INHALT "Emotionen funktionieren perfekt" - KU.edoc

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Evangelischer
                                                                            Pressedienst

                                                                 28. Februar 2020
         Frankfurt am Main      I   www.epd.de
                                                                                       9

INHALT „Emotionen funktionieren perfekt“
        Ein epd-Gespräch mit den Medieninstitutsleitern Birgit Stark und Matthias Cornils      3

        Redaktionen zukunftsfähig machen
        Der Transfer zwischen Medienwissenschaft und Praxis / Von Klaus Meier                  7

        Inland
        KEF empfiehlt Anhebung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent                                 11
        KEF: Vergütungen bei Öffentlich-Rechtlichen erhöht                                     12
        Landesmedienanstalten erneuern Kritik an Jugendmedienschutzplänen                      13
        BGH: Nachvergütung für „Das Boot“-Kameramann neu prüfen                                14
        Tichy unterliegt beim Landgericht gegen Claudia Roth                                   15
        Mehr Angriffe auf Journalisten in Deutschland                                          15
        „Spiegel“ richtet Ombudsstelle für Hinweise zur Berichterstattung ein                  16
        „Westfälische Nachrichten“ in Münster erweitern Chefredaktion                          17
        Fehlende Infektiologen sind „vergessenes Thema“ des Jahres                             18
        Bedford-Strohm: Beratungen über Journalistenschule ergebnisoffen                       18
        Weitere Inlandsmeldungen ab Seite                                                      19

        Internationales
        BBC-Vorsitzender Clementi fordert Erhaltung der Rundfunkgebühr                         24
        Anhörung zu Auslieferungsantrag gegen Assange gestartet                                25
        Prozess gegen Mesale Tolu erneut vertagt                                               26
        Tansanischer Journalist Kabendera aus Untersuchungshaft entlassen                      26

        Kritik
        VOR-SICHT: „Tatort: Die Nacht gehört dir“ von Färberböck/Schuchmann (ARD/BR)           27
        „Über die Grenze“ von Rotwitz/Wild/Muser/Unger (ARD/SWR/Degeto)                        28
        „Arctic Circle - Der unsichtbare Tod“ von Salonen/Tena/Jónasson/Peltomaa (ZDF)         29
        „Chez Krömer“ mit Kurt Krömer (RBB)                                                    30
        „Die Story im Ersten: Kinder machen Druck“ von Borchardt/Stratmann (ARD/NDR)           31
        „Das Kino ist tot, es lebe das Kino!“ von Thomas Schadt (Arte/SWR/RBB)                 31
        „Neustart fürs Gehirn - Wege aus der Depression“ von Julia Zipfel (3sat/ZDF)           33
        „37°: Wir ticken anders - Leben mit Tourette“ von Iris Bettray und Julia Weber (ZDF)   34
        „When Weather was Wildlife“ von Werner Cee (SWR2)                                      35
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litischer Relevanz und die Meinungsmacht in sozialen         Stark: Die sind sehr gut. Unsere Absolventinnen und
Medien zu erfassen.                                          Absolventen gehen in die Sendeanstalten, in Kanzleien,
                                                             in Landesmedienanstalten, in die Politik...
Sie bieten einen berufsbegleitenden Weiterbildungs-
studiengang im Medienrecht an. Wie sehen denn die            Cornils: ...und sehr oft in Führungspositionen.         I
Aussichten Ihrer Absolventen auf dem Arbeitsmarkt aus?

Redaktionen zukunftsfähig machen
Der Transfer zwischen Medienwissenschaft und Praxis / Von Klaus Meier
epd Dieser Text beginnt mit einer paradoxen Fest-            für Forschungsprojekte werden aus wissenschaftlichen
stellung: Der Transfer zwischen geistes- und sozial-         Wissenslücken heraus formuliert.
wissenschaftlicher Wissenschaft und gesellschaftlicher
und beruflicher Praxis ist im Grunde genommen nur               Forschungskooperationen
sehr schwer möglich, ja zunehmend schwierig - und
gleichzeitig doch dringend nötig. Nötiger denn je in            epd Angesichts des rasanten Medienwandels
Anbetracht gesellschaftlicher Strömungen, die über-             wünschen sich Medienunternehmen zuneh-
prüfte Fakten infrage stellen. Die Beschreibungen und           mend Beratung von Medienwissenschaftlern.
