigen Zustand hat. Sowohl der körperliche als auch der geistige Zustand eines Individuums kann Aufschluss über seine Fitness geben. Immer mehr Menschen emp- finden es als erstrebenswert, die eigene Fitness zu verbessern und leisten einen aktiven Beitrag dazu. Um eine Verbesserung zu erreichen, setzen Männer wie Frauen auf sportliche Betätigungen um den notwendigen Ausgleich zu Stress des Arbeitsalltags (der häufig mit mangelnder Bewegungs- möglichkeit einhergeht) zu erreichen. Aus diesem Bedarf, der über die Jahre zu einer immer höheren Nachfrage geführt hat, entwickelte sich ein Massenmarkt. Dieser ökonomische Aspekt des Sports besteht hauptsächlich aus der Gesundheitsprävention und der Entspannungsmöglichkeit und weni- ger aus der von den Vereinen abgedeckte Funktion der Freizeitbeschäftigung. Eine Verallgemeinerung der Beweggründe kann nicht präzise zusammengefasst werden. Für man- chen ist und bleibt Sport nur ein Hobby, für andere ist es ein Weg zu besserem Lebensgefühl. Erst durch die wirtschaftlichen Zusammenhänge lässt sich diese Unschärfe beseitigen. Wirtschaft wird dadurch definiert, dass menschliche Bedürfnisse mit Gütern, die nur verknappt zur Verfügung stehen, gedeckt und befriedigt werden sollen. Dabei erzielt werden Profite erzielt – unabhängig davon, ob es sich um Dienstleistungen oder Produkte handelt. In dieser Arbeit soll die Wirtschaftlichkeit des Sports anhand der Fitness-Branche untersucht werden. 3
Als Sportökonomie wird die Wirtschaft bezeichnet, die die ökonomischen Aspekte des Sports unter- sucht. Heinemann (1995) betrachtet die Entwicklung des Sports unter seinem wirtschaftlichen As- pekt, kann allerdings keine durchgehende Struktur erkennen und ist auch nicht in der Lage einen Fortgang zu definieren. Dem wirtschaftlichen Aspekt, der erst mit Entstehung von privaten Anbietern und steigendem Bedürfnis nach Sport als Produkt bzw. Dienstleistung hervorgerufen wurde, steht die Befriedigung des Bedürfnisses durch staatliche Seite (etwa Sportunterricht an Schulen und Son- derstellung von Vereinen um niedrige Beiträge zu realisieren) gegenüber. Der Kunde von heute be- treibt Sport bewusst und integriert ihn in seinen Alltag. Der gesundheitliche Aspekt des Sports und seine positiven Auswirkungen auf Körpergefühl und mentalen Zustand rückt immer mehr in den Vor- dergrund und hat bei den potenziellen Kunden eine Bereitschaft entstehen lassen, dafür Geld zu investieren.1 Durch die immer weiter fortschreitenden Bedürfnisse des Menschen nach Sport in allen seinen Fa- cetten hat sich das Angebot erhöht und die Entstehung erwerbswirtschaftlicher Sportunternehmen, die gezielt und gewinnorientiert handeln, begünstigt. Die schon lang bestehenden freiwilligen Sport- vereinigungen, die nur am Bedarf orientiert sind, geraten dadurch langsam ins Hintertreffen. Das ist zum Teil begründet in der Abhängigkeit der Vereine von Staat und Sponsoren aus der Wirtschaft, sowie der meist sehr hierarchischen Entscheidungsstruktur, die der von freihandelnden, privaten Betrieben unterlegen ist. 2.2. Fitnessbranche Deutschland schaffte es im Jahr 2014 auf den ersten Platz der führenden Fitnessmärkte in Europa mit einem deutlichen Vorsprung vor England und Frankreich. Am populärsten ist das wetterunab- hängige Sporttreiben in einem der zahlreichen Fitnessstudios, die die Kunden mit immer breiterem Angebot locken. Mit einer Mitgliederanzahl von über 9 Millionen, was einer Penetration von 11,2% entspricht, stellt Deutschland 18,2% der insgesamt 50,1 Millionen Mitglieder von Fitnessstudios in Europa (2014) und liegt auf dem ersten Platz.2 Der Branche wird u.a. vom Deutschen Sportstudio Verband (DSSV) für die Zukunft weiteres Wachs- tum prognostiziert. Eine Tendenz, die sich an dem konstanten jährlichen Anstieg in den Jahren 2002 bis 2015 und dem Verhältnis von Mitgliedern pro Einwohner ablesen lässt (s.o.). Die unten aufge- führte Abbildung 1 verdeutlicht das noch nicht ausgeschöpfte Potential an noch nicht aktiven Mitglie- dern der Gesamtbevölkerung. Die DSSV prognostiziert weiteres Wachstum, nämlich, dass bis zum 1 Nufer, Gerd; Bühler, André: Management im Sport, 3. Auflage, Berlin, Erich-Schmidt-Verlag, 2012, S. 6. 2 Deloitte: Pressmitteilung: Deutsche Fitnessbranche mit hoher Dynamik [www2.deloitte.com/de/de/pages/presse/contents/deutsche-fitnessbranche-mit-hoher-dynamik.html, abgerufen am 29.5.16] 4
Jahr 2020 rund 12 Millionen Menschen in Deutschland eine Mitgliedschaft abgeschlossen haben werden. Abbildung 1: Verhältnis Mitglieder zur nicht Mitgliedern in der Gesamtbevölkerung von Deutschland 2.2.1. Entstehung der Fitnessbranche Als Branche versteht man vereinfacht einen Wirtschaftszweig, der eine „Sammelbezeichnung für Unternehmen, die weitgehend substituierbare Produkte oder Dienstleistungen herstellen“3 darstellt. Der Autor Trosien überträgt dies auf den Sport und kommt zu dem Ergebnis, dass in der Sportbran- che die Definition alle Produkte und Dienstleistungen miteinschließt, die mit Sport zu tun haben. Diese Vielseitigkeit des Sports als Produkt, Dienstleistung oder Konsumartikel, macht es jedoch schwer den Sport einer einzelnen Branche zuzuordnen. Es handelt sich eher um eine Streuung über mehrere Wirtschaftszweige. Die geschichtliche Entstehung liefert mehrere Anhaltspunkte zur Entwicklung der Sportbranche und erleichtert eine Eingrenzung. So ist einer der Faktoren der internationale Einfluss, auch wenn sich 3 Gablers Wirtschaftslexikon Online [wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/branche.html, abgerufen am 20.5.16]. 5
