In Bayern neu entdeckt: die Alpen-Barrenringelnatter
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Notiz Artenschutz In Bayern neu entdeckt: die Alpen-Barrenringelnatter (Monika Offenberger) Wissenschaftler der Zoologischen Staatssammlung München haben in mehreren bayerischen Land- kreisen Exemplare der Alpen-Barrenringelnatter identifiziert. Bislang war diese Schlange, die der gewöhnlichen Ringelnatter sehr ähnlich sieht, nur aus den Südalpen bekannt. Foto- nachweise und Genanalysen belegen nun bislang unentdeckte Vorkommen in der nörd- lichen Alpenregion. Wie weit die Art in Bayern verbreitet ist und ob Kreuzungen mit der lokal sympatrisch vorkommenden Ringelnatter stattfinden, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Abbildung 1 Es kommt nicht alle Tage vor, dass in Bayern eine Unterscheidung von gewöhnlichen Ringelnattern“, Alpen-Barrenringelnatter von der Oberen Isar bei neue Wirbeltierart entdeckt wird. Ein Team von erklärt Koautor Michael Franzen von der Zoolo- Mittenwald. Bei diesem Forschern der Zoologischen Staatssammlung gischen Staatssammlung München (ZSM). Exemplar ist die Barren- München und des Bayerischen Landesamtes Tatsächlich hatte sich schon bei früheren Unter- zeichnung entlang des für Umwelt konnte nun den sicheren Nachweis suchungen durch Kollegen aus Dresden gezeigt, Körpers nur schwach aus- erbringen, dass die Alpen-Barrenringelnatter auch dass die Barrenringelnatter als Art selbst nicht geprägt. Während der hintere schwarze Nacken- in der bayerischen Alpenregion heimisch ist. homogen ist. Die Barrenringelnatter im engeren fleck deutlich erkennbar ist, Damit steigt die Zahl der im Freistaat nachgewie- Sinn – ihr wissenschaftlicher Name lautet Natrix fehlen die für Ringelnattern senen Kriechtiere von neun auf zehn Arten an: helvetica helvetica – kommt in Frankreich und in typischen hellen Nacken- Neben fünf Echsenarten – Blindschleiche, Berg-, Deutschland westlich des Rheins vor, hat aber flecken (Foto: Frank Glaw/ZSM). Mauer-, Smaragd- und Zauneidechse – beherbergt Unterarten auf Korsika, Sardinien sowie im mitt- Bayern also auch fünf Schlangenspezies: Kreuz- leren und südlichen Italien. „Daneben gibt es noch otter, Äskulap-, Alpen-Barrenringel-, Ringel- eine Linie, die bisher nur aus den Südalpen und und Schlingnatter. „Es ist erstaunlich, dass diese deren Vorland bekannt war“, sagt Michael Franzen. große Schlange so lange übersehen wurde“, sagt Dr. Frank Glaw, Leiter der Sektion für Amphibien Um Sicherheit über die Artzugehörigkeit der und Reptilien an der Zoologischen Staatssamm- ungewöhnlichen Funde zu erlangen, ließen die lung München und Erstautor der wissenschaft- ZSM-Forscher das mitochondriale Cytochrom-b- lichen Publikation zum Nachweis von Natrix Gen aus Haut- und Gewebeproben von insgesamt helvetica spp. nördlich der Alpen. 14 Individuen sequenzieren. Als Probenmaterial dienten Häutungen, Verkehrsopfer sowie Erste Hinweise auf ungewöhnliche Ringelnattern Alkoholpräparate aus dem Bestand der Zoologischen lieferte bereits vor rund zehn Jahren der inzwi- Staatssammlung sowie Abstriche aus den Kloaken schen verstorbene Schlangenkenner Wolfgang von lebend gefangenen Schlangen. Dr. Carolin Völkl: Bei der Kartierung von Kreuzottern fielen Kindler kombinierte die neuen DNA-Sequenzen ihm im Isarwinkel Tiere mit auffällig kleinen mit einem Teil ihres umfangreichen Datensatzes, Nackenflecken und starker Barrenzeichnung auf. den sie am Staatlichen Museum für Naturkunde Ähnliche Beobachtungen von ungewöhnlich in Dresden im Rahmen ihrer Doktorarbeit bei gefärbten Ringelnattern machten in den Folge- Prof. Uwe Fritz zusammengetragen hatte. jahren auch Amateurforscher am Walchensee. Ergebnis: Die Hälfte der untersuchten Individuen „Das ist ein sehr variables Merkmal. Es gilt zwar als erwiesen sich als gewöhnliche Ringelnattern typisch für die Barrenringelnattern, ist aber bei Natrix natrix, von der es in Bayern ebenfalls zwei den bayerischen Tieren oft nur undeutlich ausge- genetisch unterscheidbare Linien gibt. Beide prägt und eignet sich deshalb nicht gut zur Linien waren in den Proben vertreten: Die ANLIEGEN NATUR 42(1), 2020 143