Reflexionen, die eine solche Paradoxie feststellen, füllen      Doch der Dialog zwischen Forschern und Medi-
seit Jahrzehnten ganze Regalmeter.                              enpraktikern ist von vielen Vorurteilen verstellt:
                                                                Die Praktiker werfen den Wissenschaftlern
In jüngster Zeit werden die Rufe lauter, dass die               gern vor, sie forschten im Elfenbeinturm, die
Gesellschaft auf evidenzbasiertes Wissen angewiesen ist         Medienwissenschaft wiederum möchte ohne
und dass deshalb „zur Verantwortung der Wissenschaft            Verwertungsdruck forschen. Klaus Meier, Pro-
auch der wechselseitige Dialog mit der Gesellschaft             fessor für Journalistik an der Katholischen Uni-
gehört“, wie es das Bundesministerium für Bildung und           versität Eichstätt-Ingolstadt, plädiert in diesem
Forschung in einem Grundsatzpapier im November 2019             Beitrag für Forschungskooperationen zwischen
formulierte. Dialog und Kommunikation sind jedoch nur           Medienunternehmen und Journalistikinstituten
ein Aspekt eines umfassenden Transfers. Es ginge um             und für eine bessere Verzahnung von Studium
viel mehr, könnte die Paradoxie aufgelöst werden.               und journalistischer Ausbildung. Der Artikel
                                                                basiert auf einem Vortrag, den Meier am
Unterschiedliche Welten                                         7. November bei der Medienversammlung der
                                                                Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen
 Wie ist heutzutage ein Transfer zwischen der Journalistik      hielt. Für die intensive Verknüpfung von Theo-
- als forschende Disziplin und akademische Lehre - und          rie und Praxis erhielt Meier 2017 den Ars-
 der journalistischen Praxis möglich? Dieser Beitrag            legendi-Preis für exzellente Hochschullehre
 sucht zu ergründen, welche Arten von Transfer wie und          des Stifterverbands für die Wissenschaft und
 mit welchen Konsequenzen möglich sind. Dabei müssen            der Hochschulrektorenkonferenz.
 zunächst die grundsätzlichen Klüfte unter die Lupe
 genommen werden: der Graben zur wissenschaftlichen
 Forschung und der zur Lebenswelt der Studierenden.          Die Regeln und Zwänge wissenschaftlichen Arbeitens
                                                             haben sich in den letzten Jahren sogar noch verschärft:
Wissenschaft und journalistische Praxis sind zwei un-        Durch die zunehmende projektorientierte Drittmittel-
terschiedliche Welten mit eigenen Regeln und Logiken.        finanzierung von Universitäten müssen immer wieder
Hier trifft zu, was die Transferforschung seit vielen        Projektanträge geschrieben werden; dazu ist es förder-
Jahrzehnten für alle Wissensgebiete, vor allem für die       lich, international, also englischsprachig, zu publizieren.
Geistes- und Sozialwissenschaften, mit „two Commu-           Anträge und Publikationen werden kontrolliert durch
nities“ meint. Forschung produziert Grundlagenwissen,        „Peer Review“, also Gutachten, die ausschließlich aus der
frei von Verwertbarkeitsdruck, entwickelt und überprüft      Wissenschaft kommen, meist aus anderen Ländern. Kein
Theorien und betrachtet dabei auch immer die me-             Wunder, dass erfolgreiche Forscher sich immer mehr an
thodische Reflexion - also den Weg, der zum Wissen           Kollegen der eigenen Zunft, zunehmend international,
führt - und nicht nur das Ergebnis. Fragestellungen          orientieren.