hauptsächlich Sportarten aus Europa etablieren konnten. Die steigende Nachfrage nach Sport re- sultierte in einem immer breiter werdenden Angebot. Weitere Aspekte waren der technische Fort- schritt wie im Bereich der Fortbewegungsmittel oder auch tradierte Betätigungsfelder wie Fechten oder Formen des Jagens. Die große Vielfalt und der Abwechslungsreichtum des Sportangebotes haben wesentlich dazu beigetragen, dass immer mehr Menschen daran gefallen finden konnten. Die wichtigsten Entwicklungen gehen in die 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurück, daher be- schränkt sich diese Arbeit auf diesen Zeitraum. 1981 folgte hat das Internationale Olympische Ko- mitee den Amateur-Paragraphen gestrichen und den Verzicht auf die Vermarktung des Sports ge- kippt. Das hatte zur Folge, dass die Tür zur Monetarisierung von Sportlern und Sportorganisationen global weit aufgestoßen wurde. Wie zu erwarten war, bildeten sich umgehend viele Strukturen zur Sportvermarktung und binnen kürzester Zeit entwickelte sich ein weltweiter Milliardenmarkt. Aber auch Ereignisse, die nicht direkt mit dem Sport in Verbindung standen, hatten enormen Einfluss, wie der „mediale Urknall“ im Jahr 1984 – die Entstehung der privaten TV-Sender. Sehr schnell formierten sich Unternehmen, die es zu ihrer Aufgabe machten, den Sport in seiner Pracht und Publikumswirk- samkeit medial zu vermarkten und die enormen Einfluss auf das rechtliche Umfeld nahmen. 1981 wurde auch der DSSV gegründet, Europas größter Arbeitgeberverband für die Fitnesswirtschaft, der seitdem die Ziele und Interessen der beteiligten Unternehmen vertritt. Auch die deutsche Wiedervereinigung 1989 hatte weitreichende Auswirkungen, durch das schlag- artige Vergrößern des Marktes für Sport, Sportartikel, Senderechte, etc. Es entstand eine „Sportna- tion“. Sportartikel und Bekleidungshersteller wie Puma und Adidas machten in dieser Zeit den Schritt von Familienunternehmen zu global aktiven Handelsmarken und sind bis heute ein Aushängeschild für „Made in Germany“.4 2.2.2. Sport und Fitnessbranche heute Relativ früh kristallisierte sich die Beliebtheit von Fitnessstudios heraus. Im Jahr 2012 haben die Mitgliederzahlen der Fitnessstudios dann die der Fußballvereine überholt. Eine Tendenz, die bis heute besteht. 2015 erreichte der Markt neue Höchstwerte, wie der DSSV vermeldete, der jedes Jahr in Zusammenarbeit mit der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte sowie der Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DhfPG) die wichtigsten Zahlen zur Marktsituation er- mittelt. 4 Nufer, Gerd; Bühler, André: Management im Sport, a.a.O., S. 91. 6
Ddas Training im Fitnessstudio ist in Deutschland die mitgliedsstärkste Form der Sportausübung. Die registrierten 9,08 Millionen Mitglieder in über 8.000 Fitness- und Gesundheitsanlagen, verdeut- lichen die Präferenz der Deutschen ihre körperliche Betätigung im Fitnessstudio auszuüben und zeigen einen Wandel bei den Zielen des Sports auf: Stand es früher im Vordergrund seine Kräfte mit anderen zu messen oder gemeinschaftlich einen Sieg herbeizuführen, so stehen heute Gesund- heitsprävention und Verbesserung von Lebens- und Köpergefühl im Mittelpunkt. In Zahlen: Die Fitnessanbieter konnten 2015 einen Anstieg der Mitgliederzahlen von 4,2% im Ver- gleich zum Vorjahr verbuchen. Der Fußball mit seinen 6,89 Millionen Mitgliedern musste dagegen mit einem Minus von 1% klarkommen, Tennis verzeichnet in diesem Zeitraum einen Rückgang von 2% und Schützenvereine den Verlust von 1,2% der Mitglieder. Diese Zahlen machen den Stellenwert der Fitnessbranche für die Wirtschaft und die Richtung deutlich, in die sich der Markt entwickelt. Dadurch ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten zur gezielten Vermarktung bei einer steigenden Nachfrage nach qualifiziertem Personal. Auch begünstigt die positive Entwicklung die Platzierung von sportökonomischen Studiengängen und Weiterbildungsmöglichkeiten. 7
Abbildung 2: Jährlicher Anstieg der Mitgliederzahlen in Millionen. Die Strategie, die Unternehmen innerhalb einer Branche betreiben, wird hauptsächlich von zwei Faktoren bestimmt: Zum einen den Wettbewerbsvorteilen und zum anderen vom Branchenlebens- zyklus, der Aufschluss über den Entwicklungsstand der Branche gibt. Mehrere Anzeichen deuten bei der Fitnessbranche auf eine Reifephase. Bereits im Jahr 2012 zeichnete sich die Tendenz zum Mas- senmarkt mit weiterhin hohem Wachstumspotenzial und hoher Anbieterdichte ab – trotz der beste- henden großen Kapazitäten. Die Anzahl neuer Anlagen ist kaum gestiegen und das Wachstum be- schränkte sich auf die Erweiterung des Angebots. So konnten Ketten und Franchisesysteme stabile Gewinne verbuchen, was z. T. durch Anpassungen im Preisleistungsverhältnis möglich wurde. Eine weitere Auffälligkeit der Branche ist, dass trotz unterschiedlicher Bedürfnisse eine relativ gleichblei- bende Nachfrage der Konsumenten besteht. Daher haben sich auch die Leistungen der verschie- denen Wettbewerber angeglichen. Obwohl die Methoden der Umsetzung vielfältig sind, resultieren daraus nur geringe Differenzierungsmöglichkeiten zwischen den Konkurrenten. Diese Marktsituation 8
