INDUSTRIAL METAVERSE Impulspapier
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Inhalt Perspektiven auf das Metaverse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Technologien und User Experience . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Standardisierung und Interoperabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Recht und Regulatorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Führung, Skills und Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Geschäftsmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Marktstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2
Was bedeutet das Metaverse für die Wertschöpfungs- Manufacturing-X). Diese Datenräume sollen die techni- dynamik in der Industrie? Ist es eine der viel zitierten schen, rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzun- Disruptionen, auf die sich jedes Unternehmen am bes- gen für eine multilaterale Datennutzung über Unter- ten schon heute vorbereiten sollte? Was bedeutet es für nehmensgrenzen hinweg schaffen. Geschäftsmodelle, Technologien und Standards sowie Recht und Personal? Damit erscheint das Industrial Metaverse als eine nächste Stufe in der Digitalisierung der Industrie: Auf Diese Fragen haben sich rund 80 Expertinnen und Basis der vernetzten industriellen Assets (= Industrie Experten der Plattform Industrie 4.0 gestellt. Für die in 4.0) eröffnet es virtuelle Erfahrungsräume der vernetz- der Plattform aktiven Unternehmen, Forschungsein- ten Fabrik und ihrer digitalen Zwillinge. Diese Erfah- richtungen, Verbände und Sozialpartner ist das Ausloten rungsräume dienen Nutzenden. Aus komplexer Technik von Chancen und Risiken von besonderer Relevanz. wird konkrete Erfahrung. Den Nutzenden werden neue Denn Industrie 4.0 zielt auf individualisierte Massen- Formen der Teilhabe, der Wertschöpfung und der Inter- produktion. Das Metaverse ermöglicht nun, die Nutzen- aktionen erschlossen: Im Industriellen Metaverse kön- den in den Fokus zu nehmen. nen etwa real existierende Produktionsanlagen mit ihrem Avatar remote gesteuert werden. Immersive Derzeit entstehen unterschiedliche „Metaversen“, die Techniken erlauben einen lebensechten Umgang mit zwar auf ähnlichen Technologien basieren, aber durch Produkten am Bildschirm oder durch Brillen mit Aug- unterschiedliche Ziele und Mechanismen der Wert- mented- oder Virtual-Reality-Techniken, kombiniert mit schöpfung angetrieben werden. Aber nicht alle funktio- haptischen Erfahrungen oder räumlichem Hören. nieren nach derselben Logik. Das Industrial Metaverse (IMV) ist anders. Unter dem IMV verstehen wir die vir- Wir formulieren in diesem AG-übergreifenden Thesen- tuellen Erfahrungsräume, in denen digitale Zwillinge der papier der Plattform Industrie 4.0 Kernthesen zu den vernetzten industriellen Assets anschaulich und nutzbar fünf Themenfeldern, die für die Umsetzung des Indust- werden. rial Metaverse entscheidend sind: Zum Hintergrund: Industrie 4.0 verändert, durch den Technik/User Experience, Standardisierung, Recht/ Einsatz von cyberphysikalischen Systemen, die industri- Regulatorik, Arbeit/Führung/Skills und Wertschöp- ellen Prozesse und Wertschöpfungsstrukturen grundle- fung/Marktstrukturen. gend. Die intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen in der Industrie mit Hilfe von Informations- Damit möchten wir aus der Perspektive der Plattform und Kommunikationstechnologien bildet die Basis für Industrie 4.0 zum Dialog über Chancen und Herausfor- das Industrial Metaverse. Das gilt auch für die Daten- derungen des Industrial Metaverse einen ersten Diskus- räume, die derzeit im Fokus stehenden (z. B. Catena-X, sionsbeitrag leisten. 3