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    Zugleich - und das betrifft wieder unser Paradoxon          Diese Art des Transfers trägt zum gegenseitigen Ver-
    - sollen unter Schlagworten wie „Third Mission“ Uni-        ständnis bei und kann Impulse auf beiden Seiten mit
    versitäten darauf achten, nicht nur die Aufgaben in         sich bringen, zumindest zum Nachdenken anregen. Aber
    Forschung und Lehre ernst zu nehmen, sondern auch           letztlich verlässt man die sichere Basis der eigenen Welt
    etwas für die Gesellschaft zu tun, und zwar direkt im       nicht, und wer sich mehr als fruchtbare Irritationen
    unmittelbaren Umfeld. An Wissenschaftlern zerren also       erhofft, wird enttäuscht, weil einerseits die massenhaft
    viele widersprüchliche Erwartungen.                         produzierten wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht in
                                                                die Routinen des redaktionellen Alltags einfließen kön-
     Auf der anderen Seite, also auf der Seite des Journa-      nen - und weil andererseits die Fragen, die aus der
     lismus, gab es traditionell nie ein besonderes Interesse   Praxis kommen, nicht so erforscht werden, dass die
     an Journalismusforschung, was bis zur Verachtung der       Praxis unmittelbar etwas davon hat, sondern gemäß
     Wissenschaft ging. Journalismus begriff sich nicht als     den Regeln der Wissenschaft in Projekte transformiert
     Profession, also als akademisch fundierter Beruf wie       werden, die wissenschaftsinternen Regeln folgen. For-
     Arzt, Jurist oder Lehrer, sondern als Handwerk, das im     scher tauchen in Redaktionen auf, befragen, führen
     Learning-by-Doing-Verfahren eingeübt wird.                 Interviews, analysieren Medieninhalte, nehmen die so
                                                                empirisch gewonnenen Daten mit - und publizieren die
    Dies hat sich in Zeiten des rasanten Medienwandels          Auswertungen in den Journals der scientific community.
    allerdings geändert: Redaktionen stehen unter Innova-
    tionsdruck, sind in Zukunftsfragen aber ziemlich ratlos,    Interaktive Innovationsforschung
    wenn sie sich rein auf das tradierte Handwerkswis-
    sen verlassen. Neben dem Handwerk wird deshalb das          Für den zweiten Typ ist der Begriff Transferforschung
    „Kopfwerk“ zunehmend relevant: Neue Formate, Or-            treffend. Sie folgt dem Ideal, dass die Veränderung
    ganisationsformen oder Finanzierungsmodelle werden          sozialer Praxis nicht nur Gegenstand, sondern auch Ziel
    in rascher Folge entwickelt und getestet, importiert,       wissenschaftlicher Forschung und Teil des Ergebnisses
    nachgemacht, verändert oder verworfen. Innovations-         sein kann. Der Transfer wird von Anfang an in alle For-
    abteilungen und Entwicklungsredaktionen werden in           schungsschritte einbezogen: von der Fragestellung über
    Verlagen und Rundfunkanstalten abseits redaktioneller       die Auswertung und Interpretation der Ergebnisse bis
    Routine gegründet - und sie begreifen recht schnell,        zur zumindest teilweisen Implementierung in der Praxis.
    dass sie ihren Aufgaben nur nachkommen können, wenn         Die sozialwissenschaftlichen Konzepte dazu werden
    sie auf Forschungsergebnisse zugreifen oder sogar selbst    international als „Action Research“ (Aktionsforschung)
    Forschung betreiben, etwa Forschung zum Nutzungs-           bezeichnet, und sie werden seit ein paar Jahren verein-
    verhalten ihres Publikums oder zur Attraktivität (neuer)    zelt in einigen Ländern in der Journalismusforschung
    redaktioneller Angebote.                                    angewandt.