entspricht dem Fragmentierungsgeschäft mit Anlehnung an die von Oetinger entwickelte Selektion aus vier Geschäftstypen5. Das Fragmentierungsgeschäft zeichnet eine hohe Anzahl möglicher Wett- bewerber bei einer geringen Größe der möglichen Wettbewerber aus.6 2.2.3. Der Sektoren Ansatz Trosien versucht sich an der schwierigen Eingrenzung der Sportbranche7. Das Problem wird aus dem Kontext der zugehörigen Organisationen und deren Einflüsse aufeinander deutlich. Er nennt drei Sektoren, die sich aus Angebot und Nachfrage ergeben und sich über unterschiedliche Ziele und Finanzierungen definieren. Der Markt- und Wettbewerbssektor (Profit Sector) schließt den Deut- schen Olympischen Sportbund, seine Mitgliedsorganisationen, die nicht olympisch anerkannten Sportarten mit ihrer eigenständigen Rechtsfähigkeit, Gemeinnützige Organisationen und Vereine mit ein. Der öffentliche Sektor (Public Sector) wird bestimmt durch die Nähe zum Staat. Er wird rechtlich und finanziell aufwendig betreut und reglementiert. Der private Sektor umfasst u.a. den wirtschaftli- chen Aspekt, der aufgrund steigender Bedürfnisse zustande kommt. Von den drei Sektoren können aufgrund der Orientierung zwei in ihrer Rolle zusammengefasst wer- den: Der öffentliche Sektor aus Staat und Sportförderung und der Profit Sector, bestehend aus Markt- und Sportwettbewerb, teilen sich einen gemeinnützigen Hintergrund sind nicht unbedingt auf Profit (oder zumindest Profit aus Sport direkt) ausgerichtet. Der private Sektor dagegen ist gewinn- orientiert und schließt die privaten, gewerblichen Anbieter mit ein. Diese Aufteilung erlaubt eine gute Veranschaulichung.8 Die Fitnessstudio-Betreiber befinden sich im privaten Sektor und sind unabhängig vom staatlichen und vom Markt- und Wettbewerbssektor darauf ausgerichtet Gewinne zu erzielen. Sie fixieren sich auf die Interessen ihrer Mitglieder. Der Autor unterteilt die Branche in Sektoren und marktdefinie- rende Segmente. Zu dem Sektor Sportvereinigungen gehören Sportvereine und -verbände. In dem zweiten Sektor, der staatliche Sportförderung, befinden sich kommunale Haushalte, Länderhaus- halte und der Bundeshaushalt, die Medien mit den Segmenten öffentlich-rechtliche und private Me- dien, sowie die Wettgesellschaften. In Sektor der Wirtschaftsunternehmen finden sich die Sport- und Fitnessstudios, der Fachhandel, die Industrie und Sportdienstleistungen. Der letzte Sektor, das Sportsponsoring, wird über externe Unternehmen definiert. Im Jahr 2002 erreichte der Markt einen Umsatz von 28,5 Milliarden Euro. Trosien prognostiziert ein weiteres Wachstum um 4,7 Milliarden 5 Daumann, Frank; Hheinze, Robin; Römmelt, Benedikt (Hrsg.): Sciamus, Themenheft Sport und Management, Strategisches Management für Fitnessstudios, Ausgabe 3, Hof, Sciamus, 2012, S. 3. 6 Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen e. V. (DSSV), Website, [www.dssv.de/home/statistik/eckdaten-2016/, abgerufen am 22.05.2016] 7 Nufer, Gerd; Bühler, André: Management im Sport, a.a.O., S. 87ff. 8 Nufer, Gerd; Bühler, André: Management im Sport, a.a.O., S. 92f. 9
Euro beim Umsatz und 210.000 zusätzliche Arbeitsplätze für das Jahr 2015, sowie einen konstanten jährlichen Anstieg für die nähere Zukunft.9 2.3. Einordnung der Anbieter in die Struktur des Sportmarktes Um den Markt in seiner Zusammensetzung und seinen Besonderheiten besser zu begreifen, ist es notwendig seine Struktur zu verstehen. Das existierende Modell nach Willimczik (2007), unter Be- rücksichtigung der durch empirische Untersuchung von Digel (1984) und Heinemann gewonnen Er- kenntnisse, postuliert eine Unterteilung in sechs Modelle10: traditioneller Sport professioneller Hochleistungssport sportnahe Hobbys Präsentationssport Erlebnissport Gesundheitssport. In diesem Konzept werden Bewegung, Leistung und Entspannung als verschiedene Motivationen genannt, die auf verschiedene Aktivitäten wie z. B. Fußball, Aerobic oder Angeln übertragen werden. Übertragen auf die Sportausübung im Fitnessstudio, wäre eine Einordnung in Erlebnis- und Gesund- heitssport sinnvoll. Die hohe Anzahl der Mitglieder im Fitnessstudio legt als Motivation die Verbes- serung des Gesundheitszustands durch regelmäßige Bewegung, den Ausgleich zur sitzenden Tä- tigkeit im Arbeitsalltag und bessere, gesundere Lebensführung nahe. Auch die Möglichkeit der Ent- spannung sollte nicht außer Acht gelassen werden und viele Konsumenten empfinden auch einfach Spaß am Sport. Nach der Marktdefinition von Gabler11 sind das die verschiedenen Facetten der Nachfrage, die im Zusammenspiel mit dem verfügbaren Angebot den Preis bilden. Es bestehen zahlreiche Klassifizie- rungsmöglichkeiten von Märkten, wobei bei für den theoretischen Rahmen des Sportmarkts dieser Teil der Definition ausreichend ist und der Abgrenzung von verwandten Begriffen dient. Der Sport- markt muss aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden um ein Verständnis für seine Be- sonderheiten zu erkennen. Shamir/Ruskin (1984) unterteilen in einen Teilnehmermarkt und einen Zuschauermarkt, wobei auch hier keine klare Klassifizierung möglich ist, denn ein aktiver Sportler 9 Trosien, Gerhard (Hrsg.): Die Sportbranche: Wachstum - Wettbewerb – Wirtschaftlichkeit, Frankfurt, Campus, 2000. 10 Nufer, Gerd; Bühler, André: Management im Sport, a.a.O., S. 8. 11 Gablers Wirtschaftslexikon Online [wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/markt.html, abgerufen am 20.5.16]. 10