Perspektiven auf das Metaverse Technologien und User Experience Das Industrial Metaverse ist keine neue Technologie, versprechen ausgewählt: von fotorealistischen XR- sondern geht aus der Kombination bestehender Tech- Simulationen bis zu einfachen Grafiken und Graphen nologien hervor. Die Technologien eröffnen Erfahrungs- auf digitalen Anzeigegeräten. Technologien werden nur räume digitaler Zwillinge, die Nutzende in den Fokus so weit angenommen, wie sie für die jeweils spezifische stellen. Das ist auch ein Hauptunterschied zur bisheri- Wertschöpfung bei den Nutzenden notwendig sind. gen Industrie 4.0 Relevante technologische Aspekte in Bezug auf die Nut- Die technologische Grundlage des Industrial Metaverse zerzentrierung sind dabei u. a.: wird aus zwei Richtungen gespeist. Zum einen entwi- ckeln insbesondere Akteure des Consumer- und • User-in-the-loop-Design und -Engineering Gaming-Metaverse Technologien für alle Metaversen. Zum anderen wird es einen „Technologiestack“ geben, • User-centric-Design: neue Entwicklungsansätze für der spezifisch für das Industrial Metaverse ist. Er setzt Technologien und Use Cases auf die generellen Metaverse-Technologien auf und erweitert sie. Abbildung 1 gibt Beispiele für die jeweili- • Low/no code: Entwicklung von IMV-Anwendungen gen Technologien, aufgeteilt in Kern-, erweiterte und durch Domänenexperten, ohne Fachwissen angrenzende Technologien. • Natürliche Interfaces: Sprach- und Gestenerkennung, Unterschiede zu anderen Metaversen sind die Herkunft -Steuerung und -Ausgabe der Daten aus physikalischen Assets sowie die Art und Weise der Nutzung dieser Daten, die auf die Optimie- • Explainable AI: nachvollziehbare Anwendungen und rung dieser Assets zielt. Der „Technologiestack“ des automatisierte Entscheidungen für den Domänenex- Industrial Metaverse zeigt, dass wir derzeit eine Techno- perten logiekonvergenz im Hinblick auf die Mensch-Maschine- Schnittstelle erleben. Im Industrial Metaverse werden • Cobots: Kollaboration von Menschen und Robotern in technologische Möglichkeiten aus Sicht der Nutzenden physischer und virtueller Welt gedacht. Technologien werden entsprechend der Wert- GENERELLE METAVERSE TECHNOLOGIEN TECHNOLOGIEN SPEZIFISCH FÜR DAS INDUSTRIAL METAVERSE · Digitale Zwillinge (der Menschen) · Digitale Zwillinge (Asset, Anlage, Fabrik, etc.) · Virtual / augmented / extendet reality (VR, AR, XR) · Industrielle Datenräume technologien · Wearables · Simulationstools (multiphysics) Kern · Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen ... · Simulationstools (Psychologie, ökonomisch) · Datenplattformen ... · Informationsschnittstellen, z. B. Verwaltungsschale Erweiterte Kern · Kommunikationsnetzwerke (5G/6G) technologien · Cloud und edge computing · Deterministische bidirektionale Kommunikation in Echtzeit · User Experience (UX) ... · Streaming · Kollaborative Umgebungen ... · Blockchain/distributed ledger, smart contracts · Autonome Systeme Technologien Angrenzende · Low/no code · Cyber security ... · Daten aller relevanten Objekte ... Entwicklung getrieben durch Metaverse-Akteure Entwicklung getrieben durch Industrieakteure Abbildung 1: eigene Darstellung 4