Artenschutz Notiz meisten Exemplare gehören der „gelben Linie“ an, der sicher belegten Fundorte weitere Popula- die vor allem im Westen und Norden Bayerns zu tionen von Natrix helvetica vorkommen. finden ist. Ein Individuum erwies sich als Vertreter der „roten Linie“, die in Deutschland vor allem in Noch bleiben viele Fragen zur Verbreitung, gene- Sachsen und im Südosten Bayerns vorkommt. tischen Identität und ökologischen Einnischung Interessanterweise leben im Münchner Stadtteil der bayerischen Alpen-Barrenringelnatter. Derzeit Obermenzing Ringelnattern der „roten“ und untersucht Marlene Oefele im Rahmen ihrer „gelben“ Linie am selben Fundort. Masterarbeit die morphologische Variabilität bayerischer Ringelnattern anhand der zahlreichen Die übrigen sieben Exemplare erwiesen sich als Exemplare aus der Zoologischen Staatsammlung. Barrenringelnattern. Allerdings unterscheiden sich Um weitere Fragen klären zu können, bitten die diese bayerischen Individuen deutlich von Vertre- Autoren im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts tern der westlichen Linie, wie sie im Rheinland und alle Bürgerinnen und Bürger um Mithilfe: Sie sind in Frankreich vorkommen. „Tatsächlich handelt es aufgerufen, Fotos von Ringelnattern aus dem sich um eine Form der Barrenringelnatter, die Allgäu, der Alpenregion Oberbayerns und der hauptsächlich aus den Alpen bekannt ist und Main-Region in Unterfranken mit möglichst deshalb finden wir den Namen Alpen-Barrenringel- genauen Angaben zum Fundort unter der E-Mail- natter passend“, betont Frank Glaw. An fünf Adresse ringelnatter@snsb.de zu schicken. Wer Fundstellen im bayerischen Alpenraum gelang sich in der Lage sieht, tote Schlangen und Häute den Forschern ihr Nachweis, namentlich in aufzuheben und bei Bedarf – allerdings nie ohne Garmisch-Partenkirchen, im Inntal bei Brannenburg vorherige Rücksprache! – an die Zoologische und Kiefersfelden, am Riedboden und in der Staatssammlung München zu schicken, kann Isar-Aue südlich Mittenwald sowie in Sachrang- damit einen wichtigen Beitrag zur späteren gene- Grenzhub. Der Fundort bei Sachrang liegt direkt tischen Identifizierung der Schlangen leisten. an der Grenze zu Tirol/Österreich, weitere Fund- stellen in den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen Mehr und Rosenheim nur wenige Kilometer entfernt Glaw, F., Franzen, M., Oefele, M. et al. (2019): Gene- von der Landesgrenze. Alle Schlangen wurden in tischer Erstnachweis, Verbreitung und südalpine Höhenlagen zwischen 460 und 940 Meter über Herkunft der Barrenringelnatter (Natrix helvetica spp.) dem Meer gefunden. „Die mitochondrialen in Bayern. – Zeitschrift für Feldherpetologie 26(1): Sequenzen vom südlichen und nördlichen Alpen- 1–20. rand sind fast identisch. Deshalb vermuten wir, Kindler, C. M., Chèvre, M., Ursenbacher, S. et al. (2017): dass die Alpen-Barrenringelnatter nach der Hybridization patterns in two contact zones of letzten Eiszeit aus Norditalien, wahrscheinlich grass snakes reveal a new Central European snake über den Brenner- oder Reschenpass und durch species. – Scientific Reports 7: 73–78. Abbildung 1 das Inntal bis nach Bayern eingewandert ist“, Kindler, C. M. & Fritz, U. (2018): Phylogeography and Vergleich des Habitus erklärt Michael Franzen. Der Herpetologe hält es taxonomy of the barred grass snake (Natrix helvetica), (Männchen): Sand- für wahrscheinlich, dass in Bayern auch außerhalb with a discussion of the subspecies category in schrecke (links) und zoology. – Vertebrate Zoology 68: 253–267. Ödlandschrecke (rechts): ein wichtiges Unterscheidungs- merkmal ist das Hals- Ausbreitung der Blauflügeligen Sandschrecke in Südostbayern? schild (Foto: Andreas Zahn). (Andreas Zahn) Im Südosten Bayerns gelangen 2018 und 2019 neue Funde der Blauflügeligen Sandschrecke (Sphingonotus caerulans), die in Bayern als stark gefährdet gilt. Die Art zeigt Ausbrei- tungstendenzen, vermutlich bedingt durch den Klimawandel. Möglicherweise wird sie auch übersehen, wenn sie gemeinsam mit der häufigeren Blauflügeligen Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) vorkommt. 144 ANLIEGEN NATUR 42(1), 2020