kann auch als Zuschauer zu einem passiven Sportkonsumenten werden und somit beiden Gruppen angehören.12 Innerhalb der Wertschöpfungskette gibt es drei Arten von Leistungen, denen die Sportorganisatio- nen und Betreibe zugeordnet werden. Diese Arbeit konzentriert sich auf die Rolle von Fitnessstudios und die Vermarktung der generierten Leistungen. Da die Vermarktung von Rechten kaum Relevanz für solche Betriebe hat, wird dieser Punkt außer Acht gelassen. In Abbildung 3 fließen die Grafiken von Hermanns/Riedmüller13 ein. Sie stellt die Wertschöpfungskette von Sport in Verbindung mit der Systematik des Sportmanagements und unter Einbeziehung des Sportlermarktes und die dazuge- hörigen Betriebe dar. Perspektive Sportlermarkt Zielgruppenmarkt Generierung von Vermarktung von Leistungen Wertschöpfungskette Leistungen Wertschöpfung im Sport Fitnessstudio Betriebssport Zugehörige Sportbetriebe Sportstättenbau Sportgerätehersteller Staatliche Sportförderung Abbildung 3: Wertschöpfungskette von Sport Bei der wirtschaftlichen Sicht gibt es einige Besonderheiten bei der Nachfrage- und der Anbieterseite. Schubert14 formuliert anschaulich die Aufteilung der Aspekte. Seiner Betrachtungen sind in einigen Punkten für diese Arbeit relevant und gewinnen im weiteren Verlauf zunehmend an Bedeutung – 12 Nufer, Gerd; Bühler, André: Management im Sport, a.a.O., S. 8. 13 Ebenda, S. 9. 14 Schubert, Manfred: Sport-Marketing – einige Überlegungen zu den konstitutiven Grundlagen eines neuen Forschungs- und Aufgabenfeldes, in: Breuer, Christoph; Thiel, Ansgar (Hrsg.): Handbuch Sportmanagement, Schondorf, Hofmann, 2009, S. 248-265. 11
speziell die Marketingprozesse sind von Interesse und helfen eine bessere Sichtweise auf die spe- zielle Form des Angebots von sportbezogenen Dienstleistungen zu vermitteln. Bei der Vermarktung von Sport als Produkt treten Besonderheiten auf. So müssen zuerst die Priori- täten der jeweiligen Anbieter festgelegt werden und welche Aufgaben sie erfüllen. In der Wertschöp- fungskette bestimmt also der Zweck die Art der Leistung. Fitnessstudios befassen sich in erster Linie mit der Betreuung ihrer Mitglieder. Kein Fitnessstudio- betreiber kann einem Kunden eine Gewichtsreduktion oder verbesserte Gesundheit garantieren, da zu viele weitere nicht kontrollierbare Faktoren Einfluss haben. Die Nichterfüllung der Erwartungen eines Kunden kann hier nicht auf den Anbieter übertragen werden. Dazu kommt die Notwendigkeit einer differenzierten Sichtweise auf das Produkt Sport. Nur ein Teil des Sportangebots kann als Marktgut gesehen werden, denn von dem Grundbedürfnis Sport kann niemand ausgeschlossen werden. Es gilt als öffentliches Gut und als solches ist eine Preisbestim- mung kaum möglich. Diese „Immunität des Sports“ erschwert einige produktpolitische Marketing- maßnahmen. Im Verlauf der weiteren Kapitel dieser Arbeit (vor allem denen, die sich genauer mit dem Marketing befassen) wird diese Aussage näher erläutert. An dieser Stelle soll nur auf die Prob- lematik im Zuschauermarkt verwiesen werden, wie es Schubert anhand des Fußballs anschaulich macht. Folgende Aspekte beziehen sich, laut Schubert, auf die Nachfrageperspektive: Mit dem Be- griff „High-Involvement“ fasst er die emotionale Bindung an den Sport zusammen.15 So sind Fans einiger Fußballmannschaften bereit, weite Strecken auf sich zu nehmen, um der eigenen Mann- schaft beizustehen. Diese Bereitschaft ist unabhängig von den Ticketpreisen (die zusätzlich variieren können). Es überwiegt die Gefühlsbindung der Fans an das dazugehörige Team, bzw. die Gruppen- bindung unter den Fans. Sport an sich ist ein tertiäres Bedürfnis, d. h. Menschen können ohne große Auswirkung oder gar Nachteile auf Sport verzichten. Aber das Bedürfnis nach Sport hat keine Sätti- gungsgrenze, daher können nach Erreichung der Ziele neue Ziele gesteckt werden, oder die Be- dürfnisse können sich (z.T. radikal) verändern, sog. „variety seeking“. In diesem Zusammenhang werden auch die Unterschiede in der Motivation deutlich, die durch die Individualität der Nutzer zu- stande kommen und die eine Anpassung des Angebots erschweren. Diese Sonderstellung des Sports bedarf einer spezifischen Behandlung und Berücksichtigung beim Verständnis innerhalb des Managementzyklus, wie auch bei der Anwendung ausgewählter Marketingmaßnahmen. 15 Schubert, Manfred: Sport-Marketing, a.a.O., S. 393. 12
2.4. „Muckibude“ vs. Frauenstudio Bei einer genaueren Betrachtung der Anbieter von Fitnessstudios fallen viele Gemeinsamkeiten auf, die sich über die Jahre mit den Anforderungen der Kundschaft entwickelt haben. Die meisten Studios sind nach einem ähnlichen Prinzip aufgebaut: ein Cardio-Raum mit einem Standardangebot an Ge- räten, ein Kursraum für geführte Gruppenveranstaltungen wie Aerobic oder Joga, ein Geräteraum zur Stimulation bestimmter Muskelgruppen und ein Kraftraum mit einer Auswahl an Hanteln. Optio- nal, aber fast immer vorhanden, sind für die Studios Sauna und Solarium. Sie runden das Angebot ab. Die existierenden Unterschiede schlagen sich meist überproportional im Preis nieder. Dazu gibt es noch eine Reihe Nischenanbieter, die zielgruppenspezifische Angebote machen, wie Studios zu denen nur Frauen Zutritt haben. Trotz der kongruenten Angebotsauswahl gibt es häufig klare Differenzierungsfaktoren durch die Ge- wichtung der einzelnen Bereiche. So sind Studios mit