Standardisierung und Interoperabilität Recht und Regulatorik Wie bei den Metaversen anderer Ausrichtung (z. B. Im Metaverse geht es neben der generellen Frage des Gaming, Consumer) gibt es nicht ein einziges Industrial anwendbaren Rechts, insbesondere um Zivil- und Han- Metaverse, sondern vielmehr unterschiedliche, parallel delsrecht, Datenschutz, Urheber und Patentrecht, existierende. Daher sind im Hinblick auf die Governance Arbeitsrecht und Aufsichtsrecht. Auf zahlreiche Rechts- auch verschiedene Modelle denkbar: fragen bietet das aktuelle Recht bereits Antworten. Denn für das Metaverse gilt ebenso wie für die Nutzung • Geschlossener Ansatz: Organisation richtet IMV prop- von Blockchain/Distributed-Ledger-Technologien und rietär für die eigenen Partner und Kunden ein Non Fungible Tokens der gleiche Rechtsrahmen wie in der analogen Welt. Es gibt kein spezielles Metaverse- • Offener Ansatz: Integration von Partnern zugelassen Recht. Das Metaversum befindet sich nicht außerhalb des geltenden Rechtsrahmens. Es kommt auf die in der Für die industriellen Anwendungen bestehen Heraus- virtuellen Welt abgebildeten Lebenssachverhalte an. forderungen darin, die Konsistenz des zugrundeliegen- den Datenraums mit etablierten Konzepten sicherzu- Anwendbares Recht: Allen voran stellt sich die Frage, stellen. Diese sind seit Jahrzehnten im Bereich der welches Recht zur Anwendung kommt, z. B. das Recht industriellen Automation in internationalen Normen bei des Herkunftslandes des Betroffenen oder das des ISO (International Organization for Standardization) Plattformbetreibers. Dies kann durch Nutzungsverträge und IEC (International Electrotechnical Commission) vertraglich geregelt werden, vorbehaltlich zwingender beschrieben. Dies ist auch in Bezug auf sogenannte Vorschriften des Verbraucherschutzes, einschließlich „Brownfield-Anlagen“ und deren zum Teil jahrzehnte- der aktuellen EU Gesetzgebungen des „Digital Markets langen Nutzung zu berücksichtigen. So sind ggf. Maschi- Act“ und des „Digital Services Act“. nen- und System-Daten erst in einen offenen Standard zu übersetzen (normalisieren), bevor ein Digitaler Zwil- Zivil- und Handelsrecht: Für den Kauf und Verkauf von ling für das Industrial Metaverse erstellt werden kann. digitalen Gegenständen und die Erbringung von Dienst- leistungen gelten die zivilrechtlichen Vorschriften für Die dynamische Kombination unternehmensübergrei- Kauf- und Dienstverträge. Diese können auch zwischen fender Daten erfordert die semantische Beschreibung Avataren als digitale Verkörperung der hinter ihnen ste- von Daten. Semantische Merkmale sind z. B. im IEC henden Personen geschlossen werden. Common Data Dictionary (CDD), der IEC 62714 Auto- mation ML Modelle (www.automationml.org), der IEC Gewerblicher Rechtsschutz: Im Metaverse werden 62541 OPC UA Companion Spezifikationen (opcfounda- reale Güter, z. B. Gebäude, Kleidung oder Kunstwerke, tion.org) und in IEC 63278 Asset Administration virtuell abgebildet und gehandelt. Hier stellt sich die Shell Submodel-Templates (industrialdigitaltwin.org) Frage, ob und inwieweit Schutzrechte für reale Güter beschrieben. Sie stellen im industriellen Bereich eine vor virtuellen Nachbildungen zu schützen bzw. welche Basis für die Beschreibung von Konzepten dar. Sie ver- weiteren Schutzrechte zu beantragen sind. Dieselbe knüpfen normative Anforderungen an Produktionssys- Frage stellt sich auch für den Schutz rein virtueller teme mit Datenräumen. Relevante Standards für das Güter, die rechtlich i. d. R. Lizenz- und Nutzungsrechte Metaverse werden im Metaverse Standards Forum darstellen. Auch die (traditionell) lokale Reichweite von (metaverse-standards.org) gesammelt. Bei ISO und IEC Schutzrechten ist im grenzüberschreitenden Metaverse befindet sich darüber hinaus eine Joint Systems Evalua- eine praktische Herausforderung, ebenso wie die tion Group zum Thema Metaverse in Vorbereitung. Rechtsverfolgung und Rechtsdurchsetzung. Die heterogene Landschaft von Anbietern von industri- ellen Fertigungssystemen ist Herausforderung und Chance zugleich. Sie macht eine herstellerübergreifende und auf internationalen Standards basierende Interope- rabilität erforderlich. 5