     Fruchtbare Irritationen                                    Ich habe diese Art der Forschung vor gut zehn Jah-
                                                                ren als „interaktive Innovationsforschung“ bezeichnet
     Die ehemalige Ignoranz ist einer Erwartungshaltung         - auf Basis eines Pilotprojekts mit der Austria Presse
     gewichen: Von der Wissenschaft werden verwertbare          Agentur (APA) bei der Übersiedlung in einen großen
     Erkenntnisse mit Zukunftsgarantie (How-to-do-Wissen)       Newsroom - und die Ansätze seitdem zusammen mit
     und Mut zur pointierten Äußerung in Zukunftsfragen         Studierenden verfeinert. Dieser etwas umständliche Be-
     („What do you think?“statt „What do we know?“) er-         griff verweist darauf, dass Journalisten nicht nur Objekte
     wartet. In dieser komplexen und widersprüchlichen          der Forschung sind, sondern am Forschungsprozess teil-
     Gemengelage lassen sich zwei Typen von Bemühungen          haben. Natürlich folgen die Projekte wissenschaftlich-
     identifizieren, die versuchen, die Kluft zwischen Wis-     methodischen Regeln und die Ergebnisse werden häufig
     senschaft und Praxis zu überwinden und die Paradoxie       auch wissenschaftlich publiziert, aber wenn sich durch
     aufzulösen:                                                Aktionen als einzelne Forschungsschritte die Arbeits-
                                                                weisen oder Einstellungen der Journalisten ändern, ist
     Den ersten Typ bezeichne ich als Fernglastransfer: Die     das ein Teil der Projektergebnisse.
     jeweilige Seite blickt mit dem Fernglas über die Kluft.
     Gemeint ist damit, dass Journalisten Bücher oder Auf-      Diese avisierten Veränderungen sind nicht auf öko-
     sätze von Wissenschaftlern lesen, wissenschaftliche        nomischen Medienerfolg bedacht, sondern sie folgen
     Tagungen besuchen und durchaus intensive Gespräche         journalistischen Qualitätsvorstellungen, die auf der Rolle
     mit Wissenschaftlern führen. Und dass Wissenschaft-        des Journalismus in der demokratischen Gesellschaft
     ler kurze Beiträge für Praxis-Zeitschriften schreiben,     gründen.
     bloggen, sich auf Social Media äußern oder Redaktions-
     konferenzen und Praxistagungen besuchen.
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Am Masterstudiengang „Journalistik mit Schwerpunkt         konnten oft unter Hunderten von Bewerbungen für
Innovation und Management“ an der Katholischen             Volontariate auswählen.
Universität Eichstätt-Ingolstadt verfolgen wir dieses
Konzept der Transferforschung in Lehrforschungsprojek-     Dass sich das inzwischen gründlich geändert hat, zeigt
ten und Masterarbeiten, zum Beispiel in Kooperation        der trockene Spruch von Michael Busch, Redakteur beim
mit dem Bayerischen Rundfunk, dem „Spiegel“ oder den       „Fränkischen Tag“ und Vorsitzender des Bayerischen
„Nürnberger Nachrichten“.                                  Journalistenverbands, der in der taz vom 26. August
                                                           2019 zitiert wird: „Früher suchte man nach dem Besten
Aktives Publikum                                           der Besten. Und heute nach dem Besten der Schlechten.“

Ein anschauliches Beispiel ist die Abschlussarbeit von     Offenbar klafft inzwischen eine Kluft zwischen einerseits
Sarah Beham, die vor kurzem mit dem „Preis für die         der Lebenswelt und den Berufswünschen von Studieren-
beste Masterarbeit“ an unserer Universität ausgezeich-     den und andererseits dem, was ihnen in Redaktionen
net wurde. Für ihre Arbeit zum Thema „Redaktionelle        geboten wird:
Wege zur Stärkung des Vertrauens in Lokaljournalismus“
hat sie mit der Redaktion der „Deggendorfer Zeitung“       Studierende wünschen sich eine angemessene Work-
kooperiert und einen interaktiven Prozess initiiert: Sie   Life-Balance, verlässliche Berufs- und Gehaltsperspek-
stellte eine vielfältige Gruppe von zwölf Leserinnen und   tiven, Selbstentfaltung mit Kreativität und Freiheit -
Lesern zusammen, die nach intensiver Zeitungslektüre       und ein Leben in der Großstadt. Wenn sie zu einer
in einem Workshop Vorschläge zur Verbesserung erarbei-     Regionalzeitung in die Provinz kommen sollen, muss
teten, welche die Studentin danach in einem Workshop       ihnen gerade bei den ersten Punkten mehr geboten
der Redaktion vermittelte. Die Redaktion setzte Vor-       werden. Gleichzeitig sind etliche von ihnen schon vor
schläge um, die wiederum von den Lesern nach ein paar      dem Volontariat crossmedial ausgebildet und bringen
Wochen evaluiert wurden. Das Projekt mündete in einen      wissenschaftliches Wissen, Erfahrung und Herzblut ge-
Zehn-Punkte-Plan, mit dem sich die Redaktion zum           rade in den Bereichen mit, die für die Zukunftsfähigkeit
Beispiel Fehlerkorrekturen, Transparenzrubriken oder       von Redaktionen und Medien entscheidend sind - zum
eine verstärkte Interaktion mit den Lesern vornimmt.       Beispiel zum Umgang mit Social Media, zum veränder-
                                                           ten Publikumsverhalten oder zu alternativen Formaten
Theoretische Basis des Projekts war wissenschaftliches     und Organisationsformen im Journalismus.