einem großen Cardio-Raum auf eine andere Publikumsstruktur ausgelegt, als Betriebe mit großen Krafträumen. Aus dieser Gewichtung resultiert der Schwerpunkt des Studios und dieser ist unabhängig von Slogan oder vermittelter Werbebot- schaft, obwohl diese einen genaueren Aufschluss über die Positionierung geben sollen. Ausstat- tungsmerkmale wie das Kursangebot schaffen weitere Differenzierungsmerkmale. Die Branche hat sich über die Jahre von den ersten sog. „Muckibuden“ – die auf eine rein männliche Zielgruppe fokussiert waren, mit allen dazugehörigen auch negativen Assoziationen –, zu Wohlfühl- und Wellnesstempeln gewandelt, in denen viel Wert auf physische und mentale Regeneration gelegt wird und die eine wesentlich breitere Zielgruppe ansprechen. Das Fitnessstudio als Männerdomäne findet sich nur noch selten. Mittlerweile sind alle Altersgrup- pen und Geschlechter vertreten. Der Kunde sucht einen Ort zur Bewegung und zur Entspannung, wobei der Aspekt der Vorsorge und Pflege der eigenen Gesundheit immer mehr in den Mittelpunkt rückt. Das macht eine entsprechende Anpassung des Angebots an diese Bedürfnisse erforderlich. Das weibliche Publikum wurde immer mehr zu einer Zielgruppe, die mittlerweile von manchen Un- ternehmen in der Branche exklusiv angesprochen wird. So sind Angebote entstanden, die rein auf die Anforderungen der weiblichen Kundschaft zugeschnitten sind: Diese Betriebe setzen auf Optik, Ambiente und häufig dem Angebot einer Kinderbetreuung, um den Sport in den stressigen Alltag von Müttern leichter eingliedern zu können. Für Frauen steht immer noch überwiegend die Gewichts- abnahme im Fokus, daher ist es notwendig eine gute Betreuung im Studio anzubieten, die dieses Ziel unterstützt und koordiniert. Ein Fitnesstrainer als Motivator und ein Ernährungsberater sind dort häufig anzutreffen. 13
2.5. Discount-Angebote vs Premium Anbieter (Marktdynamik Preis) Der Markt im Fitnessbereich wird hauptsächlich durch drei Preisgruppen bestimmt – eine Entwick- lung, die sich mit der Zeit verfestigt hat. Die günstigsten Anbieter, das Discount-Segment, haben einen überschaubaren Leistungsumfang und günstige Preise. Deren Kunden sind sich i.d.R. be- wusst, dass sie weniger Leistung für den niedrigeren Beitrag bekommen, der zum Teil unter 30 Euro liegt. Hier gibt es zu den höherpreisigen Anbietern erhebliche Unterschiede in der Betreuungsqualität, daher sind solche Studios eher für Individualisten geeignet, die keinen Wert auf die Anwesenheit eines Trainers legen, der auf Bewegungsabläufe achtet, koordiniert und verbessert. Die Medium-Anbieter positionieren sich im preislichen Mittelfeld, stehen aber dabei im Konkurrenz- kampf mit den Discount-Anbietern. Bei ihnen steht ein z.T. wesentlich breiteres Spektrum an Pro- gramm und Betreuung zur Verfügung, was sie klar über den reinen Discount-Anbietern verortet. Hier werden i.d.R. Beiträge zwischen 30 bis 60 Euro aufgerufen. Es zeichnet sich allerdings eine Strate- gie der günstigen Anbieter ab, die darauf bedacht sind ständig ihr Angebot zu erweitern, um Konkur- renzfähigkeit gegenüber den Medium Anbietern durch Leistungsdiversifikation zu stärken. Dann gibt es die Gruppe der Premium-Anbieter, die sowohl preislich, als auch bei Technik und Ser- vice die Oberklasse bilden. Ausgedehnt über große Flächen sind entsprechende Saunalandschaften und komplexe Pool-Anlagen verbreitet. Die Anbieter setzen auf hohes Niveau und haben ihren Schwerpunkt beim Wellness- und Entspannungsfaktor. Der durchschnittliche Mitgliedsbeitrag liegt bei 80 Euro im Monat, wobei nicht immer alle Angebote inklusive sind. Kurse werden mehrfach täg- lich angeboten, meist sind mehrere Trainer gleichzeitig anwesend um die Sporttreibenden zu unter- stützen. Dieses Segment deckt die Rundrum-Sorglos-Kategorie ab. Innerhalb jeder Preisstufe besteht i.d.R. größerer Wettbewerb als zwischen den verschiedenen Stu- fen. Zusätzlich liegt ein kleiner Kreis zielgruppenspezifischer Studios bezüglich der Konkurrenz et- was außerhalb dieser Preisabstufung. Diese sprechen gezielt bestimmte Kundengruppen an, wie etwa Frauen, oder bieten neuartige Trainingsmethoden wie Elektro-Muskuläre-Stimulation. Ihr Leis- tungsangebot für eng definierte Abnehmergruppen erlaubt diesen Betrieben eine stabile Positionie- rung innerhalb des Marktumfelds. Das strategische und dynamische Verhalten der Wettbewerber prägt den Fitnessmarkt.16 Selbst un- abhängig vom Preis stellt die Auswahl des passenden Studios die Interessenten häufig vor eine 16 Daumann, Frank; Heinze, Robin; Römmelt, Benedikt (Hrsg.): Sciamus, Themenheft Sport und Management, Strategisches 14