Datenschutz: Datenschutzrecht ist im Metaverse zent- Rechtsverfolgung: Die Frage der Rechtsanwendung ral, da mehr und neuartige Arten von Daten erhoben wird häufig mit der Frage der Rechtsverfolgung ver- und verarbeitet werden. Ein Avatar generiert personen- wechselt. Nur weil eine geltende Rechtsvorschrift nicht bezogene Daten, die der dahinterstehenden (realen) wie bisher durchsetzbar ist, bedeutet dies nicht, dass das Person zugeschrieben werden. Dies beinhaltet neuar- Recht keine Geltung beansprucht. Im Metaverse ist zu tige Daten, z. B. über Mimik, Gestik, Gefühle sowie non- erwarten, dass (jedenfalls anfänglich) bei der Rechtsver- verbale Kommunikation, die umfassender, präziser und folgung zahlreiche tatsächliche und juristische Hürden in Kombination miteinander erhoben werden. Es stellen bestehen, insbesondere wenn die Identität der hinter sich folgende Fragen: den Avataren stehenden Personen/Vertragspartner nicht bekannt ist. Denkbar wäre daher, z. B. den Meta- • Wie werden datenschutzrechtliche Vorgaben (z. B. verse-Betreibern entsprechende (datenschutzkon- Information über die Datenverarbeitung oder Aus- forme) Auskunftspflichten über Avatar-Identitäten auf- übung von Betroffenenrechten) umgesetzt? zuerlegen oder KI basierte Regelwächter vorzuhalten, die die Einhaltung der Nutzungsregeln überwachen. • Wer ist für die Datenverarbeitung verantwortlich, z. B. beim Zusammenwirken von (zentralen) Plattformbe- treibern mit Akteuren im virtuellen Raum, wie dem Führung, Skills und Arbeit Inhaber einer virtuellen Werkhalle? Im Industrial Metaverse werden unzählige Daten • Wie wird die Sicherheit der Daten im Metaverse zusammengeführt und visuell aufbereitet. Digitale Zwil- gewährleistet, z. B. beim Missbrauch von Identitäten, linge erleichtern es den Beschäftigten, immer komple- Malware-Attacken auf VR- oder AR-Geräte sowie xere Sachverhalte zu begreifen und auf vertraute, natür- gehackten Avataren und Konten? liche Weise zu bearbeiten. Die Anwendungsbereiche sind vielseitig: von Training, Onboarding, Recruiting Arbeitsrecht: Auch im Metaverse müssen arbeitsrecht- über Planung und Entwicklung bis hin zu Firmenevents. liche Vorgaben eingehalten und kontrolliert werden (insbesondere Arbeitszeiten, Gesundheitsschutz, z. B. Durch technische Devices wie AR- und VR-Brillen oder beim Tragen von VR-Brillen, betriebliche Mitbestim- Hologramme werden Medienbrüche abgebaut und es mung etc.). Hier stellt sich die Frage nach dem anwend- entsteht ein Gefühl der Immersion im Industrial Meta- baren Recht, z. B. dem Recht des zentralen Plattform- verse. Kommunikation und Zusammenarbeit im Team betreibers des virtuellen Arbeitsplatzes oder des können damit eine neue Qualität gewinnen gegenüber Herkunftslands des jeweiligen Arbeitnehmers. Wenn ein dem asynchronen Austausch über E-Mail und Work- Arbeitnehmer in Deutschland im Rahmen einer Arbeit- flows. Darin kann gerade für körperlich eingeschränkte nehmerüberlassung im Metaverse für ein ausländisches oder örtlich verteilte Arbeitskräfte großes Inklusionspo- Unternehmen tätig ist, kommt eine internationale tenzial liegen. Auch kann die Führung wieder näher an Arbeitnehmerüberlassung in Betracht. Vom Arbeitgeber die Belegschaft heranrücken. Trotz Distanz kann sie zu beachten ist auch, inwieweit Arbeitnehmerdaten