Notiz Artenschutz Einleitung Diese Situation ist aufgrund der speziellen Habitat- Die Blauflügelige Sandschrecke (Sphingonotus ansprüche der Sandschrecke auch in anderen caerulans) gilt in Bayern als stark gefährdet, wobei Abbaustellen denkbar. Eine gezielte Nachsuche in den letzten Jahren eine gewisse Ausbreitungs- zur Überprüfung von Vorkommen der Sand- tendenz in Mitteleuropa festzustellen ist schrecke an Nachweisorten der Blauflügeligen (Kettermann & Fartmann 2018; Poniatowski et al. 2018; Ödlandschrecke ist daher anzuraten. Voith et al. 2016). Die Art bevorzugt Habitate mit äußerst spärlicher Vegetation, wobei es sich Literatur oftmals um Abbaustellen handelt. Im Vergleich Kettermann, M. & Fartmann, T. (2018): Auswirkungen zur häufig im gleichen Habitat vorkommenden des globalen Wandels auf Heuschrecken. – Natur- Blauflügeligen Ödlandschrecke (Oedipoda caerule- schutz und Landschaftsplanung 50(1), ISSN 0940- scens), wird ein noch geringerer Deckungsgrad 6808: 23–29. der Vegetation bevorzugt (Schönle & Schmidl 2019). Poniatowski, D., Münsch, T., Helbing, F. & Fartmann, T. 2018 und 2019 gelangen neue Nachweise der (2018): Arealveränderungen mitteleuropäischer Blauflügelige Sandschrecke in den oberbayerischen Heuschrecken als Folge des Klimawandels. – Natur Landkreisen Mühldorf und Altötting. und Landschaft 93(12): 553–561. Schönle, M. & Schmidl, J. (2009): Zur Ökologie und Beobachtung und Diskussion Habitatwahl der Heuschreckenarten Sphingonotus 2018 wurde die Blauflügelige Sandschrecke in einer caerulans und Oedipoda caerulescens im NSG mit Eseln beweideten Kiesgrube am östlichen Tennenlohe, Erlangen. – galathea 25/4: 139–171. Ortsrand der Stadt Altötting (Landkreis Altötting) Storm, J. (2019): Auswirkungen der Beweidung einer entdeckt (Storm 2019). Matthias Nirschl (brieflich) ehemaligen Kiesgrube durch Esel. – Bachelorarbeit Abbildung 2 von der unteren Naturschutzbehörde Mühldorf an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Typisches Habitat der fand 2019 zirka zehn Individuen auf einer kiesigen Fakultät Landschaftsarchitektur: 54 S. Sandschrecke im Vorder- Ausgleichsfläche im Gewerbegebiet der Stadt grund. Ödlandschrecken Voith, J., Beckmann, A., Sachteleben, J., Schlumprecht, halten sich verstärkt in Mühldorf. H. & Waeber, G. (2016): Rote Liste und Gesamtarten- der etwas dichteren Ve- liste der Heuschrecken (Saltatoria) Bayerns. – Internet- getation in der Bildmitte In einer Abbaustelle südlich von Ampfing (Land- Veröffentlichung: 14 S. auf (Foto: Andreas Zahn). kreis Mühldorf), in der eine große Population der Blauflügeligen Ödlandschrecke bekannt war, gelang der Nachweis der Sandschrecke 2019 durch den Fang einer vermeintlichen Ödland- schrecke zu Demonstrationszwecken. Bei einer systematischen Begehung des rund 7 ha großen Teilbereichs der Kiesgrube im Sommer 2019, der sich aufgrund der Vegetationsarmut für beide Heuschreckenarten potenziell eignet, wurden Blauflügelige Ödlandschrecken auf allen offenen Flächen nachgewiesen. Die Populationsgröße dieser Art wurde auf 2.000 bis 4.000 Individuen geschätzt. Blauflügelige Sandschrecken wurden nur an drei Stellen (insgesamt auf zirka 15 % der Gesamtfläche) gefunden. Diese Bereiche waren besonders spärlich bewachsen (Abbildung 2). Der Bestand wurde auf lediglich 200 bis 300 Individuen geschätzt. Eine optische Unterscheidung beider Arten (Abbildung 1) war nach einer gewissen Einübung auch auf eine Entfernung von einigen Metern möglich. Allerdings flüchteten die Sandschrecken tendenziell früher und weiter als die Ödland- schrecken. Aufgrund der geringeren Bestands- dichte und der Tatsache, dass die „langsameren“ Ödlandschrecken leichter zu beobachten waren, war das Vorkommen der Sandschrecke in den Vorjahren offensichtlich übersehen worden. ANLIEGEN NATUR 42(1), 2020 145