schwierige Aufgabe. Nicht nur der Erfahrungsgrad jedes Einzelnen ist entscheidend um das pas- sende Studio zu finden, sondern viele weitere Faktoren wie Verkehrsanbindung, das Kursangebot, optische Merkmale, aber auch das eigene subjektive Empfinden, fließen mit ein. 2.6. Fitnessstudios in der Online Community (Digitalisierung der Branche) In der heutigen Gesellschaft, in der im Alltag kaum noch jemand ohne eine Onlinepräsenz auskommt, werden alle Bereiche des Lebens digitalisiert. Dieser Fortschritt macht auch vor der sportlichen Be- tätigung nicht halt. Online-Communitys sind nicht nur günstiger als ein Vertrag in einem Fitnessstu- dio, sie vermitteln auch eine emotionale Zugehörigkeit – zum virtuellen Teil der Gesellschaft. Das Community Building ist ein Marketingfaktor, der unter vielen Aspekten eine gezielte Strategiemaß- nahme zur Kundenbindung darstellen kann. Die Mitglieder kommunizieren auf den Plattformen, tau- schen ihre Erfolgserlebnisse miteinander aus und motivieren sich gegenseitig. Es muss allerdings großer Wert darauf gelegt werden, dass bestimmte private Grenzen gewahrt werden und Anonymität bei der Teilnahme an der Community – wenn gewünscht – möglich ist. Eine Onlinemitgliedschaft ist mit durchschnittlich 10 Euro im Monat preiswert, setzt aber hohe Selbst- disziplin voraus. Dafür ist der Kunde unabhängig von Öffnungszeiten oder Verkehrslage – das Trai- ning kann im eigenen Wohnzimmer stattfinden. Kunden, die solche Dienste nutzen, werden häufig auf Social-Media-Plattformen oder anderen verwandten Seiten mit Werbung bombardiert. Diese neue Art des Vertriebs kann der Fitness-Industrie hohe Umsätze ermöglichen. So konnte An- fang 2015 ein Einstieg von 62% erreicht werden. Das Zusammenspiel von Apps, Online-Trackern, Programmen und Affiliate Marketing sind dabei von großer Bedeutung. Die Betreiber platzieren sehr gezielt Werbung in themennahen Plattformen und erreichen so recht direkt das angestrebte Zielpub- likum.17 Affiliate Marketing bezeichnet nichts Neues, sondern die in vielen Bereichen bewehrte Struk- tur von Partnerschaften. Der Affiliate-Partner bewirbt Produkte oder Dienstleistungen anderer Unter- nehmen (Dechant) auf den eigenen oder dafür geeigneten Webseiten und wird dafür auf Provisions- basis entlohnt. Dabei wird mit Hilfe von Kontrollmechanismen wie etwa Monitoring festgestellt, wel- cher Kauf auf den Affiliate zurückgeht. Die Höhe der Bezahlung wird jedes Mal frei verhandelt. Management für Fitnessstudios, Ausgabe 3, Hof, Sciamus, 2012, S. 2f. 17 Izydorczyk, Patrizia: Der Fitness-Trend im Affiliate Marketing, in Markt-Trends vom 26.01.2016 [blog.zanox.com/de/zanox/2016/01/26/der-fitness-trend-im-affiliate-marketing/, abgerufen am 22.5.2016]. 15
Dadurch stellt Affiliate Marketing eine kostengünstige Werbemaßnahme dar, mit der Streuverluste minimiert werden können.18 Aus den technischen Möglichkeiten, wie Smartwatches und Firness-Trackern, resultieren neuartige Produkte und Dienstleistungen, die gerade dabei sind große Teile des Marktes zu erobern. Sie set- zen auf die Rechenleistung und ubiquitäre Verfügbarkeit von Smartphones. Das ruft aber auch ver- mehrt Bedenkenträger auf den Plan, da die Technik auch eine dauerhafte Überwachung möglich macht. Andererseits sind so rasch Erfolgserlebnisse produzierbar, die zum Anspornen geeignet sind. Produkte wie etwa die verbreitete Kombination aus einer Smartwatch mit Trainings-App setzen auf den Gesundheitsaspekt und motivieren mit erreichbaren Zielen. Zusätzlich ergänzen Funktionen rund um das körperliche Befinden, wie Pulsmesser, Analyse des Schlafrhythmus, Schritt- und Kalo- rienzähler, den Bedarf an Selbstvermessung. Durch die Verbreitung von Smartphones ist es möglich geworden, die dauerhafte Kontrolle von körperlichen Prozessen mobil erfassbar und auswertbar zu machen. Solche Uhren sind – die diskutable Datenverwertung beiseite – definitiv eine große Hilfe zu einem aufklärerischen Umgang mit dem eigenen Körper, weil sie eine Kontrolle der Nahrungsaufnahme und der verbrannten Kalorien ermöglichen. Diese dauerhafte Kontrolle des Lebensrhythmus wird auffällig häufig von Menschen betrieben, die bereits aktiv Fitness betreiben. Einer der bedeutendsten Auslöser dafür, das eigene Leben sportlicher zu gestalten, ist seit Jahren die Gewichtsabnahme, unter anderem motiviert von den erschreckenden Statistiken zu Fettleibig- keit.19 Viele Menschen sind mit ihrer Figur unzufrieden, möchten abnehmen und sich in ihrem Körper wohler fühlen. So waren im Jahr 2013 62% der Männer und 43% der Frauen nach den WHO-Emp- fehlungen für den Body-Mass-Index (BMI) zu dick. Ein Punkt an dem die Industrie ihre Impulse ein- bringen kann.20 Das Zubehör ist vielfältig und die Entwicklung der kompatiblen Geräte ist in vollem Gang. Beginnend bei Waagen, die nicht nur das aktuelle Gewicht anzeigen, sondern gesetzte Ziele unterstützen und Fortschritte in Verlaufskurven grafisch aufbereiten, bis zu den oben genannten Smartwatches und 18 Lammenett, Erwin: Praxiswissen Online-Marketing Affiliate- und E-Mail-Marketing, Suchmaschinenmarketing, Online-Werbung, Social Media, Online-PR, 2. Auflage, Gabler, 2009, S. 23. 19 Statistisches Landesamt NRW: Pressemeldung: 2013 gab es doppelt so viele Adipositas-Patienten wie vor fünf Jahren, 15. Mai 2015, [www.it.nrw.de/presse/pressemitteilungen/2015/pres_119_15.html, abgerufen am 2.6.2016]. 20 Spiegel Online: Statistik zum Übergewicht: Deutschland verfettet - aber raucht weniger, vom 5.11.2014, [www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/studie-zu-uebergewicht-mehr-als-jeder-zweite-deutsche-ist-zu-dick-a-1001097.html, abgerufen am 22.5.16]. 16
Fitness-Trackern, wird die Richtung der Zubehör-Industrie deutlich, den Gesundheitsfaktor in Ver- bindung mit Sport und der richtigen Ernährung auf den gesamten Lebensstil der Menschen zu über- tragen. Betrachtet man wieviel Zeit für Sport und zugehörige Aktivitäten aufgewendet wird (für ziel- orientierte Konsumenten ist das ein Kostenfaktor der dem Nutzwert, also der Gesundheit, dem Aus- sehen, der Fitness gegenübersteht), dann liegt an dieser Stelle noch einiges an Potential brach. Die Prävalenz von Zuschauern im Sport Messdaten auszuwerten und zu optimieren ist in den traditio- nellen Sportarten schon lange bekannt. Diesen Effekt auf die eigene Betätigung auszuweiten hat in Kombination mit dem sozialen Faktor noch viel Potential für Weiterentwicklung im Fitnesssektor. 17