Wissen zur Wirkung von Transparenz im Journalismus
und zum Umgang mit einem aktiven Publikum. Damit           Investition in die Wettbewerbsfähigkeit
kein Missverständnis entsteht: Beide Arten von Transfer
sind wertvoll. Während der Fernglastransfer einfacher      Studien und Konferenzen, die wir von der „Initiative
möglich ist und deshalb weitgehend risikolos in der        Qualität im Journalismus“ unter dem Motto „Die Besten
Breite angewandt wird, geht die Transferforschung in die   gewinnen“ und unter Leitung von Ulrike Kaiser zwischen
Tiefe und kann Journalismus in einzelnen Redaktionen       2013 und 2016 durchgeführt haben, stellten eine
unmittelbar verbessern.                                    große Bandbreite an Qualitäten des Volontariats und
                                                           des redaktionellen Alltags fest: In vielen Redaktionen
Aber für beides gilt: Zukunftsfähige Entscheidungen        herrscht ein hoher zeitlicher Druck, kaum Ausbildung,
müssen die Redaktionen und Medienunternehmen schon         Volontäre werden als billige Arbeitskräfte missbraucht,
selbst treffen, das kann ihnen die Wissenschaft nicht      unter Tarif bezahlt und sie arbeiten in einem kreativitäts-
abnehmen. Und: Guter Rat aus der Forschung ist             und innovationsfeindlichen Umfeld.
natürlich auch wesentlich einfacher, als Entscheidungen
in Transformationsprozessen zu treffen, die Mitarbeiter    In anderen Redaktionen dagegen werden Volontäre als
herausfordern oder ihnen wehtun oder die Unternehmen       Bereicherung gesehen, als Investition in die Wettbe-
im Zweifelsfall sogar noch mehr in den Abgrund stoßen.     werbsfähigkeit einer Redaktion und eines Unternehmens.
                                                           Die Unternehmen gehen gezielt Ausbildungskoopera-
Kreativität und Freiheit                                   tionen ein, integrieren digitale Kanäle in die Redaktion
                                                           und in die Ausbildung und leben vor allem eine Kul-
Eine im Detail ganz anders gelagerte Kluft ist im          tur des Übens und Scheiterns, des Ausprobierens und
Verhältnis zwischen Studierenden und journalistischer      Experimentierens. Es liegt auf der Hand, dass solche
Praxis aufgebrochen. Im Juli 2006 titelte der Spiegel      Redaktionen erheblich dazu beitragen, die Kluft zu
„Generation Praktikum“ und beschrieb damit treffend        überwinden.
die Situation bis vor zehn Jahren: Junge Interessenten
standen vor Redaktionstüren Schlange, Praktika gingen      Innovative Redaktionen gehen in dieser Hinsicht aber
weg wie warme Semmeln und Ausbildungsredakteure            noch einen Schritt weiter. Sie flexibilisieren das Vo-
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      lontariat: Zum einen werden die Ausbildungsinhalte        „Augsburger Allgemeine“, „Mittelbayerische Zeitung“
      abgestimmt auf das, was Volontäre schon an Kompe-         und „Nürnberger Nachrichten“.