von Feedback geben oder bei besonders komplexen Aufga- Hard- und Software Dritter erhoben und adäquat ben virtuell anleiten oder Entscheidungen nachhalten. geschützt werden. Dadurch werden neben Zeit- auch Kostenersparnisse möglich, etwa durch die Reduzierung von Reisezeiten. Aufsichtsrecht: Das Aufsichtsrecht gilt auch im Meta- verse, z. B. bei der Abwicklung von Zahlungen. Hier ist Damit der Mehrwert voll zum Tragen kommt, muss die nicht nur an Kryptowährungen zu denken, sondern auch Unternehmensführung Experimente in der ganzen an Zahlungen unter Verwendung eines digitalen Euros. Breite der Organisation ermöglichen, nicht nur in tech- Dann gelten auch die entsprechenden Lizenzerforder- nologieaffinen Bereichen. Im experimentellen Raum gilt nisse für die Abwicklung von Zahlungen. es auch Qualifizierungsbedarfe in den Blick zu nehmen, 6
da durch das Metaverse Arbeitsaufgaben angereichert · Auch der Kundenservice (Support) von Produkten werden – vor allen in den Bereichen Planung, Simula- kann vereinfacht und beschleunigt werden. Einerseits tion und Projektarbeit. Gleichzeitig gilt es, erkannten können Produktionsmitarbeitende praktisch von Risiken gezielt entgegenzusteuern. Beispiele sind Ver- jedem physischen Shopfloor der Welt aus orts- und letzung von Datenschutzrechten, Identitätsdiebstahl zeitunabhängig Unterstützung in Anspruch nehmen und neue körperliche Beanspruchungen, etwa durch das (Remote Support). Andererseits kann Fachkompetenz lange Tragen von Datenbrillen. von jedem Ort der Welt aus bereitgestellt werden (Best Expert Anywhere). So werden auch geringer Von einem adäquaten Einsatz von IMV profitieren nicht Qualifizierte zu komplexen Aufgaben befähigt (Em nur die Kunden und die Belegschaft, sondern auch die powerment). Attraktivität des Unternehmens für zukünftige Genera- tionen an Arbeitnehmenden, die aktuell mit Gaming im Beispiele für die Effektivitätssteigerung durch Erhöhung Metaverse aufwachsen. der geschäftlichen Reichweite: · Marketing: Wie Anbieter in den konsumentenorien- Geschäftsmodelle tierten Metaversen können Produktionsunternehmen eine Präsenz im Metaverse dazu nutzen, sich und ihr Die Anwendungsmöglichkeiten des IMV unterstützen Angebot darzustellen und für potenzielle Kunden vir- bestehende Geschäftsmodelle von Produktionsunter- tuell „begreifbar“ bzw. erlebbar zu machen (z. B. in nehmen durch Prozessverbesserungen (Effizienzsteige- einem Virtual Showroom oder mithilfe eines 3D-Pro- rung). Weiterhin eröffnen sie Potenziale zur Erweite- duktkatalogs). rung von Geschäftsmodellen (Effektivitätssteigerung) oder zur Entwicklung neuer (digitaler) Geschäftsmo- · Vertrieb: Über das Marketing hinaus können Produk- delle. tionsunternehmen das Metaverse auch für konkrete Vertriebs-/Verkaufsaktivitäten nutzen – von einem Beispiele für die Effizienzsteigerung: Virtual Sales Office über virtuelle Kundenbesuche bis hin zu virtuellen Messen (Virtual Fairs). · In der Entwicklung können neue Produktentwürfe virtuell realisiert und mit den Kunden gemeinsam Für die Skalierbarkeit von Geschäftsmodellen ist wich- geplant und konstruiert werden. Sie können auch in tig, dass nicht jede der beschriebenen Leistungen ihrem ebenfalls virtuell realisierten Anwendungskon- zwangsläufig von einem Menschen erbracht werden text (z. B. ein Bauteil oder eine Baugruppe innerhalb muss. Avatare, die im Metaverse zu sehen sind, können einer Maschine, ein Gerät innerhalb einer Anlage) diese auch oftmals automatisch erbringen, was zu einer simuliert sowie aufwandsarm und gefahrlos getestet Hebelwirkung für die menschliche