3. Fitness und Gesundheitstrend „Sport macht gesund!“ Dieser Allgemeinplatz beschäftigt Forscher seit Jahren. Sie wollen wissen, welche Faktoren genau darüber bestimmen, wie man den optimalen körperlichen Zustand erreicht. Vielen verschiedenen Ergebnissen zum Trotz, ist sich die Wissenschaft einig, dass eine Mischung aus gesunder Ernährung und sportlicher Betätigung positive Auswirkungen auf den gesamten Or- ganismus hat. Mehrere Studien haben Erkenntnisse zu den Veränderungen geliefert, die durch re- gelmäßiges Sporttreiben im Körper stattfinden. Erhöhte Endorphin-Ausschüttung – das Glückshor- mon, das im menschlichen Gehirn Wohlbefinden auslöst – beugt Depressionen vor, löst Ängste und sorgt für Entspannungsempfinden. Vermehrte Produktion von Endocannabinoiden hat eine ähnliche Wirkung wie Cannabis und lässt den Körper leichter und effektiver Stress abbauen. Neben dem positiven Effekt des gesteigerten Glücksgefühls ist das Sporttreiben eine Gesundheitsvorsorge, die die Muskulatur stärkt, Gelenkerkrankungen vorbeugt und vor Herzerkrankungen schützt. 3.1. Trendmanagement Dieser Teil beschäftigt sich mit Trendmanagement und seiner Präsenz im Sportbereich, wo in regel- mäßigen Abständen Trends zu verzeichnen sind, die sich manchmal mehr und manchmal weniger etablieren. Umgangssprachlich wird mit „Trend“ ein: „(…) modisch-aktuelles Gegenwartsphänomen mit hoher öffentlich-medialer Resonanz“ bezeichnet.21 Eine Google-Suche ergibt über 12,3 Millionen Ergeb- nisse für den Begriff „Fitness-Trends“. Das American College of Sports Medicine stellt auch in die- sem Jahr wieder die größten Sport-Trends für das Jahr 2016 zusammen. Nach Analyse der interna- tionalen Fitness-Branche fällt das Ergebnis im US-amerikanischen „Health&Fitness“-Magazin für 2016 folgendermaßen aus: Hochmoderne „Wearables“ lösen das Body-Weight-Training und das High-Intensity-Interval-Training in diesem Jahr von der Spitzenposition in der Trendvorhersage ab.22 Eine Nichtbeachtung von Trends kann zu erheblichen Nachteilen auf dem Markt führen. Deswegen soll Trendmanagement in Unternehmen dazu beitragen, relevante Trends frühzeitig zu identifizieren und analysieren, damit entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können. Abbildung 4 zeigt die Organisation und den Prozess von Innovationsmanagement nach Kai Engel23 und bietet einen interessanten Ansatzpunkt um Trendmanagement besser im Innovationsablauf zu 21 Pfadenhauer, Michaela: Wie forschen Trendforscher? Zur Wissensproduktion in einer umstrittenen Branche. Forum Qualitative Sozialforschung Vol. 5, Ausgabe 4, Artikel 36, 2004, S. 1. 22 American College of Sports Medicine (ACSM), 2016, Annual Survey Reveals New #1 Fitness Trend in 2016. [www.acsm.org/about-acsm/media-room/news-releases/2015/10/26/annual-survey-reveals-new-1-fitness-trend-in-2016, abgerufen am 20.05.2016] 23 Engel, Kai: Organisation von Innovationsmanagement. Kräftebündelung in Innovationsnetzwerken. In: Engel, Kai; Nippa, Michael 18
verorten. „Innerhalb des Innovationsprozesses dient das Trendmanagement der Ideengenerierung. Es ist deshalb den „frühen Phasen“ des Innovationsmanagements zuzuordnen.“24 Abbildung 4: Innovationsmanagement: Organisation und Prozess Die Trendforschung an sich wird von vielen Seiten aufgrund ihrer unscharfen Methodik kritisiert. „Der Begriff „Trendforschung“ kennzeichnet einen ebenso schillernden wie unscharf umrissenen Gegen- stand zwischen „Marktforschung“ und „Zukunftsforschung“. 25 Das Trendmanagement hingegen kann relativ klar als Teil des Innovationsprozesses definiert werden und sollte deshalb als fester Bestandteil eben dieses gelten. 26 Zur Veranschaulichung zeigt Abbildung 5, die Darstellung des Trendmanagements als Prozess.27 (Hg.): Innovationsmanagement: Von der Idee zum erfolgreichen Produkt, Heidelberg, Physica Verlag, 2007, S. 1-13. 24 Durst, Michael; Stefanie Stang; Lena Stößer; Fritz Edelmann: Kollaboratives Trendmanagement. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, Band 47, Ausgabe 3, 2010, S. 78-86. 25 Pfadenhauer, Michaela: Wie forschen Trendforscher? a.a.O., S. 2. 26 Fritz Edelmann, et. al.: Kollaboratives Trendmanagement. a.a.O., 2011, S. 2. 27 vgl. Fink, Alexander; Siebe, Andreas: Handbuch Zukunftsmanagement - Werkzeuge der strategischen Planung und Früherkennung, Campus, Frankfurt, 2006. 19