      tenzen mitbringen; fruchtbringendes Wissen sollte in
      den redaktionellen Alltag eingebracht werden können       Traditionelle Kooperation zwischen Journalistik-
      und nicht im standardisierten Ausbildungsprozess der      Studium und Volontariat: Dafür gibt es seit Jahr-
      redaktionellen Routine geopfert werden und verloren       zehnten bereits Modelle, zum Beispiel beim Vorreiter an
      gehen. Das bedeutet für den einen Volontär ein im         der TU Dortmund, aber auch an der Universität Leipzig
      Detail anderes Programm als für einen anderen.            oder der FH Kiel. Die Frage ist, ob solche ins Studium in-
                                                                tegrierten Volontärspraktika aus der langen Tradition des
      Zum anderen sollte eine verlässliche Zukunftsperspek-     weitgehend von Studium und Wissenschaft losgelösten
      tive eröffnet und deshalb für bestimmte Tätigkeiten im    Learning by Doing in der Redaktion ausbrechen kön-
      Anschluss an das Volontariat ausgebildet werden, die      nen und innovativen und beidseitigen Wissenstransfer
      in der Redaktion demnächst gebraucht werden, also         zwischen Forschung und Praxis strukturell vorsehen.
      zum Beispiel für den einen ein Fokus auf Recherche und
      Reportage, für einen anderen auf Audience Engagement      Innovative Kooperation bei Ausbildung und Transfer:
      oder auf Editing und Themenmanagement.                    In einem Pilotprojekt der Eichstätter Journalistik und der
                                                                „Mainpost“ in Würzburg wird das Volontariat mit einer
      Alles in allem braucht es neben einer Flexibilisierung    Doktorarbeit kombiniert. Eine Volontärin durchläuft in
      auch einen neuen Blick auf mögliche Kooperationen.        drei Jahren Ausbildungsphasen und erhält zudem gleich-
                                                                wertig Raum für Transferforschung, die offene Fragen
      Folgende Beispiele zeigen Entwicklungspotenziale und      aus der redaktionellen Praxis mit wissenschaftlichen
      Innovationen:                                             Fragestellungen verknüpft und bei der Untersuchung
                                                                Methoden der Aktions- wie der interaktiven Innovati-
      Flexibilisierung: Bei den „Nürnberger Nachrichten“        onsforschung anwendet.
      werden die Volontäre nach einem gemeinsamen Aus-
      bildungsteil für einen redaktionellen Bereich speziell    In Deutschland wird zunehmend darüber diskutiert,
      geschult: entweder als Reporter oder Editoren oder        wie Journalismus im Hinblick auf eine funktionierende
      Themen- und Produktplaner. Chefredakteur Michael          Demokratie unterstützt werden kann - sowohl durch
      Husarek sagt: „Mit Beginn des Volontariats werden viele   Stiftungen als auch durch staatliche Subventionen.
      Weichen für die künftige Redaktionsstruktur bereits       Dafür braucht es Kriterien und Regeln sowie Institu-
      gestellt.“                                                tionen, die transparent und unabhängig entscheiden,
                                                                wer unter welchen Bedingungen Förderung bekommt.
      Neue Kooperationen: Die Deutsche Journalistenschule       Staatliche Gießkannen-Subventionen für die Zustellung
      in München kooperiert mit Regionalzeitungsverlagen bei    der gedruckten Tageszeitung - wie zurzeit vom Bund ge-
      einem neu entwickelten „DJS-Fellowship“: Journalisten-    plant - mögen den steigenden Kostendruck der Verlage
      schüler gehen für drei Monate und für mindestens das      ein kleines bisschen mindern, aber sie sind wenig zu-
      Volontärsgehalt in eine Partnerredaktion in bayerischen   kunftsweisend. Die Förderung von Journalismus müsste
      Regionen, sollen dort Impulse aus ihrem Vorwissen aus     ebenso an Qualität und Attraktivität der Ausbildung
      Studium und Journalistenschule setzen und die Arbeit      wie an redaktionelle Strategien gekoppelt werden, die
      bei der Regionalzeitung schätzen lernen. Partner sind     Innovationen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse
                                                                entwickeln, testen, evaluieren und verbessern.       I
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