Arbeitsleistung führt. werden. Ansatzpunkte für neue (digitale) Geschäftsmodelle bie- · Die Fertigung neuer Produkte – aber auch der Betrieb tet das Metaverse, z. B. als virtuelle (Handels-)Plattform, neuer Fertigungsanlagen – kann bereits vorab im auf der Produktionsunternehmen ihre Kunden, Partner Metaverse simuliert und geprobt werden. Virtuell und Lieferanten in einem Marktplatzmodell zusammen- erzielte Lerneffekte können den Roll-out einer physi- bringen können. Weiterhin kann es als Interface zu digi- schen Produktion beschleunigen. Mitarbeitende kön- talen Datenräumen dienen und Produktionsunterneh- nen im Metaverse benötigte Fähigkeiten (Skills) erwer- men die Monetarisierung der von ihnen generierten ben, Erfahrungen sammeln und standortübergreifend Daten- und Informationsprodukte (z. B. Digitaler Zwil- bzw. weltweit Best Practices weitergegeben. linge) ermöglichen. 7
Marktstrukturen Fazit Verstärkt durch die Pandemie und den Angriffskrieg auf Industrie 4.0, Datenräume und das Industrielle Meta- die Ukraine, wird technologische Souveränität zuneh- verse sind zusammenhängende Themen, die verschie- mend als Standortfaktor diskutiert. Regierungen in dene Aspekte der digitalen Transformation von Indust- Europa, Nordamerika und Asien investieren substanzi- rieunternehmen umfassen. Jedes Konzept zielt darauf elle Summen in das industrielle Internet, Batterietech- ab, mit unterschiedlichen Technologien Wettbewerbs- nologie oder Mikrochips, um nur einige zu nennen. Das vorteile zu schaffen. Diese Ansätze sind miteinander Ziel: Marktführerschaft durch Vorsprung in Schlüssel- verbunden, da sie die Erfassung, gemeinsame Nutzung technologien und Resilienz durch Reduzierung von und Analyse von Daten umfassen, um effizientere und Abhängigkeiten. Auch für das Industrielle Metaverse ist effektivere industrielle Prozesse sowie neue Geschäfts- dies eine wichtige Debatte. Wichtig ist, dass es sich bei modelle zu ermöglichen. Durch die Schaffung sicherer dem Industriellen Metaverse um andere Player und und interoperabler Datenräume können Unternehmen Marktstrukturen handelt als in den Konsumentenlösun- Daten einfacher austauschen und die Leistungsfähigkeit gen. Hier spielen vor allen große B2C-Plattformunter- von Industrie 4.0-Technologien zur Optimierung ihrer nehmen eine große Rolle. Im industriellen Internet sind Abläufe nutzen. hingegen die Industrieunternehmen wesentlich. Hinter- grund ist, dass es hier Domain-Know-how in den unter- Das industrielle Metaverse stellt eine Möglichkeit dar, schiedlichen Applikationen braucht, um mit industriel- diese Daten auf intuitivere und immersive Weise zu len Anwendungen im Markt erfolgreich zu sein. visualisieren und mit ihnen zu interagieren, sodass Mit- arbeitende industrielle Prozesse besser verstehen und Aktuell sind die Abhängigkeiten von großen digitalen steuern können. Insgesamt stehen diese Konzepte für Plattformunternehmen für Anwendungen im IMV daher eine neue Ära der industriellen Transformation, die der als vergleichsweise gering einzuschätzen: Auch bei den Industrie mehr Effizienz, Flexibilität und Innovation Brillen/Headsets gibt es keine Abhängigkeit, da es eine bringen wird. Vielzahl an Anbietern gibt, z. B. auch europäische Fir- men wie Varjo. Auch entstehen deutsche und europäi- Viele Technologien sind bereits weit entwickelt oder sche Start-ups im 3D/Holo-Bereich, die zu einer zuneh- marktreif. Unternehmen können sich daher einen menden Diversifikation des Angebotes am Markt Marktüberblick verschaffen und ausgehend von ihren beitragen. Bei den Anbietern