Abbildung 5: Trendmanagementprozess Im Folgenden werden die einzelnen methodischen Herangehensweisen von Trendmanagement nä- her betracht: Trendidentifikation, Trendbewertung, Trendanalyse und Trendreporting. 3.1.1. Trendidentifikation Lange Zeit wurde die Trendforschung in Unternehmen vernachlässigt, was zu einer Reaktionshal- tung seitens der Unternehmen geführt hat. Inzwischen beschäftigen führende Unternehmen fast ausnahmslos ganze Innovationsabteilungen, die mit aktiver Forschung zukunftsrelevante Themen entdecken sollen. Aber nicht nur mehr Mitarbeiter sind Teil dieses Prozesses, sondern auch externe Experten und die Kunden selbst werden mit eingebunden. Im Zuge der Verbreitung des Open-Inno- vation-Ansatzes nach Henry Chesbrough wird vor allem der Kunde immer wichtiger im Trendfin- dungsprozess.28 Gerade die Hinwendung zum Kunden für Trendbeobachtungen geht zurück auf ein verändertes Kon- sumentenverhalten im Zuge der Digitalisierung. „Der aktive Kunde oder Prosument (zusammenge- setzt aus „Produzent“ und „Konsument“) geht hervor aus einem Paradigmenwechsel, vor allem be- dingt durch die verbreitete Nutzung der Möglichkeiten der digitalen Kommunikation und des gelern- ten partizipativen Nutzerverhaltens.“29 Dieses Phänomen kann jeder Konsument einfach durch di- verse Foren, Nutzerrezensionen auf führenden Verkaufsportalen bis hin zu Produktkritiken auf Y- outube einsehen. Die Bandbreite an Möglichkeiten zur Kommunikation mit dem Kunden kennt heute kaum noch Grenzen. Auch Softwarekomponenten des Web 2.0 wie die omnipräsente Kommentar- funktion ermöglichen eine einfache und schnelle Partizipationsmöglichkeit, die gerade durch ihre allgemeine Verbreitung in unzähligen Plattformen von Amazon bis Online-Zeitungen auch Erklä- rungsbedarf beim Kunden überflüssig macht.30 28 Durst, Michael; et. al.: Kollaboratives Trendmanagement. a.a.O., S. 80. 29 Schildhauer, Thomas; Hilger, Voss: Kundenkommunikation im Zeitalter von Transparenz und Digitalisierung – Trendmonitoring und Crowdsourcing. In: Möslein, Kathrin; Ansgar Zerfaß (Hg.): Kommunikation als Erfolgsfaktor im Innovationsmanagement: Strategien im Zeitalter der Open Innovation, Wiesbaden, GWV Fachverlage, 2009, S. 265ff. 30 Durst, Michael; et. al.: Kollaboratives Trendmanagement. a.a.O., S. 80. 20
3.1.2. Trendbewertung Nachdem Trends erfolgreich identifiziert und benannt wurden, folgt die nächste Phase des Trend- managements: die Trendbewertung. Dafür kommen in den meisten Fällen folgende Auswahlkriterien in Betracht: a. Auswirkungsstärke: Wie stark betrifft dieser Trend das Unternehmen? b. Auswirkungsrichtung: Wie steht es um das Chancen- und Gefahrenpotentials des Trends für das Unternehmen? c. Eintrittswahrscheinlichkeit: Hier kann das Unternehmen nicht nur nach der Wahrscheinlich- keit fragen, ob dieser Trend irgendwann ankommt, sondern sich auch speziell auf die Frage ausrichten, wann der Zeitpunkt des Eintritts stattfinden wird. d. Unsicherheit des Trends: Dabei geht es um die statistische Dimension, der man sich meis- tens nur durch Wahrscheinlichkeitsbewertungen annähern kann.31 3.1.3. Trendanalyse Trends können anhand einer langen Liste von Kriterien bewertet werden. Dabei haben sich folgende als besonders sinnvoll erwiesen: Wettbewerbsvorteil, Kundenakzeptanz, Einpassen in die Unterneh- mensstrategie und Einpassung in das Geschäftsmodell. Jedes Kriterium wird außerdem auf einer Skala von 1 (sehr gering) bis 5 (sehr hoch) bewertet, damit ein Durchschnittswert ermittelt werden kann, der entsprechende Handlungsoptionen nahelegt.32 Fink und Siebe unterscheiden folgende Handlungsmuster: 33 a) Trends sofort anpacken b) Trends proaktiv aufgreifen c) Auf überraschende Trends vorbereitet sein d) Trends beobachten e) Trends beobachten und integrieren f) Ressourcen nicht unnötig binden 3.1.4. Trend Reporting Die Visualisierung von Trends kann oftmals dabei behilflich sein, den Prozess an sich zu strukturie- ren und zu verfolgen. Beim Trend Reporting kommt das vor allem dann zum Einsatz, wenn es darum 31 Fink, Alexander; Siebe, Andreas: Handbuch Zukunftsmanagement: Werkzeuge der strategischen Planung und Früherkennung. Frankfurt am Main, Campus Verlag, 2011, S. 166-167. 32 Durst, Michael; et. al.: Kollaboratives Trendmanagement. a.a.O., S. 81. 33 Fink, Alexander; et. al.: Handbuch Zukunftsmanagement: a.a.O., S. 167-168. 21
geht die Ergebnisse von Trendidentifikation, -bewertung, -analyse möglichst einheitlich den Füh- rungsebenen im Unternehmen zu präsentieren.34 Die Visualisierungskomponente in Form eines Ra- dars ist in diesem Fall besonders anschaulich und effektiv. „Ziel des Trend-Radars ist es, die Ent- scheidung für oder gegen die Verfolgung eines Trends in der letzten Phase des Trendprozesses zu erleichtern“35. Analog zum Radarschirm in der Flugüberwachung zeigt Abbildung 6 recht deutlich, dass Objekte, die nahe am Zentrum sind, vom menschlichen Auge als relevanter wahrgenommen werden, als Objekte, die in der Peripherie liegen. Abbildung 6: Die Dimension des Trend-Radars Der vom Team Durst vorgeschlagene Radar kann bis zu vier Dimensionen übersichtlich darstellen. Zunächst wäre die Entfernung vom Zentrum. Auch verschiedene Unternehmenssegmente können dargestellt werden. Die Größe und farbliche Unterscheidung von Trends kann ebenfalls punktuell dargestellt werden. Die Entfernung des Punkts vom Zentrum innerhalb des Radars kann beispiels- weise den Eintrittszeitraum des Trends markieren. Hierbei dient der Mittelpunkt des Radars als ak- tuelles Datum, während etwa der äußerste Rand entweder ein fest definierter Zeitpunkt in der Zu- kunft ist, oder der Eintrittszeitpunkt des Trends, der am weitesten in der Zukunft liegt. Die Segmente entsprechen idealerweise den verschiedenen Ebenen des Innovationsmanagements. Mit der Größe der Darstellung von Text und Symbol kann ebenfalls adjustiert werden und damit beispielsweise ein Indikator für das Interesse an einem Trend sein. Die Farbe der Trendpunkte kann individuell von 34 Ebenda, S. 172. 35 Durst, Michael; et. al.: Kollaboratives Trendmanagement. a.a.O., S. 81. 22
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