Artenschutz Notiz Raufußhühner – begreifen, bestimmen, bewahren Abbildung 1 Die Broschüre „Raufuß- (Elena Weindel) hühner“ informiert über Raufußhühner sind faszinierende Tiere: Während die faszinierenden Tiere. andere Vögel weite Wanderungen auf sich nehmen, um dem Winter auszuweichen, trotzen sie den Minusgraden im Gebirge und graben sich Schneehöhlen zum Schutz vor der Kälte. Mithilfe verschluckter Steinchen zermahlen sie in ihren Mägen harte, nährstoff- arme Pflanzenfasern, um diese anschließend verdauen zu können. Ihre Füße, die der Vogel- familie im deutschsprachigen Raum ihren Namen geben, haben sich zu natürlichen Schneeschuhen entwickelt. Als Indikatorarten für die Biodiversität der Berg- der Lebensweise und den Habitatansprüchen der wälder und Hochgebirgslebensräume nehmen einzelnen Arten, befasst sich die Broschüre sie beim Schutz von montanen und hochmon- intensiv mit geeigneten Schutzmaßnahmen und tanen Artengemeinschaften eine ganz besondere dient als Leitfaden für die Bewirtschaftung von Rolle ein. Doch ihre Anpassungskunst hat Grenzen. Bergwäldern. Was können Grundstückseigner tun, Ihre Lebensräume haben sich in den letzten Jahr- damit die Lebensräume erhalten bleiben oder zehnten stark verändert. Denn was für die zurück- sich wieder erholen? Wie sollten sich Erholungs- gezogenen Tiere ein Lebensraum ist, ist für unter- suchende sowie Alpinisten verhalten? In der nehmungslustige Menschen herrliche Landschaft, Broschüre finden sich hierzu geeignete Maß- ein naturnahes Skiparadies oder der perfekte nahmen und wertvolle Tipps. Wanderweg durch die Alpen. Auch die Landnut- zung verändert seit Jahrhunderten die Lebens- Wissenschaftlich fundiert, spannend geschrieben räume der Arten. In Zeiten von Klimawandel und und grafisch ansprechend in Szene gesetzt, lädt Überdüngung durch hohe Stickstoffeinträge die Broschüre dazu ein, in die außergewöhnliche kommt der naturnahen Gestaltung ihrer Lebens- Welt der urigen Hühnervögel einzutauchen. Sie räume eine besondere Bedeutung zu. Von den ist ein Nachschlagewerk für alle, die in den Lebens- einstigen Vogelpopulationen sind heute nur noch räumen beruflich zu tun haben und wendet sich wenige erhalten, zahlreiche Hähne und Hennen an interessierte Laien, die einen kompakten Über- leben in isolierten Grüppchen ohne Langzeit- blick über alle in Bayern heimischen Raufußhuhn- perspektive. Arten suchen. Ein ergänzendes Faltblatt hilft im Gelände bei der Bestimmung der Arten anhand Gemeinschaftlich vom Bayerischen Landesamt von Losung, Federn und Spuren. für Umwelt und der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft entwickelt, wurde den seltenen Urvögeln nun eine umfangreiche Broschüre Mehr gewidmet. Vom Auerhuhn, dem größten Wald- Reimann, S., Kluth, S. & Lauterbach, M. (2019): Raufuß- vogel Europas, das wie das Birkhuhn mit roten hühner – Begreifen, Bestimmen, Bewahren. – Baye- Rosen über den Augen durch sein auffälliges risches Landesamt für Umwelt & Bayerische Landes- Balzverhalten zu großer Popularität gelangte, anstalt für Wald und Forstwirtschaft (Hrsg.), Augs- über das Alpenschneehuhn, das sein Gefieder burg und Freising: 109 S. drei Mal im Jahr wechselt, um sich mit der Färbung an seine Umgebung anzupassen, hin zum scheuen Haselhuhn mit seinem extrem hohen pfeifenden Gesang. Neben dem Aussehen, 146 ANLIEGEN NATUR 42(1), 2020
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