leistungsfähiger Grafik- Business Cases auf diese Technologien setzen. Karten (GPU) und von Simulations-Software gibt es hin- gegen wenige Akteure. Monopole zeichnen sich aber Standards und Initiativen im Bereich der Datenräume, derzeit nicht ab. wie Catena-X oder Mobility Data Space, stellen einen wichtigen Ausgangspunkt für die Dateninfrastrukturen Es gibt also die Chance für den Industriestandort dar und werden industrieweite Verbreitung finden. In Deutschland und Europa im Industriellen Metaverse diesem Zusammenhang ist besonders die unterneh- zum Leitanbieter und Leitanwender in industriellen mensübergreifende Zusammenarbeit bei der Entwick- Applikationen zu werden. Dafür ist es vor allem ent- lung von Anwendungsfällen relevant, um Optimierungs- scheidend, Ökosysteme und Datenräume zum gemein- potenziale nicht nur lokal, sondern global und über die samen Aufbau des Industriellen Metaverse aufzubauen gesamte Lieferkette hinweg umsetzen zu können. und bei der Umsetzung konkreter Anwendungsfälle zu kooperieren. Vor allem aber braucht es einen angemessen, Chancen und Risiken betrachtenden öffentlichen Diskurs über die verschiedenen Metaversen und ihre Unterschiede, damit gesellschaftliches Vertrauen entstehen kann. Zu diesem chancengeleiteten Diskurs möchte dieses Papier einen aktiven Beitrag leisten. 8
Literatur • Yogesh K. Dwivedi, et al. (2022): Metaverse beyond the hype: Multidisciplinary perspectives on emerging challenges, opportunities, and agenda for research, practice and policy; International Journal of Information Management • Dietmar Laß (2022): Fakt oder Fiktion? Technologien und Use Cases für das (Industrial) Metaverse; Fraunhofer IUK-Technologie • Jan Büchel, Hans-Peter Klös (2022): Metaverse: Hype oder „Next big thing”?; IW Köln • Rolf Illenberger (2022): The metaverse paradox: Why the industry needs standardization; World Economic Forum • McKinsey (2022): Digital twins: From one twin to the enterprise metaverse • Blockchain Council: Web 3.0 Vs. Metaverse: A Detailed Comparison • Plamen Kiradjiev (2022): Dinosaurs in the Metaverse – Will manufacturers in Europe survive the impact of the new Internet • Bitkom (2022): Wegweiser in das Metaverse. Technologische und rechtliche Grundlagen, geschäftliche Potenziale, gesellschaftliche Bedeutung • Nishant Batra (2023): The metaverse will make its biggest impact on industry. Here's why; World Economic Forum • MIT Technology Review Insights (2023): The emergent industrial metaverse, MIT März 2023 AUTORINNEN UND AUTOREN Angelina Marko, Bitkom e.V. | Christoph Plass, Unity AG | Diemar Kuttner, Siemens AG | Dietmar Laß, Fraunhofer IUK | Erfan Bashiri, Unity AG | Erich Barnstedt, Microsoft | Frank Piller, RWTH Aachen | Henning Heinrich, Jones Day | Jens Gayko, VDE e.V. | Jonas Wirth, Trumpf SE + Co. KG | Julia Görlitz, IG Metall | Martin W. Hoffmann, ABB Corporate Research | Nick Wittek, Jones Day | Nils Madeja, Technische Hochschule Mittelhessen | Paul de Beauregard, Jones Day | Plamen Kiradjiev, German Edge Cloud | Sascha K. Müller, HDI Global SE | Sicco Lehman Brauns, Siemens AG | Svenja Falk, Accenture Research | Ted Kroke, Juricity | Tobias Guggenberger, Fraunhofer ISST | Undine von Diemar, Jones Day DIE VORLIEGENDE PUBLIKATION IST DAS ERGEBNIS DER ARBEIT EINER ARBEITSGRUPPENÜBERGREIFENDEN KOLLABORATION DER PLATTFORM INDUSTRIE 4.0. BILDNACHWEIS: ISTOCKPHOTO, METAMORWORKS / PLATTFORM INDUSTRIE 4.0 KONTAKT: GESCHÄFTSSTELLE PLATTFORM INDUSTRIE 4.0, BÜLOWSTRASSE 78, 10783 BERLIN GESCHÄFTSSTELLE@PLATTFORM-I40.DE 9
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